Inhalt

Unsere Heimat in der Urzeit und im christl. Altertum ...... 1 Unsere Heimat zur Römer- und fränkischen Zeit ...... 4 Die Entstehung der Dörfer in unserer Heimat in der fränkischen Zeit 495-843 ...... 8 Geschichtliche Entwicklung ...... 11 Kirchentum, Entwicklung des Christentums ...... 14 Kriegsbegebenheiten ...... 19 Schmalkaldischer Krieg ...... 20 Der Dreißigjährige Krieg ...... 20 Das Revolutionsjahr 1848 ...... 24 Der Bruderkrieg 1866 ...... 26 Der Krieg 1870/71 ...... 26 Der Weltkrieg 1914/18 ...... 26 Gerichtsbarkeit ...... 28 Steuer und Abgaben in früherer Zeit ...... 31 Unser Heimatort Mömlingen in früherer Zeit ...... 34 Das Dorfgericht ...... 34 Urkunden ...... 34 Leibeigenschaft ...... 41 Hexenzeiten ...... 43 Mimlingen, Mömblingen, Mömlingen und seine Angrenzer ...... 45 Unsere Heimatgegend war in früheren Zeiten vulkanisch ...... 47 Hausen ...... 48 Centbuch Ostheim um 1506 über Marienstatthausen ...... 50 Der „Breuberg“ ...... 55 Die Grafschaft Erbach ...... 57 Die Entstehung des „Breuberg“ und dessen Herren nach der Darstellung von hessischen Geschichtsforschern ...... 57 Der Commende Mosbach ...... 59 Der Warturm bei Schaafheim ...... 61 Mainhausen ...... 64

III Der römische Altarstein am Neustädter Hof ...... 68 Das Mutterkirchlein am Neustädter Hof ...... 70 Der Friedhof...... 73 Die Täuferbrunnen...... 73 Die zwei Burgen am Neustädter Hof ...... 74 Der Neustädter Hof ...... 77 Der Lauterhof ...... 80 Der ehemalige Reichardshäuser Hof zu Großwallstadt ...... 81 Die Tempelherren ...... 84 Die Freiherr von Kunibertschen Waldungen ...... 86 Der Grafenwald ...... 87 Die Lieb’sche Familie ...... 87 Die Mümling ...... 88 Der Orlis-Busch als Centviehweide ...... 90 Die Hasel- oder Häselsburg ...... 92 Der Falkenstein ...... 93 Der Reiterspfad ...... 94 Der Eselspfad ...... 94 Jagd ...... 95 Revierjägerei ...... 96 Verzeichnis der Preise von Lebensmitteln ...... 98 Räuber in unserer Heimatgegend Der Betteljoseph ...... 99 Der Schinderhannes ...... 100 Der 30jährige Krieg und seine Folgen für unsere Heimatgegend ...... 102 Der Orlis-Berg mit dem Orlis-Wald ...... 109 Fischers-Kreuz ...... 112 Ringenheim ...... 113 Bibigheim ...... 113 Obernburg ...... 114 Eisenbach ...... 115 Die Herrschaft Breuberg ...... 115 Krankheiten und Pest ...... 117 Die Juden in früherer Zeit ...... 120 Die Huben auf der Orlisberghöhe ...... 122 Nachtrag zur Heimatgeschichte ...... 126

IV Entstehung und Entwicklung unseres Heimatortes Mömlingen ...... 129 Der Ort Mömlingen ...... 131 Kirchliche Entwicklung unserer Heimatgemeinde Mömlingen ...... 136 Der Kirchenbau zu Mömlingen 1774 – 1777 ...... 140 Die Erbauer ...... 141 Die Pfarrkirche zu Mömlingen ...... 144 Die Kirchenglocken ...... 147 Das Kirchenvermögen ...... 148 Der alte Friedhof ...... 149 Der heutige Friedhof ...... 151 Kirchliche Feiertage ...... 152 Wallfahrten und Prozessionen ...... 154 Alte Pfarrgräber ...... 155 Das Pfarrhaus ...... 156 Das Einkommen der Pfarrer ...... 156 Schulwesen ...... 158 Das Gehalt der Lehrer ...... 159 Die Schulen zu Mömlingen ...... 160 Die St. Josefskapelle ...... 162 Die St. Wendelinuskapelle ...... 164 Der Platz bei der Wendelinuskapelle ...... 164 Kreuze und Bildstöcke ...... 166 Die Bildstöcke ...... 166 Das rote Kreuz an der Straße gegen Waldamorbach - Dorndiel ...... 166 Das rote Kreuz an der Straße gegen Pflaumheim - Großostheim ...... 167 Das rote Kreuz auf der Feldhöhe ...... 167 Das Wingertskreuz ...... 168 Das steinerne Kreuz ...... 168 Standbild des hl. Johannes Nepomuk bei der Wendelinuskapelle ...... 168 Bildstöcke von Stein ...... 169 Die Marterlsteine...... 170 Alte Grabsteine ...... 175

V Das Rathaus ...... 176 Hochwasser und Wolkenbrüche ...... 179 Grundwasser ...... 181 Die Hagelschläge ...... 183 Von Bränden und Feuersgefahr ...... 184 Der Schneidtsche Hof ...... 185 Der ehemalige Fürstliche Hof ...... 187 Der Römerturm auf der Berghöhe ...... 190 Ausgrabungen am Römerturm (Altmauer) ...... 191 Ein Römergrab auf der Berghöhe Kohlenhausen ...... 192 Ein altfränkisches Gräberfeld? ...... 192 Die Eisengrube ...... 194 Das Mühlhansen-Loch ...... 194 Der Basaltbruch um Buchberg ...... 195 Die Steinbrüche ...... 197 Die Schwedenschanz ...... 199 Mümlingbrücken ...... 200 Die Wallauer Mühle ...... 201 Die Ziegelhütte ...... 202 Das unbekannte Bauwerk auf der Engelspitze ...... 203 Die Räuberhöhle im Scherder ...... 204 Der Pechofen ...... 204 Die Juden ...... 205 Ortsviehweide ...... 207 Prozesse ...... 208 Die Commende-Äcker ...... 210 Absteinungs-Urkunde ...... 212 Die Jesuiten-Äcker ...... 213 Die Äcker in den Lösern ...... 214 Weinbau ...... 215 Hanfbau ...... 216 Zwetschgendörre ...... 218 Straßen und Wege ...... 219 Hans Memling ...... 221 Von oder van Hör? ...... 223 Allerlei Begebenheiten ...... 223 Mömlingen während der Kriegszeit 1914 - 18 ...... 232

VI Der Waldhannes ...... 237 Die Holzdraisine ...... 240 Die Pest ...... 240 Sitten und Gebräuche: Die Spinnstube ...... 242 Die Klapperbuben ...... 243 St. Nikolaus ...... 244 Walpurgisnacht ...... 244 Maibaum ...... 245 Patengeschenke ...... 245 Der Christbaum ...... 245 Die Faschingstage ...... 246 Das Kirchweihfest ...... 246 Gemarkungs- und Landesgrenzsteine ...... 248 Feldvermessung ...... 249 Die Hausnummern ...... 250 Heckengrenzen ...... 252 Feld- und Waldbenennungen ...... 254 Flur- oder Feldbenennungen der Gemarkung ...... 255 Allerlei Wissenswertes: Die Erwerbung des Fürstl. Löwensteiner Hofgutes zu Mömlingen im Jahr 1896 ...... 266 Das nicht vorhandene Sanatorium ...... 268 Gasthäuser aus alter und neuerer Zeit ...... 269 Rathaus- und Kirchenplatz ...... 269 Der Pröbelsbrunnen ...... 270 Allerlei Begebenheiten ...... 271

VII

Vorwort Die Geschichte der Gemeinde Mömlingen, welche ich so wahrheitsgetreu als möglich hier niederschreibe, ist zusammengestellt aus mündlicher und schriftlicher Überlieferungen. Die Ausgrabungen und Funde in jüngster Zeit sind ebenfalls miteinbegriffen und verwertet.

Die mündliche Überlieferung kann Anspruch auf vollkommene Glaubwürdigkeit erheben. Die schriftlichen Überlieferungen sind entnommen dem kirchlichen Archiv dahier, dem Centbuch Ostheim, dem Archiv vom Breuberg, der Commende Mosbach, dem Staatsarchiv Würzburg und den Aufzeichnungen meines Großvaters. Aus dem Gemeindearchiv konnte nichts entnommen werden, da es nach dem Weltkrieg vernichtet wurde. Dieses ist von großem Nachteil für die Darstellung der Ortsgeschichte, da die Bearbeitung nur nach mündlichen Überlieferungen und ohne Jahreszahlen zusammengestellt werden mußte.

Das meiste Material lieferte das Kirchenarchiv, welches im Jahre 1673 von Pfarrer Morhard angelegt wurde. Das alte Kirchenarchiv, welches bis zum 30-jährigen Kriege reichte, ist ebenfalls nicht mehr vorhanden.

Wertvolles und reichhaltiges Material aus dem Peter und Alexander-Stift befindet sich im Bayer. Staatsarchiv zu Würzburg. Dieses Material war mir leider zur Verwendung nicht erreichbar. Es ist in lateinischer Sprache geschrieben und muß am Ort der Aufbewahrung bearbeitet werden.

Vielleicht bringt die Nachwelt den Mann, der diese Arbeit ausführt, meine Aufzeichnungen vervollständigt und dieses wertvolle, reichhaltige Material der Ortsgeschichte beifügt.

Mündliche Überlieferungen und schriftliche Aufzeichnungen sind miteinander verflochten; die Quellenangabe immer beizufügen, war zu umständlich und hindernd. Einige Aufzeichnungen sind vielleicht durch das Material im Staatsarchiv (Geschichte – Mimlingen) richtig auszubauen. (Schneidsche Hof - Hans Memling).

Die Aufzeichnungen sind zerlegt in Heimat- und Ortsgeschichte. Die Heimatgeschichte umfaßt, was geschichtlich von Bedeutung ist von der nächsten Umgebung, die Ortsgeschichte nur Ort und Gemarkung. Das mündliche Material wurde erst nach sorgfältiger Prüfung und Ausscheidung von allen Unwahrscheinlichen verarbeitet. Diese Aufzeichnungen sollen den nachfolgenden Geschlechtern zur Unterhaltung und Belehrung dienen und dazu beitragen, den Heimatsinn und die Liebe zur Heimat zu fördern und zu kräftigen. Der Jugend und den nachfolgenden Geschlechtern aber rufe ich zu:

„Der Boden, auf dem ihr stehet und lebet, ist Historisch, kultiviert durch den Fleiß und gedüngt durch den Schweiß eurer Vorfahren, haltet ihn in Ehren, es ist heiliger Boden!“

Dem Herrn Studienprofessor H. Morsheuser aus Aschaffenburg, welcher durch unermüdliche treue Mitarbeit dieses Heimatwerk aufbauen, fördern und vollenden half, sei auch an dieser Stelle der herzliche Dank ausgesprochen.

Mömlingen, Weihnachten 1930.

Adam Otto Vogel.

Unsere Heimat in der Urzeit und im Christlichen Altertum

Daß unsere Heimat, der Boden auf dem wir heute leben, schon Jahrtausende vor der christlichen Zeitrechnung, in der Steinzeit, mit Menschen besiedelt war, ist keine Vermutung, sondern erwiesene Tatsache. Ein durchlöchertes Steinbeil, welches hier gefunden und aufbewahrt wurde, sowie ähnliche Funde, die in der Umgebung gemacht wurden, dann die Feststellung der Altertumsforscher in den letzten Jahrzehnten, wo auch in der angrenzenden hessischen Provinz Starkenburg überall die Spuren von menschlichen Ansiedlungen in der Steinzeit festgestellt worden sind, bestätigen dies. Auch die sogenannte „Schwedenschanz“ im Grenzberg war ein Ringwall, den ein Volksstamm ungefähr zweitausend Jahre vor Christi Geburt errichtete. Dieser Ringwall sollte einem Volksstamm, der auf der Bergebene seinen Wohnsitz hatte, Schutz gewähren vor wilden Tieren und feindlichen Nachbarstämmen. (Bergfestung). Noch ein anderer untrüglicher Beweis ist vorhanden, das sind die Hünengräber. Überall auf den Höhenzügen sind diese vorchristlichen Grabhügel anzutreffen. Im Buchberg Finkengrube), Grenzberg, Mühlrain, Scherder sind sie heute noch in unserer Gemarkung zu finden; sehr zahlreich im Pflaumheimer Wald. An den sonnigen Plätzen Urbansrain und Lichtplatte bei der Bachelbrunnquelle, dort an den Hängen von Steig und Pröbel, bei der Pröbelsquelle, hatten diese Urmenschen ihre Wohnsitze aufgerichtet. Ihre Wohnungen waren Erd- oder Steinhöhlen, ihre Kleidung Tierfelle und ihre Geräte und Waffen aus Erde, Stein, Knochen und Holz. Ihre Toten legten sie auf die Erde und bedeckten sie mit Steinen oder verbrannten sie und sammelten die Asche in aus Erde gebrannten Gefäßen. Diese Urnen stellten sie in steinerne Grabkammern und bedeckten sie mit Steinen und Erde (Hügelgräber).

1 Mömlingen 1 Man war lange in Ungewißheit, ob die bei uns vorhandenen Grabhügel keltisch, also vorchristlich, oder römisch, nach Christi Geburt entstanden sind. Ausgrabungen durch einen Darmstädter Altertumsforscher, Baron Elmer von Harthausen, ergaben, daß diese Grabhügel aus der sogenannten jüngeren Steinzeit, einige Jahrtausende vor Christus, herstammen. Nach archäologischer Forschung stammen die Hügelgräber auf der Orlisberghöhe (Mömlinger- und Pflaumheimer Wald), aus der Zeit vom 8. bis 12. Jahrhundert vor Christus. Aber auch Römergräber sind bei uns vorhanden. (Siehe, Ortsgeschichte - Römergrab vor der Altmauer S.192) Der Totenkult der Römer war fast derselbe; nämlich die Verbrennung der Leichen und die Bestattung der Aschen - Urnen in Grabkammern. Doch ist auch manches verschieden. Die römischen Graburnen sind besser und aus feinerem Material hergestellt. Waffen und andere Gegenstände, die man den Totenurnen beilegte, sind in diesen Gräbern gefunden worden. In einem ausgegrabenen Grabhügel im Scherder wurden zwei Urnen mit Deckplatten aufgefunden, die eine unbeschädigt, die andere als Scherben, sowie ein Bronzering. Das Auffinden dieses Bronzeringes beweist, daß unsere Urbewohner mit kultivierten Menschen vom Süden in Verbindung waren. Bei einer Ausgrabung oberhalb der Gemeindehecke, bei den „Höllengräben“, auf Ackerboden, fand man Steinbeile, Steinmesser und andere Steinwerkzeuge; auch zerbrochene Urnen, welche aber wieder zusammengestellt werden konnten. Bei den Wasserleitungsarbeiten im Bachelsbrunngraben wurde ein Stück eines Mammutstoßzahnes aufgefunden.

2 Diese aufgefundenen Gegenstände sollen in Museen untergebracht worden sein, das durchlöcherte Steinbeil, welches hier aufbewahrt wurde, hat ein Altertum-Aufkäufer erworben und fortgeschleppt. Die Täler waren in jener Zeit versumpft, die Berge mit dichtem Urwald bewachsen, in dem wilde Tiere hausten. Die Ansiedlungen an der Pröbels- und Bachelsbrunnquelle können zu den ältesten menschlichen Anbaustätten in unserer Heimat gerechnet werden. Auf der Orlisberghöhe bei den Höllengräben wurde ein zweites Steinbeil ausgegraben, welches unserer Heimatgemeinde erhalten bleiben soll. Es ist ein selten gut erhaltenes Andenken aus der Steinzeit und durchlöchert; es diente als Beil und Hammer.

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1* 3 Unsere Heimat zur Römer- und fränkischen Zeit

Im 1. Jahrhundert n. Chr., im Jahre 69, finden wir in unserer Heimat die Römer. Bei der Besitznahme durch die Römer war sie bewohnt von dem kriegerischen Herrenvolk der Kelten, vom Stamme der Cubier. Die rechte Mainseite, den , bewohnten die Chatten. Diese unterwarfen sich den Römern nicht, sondern waren in stetem Kampf mit denselben. Um sich vor den kriegerischen Einfällen der rechts des Maines wohnenden Völker zu schützen, errichtete Kaiser Domitian im Jahre 83 n. Chr. An der römischen Reichsgrenze einen Wallgraben, geschützt durch Baumstämme und Holzkastelle (Pfahlgraben). Unter den römischen Kaisern Trajan, reg. von 98 bis 177, und seinem Nachfolger Hadrian, 117 bis 138, erhielt unsere Gegend ein anderes Aussehen. Diese Kaiser befestigten die Mainlinie. Die von ihren Vorgängern errichteten Pfahlgräben wurden erneuert und die Holzkastelle durch starke Steinbauten ersetzt. Die links des Mains wohnenden Völker ließen sich dies ruhig gefallen, zahlten sogar Zehent an die Römer, und das Land wurde von diesen als römisches Gebiet betrachtet. Dazu gehörte auch unsere Heimat. Die rechts des Maines, im Spessart wohnenden Völker, die Chatten, unterwarfen sich, wie schon gesagt den Römern nicht, sie standen mit ihnen in stetem Kampfe. Deshalb wurden diese starken Befestigungen angelegt, die wir heute noch den Limes nennen, Der Limes zog sich in einem Teil aus dem Odenwald herüber, in einem anderen von Amorbach her an den . Bei Wörth vereinigte er sich, ging bei Obernburg auf die Feldhöhe von Obernburg und Mömlingen, an den Römerturm vorbei (Altmauer), nach der Kinzig hin durch den Spessart, dem Rheine zu.

4 Oberhalb der Obernburger Weinberge waren ebenfalls noch Spuren eines Turmes vorhanden. Bei der oberen Burg (Obernburg), der niederen Burg (Niedernberg), Stockstadt usw. waren Kastelle. Der Odenwalddenkmalsforscher Knapp hat festgestellt, daß die römische Reichsgrenze in unserer Gegend von der 8. und 22. Legion verteidigt worden ist. Die Besatzung der Odenwaldkastelle bestand vornehmlich aus Cohorten der berühmten 22. Legion, die unter Titus an dem Kriege gegen die Juden und an der Belagerung Jerusalems teilgenommen hatte und ums Jahr 87 in Mainz einzog, wo sie beinahe dritthalbhundert* (250) Jahre ihr Hauptquartier hatte. Andere Forscher behaupten, in der Gegend Aschaffenburgs seien auch Teile der 1.-5. und 7. Legion festzustellen. Viele germanische Völkerstämme, auch die in unserer Gegend, leisteten den Römern Kriegsdienste. Die ausgedienten römischen Krieger blieben größtenteils hier. Sie erhielten Ländereien zur Bebauung überwiesen, vermischten sich mit den Eingeborenen und wurden Kolonisten. Sie trockneten die Sümpfe aus, brannten die Urwälder nieder, rodeten den Boden und trieben Ackerbau. Auch die Soldaten, welche nicht in den Hauptquartieren standen, wurden, sobald die Waffen ruhten, zur Arbeitsleistung herangezogen, damit sie nicht dem Müßiggang und Laster verfielen. Die fruchtbaren Täler des Main- und Bachgaues wurden in Acker- und Wiesenfluren umgewandelt. Dies war der Anfang des Ackerbaues in unserer Heimat. Viele Kulturpflanzen, Getreide, Obstbäume, ja sogar der Weinstock, kamen durch die Römer in unsere Heimat. Es wurden Meierhöfe angelegt, um diese bildeten sich Ansiedlungen; so entstanden Dörfer, sogar Städte, die mit den Römern Handel trieben. Die vielen Geldstücke von sämtlichen damals regierenden Kaisern,

______* 'vom dritten das halbe' es sind schon 2 ganze gegeben und vom 3. das halbe=250

5 auch von Nero, welche später zu Hunderten in unserer Gegend gefunden wurden, zeugen von diesem Handel. Aber auch Gewerbe wurde betrieben: Ziegeleien, Töpfereien, Bergbau, Tempel, Badeanstalten, Brücken, Kanäle, Straßen usw. wurden gebaut. Ein Beispiel was die Römer an kunstvollen Bauwerken ausgeführt haben, zeigen uns die Ausgrabungen in Dieburg, die Midrastempel. Die Römer bauten große Heeresstraßen. Eine dieser Straßen zog von Mudau i. O. kommend nach Obernburg, von da wendete sie sich nach der Feldhöhe bei Mömlingen, ging an den Römerturm vorbei (Altmauer) über das Orlisfeld (Land - orlis), über die Schloßäcker nach Wenigumstädter Gemarkung, neigte sich nach Kleestadt, Dieburg und richtete sich gegen Frankfurt. Diese Straßen waren solid und stark gebaut aus Estrich, Kalk und kleingestoßenen Ziegelsteinen, darauf wurden noch große Pflastersteine gesetzt. Diese Heeresstraßen waren im Mittelalter teilweise noch vorhanden und wurden von Kaufleutekarawanen noch benützt. Die Römersteine, die sich überall in den von den Römern beherrschten Gebieten, auch bei uns, vorfanden, geben Zeugnis von ihren Gottheiten, von den Kaisern und hohen Beamten, von Legionen und Cohorten; sie sind aufbewahrt und heute noch vorhanden. Die Bewohner unserer Heimat hatten römische Sitten, Sprache, Religion und Kultur angenommen, sie waren ein arbeitsames Volk geworden. Unsere Heimat hatte unter der Herrschaft der Römer den ersten hohen Blütestand erreicht. Dann kam das Ende. Die Germanen (Kriegsmänner) besiegten die Römer und warfen sie über den Rhein zurück. Auch hier war ihr Bestand nicht mehr lange. Die Germanen vernichteten alles, was an die Römer erinnerte.

6 Städte (auch Mainz), Dörfer, Ansiedlungen, Bauwerke, alles wurde zerstört. Auch die Volksstämme, die es mit den Römern gehalten, wurden vernichtet oder als Sklaven behandelt. Die große Kulturarbeit der Römer, der hohe Blütestand unserer Heimat war vernichtet worden.

Vangionen oder Cubier?

Bei der Besitznahme unserer Heimatgegend durch die Römer war sie bewohnt von dem keltischen kriegerischen Stamme der Cubier. Kaiser Domitian, der nach Beendigung des Krieges mit den Chatten, im Jahre 83 n. Chr., den Ehrennamen Germanicus erhielt, hat im Gebiete der Cubier Kastelle anlegen lassen. (Obernburg, Niedernberg, Stockstadt). Die keltischen Stämme des Odenwaldes, welche den verhaßten Römern nicht untertan sein wollten, verließen ihre Wohnsitze und zogen ab. Die dadurch leer gewordenen Gebiete wurden von den Römern wieder bevölkert durch andere Stämme, die ihnen untertan waren und sogar noch Zehent bezahlten. Diese nannte man Vangionen. Es wird uns weiter berichtet: Kaiser Domitian habe den Bewohnern des linksseitigen Maingebietes, den Cubiern, einen Betrag auszahlen lassen für Feldfrüchte, die bei dem Bauern des Pfahlgrabens und der Kastelle beschädigt und vernichtet worden waren. Hierdurch habe er das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen, die seßhaft blieb und sich der römischen Herrschaft ruhig unterwarf.

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7 Die Entstehung der Dörfer in unserer Heimat in der fränkischen Zeit 495 bis 843

Die Römer waren vertrieben, Franken und Alemannen kämpften um die Herrschaft; die Franken siegten und wurden die Herren unserer Heimat. Die wenigen übriggebliebenen Bewohner waren Sklaven der freien, edlen Franken geworden, wie sie sich nannten. Die Völkerwanderung ließ die Völker nicht sobald zur Ruhe kommen. Erst zu Anfang des 6. Jahrhunderts wurde dem ziellosen Herumschwärmen ein Ende gemacht, sie wurden wieder seßhaft. Unsere Heimat bevölkerte sich rasch wieder mit Menschen. Der gute Boden mußte schnell wieder angebaut werden, um die Bevölkerung zu ernähren. Die freien Franken suchten die zerstörten römischen Plätze auf und siedelten sich auf den Trümmerstätten an. Die Leibeigenen, die übriggebliebenen Bewohner, wurden zum Aufbau, Anbau, zur Sklavenarbeit verwendet. Es entstanden wieder Höfe und Meiereien*; um diese wurden die Unfreien angesiedelt, die Ansiedlungen wurden größer, es entstanden Flecken, Dörfer und Städte. Je nach der Lage, nach dem Zugang, nach der Vermehrung wuchs die eine Ansiedlung rasch, die andere langsam, ein Teil wuchs und ging wieder ein. Unter der Regierung Kaiser Karl des Großen waren die ersten Anfänge der Dörfer bereits vorhanden und unsere Heimat ging einer neuen Blütezeit entgegen. (Karl der Große regierte von 768 bis 814). In den unter der Herrschaft der fränkischen Könige entstandene Abteien und Klöster finden wir die ersten urkundlichen Aufzeichnungen über unsere Heimatorte. Die nachfolgenden Orte haben selbstverständlich weit früher bestanden, als die Urkunden zurückreichen, da unsere Gegend als Kornkammer des Odenwalds und

______*landwirtschaftliches Pachtgut oder Molkerei

8 Spessarts galt und mehr als andere Gegenden des erneuten Anbaues für wert befunden worden war. Der erste Ort, welcher genannt wird, ist Nölkheim (der heutige Hof Nilkheim). Er kommt samt Kirch zwischen 711 und 716 vor. Es folgend Autmundistatt (Großumstadt) 768, Ostheim (Großostheim) mit Kirche, Machesbach (Mosbach) mit einem Nonnenkloster, Stoddenstadt (Stockstadt), ums Jahr 727, Bibinkheim (Biebigheim, eingegangener Ort), Pflumheim (Pflaumheim) Roden Radheim, Mimlingen, Skofheim (Schafheim), alle diese letzteren im 10. Jahrhundert,. Winnemundestatt (Wenigumstadt) 822, Niedernburg (Niedernberg) 1095. Alle Orte in unserer Umgebung haben vermutlich die gleiche Ursprungszeit, nämlich zu Anfang der fränkischen Könige, nur wird der eine Ort urkundlich früher, der andere später erwähnt. Die fränkischen Eroberer, die das Land unter sich aufgeteilt hatten, gaben den Dörfern römische oder fränkische Namen, Namen von Bächen und Flüssen oder auch ihre eigenen. Mimling erhielt seinen Namen von der Mimling aha. (aha bedeutet Bach, Wasser.) Manche Orte in unserer Umgebung gingen wieder ein. Biebigheim, welches an unserer Gemarkung angrenzte kam zu Wenigumstadt, es wurde 1403 zum letzten Mal urkundlich erwähnt. Hausen am Buchberg kam 1623 zu Mömlingen und Hainstadt. Mainhausen, Filialort zu Obernburg, wurde nach dem 30jährigen Kriege aufgeteilt, Ringenheim kam zu Großostheim. Nilkheim: die nach der Pest und dem 30jährigen Krieg übrig gebliebenen Bewohner zogen nach Großostheim. Den Grundbesitz der Ausgestorbenen zog der Staat an sich, vergrößerte ihn später durch Zukauf und bildete so den heutigen Hof Nilkheim. Im Jahre 1780 wurden die Gebäude neu umgebaut, 1811 kaufte den Hof Karl Freiherr von Mergenbaum und baute ihn in seiner heutigen Größe und Schönheit aus.

9 Die fränkischen Könige besaßen zu Autmundistatt (Großumstadt) eine Reichsvilla, wo sie oft Hof hielten und die Jagd in den Odenwaldbergen ausübten. Es wurden Meierhöfe angelegt, welche den Königen und ihrem Gefolge Lebensmittel liefern mußten. Drei Höfe, die aus jener Zeit stammen, sind erhalten geblieben: der Hof Hecken, heute der Grüne-Heckenhof bei Kleinumstadt, der Häuserhof bei Radheim und der Hof bei Dorndiel.

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10 Geschichtliche Entwicklung

Zur Zeit der fränkischen Könige, 495 bis 843, erhielt unsere Heimat die erste Einteilung im Rahmen des großen fränkischen Weltreiches, das unter Karl dem Großen den höchsten Stand erreichte. Unsere Heimat kam an den Maingau. Dieser wurde zerlegt in Untergaue. Der Kinziggau rechts des Maines, von der Kinzig bis Wertheim, den ganzen Spessart umfassend, der Blum- oder Plumpgau, umfassend die Grafschaft Erbach, den Odenwald und reichend bis zum Maintal, der Rodgau, die Seligenstädter Gegend bis Offenbach, der Bachgau, alles Land in der Ebene zwischen den Bächen, Mümling und Gersprenz umfassend. An der Spitze dieser Untergaue stand ebenfalls ein Gaugraf. Diese Untergaue wurden wieder zerlegt in Marken oder Centen; an der Spitze stand der Centgraf. Der große Bachgau wurde zerlegt in Cent Ostheim, Dieburg und Babenhausen. Wir gehörten zur Cent Ostheim, auch Orlis Mark genannt, dem kleinen Bachgau, wie er heute noch genannt wird. In dieser Zeit und Einteilung als königliches Land unter der Verwaltung der Gau- und Centgrafen, in der Cent Ostheim, finden wir auch unseren Heimatort Mömlingen. Zur Centgrafschaft Ostheim gehörten laut Centbuch und Urkunden im Jahre 1520: Stockstatt, Lender, Nülkheim, Niedernberg, Großenwallstadt, Eisenbach, Mimlingen, Hausen, Pflaumheim, Radheim, Mosbach, Wenigumstatt, Ostheim, Dordill, Obernburg, Hof Neustatt, Häuser- und Schaafhof. Die eingegangenen Orte Biebigheim und Ringenheim werden im 10. und 13. Jahrhundert als zum Bachgau gehörend urkundlich erwähnt.

11 Nachdem Obernburg im Jahre 1317 durch Kaiser Ludwig den Bayern Stadtrechte erhalten hatte, gehörte es trotzdem der Cent weiter an. Im Jahre 1024 schenkte Kaiser Heinrich der Abtei Fulda die Gerichtsbarkeit. Der Bachgau, der bisher königliches Eigentum war, kam dadurch an das Kurfürstentum Mainz und gehörte fast 800 Jahre, mit einmaliger Unterbrechung, dazu. Die Unterbrechung trat ein, indem Kaiser Rudolf von Habsburg (1273 bis 1291), dem Kurfürsten von Mainz den Bachgau abnahm und die Grafen von Hanau damit belehnte. Aus dieser Zeit mögen auch die Hanauer Wappensteine herrühren, die in unserer Gegend vorhanden waren. Im Jahre 1298 wurde der Bachgau durch Kaiser Albrecht Kurmainz wieder zugesprochen. Da die Grafen von Hanau sich nicht fügten, griff Kurmainz zu den Waffen. Das Jahr 1299 war für die Hanauerlande äußerst blutig und verderblich. Mehr als 50 Ortschaften sollen ausgeplündert und zerstört worden sein; welche Orte es waren und ob auch unsere Gegend durch diesen Kampf Schaden erlitt, ist nicht genau bekannt. Vermutlich war es die Umgebung von Hanau und Babenhausen. Kurmainz siegte; der Bachgau wurde wieder kurmainzer Gebiet. Kaiser Heinrich VII. und Kaiser Ludwig der Bayer, 1308 und 1314, versicherten, daß der Bachgau unwidersprechlich Kurmainzer Besitz sei. Der letzte Kurfürst von Mainz war Fürstbischof Dalberg. Während der napoleonischen Kriege wurde das Kurfürstentum Mainz aufgehoben. Dalberg wurde jetzt Fürst von Aschaffenburg und Regensburg, zu seinem Gebiete gehörte auch Mömlingen. Er erhielt den Titel eines Primas. Als 1810 Regensburg zu Bayern kam, wurde Dalberg Großherzog von Frankfurt, wozu auch unsere Gegend wieder gehörte. (Siehe Ortsgeschichte - Grenzsteine S.248).

12 Nachdem das Fürstentum Aschaffenburg noch auf kurze Zeit zu Österreich gehört hatte, kam es am 24. Juni 1814 mit sämtlichen Orten der ehemaligen Centgrafschaft Ostheim an das Königreich Bayern. Durch einen am 29. Januar 1817 zu Frankfurt abgeschlossenen Staatsvertrag zwischen Bayern und Hessen trat Hessen die Orte Amorbach, Laudenbach, Windischbuchen und Reichardhausen an Bayern ab. Es erhielt dafür die im Bachgau gelegenen königlich bayerischen Orte Mosbach, Radheim und Dorndiel, nebst eingeschlossenen Höfen mit Hoheits- und Eigentumsrechten. Durch diesen Tauschvertrag wurde die ehemalige Centgrafschaft Ostheim geteilt; durch den „kleinen Bachgau“, wie er heute noch genannt wird, zieht die hessisch bayerische Grenze.

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13 Kirchentum Entwicklung des Christentums

Geschichtsschreiber berichten: Die Franken haben unter Chlodwig ums Jahr 500 das Christentum angenommen. Dies mag bei den freien Franken und an den Höfen der Großen der Fall gewesen sein, bei den Unfreien, dem niederen Volk, merkte man nichts davon. Es wird uns berichtet, daß der hl. Kilian (ein Schotte) mit seinen Gefährten Kolonat und Totnan Rhön, Spessart und Odenwald im tiefen Heidentum vorfand. Um das Jahr 719 kam der hl. Bonifatius mit Bekehrungsvollmachten ausgerüstet aus Rom zurück. Er predigte zuerst in Thüringen, dann in Franken, wo er Kilians Fußstapfen folgte und Christen neben Heiden vorfand. Diese Heiden-Christen opferten noch Menschen und machten die religiösen Gebräuche des Heidentums zu christlichen. St. Bonifatius war bestimmt, das Unkraut in der christlichen Glaubenslehre auszurotten, und er tat es, indem er sie von der heidnischen Beimischung reinigte. Er beseitigte die Götzentempel und die noch aus der Römerzeit herrührenden Opferaltäre. (Siehe Römische Opferaltarstein bei der Mutterkirche am Neustädterhof. S.68) Er gründete, nachdem er zum Erzbischof von Mainz erhoben worden war, Abteien und Klöster. Auf einer Bekehrungsreise wurde er von den Friesen erschlagen, am 5. Juni 754. In unserer Heimatgegend entstanden zu Ende des 8. und Anfang des 9. Jahrhunderts die Abteien Lorsch, Fulda, Seligenstadt und Amorbach. Im Jahre 984 wurde das Peter-Alexanderstift in Aschaffenburg errichtet.

14 Die geistliche Gewalt lag in damaliger Zeit nur in der Hand der Bischöfe. In den neuentstandenen Klöstern wurden junge Geistliche ausgebildet als Vikare oder Wanderprister. Das platte Land wurde in Pfarreidistrikte eingeteilt, eine Kirche oder Kapelle erbaut und oft nach langer Zeit erschien ein solcher Wanderprister, um seines Amtes zu walten. (Mutterkirchen) Später, nachdem das Volk und auch die Geistlichen zahlreicher geworden, baute man eigene Ortskapellen oder Ortskirchen. Mit dem Entstehen der Klöster beginnt die Urkundenzeit für unsere Heimat. Die Klöster waren die Stätte der Religion, der Wissenschaft, der Künste und Bildung. Die Klostergeistlichkeit, hauptsächlich die Benediktiner, hatten das Verdienst alles niedergeschrieben und uns die Urkunden aufbewahrt zu haben, die uns über die früheren Zeiten unserer Heimat Aufschluß geben. Es ist nicht allein das Verdienst der Klöster und Geistlichkeit, daß unsere Heimatgegend im Vergleich zu anderen Gauen schon sehr frühe dem christlichen Glauben zugeführt wurde, auch die westlichen Großen haben ihren Teil dazu beigetragen. In der Reichsvilla zu Autmundistatt (Großumstadt) verweilten oft der fränkische König Pipin und dessen Bruder Karlmann, um der Jagd in den Odenwaldbergen zu obliegen. Sie leisteten auch sehr viel für die Ausbreitung des Christentums in unserer Heimatgegend. Abteien und Klöster wurden von ihnen errichtet und mit Einkünften ausgestattet; denn die Klöster mußten, um ihren Zweck erfüllen zu können, auch mit Lebensmitteln versehen werden. Wir finden 747 eine Petrum-Kirche in Autmundistatt, die Karlmann dem Bistum Würzburg schenkte und ein Frauenkloster zu Mosbach. Vom Jahre 827 haben wir die urkundliche Erwähnung je einer Kirche zu Michelstadt und Seligenstadt, ferner einer Martinuskirche zu Ostheim.

15 Zur Zeit des hl. Bonifatius 719 bis 754 entstand auch das Kirchlein am Neustädterhof. (Volkssage, siehe Mutterkirchlein S.70) Der fromme Karlmann stiftete ums Jahr 744 die Abtei Fulda. König Pipin schenkte ihr ums Jahr 768 alles um die königliche Villa Autmundistatt liegende Land; dazu gehörte auch der größte Teil der späteren Grafschaft Breuberg. Der erste und wahrscheinlich auch das älteste Kirchlein in unserer Heimat, das der hl. Bonifatius vorfand, war das Kirchlein Nölkheim (Nilkheim). Eine Steininschrift, die heute nicht mehr vorhanden ist, besagte, daß diese Kapelle erbaut wurde von einem Priester Adalhuno* zu Nölkheim. Der Bischof Richbert weihte sie zu Ehren des hl. Dionysius und seiner Gefährten. Zweimal zerstört, wurde sie zum drittenmale wieder erbaut 1720, es ist die heutige Kapelle. Durch Schenkung Kaiser Heinrichs II. 1024 kam unsere Heimat zum Erzbistum Mainz, im Jahre 1814, nachdem wir bayerisch geworden, an das Bistum Würzburg. Wie rasch die Bevölkerung unserer Heimatgegend sich vermehrte und das Christentum aufblühte, zeigt uns die Übertragung der Gebeine der heiligen Peter und Marzellinus von Michelstadt im Odenwald nach Obermühlheim (heute Seligenstadt) im Jahre 827. Die Prozession, an der viel Volk unter Gebet und Gesängen teilnahm, ging das Mimlingtal abwärts (wahrscheinlich auch durch unsere Ortsgemarkung), nach Ostheim, wo die hl. Gebeine nachts in dem Martinuskirchlein zur Verehrung ausgestellt wurden. Am nächsten Tag wurde der Bestimmungsort Seligenstadt erreicht und das Dankopfer dargebracht im Freien, da die Kirche die Menschenmasse nicht fassen konnte.

______* Adalhuno war ein Laienpriester ohne geistliche Gewalt.

16 Durch die Reformation unter Martin Luther zu Anfang des 16. Jahrhunderts erlitt auch das religiöse Leben in unserer Gegend eine gewaltige Erschütterung. Viele Orte fielen vom katholischen Glauben ab und nahmen den lutherisch evangelisch protestantischen Glauben an. In der Grafschaft Erbach und Herrschaft Breuberg, zu der seit 1560 auch die Cent Eschau oder das Amt Wildenstein gehörte, mußten die Bewohner den neuen Glauben annehmen, denn der Glaube der Untertanen mußte wie der ihres Herrn und Gebieters sein. Diese Gebiete bekennen sich heute noch zur lutherischen Glaubenslehre. Aber auch im Kurfürstentum Mainz fielen viele Orte, sogar in nächster Umgebung, vom alten Glauben ab und bekannten sich zur neuen Lehre. Der Abfall in unserer Heimatgegend geschah in den Religionswirren nach Luthers Tode 1546, hauptsächlich nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555, wo man die freie Ausübung der protestantischen Religion durchgesetzt hatte. Teils mit Milde, teils auch mit Strenge und Gewalt wurden diese abgefallenen Orte fast sämtlich dem alten Glauben wieder zugeführt (besonders durch Jul. Echter). Auch der Zölibat (Ehelosigkeit der Priester) wurde in jener Zeit nicht mehr streng beachtet. Viele Geistliche brachen das Keuschheitsgelübde und heirateten. Die Behauptung, daß nach dem 30jährigen Kriege, 1664, Mömblingen von einem verheirateten Pfarrer namens Johann Hermann (Sohn eines Obernburger Stadtschreibers) pastoriert worden sei, kann einen Glaubensabfall nicht beweisen. Das Pfarrbuch Mömlingen meldet von ihm, soviel mir bekannt ist, nichts. Auch sonst kann ein Glaubensabfall in unserem Heimatort nicht nachgewiesen werden. Die schönen Kirchen, Kapellen, Kreuze, Bildstöcke und andere Denkmäler, die von unseren Vorfahren in unserer Heimat errichtet wurden, zeugen vom römisch- katholischen Glauben und einem echt christlichen Sinne.

2 Mömlingen 17 Die Pfarreien unserer Heimat gehörten seit dem Mittelalter innerhalb der Erzdiözese Mainz zum Archidiakonat oder erzbischöflichen Kommissariat Aschaffenburg, Peter und Alexander-Stift. Das Collegiat- oder Peter und Alexander-Stift wurde durch den Erzbischof und Erzkanzler Willegis von Mainz (Begründer des Mainzer Radwappens) und Kaiser Otto III im Jahre 998 errichtet. Das Archidiakonat Aschaffenburg erstreckte sich über den Maingau (Möynegowe) mit den Untergauen und Centgrafschaften. Es ist höchst wahrscheinlich, daß in dem Maingaue schon unter Karl dem Großen Pfarreien errichtet worden sind, besonders in den ansehnlicheren Dörfern, welche bereits unter den Römern bestanden hatten oder von den Franken auf den alten Resten neu erbaut worden waren. Von Stockstadt und Ostheim ist dies gewiß, von Wallstadt, Obernburg und Mömlingen höchstwahrscheinlich, da sie unter den Kaisern aus dem fränkischen und sächsischen Hause schon vergeben wurden. Die Orte Mimlingen und Obernburg werden im 9. Jahrhundert als im Besitze von Kirchen erwähnt. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß der aus Höfen bestehende Ort Mimlingen schon eine eigene Ortskirche hatte, es muß hier wohl das Mutterkirchlein, zu Mimlingen oder zu Obernburg gehörend, angenommen werden.

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18 Kriegsbegebenheiten

Was sich zur Römer- und fränkischen Zeit in unserer Heimat kriegerisch ereignete, wissen wir nicht. Urkunden aus dieser Zeit gibt es nicht. Im Jahre 1273 klagt das Collegialstift zu Aschaffenburg über den Schaden, den es durch Kriege erlitten. Wahrscheinlich betraf es auch unsere Gegend, wo das Stift viele Besitzungen hatte. Was es für Kriege waren, wissen wir nicht, vielleicht waren es Fehden, welche die Herren von Klingenberg und die Grafen von Rieneck um jene Zeit, 1260 und 1266, mit dem Erzstift Mainz und mit anderen führten, wobei sie die angrenzenden Gegenden verwüsteten. In der Kurfehde, zwischen Erzbischof Adolf und Diether (beide wollten Kurfürst von Mainz werden) stand der Bachgau auf Seiten Diethers. Im Jahre 1463 zog Adolf mit 1500 Kriegsleuten vor Aschaffenburg und belagerte die Stadt. Daß diese Belagerung für das platte Land zu vielen Bedrückungen führte, ist anzunehmen; von Zerstörungen und Verwüstungen weiß man aber nichts. Die Teilnahme unserer Gegend am Bauernkriege 1525 zeigen uns die Bilder am Rathaus zu Wenigumstadt. Durch diesen Aufstand wollten sich die Bauern in Franken, Schwaben, am Rhein usw. von den vielen Lasten, die auf ihnen ruhten, und von den Bedrückungen vonseiten der Ritter und Adeligen gewaltsam frei machen; aber er artete aus in Mord, Verwüstung, und Plünderungen. Statt der erhofften Freiheit wurden dem Bauernstand die Ketten noch fester angelegt und furchtbar war die Vergeltung. Auch die Städte Aschaffenburg, Klingenberg, Miltenberg hatten sich dem Bauernaufstand angeschlossen und wurden schwer dafür bestraft. Obernburg blieb neutral. Die Cent Ostheim wurde für ihre Beteiligung am Aufstand bestraft, indem ihr Kurfürst Albrecht die allgemeine Centviehweide entzog.

2* 19 Auch der Oberhof oder das Oberlandesgericht wurde weggenommen und nach Aschaffenburg verlegt, und noch viele andere Rechte wurden der Cent abgenommen. Am schlimmsten ging es dem Bachgau im

Schmalkaldischen Kriege.

Der Schmalkaldische Bund war eine Vereinigung protestantischer Fürsten zum Schutze der protestantischen Religion gegen Kaiser und katholische Fürsten. Im Jahre 1547 zogen Truppen des Schmalkaldener Bundes und auch solche des Kaisers sengend und brennend durch unser Heimatland. Arg wüteten die Reiterscharen des Markgrafen Albrecht von Brandenburg und des Grafen Christoph von Oldenburg 1552 auf ihrem Rachezug gegen den Erzbischof von Mainz, insbesondere gegen geistliche Besitzungen, Stifte und Klöster. Städte wie Aschaffenburg, Miltenberg usw., welche ihnen Widerstand leisteten, plünderten und verbrannten sie. Auch der Ort Nilkheim wurde niedergebrannt. Unser Heimatort Mimlingen wurde von einem Plünderungszug schwer heimgesucht, sie zerrissen, zerschlugen und plünderten alles, was sie finden konnten, auch die Kirche wurde geschändet und beraubt. Was der Bachgau damals erfuhr, sehen wir aus einer alten Aufzeichnung: die romantische Gegend liegt in Verwüstung; auf fruchtbarem Boden wuchert der Dornstrauch; kein menschliches Wesen ist zu sehen; trauernd ragen aus glimmendem Schutte die Türme hervor. Leichname liegen unbeerdigt, Schwärme von hungrigen Raben ziehen zu ihnen hin. Markgraf Albrecht von Brandenburg zog mit seinem Raubheere vorüber, er hinterließ uns dieses Andenken.

Der Dreißigjährige Krieg.

Es folgte des Dreißigjährigen Krieges Schreckenszeit, wie keine sonst in der deutschen Geschichte zu finden ist.

20 Im Jahre 1621 brennt auch die Kriegsflamme in unserer Heimat; der ganze Bachgau und Odenwald ist mit spanischen und bayerischen Truppen überschwemmt. Tilly, der Feldherr, lagert 1622 im Bachgau und nimmt zu Mosbach im Commendehaus Hauptquartier. Einquartierungen folgen einander unaufhörlich, Hunger und Pest stellen sich ein und diese furchtbare Seuche Krankheit sucht die ganze Umgebung heim. Wahrscheinlich ist in dieser Zeit der Ort Hausen der Pest zum Opfer gefallen. 1625 trat etwas Ruhe ein, die Felder wurden wieder bestellt und abgeerntet. Aber mit dem Jahre 1631, als der Schwedenkönig Gustav Adolf im Oktober und November von Würzburg kommend Aschaffenburg und die übrigen Städtchen am Maine einnahm, kehrte neues Elend in unserer Gegend ein. Daß die Cent in den Jahren 1642 – 1646 und 1647 besonders viel gelitten hat, als die Stadt Aschaffenburg mehrmals von den Franzosen, Schweden, Bayern, Kaiserlichen und Spaniern besetzt worden war, kann man sich denken. Im Jahre 1637 suchte der schwedische General Ramsay die Burg Breuberg durch Verrat zu nehmen. Er hatte sich drei Tage lang unbemerkt in den Wäldern versteckt gehalten und beabsichtigte die kaiserliche Besatzung zu überraschen; der Versuch mißlang. Eine längere Belagerung der Feste Breuberg ist weder durch das Archiv des Breuberg noch sonst geschichtlich festzustellen. Endlich, nachdem noch ein kleiner Rest der Bevölkerung vorhanden, der größte Teil der Pest, dem Hunger und Krieg zum Opfer gefallen war, wurde der Friede geschlossen, 1648. Aber wie sah es in unserer Heimat aus, ganze Orte waren leer geworden von Menschen und gingen ganz ein. Nilkheim, Ringenheim, Hausen bei Mimlingen, Mainhausen bei Obernburg erstanden nicht mehr.

21 In Großwallstadt starben 1632 83 Menschen; Obernburg, das in diesem Kriege verhältnismäßig wenig Schaden angenommen hatte, zählte 328 Seelen. Der Ort Streit war ganz ausgestorben. In der ganzen Centgrafschaft war fast kein Pfarrer mehr, deshalb sind auch wenig oder gar keine Einträge in den Pfarrbüchern zu finden. Als nach der schwedischen Besetzung die Pest besonders heftig in unserer Gegend wütete, übernahmen die Jesuiten vom Jesuitenstift Aschaffenburg die Seelsorge. (Siehe Ortsgeschichte - Jesuitenäcker S.213) In den 1660er und 70er Jahren zogen niederländische Flüchtlinge und Auswanderer aus Nordfrankreich, Brabant, Tyrol usw. in die Orte der Cent und siedelten sich hier an. In Mimlingen waren es die Fahs, Hohm, Hör und Vogel. In Wenigumstadt und Eisenbach brachten die Einwanderer ihre eigenen Pfarrherren mit. In Eisenbach war es Peter de Saci, später Pfarrer zu Mimlingen, der Zeit 1661-1680 vier Brabanter als Pfarrer. Es waren Peter Dassis, Georg Jünemann, Johann Adami und Johann Balduini. Durch diese Einwanderer begann die Bevölkerung sich wieder zu vermehren. Nach diesem Verheerungskriege war einige Jahrzehnte Ruhe. Aber schon im Jahre 1672 hatten wir wieder fremde Kriegsvölker in unserer Heimat. Französische Truppen zogen ins Mümlingtal und belagerten die Feste Breuberg. Aschaffenburg wurde von General Turenne mit Sturm eingenommen und besetzt. Bei der Belagerung des Breuberg hatte Turenne sein Hauptquartier zu Neustadt. Das kunstvolle Mümling - Wasserwerk, das den Breuberg mit Wasser versah, wurde von den Franzosen zerstört.

22 Auch die unterirdischen Gänge von Hainstadt und Neustadt, durch die sich der Breuberg mit Lebensmitteln versorgt haben soll, wurden zerstört. (Überlieferung des Odenwaldes.) Im Jahre 1743 waren unsere Heimatorte ebenfalls von französischen Truppen besetzt. Es war dies vor der Schlacht bei Dettingen in welcher König Georg II. von England, an der Spitze seiner Truppen, die Franzosen schlug, 27. Juni 1743. In dem bald darauf beginnenden 7jährigen Kriege, 1756-1763, sind wir von den Gräueln des Krieges verschont geblieben. Handel und Gewerbe blühten und vieles Geld wurde in die Gegend gebracht. Die Bauern konnten ihre Erzeugnisse um hohe Preise absetzen. Die ruhige Zeit dauerte nicht allzu lange. Gegen Ausgang des Jahrhunderts erhob sich die Französische Revolution und nachfolgend kamen die Napoleonischen Eroberungskriege mit ihren Gräueln und Drangsalen. Siegreich drang der französische General Jourdan im Jahre 1796 in Franken ein und schlug sein Hauptquartier in Würzburg auf. Auch die kaiserlichen rückten vor und Mitte August 1796 hatte unsere Heimatgegend Einquartierungen von österreichischen Jägern. Am 3. September 1796 wurde die Armee Jourdan bei Würzburg geschlagen. Durch den Spessart flutete die geschlagene französische Armee Aschaffenburg zu, hart bedrängt von den durch die Plünderungen erbitterten Spessartern. In Aschaffenburg faßte Jourdan festen Fuß. Er schickte eine Abteilung Jäger und Infanterie, 600 Mann, sowie auch Artillerie nach Obernburg, um die dort lagernden Österreicher zu verdrängen und die Stadt zu nehmen. Ein Teil zog das Maintal entlang, ein anderer über Großostheim und die Mömlinger- Feldhöhe.

23 Am 6. September beschossen sie die Stadt. In der Kaisergasse ist noch eine Kanonenkugel zu sehen, die bei der Beschießung in Hs. Nr. 181a stecken blieb, daneben steht die Jahreszahl 1796. Die Franzosen nahmen die Stadt und plünderten sie. Im Jahre 1803 wurde durch Napoleon, der Kaiser der Franzosen geworden war, der kurmainzer Staat zertrümmert und das Fürstentum Aschaffenburg gebildet. Durch die Errichtung des Rheinbundes 1806 durch Napoleon kamen viele deutsche Staaten unter die Herrschaft des Franzosenkaisers, auch unsere Heimat. Die Rheinbundfürsten waren Vasallen Napoleons und mußten zu seinen Eroberungskriegen Hilfstruppen stellen. Auch Mömlinger waren unter des Welteroberers Fahnen zu finden. Von 1806 bis 1815 hatte unsere Heimatgegend fast ununterbrochen Durchzüge und Einquartierungen von Franzosen, Bayern, Preußen und Russen. Nach dem Gefechte bei Hanau gingen die Reste der zertrümmerten Großen Armee durch unseren Ort, Offiziere bezogen für eine Nacht Quartier und eilten dann dem Rheine zu. Napoleons Herrschaft hatte ein Ende gefunden, im November 1815 wurde der Frieden geschlossen.

Das Revolutionsjahr 1848

In den Abschnitt der kriegerischen Ereignisse ist auch das Revolutionsjahr 1848 zu setzen. Es war allerdings nur kriegerisch im Innern, im Ort selbst. Lange Zeit wurde vorbereitet auf diesen Freiheitstag. Er kam endlich und die Mömlinger schlugen los auf die „Feinde“ im Ort, auf die Juden. (Siehe Ortgeschichte - die Juden S.205) Diese hatten den Freiheitsdrang der Mömlinger zu verspüren.

24 Da kam der Herr Landrichter, ließ die Bauern aufs Rathaus kommen und sagte: „Was wollt Ihr guten Leute, sagt es nur, Eure Wünsche sollen erfüllt werden“. „Die breiten Wagenreife müssen weg“ riefen die Bauern! „Wir wollen im Walde wieder Wied (junge Gerten zum Wellenbinden) schneiden dürfen“, rufen die Holzbauer! „Die Jagd muß unser werden!“ verlangten die Jagdliebhaber. Der Landrichter sagte: „Eure Wüsche werden erfüllt!“ Die Leute gingen befriedigt nach Hause, die Revolution im Ort war hiermit zu Ende. Aber es kam noch ein anderes Ende nach. Nach dem Zusammenbruch der Freiheitsbewegung in den Ländern kam der Herr Landrichter wieder aufs Rathaus, diesmal mit einem starken Aufgebot von Gendarmen, und wie die Alten erzählten, stieß er den Säbel auf: „Das letzte Mal, als ich hier war, waret ihr die Herrn, heute bin ich es“. Er ließ 10 Tumultuanten und Rädelsführer gefangen nehmen, mit Ketten schließen und auf einem Leiterwagen in die Fronfeste Aschaffenburg abführen. Mömlingen wurde besetzt, Eine Kompanie Jäger wurde in Bürgerquartiere gelegt auf Kosten der Gemeinde. So endete das Freiheitsjahr 1848 wie der Bauernkrieg 1525, mit Strafen. Doch wurde den Einwohnern von Mömlingen auch ihre bescheidenen Wünsche erfüllt. Sie wurden die wucherischen Juden los, denn diese verließen den gefährlichen Ort. Sie durften im Walde wieder Wied schneiden, bis es ihnen später wieder verboten wurde. Die breiten Wagenreifen wurden ebenfalls abgeschafft. Das Jagdrecht, seit 1814 königlich, kam 1852 an die Gemeinde, und diese verpachtete es an die Jagdliebhaber um jährlich 5 Gulden.

25 Der Bruderkrieg 1866.

Dieser Krieg zwischen Nord- und Süddeutschen hatte eine Anzahl Männer aus unserem Heimatort zu den Waffen gerufen. Sie kamen aber in keine Schlacht oder größeren Kämpfe und kamen alle unverwundet wieder zurück. Durch den Ort selbst gingen nur Durchmärsche. (Siehe Ortsgeschichte - Allerlei Begebenheiten S.223) Bei Aschaffenburg () kam es zu einem Gefechte zwischen Preußen einerseits, und Hessen und Österreicher andererseits, wobei die letzteren bedeutende Verluste hatten.

Der Krieg 1870 / 71.

In diesem Kriege gegen Frankreich marschierten aus Mömlingen 52 Männer aus. An vielen Kämpfen und Schlachten nahmen sie teil, einige auch an dem Einmarsch in Paris. Sie kehrten zurück bis auf einen, der auf dem Felde der Ehre gefallen ist. Eine Gedenktafel wurde ihm am Kircheneingange angebracht. Den Kriegsteilnehmern von 1866 und 1870/71 errichtete die Gemeinde neben der Wendelinuskapelle ein schönes Denkmal aus Granit, auf welchem die Namen der Veteranen verzeichnet sind.

Der Weltkrieg 1914 / 18.

Wohl der schrecklichste aller Kriege, den die Weltgeschichte kennt, war das vom 2. August 1914 bis 9. November 1918 dauernde Ringen, an dem fast alle Staaten der Welt beteiligt waren, und in dem zwölf Millionen Menschenleben zerstört worden sind. Nicht die Waffen haben diesen furchtbarsten aller Weltkriege beendet, sondern der Hunger. Nahezu 500 Männer und Jünglinge waren aus unserer Gemeinde zum Kriegs- und Arbeitsdienst einberufen worden; 70 starben als Helden für das Vaterland und die Heimat, Eine schöne, sinnige Gedächtniskapelle

26 auf den Friedhof, in der die Namen der Gefallenen aufgezeichnet sind, mit dem Bildnis der schmerzhaften Mutter-Gottes ist ihrem Andenken geweiht. Nach dem Zusammenbruch am 9. November 1918 hat sich unser Staatsgebilde verändert. Alle Monarchien im Deutschen Reiche wurden beseitigt und Deutschland ist heute eine Republik mit einem Reichspräsidenten an der Spitze. Unser engeres Vaterland nennt sich heute Volks- oder Freistaat Bayern. Ich schließe hiermit die Darstellung der kriegerischen Begebenheiten und wünsche, Gott möge unsere Heimat vor Krankheiten, Hunger und Krieg allezeit bewahren.

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27 Gerichtsbarkeit

Die älteste Gerichtsstelle, zu der wir zur Zeit der fränkischen Könige und der Abtei Fulda gehört haben, soll bei Stockstadt gewesen sein. Hier sei die Mahl- oder Mallstätte gewesen, der Gerichtsplatz im Freien. Nach der Besitznahme des Bachgaues durch Kurmainz kam die Gerichtsbarkeit nach Ostheim (Großostheim). Hier war der Oberhof oder das Oberlandesgericht, dem auch noch andere Centgerichte, wie die Cent Wörth, Klingenberg usw. unterstellt waren. Das Oberlandesgericht war das höchste staatliche Gericht in Kriminal- und Zivilsachen. Es bestand aus einem Fauth (Vogt), 12 Beisitzern oder 14 Landschöffen. Es konnte Todesurteile aussprechen und vollstrecken. Der Platz auf welchem die Verbrecher hingerichtet wurden, befand sich nicht weit von Ostheim, nach Stockstadt hin. Dem Oberhof stand der Centgraf, Oberfauth oder Obervogt vor, ein angesehener Adeliger aus dem Gerichtsbezirk. Neben dem Oberhof befand sich in Ostheim das Fauth- oder Centgericht, Kellerei, Gericht von Adeligen und Geistlichkeit. Kleinere Gerichte waren fast in jedem Orte zu finden, es waren die Dorfgerichte (Hub- oder Haingerichte). Ein Schultheiß mit Schöffen übte die Dorfgerichtsbarkeit aus. Das Centgrafenamt wurde von Adeligen der Centgrafschaft ausgeübt. Im 15. und 16. Jahrhundert war es fast erblich bei der Familie von Schad in Ostheim. Das Wappen dieser Familie war ein Ziegenbock mit einem dreifachen Kleeblatt. Nach dem Aussterben der Familie Schad nahm der Ort Ostheim das Wappen dieser Familie als Ortswappen an und führt es noch heute. Als Strafe für die Beteiligung am Bauernaufstand 1525 wurde der Oberhof im Jahre 1527 nach Aschaffenburg verlegt. In Ostheim verblieb nur das Cent- und die Untergerichte.

28 Durch eine neue Amtseinteilung im Jahre 1782, wurde die viele hundert Jahre bestehende Centgerichtsbarkeit dort aufgehoben und nach Aschaffenburg verlegt. Der größte der Teil der Centorte, auch Mömlingen, kam zur neugeschaffenen Amtsvogtei Obernburg. Dreimal im Jahre wurde in den früheren Jahrhunderten zu Ostheim Gericht gehalten; zuerst im Freien unter einem Lindenbaum, später aber wegen der Witterung in Gebäuden. Nach der Gerichtssitzung wurden die Männer ausgewählt, die Schutz und Sicherheit der Cent zu übernehmen hatten. (Siehe Wachtposten auf dem Wartturm S.61). Die Centgrafschaft Ostheim bestand aus 17 Ortschaften, wovon 4 heute nicht mehr bestehen, und 3 Höfen, Der Hauptort war Ostheim (Großostheim). Hier war der Sitz der höchsten Gerichtsbarkeit in Kriminal- und Civilsachen, sowie der Centverwaltung. Hierher kam der Landesherr und ließ sich von den Bewohnern der Centorte den Huldigungseid leisten. Hier wurde die Verteidigungsmannschaft der Cent ausgewählt und zusammengestellt, Hierher mußten Geschoß und Satzung (Steuer und Abgaben) entrichtet werden. Hier wurden Todesurteile ausgesprochen und vollstreck,*) hier waren auch die Gefängnistürme. Ein Fauth (Vogt) war Vorsitzender der 14 Landschöffen; diese wählten den Centgrafen, einen freien Mann; mitunter war dieser auch aus Mimlingen. Jeder freie und halbfreie, hofhörige Nachbar eines Dorfes mußte mit Spieß und Seitengewehr zur Landesverteidigung unter dem Centgrafen ausrücken.

______* Nach mündlichen Überlieferungen befand sich der Richtplatz (Centgalgen) bei der Ostheimer – Niedernberger Gemarkungsgrenze. Diese Feldabteilung nennt sich heute noch „bei dem Galgenweg“. Obg. Hat Feldmark. „Galten“

29 Die Freien, die 2 Huben (Höfe) innehatten, rückten mit Sturmhaube, Brustharnisch, Schild, Spieß und Schwert zu Fuß die 4 oder mehr Huben zu eigen oder Lehen besaßen, zu Pferd mit Helm, Schild, Speer, Brustharnisch, Arm- und Beinschienen aus.

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30 Steuern und Abgabe in früherer Zeit

Daß unsere Vorfahren schwer mit Steuern und Lasten bedrückt wurden, ersehen wir an der Beteiligung am Bauernaufstand 1525. Diese Steuerabgaben bestanden aus Feldfrüchten, weniger in Geld, denn Geld war in früherer Zeit wenig vorhanden. Der sogenannte Zehent mußte geleistet werden an den Landesherrn und zum Bauen und Unterhalten von kirchlichen Gebäuden. Am drückendsten waren die Lasten, welche die vielen Adeligen, die in unserer Heimat Besitz und Berechtigung besaßen, der Bevölkerung auferlegten. Abteien und Klöster, geistliche Stifte und weltliche Herrschaften und Dutzende von Adelsfamilien waren im Besitz unseres Heimatbodens. Unsere Vorfahren waren Lasttiere, Leibeigene und Sklaven. Sie arbeiteten nicht für sich und ihre eigene Familie, sondern nur für ihre Herren, die ihre Untertanen barbarisch und grausam behandelten. Der Bauernaufstand brachte keine Linderung, aber der 30jährige Krieg und die Pest fegten einen großen Teil dieser Gewaltherren hinweg. Es erloschen mancherlei Verpflichtungen, teils weil das Land entvölkert und der Boden wertlos geworden war, teils weil viele Adelsfamilien ausstarben und manche Urkunde, auf deren Inhalt ihr Recht beruht hatte, verloren ging. Nach dem 30jährigen Kriege traten im Gerichts- und Regierungswesen bedeutende Verbesserungen ein. Der Bauer konnte sich mit Geld von der Leibeigenschaft loskaufen, und es erscheint nun in kleinen Anfängen ein freier Bauernstand. Im 17. Jahrhundert wurde die Zahl der adeligen Berechtigten immer kleiner, da der Bauer jetzt das Recht hatte, den Besitz der Adeligen für sich und seine Nachkommen zu erwerben.

31 Im 18. Jahrhundert waren in der Centgrafschaft Ostheim am Zehent- und Abgabeberechtigten noch zu finden: Stift Aschaffenburg, Abtei Seligenstadt, Domkapitel zu Mainz, Commende Mosbach, Jesuiten zu Aschaffenburg, die Herrschaft Breuberg und die Herren von Hanau und Hettersdorf. Im 19. Jahrhundert wurden, nachdem die Cent an Bayern gekommen war, die Rechte der geistlichen Stiftungen durch Geldsummen abgelöst. Unsere Heimat war nun von den ungeheuer drückenden Lasten der geistlichen Stifte und Feudalen frei geworden, allerdings erhob der Staat dafür eine neue Steuer, die Bodenzinse. Viele adelige Güter, wie z. B. die Höfe Neustadt, Lauterhof und das Reichartshäuser Gut (Schloßgut) zu Großwallstadt, welche der Lieb`schen Familie angehörten, sind an andere Familien oder in den Besitz von Gemeinden gekommen. Auch Kriegssteuern mußten ehedem bezahlt werden. Nach einem Eintrag im Centbuch von 1596, hatte der Ort Mömlingen pro Quartal 26 Gulden Türkensteuer an die Amtskellerei Aschaffenburg abzuliefern. Auch nach den Befreiungskriegen wurden Kriegssteuern erhoben. Das Volk nannte sie die „Russensteuer“, eine Benennung, die nicht zutreffend ist. Wieviel Mömlingen zu entrichten hatte, konnte ich nicht feststellen, da die Belege hierzu fehlen. Der Landesherr hatte die Berechtigung auf die Lieferung von Hühnern von jeder Feuerstelle (Familie). Jede Familie mußte zu Fastnacht und im Sommer je ein Huhn abliefern. Man nannte sie Fastnachts-, Sommer- und Gewalthühner (letzter Name für ein drittes evtl. noch abzulieferndes Huhn). Wie aus den Urkunden ersichtlich ist, mußte auch Mimlingen an den Landesherren Hühner abliefern; nach einer sicheren mündlichen Überlieferung nahmen die Herren von Breuberg von den Mimlingern die Hahnen,

32 und zwar die jungen. Dies geschah noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts. Wenn der Landesherr durch seine Lande reiste, mußten die Untertanen in den Orten, die er besuchte, ihn und sein Gefolge mit Speise und Trank bewirten, auch für Bequemlichkeit und Vergnügen sorgen. Dasselbe mußte auch beim Besuche des Bischofs und der adeligen Herrschaften geschehen. Man nannte es Atzung und Bischofsfutter; später wurde dies durch die Lieferung von Hafer abgegolten. Von den Leibeigenen wurde eine Kopf- oder Körpersteuer erhoben (Besthaupt und Leibesbeet). Mimlingen zahlte an Breuberg jährlich 40 Pfund Heller*) als Entgelt für zu leistende Frondienste. Trotzdem mußte es immer noch Frondienste leisten. Außerdem mußte es noch Eselshafer liefern (für die Esel, die das Wasser auf den Breuberg tragen mußten, nachdem die Mümling-Wasserleitung 1672 von den Franzosen zerstört worden war). Ferner wurde auch der Zehent erhoben für den Ortspfarrer, d. h. der zehente Teil von allen Feldfrüchten. Dazu kamen im 18. Jahrhundert noch die Abgaben für das Schulwesen und für den Gemeindehaushalt. Es mangelte also unseren Vorfahren nicht an Steuern und Abgaben und Verpflichtungen. Ihre Rechte dagegen standen allerdings nicht auf gleichem Maße. Nur Arbeit war der Zweck ihres Daseins, damit der Höhergestellte von den Früchten ihrer Arbeit ein schwelgerisches Leben führen konnte. Ihr Lohn war eine harte, oft grausame Behandlung, und nirgends ist ein Anhaltspunkt zu finden, wann und wo „die gute, alte Zeit“ vorhanden war.

______*) 1 Pfund Heller = 20 Schilling; 1 Schilling = 16 Heller.

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3 Mömlingen 33 Unser Heimatort Mömlingen in früherer Zeit

Das Dorfgericht.

Das Domkapitel Mainz, dem Mimlingen zugeteilt war, belehnte die Herren vom Breuberg mit der Ortsgerichtsbarkeit. Diese leiteten indes die Gerichtsverhandlungen nicht selbst, sondern bestimmten dazu einen Schultheißen und die Schöffen. Was ein Dorfgericht, wie das von Mimlingen, für Befugnisse hatte, darüber sagt uns eine Urkunde vom Jahre 1520 folgendes: Verbal- und Realinjurien bis auf blutrinnstig Schlagen, Elle, Maas und Gewicht, höhere Aufsicht über Wald und Flur, Überwachung der Haingerichte, das Gemeindewesen und die Aufsicht über Erhaltung der Gebäude, alle Schuldforderungssachen unter 9 Pfund, was darüber, geht nach Ostheim. Haingerichte waren für Schäden in Wald und Flur zuständig.

Urkunden.

Urkundliche Abschrift aus dem Centbuch zu Anfang des 16. Jahrhunderts.

Mömblingen.

In diesem Dorff ist mein gnädiger Herr von Mainz oberster Fauth (Herr Obervogt), mit gebotten, verbotten, atzung geschoß Beed und aller Obrigkeit. Item (ebensoferner): Hat in diesem Dorff Graf Michel Macht, einen Schultheißen zu setzen daselbig weißt meinen gnädigen oberste Herrn und Graf Michel - Gerichtsherrn. Item: weißt das Gericht, was unter 9 Schilling ist. Item: hat ein Centgraf daselbst alle Maaß Gewicht u.f.w. (zu überwachen) damit man ungefährlich gehandelt. Item: hat der Centgraf alle Verbott und Gebott und zur Abzahlung der Schulden zu verhelfen, - pfand zu nehmen – die einer (vor) Gericht zu stellen - welches das pfandt versetzet.

34 Item: hat seine Gnaden nach Gefallen zu jagen - soweit sich die Gemark erstreckt. Item: hat Herrschaft Breuberg Atzung und Dienst - davor (dafür) gibt Mömlingen jahrs 50 Pfund Häller Item: hat mein gnädiger Herr ein Domkapitel - etwelch Edelleut und Grafen - Zinnß - Gült und anderer Gerechtigkeit, Item: fallen meinem gnädigen Herrn alle Frevel u.f.w. (Strafen und Bußen zu) wie man die zu Ostheim weist. Item: wie anderwärts – Hühner. Item: von Leibesangehörigen – Beeth. (Alle Geldstrafen im Oberlandesgericht zu Ostheim fielen dem Landesherren zu, im Cent- und Dorfgericht wurden sie nach Vereinbarung geteilt.) Graf Michel von Wertheim, Herr zu Breuberg, war in dieser Zeit Dorfrichter in Mimlingen.

Urkundliche Abschrift aus dem Centbuche Ostheim vom Jahre 1623.

Mömblingen.

Vorgenannter Flecken beherrscht der hochwürdigste Fürst und Herr Johann Schweikhard mit aller Obrigkeit, Criminal- und Ziviljustitz wird von einem Vizedohm. Beamt. Zu Mimblingern, dem Hausen incorporirt worden, gleichwie in den anderen Dörffern; sodann 8 Maltern Habern, so in Kellerei Klingenberg, und ungehr 1 Sömmern Korn, so in die Kellerei Aschaffenburg gelieffert wird. Item: auch zu Hegen und Jagen, und obwohl die Herrschaft Breuberg auch wohl unterstanden, ist es nur heimlich geschehen. Den Zehenden hat ein hochwürdig Domkapitel zu Maintz den mehreren, die andere theil aber die Echter u.H. (errn) Centgrawe zu Ostheim.

3* 35 Urkunde – Abschrift in gleicher Zeit 1623

Zu Mömblingen hat die Herrschaft Breuberg das Gericht zu setzen, aber nit zu entsetzen, wird von ihrem Schultheißen, welcher auf ettlich Zinnßgefäll beschenden und dem Holzausgaben beiwohnt, geheegt. Wenn von denselben meines gnedigen Herrn Churfürsten ahn mittelbahren unterthanen ein landgericht mit Rügen belegt wird, muß die Herrschaft Breuberg 32 ½ Schilling erlegen. Dieselbe hebt jehrlich 40 Pfund Häller Frohngeld, prätendiert zu Zeiten die wirkliche Frohn, ist aber nit geständig. Auch behauptet sie nach einer Weitzthum (Urkunde) das Jagen bis an die Welzbach bei Nülkheim, wird aber wiedersprochen. (Der Wilz- oder Welzbach kommt von Radheim, durchfließt den kleinen Bachgau und Großostheim. Ein Teil fließt zum Schönbusch in die Seen).

Weistümer (Urkunden) aus dem Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg. 23. Band, 1. Heft, Weistum von Radheim 1602. Weistum von Radheim 1602: Wir weißen auch in meines gnädigsten Herrn Untergericht, daß die Röder–Markung uff die Grafffschaft Hanau–Babenhausen stoß, auch auf bende Chur- und Fürstenpfalz, uff Hessen, uff die Grafffschaft Breuberg, Mömblingen und Moßbach denselbigen weidtgang zu besuchen wie von alters herkomen ist. Hierben ist zu beachten, daß die Röder–Markung sich weiter als die Wildbahn (Wildbann = Jagdgrenzenrecht) des Erzstiftes erstrecke, gestalt (soweit) solches mit absonderlichen (besonderen) Steinen mit Inschrift 1595 einerseits mit Churmeyntz, anderseits Pfalz und Darmstatt hessischen wappen bezeichnet, welche gegen den gräntzen sich biß über Dorndill, uff der Mömblinger Lehensberg (Grenzberg) genannt beziehen, allwo der letztere (Stein) ohnweit Breuberg in einem Suol liegt. (Suol = nasse Vertiefung - Wildschweinschwemme).

36 Diese Urkunde ist für Mömlingen von großer Wichtigkeit, weil darin bezüglich des Röderberggutes der Herrschaft Breuburg, welches zwischen den aufgeführten Ländern, aber im Churmainzer Gebiete lag, nichts von liegendem Grundbesitz im Hintersberg erwähnt wird, sondern nur von „weidtgang, wie von alters herkommend ist“ (Viehweide). Trotzdem machte die Herrschaft später Besitzrechte geltend und die Gemeinde Mömlingen war gezwungen einen Prozeß zu führen, um sich den Hintersberg, der damals noch wüst lag, zu erhalten. (Siehe Ortsgeschichte - Prozesse S.208)

Mömblingen Weißthumb 1539 und 1680.

„Vor das Erste weisen die Schöffen einen jeden Churfürsten dem Erzbischoffen zu Meyntz für einen obersten Fauth (Vogt) und Herrn, der sie mit thür und Riegel zu schnließen habe. Zum anderen weisen sie Hochermelten Churfürsten und Herrn alle Gebott und Verbott, auch über alle Wasser, wend und wald zu gebieten und zu verbieten. Zum Dritten weißen die Schöffen dem wohlgebohrenen Graffen Michael von Wertheimb für einen Gerichtsherrn uff die Gerichtstag, und ein Gericht zu setzen und nicht zu entsetzen. Zum Vierten weißen hin, daß der Landschöff des Graffen Schultheiß, Steinsetzer, Holzgeber und Ohmgelter mit einander ziehen und setzen sollen (Ohmgelter - Einnehmer der Getränkesteuer: 4 Maß Wein für jede Ohm oder entsprechender Geldwert.) Zum Fünften: wo Gerichtstage zu Mömblingen seyen und Nachbarn den anderen vor das Gericht fast gebiete und thut sein Klag auf das Gegentheil (Gegner), so mag das Gegentheil in solchen Gericht antwort geben oder lassen, wo er ihm kein antwort des Orts (am Ort) geben will, so muß der Kläger mit seiner Klag zu des Graffen gericht still stehen und

37 den Beklägern im Landgericht zu Ostheim (Großostheim) fürnehmen, gibt aber der beklagte im Graffengericht antwort, so muß er auch das Urtheil an solchem erwarten. Zum Sechsten weist das Gericht die höchste Buß (Strafgeldeinnahmen) den Erzbischöffen und Churfürsten zu Mayntz, darnach den Graffen dritthalb und dreissig Schilling und ein Halblingen (halber Pfennig), davon muß der Graff dem Gericht achthalb Schilling wieder geben. Lügenstraff und Maulstreich gebühren dem Gericht zu straffen; was an das Landgericht kombt, da hat der Graff nichts an selbiger Straffe. Hat auch die Herrschaft Breuberg über dieses in diesem Dorff Mömblingen 22 heller Geld jährlich Frohngelds, ein Schäfferei neben der Gemein besonders Nachtriebben 300 Stück (Vieh). (Neben dem gemeindlichen Weiderecht hatte Herrschaft Breuberg den Nachtrieb, d. h. sie durften ihr Vieh nur dann austreiben, wenn der Vorberechtigte (die Gemeinde) ihr Vieh mit dem Hirten hatte austreiben lassen.) Item (ebensoferner): bei 500 Morgen felds, das Rödergut genannt, worvon Sie hiebevor (hierfür) 28 Malter frucht erhoben, aber anjetzo alle noch ödt und wüst. Weiteres haben die Herrn von Breuberg auch eingenthümbliche Hofgüter alda, worauf sie hierbevor bei 6 Hofbauern gehabt, welche ihnen darvon (dafür) geben 36 Malter, und erstreckt sich solches feld ad (zu) 600 Morgen, aber anietzo wenig im Baw (Bau). Noch mehres im Geenfeld, welches im Baw (Bau) ad (zu) 36 Morgen (Gehenwiesen). Es hat Gerhard Jäger, yetziger Centgraff zu Seligenstatt auch wegen seiner Forderung an dergleichen Hofäcker als ein drittheil so viel, neben der Herrschaft Breuberg, so ad (die zu) 100 Morgen (sich) belieffen, von der Uffingerischen Erbschaft bis zu seiner Contentierung (Befriedung – Bezahlung) zugmessen,

38 welche aber alle ödt, ausser was die Geenäcker belangen ad (zu) 13 Morgen in gleicher Freiheit. (Joh. Adam Uffinger war 1596 Centgraf im Bachgau, in der Graffschaft Ostheim, starb 1634 und liegt mit seiner Frau Anna Maria, einer geborenen Rudiger, und seiner Tochter im Kreuzgang der Striftskirche zu Aschaffenburg begraben). Die Herren von Breuberg haben neben diesem auch ein Höfgen, der Seitzenhof genannt, ist den Unterthanen erb- und schatzbar (steuerpflichtig), wovon jährlich 2 Malter frucht, halb Haber halb Korn zu liffern. Die von Bertremoville (Siehe Neustädter Hof S.77) haben auch ein freiadliggut in dem Dorff Mömblingen als ein eigenthumb, wovon Sie hiervor 14 Malter Korn und 19 Malter Haber Pochtweitz (pachtweise) erhoben. (Die Herren von Bertremoville hatten von den Knebel von Katzenellenbogen das gemischte Lehen des Reichertshäuser Hofes zu Großwallstadt erhalten). Es hatten auch die Lehen – Echter von Mespelbrunn von ihren Hofgütern alda hiebevor ad (zu) 40 Malteser Habern und 6fl. 1 Ulb (Weißpfennig) 6 Denar an gelt bekommen, welches ietzo der Domb–Probstei zu Bamberg wiederumb anheimb gefallen und fast die helfft nit gangbar. (Die Lehen – Echter hatten die alten Stammlehen im Spessart, die Eigentum – Echter freieigene Güter). Die Eigenthums–Echter von Mespelbrunn, anietzo (jetzt) die von Ingelheimb an Korn und Habern 12½ Maltern auch etwas an Geltzins. Ein hochwürdiges Domkapitel zu Meyntz hat ingleichen (desgleichen) einen freyen Hofm den Ochsenhof genannt, welcher das Vaselvieh zu halten hat, und gibt benebenst (nebst) der Faktorn (Geschäftsführer, Aufseher) jährlich 4 Maltern weitz und 4 Maltern Habern.

39 Im übrigen ist dieses Dorff Ihro Churfürstliche Gnaden mit allenb Anlagen (Steuern), Folg und anderen Diensten unterworfen". (Folg = Heeresfolge). Urkundlich kommt in Mimlingen in frühester Zeit ein Hof vor. Ob dieser Hof ehemals Besitz der Herren von Mimlingen war, ist nicht mehr festzustellen. Nach der Abschrift einer Urkunde verkaufte Friedrich, Ritter von Mosbach, dem Berthold von Mosbach ein Gut zu Mimling Anno Domini 1288. Die Commende Mosbach hatte in Mimlingen, wahrscheinlich durch Schenkung der Herren von Breuberg, der Grafen von Wertheim, Grundbesitz (Commendeäcker). Im Hintersberg, der früher wüst lag, übte die Commende auch Weiderecht aus. Ob sie neben den Breubergern dazu berechtigt war oder den Nachtrieb hatte, ist nicht genau festzustellen. Die Herren von Rosenbach hatten in Mimlingen Besitzrechte.

Urkundliche Abschrift:

„Gerusa, Witwe Prisings von Rosenbach, und ihre Kinder Johann, Diether, Lucia, Agnes und Clemens, verkaufen dem Stift zu Aschaffenburg, im Jahre 1340 4 Simmern Korn, (ruhend) auf einem Hofe zu Mimlingen“. Das Jesuitenkollegium Aschaffenburg hatte hier ebenfalls Grundbesitz. (Siehe Ortsgeschichte - die Jesuitenäcker S.213)

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40 Leibeigenschaft

Die Untertanen der Centgrafschaft waren größtenteils der Leibeigenschaft unterworfen und gehörten teils adeligen Herren oder Herrschaften, teils der Landesherrschaft an. Sie mußten Besthaupt (Kopfsteuer) und Leibesbeed (Körpersteuer) entrichten. Zu Ausgang des 15. und Anfang des 16. Jahrhundert wurde die Leibeigenschaft teilweise aufgehoben. Durch die Beteiligung am Bauernkrieg 1525 wurde die Leibeigenschaft wieder eingeführt, aber später doch teilweise wieder aufgehoben, 1531. Es wurden die Leibeigenen der Landesherrschaft frei; die Adeligen und Herrschaften gaben ihre Leibeigenen nicht frei. Beinahe 100 Jahre später noch hatte die Herrschaft Breuberg 8, Kurpfalz 3 und Hanau 1 Leibeigenen in unserem Heimatort Mimlingen. Nach einem Centverzeichnis, das zwischen 1604 und 1623 geführt worden ist, waren in Mömlingen folgende Leibeigene:

Kur- oder Fürstenpfalz (Heidelberg): Leonhard Hanßen Catharina – Hanß Langen Hausfrawen Barbara – Leonhart von haynstatt

Breuberg: Magdalena – Hanß Giegerts (Relikta) Witwe Catharina – Hanß Roheleders (Relikta) Barbara – Hanß Semlers (Relikta) Leonhardt Bleickenbecker Hans Mueller Margaretha – eheleuth Barbara – Hanß Könbochers Hausfraw Hans Schneid Hanau – Bobenhausen Jakob Meyloch

41 Nach dem Fortfall der Leibeigenschaft traten für den Bauernstand ganz andere Verhältnisse ein. Er arbeitete nicht mehr für die Herren, sondern für sich und seine Nachkommen, konnte sich Besitz erwerben und mit den Früchten seines Fleißes ein angenehmes Leben führen. Auch das Handwerk, welches seither ein Recht der Stadtbewohner war, wurde nunmehr von den Landbewohnern ausgeübt. In den Landorten blühte jetzt neben dem Bauernstand auch das Gewerbe. Mit der Entwicklung des Schulwesens zu Anfang des 18. Jahrhunderts hat sich auch die geistige Bildung des Volkes und zu Ende des 18. Jahrhunderts hatte unsere Heimat einen Blütestand erreicht, den sie noch niemals besessen hatte. Das von der Bevölkerung gehaßte Judenvolk war von diesen Errungenschaften ausgeschlossen. Studium, Gewerbe und Landwirtschaft auszuüben, war ihm immer noch strenge verboten, also trieben sie Handel, einen ebenfalls aufblühenden Beruf, den sie auch beibehalten haben bis in die heutige Zeit. Erleichterungen bekamen sie insofern, als sie jetzt ihre Wohnsitze wählen konnten, wo sie wollten, was ihnen zuvor ebenfalls verboten war, sie hatten ihre Wohnsitze nur in den von der Obrigkeit vorgeschriebenen Orten aufschlagen dürfen. In der Cent waren es die Orte Ostheim, Niedernberg, Großwallstadt und Mimlingen. Unser Heimatort Mömlingen erhielt erst durch diese Freiheit Juden, die sich hier ansässig machten. Ausgangs des 18. Jahrhunderts finden wir sie an den meisten Orten im Cent. Nur in Obernburg wohnte nachweislich kein Jude. Die Juden, welche Obernburg betreten wollten, mußten am Tore 30 Silberlinge Leibeszoll entrichten und außerdem das Versprechen abgeben, dort nicht zu übernachten.

42 Hexenzeiten

Die traurigste Zeit, die unsere Heimat mitmachte, mag wohl die Zeit gewesen sein, wo man in unverständlichem Aberglauben unschuldige Menschen als Hexen verbrannte. Viele Tausende von Menschen haben in unserem Vaterlande in der Zeit der Hexenverfolgung den Feuertod sterben müssen. Daß auch unsere Heimat, sogar sehr hervorragend, an den Hexenverfolgung und Verbrennung teilnahm, ersehen wir aus vielen schriftlichen Überlieferungen. Im 17. Jahrhundert erreichte des Hexenwahn den höchsten Stand. Niemand war mehr sicher davor, als Hexe angezeigt und verbrannt zu werden. Der „böse Blick“ – „Geistererscheinungen“ – „Kartenschlagen“ das „Verhexen der Kühe“ – die „Wunderkuren“ usw., das sind noch Überreste aus jener Zeit. Im Jahre 1600 waren im Hexenturm zu Obernburg einige Frauen eingesperrt. Sie sollten Verkehr mit dem Teufel gehabt und Zauberei getrieben haben. Es waren ja meistens Frauen, die der Hexerei beschuldigt wurden. Nachdem man sie in den Türmen, wo sie das Tageslicht nicht sahen, eine zeitlang eingesperrt hatte, kamen sie auf die Folter. Dieses furchtbare Marterwerkzeug war auch am Ort der Centgerichtsbarkeit, in Ostheim, vorhanden. Unter den furchtbarsten Qualen gestanden sie alles, was man wissen wollte, um es dann meistens nach der Wegnahme der Folter wieder als nicht wahr zu widerrufen. Aber dieses half ihnen nichts mehr, sie kamen vor das Gericht. Unter dem freien Himmel, den weißen Stab in der Hand, saß der Richter auf einem steinernen Stuhle, umgeben von den Schöffen und den Orts- und Cent- bewohnern. Brach er den Stab über dem Haupte des Angeschuldigten, so wurde er dem Feuertode überliefert. Wurde aber milde geurteilt, so gab es Landesverweis.

43 Sie wurden vom Henker über die Landesgrenze getrieben und durften den Heimatboden nicht mehr betreten. Das Vermögen dieser Opfer wurde vom Landesherrn eingezogen. Die Kerker des Breuberg, die Hexentürme in Obernburg und Ostheim, die Richtstätte des Breuberg und der Cent, sowie die Hexenwiese bei der Deckelmann`s- Mühle bei Obernburg könnte uns viel erzählen aus jener traurigen Zeit. Im Jahre 1663 erfroren sämtliche Weinreben; 1664 verwüstete ein außerordentlich schweres Hagelwetter unsere Heimatfluren. Man suchte in jedem Orte nach Hexen, die mit Hilfe des Teufels dieses Unheil herbeigeführt hatten, und man fand viele, sehr viele. Wie oft mag sich der Himmel gerötet und wieviel Schmerzensschreie mag er vernommen haben, als man 1664 und in den nachfolgenden Jahren die Unglücklichen verbrannte, die man für diese Naturschäden verantwortlich machte. Endlich sah die Landesregierung, die seither die Todesurteile der Hexen bestätigt hatte, ein, daß diese Greuel ein Ende nehmen müßten. In einer kurfürstlichen Verordnung an das Stadtgericht zu Obernburg (datiert vom 1. Dezember 1698) wurde diesen Zuständen ein Ende gemacht. Diese Urkunde verbietet den Gerichten die weitere Annahme „von Hexen und Hexereien ohne Grund Fundament“ und befiehlt, daß die Anzeiger mit „dem Zuchthaus oder gar mit dem Turm abzustrafen sind“. Dies wirkte, die Hexenprozesse hörten auf, aber die abergläubischen Meinungen sind vielfach im Volke bis heute geblieben.

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44 Mimlingen, Mömblingen, Mömlingen und seine Angrenzer

1. Die Gemeinde Wenigumstadt – Winnenmundestatt. Hier waren in früherer Zeit die Herren von Schrautenbach Patronats- und Zehentherren. Angrenzer an Mimlingen war früher Bibigheim, welcher Ort einging und Wenigumstadt eingekörpert wurde. 2. Pflaumheim – Pflumheim; ansässig war eine Adelsfamilie, die Herren von Pflumheim. 3. Niedernberg – niedere Burg, erbaut auf einem Römerkastell. Ein Adelsgeschlecht der Herren von Niedernberg war schon sehr frühe hier ansässig. 4. Großwallstadt – Wahle- oder Wallstatt, führte den Beisatz: Wallstatt regis (königl. Walestatt). Es war der Stammort eines adeligen Geschlechtes, das sich nach ihm benannte. Auch noch andere Adelsgeschlechter waren hier seßhaft. Die Herren von Reichershausen, von Pfraunheim, von Grönrod, die Knabel von Katzenellenbogen, die französische Familie von Bertremoville, die Lieb`sche Familie, die „von der Linden“ usw. hatten hier ihre Wohnsitze. 5. Obernburg – obere Burg, ist auf einem Platze erbaut, wo zur Römerzeit eine Ansiedelung und ein Kastell war. Kaiser Ludwig der Bayer verleiht Obernburg 1317 Stadtrechte. Für die Steinlieferungen zum Aschaffenburger Schloßbau erhielt es Marktrechte. 6. Eisenbach – Isenbach. Der Name kommt von einem alten, wahrscheinlich von den Römern betriebenen Eisenerzbergwerk. Ansässig war das Adelsgeschlecht der Kriechen von Ifenbach. 7. Freiherr v. Kunibertscher Waldbesitz. Er gehörte der Lieb‘schen Familie.

45 Hessische Angrenzer: 8. Fürstlich Erbach–Schönberg – Waldbesitz. Er gehörte zur Herrschaft Breuberg. 9. Hainstadt. In früheren Zeiten war es ein Weiler, wo die Häuser zwischen Bäumen versteckt lagen; daher der Name. 10. Waldamorbach – Wüstammerbach. Gründer waren die Herren von Wüstammerbach, die hier ein Schloß besaßen. Nach dem 30jährigen Kriege soll es eine zeitlang unbewohnt gewesen sein. 11. Dorndiel – Dorndill entstand durch Ansiedlung um den einst königlich-fränkischen Hof. 12. Mosbach – Machesbach war der Sitz eines Adeslsgeschlechtes, das sich nach ihm benannte. Außerdem war hier noch das Commendehaus der Johanniter- und Malteserritter.

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46 Unsere Heimatgegend war in früheren Zeiten vulkanisch

Dieses sehen wir an den Basalt- und Granitbrüchen, Erzgruben und anderem. Im Odenwald findet man Erdlöcher, kleine Krater, die Kamine bei einstigen Vulkanausbrüchen. Ein Hauptkrater soll in der Nähe des Otzberg, bei dem Dörfchen Herring zu finden sein. Die Burg Otzberg ist auf einem Lavaberg erbaut worden. Diese Vulkanerschütterungen in unserer Heimatgegend ereigneten sich wohl vor viel tausend Jahren.

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47 Hausen

Marienstatthausen – Hausen hinter der Sonne. Wohl die größte Bedeutung für die Entwicklung Mömlingens hatte das Verschwinden des Ortes Hausen. Wie man sieht, führte der Ort verschiedene Namen. Kurz vor seiner Auflassung wurde der alte Name Hausen oder Husen im christlichen Sinne umgeändert in Marienstatthausen; unsere Vorfahren nannten es Hausen hinter der Sonne. Man ist bei der Beschreibung dieses Ortes fast ganz auf die mündliche Überlieferung aus den beiden Orten Mömlingen und Hainstadt, welche Hausen als Erbe in sich aufnahmen, angewiesen. Urkundliches aus dem Centbuch Ostheim ist sehr wenig vorhanden. Es ist ein Irrtum anzunehmen, Hausen habe vor Mömlingen bestanden. Beide Orte haben vielmehr nebeneinander bestanden und werden auch ihre Entstehung gemeinsam gehabt haben, vermutlich unter fränkischer Herrschaft. Der gute Ackerboden, den Hausen besaß, die Talebene der Mömling läßt einen sehr frühen Anbau vermuten. Der Ort Hausen lag rechts der Mümling, ungefähr 2 Kilometer von Mömlingen entfernt, auf einer Anhöhe am Fuße des Buchberges. Heute ist der Lageplatz bewaldet und es sollen nur noch Fundamente und Kellerreste vorhanden sein. Der Ort mag klein gewesen sein, doch war ohne Zweifel ein Kirchlein vorhanden, auch führte eine Brücke über die Mümling. Dieses Kirchlein und die Mümlingbrücke müssen sich noch sehr lange erhalten haben. Die Brücke blieb stehen, weil man sie zur Benutzung brauchte, und wird gewiß im Laufe der Zeit erneuert worden sein. Das Kirchlein wird wohl später von selbst zerfallen sein, denn nach damaligen Kirchengesetzen waren strenge Strafen für Raub und Kirchenschändung im Gebrauch

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Der Breuberg

Die Häuser des Dorfes wurden im Laufe der Jahrhunderte von den Mömlinger Bewohnern abgebrochen, das Material nach Mömlingen überführt und dort zu neuen Bauten wieder verwendet. Heute werden noch viele Häuser bezeichnet, die aus diesem Material sollen erbaut worden sein. Die letzten Steinreste von Hausen sollen, wie alte Leute noch erzählten, zum Bau der Straße von Mömlingen nach Hainstadt Verwendung gefunden haben. Aus den Steinresten der Hausener Mümlingtalbrücke wurde im Jahre 1818 die Wendelinuskapelle erbaut. Die Gemarkungsgrenze zwischen Mömlingen und Hausen ist nicht genau festgestellt, doch wurde von unseren Vorfahren der Schlaggraben in der Richtung der heutigen Buchbergbrücke als mutmaßliche Grenze bezeichnet. Gegen Hainstadt ist die Grenzlinie festgestellt. Sie ging vom Grenzberg in gerader Richtung bei der Hainstädter Mümlingsbrücke über den Bach, den Mahlweg entlang zur Grenzlinie des Buchberg. Diese Feststellung konnte dadurch gemacht werden, daß bei dem Baue des Mahlweges Grenzsteine gefunden wurden, die mit Hausener Unterlagen versehen waren. Unterhalb der Hainstädter Steinbrücke befindet sich auf einem Acker ein ziemlich großer Stein, den die alten Vierrechter als Hausener Grenzstein bezeichneten und der aus diesem Grunde erhalten wurde. Auch in der Mömlinger Gemarkung wurde in der Feldlage Schlaggraben (Ferschen) ein Stein ausgegraben, der mit Sicherheit als Mimling- Hauser Grenzstein anzusehen ist. Nach einer mündlichen Überlieferung gingen von drei Überlebenden des Dorfes Hausen zwei nach Mömlingen, einer nach Hainstadt. Nach damaligen Rechten erbten sie Hausen und teilten es; Mömlingen erhielt zwei, Hainstadt ein Drittel der Gemarkung. Das Centbuch berichtet allerdings nichts von einer Teilung, sondern meldet nur, daß Hausen in Mömblingen eingekörpert worden sei.

4 Mömlingen 49 Die Waldgrenze links der Mümling (heute Salzrain und Breiteichel genannt) war die Wasserscheide auf der Berghöhe. Rechts der Mümling hatte Mimlingen keinen Besitz; der Buchberg reichte bis zu dem Talgraben hinter dem Neustädterhof und grenzte an Eisenbacher Waldgebiet. (Heute Freiherr Kunibert`scher Hofschlag.) Der Buchberg mit Hofkopf und einem Teil des Schlotrain (heute Erbach–Schönbergisch) gehörte zu Hausen. (Siehe Ortsgeschichte - Prozesse S.208). Alte Benennungen wie Häusereck, Häuserhecke, findet man in Hainstädter, Kirchgasse in Mömlinger Gemarkung. Kirchgasse nannte man den Weg, der von der Mümlingbrücke aufwärts zum Ort führte und heute noch durch die Wölbung im Wiesengrunde sichtbar ist. Nach dem Centbuch Ostheim geschah die Einkörperung von Hausen in Mömlingen im Jahre 1623. Einige Geschichtsforscher glauben diesen Zeitpunkt des Verschwindens von Hausen früher suchen zu müssen, etwa 1547 oder 1522, in den Raubzügen des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, der die Feste Breuberg ein Jahr belagert haben soll, was aber geschichtlich nicht nachgewiesen werden kann. Mit der mündlichen Überlieferung stimmt es nicht überein, und die Mordbrenner hätten den Ort auch durch Feuer zerstört, sodaß nichts als Brandschutt übrig geblieben wäre. Wie arm an Wald und Wiesen wäre heute die Gemeinde Mömlingen, wenn ihr nicht Hausen als Erbe zugefallen wäre. Wahrlich! Man muß weit gehen, um einen gleich schönen Wiesengrund zu finden, der auch an Größe und Güte dem unserigen gleich ist. Nachfolgend urkundliche Abschrift aus dem

Centbuch Ostheim um 1506 über Marienstatthausen.

In diesem Dorf ist mein gnädiger Herr von Maintz obrister Fauth (Oberherr). Item (ebensoferner): hat seine Gnaden zu jagen nach gefallen, soweit sich dreier Dörfer Gemarkung erstreckt.

50 Mimlingen und Dorndill. Idem: alle Frevel und Buß, geben auch Hüner – wie andere Flecken. Vom Jahre 1623 ist zu lesen: Hausen – so etwan ein Dorf gewesen und Mömblingen eingekörpert worden. Vom Jahre 1520 wird Hausen im Centbuch aufgeführt als berechtigter Ort der Centviehweide (Orlisbusch.) 1517 verleiht das Aschaffenburger Stift seine Wiesen, Äcker und Hecken zu Neustatt bei Mimlingen (Hof-Neustadt) dem Hans Gerner und Hentz Pon zu Ostheim. 1520 genehmigt Marquart von Stein, Domprobst zu Bamberg, dem Conz von Aulenbach dem Jungen, Hausen und Neustatt (Hof) dem Stift Aschaffenburg für 630 fl. (Gulden) zu versetzen oder auf einen Wiederkauf zu verkaufen. 1518 empfangen Conz von Aulenbach und seine Brüder Valtin, Heinrich und Bartelmes das Dorf Hausen an der Mümling vom Bamberger Probst zu Lehen. Das Bamberger Probsteilehen Hausen hinter der Sonne mit Hof Neustadt und Güter in Mimlingen wurde Hans Adalbert veräußert 1561. Der Schreiber des Conz von Aulenbach hatte am Samstag nach Michaelis 1547 die Abkündigung berichtet: „Nachdem ihr wist, wie es eingestalt mit dem Dorff Hausen hot, das Euch bißher und noch abgekauft gewesen und auch ich mit dem Edeln und vesten Christof Focken (Vizedom in Aschaffenburg) in kauf gestanden; was aber den Kauf gewandt (gewendet) ist euch wolbewußt, dann Herr Conrad Spall (Stiftsgeistlicher) mir am Zehenbt weiterer Intrag begehrt zu thuen, dann (als) billig ist. Derohalben ich und andere meinem guete freundt mit im weitter handlung gepflogen worden; aber on nott, yß und weiteresdauvo zu schreiba. – Damit Ir dechant und Capitel von mir Euer Gelt, das Ir uf das Dorff Hausen geliehen hapt und

4* 51 derselben Bezahlung von mir schlechts (einfach) gewertig sein wolt, mit Anzeigung, das Ir bei Eurem gelt ungwiß seiet, so laß ich Euch wißen, das vielleicht ein gueter freundt mir solch geldt beilegen wird, damit ich von Euch kum und Euch Euer Gelt uff Martinischift kommendt erlegen werde wo ch dan Euh Euer Gelt bringen werde. – So wertet Ir gedenken, wie mir mein Lehen on alle schmelerung und abbruch, wie des Euch verpfendt ist worden, wiederumb zuzustellen. – Dan wo Ir deshalbs mit thun werdet, kunth Ir erachten, das ich mich meines Schadens und Abbruchs an Euch, Eurem grantzen Capitel, erholen werde und mich besser gegen meinen gnedigen Herrn und guten Freundt (Churfürsten) beklagen würdt, das Ir mir solch anderpfandt habt lassen geringern, welches doch nit mol lautet, wo es also were. – Und will Euch solches mit diser meiner Schrift angezeigt haben, Euch darnach wisen zu richten. Um Dienstag Franziski 1547 antwortet darauf das Stift: Euer Schreiben, Widerlosung des Dorffs Hausen belangent, haben wir den ersten Tag des Monats Octobers rieß laufenden Jahres neben fernerem und weitläufigem Inhalt empfangen und verlesen, fuegen Euch daruff zu wissen, das, was solch Euer Abkündigung gar nit zuwidder, sondern zu Dank annemen, die fürganante beschwerunge, schmalerung Euers lehns halben lassen wir uff seinem werdt beruhen. – Und so mir derhalben von Euch angefochten, wissen wir, Euch mit gepürlicher und bestendiger antwurdt woll zu begegnen. Am 9. Dezembris 1547 schreibt Hans Adalbert zu Neustatt (Neustadt im Odenwald) ans Stift, das er zur Ablösung des Dorffs Hausen und der güter zu Neustatt (Neustädterhof) anderen Morgens zwischen 9 und 10 ur zu Aschaffenburg erscheine.

52 Nach Marä Empfängnis 1547 geschah folgende Abmachung: Nachdem Contz von Aulenbach das Dorff Hausen hinter der Sonn – uff der Mümling gelegen, mit groß und klein Zehnt zu Hausen und Neustatt (Hof) für 800 goltgulden – desgleichen etliche Wiesen und hecken auch zu Neuenstatt gelegen, zum 80 fl (Gulden) uns dem Stift verkauft und mir bis anhero gern gleich Ja gesagt und gepraucht, das uff dato hie und en geschrieben weilant aobgenants Contzen von Aulenbach des Jungeren verlassene Erben gerürt Dorff Hausen mit 800 fl. Und die Güter zu Neustatt (Hof) mit 40 fl. widerumb sich erkauft und gelost (gelöst) haben und der Erenfest Hans Adalbert neben und in Beiseyn Contzen von Aulenbach obgemelts Contzen von Aulenbach des Jüngeren vrlassenen Son, gerürt Summe an bar bezalten Gelt von der gemelten Erben wegen erlegen hat; Sagen derhalben vielermelte Erben und Hansen Adalbert gerürter 800 fl. und 80 fl. quit, ledig und wolbezalt, haben inen auch alsbald nach bezahltem Gelt ale Brief und Siegel und Register, wir derhalben hinder uns gehapt, zugestellt und übergeben, weisen auch alle, seither uns Verpflichteten fürter an die von Aulenbachs. Cuntz von Aulenbach und Hans Adalbert bekennen, daß sie vom Stift die Briefe wieder erhalten und gänzlich zufrieden gestellt sind. Das Adelsgeschlecht von Aulenbach reichte zurück in das 11. Jahrhundert und hatte seinen Wohnsitz im Spessart auf der Burg Aulenbach bei Eschau. Ihre Besitznachfolger waren die Freiherrn von Mairhofen, die den Besitz heute noch innehaben und Schloß Aulenbach bewohnen. Christoph Fock, Vizedom von Aschaffenburg 1544 bis 1547 entstammte wahrscheinlich dem Geschlechte der Herren von Wallstatt. Hans Adalbert war Wertheimischer u. Erbachischer Amtmann zu Neustadt i. Odenw. (Breubergisch).

53 Sein Geschlecht war auch in Elsenfeld begütert und ist erloschen. Die vorstehend abschriftlich wiedergegebenen zwischen den Herren von Aulenbach und dem Stift von Aschaffenburg ausgetauschten Urkunden sind in Bezug auf das eingegangene Dorf Hausen hinter der Sonne von größter Wichtigkeit. Sie lassen ersehen, daß die Herren von Aulenbach das Dorf Hausen an der Mümling von der Dompropstei Bamberg zu Lehen hatten und an Hans Adalbert, Amtmann zu Neustadt i. O., veräußerten. Oberster Fauth (Herr) war der Kurfürst von Mainz. Da mehrere Jahrzehnte später Hausen wahrscheinlich durch eine Seuchenkrankheit entvölkert und 1623 an Hainstadt und Mömlingen eingekörpert wurde, ist es sehr wahrscheinlich, daß Hans Adalberts Nachkommen die letzten Lehensherrn von „Hausen hinter der Sonn“ gewesen sind.

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54 Der „Breuberg“

Die größte Bedeutung in der Heimatgeschichte Mömlingens hatte nach Hausen ohne Zweifel der Breuberg. Hier wohnten unsere Herren und Dorfrichter mit mancherlei Rechten und großem Grundbesitz. Die Burg ist noch sehr gut erhalten und überall in unserer Gemarkung haben wir diese niemals bezwungene Bergfestung vor Augen. Auch ist sie für uns ein Stück Heimat, denn in schwerer Kriegsnot haben die Bewohner unserer Heimatgegend Schutz und Obdach auf dem Breuberg gefunden. Die Burg zu beschreiben ist nicht meine Aufgabe, ein jeder soll sie sich selbst anschauen und er wird staunen über ein solches Bauwerk, das unsere Vorfahren geschaffen. Es sollen nur kurz die Herrschaften vom Breuberg etwas näher betrachtet werden. Die Burg Breuberg erhebt sich auf einem kegelförmigen steilen Berg, 307 Meter über dem Meere. Im Jahre 1200 hieß er Bruberc, 1300 Bruberg, später Breuberg. Sie war eine starke Befestigung, hatte im 16. Jahrhundert 26 Geschütze und ist niemals bezwungen worden. Der „Breuberg“ ist gemeinschaftliches Eigentum der fürstlichen Häuser Löwenstein – Wertheim – Rosenberg und Erbach– Schönberg. Bis an die vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war er noch von vielen fürstlichen Beamten bewohnt, heute nur noch von einem Forstwart. Er ist eine der großartigen Burgen Süd- Deutschlands und weist eine Baugeschichte auf vom 12. bis zum 17. Jahrhundert. Anfangs kleiner, wurde er unter den Grafen von Wertheim, die eine Zeitlang Alleinbesitzer waren, zu der heutigen Größe ausgebaut. Es ist anzunehmen, daß die Römer sich hier schon angebaut hatten.

55 Im Jahre 1024 schenkte Kaiser Heinrich II., wie schon gesagt, unsere Heimatgegend und Teile des östlichen Odenwaldes der Abtei Fulda. Diese setzte die freien Adeligen von Reußenberg im Kahlgrunde bei Schöllkrippen als Vögte ein (Reuße – Reitze), welche als Vasallen Fuldas die Gerichtsbarkeit ausübten. Sie bauten sich die Burg Breuberg, bildeten aus erhaltenen Afterlehen einen kleinen Hof und spielten die Herren, bis sie nach 200 Jahren ausstarben. Der Breuberg war Jahrhunderte lang fuldisches Lehen. Als erster Breuberger erscheint Konrad Reitz I. zwischen den Jahren 1222 bis 1229 in den Urkunden. Nach dem Aussterben der Reußenberger im Mannesstamm im Jahre 1323 kam der Breuberg durch Einheirat an die Grafen von Wertheim, nach deren Aussterben im Mannesstamm 1556 an die Grafen von Erbach und Stolberg – Königstein. Eine Tochter von Stolberg – Königstein heiratete einen Grafen Löwenstein. Daher teilen sich heute noch beide Geschlechter in den Besitz der Burg, wie bereits erwähnt. Bewohnt wurde der Breuberg meistens von zwei, zeitweise von vier und sogar acht Familien. Während die Familie Löwenstein dem alten Glauben treu blieb, nahm die Erbacher den lutherischen Glauben an. Dieser Religionswechsel führte innerhalb der Burg zu Streitigkeiten, welche in blutigen Kämpfen ausgetragen wurden. Zu Anfang dieses Jahrhunderts errichtete man in dem fast leerstehenden Breuberg eine Schnitzereischule, die aber bald wieder einging. Da für die einst so mächtige Feste, welche schwedsche und französische Kriegsheere nicht einnehmen konnten, keine Verwendungsmöglichkeiten bestehen, beschlossen die Erben der ehemaligen Herrschaft Breuberg die Burg zu verkaufen.

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Wartturm vom Jahr 1492

Eine katholische Ordensgesellschaft wollte die Burg erwerben, um eine Klosterniederlassung zu errichten. Aber die lutherische Bevölkerung des Odenwaldes ließ es nicht zu, daß aus dem „Breuberg“ ein katholisches Kloster geschaffen wurde. Die Absicht, aus dieser mächtigen Burg, wo einst adelsstolze, tapfere Ritter ihren Wohnsitz hatten, eine Stätte des Friedens zu schaffen, mißlang.

Die Grafschaft Erbach entstand, indem die von Erbach als Beamte des Pfalzgrafen bei Rhein sich einen Morgen Feldes an der Mümling als freies Eigentum erbaten und darauf einen festen Turm erbauten. Von den Gütern des Klosters Fulda und Lorsch erkauften und annektierten sie allmählich ein Stück nach dem andern. Auch durch Heiraten erweiterten sie ihren Besitz und wurden, wie erwähnt, dadurch auch Mitbesitzer der angrenzenden Herrschaft Breuberg. Das Geschlecht der Erbacher besteht heute aus drei Linien. Erbach – Erbach, Erbach – Schönberg und Erbach – Fürstenau.

Die Entstehung des „Breuberg“ und dessen Herren nach der Darstellung von hessischen Geschichtsforschern

Der Breuberg, welcher nur wenige Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt im hessischen Gebiete liegt, war von jeher ein Forschungsgebiet von hessischen Geschichtsgelehrten. Ihre Darstellungen stimmen bezüglich der ersten Herren zu Breuberg mit anderen Forschern, welche die Reuße von Reußenburg bei Schöllkrippen als erste Herren des Breuberg erscheinen lassen, nicht überein. Die geschichtliche Darstellung nach hessischen Geschichtsforschern lautet:

57 Nachdem das Gebiet der späteren Herrschaft Breuberg durch Schenkung Kaiser Heinrich II. 1024 an die Abtei Fulda gekommen war, diese aber die weltliche Gerichtsbarkeit nicht ausüben durfte, erbaute sie eine kleine Burg und setzte darauf einen Gerichtsherrn (Vogt), welchem die Gerichtsbarkeit über die neuerworbenen Gebiete übertragen wurde. Für dieses Amt wählte Fulda einen dem freien Herrenstande angehörenden Mann, dessen Stammschloß zu Lützelbach (Kleinbach), zwei Wegstunden südlich des Breuberges stand. (Auf den Grundmauern dieses Schlosses erhebt sich die (heute) evangel. Kirche.) Diese Herren nahmen als Fuldische Vögte ihren Wohnsitz auf der neuerbauten Burg und nannten sich Reiße von Breuberg. Als erster erscheint urkundlich zwischen der Zeit 1222 bis 1229 Konrad Reiß I. als fuldischer Vogt und Herr zu Breuberg.

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58 Die Commende Mosbach

Das Commendehaus in Mosbach hatte seinen Ursprung in der Zeit der Kreuzzüge, Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts. Der Johanniterorden, seit 1530 Maltheserorden genannt, wollte seinen Mitgliedern, welche die Kreuzzüge mitgemacht und das hl. Land hatten erobern und verteidigen helfen, ein Asyl errichten, wo sie ihre letzten Lebensjahre in Ruhe sorgenfrei zubringen konnten. Man benutzte hierzu das ehemalige Nonnenkloster zu Mosbach. Die Hauptcommende war in Frankfurt, Mosbach war eine Zweigniederlassung. Ihr Vorstand war der Comthur, der abwechselnd in Frankfurt und Mosbach seinen Sitz hatte. Graf Popo von Wertheim, der ebenfalls einen Kreuzzug mitgemacht hatte, schenkte jenem Ritterorden nach und nach seinen ganzen Besitz, den er im Bachgau besaß. Die anderen Adeligen der Umgegend folgten seinem Beispiel und machten ebenfalls große Geschenke an Gütern. Das Commendehaus wurde so reich, daß es selbst durch Kauf vielen Besitz erwerben konnte. Zuletzt war kein Ort mehr im Umkreis, wo die Ordensritter nicht Besitz hatten. Sie hatten sich Jagdberechtigungen, große Schäfereien, Zehenten, Dorfgerichtsbarkeit und noch andere Rechte erworben. Die Commende Mosbach wurde im Jahre 1806 / 07 als solche aufgelöst. 1814 kam sie samt Zubehör an Bayern, durch den Staatsvertrag zwischen Bayern und Hessen 1817 an das Großherzogtum Hessen. Der letzte Comthur, Freiherr Pfürdt zu Blumberg, erhielt das Gnadenbrot, bis er im Jahre 1819 starb. Die wertvollen Bücher und Aufzeichnungen, welche die Ordensritter im Laufe von Jahrhunderten niedergeschrieben haben und die im Aschaffenburger Schloß Untergebracht worden waren,

59 mußten auf Betreiben der hessischen Regierung wieder herausgegeben werden. Diese Bibliothek enthielt wertvolle Aufzeichnungen über unsere Heimatgegend. In Mömlingen hatte die Commende Grundbesitz und Schafweiderecht im Hintersberg. Hinsichtlich der Schäfereigerechtigkeit hatte sich aus der älteren Zeit folgender seltsame Brauch erhalten: Auf dem letzten Fastnachtstag kamen die ledigen Burschen von Wenigumstadt, Mosbach und Dorndiel mit Musik, Trommeln und Pfeifen vor das Commendehaus gezogen. Hier bekam nun jede Abteilung der drei Ortschaften einen 4-pfündigen Braten, einen großen Laib Brot und zwei Maß Wein; die Radheimer Burschen, welche ebenfalls mit erschienen, erhielten ein halbes Malter Korn und 10 Schillinge. An Pfingsten kam sie wieder, diesmal waren noch die Pflaumheimer und Mömlinger dabei. Sie erhielten ortsweise 10 Schillinge. Für diese Spenden hatten sie die Verpflichtung, das Jahr über die durch schwere Gewitter zerstreuten Schafherden zusammensuchen zu helfen. Die Mömlinger mußten zu Pfingsten ein Netz mit jungen Vögeln mitbringen.

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60 Der Wartturm bei Schaafheim

Jedes Kind kennt ihn, den steinernen Mann, der herüberschaut in unser Heimattal, auf unsere Berge. Er könnte uns viel erzählen von Krieg und Zerstörung, von Hungersnot und Pest, von Mißwachs und Hagelschlag. In seiner ersten Jugendzeit sah er, wie die Raubscharen des Markgrafen Albrecht von Brandenburg den Bachgau niederbrannten. Als Jüngling blickte er auf Tillys Heerscharen, die im Bachgau lagerten, ihn arm fraßen und ihm das große Sterben brachten. Als Mann sah er die Flammensäulen zum Himmel steigen, als man die unglücklichen Opfer des Hexenwahnsinns lebendig verbrannte, ihr Vermögen einzog und damit die Schulden des Schlosses zu Aschaffenburg bezahlte, das Kurfürst Johann Schweikhard erbaut hatte. Spanier und Schweden, Russen und Franzosen sah er plündernd den Bachgau durchziehen, letztere, die sich vielmal in seinem Wachtgebiet getummelt hatten, zum letzten Mal, als sie, von Hanau kommend, als besiegte Truppen dem Rheine zueilten. In hohen Alter hat er noch erlebt die Zeit der Erfindungen, der Technik und er sieht heute Dampfroß und Kraftwagen vorbeirasen, während Luftschiff und Flugzeug majestätisch über ihm durch die Lüfte ziehen. Und während er dies alles beobachtet, denkt er nach, wie heute alles anders ist als damals, als man ihn als Wächter des Bachgaues hinstellte und er die Bewohner zusammenrief, wenn die Raubritter sich einfanden, um den Landmann der Früchte seines Fleißes zu berauben. Er, der früher als Schützer der Umgegend hingestellt wurde, wird heute selbst beschützt, damit er noch lange erhalten bleibt. Auf der Höhe zwischen Wenigumstadt und Schaafheimer Gemarkung sehen wir guterhalten einen alten runden Turm, den Wartturm.

61 Trotzig und fest steht er im kleinen Bachgau und überschaut die ehemalige Cent; auch er ist ein altes Stück Heimat. Nach Wappen (Henneberger) und Inschrift hat ihn der Kurfürst von Mainz, Berthold von Henneberg, im Jahre 1492, errichten lassen. Höchstwahrscheinlich stand an diesem Platze vorher ein anderer Turm, der in früheren Zeiten demselben Zwecke gedient haben mag. Dieser Warttum war nicht der einzige, durch unsere Gegend ging eine ganze Wartturnlinie, wo in bestimmten Entfernungen (1500 Meter) die Türme standen, die sich durch Rauch oder Feuersignale verständigen konnten. Auch in unserer Ortsgemarkung stand dem ausgegrabenen Fundament nach, höchstwahrscheinlich ein Wartturm. (Siehe Ortsgeschichte - das unbekannte Bauwerk auf der Engelsspitze S.203) Die Entstehungszeit dieser Wartturmlinie war im 12. und 13. Jahrhundert, in der Raubritterzeit, wo kein Mensch seines Lebens mehr sicher war und wo sich auch die Dörfer durch starke Mauern und Türme schützen mußten. Diese alten Warttürme sind sämtlich verschwunden und nur der Schaafheimer ist erhalten geblieben, weil er viel später gebaut oder erneuert wurde. Er war dazu bestimmt, die ganze Gegend des Bachgaues zu bewachen und in Fällen der Not durch gegebene Lärmsignale die Bewohner auf räuberische Einfälle aufmerksam zu machen. Zu diesem Zwecke hatten daher sämtliche Orte der Umgegend die Verbindlichkeit, einen ständigen Wachtposten hier zu unterhalten. Die größeren Orte, wie Ostheim hatten 4, die kleineren 2 Mann zu diesem Wachtposten zu stellen. Dieser Wachtposten soll aus vier Mann bestanden haben; zwei sollen Ausschau gehalten haben, während die anderen zwei bis zur Ablösung schliefen oder sich mit Würfelspiel die Zeit vertrieben.

62 Der Aufstieg zum Turm soll auf einer Leiter stattgefunden haben, welche die wachende der ablösenden Mannschaft von oben zuwarf, da ja ein Türzugang gar nicht vorhanden war. Selbst die Juden waren von dieser Verpflichtung nicht frei, vielmehr mußten sie zur Erntezeit, wenn der Landmann seine Früchte erntete, den Posten ganz allein übernehmen. Hier in unserer Heimatgegend hatten wir nur die Raubschlösser bei dem Neustädter Hof und zu Eisenbach. Aber diese Raubritter waren nicht die einzigen, welche die Cent bedrohten und beraubten, auch aus dem Kahlgrund stellten sie sich ein. Es waren dort die Raubnester der Schelrisse von Hüttelngesäß, derer von Wasserlos, von Hauenstein und Ronneburg.

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63 Mainhausen

Auf der rechten Mainseite, Obernburg gegenüber, bestand bis zur Zeit des 30jährigen Krieges das Dorf Mainhausen, dessen Vorhandensein laut urkundlicher Ausweise bis zu den frühesten Zeiten zurückreicht. Bis zum Jahre 1300 führte es den Namen Husen. 1380 findet man es Meenhusen und 1400 Maynhusen geschrieben. Der Ort hatte keinen geschlossenen Gebäudekomplex, sondern bestand aus einer Anzahl Huben (Höfe), deren jede einzelne aus Haus- und Ökonomiegebäude und dem sie umgebenden Grundbesitz bestand. Diese Einzelhuben erstreckten sich von der Mündung der mainaufwärts bis zur Erlenbacher Gemarkungsgrenze, und in späteren Jahren wurden vom hochgehenden Maine hie und da noch Fundamentreste bloßgelegt. Jeder Hübner war Hofbauer und wohnte inmitten seines Besitzes. Gegen Elsenfeld zu bildete die Elsava die Grenze; das Gelände rechts der Elsava gehörte zu Elsenfeld, links der Elsava zu Mainhausen. Besitz und Berechtigungen hatte in Mainhausen auch das Collegialstift Aschaffenburg und die Herrschaft Klingenberg, die Grafen von Bickenbach. Die Gemeinde Obernburg hatte das Weidgangsrecht in dem zwischen dem Kloster Himmeltal und Mainhausen gelegenen Walde, sowie die ihr im Jahre 1300 förmlich zugesicherte Befugnis zu eigenem Gebrauch und Bauwerken Holz zu fällen. Bis zur ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts saßen die Mainhausener Bauern noch auf ihren Huben und auch der Bauernaufstand 1525 hatte ihnen wenig geschadet. Desto schlimmer erging es ihnen im Schmalkaldischen Kriege während der Jahre 1545 bis 1547, wo die Truppen des Markgrafen Albrecht von Brandenburg wiederholt verheerend in das Erzstift Mainz einfielen.

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Römischer Opferaltarstein ohne Opferschale neben dem Kirchturm zu Eisenbach vom Jahre 181

Im Juli 1547 eroberte der Markgraf die Stadt Mainz und zog dann mit seinen Raubscharen in die Maingegend, wobei die offenen Dörfer und Weiler Schweres zu erdulden hatten; sie wurden geplündert, verwüstet oder niedergebrannt. So erging es auch den Hübnern in Mainhausen. Sie flohen mit Frau und Kind und aller beweglichen Habe nach Obernburg hinter dessen festen Mauern sie Schutz fanden. Sie verblieben dort und gingen in der Obernburger Bewohnerschaft auf. Die Mainhauser Gemarkung wurde der Gemarkung Obernburgs einverleibt und mit 54 Grenzsteinen abgesteint, wie es im „roten Buche“ der Stadt Obernburg niedergeschrieben ist. In diesem Buche sind auch die Streitigkeiten beschrieben, welche die Obernburger im Jahre 1614 mit den Erlenbacher Bewohnern wegen der Weide im Mainhäuser Feldgebiet durchzufechten hatten, da die Erlenbacher einen Teil der Weide für sich in Anspruch nehmen wollten. Die wenigen Gebäudeteile, welche in Mainhausen nach dem Schmalkaldischen Kriege noch übrig geblieben waren, fegten die Stürme des 30jähr. Krieges vom Erdboden hinweg. Die Folgen des 30jährigen Krieges waren auch die Ursache, daß Obernburg der Mainhäuser Gemarkung verlustig ging. Wie in allen anderen Orten in unserer Heimatgegend war auch in Obernburg die Bevölkerung während des Krieges auf ein klein Häuflein zusammengeschmolzen, so daß fast der eigene Grund und Boden keine Bewirtschaftung mehr fand. Niemand dachte neben diesem an die Bebauung des leichten Sandbodens von Mainhausen. Die ganze Gemarkung wurde daher als herrenlos erklärt und vom Landesherrn eingezogen. Die Ursache des Verlustes der Gemarkung Mainhausen lag also zum Teil in der eigenen Schuld der Stadt Obernburg, die sich jahrzehntelang um die Markung nicht kümmerte und es versäumte, ihre Rechte auf den Mainhäusener Besitz geltend zu machen;

5 Mömlingen 65 zum Teil ist aber auch die Anmaßung der damaligen Landesherrschaft schuld an dem Verluste. Durch Regierungs - Entschließung vom 14. April 1833 wurde die Gemarkung Mainhausen aufgeteilt und den Gemeinden Erlenbach, Elsenfeld und Schippach zugewiesen. Ausgenommen von dieser Zuteilung war der 1980 bayerische Morgen große Forstwald, der heute noch eine Markung für sich bildet, und die „Damswiese“. Diese, 240 Morgen groß, sowie ein Feldstück von 60 Morgen waren viel früher schon zum Hof Nilkenheim oder Nilkheim gekommen. Die Damswiese war ehedem ein wüstes Sandstück; erst Kurfürst Friedrich Karl Josef von Erthal (gest. 1802 zu Aschaffenburg) ließ sie neu anlegen. Aus der eine Viertelstunde von da entfernten Elsava wurde ein Teil des Wassers abgeleitet, die ganze Ödung bearbeitet, angebaut, mit Kanälen, Durchschnitten und Schleußen versehen und alljährlich eine zeitlang unter Wasser gesetzt. Durch diese Bewässerungsanlagen wurde die öde Sandwüste in eine ertragsreiche Wiesenfläche umgewandelt. Der königl. bayer. Kämmerer Karl Freiherr von Mergenbaum, der das Hofgut Nilkheim 1811 in Erblehen nahm, war wahrscheinlich auch der Erbauer der Feldscheunen auf der Damswiese, die zur zeitweiligen Unterbringung der Heuerträge diente. Sie stehen heute nicht mehr. Die Damswiese wurde später von der Gemeinde Elsenfeld durch Kauf erworben. Eine Sage gibt dem Damsfeld seine Benennung, von Campus damnatus (verdammtes Feld), weil hier die Römer einst eine Schlacht gegen die Germanen verloren haben sollen. Auch der „Blutgraben“, welchen man dort zeigt, soll von einer ähnlichen Begebenheit seinen Namen haben. Mehr als 300 Jahre sind vergangen, seitdem das Hubdorf Mainhausen vom Erdboden verschwunden ist,

66 und was erblickt man heute auf dem ehemaligen Hubgelände? Die vor 6 Jahrzehnten erbaute Eisenbahnlinie Aschaffenburg – Miltenberg durchschneidet heute das ehemalige Hubgelände, wo für Bahnhof und Bahngelände eine große Fläche verwendet wurde. Der Ort Elsenfeld hat schon längst in seinem Vergrößerungstrieb die Elsava überschritten und sich links des Baches auf altem Mainhausener Boden durch landwirtschaftliche Anwesen, Mühlen, Wohnungen und sonstige Bauten ansehnlich vergrößert. Ein landwirtschaftliches Lagerhaus versorgt die Orte der Umgebung mit landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen aller Art und nimmt andererseits einen großen Teil der Körnererträge den Landwirten durch Kauf oder Tausch wieder ab. Das bedeutendste Unternehmen, welches im letzten Jahrzehnt auf ehemals Mainhausener Boden entstanden ist, ist die große Kunstseide oder Glanzstoff – Fabrik, in der Hunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen Arbeit und Verdienst finden. In nächster Nähe dieser bedeutenden Fabrikanlage sind heute schon eine Anzahl von gesunden, stattlichen Arbeiterwohnungen entstanden, sie werden immer zahlreicher, und ein neues Mainhausen ist im Entstehen begriffen, wo die Bewohner nicht auf dem schlechten Sandboden durch Landwirtschaft, sondern auf dem neuzeitlichen Boden der Industrie ihren Lebensunterhalt erwerben werden. Seit mehreren Jahrzehnten ist der Odenwald mit dem Spessart bei Obernburg durch eine Brücke verbunden, und die alte Zeit ist vorüber, von der im „roten Stadtbuche“ geschrieben steht: „Diejenigen Obernburger welche Güter auf der Mainhauser Gemarkung haben, soll der Fehrer über den Mayn fahren, darum sie dem Fehrer ziembliche Belohnung thun sollen, wie von Alters herkommen ist".

5* 67 Der römische Altarstein am Neustädter Hof

Im Jahre 181, als Commodus Augustus III. Kaiser und Burhus Konsul war und sie als solche unsere Gegend beherrschten, errichteten ausgediente römische Soldaten von Unteroffizierungsrang (Benefiziare), die sich als Kolonisten (Ackerbauern) in unserer Gegend niedergelassen hatten, unter Gajus Julius Montanus einen Votiv– oder Opferaltarstein, der dem Gotte Jupiter geweiht war. Er soll nach der Volkssage an dem Platze des heutigen Neustädter Hofes gestanden haben, auf dem später an ausgegrabenen römischen Steinen waren diese ausgedienten römischen Soldaten von der berühmten 22. Legion, von der 4. berittenen Cohorte (Siehe Heimatgeschichte - Römerzeit S.4). Die 4. berittene Cohorte hatte größere Bedeutung als andere Cohorten, den sie unterstanden nicht einem Hauptmann, sondern einem Präfekten, der im Kastell von der oweren Burg (Obernburg) seinen Sitz hatte. Die 4. berittene, aquitanische Cohorte hatte ihren Standplatz in unserer Gegend, bei der oweren Burg, beim großen Wall (Großwallstadt), bei der niederen Burg (Niedernberg) und reichte bis Stockstadt, wo die 3. Cohorte ihren Anfang nahm. Dieser Altarstein blieb auch nach dem Abzug der Römer bestehen und genoß auch weiterhin göttliche Verehrung, denn die Bewohner unserer Heimatgegend hatten von den Römern nicht nur Kultur und Sitten, sondern auch ihre Religionen angenommen. Um das Jahr 680 erschien der hl. Kilian und verkündete die christliche Lehre. Die Bewohner unserer Gegend nahmen die neue Heilslehre zwar an, behielten aber die heidnischen, römischen Religionsbräuche noch bei, es waren sogenannte Heiden–Christen. Abergläubische Furcht hielt die Bevölkerung zurück, diesen Altarstein zu beseitigen, er blieb weiterbestehen.

68 Im Jahre 719 kehrte der hl. Bonifatius, mit Bekehrungsvollmachten vom Papste ausgestattet, aus Rom zurück. Er predigte zuerst in Thüringen, kam dann nach Franken, wo er St. Kilians Fußtapfen folgte. Nach der Sage (urkundliches gibt es nicht) kam er auch in unsere Gegend, wo er die in der Zeit von 711 bis 716 erbaute Kapelle zu Nölkheim (Nilkheim) vorfand. Bonifatius war vor allem bestrebt alle Denkmäler des Heidentums zu vernichten, und er tut es mit starker Hand. Der römische heidnische Opferstein bei dem heutigen Neustädter Hof soll nach der Volkssage von St. Bonifatius selbst beseitigt worden sein. Damit eine Aufrichtung an seinem Standplatz nicht mehr stattfinden konnte, legte er den Grundstein zu einer Kapelle, die auch errichtet und später die Mutterkirche genannt wurde. Der Altarstein mag noch Jahrhunderte bei den Mutterkirchlein gelegen haben, bis die Bewohner von Eisenbach zum Bau eines eigenen Kirchleins schritten und der Stein hierzu beim Turmbau Verwendung fand. Aus abergläubischer Furcht spalteten sie ihn der Länge nach durch und stellten die Teile rechts und links an den Eingang der Turmtür, wo er heute noch vorhanden ist. Durch das Durchspalten gingen in jeder Zeile zwei Buchstaben seiner Inschrift verloren. Trotzdem wurde im Jahre 1893 durch einen Altertumsforscher, Konradi aus Miltenberg, eine einwandfreie Entzifferung festgestellt und ins Deutsche übersetzt. Die Inschrift des römischen Votivsteines lautet: „Dem Gotte Jupiter – dem größten besten – und dem Schutzgeist des Ortes – haben Cajus – Julius – Montanus – Benefiziare des kaiserlichen Stadthalters für sich und die ihrigen – diesen Altar errichtet und geweiht – zur Zeit als Kaiser Commodus – Majestät Augustus – zum dritten Mal – und Burhus – Konsul waren. – 181

69 Das Mutterkirchlein am Neustädter Hof

An dem Platze, wo mehr als fünfhundert Jahre der heidnische, römische Opferstein stand, legte, wie bereits erwähnt, der hl. Bonifatius nach der Volkssage den Grundstein zu einer Kapelle, die auch errichtet wurde. Man nannte sie später die Mutterkirche. Ob diese Volkssage auf Wahrheit beruht, kann nicht festgestellt werden, wird aber auch von Altertumsforschern nicht angezweifelt, denn sie glauben selbst, daß dieses Kirchlein aus dem allerfrühesten christlichen Zeitalter stamme und der Ursprung in die Zeit des hl. Bonifatius 719 bis 759 zurückreichen könne. Es ist nicht anzunehmen, daß in jener Zeit außer dem Kirchlein zu Nölkheim (Nilkheim), erbaut 711 bis 716, das Bonifatius vorfand, eine weitere Kirche in unserer Gegend vorhanden war. Man nannte sie die Mutterkirche, weil die Bewohner des Odenwaldes und der ganzen weiten Umgebung hier zusammenkamen, um den Gottesdienste beizuwohnen und priesterliche Handlungen vornehmen zu lassen. Die geistliche Gewalt lag in damaliger Zeit, wie bereits erwähnt, nur in der Hand der Bischöfe. Später entstanden Abteien und Klöster, die Vikare, sogenannte Wanderpriester, heranbildeten. Es dauerte oft lange Zeit, bis ein solcher Wanderpriester in unsere Gegend kam, um im Mutterkirchlein seines Amtes zu walten. Später, nachdem die Geistlichen zahlreicher geworden und auch die Flecken (Orte) an Bevölkerung zugenommen hatten, baute man Ortskapellen und Ortskirchen. Das Mutterkirchlein stand neben dem Hof in der Richtung Eisenbach, hatte die Längsrichtung nach Osten, eine Bauart, die bei allen späteren Kirchenbauten nachgeahmt wurde, denn von Osten kam das Heil.

70 Es lag so ziemlich in der Mitte des Friedhofes, war gebaut aus unbehauenen Findlingsteinen und war 20 Meter lang und 10 Meter breit. Es war vierkantig gebaut, der Altar war in der Richtung von Eisenbach. Der Fußboden war mit gebrannten Ziegelplättchen bedeckt. Im Innern des Kirchleins, links vom Eingang, befand sich eine Gruft von 0,60 Meter Länge, Breite und Tiefe. Sie war innen mit rohen Findling–Platten bekleidet und enthielt bei der Auffindung (nach der Beseitigung der Erdfundamente in den letzten 50 Jahren) zwei starke menschliche Röhrenknochen. Da diese kleine Gruft zur Beisetzung von Leichen wohl nicht geeignet erscheint, so nahm der Auffinder (Hofbesitzer Engel) an, es möchten vielleicht Reliquienknochen sein. (Diese Ansicht wird auch heute von Altertumsforschern geteilt). Aus diesem Grunde legte man die beiden Knochenreste in die Gruft zurück und fügte die Deckenplatte wieder ein. Diese Gruft befindet sich heute noch im Erdinnern des früheren Mutterkirchleins und ist von Gras überwachsen. Am Eingang des Kirchleins (Hofseite) stand der Turm. Von ihm kann mit Bestimmtheit behauptet werden, daß er viel später erbaut worden ist, denn er war aus schweren, bearbeiteten Quadersteinen ausgeführt. Er hatte zwei Glocken die auch bei dem Vorüberziehen von Bittprozessionen geläutet wurden, was den älteren Leuten noch in Erinnerung ist. Eine Zerstörung des Kirchleins, welche einen neuen Aufbau notwendig gemacht hätte, ist nach Steinen und Mauerwerk beurteilt, nicht erfolgt, es wurde nur restauriert, im Jahre 1715 zum letzten Mal. Im Jahre 1815 hat man in ihm auf Veranlassung des Geistlichen Rates Max von Frankfurt das hundertjährige Restaurationsjubiläum gefeiert. Der Hauptaltar war, wie das Kirchlein selbst, dem heiligen Johannes dem Täufer geweiht. Alljährlich wurden zu gewissen Zeiten 16 gestiftete hl. Messen gelesen,

71 wozu auch fromme Christen der Umgebung sich einfanden und Anteil nahmen. (Pflaumheimer Gäßchen) An Grundvermögen und Geräten fehlte es dem Kirchlein nicht; der Fonds bestand aus 980 Gulden. Zu diesem hatte die Lieb`sche Familie viel beigetragen, und es war eine eigene Wiese von zwei Morgen vorhanden, deren Ertrag zum Unterhalt der ewigen Ampel bestimmt war. Daß dieses Kirchlein von den Burgrittern als Burgkapelle benützt wurde, ist als sicher anzunehmen. Dieses alte, ehrwürdige Kirchlein, das nicht die geringste Spur von Verfall zeigte, wurde 1864 aus nicht zu rechtfertigenden Gründen abgebrochen und beseitigt. Nach glaubhaften Mitteilungen sollen der Eisenbacher Pfarrer und der Neustädter Hofpächter die einzigen Schuldigen an der Beseitigung gewesen sein. Dem einen waren die Vorbereitungen und das Abhalten der 16 Messen alljährlich in der Hofkapelle lästig, während der andere nach dem Steinmaterial trachtete, um den Hof damit zu renovieren. Bald nach der Beseitigung des Mutterkirchleins starben beide eines plötzlichen Todes, zur Strafe, wie das Volk glaubte. Bilder und kirchliche Geräte des Kirchleins kamen teilweise in die Kirche zu Eisenbach, teilweise in Privatbesitz. Manches verblieb im Hof selbst; es ist heute nichts mehr davon vorhanden. Den Taufstein, zwei schöne Engelsköpfe mit Flügeln, eine sitzende Engelsfigur sowie ein geschnitztes Bild aus Lindenholz, welches die schmerzhafte Mutter Gottes mit den Kreuzigungswerkzeugen darstellt, erwarb der damalige Lieb`sche Förster Graner in Mömlingen, Hs. Nr. 199. Sämtliche aufgeführten Gegenstände sind gut erhalten in genanntem Hause noch zu sehen und sind heute für Mömlingen die letzten sichtbaren Überreste von dem alten, ehrwürdigen Mutterkirchlein.

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Frühere Mutterkirche am Neustädter Hof und Bild aus der Kirche

Der Altar – Reliquienstein befindet sich heute im Lauterhof, in einer Mauer eingesetzt, und trägt die Jahreszahl 1252. Bei den Einebenungsarbeiten am Platze der ehemaligen Mutterkirche wurden in der Nähe des Altarstandes drei Münzen gefunden, wovon noch eine im Hofe aufbewahrt ist. Die Münzen, (wahrscheinlich Opfermünzen) waren viereckig mit abgestumpften Ecken, ohne jede Inschrift. Auf der einen Seite war eine Schwurhand, auf der anderen ein Kreuz. Sie werden zu den ältesten in unserer Gegend jemals gebräuchlichen Geldmünzen gerechnet; von ihnen stammt die spätere Benennung „Kreuzer“.

Der Friedhof

Umgab das Mutterkirchlein von vier Seiten. Der Umfang der Friedhofsmauer, abgemessen an den Erdfundamenten, betrug 125 Meter; die Mauerdicke war nicht ganz 1 Meter. Die Höhe der Mauer mag zum Schutze des Kirchleins in der unsicheren Zeit sehr hoch gewesen sein – dies beweist die Dicke der unteren Mauer – sie wurde aber wahrscheinlich später eingebaut. Dieser Friedhof war der erste christliche Friedhof in der hiesigen Gegend und diente als Begräbnisstätte den ersten Christen der ganzen Umgebung. Durch den heutigen Eigentümer des alten Friedhofes (Engel vom Neustädter Hof) wurden in neuester Zeit zwei Grüfte aufgefunden. Sie waren aber leer und enthielten keine Knochenreste mehr. Die Gruftplatten sind noch vorhanden und tragen das Breuberger Wappen.

Die Täuferbrunnen

Oberhalb des Mutterkirchleins, am Fuße des steil ansteigenden Hofberges, befanden und befinden sich heute noch die rund ausgemauerten Täuferquellen, oder wie sie heute noch genannt werden, die Täuferbrunnen.

73 (Johannes–, Jesus– und Marienbrunnen). Der Sage nach soll an diesen Brunnen der hl. Bonifatius selbst den ersten Christen unserer Heimatgegend und des Odenwaldes die hl. Taufe gespendet haben. Später, nach der Entstehung der beiden Wasserburggen, versorgten sie die Wallgräben dieser Burger mit Wasser. Heute dient der Johannisbrunnen als Wasserleitung zur Wasserversorgung des Hofes. Nach einer alten Hofüberlieferung sollen alle im Neustädter Hof geborenen Kinder mit Wasser aus dem Täuferbrunnen (Johannes der Täuferbrunnen) getauft worden sein. Der Brauch besteht heute noch.

Die zwei Burgen am Neustädter Hof

Mitten im Mümlingtal, etwa 100 Meter von den Hofgebäuden entfernt, sieht man heute noch die Ruinen einer Burg, die in Lage und Umfang mit den Überresten einer Burg bei Hüttelngesäß im Kahlgrund große Ähnlichkeit haben. Diese Burg war nicht groß, aber durch ihre Wälle und ihre Graben, welcher gehörig mit Wasser versehen werden konnte, desto unbezwinglicher. Daß es eine Raubburg gewesen, ist geschichtlich und auch durch mündliche Überlieferungen bekannt. Über einen Torbogen waren mehrere, leider aber unkenntliche Wappen, kaum erkannte man an einem das Mainzer Rad. Aber auch neben den Hofgebäuden stand eine zweite Burg von gleicher Bauart, wo Platz und Wallgraben noch deutlich sichtbar und auch die Erdmauern noch vorhanden sind. Von dieser zweiten Burg ist geschichtlich gar nichts bekannt, nur daß sie vorhanden war wissen wir durch die Entdeckung ihrer Grundmauern bei der Vergrößerung der Hofgebäude. Welchem Zweck sie gedient hat, wissen wir nicht; wahrscheinlich war sie zur Aufnahme der Hofbewohner in Zeiten der Gefahr, der Burgknechte usw. bestimmt.

74 Ob beide Wasserburgen einem Burgritter gehört haben und zu gleicher Zeit entstanden sind, kann heute nicht mehr festgestellt werden, doch ist anzunehmen, daß beide Burgen zusammengehört haben. Die Versorgung der Wallgräben mit Wasser versahen die Taufbrunnen. Deutlich sieht man heute noch an den Laufgräben, daß der Johannesbrunnen in den Wallgraben der oberen Burg, der Jesusbrunnen aber zur unteren im Wiesental geleitet war. Bei der Nutzbarmachung des Johannisbrunnens als Hofwasserleitung entdeckte man bei den Erdgrabungen eine alte Holzrohrleitung, die entweder zum Wassergraben der oberen Burg oder zum Hof führte. Da die Freilegung dieser alten Wasserleitung nicht weiter fortgesetzt wurde, weiß man hierüber nichts Bestimmtes. Es wäre möglich, daß zwei Wasserzufuhranlagen zu den Wallgraben vorhanden waren, eine über, die andere in der Erde. Entstanden sind diese Wasserburgen durch die Herren von Breuberg, zu deren Sicherheit sie erbaut wurden. Sie dienten als Paßsperren gegen das Maintal. Um den Breuberg vor plötzlichen Überfällen zu schützen, hatten die Herren vom Breuberg einen Ring von kleinen Burgen um die Feste erbaut und mit Breuberger Burgmannen besetzt. Wir finden außer diesen erwähnten Burgen noch die Burg bei Mühlhausen (Hessen), wo ebenfalls noch Mauerreste vorhanden sind, die Burg bei Waldamorbach, wo in der Mitte des vorigen Jahrhunderts noch Steinreste vorhanden waren, Schloß Naufes und andere, die ebenfalls als Paßsperre gedient haben. Nach dem Aussterben der Reitz zu Breuberg im Jahre 1323 folgten ihnen im Breuberger Besitz die baulustigen Grafen von Wertheim. Diese Grafen von Wertheim, die vom Jahre 1323 bis 1556 den Breuberger Besitz inne hatten, den Breuberg zu seiner späteren Größe ausbauten, waren auch Eigentümer der Burg bei Hüttengesäß (Urk. von 1323 und 1349),

75 deren Lage und Bauart denen der Burgen am Neustädter Hof glichen. Es ist dennoch anzunehmen, daß der erste Wertheimer auf Breuberg der Erbauer dieser Burgen am Neustädter Hofe war. Die Erbauungszeit wäre also zwischen 1323 und 1337. Urkundlich erscheint Heinz Bache, Edelknecht, von 1338 bis 1376, Burgmann zu Breuberg, im Besitze der Burgen von der Nuwenstätter (Neustädter) Linie, als Breuberger Lehen erblich im Mannesstamm. (Die Bache wohnten zuerst in Neustadt unterhalb des Breuberges.) Auf einem Wappenstein, der in den Hofgebäuden gefunden wurde und sich heute in Obernburg befindet, ist das Wappen dieser Bachen von Nuwenstatt zu finden. Auf der Burg bei Mühlhausen waren ebenfalls „Bache“ von der Neustädter Linie. Der Hof, der zu den Burger gehörte und ebenfalls Lehensgut war, erhielt durch diese Burgritter seinen Namen. Auch zu Eisenbach im Ölfeld befand sich eine Burg, die Besitzer nannten sich die Kriechen von Ifenbach. Diese Burgmannen am Neustädter Hof und zu Eisenbach hatten außer Fehde– und Kriegszeiten wenig Kampfbetätigung. Sie plünderten die Reisenden auf den Landstraßen und drangen als Räuber in die Bauernorte ein; sie waren Raubritter geworden. In alten Aufzeichnungen finden wir, daß der Cent und die Grafschaft Ostheim "keine andere nahe Burg dem friedlichen Landmann so schädlich drohte außer den Schlössern bei Hof Neustadt und zu Eisenbach“. Doch übten sie ihre räuberische Tätigkeit mehr in der Ferne aus und die nächste Umgebung wie Eisenbach und Mimlingen hatte scheinbar von ihnen wenig zu fürchten. Dieses mag auch der Grund gewesen sein, daß beide Orte sich nicht mit Mauern zu schützen brauchten, wie die Orte des Bachgaues und Maintales. Wie über die Erbauung, so ist auch über die Zerstörung der Burgen nichts Urkundliches bekannt.

76 Man weiß nicht, ob sie bei dem Strafzug des Königs Ruprecht von der Pfalz im Jahre 1405, der auch die Raubnester im Kahlgrund zerstörte, vernichtet worden sind. Eines aber ist sicher, daß sie das Jahr 1525, wo der Bauernkrieg wütete, nicht überdauert haben, denn die aus dem Odenwald kommenden und gegen Würzburg ziehenden Bauernhaufen haben diese Raubnester des Mümlingtales gewiß gründlich zerstört. Die Wasserburg im Wiesental, von der heute noch Baureste vorhanden sind, wurde fast regelmäßig im Frühjahr von dem Hochwasser der Mümling unpassierbar gemacht. Aus diesem Grunde wird wohl die zweite Burg entstanden sein, welche auf höher gelegenem Boden jederzeit hochwasserfrei war.

Der Neustädter Hof

Der „Hof Neustatt“, wie er früher genannt wurde, liegt schön und romantisch im Mümlingtal zwischen Mömlingen, Wallau und Eisenbach; in letzteren Ort ist er eingemeindet. Schon lange vor der christlichen Zeit hatten an den Berghängen namenlose Volksstämme ihre Wohnsitze aufgeschlagen, wo heute noch Spuren vorhanden sind, die Hünengräber. Auch die Römer erkannten die Schönheit des Tales, rodeten den Boden, bauten sich an, und ausgediente römische Unteroffiziere, die sich als Ackerbauern hier niedergelassen hatten, errichteten ihrem Gotte Jupiter einen Opferaltar. Nach der Volkssage soll der hl. Bonifatius selbst die Bewohner unserer Heimatgemeinde getauft und den Grundstein des Mutterkirchleins gelegt haben. Der Ursprung dieses Hofes mag mit der Entstehung des Mutterkirchleins, das gleich daneben stand, gemeinsam gewesen sein, wenn auch keine Urkunden diese Annahme beweisen. Zu dem Kirchlein, zu dessen Gottesdienst die Gläubigen oft aus weiter Umgebung herbeikamen, mußte auch ein Obdach oder eine Herberge vorhanden sein,

77 welche den Gläubigen Unterkunft, Atzung und Schutz vor der Witterung gewährte. Durch die Bewohner dieser Herberge, die auch als Hüter des Kirchhofes und Kirchleins angesehen werden müssen, geschah der Anbau von Lebensmitteln und notwendigen Kulturpflanzen, und aus dieser Ansiedlung erwuchs nach und nach ein landwirtschaftlicher Besitz, der heutige Hof. Einige Jahrhunderte später finden wir den Grund und Boden in Breuberger Besitz; es entstanden die Wasserburgen, und die Besitzer der Burgen gaben dem Hof den Namen ihres früheren Heimatortes und nannten ihn Hof Nuwenstatt (Neustadt). In jener Zeit hatte der Hof kein so friedliches Aussehen wie heute, denn er war Hof und Festung zugleich. Er war mit einer starken, hohen Mauer umgeben, die mit Schießscharten versehen war, hatte Wehrtürme, und das Wohnhaus war ebenfalls befestigt. Zwei dieser Wehrtürme, rechts und links vom Toreingang, waren noch in später Zeit erhalten und das Wohnhaus wurde im Jahre 1868 neuzeitlich umgebaut. Über die Besitzer des Hofes und der Burgen hat man bis zum 16. Jahrhundert keine einwandfreie geschichtliche Überlieferung. Ein Wappenstein der alten Hofmauer befindet sich heute in der alten Knabenschule zu Obernburg und enthält die Wappen vier Adelsgeschlechtern. Die Wappen sind paarweise gegeneinander geneigt und sollen folgenden Geschlechtern angehören: 1. Wahrscheinlich Hube von Hohenstein, im nassauischen Amte Schwalbach (vor 1500 erloschen), 2. den Herren von Erlebach mit der Gans im Wappen, 1422 in Sulzbach bei Höchst a. M. ansässig, 3. den Herren von Sulzbach bei Höchst am Main, 1475 ausgestorben. Sie waren auch Burgmänner auf Königstein, 4. Den Bachen von Nuwenstatt.

78 Zwei andere Geschlechter können auch als Träger dieser Wappen und Besitzer des Hofes angesehen werden, nämlich die Ritter von Gans auf Otzberg, welche die Gans im Wappen führten, und die Familie Bertremoville mit den drei Lilien des französisch– burbonischen Königswappens. Die letzteren waren später urkundlich nachweisbar Besitzer des Hofes. Nachdem die Adelsfamilie der Herren von Pfraunheim im Jahre 1560 auf dem Reichardshäuser Gut zu Großwallstadt (Schloßgut) ausgestorben war, folgte ihnen die Familie von Grönrod. Der Neustädter Hof, das Gebiet des heutigen Lauterhofes und des Freiherrn v. Kunibert`schen Waldes sind von jetzt an mit dem Reichardshäuser Gut und dessen Besitzern bis zur Zertrümmerung dieses Besitzes 1884 verbunde und haben ein und die dieselbe Geschichte. Die von Grönrod erscheinen als Breubergische Vasallen im Besitze des Neustädter Hofes zu Ende des 16. Jahrhunderts; auch diese Familie verschwindet. 1622 erwähnt das Pfarrbuch Großwallstadt einen Johann Erhard Knebel (auch Knabel genannt) von Katzenellenbogen, Tochtermann Egnlolphs von Grönrod. Kurz darauf, 1650, finden wir die französische Familie Bertremoville im Besitze dieses Gutes und eines freiadligen Hofes zu Mömlingen. Ernst von Bertremoville 1650 und Hugo Eberhard 1667. Der französische Kapitän Gottfried von Bertremoville, der 1715 starb und zu Großwallstadt begraben liegt, war des ersteren Sohn. Seine Schwester Alexandrine Katharine heiratete den Amtskeller Jeremias Lieb, wodurch der Besitz an die Lieb`sche Familie kam. Freiherr von Tautphäus, Kanzler zu Mergentheim, ehelichte eine Lieb`sche Tochter, dadurch kam der Besitz an dessen Nachkommen, die man aber immer noch die Lieb`sche Familie nannte.

79 Der Lieb`sche Besitz zu Großwallstadt, bei Eisenbach und Mömlingen kam durch die große Zersplitterung der Familie im Jahre 1884 zum Verkauf. Das Hofgut “Neustadt“ erwarben Engel und Höreth aus Schaafheim, deren Söhne die heutigen Besitzer sind. Diese Männer haben den Hof unter schweren Verhältnissen übernommen. Die Scheuern waren niedergebrannt, die Felder verwahrlost und verwüstet und die Mümlingbrücke baufällig. Jahrzehntelange Arbeit und Fleiß waren notwendig, um aus dem Hofe das zu machen, was er heute ist, ein schöner landwirtschaftlicher Besitz, ein Mustergut.

Der Lauterhof

Zwischen den Gemarkungen Mömlingen, Obernburg und Eisenbach und der Kunibert`schen Waldung gleichsam den Mittelpunkt bildend, liegt, fast ganz von Wald umschlossen, der Lauterhof. Er war ebenfalls mit dem Neustädter Hof und den Kunibert`schen Waldungen im Jahre 1884 verkauft worden. Vor Zeiten stand hier kein Haus, die Güter waren an die benachbarten Gemeinden verpachtet. Wahrscheinlich um das Jahr 1780 erbaute man zuerst eine Scheune und dann später ein Haus, im Jahre 1814 ein schönes Hofhaus, zu zwei Wohnungen eingerichtet. Heute ist dieser Hof im Besitze einer Familie Gruber, deren Vorfahren auf dem fürstlichen Hofe zu Mömlingen Pächter waren. Der heutige Besitzer A. Gruber und seine Söhne haben diesen früher so verachteten Einödhof zu einem landwirtschaftlichen Mustergut umgestaltet. Bei der Errichtung des Lauterhofes fehlte es an dem dazu notwendigen Wiesengelände. Die Lieb`sche Familie versah deshalb den Lauterhof mit einem ziemlich Großen Wiesenbestand im Mümlingtale,

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Burgruine am Neustädter Hof

oberhalb des Neustädter Hofes, der bis an die Hofgebäude reichte. Die Grundstücke am Toreingang beiderseits des Neustädter Hofes gehörten noch vor einigen Jahrzehnten zum Lauterhofe und mußten erst von den Neustädter Hofbesitzern erworben werden. Bei einer Erbregelung der Geschwister Gruber vom Lauterhof kam der ansehnliche Wiesenbestand fast ganz in den Besitz von Mömlinger Einwohnern.

Der ehem. Reichardshäuser Hof zu Großwallstadt

Zu Großwallstadt befand sich ein großes, adeliges Gut von ungefähr 250 Morgen, der große Reichardshäuser Hof oder auch das Schloßgut genannt, zu welchem ein ansehnliches Herrengebäude mit Ökonomieeinrichtungen gehörte. Die Hofgebäude waren in nächster Nähe der Kirche und es wurde im Jahre 1548 mit dem Aufbau derselben begonnen. Seine Lage am Main, die Furchtbarkeit des Bodens und der Gemarkung, worin es lag, zeichnete es als eine schöne Besitzung aus. Die Geschichte meldet uns von diesem, heute nicht mehr vorhandenen Gute folgendes Die Familie der Herrn von Pfraunheim war sein erster bekannter Besitzer; aber es ist wahrscheinlich, daß die Herren von Wale– oder Wallstadt, (urkundlich 1131 bis 1315), die Hewern, die Knabel oder Focken, die Herren von Rickers– oder Richershausen die Vorbesitzer dieses Herrengutes waren. Junker Heilmann von Pfraunheim ist als Besitzer dieses Gutes 1504 verzeichnet. Sein Nachfolger, Oberamtmann Jakob von Pfraunheim, welcher 1560 starb und zu Großwallstadt begraben liegt, erbaute an die Stelle eines älteren Schlosses im Jahre 1548 und 1549 ein neues.

6 Mömlingen 81 Die Familie von Pfraunheim war ausgestorben; eine andere fremde kommt nunmehr im Besitze vor. Egnolph von Grönrodt, welcher das Reichardshäuser Gut durch den Besitz des Neustädter Hofes, des heutigen Lauterhofes und der Kunibert`schen Waldungen vergrößerte (1587). Es folgt ihm 1622 Johann Eberhard Knebel von Katzenellenbogen, wahrscheinlich Tochtermann Egnolphs von Grönrodt. Kurz darauf, 1650, folgte die französische Familie von Bertremoville, welche auch, (laut Urkunde) zu Mömlingen ein hochadelig Gut besaß. Der französische Kapitän Gottfried von Bertremoville starb 1715 und liegt zu Großwallstadt begraben. Seine Schwester Alexandrine Katherine heiratete den Amtskeller Jeremias Lieb. Dadurch kam das Reichardshäuser Gut und die Güter bei Eisenbach und Mömlingen an die Lieb`sche Familie. Die Familie von Tautphäus war die letzte, welche das Schloß in Großwallstadt bewohnte. Es wurde, da es als baufällig angesehen wurde, im Jahre 1862 abgebrochen und zu einem gewöhnlichen Bauernanwesen umgebaut. Der Grundbesitz des Gutes wurde im Jahre 1864 öffentlich versteigert und von den Bauern in Großwallstadt erworben. Auf dem Großwallstädter Friedhof und in dem alten Kirchlein haben wohl die meisten Glieder dieser Adelsfamilien ihre letzte Ruhestätte gefunden. Im Jahre 1813 wurde ein steinerner Sarg mit Steindeckel ausgegraben, in welchem menschliche Gebeine und eine steinerne Kugel lagen. Da schon mehrere derartige Särge ausgegraben worden waren, und sich noch andere von verschiedener Größe im Erdboden befinden, so vermutete man nicht ohne Grund, daß hier Familiengräber adeliger Personen gewesen seien. Dieser Steinsarg (aber ohne Deckplatte) ist heute noch vorhanden und befindet sich auf dem Kirchenplatz neben der früheren alten Kirchhofsmauer. Ein anderer Steinsarg mit Deckel befindet sich im Museum in München.

82 Durch die Erbauung und Vergrößerung der heutigen Pfarrkirche, 1755 und 1756, wurden Grabstätten und Grabdenkmäler der Adelsfamilien beseitigt; nur wenige Grabdenkmäler blieben erhalten. Außerhalb der Kirche in der vorderen Wand des Chores steht ein kunstreiches Grabdenkmal aus gelblich braunem, feinem Sandstein, welches in der alten Pfarrkirche war und mit großer Mühe und Behutsamkeit hierher versetzt worden war. Hochachtung und Bewunderung ergreift Laien, Künstler und Forscher beim Anblick dieses Denkmals über die Kunst unserer Vorfahren. Ein geharnischter Ritter, dessen Gemahlin und drei Kinder umgeben in sichtbarer Andacht das Bild des Gekreuzigten, ein Löwe ruht zu Füßen der Gruppe. Die Unterschrift lautet:

„Anno Domini 150 den 22ten Septembris verschied der Edel und Ehrenveste Jakob von Pfraunheim seines Alters 51 Jahr, des Geschlechtes Letzter. Eo-dem anno den 1. Marzi verschied Joachim seines Alters 19 Jahr.Anno 1559 den 6. Oktobris verschied Margaretha das Töchterlein 9 Jahre alt Anno 15 . . verschied Regina die Elter Tochter, ihres Alters . . Jahr. Anno Domini 1577 den 31. Mai verschied die Edel und Tugendhafte Frau Anna von Pfraunheim gebohrne von Gemmingen ihres Alters 60 Jahr – deren Seelen Gott gnädig sein wolle. Amen“.

Auf der Einfassung stehen zur Seite des Ritters von Pfraunheim folgende Namen mit Familienwappen: Pfraunheim, Schadt, Clemus und Haidersdorf. Zur Seite seiner Gattin in gleicher Übereinstimmung:

6* 83 Gemmingen – Naerhause – Helmstadt – Nibbeburk. Andere Grabsteine berichten: 1. Andreas Weber, Oberkeller im Bachgau (Steuereinheber), starb den 27. September 1719 in seinem 41 ten Jahre. Er hinterließ seine Gattin Maria Katharina, geborene Scherer. 2. Gottfried von Bertremoville, königlich französischer Kapitän, Sohn des kaiserlicher Obristen Ernst von Bertremoville, starb 1715. Er hatte drei Brüder: Alexander kurmainzer Oberst und Kommandant von Mainz und Erfurt. Arnold, kaiserlicher Hauptmann. Hugo Eberhard, kaiserlicher Oberst und Kommandant zu Orsova. Zwei Schwestern, von denen Alexandrine Katharine den Amtskeller Jeremias Lieb heiratete. 3. In der Wand eines Nebenbaues auf dem Kirchplatz befindet sich das Grabdenkmal von Jeremias Lieb, gest. 1810, als der Letzte seines Stammes. 4. Auch andere adeligen Geschlechter waren in Großwallstadt ansässig und in der Kirchenmauer findet man einen Gedenkstein des Geschlechtes „von der Linden“. 5. Die letzte Ruhestätte (mit Grabdenkmal) von Freiherr Tautphäus, geboren zu Mergentheim, und seines Sohnes Theodor, geb. zu Großwallstadt den 3. März 1830, gest. zu Paris 1888, befinden sich in dem neuangelegten Friedhofe zu Großwallstadt.

Die Tempelherren

In das Reichardshäuser Gut eingebaut neben der Kirchhofsmauer, befand sich ein altes, zu ökonomischen Zwecken eingerichtetes Gebäude, das nach Traditionen und Pfarrbuch einstens von Tempelherren bewohnt gewesen sein soll.

84 Da dieser Ritterorden in unserer Heimatgegend viele Ansiedelungen hatte, wenn sie auch heute nicht mehr alle nachgewiesen werden können, möge folgendes zur Aufklärung beitragen. Die Tempelorden wurden zur Zeit der Kreuzzüge, im Jahre 1112 errichtet. Sie zogen nach Jerusalem und erhielten von König Balduin II, an der Ostseite des Tempels ihre Wohnstätten, daher ihr Name. Anfangs arm, wurden sie aber von den Fürsten und Königen Europas reichlich unterstützt und wurden der Hauptpfeiler der christlichen Macht im Königreich Jerusalem. Nach dem Verluste Palästinas zog dieser Orden nach Europa, um allda in seinem Hauptsitze Frankreich die gräßlichste Vernichtung zu erleiden. Eine entsetzliche Gewalttat war das Blutgericht über die Tempelherren. Die Glieder dieses berühmten, um die Christenheit hochverdienten Ritterordens wurden auf geheimen Befehl des Königs von Frankreich eingekerkert, gefoltert, hingerichtet und verbrannt. Die Habsucht dieses Königs war die Ursache dieser Greueltat. Er raubte die Güter dieser Ordensritter und teilte sie mit dem Papste, welcher ein Werkzeug dieses Königs war und zu Avignon (Südfrankreich) seinen Sitz hatte. Auf Befehl dieses Königs hob Papst Klemens V., ein geborener Franzose, auf der Kirchenversammlung zu Vienne den Orden im Jahre 1313 auf und verdammte ihn. Im Laufe des folgenden Jahres 1314 starben Papst und König. Das Volk erkannte darin ein Gottesgericht. Die verdammten Ordensglieder, welche aus Frankreich und Spanien nach Deutschland geflüchtet waren, fanden im Erzbistum Mainz großmütigen Schutz, und deshalb kamen ihrer sehr viele dahin und siedelten sich, noch reich genug, in friedlichen Gegenden an. Ansiedelungen dieser Ordensritter waren zu Großwallstadt neben dem Reichardshäuser Schloß sowie in Kleinwallstadt,

85 wo in ganz später Zeit die Überreste eines alten Gebäudes davon zeugten. Auch in Großostheim war eine Ansiedelung des Tempelordens, und es wurde bei der Erbauung des Gasthauses zum Ochsen, zu Anfang des vorigen Jahrhunderts, ein unterirdischer, gewölbter Gang entdeckt, der ziemlich weit auslief und dessen Erbauung diesen Ordensleuten zugeschrieben wird. Auch in Seligenstadt wurde ein solcher Gang gefunden, von dem feststeht, daß er von den Tempelrittern erbaut wurde. Aus Vorsicht gegen Verfolgung und Vernichtung, welche den Tempelherrn beständig drohten, hatten sie diese unterirdischen Schutzbauten angelegt. In Großwallstadt befindet sich im Bereiche des ehemaligen Schloßgutes ein kleines Bauwerk, welches den Eingang zu den Kellerräumen bildet. Hier soll nach glaubwürdiger Überlieferung vom Kellerraum aus ein unterirdischer Gang nach dem ebenfalls noch bestehenden, uralten Ortverteidigungstürme geführt haben. Erbauer dieses Ganges waren die Tempelherren und das noch vorhandene Bauwerk nennt man heute noch Tempelhaus. In Groß- und Kleinwallstadt standen sie unter dem Schutze der Herren von Wallhestatt, die 1315 noch urkundlich erwähnt werden; in Großostheim aber standen sie unter dem Schutze der höchsten Gerichtsbarkeit, welche hier ihren Sitz hatte. Ein großes, gut erhaltenes Ordenshaus der Tempelritter befindet sich heute noch neben dem Schloß und der evangelischen Kirche (vormals katholisch) in Erbach i. O.

Die Freiherr von Kunibertschen Waldungen

Bestehen aus dem Hofschlag zwischen Eisenbach und dem Neustädter Hof rechts der Mümling und dem Mühl– oder Johannesberg mit dem Teufelsloch zwischen der Distriktstraße Obernburg und dem Lauterhof.

86 Dieser Wald hat eigenen Förster, eigene Jagd und gehörte ebenfalls wie der Lauter– und Neustädter Hof zum Besitz der Lieb`schen Familie. Er wurde auch zu gleicher Zeit mit den Höfen dieser Familie verkauft. Der Erwerber dieses Waldes, ein Freiherr von Kunibert, errichtete damit ein Fideikommitz. Ererbt hat ihn der heutige Besitzer, ein Baron Kinzberg. Im Volksmund heißt dieser Wald immer noch der Lieb`sche Wald.

Der Grafenwald

Der Grafenwald, wie ihn unsere Vorfahren nannten und wie ihn der Volksmund heute noch nennt, begrenzt vom Neustädter Hof bis Hainstadt den hiesigen Gemeindewald Buchberg. Diese Waldgrenzlinie bildet auch noch die hessisch – bayerische Landesgrenze. Der Waldbestand, der hier seinen Anfang nimmt und sich weit in das Odenwaldgebiet erstreckt, gehörte in früherer Zeit der Herrschaft Breuberg. Er war im letzten Jahrhundert gemeinschaftlicher Besitz der Nachkommen der fürstlichen Häuser Erbach und Löwenstein. Durch die Besitzregelung in den letzten Jahrzehnten wurde der an die Mömlinger Genmarkung angrenzende Teil Alleineigentum des fürstlichen Hauses Erbach- Schönberg. In der Talsohle, 1 Kilometer hinter dem Neustädter Hof, liegt die Schlauchendwiese.

Die Lieb`sche Familie

Die Lieb`sche Familie ist ziemlich alt und von jeher im Bachgau stark begütert gewesen. Sie war nie von Adel, ist aber durch Einheirat von Adeligen dem Adel beigezählt worden. Im Jahre 1495 erscheint ein Johann Leib (Lieb),

87 dessen Name über dem Torbogen des Pfarrhofes zu Großostheim eingehauen ist. Wahrscheinlich war er Vogt, Kirchenbaumeister (Pfleger) oder auch Faktor daselbst. Im Jahre 1666 stiftete Jeremias Lieb in der Kreuzkirche zu Großostheim einen Altar. Ein anderer Jeremias Lieb kommt 1715 als Obervogt im Bachgau vor; ihm folgte Arnold Franz Lieb im Amte. Er starb 1733; seine Gemahlin hieß Regina Dorothea von Berninger. Diese stiftete 1733 einen Fonds für Unterhaltung der am Wege von Aschaffenburg nach Nilkheim aufgestellten Bildsteine für die sieben Fußfälle. Der männliche Zweig erlosch mit Gottfried Christian Lieb, Hohenlohisch–Waldenburger Hofrat und Faktor zu Großostheim und Großwallstadt, welcher 1810 starb und zu Großwallstadt begraben liegt. Weibliche Nachkommen waren noch vorhanden. Von den späteren Gliedern dieser Familie stammen zunächst jene Güter und Berechtigungen, die nunmehr, in viele Teile zersplittert, bei verschiedenen Adelsgeschlechtern (Graf Soden, Drexel usw.) sich befanden. Daher nannte man sie immer noch die Lieb`schen Güter. Freiherr von Tautphäus, Kanzler zu Mergentheim, ehelichte eine Lieb`sche Tochter, dadurch kamen die Besitzungen an seine Nachkommen. Dieser Gütergemeinschaft der Lieb`schen Familie wurde ein Ende, indem im Jahre 1864 das Reichardshäuser Gut zu Großwallstadt kam, der Neustädter– und der Lauterhof sowie der Lieb`sche Wald im Jahre 1882 verkauft wurden und so die Lieb`schen Besitzungen in andere Hände übergingen.

Die Mümling

Welches Volk dem Flüßchen den Namen gegeben, den wir in umgewandelter Form heute noch gebrauchen, ob die keltischen Cubier oder, was wahrscheinlicher,

88 Schon ihre namenlosen Vorgänger, das bleibt verhüllt im prähistorischen Dunkel. Wir wissen nicht einmal, wie zur Zeit der Römerherrschaft die Bewohner des freundlichen Mömlingtales den Namen des Flusses aussprachen, wir kennen eben nur die Form, in der die Römer diesen Namen schrieben. Dieser Name ist lateinischer Form, den wir auf zwei ausgegrabenen Römersteinen, mit einem ausgehauenen Akanthuskelch, über dem sich zwei Füllhörner kreuzen, zu Obernburg gefunden haben, heißt Nemanninga. Mit ziemlicher Sicherheit wurde festgestellt, daß der Name Mümling von dem römischen Nemanninga abgeleitet worden ist. Daraus ergibt sich die Vermutung, daß nach dem alten Namen des Mümlingflüßchens Kastell und Ort Obernburg von den Römern Nemanninga genannt wurde. Auch Autoritäten auf dem Gebiete der Geschichts- und Altertumsforschung haben sich für die Identität Nemanninga – Mümling erklärt. Durch Unterstützung des Darmstädter Archivs wurde folgende Reihe urkundlicher Schreibungen festgestellt: Mimelinga – Mimilungum – Mümlingaha (aha = Wasser, Bach) – Miniminga – Miminga und Mimling – Mümling. Die Mümling, von der unser Heimatort Mimlingen – Mömlingen seinen Namen erhalten hat, ist urkundlich aus den Jahren 815 – 819 – 1012 usw. bekannt. Sie entspringt zu Beerfelden im Odenwald, fließt an Erbach, Michelstadt, König, Höchst und Neustadt vorbei und mündet bei Obernburg in den Main. Sie ist ein ansehnlicher, starker Bach und wurde schon in alten Zeiten zum Holzflößen benützt, welches Recht von den Grafen von Erbach und der Stadt Obernburg ausgeübt wurde, die es heute noch besitzen. Heute kann es natürlich nicht mehr ausgeübt werden, denn heute sieht die Mümling anders aus als in alter Zeit. Heute ist sie mit Dutzenden von Mühlen,

89 Elektrizitätswerken und Fabriken dicht bebaut. Der an Landwirtschaft arme Odenwald ist durch die Mümlingwerke ein Industrietal geworden, wo viele Hunderte von Arbeitern Beschäftigung und Brot finden. Der Fischfang, der früher bedeutend war, ist heute infolge der in die Mümling abgeleiteten chemischen Abfallstoffe nicht mehr von Bedeutung. Das Fischereirecht bis zur Landesgrenze besitzen die Grafen von Erbach, von da bis zur Mündung ist es Privatbesitz. In früherer Zeit trat die Mümling bei Hochwasser aus den Ufern und überschwemmte das Tal mit fetter Schlammasse; heute kommt dieses nur sehr selten noch vor. Der obere Teil bis zur Landesgrenze führt noch den alten Namen Mümling, während der bayerische Teil Mömling genannt wird. Unser Heimatort Mömlingen liegt heute, durch die große Ausdehnung die der Ort genommen hat, kaum ½ Kilometer davon entfernt.

Der Orlis – Busch als Centviehweide

Sämtliche Orte der Cent Ostheim hatten eine gemeinschaftliche Viehweide. Folgende Orte und Höfe werden in der Zeit des Kurfürsten Albrecht, um das Jahr 1520, als weideberechtigt im Centbuch aufgeführt: Stockstatt, Leyder, Nülkheim, Niedernberg, Großwallstatt, Eysenbach, Hausen, Mömblingen, Radheim, Mosbach, Wenigumbstatt, Pflaumheimb, Ringenheimb, Ostheim, Dorndill, Obernburg (Biebigheim war in dieser Zeit schon eingegangen) der Hof Neustatt, Häuser- und Schafhof bei Nülkheim.

Der Weideplatz war der Busch – Orlis, deshalb nannte man die Centgrafschaft Ostheim auch die Orlismark. Der heutige Pflaumheimer Wald, der obere Wald von Großostheim und die auf der Bergebene gelegenen Teile des Niedernberger-, Großwallstädter- und

90 Mömlinger Gemeindewaldes (Scherder) gehörten zur allgemeinen Viehweide. Der im Pflaumheimer Wald heute noch vorhandene Weiher sowie auch der Pröbelsbrunnen dienten als Wassertränke des Weideviehs. Auch Schutzhütten waren auf verschiedenen Plätzen errichtet. Dem Schutzpatron des Weideviehes war auf der Centviehweide eine Kapelle erbaut, die sich nach Restaurierung und Umbau bis heute erhalten hat. Es ist die St. Wendelinuskapelle (auch Wendel oder Weinel genannt), die im Großostheimer Wald steht neben der Pflaumheimer Gemarkungsgrenze. Fenster und Türen stammen noch aus alter Zeit und über dem Eingang finden wir die Jahreszahl 1607. Als die Bauernkriege 1525 die Bauern in der Cent Ostheim "sich gegen ihre rechtmäßige Obrigkeit auflehnten und nicht mehr gehorchten, ihrer sogar spotteten und höhnten und mit den Odenwälder- und Spessarter Bauernhaufen gemeinsame Sache machten", wurde ihnen im Jahre 1527 von Kurfürst Albrecht zur Strafe die Weidemark entzogen. Die beteiligten Orte ließen durch Vermittlung des jungen Centgrafen Philipp Schad von Ostheim mit Bitten nicht nach, um wieder in den Besitz ihrer Viehweide zu gelangen. Der Churfürst von Mainz beauftragte das Vizedomamt Aschaffenburg sich über den Busch – Orlis zu erkundigen und ihm hierüber zu berichten. Durch die Vermittlung des Vizedomamtes gab Churfürst Albrecht die Markviehweide der Cent zurück im Jahre 1531. Nachdem durch Aufhebung der Leibeigenschaft im Bauernstande bedeutende Verbesserungen eingetreten waren und auch der Kleeanbau eingeführt worden war, wurde die allgemeine Centviehweide aufgehoben. Sie wurde an die angrenzenden Orte aufgeteilt, den Hauptanteil erhielt Pflaumheim; es ist der heutige Pflaumheimer Wald.

91 Mömlingen erhielt den Scherder und führte die Viehweide als Ortsviehweide weiter. Es entstanden jetzt Streitigkeiten zwischen Mömlingen und Pflaumheim wegen des zwischen Pröbel und Niedernberger Gemarkung gegen den Scherder hinziehenden Teiles der einstigen Viehweide. Da die Vertreter der beteiligten Orte bei der Verteilung viel gezecht, aber keine genaue schriftliche Grenzlinie festgelegt hatten, war es nicht möglich den richtigen Eigentümer zu erkennen. Die Behörde verfügte, daß das Los hier entscheide. Die Regelung wurde auf dem strittigen Gelände durch einen Vertreter der Behörde im Beisein der beteiligten Ortsbewohner vorgenommen. Ein Pflaumheimer und ein Mömlinger Schulknabe zogen die Lose (Holzstäbchen). Pflaumheim gewann, Mömlingen zog „den Kürzeren“. Damit ging diese durch ihre natürliche Lage eigentlich zu unserer Gemarkung gehörenden Waldfläche für immer unserer Heimatgemeinde verloren. (Nach einer Pflaumheimer mündlichen Überlieferung). Die Abmarkungssteine, die nach dieser Regelung eingesetzt wurden, nennen uns heute jene Zeit: 1797.

Die Hafel – oder Häfelsburg Eine Volkssage. Bei der Gemarkungsgrenze Mömlingen, Pflaumheim und Wenigumstadt, dort, wo die Bahn den höchsten Punkt durchschneidet, liegen auf Wenigumstädter Gebiet die Schloßäcker. Über diese führte, von der Altmauer und Land-Orlis herkommend, die Römerstraße in das hessische Gebiet. In trockenen Jahren verdorrt hier das Getreide auf den Steinfundamenten, wo die Häfelsburg in sehr alter Zeit gestanden haben soll.

92 Diese Burg soll den Grafen von Berbach gehört haben, welche tatsächlich im Bachgau Güter besaßen und als königlich – fränkische Gaugrafen den Bachgau verwalteten. Von dieser Burg soll ein unterirdischer Gang sowie ein Reiterpfad zu Feste Breuberg geführt haben. Während der unterirdische Gang nur in der Sage bestand, war der Reiterpfad wirklich vorhanden. Keine Aufzeichnungen oder Urkunden sind vorhanden, die auf einen wirklichen Bestand dieser Häfelsburg schließen lassen, es ist lediglich eine Sage. Zu Anfang dieses Jahrhunderts ließ der Altertumsforscher Harthausen von Darmstadt Ausgrabungen auf den Schloßäckern vornehmen. Es wurden Gefäße und Urnen aus dem Steingeröll ausgegraben, keltischen Ursprungs. Daraufhin nahm man an, daß hier keine Burg oder Schloß gestanden haben, sondern eine größere keltische Niederlassung hier vorhanden gewesen sei. Der Volksmund stört sich an dem Ausspruch der Gelehrten aber nicht, sondern sagt: „Auf den Schloßäckern stand die Hafelsburg, und diese gehörte den Grafen von Berbach“. Der Boden, worauf die Häfelsburg gestanden haben soll, gehörten dem eingegangenen Orte Biebigheim, wo die Grafen von Berbach nachweisbar Besitzungen hatten. Es wäre immerhin möglich, daß sich genanntes Grafengeschlecht auf den Trümmern einer ehemaligen keltischen Ansiedlung angebaut hätte. Die Lage war hierzu geeignet und die Benennung „Schloßäcker“ ist sehr alt. In nächster Nähe des Wartturmes auf Wenigumstädter Gemarkung soll nach der Volkssage noch eine andere Burg gestanden haben, der Falkenstein, worüber geschichtlich ebenfalls nichts bekannt ist. Es könnte vielleicht ein Jagdhaus gewesen sein, das sich die Herren von Falkenstein hier erbaut hatten,

93 weil sie im Bachgau mit den Herren von Hanau die Jagdberechtigung besaßen.

Der Reiterspfad

War ein Reitweg, den sich die Herren zu Breuberg, die Grafen von Wertheim, herstellen ließen, um gefahrlos die Gebirgsgegend zu Pferde passieren zu können. Das Geschlecht der Wertheimer hatte auch im Kahlgrunde Besitzungen und es ist leicht begreiflich, daß die Herren vom Breuberg die Wegstrecke Breuberg – Kahlgrund oft und zu jeder Jahreszeit zurücklegten. Straßen wie heute gab es damals noch nicht, die Feldwege der einzelnen Orte hatten keine Verbindung und waren im schlechtesten Zustande. Ein solcher Reitweg, der nur im Gebirge notwendig war, ging über Berg und Tal, Wasser und Gräben und oft über gefährliches Gelände. Im Archiv des Breuberg ist dieser Reitweg schriftlich vermerkt. Er führte vom Breuberg aus wahrscheinlich über den Grenzberg durch Mimlinger Gemarkung und ging auf Wenigumstädter Gebiet über die Schloßäcker in der Richtung Aschaffenburg weiter. Die letzten Spuren waren noch sichtbar im Epelsloch, und heute glaubt man noch Anhaltspunkte zu sehen von diesem einstigen Reiterspfad.

Der Eselspfad

Ging unterhalb Hainstadt durch den Lehensberg (Grenzberg) über den Artenberg zum Hinterberg, wo er beim Bauernsee die Richtung nach dem Bachgau nahm. Auf diesem Pfad trugen Esel von den Mümlingmühlen aus auf ihren Rücken Mehl und Mehlprodukte in die Bachgauorte und holten wieder Getreide zurück zur Mühle. (Salz v. Orb.) In den letzten Jahrzehnten konnte man noch alle Neustädter Handelsjuden beobachten, die den alten Eselspfad marschierten,

94 trotzdem er auf dem Ackerboden schon spurlos verschwunden war, um auf dem kürzesten Wege nach dem Bachgau zu gelangen und Handel zu treiben. Durch das Anlegen von neuen Waldwegen wurden die letzten Reste dieses Odenwald – Bachgaupfades beseitigt, und nichts ist übriggeblieben als der Name „Eselspfad“

Jagd

Die erste Ausübung der Jagd in unserer Heimatgegend, die wir geschichtlich kennen, geschah von Autmundistatt (Großumstadt) aus durch die fränkischen Könige. In der Reichsvilla zu Autmundistatt verweilten oft König Pipin und sein Bruder Karlmann, um dem Jagdvergnügen in den Odenwaldbergen zu obliegen. Auch unter den Nachfolgern der Carolinger, den sächsischen Königen, war die Jagd in unserer Heimat königliches Eigentum. Eingeteilt war unsere Heimatgegend in zwei große Jagdgebiete (Wildbann – Bannforst), den Bannforst Spechtshart (Spessart) und den Odenwald –Bannforst „Dreieich“. Der Bannforst Odenwald umschloß einen großen Teil der unter dem Namen Odenwald bekannten Gegend; er wird bei Gelegenheit einer von Kaiser Heinrich II. dem Kloster Lorsch gegebenen Schenkungsbestätigung genau beschrieben, aus welcher hervorgeht, daß der Winkeldistrikt, in welchem Obernburg, Eisenbach, Mimlingen, Großwallstadt u.s.w. liegen, zum Odenwälder Bannforste nicht gehört hat, trotzdem er zum Odenwalde gehörte. Ob das Jagdgebiet genannter Orte zum Odenwaldwildbann Dreieich gehörte oder nicht, ist geschichtlich nicht genügend geklärt. Um das Jahr 1338 finden wir die Jagdberechtigung der Herrschaft Breuberg und des Erzstiftes Mainz zu Mimling, Eysenbach, Hausen, Dorndill, Mosbach, Radheim bis an den Wilzbach (Wildbach),

95 wo das Jagdgebiet der Herren von Hanau und Falkenstein (später von Isenburg) seinen Anfang nahm. Obernburg, 1317 zur Stadt erhoben, hatte jetzt eigenes Jagdrecht. Churmainz suchte bei jeder Gelegenheit das Jagdrecht der Herrschaft Breuberg in den genannten Orten zu bestreiten. Die Herrschaft Breuberg störte sich nicht daran, sondern erklärte, nach einem Weistum (Urkunde), die Jagdberechtigung in genannten Orten bis an den Wilzbach zu besitzen. Zu einer Klage getraute sich Churmainz aber nicht, denn die Breuberger standen bei den Kaisern in hohen Ehren. Also protestierte Churmainz, wie man aus den Urkunden ersieht, und die Breuberger übten das Jagdrecht weiter aus. Nachdem im Jahre 1814 unsere Heimatgegend bayerisch geworden war, wurde die Mömlinger Jagd königlich. Sie wurde von dem Bayernkönigen und ihrem Gefolge von Aschaffenburg ausgeübt. Die Mömlinger Bauern mußten dabei als Wildtreiber mithelfen, was große Erbitterung bei ihnen hervorrief. (Siehe Revolutionsjahr 1848 S.24). Seit 1852 gehört das Jagdrecht der Gemeinde. Die Jagd wird verpachtet und der Erlös kommt in die Gemeindekasse. Bei der ersten Verpachtung durch die Gemeinde waren die Pächter der Gemeinderat (4 Mitglieder), und der Pachtpreis betrug 5 Gulden. Heute beträgt derselbe nicht ganz 4 ½ Tausend Mark.

Revierjägerei

In Mömlingen war in früheren Jahrhunderten der Wohnsitz eines Kurfürstlich – Mainzer Revierjägers. Die Revierjägerei umfaßte die Orte Mömblingen, Großwallstadt, Eisenbach, Dorndiel, Radheim, Mosbach und Wenigumstadt.

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Die Jagd war in diesen Orten mit der Herrschaft Breuberg gemeinschaftlich. Der Kurmainzer Revierjäger hatte den Wildbestand zu überwachen und nach Vorschrift und Verlangen abzuschießen. Nach dem 30jährigen Kriege erhielt diesen Posten eines Kurmainzer Revierjägers die aus Tirol eingewanderte Jägerfamilie Vogel. Diese Dienststelle war fast erblich, ging immer vom Vater auf den Sohn über und hat wahrscheinlich mit der Auflösung des Kurmainzer Staates 1803 ihr Ende gefunden. Nach Einverleibung in das Königreich Bayern wurde die Revierjägerei königlich– bayerisch und die Jägerstelle mit fremden Jägern besetzt. Wahrscheinlich wurde jetzt die Beaufsichtigung des Waldbestandes mitverbunden (Revierförsterei). Königl. Bayer. Revierförster waren: Baumaier 1815–24, welcher ein Haus besaß, über dem Türeingang mit einem Hirschgeweih geziert, das heute noch am Wohnhaus „Zum Löwen“ zu sehen ist. Boller, 1832–41, besaß das Haus Nr. 167 in der Kirchgasse, wo am Torstein sein Name eingehauen ist. Schraut, 1843–50, pflanzte die Pappelallee an, die vom Orte bis zum Bildstock an der Straße gegen Hainstadt führt, und baute einen Waldweg im Buchberg, der heute noch nach seinem Namen benannt ist. (Schrauts–Weg). Die Revierförsterei wurde in ein Forstamt umgewandelt, welches die planmäßige Bewirtschaftung des Waldbestandes, die man seither nicht kannte, zur Aufgabe hatte. Die Gemeinde Mömlingen gab für die Verwaltung des Gemeindewaldes dem Forstamte eine annähernd 1 Morgen große Wiese bei den „Zollstöcken“ (hess. – bayer. Grenzpfähle) in Nutznießung, sowie 2 Klaster (1 Klaster = 3,14 Raummeter) erstklassiges Buchenscheitholz.

7 Mömlingen 97 Nachdem die Gemeinde einen Unterförster in Stellung genommen hatte, entzog sie dem Forstamte die Wiese und gab sie ihrem eigenen Förster in Nutznießung (Amtswiese). Vor einigen Jahrzehnten verkaufte die Gemeinde die Amtswiese, den Erlös aus 2 Klastern Holz mußte sie alljährlich noch an das Forstamt abliefern.

Verzeichnis der Preise von Lebensmitteln und sonstigen Verkaufsgegenständen nach bayerischem Maß und Gewicht vom 1. bis 31. März 1820 in unserer Heimatgegend:

Gut Ochsenfleisch, das Pfund ...... 8 Kreuzer Rindfleisch „ „ ...... 6 Kr. 2 pf. Kalbfleisch „ „ ...... 6 „ Schaffleisch „ „ ...... 7 „ Schweinefleisch „ „ ...... 6 „ Schweinefleisch geräuchert, das Pfund 15 „ 1 ½ „ Ein Laib Roggenbrot zu 6 Pfund ...... 9 „ 2 „ Ein Laib Roggenbrot zu 3 Pfund ...... 4 „ 3 „ Ein Paarweck zu 20 Lot* ...... 2 „ Ein Milchbrot von 8 Lot* ...... 1 „ Eine Maß Bier (ordinäres) ...... 3 „ „ „ Lagerbier ...... 4 „ „ „ Vollmilch ...... 3 „ „ „ Branntwein ...... 19 „ Das Pfund frische Butter ...... 18 „ Das Pfund frisches Schmalz ...... 17 „ 8 Stück Eie ...... 5 „ Ein altes Huhn ...... 12 „ Ein Paar junge Hähne ...... 36 „ Eine Gans ...... 1 Gulden Eine Ente ...... 34 Kr. Ein Paar Tauben ...... 21 „ Ein Spanferkel ...... 25 „ * 1 Bayerisches Lot = 17,6 g

98 Räuber in unserer Heimatgegend

Der Betteljoseph.

Ein gefährlicher und gefürchteter Räuber, der in unserer Heimat seine Tätigkeit ausübte, war der Betteljoseph, oder wie ihn der Volksmund nannte, der Belljoseph. Ob er aus unserer Gegend war oder wo er herstammte, ist in Dunkel gehüllt. Von diesem grausamen und verwegenen Räuber, der unsere Heimatgegend in Angst und Schrecken hielt, sind hier noch mündliche Überlieferungen vorhanden. Die Obrigkeit konnte ihn nicht leicht einfangen, er war schlau und verwegen, die Bevölkerung verriet ihn nicht, aus Furcht vor seiner Rache, und glaubte fest daran, er könne sich unsichtbar machen durch die Hilfe des Teufels. Endlich nahmen sie ihn doch gefangen und sperrten ihn in Ostheim (Großostheim) in den Turm am Pflaumheimer Tor, im Jahre 1700. Hier suchte er auf unterirdischem Wege die Freiheit wieder zu erlangen. Mit seinem Eßlöffel grub er sich 3 Meter tief in die Erde, untergrub dann die 2,20 Meter dicke Grundmauer und arbeitete sich auf der Außenseite fast 3 Meter in die Höhe. Noch einige Tagesarbeiten und er hätte die Freiheit erreicht. Im Jahre 1927 wurde bei dem Bau der Wasserleitung der Gang gefunden und teilweise freigelegt. Es konnte einwandfrei festgestellt werden, daß das Grabwerkzeug ein Löffel gewesen ist. Im Jahre 1883 wurde in dem Turm, wo der Betteljoseph gefangen gehalten wurde, ein Eiskeller eingerichtet. Bei den Grabarbeiten fand man das von ihm benützte Wassergefäß aus Zinn, das dann einer Altertumssammlung übergeben wurde. Im Wenigumstädter Wald soll der Betteljoseph auf einer Buche in einem nestartigen Hochstand gehaust haben. Diese Buche, die erst vor 30 Jahren gefällt wurde, trug den Namen „Bettelbuche“.

7* 99 Auch die kellerartigen Räume der Burgruine am Neustädter Hof, die in jener Zeit noch gut erhalten waren, soll er oft als Unterschlupf und Versteck benutz haben. Nach den Erzählungen unserer Vorfahren wurde er hier einmal gefangen genommen, gebunden, auf einen Wagen gesetzt und nochmals angebunden, um ihn dem Centgericht zu übergeben. Ortsvorstand und Gemeinderat waren im Wirtshaus beisammen und besprachen die Gefangennahme. Es klopfte von außen am Fenster, man öffnete, ein Mann stand da und sagte: „Habt ihr den Belljoseph nicht gesehen?“ Und verschwand. Man hatte den Betteljoseph erkannt, der auf dem Wege nach Ostheim sich freigemacht hatte und sofort hierher zurückgekehrt war. Erleichtert atmete die Bevölkerung auf, als der Centgalgen in Ostheim sie von diesem gefährlichen Räuber und Dieb befreit hatten.

Der Schinderhannes.

Ein „beliebter“ Räuber in unserer Heimat war der Schinderhannes. Sein wirklicher Name war Johannes Bückler, geboren 1779 zu Nastädten in der Grafschaft Katzenellenbogen (Hessen–Nassau), ward von einem Streifkommando zu Wolfenhausen gefangen und in Mainz in den Holzturm gesperrt. Hier machte er einen Fluchtversuch, indem er aus einem Turmfenster in großer Höhe absprang; die Flucht aber mißlang. Er wurde 1803 in Mainz hingerichtet und in den städtischen Anlagen begraben. Dieser junge, kühne und verwegene Räuberhauptmann trieb sein Unwesen am Rhein, wo er eine Bande von mehr als hundert Mann befehligte. Aber auch bei uns war bekannt, was die vielen Anekdoten beweisen, die von ihm vorhanden sind. Zu uns kam der Schinderhannes allerdings nicht als Räuber,

100 sondern als nobler Mann, nachdem er sich auf dem Schauplatz seiner Tätigkeit, in den Rheinlanden, nicht mehr sicher fühlte. In unserer Heimatgegend, sogar im Spessart, wo ihn niemand kannte und wo er vor Verfolgung sicher war, hielt er sich oft auf, um dann plötzlich zu verschwinden, nachdem er zuvor der Bevölkerung mitgeteilt hatte, wer er sei. Er verschenkte das Geld mit vollen Händen an Arme und Notleidende. Er war ein edler Räuber, erzählten unsere Vorfahren, er nahm den Reichen, was sie zu viel besaßen, und schenkte es den Armen, die Not litten. Der Pächter des Neustädter Hofes wurde von der Behörde zur Rechenschaft gezogen, weil er den Schinderhannes mit einigen Genossen heimlich beherbergt und mit allem Notwendigen versorgt hatte. Man braucht sich nicht zu wundern, daß die Bewohner unserer Heimat den Tod dieses Räubers tief betrauerten. Nach seinem Tode sei die Begnadigung durch Kaiser Napoleon eingetroffen, der diesen kühnen, verwegenen Räuberhauptmann als Offizier in seiner Armee einstellen wollte, wie der Volksmund dazusetzt. Das Andenken des Betteljoseph als eines schrecklichen Räubers und das des Schinderhannes als Wohltäters der Armen wird in unserer Heimat noch lange fortleben. Gewiß haben viele andere Räuber, Diebe und Einbrecher unsere Heimatgegend heimgesucht und ihre verbrecherische Tätigkeit ausgeübt, aber keiner hat die Berühmtheit des Betteljoseph und des Schinderhannes erlangt.

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101 Der 30 jährige Krieg und seine Folgen für unsere Heimatgegend

Der großartige Schloßbau zu Aschaffenburg war beendet und die zünftigen Gewerbe unserer Heimat hatten nachfolgenden Geschlechtern ein Denkmal ihres Kunst- und Arbeitssinnes hinterlassen, bei dessen Anblick man in Staunen und ehrfürchtige Bewunderung versetzt wird. Der Blüte unserer Heimat wurde durch den 30jähr. Krieg auf Jahrhunderte vernichtet. Die ersten Kriegsjahre verliefen ruhig. Im Jahre 1621 brennt schon die Kriegsflamme an den Ufern des unteren Mains; die Ämter Schaafheim, Babenhausen, Dieburg, der ganze Odenwald ist mit spanischen, bayerischen und uniierten Truppen überschwemmt, Tilly lagerte 1622 im Bachgau und nimmt im Johanniterhaus zu Mosbach sein Hauptquartier. Einquartierungen folgen einander unaufhörlich. Hunger und pestartige Krankheiten suchen die ganze weite Gegend heim. Vergeblich die Hoffnung der Flucht, wo sich der Flüchtende in schützende Mauern verbergen will, erwartet ihn dasselbe Schicksal, dem er entflieht. Die Herren von Breuberg waren stets bemüht, die Durchzüge und Einquartierungen in der Herrschaft Breuberg und der Grafschaft Erbach zu verhindern und die Pestseuche einzudämmen. Sie verschafften sich Quartierfreibriefe von den Truppenführern und vom Kaiser selbst, welche aber ohne Erfolg waren, da die unteren Truppenführer sie nicht respektierten, sondern taten, was sie wollten. Nur durch hohe Geldgeschenke erreichten sie es manchmal, daß beabsichtigte Durchmärsche durch ihr Gebiet unterblieben. Waren schon Einquartierungen erfolgt, so erwirkten sie durch hohe Geldsummen den Abzug. Sie taten dies aber nicht aus Liebe oder Mitleid, der Ausspruch eines Breuberger Herrn sagt uns den Grund ganz deutlich:

102 „Was nützt mir die schönste Grafschaft ohne Bewohner, man müßte darin verhungern!“ Der Breuberger Chronist aus jener Zeit, Nikolaus Mohr, berichtet, daß die Hainstädter Bewohner erschienen und Klage führten über die Mimlinger, welche es fertig brachten, die ihnen zustehenden Einquartierungen nach Hainstadt abzuschieben, wodurch ihr Ort derartig arm geworden sei, daß sie selbst nichts mehr zu essen hätten. Zu Radheim befand sich ein Votivstein* mit den Bildnissen der H, Katharina und Sebastian mit der Inschrift: Best olli 1625. Dies bedeutet: die Pest ist all (hat aufgehört). Im Jahre 1625 trat Ruhe ein und dauerte bis 1631. Die Saaten konnten bestellt und auch eingeerntet werden; Wein, Obst und Früchte waren in diesen Jahrgängen gut geraten. Dem Schwedenkönig Gustav Adolf stand nach der Schlacht von Breitenfeld, 1630, die er gegen Tilly gewonnen hatte, ganz Süddeutschland offen und siegreich drang er bis München vor. Er wandte sich darauf gegen die von kleinen geistlichen Fürsten beherrschten reichen Main– und Rheingegenden, wo ihm kein Feind entgegenstand, wo er neue Truppen warb, Geld forderte und das Land in langen Winterquartieren aussaugte. Bei seinem Zuge von Würzburg nach Aschaffenburg zog er am 25. November 1631, von Miltenberg kommend, durch unsere Heimatgegend. An demselben Tage noch zog er in Aschaffenburg ein, rastete daselbst zwei Tage und marschierte auf der alten Heerstraße über Seligenstadt nach Frankfurt und Mainz, wo er sein Winterquartier halten wollte. Daselbst hatte er kaum einen Monat gerastet, als er von der ihm werten Stadt Nürnberg die Nachricht erhielt, daß der kaiserliche Feldherr Wallenstein auf sie mit einem neuen Heere losmarschiere. Gustav Adolf,

* Gedenkstein 103 der in Nürnberg nur eine kleine Besatzung zurückgelassen hatte, rückte mit seinen besten Truppen den Main hinauf, wobei unsere Heimat zum zweiten Mal schwer heimgesucht wurde. Die schwedische Armee hatte auf ihren Zügen alles aufgezehrt und überall, wohin sie kam, 1632–1635, die Kriegs– und Hungerpest ausgestreut, sodaß 1636 kaum die Hälfte unserer Heimatbewohner noch bei kümmerlichem Leben war, und zwar bedeutend mehr Frauen als Männer. Das wenige Rindvieh, welches die Kriegsscharen noch übrig gelassen hatten, starb an der aufgetretenen Rinderpest. Was die schwedische Armee übrig gelassen, hatte die ihr nachrückende kaiserliche aufgezehrt. Das grüne Korn auf dem Felde war den Pferden verfüttert worden. Niemand mochte mehr für die Armeen sähen, da alles Zugvieh aufgezehrt oder durch die Rinderpest gefallen, Pferde und Maulesel aber schon längst von den Kriegsvölkern weggenommen waren. Es war auch kein Saatkorn vorhanden und selbst um gutes Geld nicht zu beschaffen. Man verwendete selbst das Fleisch von verhungerten und gefallenen Tieren vor Hunger. Selbst der Spessart und der tiefste Odenwald wurden von den Herren nach Lebensmitteln durchsucht und alles wurde weggenommen, was eßbar war. Überall Hunger, Elend, Krankheit und Tod. Nur die Wölfe vermehrten sich, kamen bis in die Dörfer herein und verzehrten die verlassenen Kranken und auch die Toten. Den von Nördlingen her fliehenden Schweden war der kaiserliche General von Mansfeld auf dem Fuße gefolgt und hatte sich 1634 und 1635 im Bachgau ins Winterquartier gelegt. Dessen Truppen zehrten die letzten Lebensmittel auf, die noch zu finden waren. Er selbst hatte das verlassene Johanniterordenshaus zu Mosbach bezogen. Daß unsere Heimatgegend und seine wenigen Bewohner in den Jahren 1642, 1646 und 1647 insbesondere viel gelitten haben mag,

104 als die Stadt Aschaffenburg mehrmals von Franzosen, Schweden, Bayern, kaiserlichen und Spaniern erobert und besetzt worden war, kann man sich leicht denken. Endlich, nachdem nur noch ein kleiner Rest von unserer Heimatbevölkerung vorhanden war, wurde 1648 der Friede geschlossen. Aber wie sah es in unserer Heimatgegend aus! Ganze Ortschaften waren menschenleer geworden, die Felder lagen verwüstet und waren mit Hecken und Buschwerk bewachsen.

Nilkenheim, das schon im Schmalkaldischen Kriege (1552) verwüstet worden war, ging vollends ein. Die Bewohner zogen nach Ostheim, aus den verödeten Feldern wurde später der Hof gebildet.

Ringenheim kam ebenfalls zu Ostheim; die einzige Überlebende war eine Jungfrau, die in Ostheim Aufnahme fand. (So berichtet die Volkssage.)

Hausen (hinter der Sonne) hatte 3 Überlebende; zwei zogen nach Mimlingen, einer nach Hainstadt. Die von Mainhausen gingen nach Obernburg.

Von Grübingen (mainaufwärts bei Klingenberg gelegen) ist heute noch der Friedhof vorhanden, der die Begräbnisstätte der Herrschaft Klingenberg, der Grafen von Bickebach, war. Diese Orte gingen an den Kriegsfolgen ein. Leerstehende Orte waren Streit, Wüstamorbach und andere, die sich später wieder bevölkerten. Auf ein kleines Häuflein zusammengeschmolzen waren alle Orte des Bachgaues, wo manche nur noch einige Familien aufweisen konnten. Im Jahre 1632, wo die Pest am stärksten wütete, starben in Großwallstadt 83 Menschen. Am besten durchgehalten hatte sich Obernburg, welches nach einer Zählung im Jahre 1664 wieder 328 Einwohner aufweisen konnte, was aber auf starke Einwanderung zurückzuführen ist; 1530 hatte es 152 Bürger.

105 Genaue Anführung der Zahl bei den 30jährigen Krieg überlebender Bewohner unserer Heimatorte ist nicht möglich, da die Pfarrbücher nur bis zum 30jährigen Kriege zurückreichen, die früheren aber mit wenigen Ausnahmen vernichtet worden sind. An Ausübung von Religion und Gottesdienst war in den Kriegsjahren von 1632 an nicht mehr zu denken; nur ein Trieb beherrschte die Menschen: dem furchtbaren Hungertode zu entgehen. Vor dem Herannahen der Schweden 1631 waren alle Reichen, Geistlichen und Beamten in das neutrale Trier`sche oder Kölnische Gebiet und in die Niederlande geflüchtet. Nur die armen Pfarrer und Kapläne, die nicht in die Städte oder zu fernen Anverwandten flüchten konnten, blieben zurück. Im Stift Aschaffenburg waren nur einige arme Vikare zurückgeblieben, die überall um geistliche Hilfe angefleht wurden. Den in die Städte geflüchteten Geistlichen ging es wie den auf dem Lande gebliebenen; sie erlagen dem Hunger und den Seuchen, denn sie konnten die Versehung der Sterbenden nicht verweigern und wurden angesteckt. Der Pfarrer von Obernburg war einer der letzten, vielleicht sogar der letzte Pfarrer in unserer Heimatgegend. Von seinem Patrone, dem Stift, konnte er keine Hilfe erwarten, denn die Prälaten waren mit dem Stiftsgelde in die Niederlande geflüchtet und die Stiftsspeicher und Keller waren durch die Requirierungen leer geworden; niemand dachte auch mehr daran, Gült– und Zehentfrüchte abzuliefern und Zins zu zahlen. Als der Pfarrer von Obernburg keine Lebensmittel mehr hatte, wanderte er nach dem verlassenen Ostheim, wo er auch keine Hilfe fand, ging weiter nach St. Agatha in Aschaffenburg, wo er in kurzer Zeit der Pest erlag. Die Plünderungen der Pfarrhöfe war gewöhnlich die erste Tat, welche die schwedischen und kaiserlichen Truppen ausführten, denn hier glaubten sie reiche Beute an Geld und Lebensmitteln zu finden.

106 Da sie aber fast immer nur die bittere Armut vorfanden, zerstörten sie alles was sich vorfand, sogar die Pfarrbücher. Nach dem Westfälischen Frieden fing man ein neues Leben an. Als die Ruhe in unserer Heimatgegend wieder eingetreten war, kehrten die geflüchteten Beamten, Juden und Reichen in die Heimat zurück, auch die katholischen Geistlichen und Prälaten kamen wieder aus ihren Schlupfwinkeln zum Vorschein und wurden überall mit Freude aufgenommen. Sie beschafften aus den Niederlanden und aus Lothringen vor allem Frucht und Vieh. Nun ging es allmählich besser; aber es fehlte an Menschen, um das verlassene öde Feld zu bebauen, denn die Überlebenden waren größtenteils Frauen. Da wurden Leute aus Lothringen, von den Niederlanden und von den Alpengegenden herangezogen, um sich hier ansässig zu machen, weil man eine Hube (30 Morgen Feld) um 40 Gulden kaufen konnte. In den fruchtbaren Bachgau kamen in den 1650er, 1660 und 1670er Jahren Einwanderer aus Tyrol, (Stockstadt), aus den Niederlanden (Mimlingen), aus Brabant, Lothringen und Nordfrankreich in sämtliche Orte der Centgrafschaft. Die letzteren bevölkerten hauptsächlich die bis auf wenige Familien ausgestorbenen Orte Eisenbach, Radheim und Wenigumstadt und brachten ihre Geistlichen mit. Wenigumstadt hatte von 1661 – 1680 nacheinander 4 Pfarrer aus Brabant. Daher kommt es auch, daß viele Familien in unserer Heimat noch jetzt niederländische und halb–französische Namen führen. Aber auch Rassekennzeichen, wie schwarze Augen und Haare sowie gelbe Hautfarbe, sind bei den Nachkommen dieser Eingewanderten deutlich zu erkennen.

107 Auch kriegsmüde, desertierte Soldaten ließen sich in den verlassenen Orten nieder, und neues Leben kam in unsere Heimatgegend. Erst nach der Entfernung der schwedischen Herrschaft brachten die Prälaten des Stiftes geistliche Aushilfe in unsere Gegend; sie mußte aus ferneren Gegenden geholt werden, und es waren nur junge, kaum geweihte Priester. Kaum waren die Kriegswunden etwas vernarbt, als alte Hexenglaube wieder auflebte, welcher von 1600 bis 1630 so viele Menschen das Leben gekostet hatte. Der aufgeklärte Erzbischof, Kurfürst Johann Philipp von Schönborn, welcher von 1647 bis 1673 zugleich als Fürstbischof von Würzburg regierte, ließ keine Hinrichtungen mehr zu.

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108 Der Orlis–Berg mit dem Orlis–Wald

In frühester Zeit, als Überfluß an Waldungen vorhanden war, ging jeder Einwohner, wessen Standes er sein mochte, in den nächsten Wald und holte sich Bau- und Brennholz. Als aber die Wälder dadurch immer weiter von den Orten zurückgedrängt wurden, fingen die Orte, die um und in dem Wald lagen, an, den Wald als ihr Eigentum zu betrachten. Durch königliche Anordnung kam der politische Grundsatz zur Geltung, daß aller unausgeschiedene Boden Eigentum des Königs sei, welcher auch die Jagd in solchen Fällen für sich in Anspruch nahm. Wälder, welche noch von keinem Orte benutzt waren, wurden ebenfalls als Königsforste angesehen. Der zwischen den Orten Mimlingen, Isenbach, Overenburg, Wahlestat, Niederenburg, Ostheim, Ringenheim, Plumheim und Biebigsheim gelegene Orlisberg mit dem Orliswald war ebenfalls ein unausgeschiedener Wald, welchen die angrenzenden Orte gemeinschaftlich benutzten und in dem auch keine Ortsresp. Gemarkungsgrenzlinien festgelegt waren. Für diesen Orlisberg, welcher nur an wenigen Hängen angebaut war, sonst aber ganz mit Wald bedeckt war, bestand die Gefahr, da ihn kein angrenzender Ort als Eigentum geltend machen konnte, daß er als Königswald angesehen und in den Königs– und Fürstenbann (Wald– und Wildbann) gelegt werde. Die angrenzenden Orte schlossen sich nun, um sich den Berg und Wald zu erhalten, zu einer Markgenossenschaft zusammen, womit der Wald als gemeinschaftliches Eigentum der aufgeführten, angrenzenden Orte geltend gemacht wurde. Auch noch andere Herren machten Ansprüche auf den Orliswald. Es waren die Herrschaft Breuberg und das Peter und Alexanderstift Aschaffenburg, welche Besitzrechte auf der Mimlinger, Eisenbacher und Obernburger Berghöhe geltend machten. Diese drei Orte konnten die Ansprüche von Stift und Breuberg nicht bestreiten,

109 da Mimlingen und Eisenbach der Gerichtsbarkeit der Herren zu Breuberg, das Dorf Obernburg aber dem Stiftskapitel unterstellt war. Breuberg beanspruchte auf der Mimlinger Berghöhe Kohlhausen, Teufelsloch u. Diethersberg, welches Gelände teilweise noch den Erben von Breuberg, den Fürsten zu Löwenstein, gehört, und das Gelände des Lieb`schen Waldes und Lauterhofes. Das Stift aber erhielt die Obernburger Berghöhe. Diese Eigentumsansprüche von Breuberg und Stift schädigten Mömlingen, noch mehr aber Eisenbach und Obernburg, weil bei der späteren Teilung des Orlisberges diesen nur die Berghänge verblieben. Das Stift und die Reuße vom Breuberg errichteten auf der Mömlinger und Obernburger Berghöhe Huben (Höfe), welche Reußen– und Stiftshuben genannt wurden. Die Markgenossenschaft wählte als Hauptort den damals stärkeren Ort Ringenheim und errichtete hier ein Märkerding (Aufsicht und private Gerichtsbarkeit für den Orliswald). Die Markgenossenschaft und der Märkerding erhielt sich bis ins 15. Jahrhundert. Auf der Orlisberghöhe errichtete man (wahrscheinlich nach dem Abgang des Ortes Biebigheim) die Mark– oder Centviehweide, zu deren Benutzung alle Orte und Höfe der Centgrafschaft die Berechtigung erhielten. Die Centgrafschaft Ostheim nannte man durch diese Markgenossenschaft auch die Orlis-Mark. Die Teilung des Orliswaldes (mit Ausnahme der Centviehweide) an die angrenzenden Orte erfolgte im 15. Jahrhundert; dadurch wurden Markgenossenschaft und Märkerding aufgehoben. Die Aufhebung der Centviehweide (Pflaumheimer Wald) erfolgte im 18. Jahrhundert.

110 Die Grenzlinien wurden durch Mal– oder Lochbäume*) festgelegt. Diese Grenzbäume starben mit der Zeit ab oder wurden auch beseitigt, um die Grenzen zu verwischen. Auch zog man mit dem Grenzpflug Furchen um die Gemarkungsgrenze, welches sehr beschwerlich war und nicht beibehalten wurde. Nach dem 30jährigen Kriege, wo das weitliegende Gelände auf der Berghöhe mit Hecken bewachsen war, ließ man an der Grenze die Hecken stehen. (Gemeindehecken). Nach dem Vorbild der Märker verpflichtete jeder Ort vier angesehene Männer, welche bei der Bevölkerung Vertrauen genossen, dafür zu sorgen, daß keine Grenzverletzung vorkam. Es entstand das Institut der „Vier Richter“ (heute Vierrechter, Feldgeschworene oder Steinsetzer genannt), welches im 30jährigen Krieg einging, aber später wieder neu errichtet wurde und heute überall besteht. Am Ausgang des 18. Jahrhunderts wurden die Grenzlinien des Orliswaldes mit Grenzsteinen abgemarkt, sodaß eine Grenzverletzung nicht mehr möglich ist. Zur Sicherung der Grenzen wurden früher (auch heute noch) alljährlich Grenzbegehungen mit den Vierrichtern der Nachbarorte vorgenommen, um Streitigkeiten und langwierige Prozesse zu verhindern. Ein solcher Grenzstreit entstand zwischen Obernburg und der Herrschaft Breuberg, welcher aber durch die Aussagen der Vierrichter und der ältesten Männer der Gemeinden zum gütlichen Austrage gebracht wurde. Die Grenzsteine zwischen dem Obernburger und Breuberger Walde, gegen Mömlingen zu, wurden 1744 erneuert, und 3 dieser Steine sind noch vorhanden. Jagdberechtigungen hatten auf dem südlichen Teile des Orlisberges die Stadt Obernburg, die Herrschaft Breuberg und das Collegialstift, welches die Jagd aber nicht Ausübte,

______* Lochbäume = Bäume mit Bohrlöcher, Malbäume = Bäume, woran ein Kreuz ausgeschnitten war.

111 der nördliche Teil gehörte zum Jagdgebiet des Erzstiftes Mainz. Nach hießigen mündlichen Überlieferungen wurde alljährlich eine Grenzbegehung mit der Schuljugend vorgenommen, damit das junge Geschlecht die Grenzlinie kennenlerne und festhalte.

Fischers – Kreuz.

Auf dem südlichen Teil der Orlisberghöhe, am Randsaum des Obernburger Waldes, befindet sich ein Gedenkstein der die Inschrift trägt:

„1796, den 6. September, ist hier von dem Franzosen ermordet worden der Jüngling

Franz Josef Fischer.

Demselbst verleihe Gott die Ewige Ruhe!“

Dieser Stein, der unter dem Namen Fischerskreuz bekannt ist, wurde errichtet zur Erinnerung an nachstehende Begebenheit: Die am 3. September 1796 bei Würzburg geschlagene französische Revolutionsarmee unter General Jourdan flutete durch den Spessart Aschaffenburg zu. Teils über Großostheim und Mömlinger Berghöhe, teils das Maintal entlang zog eine französische Abteilung von 600 Mann nach Obernburg und kam in früher Morgenstunde des 6. September mit den in Obernburg in Quartier liegenden Österreicher Jägern am unteren Tor und in den Weinbergen in ein Gefecht, wobei sie auch die Stadt mit Geschützen beschossen. Der Pfarrer zog mit der Jugend und den alten Leuten über den Main in den Forstwald, wo sie zwei Tage verblieben. Ein anderer Teil der Einwohner flüchtete mit Vieh und allerlei Sachen in den roten Busch und suchte Schutz in dem tiefen Rotenbuschgraben. (Der Rotebuschgraben bildet zwischen Obernburg einerseits und Eisenbacher und Mömlinger Gemarkung anderseits die Gemarkungsgrenze).

112 Drei junge Burschen verließen ihr Versteck im Graben, um nachzusehen, wie es sonst zuging. Sie wurden von den französischen Reitern erblickt, verfolgt, und nur zwei konnten den schützenden Wald erreichen. Fischer wurde am Waldrand von den Chasseuren eingeholt und in grausiger Weise abgeschlachtet; der Körper hatte 33 Hieb- und Stichwunden. Nur noch wenige Schritte und auch er hätte das rettende Dickicht des Waldes erreicht. Die Franzosen waren deshalb so erbittert und grausam, weil ein Obernburger Mann, namens Helm, versteckt hinter Weinstöcken, einen Schuß auf die Franzosen abgefeuert hatte.

Ringenheim war ein Ort zwischen Pflaumheim und Großostheim, auf einer Anhöhe gelegen. Es war erbaut auf einer römischen Ansiedlungsstätte, welche mit einem Erdwall (Ring) umgeben war. Auf den Fundamenten eines Römerturmes erbaute man den Kirchturm. Sehr frühe war Ringenheim ein bedeutender Ort, vor seinem Verschwinden nur noch ein Filialort des aufstrebenden Ortes Ostheim, dem es auch eingekörpert wurde. Der Ort Ringenheim wird im Centbuche 1520 noch urkundlich erwähnt. Er ging entweder im Schmalkaldischen oder im 30jähr. Kriege, 1547 oder 1632 bis 1635, ein oder im Pestjahr 1607. Die im Tale an der Wilzbach (Wildbach) gelegene Mühle, welche zu dem Orte gehörte, besteht heute noch und heißt immer noch die Ringenheimer Mühle.

Bibigheim war ein Ort zwischen Pflaumheim und Wenigumstadt, auf einer Anhöhe gelegen. Die Feldgemarkung grenzte an das Mimlinger Feldgebiet.

8 Mömlingen 113 Dieser Ort ist schon frühzeitig eingegangen, wird 1403 zum letzten Mal urkundlich erwähnt und war ein Filialort von Wenigumstadt, welchem Orte es eingekörpert wurde. Hubengüter (Höfe) besaßen daselbst die Reiße von Breuberg, die Herren von Frankenstein und das Kloster zu Höchst (Frauenkloster). Diese verkauften oder verschenkten ihren Besitz zu Bibigheim dem Johanniterhaus zu Mosbach. Urkundlich: Elisabeth von Breuberg übergibt ihren Hof zu Bibigheim dem Johanniterhaus Mosbach 1264. Elisabeth von Frankenstein verkauft Güter in Bibigheim an das Johanniterhaus Mosbach 1267. Die Übergabsurkunde des Klosters Höchst ist insofern wichtig, weil es die letzte vorhandene Urkunde ist, welche uns den Bestand von Bibigheim im Jahre 1403 bestätigt. Wann und durch welche Ereignisse der Ort einging und verschwand, ist bis jetzt noch nicht geklärt. Der dem Orte Bibigheim zustehende Anteil des Orlis–Waldes wurde von der Markgenossenschaft in eine Viehweide umgewandelt, und da man auch die anderen Centorte an der Benützung teilnehmen ließ, wurde diese Weide auf die ganze Hochfläche des Orlisberges ausgedehnt (Siehe Orlis-Busch S.90).

Obernburg hatte vom Orlisberg nur den südlichen Bergabhang erhalten, der wenig Wald enthielt, wo man aber Weinbau treiben konnte. Nachdem Obernburg Stadt geworden war, erbaute man 1344 – 47 die Türme, Wälle und Gräben. Da die Bevölkerung Obernburgs zur Verteidigung der Stadt nicht ausreichte, wurde eine Anzahl Eisenbacher Bürger in der nun befestigten Stadt angesiedelt. Obernburg beanspruchte nun von dem klein gewordenen Orte Eisenbach das den Eingewanderten zustehende Wald– und Feldgelände.

114 Es nahm dem Orte Eisenbach rechts der Mümling einen Teil bebauten Ackerlandes sowie den am Main entlang ziehenden Waldbestand ab und behielt ihn für immer als Eigentum.

Eisenbach gehörte der Bergwald mümlingaufwärts bis zur Wasserscheide auf der Berghöhe und bis zur Talschlucht hinter dem Neustädter Hof, die die Grenze bildete zwischen Eisenbach und dem Waldbestand von Hausen.

Die Herrschaft Breuberg nahm den im Innern des Gebirges liegenden Waldbestand, für welchen die Orte keine Eigentumsansprüche geltend gemacht hatten, als Eigentum in Besitz (Grafenwald). Die Herrschaft Breuberg erbaute am Anfange des 14. Jahrhunderts die Burgen im Mümlingtale und errichtete den Neustädterhof. Um Burgen und Hof mit Wald und Jagd zu versorgen, wurde der größte Teil des Breuberger OrlisWaldes (Lieb`sche Wald mit dem Gelände des heutigen Lauterhofes) dazugegeben. Aber auch aus dem Eisenbacher Walde wurde noch ein Teil herausgeschnitten und zum Hofe geschlagen (Hofschlag). Burgen und Hof erhielt ein Breuberger Burgmann (Bachen von Nuwenstatt) zu Lehen, und Jahrhunderte später kam dieses Breuberger Lehensgut in den Besitz von anderen Familien. (Siehe Geschichte des Neustädter Hofes S.77) Die Römer, welche von 69 bis 374 unsere Gegend beherrschten, hatten auf dem Orlisberg Befestigungswerke angelegt. In Obernburg war ein römisches Lager mit einem festen Kastell und auf der Weinbergshöhe ein Ausschau– oder Signalturm. Auf einer Bergspitze gegen Großwallstadt (Wall– oder Wahlestatt) stand ein weiterer Turm, der die Aufgabe hatte, das Maintal und die den Römern feindlichen Bewohner des Spessarts zu beobachten.

8* 115 Auf der Mömlinger Berghöhe stand gleichfalls ein Signal- und Aussichtsturm, der Main- und Mümlingtal überschaute, von einer bürgerlichen Ansiedlung umgeben. Zwischen dem Wallstädter– und Mömlinger Ausschauturm soll sich ein weiterer Turm befunden haben, von dem Steinreste vorhanden sein sollen, Ob diese drei Türme wirklich durch einen unterirdischen Gang verbunden waren, wofür Anzeichen vorhanden sind, muß erst durch weitere Grabungen festgestellt werden. Über die Orlisberghöhe führte der Pfahlgraben (Limes) und die Römerstraße.

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116 Krankheiten und Pest

Nachdem die Bevölkerung unserer Heimat zahlreich geworden war, traten Krankheiten auf, welche ein großes Massensterben hervorrief. Der durch die zurückgekehrten Kreuzfahrer (Zeit der Kreuzzüge 1096 bis 1270) eingeschleppte „schwarzen Tod“, oder die Pest, war die schrecklichste von allen ansteckenden Krankheiten, durch die ganze Gegenden und Orte ausstarben und menschenleer wurden. Aber noch andere Krankheiten traten auf, wie uns Heimatgeschichtsschreiber zu berichten wissen. Im Jahre 1529 herrschte wie am Rheine so auch im Maingau eine ansteckende Seuche, der englische Schweiß genannt, an welcher die Menschen in 24 Stunden starben. Alle Heimatorte wurden von dieser schrecklichen Seuche heimgesucht. Die Pest wütete nach dem Schmalkaldischen Kriege 1605 – 1608, am Anfang des 30jährigen Krieges 1621 (Siehe kriegerische Ereignisse - der 30jährige Krieg S.20), am schrecklichsten aber 1632 – 1636, wo unsere Heimatgegend fast menschenleer wurde. Nach dem 30jährigen Kriege sind die Jahre 1660 und 1668 als Pestjahre verzeichnet. Von 1814 – 1816 trat der Hunger- oder Kriegstyphus auf, von dem auch Mömlingen heimgesucht wurde. An eine Bekämpfung dieser Krankheiten und Seuchen war nicht zu denken, weil es in früherer Zeit auf dem flachen Lande gar keine Ärzte gab. Gelehrte Doktoren der Heilkunde befanden sich nur an den Höfen der Großen. Gewiß waren auch auf dem Lande Menschen, welche die Naturheilkunde verstanden und oft mit Erfolg ausübten; ihr Lohn war aber immer der Scheiterhaufen. Der ganze Bachgau, der ganze Aschaff– und Kahlgrund sowie der Main– und Elsavagrund hatten, selbst die Städtchen und größeren Flecken, keine eigenen Ärzte.

117 Das gesamte Gesundheits– und Arzneiwesen lag einzig in der Hand des seit der Regierung des Kurfürsten, Erzbischofs und Kardinals Albrecht von Mainz im 16. Jahrhundert in Aschaffenburg aufgestellten Physikus, und diese Einrichtung dauerte fast bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. In den Städtchen, wie Obernburg und Wörth, oder größeren Landgemeinden befand sich nur ein Chirurg (Wundarzt). Nur wo ein Physikus aufgestellt war (Aschaffenburg), befand sich auch eine Apotheke. Da man auch sanitäre Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kliniken und dergleichen nicht kannte, konnten die verheerenden Seuchen nicht bekämpft werden und verbreiteten sich immer weiter, bis sie wieder von selbst erloschen. Dies änderte sich erst unter der königlich–bayerischen Regierung, welche jedem Amtssitze auch einen Gerichts– und Polizeiarzt gab und auch die Errichtung einer Apotheke gestattete. Obernburg erhielt erst bei dem ersten Herannahen der asiatischen Cholera (1831) eine Filial–Apotheke von Klingenberg aus. Auch der Marktflecken Großostheim, Kleinwallstadt, Wörth usw. durften Apotheken errichten. Gleichzeitig folgte auch die Aufteilung von Distrikts-Tierärzten und die Einrichtung einer zweckmäßigen Organisation der Tierheilkunde. Mömlingen hatte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts einen Eingeborenen als Chirurgen, namens Georg Frank, der sich großer Beliebtheit erfreute, und einen außerordentlich hochbegabten Orts–Vieh–Doktor, den Bauern Hannes Hohm, der auch in den umliegenden Orten wohlbekannt war und bei dem die jungen studierten Tierärzte erst praktisch in die Lehre gingen. Als kleiner Arzt (Zahnarzt, Wundarzt für leichtere Krankheiten) war ein Mann von Hainstadt wohlbekannt, das Bollchen. In allen schweren Krankheitsfällen und als Geburtshilfe, holte man den Obernburger Physikus.

118 Die Mömlinger Bevölkerung zählte am Anfang des 19. Jahrhunderts 900 Seelen, hatte sich aber am Ausgang verdoppelt, was der Gemeindebehörde die Pflicht auferlegte, für einen eigenen Ortsarzt zu sorgen. Bei Unglücksfällen und Geburten, wo rasche ärztliche Hilfe vonnöten war, wurde der Ruf nach einem Ortsarzt immer dringender. Die Gemeinde hatte Glück, denn ein tüchtiger Arzt, Dr. Fritz Burger, kam hierher, baute sich das schöne Landhaus mit Parkanlage an der Distriktsstraße nach Obernburg und übte als tüchtiger, gewissenhafter Arzt hier seine ärztliche Tätigkeit aus. Die Gemeinde hatte sich verpflichtet, bei einem etwaigen Abgange Dr. Burgers, die Wohnung um den Gestehungspeis von 25.000 Mark zu übernehmen. Diese Verpflichtung trat aber nicht in Wirksamkeit, denn sein Nachfolger, U. Zinser, erwarb sich die Wohnung als Eigentum. Dieser Dr. Zinser machte, bevor er die ärztliche Tätigkeit hier übernahm, eine weitere Ausbildung im Fache für Geburtshilfe mit, weil auf diesem Gebiete viele außerordentliche Fälle zu bewältigen waren, als deren Ursache die sitzend ausgeübte Berufstätigkeit der Konfektionsschneiderinnen angenommen wird. Besitz– und Berufsnachfolger Dr. Zinsers ist der gegenwärtige Sanitätsrat Dr. H. Kohlenberger. Nach dem Weltkriege erhielt Mömlingen noch einen zweiten Arzt in der Person des Dr. U. Hartmann, der ein geborener Mömlinger ist.

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119 Die Juden in früherer Zeit

Wie die Juden in unserer Heimatgegend gekommen sind, ist nicht genau bekannt. Wahrscheinlich durch die Römer, die nach der Zerstörung Jerusalems das Judenvolk Palästinas als Sklaven mit sich führten und auch in unsere Heimat brachten. Die Juden hatten unter sich eigene Gerichtsbarkeit, waren von Kriegsdiensten, Wachen und allen bürgerlichen Lasten frei und zahlten nur an den Fürsten den Leibzins, weshalb sie auch von den christlichen Bewohnern gehaßt wurden. Öffentliche Ämter, Gewerbe und Landwirtschaft auszuüben, war ihnen untersagt. Sie wohnten nur in Städten, Städtchen und größeren Orten, wo sie Handel trieben und schon in frühester Zeit wucherische Geschäfte machten. Am Anfang der Kreuzzüge, 1096, brach in der Rhein– und Maingegend, wo viele Tausende von Judenfamilien wohnten, eine Judenverfolgung aus mit Plünderung und Niedermetzelung, weil sie Christus den Herrn gekreuzigt hätten. Am Ende der Kreuzzüge, 1270, wo ansteckende Krankheiten von den Kreuzfahrern eingeschleppt worden waren, brach eine zweite Judenverfolgung aus, da man den Juden die Vergiftung der Brunnen zuschrieb. Obgleich der Papst die Verfolgungen getadelt hatte, wurde im Jahre 1429 von Erzbischof Konrad III. von Mainz abermals eine Verfolgung der Juden eingeleitet, indem er deren unerträglichen Wucher unterdrücken wollte, durch den die hohe Geistlichkeit, der Adel und viele Bürger, bei der damaligen verschwenderischen Lebensweise, an den Bettelstab gebracht wurden. Er wollte die Juden aus seinem Lande vertreiben. In den Kurmainzer Städten und Dörfern wurden sie gefangen und in Banden gelegt, von den Bürgern aber oft aus Rache getötet und ihre Häuser eingerissen. Wo sich Juden zeigten wurden sie verfolgt, mit Steinen beworfen, mißhandelt und verjagt.

120 Dies geschah auch zu Aschaffenburg, Obernburg, Miltenberg, Amorbach. Der Kurfürst zog ihr Eigentum ein. Wer von ihnen flüchten konnte, floh in den Odenwald und in die Taubergegend, welche im Besitze des Bischofs von Würzburg war. Die reichsten Aschaffenburger Juden retteten sich nach der Stadt Mergentheim, von wo aus sie durch adelige Unterhändler und durch Aufwendung ansehnlicher Geldmittel den Kurfürsten besänftigten. Sie wurden wieder in Gnaden aufgenommen und durften in das Mainzer Land zurückkehren. In Obernburg, Klingenberg, Miltenberg usw. getraute sich aber kein Jude mehr sich niederzulassen bis in die neuere Zeit. Die Stadt Obernburg hatte seit jener Zeit keine Juden mehr in ihren Mauern geduldet, und wenn einer in die Stadt wollte, um Geschäfte zu machen, mußte er den Verräterpreis Christi entrichten, 30 Silberlinge (58 Pfg.), und noch das Versprechen abgeben in Obernburg nicht zu übernachten. Die Obernburger und Miltenberger Juden suchten sich domkapitelsche Orte aus und siedelten sich hier an. In der Centgrafschaft waren es die Orte Ostheim, Niedernberg, Großwallstadt und Mimlingen. Im Jahre 1820 betrug die jüdische Bevölkerung in Großostheim 72, in Mömlingen 32, in Niedernberg 18 Köpfe, in Großwallstadt 7 Familien. Im Jahre 1848 brach in Mömlingen wegen der gleichen Ursache wie im Jahre 1429 eine Judenverfolgung aus, welche unseren Heimatort von dem wucherischen Judenvolke wieder frei machte. (Siehe kriegerische Ereignisse - 1848 S.24)

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121 Die Huben auf der Orlisberghöhe

Der älteste angebaute Ackerboden in unserer Gemarkung war das Höhefeld, denn schon vor der christlichen Zeitrechnung hatten hier Menschen ihre Wohnsitze aufgeschlagen und günstig gelegene Flächen urbar gemacht und angebaut. Nachdem die Römer die Herren unseres Heimatbodens geworden waren und den Orlisberg befestigt hatten, entstanden auf der Berghöhe unter deren Schutze bürgerliche Ansiedlungen von Ureingesessenen und ausgedienten Legionären. Zur Zeit der fränkischen Herrschaft siedelten sich die Bewohner in den Talebenen an und bildeten so den Anfang der heutigen Orte. Das angebaute Ackerland auf dem Orlisberg wollte man weiter erhalten; man errichtete Huben (Höfe). Das Stift Aschaffenburg, dem das Dorf Obernburg in früherer Zeit angehörte, errichtete auf seinem Anteil, den es bei der Errichtung der Markgenossenschaft beansprucht hatte, Huben (Stiftshuben). Zu diesem Stiftseigentum gehörte wahrscheinlich auch das abfallende Gelände auf der Mimlinger Berghöhe (Diethersberg), denn die Mimlinger bebauten nur das nahe und eben gelegene. Die Herren vom Breuberg, die Grafen von Reußenberg, hatten noch mehr Gelände als das Stift beansprucht, errichteten aber nur eine Hube, zu der wahrscheinlich das heutige Lauterhoffeld gehörte (Reußenhube). Das übrige Breuberger Gelände war Wald und grenzte an die Gemarkung Obernburg; das Stiftseigentum war schon vor dem 30jährigen Kriege von den Stiftsvögten zur Gemarkung Obernburg geschlagen worden. Die Herren vom Breuberg, die Grafen von Wertheim, lagen stets in Grenz– und Jagdstreitigkeiten mit der Stadt Obernburg, trotzdem im Jahre 1448 die Grenzlinien festgelegt und

122 beiderseits ein Vertrag abgeschlossen war. Die Stiftshuben gehörten in die Obernburger, die Reußenhube in die Mimlinger Gemarkung. Wieviel Stiftshuben auf der Berghöhe gelegen waren, kann nicht mehr festgestellt werden, da das Stift Teilungen zuließ, was bei allen anderen Huben nicht der Fall war. Diese Teilung ließ das Stift zu, weil es von jedem neuen Besitzer das Besthaupt erheben konnte, nämlich das beste Stück Vieh, das er besaß. Diese Viehabgabe wurde nach alten römischen Rechten als Hand–, Kauf– oder Draufgeld erhoben und war eine große Ungerechtigkeit. Die Huben hatten 80 bis 100 Morgen Ackerfeld und Wald, wurden aber im Erbgange immer geteilt. Es gab auch halbe, viertel und achtel Huben. Eine halbe Hube hieß Lehen, eine Viertelhube einspännig, d. h. sie konnte mit einem Pferde bebaut werden. Zweimal im Jahre wurden in Obernburg Hubgerichte abgehalten. Ihr Ende fanden die Huben im Schmalkaldischen Kriege 1545 bis 1547, wo die Truppen des Markgrafen Albrecht von Brandenburg wiederholt in das Erzstift Mainz einfielen, wodurch die offenen Dörfer, Weiler und Höfe schwer zu leiden hatten; sie wurden geplündert und verwüstet und niedergebrannt. Die Hübner (Hofbauern) flüchteten mit Frau und Kind und aller beweglichen Habe in die durch Mauern geschützten Orte, wo sie Schutz fanden und oft auch verblieben. So mag es auch den Hübnern auf der Orlisberghöhe ergangen sein. Die wenigen Gebäudeteile, welche die Raubscharen des Markgrafen Albrecht übrig gelassen, fegten die Stürme des 30jährigen Krieges vollends vom Erdboden hinweg. In dieser Zeit der Kriegsnot, Hunger und Pest,

123 wo die Bevölkerung der Orte auf ein kleines Häuflein zusammengeschmolzen war, hatte man Äcker und Wiesen in nächster Nähe der Orte in Überfluß; niemand dachte mehr daran, das Feld auf der Mimlingen–Obernburger Berghöhe zu bebauen; es lag wüst und war mit Hecken und Buschwerk bewachsen. Später, als die Bevölkerung sich wieder vermehrt hatte, brannte man die Hecken nieder und baute den Boden wieder an. Während die Herrschaft Breuberg (die Grafen von Erbach und Löwenstein) ihren Besitz, der ihr nach Errichtung des Neustädter Hofes auf unserer Berghöhe noch verblieben war, fest behauptete und an der Obernburger Gemarkungsgrenze 1744 die Grenzsteine erneuerte, ist von einer Besitzergreifung des Stiftes von dem einstigen Hubenfeld nichts näheres bekannt. Es kam an die Obernburger und wurde erst wieder urbar gemacht, als man es notwendig brauchte. Als Grenzlinie wurde der obere Teil des roten Buschgrabens (Hubgraben) festgelegt und später, im Jahre 1803, mit Germarkungssteinen versehen. Wie und wann das Adelsgeschlecht von Cottenwißen (Gottfriedshecke) zu ihrem Grundbesitz gelangte, ist nicht mehr festzustellen. Da die städtische Bevölkerung Obernburgs für die Landwirtschaft und das weitgelegene Hubhöhenfeld wenig Interesse übrig hatte, konnten die hiesigen Bauern einen Teil des Obernburger Hubfeldes um billigen Preis erwerben. Der Unrentabilität der Landwirtschaft, sowie der weiten Entfernung ist es zuzuschreiben; daß auch hier keine Nachfrage für das Hubfeld mehr vorhanden ist. Im Laufe des vorigen Jahrhunderts wurde nach glaubwürdigen Überlieferungen auf der Obernburger Berghöhe von Landleuten an verschiedenen Stellen Steinmauerreste im Erdboden aufgefunden.

124 Da eine weitere Untersuchung dieser Erdfunde nicht vorgenommen wurde, weiß man heute nicht, ob es Reste von dem Limes, von der Römerstraße oder auch von römischen oder stiftischen Huben gewesen sind. Die Quelle und die früheren Höfe sind schon längst verschwunden; nur die Namen sind erhalten geblieben: Mülbach und Hub.

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125 Nachtrag zur Heimatgeschichte

Der einstige römische Opferaltarstein vom Neustädterhofgebiet, der in zwei Teile zerspalten beim Kirchturmbau zu Eisenbach Verwendung fand, wurde in neuester Zeit wieder herausgenommen und steht heute in seiner ursprünglichen Form außerhalb neben dem Turmeingang zur Barbarakapelle; es fehlt nur die Opferschale. An dem heutigen Wartturm befindet sich ein Stein mit dem Mainzer Radwappen, zwei Buchstaben (wahrscheinlich G und W) und der Jahreszahl 1297. Dieser Stein befand sich ohne Zweifel an dem ersten Wartturm und wurde bei der Neuerrichtung des heutigen Wartturmes wieder eingesetzt. Der erste Turm wurde höchstwahrscheinlich im Jahre 1297 errichtet; der heutige aber nach dem Wappenstein (Henneberg) im Jahre 1492 auf dem alten Steinfundament erneuert. Am Wartturm vorbei, am Maine beginnend und im Breuberger Gebiete auslaufend, zog der alte Landwehrgraben. Er ist jetzt durch den Anbau des Bodens beseitigt und nicht mehr erkennbar. Er trennte die Cent Ostheim von den übrigen Teilen des alten Bachgaues und scheint am Ende des 13. Jahrhunderts angelegt worden zu sein, als Kurmainz mit den Grafen von Hanau um den Besitz des Bachgaues blutige Kriege führte (1299). Um die Cent Ostheim, die sich wahrscheinlich an die Seite von Kurmainz gestellt hatte, vor kriegerischen Einfällen und Plünderungen zu schützen, wurde dieser Landwehrgraben angelegt; nichts ist erhalten geblieben als der Name „Landwehr“. Der Blutgraben, in nächster Nähe der heutigen Glanzstoffabrik, (Siehe Mainhausen S.64), soll seinen Namen dadurch erhalten haben (nach einer Volkslegende), daß hier eine blutige Schlacht zwischen Deutschen und Ungarn stattgefunden habe.

Fehlerberichtigung: Schlacht bei Breitenfeld 1631, nicht 1630.

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Entstehung und Entwicklung unseres Heimatortes Mömlingen

Der Ursprung unseres Heimatortes Mömlingen reicht wie der anderer orte in der Umgebung weit zurück in die fränkische Zeit. Mömlingen benannte sich nach dem Bach, der das Tal durchfließt, und wird schon im 9. und 10. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Es nannte sich zuerst Mimiling, Mimilingen, Mimlingen, im 16. und 17. Jahrhundert hieß es Mömblingen, später Mömlingen. Das fränkische Geschlecht, welches unseren Heimatboden zugeteilt erhielt und sich hier anbaute, nannte sich die Herren von Mimiling, später von Mimlingen. Diese sammelten die wenigen Bewohner um sich und gründeten eine befestigte Ansiedlung. Die Anbaustätten wurden zahlreicher, und im 9. Jahrhundert wird Mimiling als ein Dorf erwähnt, bestehend aus Huben (Höfe) mit einem Kirchlein. (Dieses Kirchlein war wahrscheinlich das Mutterkirchlein am Neustädter Hof). In Urkunden aus dem Jahre 1255 und 1267 erscheint als Zeuge unterschrieben Heinrich von Mimlingen neben anderen Adeligen, und es ist kein Zweifel, daß auch er adeligen Standes gewesen ist. Im Jahre 1313 finden wir Konrad als Centgrafen und 1363 einen Heinrich von Mimlingen als Vogt (Gerichtsherr) zu Wallstatt und Obernburg und 1831 als Centgrafen. Der gute Ackerboden unserer Gemarkung läßt vermuten, daß der Anfang des Anbaues unseres Tales sehr frühe liegt. Dieses galt als Kornkammer des Odenwaldes. Im Jahre 1024 schenkte Kaiser Heinrich II. den Bachgau und das Gebiet der späteren Herrschaft Breuberg der Abtei Fulda.

9 Mömlingen 129 Ein Teil der Orte kam zur Kirchlichen Verwaltung an das Erzstift Mainz; dazu gehörte auch Mimlingen. Mimlingen wurde der Domkirche St. Martin in Mainz zugeteilt, weshalb es auch als Kirchenpatron den heiligen Martinus erhielt. Im Bistum und Kurfürstentum Mainz verblieb Mimlingen bis zur Zertrümmerung des Kurmainzer Staates 1803. Das Mainzer Radwappen, welches sich überall auch heute noch bei uns vorfindet, zeugt von unserer 800jährigen Zugehörigkeit zu Kurmainz. Mömlingen kam 1803 zu dem neu errichteten Fürstentum Aschaffenburg, 1810 an das Großherzogtum Frankfurt (Primas) und am 24. Juni 1814 an das Königreich Bayern. Kirchlich gehörte es seit dem Mittelalter zum Landkapitel des Archidiakonats Aschaffenburg. Im Jahre 1330 wurde Mimlingen zur Pfarrei erhoben. Filialorte waren Eisenbach, Marienstatthausen und Wüstammerbach. Im Jahre 1718 erhielt es noch eine Kaplanei. Die größte Erschütterung in seiner Entwicklung erlitt es im 30jährigen Kriege, wo es fast entvölkert wurde. Fremde Emigranten wanderten danach hier ein, und der Ort blühte wieder auf. Im Jahre 1754 zählte der Ort 97 Familien mit 512 Seelen, im Jahre 1784 waren es 117 Familien mit 557 Seelen und im Jahre 1820 zählte es 900 Seelen; dazu zählten 6 Judenfamilien mit 32 Köpfen. Im Jahre 1925 zählte man 406 Haushaltungen mit 1994 Seelen, und heute ist das zweite Tausend überschritten. Die größte Bedeutung für die Entwicklung Mömlingens war der Abgang des Ortes Hausen, wodurch Mömlingen das schöne Wiesental und ein bedeutender Waldbestand als Erbe zufiel.

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130 Der Ort Mömlingen ist von unseren Vorfahren auf einem ungünstigen Platze angelegt worden. Er liegt zwischen zwei Bergen, eingeengt in der Talmulde, die vor Jahrtausenden eine tiefe Schlucht gewesen sein mag. Nachdem aber der „Geen“, der sicher ein großer See oder Sumpf war (das beweisen die vielen Bodenschichten), sich ausgefüllt und erhöht hatte, verflachte sich auch diese Schlucht. Die vielen tiefen Gräben und Schluchten, die wir in unserer Gemarkung haben, lieferten erst das Erdmaterial zur Ausfüllung jener tiefen Schlucht. Große Wasserkatastrophen haben erst den Platz erhöht und ihn zum Anbau von menschlichen Wohnungen geeignet gemacht. Am Rathausplatz hat die Dorfstraße drei Pflaster, je 0,60 Meter übereinander, ein Beweis, daß auch in neuester Zeit solche Erhöhungen durch Überschwemmungen stattgefunden haben. Auch aus den Gemarkungen anderer Orte fließt das Wasser ganz oder teilweise durch unser Tal und unser Dorf. Dadurch kommt Mömlingen bei Wolkenbrüchen durch Hochwasser in große Gefahr. Der Amorbach wächst dann zu einem wilden Strome, alles mit sich reißend. Auch Menschen sind in früheren Jahren und auch noch in neuerer Zeit den gewaltigen Wassermassen schon zum Opfer gefallen, wie ich es selbst miterlebt habe. Früher war das Bett des Amorbachs im Orte eine tiefe, massiv ausgepflasterte Mulde, heute ist der Bachlauf kanalisiert; dadurch ist die Wassergefahr erheblich größer geworden. Der Ort Mömlingen besteht heute aus mehr als 300 Häusern mit Scheuern und sonstigen Nebengebäuden. Der ehemalige Fürstliche Hof ist das bedeutendste Anwesen. Ferner befindet sich hier eine Kirche, zwei Kapellen, eine große Knabenschule und eine neu erbaute Mädchenschule mit Kinderbewahranstalt und Schwesternheim.

9* 131 Kirche und Schulen sind als die schönsten und größten Bauwerke anzusehen. Außerdem stehen zwei schöne Landhäuser am Berghang an der Straße nach Obernburg zu, welche unserem Orte zur Zierde gereichen. Mömlingen hat seit mehr als 30 Jahren Wasserleitung und elektrisches Licht. Früher fast vom Verkehr abgeschlossen, hat es seit 1912 Eisenbahnverbindung mit Aschaffenburg und Höchst im Odenwald, hat Haltestelle und Bahnhof. Haupteinnahmequellen der Gemeinde sind der Wald, Gemeindegrundbesitz, Jagd, Schäfereipacht und der Obstertrag. Alle Ausgaben des Gemeindehaushaltes werden von diesen Einnahmen bestritten und die Bürger sind bis heute noch frei von Gemeindeumlagen. Früher konnte noch Holz und Streu an die Bürger unentgeltlich verteilt werden, heute ist das nicht mehr möglich. Die neu eingeführte Bier– und Lustbarkeitssteuer ist ebenfalls eine gute Einnahmequelle für die Gemeindekasse. Die Gemarkung von Mömlingen umfaßt eine Fläche von 1845 ha, davon sind 616 ha Wald. Nachdem am Ausgang des 18. Jahrhunderts ein Hofgut an die Gemeinde gekommen und aufgeteilt worden war (Schneidtsche Hof, Hofäcker), kaufte die Gemeinde im Jahre 1895 auch noch den viel größeren Hof vom Fürsten Löwenstein Wertheim– Rosenberg, mit Gebäuden und Zubehör, um die Summe von 135 Tausend Mark. Dieses Hoffeld wurde in kleine Grundstücke zerlegt und an die Bürger verkauft. Dadurch wurde der Grundbesitz der Bauern bedeutend vergrößert. (Fürstliche Hofäcker).

132 Als letzte Überreste besitzt die Herrschaft Löwenstein noch kleine Waldbestände; es sind Pröpel, Scherder, Rauschen und Diethersberg mit Teufelsloch. Die Gemeinde Mömlingen steht zur Zeit mit ihr in Ankaufsverhandlungen, um auch diese Waldteile noch zu erwerben. Kommt dieser Kauf zur Durchführung, dann ist die ganze Gemarkung im Besitze der Gemeinde, und keine adelige Familie, keine Commende und keine geistlichen Stifte haben hier noch Besitzrechte. Der landwirtschaftliche Boden kann wohl auf viertausend Tagwerk berechnet werden. In den letzten Jahrzehnten wurde noch Grundbesitz vom Neustädterhoffeld, von der Gemarkung Obernburg (Hubfeld) und von Wenigumstadt von den einzelnen Bauern abgekauft. Der landwirtschaftliche Boden der Gemeinde Mömlingen ist trotz der Hänge und Berge als ein ziemlich guter anzusehen. Alle Bodenarten sind vorhanden, vom leichten Sandboden bis zum schwersten Ackerboden. Die letzten Berghänge eignen sich vorzüglich zum Obstbaumzucht. Das Wiesental ist eines der größten und besten in weitem Umkreis. Weideland gibt es heute nicht mehr, alles ist auf Stallfütterung eingestellt. Durch Verbesserung der alten und Anlegen von neuen Feldwegen ist der Ertrag der Felder bedeutend gesteigert worden; ebenso durch Verwendung der künstlichen Düngemittel. Die große Gemarkung, der außerordentliche Fleiß der Bauern sowie die Anwendung des Kunstdüngers haben bewirkt, daß Mömlingen hinsichtlich der landwirtschaftlichen Produktion im Besitze an erster Stelle steht. Die Haupteinnahmequellen der Bauern in unserer Gemeinde ist in erster Linie die Rindvieh- und Schweinezucht.

133 Der schöne Fleckviehstand wird durch auserlesene Zuchtbullen immer noch mehr verbessert. Die Schweinezucht hatte in den letzten vergangenen Jahren durch mancherlei Krankheiten schwere Zeiten zu bestehen, heute ist sie jedoch wieder im Aufblühen. In früheren Jahren war in Mömlingen die größte Schweinezucht in weitem Umkreis, in den letzten Jahren die geringste. Der Hauptanbau des Ackerbodens besteht in Getreide und Futterpflanzen. Den Hauptanteil des angebauten Getreides bildet der Roggen, dann folgt Weizen, Hafer und Gerste. Der Anbau von Kartoffeln und Runkelrüben ist ebenfalls sehr groß, wegen der Schweinezucht. Ungefähr ein Drittel des Bodens ist Klee– und Wiesenbestand. Die Obstbaumzucht, die vor mehr als hundert Jahren sehr gering war, hat heute einen hohen Stand erreicht. Der steinige Lettboden an den Berghängen eignet sich hierzu vorzüglich. Alle größeren Straßen und Feldwege sind zu beiden Seiten mit Obstbaumreihen versehen. Die edelsten Obstsorten werden hier gezüchtet. Die Walnußbäume, die noch vor 50 Jahren einen Wald darstellten („hinter den Nußbäumen“), sind heute nur noch vereinzelt zu finden. Der Überfluß an landwirtschaftlichen Erzeugnissen kommt zum Verkauf; der beste Abnehmer ist heute immer noch wie vor tausend Jahren der Odenwald. Die Feldeinteilung ist genau noch wie in früherer Zeit: dreiflürlich; nur die Benennung hat sich etwas geändert. Früher war es der Hauser–, der Ostheimer– und Mühlbachflur, heute ist es der Bach–, der Ostheimer– und Höheflur. Nach der Landwirtschaft kommt an zweiter Stelle als Erwerbsquelle die Schneiderindustrie.

134 Hunderte von Menschen verdienen sich ihr Brot in der Konfektionsschneiderei. Gewiß gehören großer Fleiß und Ausdauer dazu, um sich hiermit den nötigen Lebensunterhalt zu erwerben. Die Heimarbeit hat aber doch den Vorteil, daß die Familienväter ihr Brot nicht auswärts suchen müssen, sondern bei der Familie weilen können. Die Holzwarenfabrik Lehmann beschäftigt seit vielen Jahren je nach der Geschäftslage eine größere oder kleinere Anzahl von Arbeitern. Auch die neuerrichtete Glanzstoff– oder Kunstseidefabrik bei Obernburg hat eine Anzahl von Arbeitern und Arbeiterinnen von hier in ihren Betrieb eingestellt. Die Arbeitsverhältnisse haben sich in den letzten 30 Jahren sehr geändert. Die Rotsandsteinindustrie, welche früher in hoher Blüte stand und Hunderte von Arbeitern Verdienst gewährte, ist durch das Aufkommen des Kunststeines fast gänzlich stillgelegt worden. Die Schneiderheimarbeit ist durch den Niedergang der Steinindustrie erst zu großer Entwicklung gelangt. Der ehemalige Fürstliche Hof gab früher vielen Einheimischen Beschäftigung. Durch die Zertrümmerung des Hofes ist die Arbeitsgelegenheit ebenfalls verloren gegangen. Der Ort Mömlingen hat heute viele Gewerbetreibende und Geschäftsleute. Fast alle Bedarfsartikel, die man früher von auswärts beziehen mußte, sind in den Geschäftshäusern hier zu haben. Viele Bewohner der Umgebung finden sich ein, um einzukaufen. Mömlingen hat die Absicht und den festen Willen, eine Geschäftszentrale für die Umgegend zu werden. Die Bevölkerung ist ein fleißiger, strebsamer, fortschrittlicher, aber auch ein abergläubischer Menschenschlag.

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135 Kirchliche Entwicklung unserer Heimatgemeinde Mömlingen

Aus der Heimatgeschichte ersehen wir, wie das Christentum in unserer Heimat durch den Hl. Kilian verkündet und durch den Hl. Bonifatius befestigt und von heidnischen Resten gereinigt wurde. Verschiedene Geschichtsforscher behaupten, der Hubenort Mimlingen (Ort, bestehend aus Höfen) habe als Pfarrei mit Kirche und Filialen in der Karolingerzeit, 752 bis 911, schon bestanden und sei von den fränkischen Königen schon vergeben worden. Urkundliche Überlieferungen hierüber sind nicht vorhanden. Im Jahre 1330 finden wir Mimlingen im Besitze eines Kirchleins und eines Pfarrers; Mimlingen war vom Erzbischof zu Mainz zur Pfarrei erhoben worden. Von dieser Zeit bis zum Jahre 1673 wissen wir sehr wenig, denn die Pfarrbücher von 1330 bis 1673 sind nicht mehr vorhanden; sie sind wahrscheinlich im 30– jährigen Kriege vernichtet worden. Im 30jährigen Kriege, in dem der größte Teil der Einwohner durch Hunger und Pest hinweggerafft wurde, hatte Mimlingen keinen Pfarrer mehr. Vom Jahre 1635 ab bis zum Friedensschluß 1648 war in unserer ganzen Heimatgegend kein Pfarrer mehr zu finden. (Siehe Heimatgeschichte - Unsere Heimat zur Zeit des 30jährigen Krieges S.20). Nach dem 30jährigen Kriege wurde das geistliche Amt von den Jesuiten und von den Obernburger Pfarrherrn verwaltet. Vom Jahre 1650 meldet das Obernburger Taufbuch, daß die Mimlinger und Eisenbacher zu solcher Zeit keinen absonderlichen Pfarrherrn gehabt, sondern Peter Ludwig Beilstein und 1657 Johann Christoph Beckmann, Pfarrherren zu Obernburg, haben zu solcher Zeit versehen und ihre Kinder getauft, welche auch in dem Obernburger Buch begriffen seien.

136 Dasselbe ungefähr sagt auch das Mimlinger Pfarrbuch. In den 1660er und 1670er Jahren flüchteten viele niederländische und nordfranzösische Flüchtlinge in unsere Heimatgegend und siedelten sich fast in allen Orten an, auch Mimlingen. In den Orten Wenigumstadt und Eisenbach brachten sie sogar ihre Pfarrer mit, in Eisenbach Peter de Saci, ein Brabanter; er erscheint 1662 als Pfarrer von Eisenbach und Mimlingen. Zu gleicher Zeit, um das Jahr 1660, erscheint in der Obernburger Kirchengeschichte Peter de Laer, ein Brabanter. Dieser wird als Frühmesser von Obernburg und zugleich als Pfarrer von Eisenbach, Mimlingen und Breuberg aufgeführt. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind Peter de Laer und Peter de Saci ein und dieselbe Person, weil sie auch in derselben Zeit erscheinen, 1660 bis 1670. Eisenbach, Hausen und Wüstammerbach werden schon frühzeitig als Filialorte von Mimlingen bezeichnet. Diese Filialen gingen als solche später ein, indem Hausen ausstarb, Wüstammerbach vom katholischen Glauben abfiel und Eisenbach zur Pfarrei erhoben wurde. Letzterer Ort kam nach dem 30jährigen Kriege, in dem sich die Bevölkerung der Orte sehr vermindert hatte, und nur wenige Geistliche noch vorhanden waren, allerdings noch einmal als Filialort zu Mimlingen. Im Jahre 1753 suchte er von Mimlingen wieder getrennt zu werden, es kam zum Prozeß, der bis 1755 dauerte, aber die Filiale verlor ihn mit allen Kosten. Der Wunsch, eine eigene Pfarrgemeinde zu werden, konnte erst 1810 erfüllt werden, als dem Frühmesser Kaspar Ullmann zu Obernburg die volle Seelsorge zu Eisenbach übertragen wurde. Nach der Reformation kamen die wenigen katholisch gebliebenen Odenwaldbewohner zur Pfarrei Mimlingen und es wurde deshalb 1718 dortselbst noch eine Kaplanei errichtet.

137 Nach dem 30 jährigen Kriege, vom Jahre 1673 ab, gehörten die Katholiken von Hainstadt, Rosenbach, Wölferhof, Breuberg, Neustadt, Tiergarten*) und Sandbach zur Pfarrei Mömblingen. Im Jahre 1673 wurde von dem ersten Mimlinger Pfarrer Stephan Mohrhard das Pfarrbuch angelegt, in dem dies vermerkt ist.

Mimlinger-, Mömblinger- und Mömlinger Pfarrherren

Stephan Morhard 1673 – 1681 Johann Adam Roth 1681 Johann Sebastian Bräutigam 1684 Johann Heinrich Höfling 1730 Johann Ludwig Preiß 1734 Peter Anton Frank 1757 Anton Philipp Gerlach 1761 Johann Wilhelm Krumeich 1796 Jakob Mischler 1810 Johann Michael Wolf 1830 – 1848 Kaspar Hertinger 1849 – 1869 Johann Baptist Seikel 1869 – 1883 Adolf Eduard Gründer 1884 – 1892 August Grünewald 1893 – 1902 Ernst Harth 1902 – 1927 Josef Kraft 1927 Von zwei Pfarrern ließen sich Brüder hier nieder und gründeten Familien. Von Pfarrer Bräutigam 1684 – 1730 Von Pfarrer Frank 1757 – 1761

______*) Tiergarten war ein Breuberger Wildpark, wo später die Marienanstalt (bei Neustadt) erbaut wurde.

138 Der Pfarrer Bräutigam hob im Jahre 1692 dem Lehrer Johann Adam Zöller einen Sohn aus der Taufe. Dieser wurde Geistlicher. Als im Jahre 1718 eine Kaplanei errichtet wurde, wurde dieser Johann Sebastian Zöller der erste Kaplan des Pfarrers Bräutigam in Mömlingen von 1718 bis 1721.

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139 Der Kirchenbau zu Mömlingen 1774 – 1777 (Nach mündlicher Überlieferung).

Das alte, im Jahre 1330 schon vorhandene Kirchlein war alt und baufällig geworden. Man machte Vorbereitungen zum neuen Kirchenbau. Um die nötigen Geldmittel zu beschaffen, wurde ein Wald gefällt, verkauft und das Holz nach Obernburg gefahren, wo es in die Schiffe verladen wurde. Es war der große Wald „Eichelberg“, der niedergelegt wurde. Das Geld hierfür bekam die Gemeinde ohne Hindernisse ausbezahlt. Aber nun kam man in Verlegenheit: keiner wollte das viele Geld aufbewahren, jeder fürchtete Raub und Mord. Also gaben sie es einem Manne in Aschaffenburg zum Aufbewahren und auch zum Auszahlen an die Bauleute. Eines Tages aber war der Vertrauensmann nach Amerika oder sonstwohin verschwunden und hatte das Mömlinger Kirchenbaugeld mitgenommen. Zum zweitenmal wurde ein Wald gefällt, diesmal der „Artenberg“ (Hüttemann), und nach Obernburg abgefahren. Diesmal waren sie mit dem Erlös vorsichtiger, und das Geld konnte seinem Zweck zugeführt werden. Der Kirchenbau begann im Jahre 1774 und endete 1777, wurde also ausgeführt während der Amtstätigkeit des Pfarrers Anton Philipp Gerlach. Als Bauplatz wurde der Platz, auf dem das alte Kirchlein gestanden, beibehalten, der beste und schönste, den man wirklich finden konnte. In diesem Jahre wurde nicht geheirate, sagt das Kirchenbuch, denn „Männlich und Weiblich, alles stand in der Arbeit des Kirchenbaues". Steinbrüche gab es damals hier noch nicht. Die Bausteine wurden gebrochen, wo man sie fand, im Bachelsbrunngraben,

140 hauptsächlich in den beiden Seitengräben, welche aufwärts gegen die Gemeindehecke ziehen. Von dem Platz des heutigen Kirchhofs, der damals noch nicht vorhanden war, soll ein Gerüst gelegt worden sein über das Langschiff der Kirche bis zum Turm, darüber wurde alles Material zum Turmbau getragen. Viele Einwohner haben sich dabei körperlich und gesundheitlich schwer geschädigt. Den Chor erbaute das Domkapitel St. Martin zu Mainz. Dafür erhob es von den „Derzernenten“ den großen Zehent.*) Der Kirchenbau wurde ausgeführt von einer kleinen Gemeinde, welche (nach Abzug der Judenfamilien) kaum 500 Seelen zählte. Unsere Vorfahren bauten ein Gotteshaus für die Nachwelt, wie man es damals im weiten Umkreis (außer Aschaffenburg und Seligenstadt) nicht mehr finden konnte. Die Baukosten betrugen 9954 Gulden. Die Arbeiten wurden nur von Handwerksmeistern von hier und der nächsten Umgebung ausgeführt. Die beiden Baumeister sollen bei dem Kirchenbau schlechte Geschäfte gemacht haben. Nachdem die Kirche vollendet war, kamen die Bewohner der Umgegend, um das Bauwerk zu besichtigen und zu bestaunen. Die Baumeister erhielten den Auftrag zu einer neuen Kirche in Trennfurt, welche genau wie die hiesige Kirche werden sollte.

______*) Die 10 Dezernenten waren die wohlhabensten Bauern im Orte. Sie mußten den „großen“ Zehent entrichten, welcher in Frucht (Getreide) bestand. Die übrigen Bauern brauchten nur den kleinen Zehent zu leisten, welcher in Obst, Weintrauben, Gemüse usw. bestand. Für diese Abgaben mußte das Domkapitel auf seinem hiesigen Hofe das Faselvieh halten.

141 Sie wurde dem Stil nach auch so gebaut, aber so viel kleiner, daß man sie in die unsrige hätte hineinstellen können. Die Baumeister waren nämlich so „schlau“ gewesen und hatten das Maß von unserer Kirche im Inneren genommen. Sie haben dadurch den Verlust, den sie bei unserem Kirchenbau hatten, hier wieder herausgeholt. Am Haupteingang unserer Kirche befindet sich der Urkundenstein mit den Urkunden und Münzen. Urkunden und Münzen befinden sich auch im Turmknopf. An der linken Langschiffseite befindet sich ein Missionskreuz vom Jahre 1874. Die Spitze des Turmes ziert das Reiterstandbild des Patrones der Kirche. Wie alle alten Kirchen hat auch diese ihre Richtung nach Osten. Bei dem Größenausmaß haben unsere Vorfahren gleich Rücksicht auf die spätere Vermehrung der Bevölkerung genommen; für den damaligen Bedarf hätte ein kleines Kirchlein genügt. Eingeweiht wurde das Gotteshaus erst hundert Jahre nach der Erbauung durch den Bischof Valentin von Reißmann. In den Baujahren 1774 bis 1777 war die St. Josefskapelle Aushilfskirche. Wahrlich, wenn man dieses herrliche Gotteshaus betrachtet, muß man sich dankbar unserer Vorfahren erinnern, die uns dieses mit großen Opfern und großem Fleiß erbaute Gotteshaus als Erbe hinterlassen haben.

Die Erbauer

Der Kirche zu Mömlingen waren gemeinsam der Baumeister Martin Schreiber von Kleinwallstadt und der Klingenberger Baumeister Vill. Die Bauzeit (einschließlich der inneren Einrichtung) dauerte von 1774 – 1777. Die Gesamtausgaben beliefen sich auf 9954 Gulden 5 Kreuzer

142 Über die Baugeschichte geben die Baurechnungen im Pfarrarchiv Auskunft. Die wichtigsten eingetragenen Zahlungen sind: Dem Baumeister Martin Schreiber von Kleinwallstadt ausbezahlt 2224 Gulden und dem Baumeister Vill, Klingenberg 2071 Gulden. Der Steinhauer Schäfer erhielt 360 Gulden 22 Kreuzer. Der Maler Nikolaus Hackert erhielt für das Ausmalen der Kirche 91 Gulden, der Schlosser Johann Heller von Großostheim 59 Gulden 8 Kreuzer. Der Schreiner Wernig von Kleinwallstadt 157 Gulden 14 Kreuzer. Der Maler Bechthold von Aschaffenburg für die zwei Hochaltarbilder abschläglich 45 Gulden; ferner für zwei Bilder auf die Beichtstühle 4 Gulden. Der Bildhauer Ernst Hofmann erhielt die Altäre und die Kanzel um 1300 Gulden nebst 2 Dukaten verakkordiert, Schreiner Johann Schüttig zu Obernburg bekam 173 Gulden, Ignaz Mang von Kleinwallstadt für einen gefertigten Riß 3 Gulden. Weiter werden u. a. folgende Handwerker genannt: der Schmid Konrad Büchler, der Uhrmacher Andreas Brücher von Dieburg, der Glaser Vedo von Obernburg und der Zimmermann Johann Adam Beck. In den Jahren 1901 und 1902 wurde die Pfarrkirche im Inneren gründlich renoviert. Im Jahre 1927 wurde die Kirche abermals renoviert und in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Die bei der früheren Renovation von Kunstmaler Rettinger ausgeführten Deckengemälde wurden beibehalten. Das Reiterstandbild des hl. Martinus auf der Turmspitze mußte 1927 neu ersetzt werden, da es durch einen Sturmwind abgeworfen und zertrümmert worden war.

143 Der heutige „Martinsmann“ auf der Turmspitze ist aus Kupfer und hat 1 Meter Höhe und 0,97 Meter Breite. Diese Unkosten trug die Gemeinde; die Kosten der inneren Renovierung wurden durch Sammelgaben von den Ortseinwohnern aufgebracht. Die innere Erneuerung der Pfarrkirche wurde von dem Kirchenmaler Hepp von Aschaffenburg, unter Mitwirkung des hießigen Tünchnermeisters Konrad Drieß ausgeführt.

Die Pfarrkirche zu Mömlingen.

Die Pfarrkirche zu Mömlingen, im Barockstil erbaut, ist das schönste und stattlichste Bauwerk des Ortes, von hoher architektonischer Schönheit. Sie liegt auf einer Anhöhe „außerhalb des Ortes und doch in der Mitte“; kein Straßenlärm stört die Andacht. Sie darf als Meisterstück der Baukunst angesehen werden und ist nur von einheimischen Handwerksmeistern und solchen der nächsten Umgebung ausgeführt worden, Im weiten Umkreis ist ein größeres und schöneres Gotteshaus nicht zu finden. Über dem Haupteingang befindet sich folgende Inschrift:

Deo Vni trino et sanCto Martino InCoLae ereXerVnt. 1774.

Die Inschrift lautet auf Deutsch:

"Gott, dem Einen und Dreieinigen, und dem Heiligen Martinus haben die Bewohner diese Kirche errichtet. 1774."

Der Hauptaltar ist der hl. Dreifaltigkeit geweiht, der eine Nebenaltar dem heiligen Josef, Sebastian und Rochus; der andere den heiligen Maria, Katharina und Barbara. Da die Ortseinwohner im Jahre 1756 St. Johann v. Nepomuk und St. Wendelini als Patrone gewählt haben,

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Kirche und Kirchgasse haben auch die Statuen dieser Heiligen auf dem Hauptaltar ihr Aufstellung gefunden. Das Hauptdeckengemälde zeigt das Reiterstandbild des hl. Martinus, mit dem Bettler den Mantel teilend, sowie Fides, Spes und Charitas. (Glaube, Hoffnung und Liebe.) Das Chordeckengemälde stellt die Gemeinschaft der Heiligen dar. Beide Gemälde stammen von Kunstmaler Rettinger, Aschaffenburg, und sind äußerst künstlerisch ausgeführt. In dem Hauptaltar (Christus am Kreuze, Johannes und die klagenden Frauen darstellend) besitzt unsere Kirche ein wertvolles Kunstwerk. Es wurde von Bechtold, Aschaffenburg, gemalt und kostete 45 Gulden. Auch die zwei Bilder auf den Beichtstühlen sind von Bechtold und kosteten je 2 Gulden. An Reliquien enthält der Hochaltar die Gebeine von Martinus, persischer Edelmann, und Martha (ihre Söhne Audifax und Abachum), gemartert zu Rom unter Claudius um 270 (Fest 19. Januar), Fulgentia, Ferrutius, Diakon und Martyrer, Schüler des hl. Iromäus zu Besoncon, unter Caracella gemartert zwischen 211 und 212 (Fest 16. Juni). Der Muttergottesaltar: Placidus, nach der Taufe Eustachius, 118. Unter Hadrian bekehrt durch die Erscheinung des Kreuzes auf dem Geweih eines auf der Jagd verfolgten Hirsches (Fest 20. Sept.). Ferner Ursus und Victor, aus der Thebaischen Legion, angeklagt unter Maximian, gemartert und hingerichtet (Fest am 30. September). Der Josephsaltar: Urbina, Cajus, Papst, gemartert unter Diocletian, Pius, Fabronia. Das Gotteshaus war nicht in allen Teilen von unseren Vorfahren vollkommen ausgebaut worden. Dies nachzuholen, soll unsere Aufgabe sein, sagte der hochw. Pfarrer und Distriktsschulinspektor August Grünewald, und er ging sofort ans Werk, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen.

10 Mömlingen 145 Die drei leeren Nischen im Turme erhielten die Statuen des hl. Martinus, Wendelinus und Johannes (1891 und 1892). Alle Bildnisse, außer denen der Altäre, sind von ihm angeschafft worden. Die Bildnisse im Turm (der verlorene Sohn und der gute Hirt) waren von ihm auf den Beichtstühlen aufgestellt worden. Sie mußten aber wieder entfernt werden und die alten kamen wieder an ihren früheren Platz, damit die Kirche stilrein erhalten blieb. Man muß weit gehen, um einen schöneren Kreuzweg zu finden wie den unserigen. Die Sandsteinplatten des Fußbodens wurden mit einem Holzfußboden überdeckt. Als weitere Stütze erhielt die Empore zwei steinerne Säulen und die Stiegen im Innern der Kirche wurden entfernt; dafür wurden die steinernen Treppenstiegen außerhalb der Kirche angelegt. Auch die Marmortafel des gefallenen Kriegers am Haupteingang ist ein Werk dieses Mannes; sie gehört aber nicht an diesen Platz. Auch im Inneren der Kirche begann die Tüncher– und Malerarbeit. Pfarrer Grünewald erlebte die Vollendung nicht mehr, der Tod riß ihn aus dem Schaffen und Verschönern unseres Gotteshauses. Das Andenken an das viele Gute, das er für Kirche und Gemeinde geleistet, lebt in der Gemeinde weiter. Er liegt auf unserem Friedhof begraben. Die beiden Eichenholzstühle rechts und links beim Eingang (der Gemeinderat– und der Alte Männerstuhl) sind ein Geschenk der Breuberger Herren; Beamte, Amtmann, Rentmeister usw., die hierher zur Kirche gehörten, haben sich s. Zt. Diese Stühle errichten lassen. Die alte Turm– oder Kirchenuhr, welche in den 1880er Jahren durch eine neue ersetzt wurde, war Handarbeit und aus Schmiedeeisen hergestellt.

146 Sie wurde nach der Erbauung der neuen Kirche angeschafft und war von Uhrmacher Andreas Brücher aus Dieburg hergestellt worden. Nach mehr als hundert Jahren war sie alt und müde geworden, man konnte sich nicht mehr auf sie verlassen; sie wurde als altes Eisen verkauft. Das äußere Zifferblatt, welches kunstvoll gearbeitet war, kaufte ein hiesiger Einwohner und nagelte es an seinen Scheunengiebel. Bei einem großen Brande 1906 verbrannte Scheuer und Zifferblatt. Die Gemeinde schaffte im Jahre 1886 eine neue Uhr, die heutige Kichenturmuhr. Sie wurde geliefert von der Firma F. U. Bayes, Hildesheim.

Die Kirchenglocken.

Im Jahre 1822, unter Vorsteher Fr. Fahs, bekam Mömlingen ein neues Geläute: 3 Glocken. 1853, beim Trauergeläuten für die Königen, zersprang die eine; sie kostete 270 Gulden. 1864, beim Trauergeläute für König Maximilian, zersprang wieder eine. Sie wurde umgegossen, 247 Pfund schwer, und die Gemeinde zahlte noch 154 Gulden auf. 1882 zersprang wieder eine und wurde durch eine neue ersetzt, die heute noch vorhanden ist. Etwas später zersprang die kleinste; sie wurde umgegossen. Das „11 Uhrglöcken“ soll, wie unsere Vorfahren behaupten, aus dem Jahre 1822 gestammt haben. Im Weltkrieg (1817) mußte die Kirche die zwei kleinsten Glocken abgeben zur Herstellung von Kriegsmaterial, darunter auch das „11 Uhr–Glöckchen“. Zu der einen noch vorhandenen Glocke wurde ein Glöckchen von Stahl angeschafft; dies war unser Geläute von 1917 bis 1926. Im Jahre 1926 erhielten wir wieder zwei neue Glocken aus Bronze, von denen die eine von bedeutender Schwere ist.

10* 147 Die übrig gebliebene wurde als mittlere Glocke in das Geläute eingefügt und die drei bilden heute unser Kirchengeläute. Sie haben ein Gesamtgewicht von 36 Zentnern (8, 12 und 16 Zentner). Am Palmsonntag 1926 wurden sie eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. Die alte, uns erhalten gebliebene Glocke aus dem Jahre 1882 trägt das Bildnis des heiligen Martinus, dem sie auch geweiht ist. Die Inschrift lautet:

DEO UNI TRINO ET SANCTO MARTINO INCOLAE DEDICARE FUSA. A. D. MDCCCLXXXII (1882) AND. HAMM. FRANKENTHAL

Sie hat ein Gewicht von 12 Zentnern. Die schwere Glocke wiegt 16 Zentner. Sie trägt unter dem Bildnis der hl. Familie die Inschrift: Hl. Familie sei unser Vorbild und Schutz! Die kleinste, 8 Zentner schwer, trägt das Bild von St. Wendelinus mit der Inschrift: Hl. Wendelinus, bitte für uns! Die beiden neuen Glocken sind aus der Glockengießerei Gebr. Klaus, Heidingsfeld.

Das Kirchenvermögen,

Kirchenfonds genannt, war durch Stiftungen entstanden. Durch Zins und Zinseszins war es zu einer Summe von mehr als 30 000 Mark angewachsen und war in Hypotheken ausgeliehen. Durch die Inflation 1922 wurde es vollständig vernichtet.

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148 Der alte Friedhof

Die älteste Begräbnisstätte unserer Vorfahren war der Kirchhof oder Totenacker bei dem Mutterkirchlein am Neustädter Hof. Hier fanden die ersten Christen unserer Heimatgegend, nicht bloß die aus Mömlingen, ihre letzte Ruhestätte. Nachdem Mimlingen sich ein eigenes Kirchlein erbaut hatte, finden wir rechts und links von diesem auch seinen eigenen Friedhof. Grabmonumente, auf längere Dauer berechnet, wird der alte Friedhof wenige gehabt haben, jedenfalls meistens nur Holzkreuze. Ein Denkmal aus Stein ist uns aber erhalten geblieben, das dann in die heutige Kirchhofsmauer eingesetzt wurde. Es ist der Familie Vogel errichtet worden und gilt mit Recht wohl als eines der ersten steinernen Grabdenkmäler auf hiesigem Friedhof. Rechts vom Turm befand sich das säulenförmige Grabdenkmal des Breuberger Amtmanns Heinrich Josef Lauteren, welches aber von seinem Platze entfernt und neben der Kirchenplatzmauer aufgestellt wurde, wo es heute noch steht. Unter der linken Kirchhofseite befand sich ein Kellergewölbe; darüber stand ein kleines Häuschen, welches den Eingang bildete. Dieses nannte man das Gebeinhäuschen mit dem Gebeinkeller. Alle ausgegrabenen Knochen und Schädel wurden hier gesammelt. Nachdem das Gewölbe eingestürzt war, wurde der Platz eingeebnet. Bei den Eingangstoren standen drei hohe Trauerweidenbäume, sie wurden entfernt, um die Aussicht zur Kirche frei zu machen. Links neben dem Turm waren Grüfte oder ausgemauerte Gräber, welche den Breuberger Herren als Grabstätte gedient haben mögen.

149 Rechts und links neben der Kirche befanden sich die Grabstätten der Mimlinger Pfarrherren. Im Jahre 1821 wurde der alte Kirchhof geschlossen und der neue, der heutige angelegt. Der alte Friedhof wurde später mit Zwetschgenbäumen bepflanzt und auf der rechten Seite wurde ein Garten angelegt, worin man noch vor 40 Jahren Kartoffeln und Gemüse baute. Pfarrer Grünewald beseitigte diesen Zustand und legte den alten Friedhof wieder frei; er bildet heute den Kirchenvorplatz. In der linken Ecke neben dem heutigen Friedhof steht das neuerbaute Leichenhäuschen, welches aber sehr wenig als solches benützt wird. Ein Grotten– und Mater Dolorosa–Monument zieren den früheren Kirchhof, den heutigen Kirchenplatz. Abgeschlossen wird Kirche und Umgebung durch zwei eiserne Tore, welche einstens in Großostheim gefertigt worden und fast gar nicht rosten.

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150 Der heutige Friedhof wurde, wie erwähnt, 1821 angelegt und eingeweiht, 1830 mußte er schon vergrößert werden. Eine nochmalige bedeutende Vergrößerung wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts vorgenommen. Er wurde zuerst mit einem Holzzaun umgeben, später mit einer Mauer. Das große steinerne Kreuz in der Mitte wurde von dem alten Friedhof übernommen, es trägt die Jahreszahl 1779. Die Inschrift lautet:

I – H – S MEIN LEIDEN IST VOLLBRACHT WENN IHR ES NVR BENVTZET.

An Grabdenkmälern kann sich so leicht kein anderer Friedhof mit dem unsrigen vergleichen. Alle Steinarten, vom hiesigen Rotsandstein bis zum feinen Marmor, sind hier zu finden. Unschön findet man den zahlreich vertretenen grauen Kunstgranit. Der Blumenschmuck der Gräber sagt uns, daß die lieben Toten von ihren Angehörigen nicht vergessen sind. Auch eine sinnige Grabkapelle wurde von der Gemeinde ihren im Weltkrieg 1914 – 1918 gefallenen 70 Männern auf dem neuen Teil des Friedhofes errichtet. Die Namen sowie der Todestag sind in Steinplatten eingegraben. Ein Standbild der schmerzhaften Mutter Gottes schmückt die Kapelle. Das älteste Grabdenkmal aus Stein ist das von Pfarrer Johann Michael Wolf, geb. 1778, gest. 1848 dahier.

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151 Kirchliche Feiertage

Nachdem Mömlingen zur kirchlichen Verwaltung der Erzdiözese Mainz gekommen war, erwählte es sich als Kirchenpatron den hl. Martinus, dessen Festtag (11.Nov.) die Kirchweihe nachfolgt. Der Festtag des hl. Bonifatius wurde in allen Kirchen des Erzbistums Mainz hochfeierlich begangen (5.Juni). Ebenso der Tag des hl. Urbanus (im Mai), des Patrons der Wingertsleute, mit Prozession zu dem Weinberggelände. Nach den Aufzeichnungen wurde in dem alten Kirchlein um das Jahr 1400 ein weiterer Altar errichtet. Wahrscheinlich war es der St. Josefsaltar, auf dem man die Bildnisse der neuerwählten Pestfürbitter St. Sebastian und Rochus aufstellte, deren Festtage in den Pestjahrhunderten hochfeierlich begangen wurden. Das Fest des hl. Sebastian wurde noch vor 40 Jahren kirchlich mit gelobtem Amt für die Gemeinde gefeiert. Im Jahre 1756 erwählte die Gemeinde den hl. Wendelinus und Johannes Nepomuk als Fürbitter bei Seuchen– und Hochwassergefahr. Ihre Standbilder schmücken heute den Hochaltar. Nachdem wir 1814 bayerisch geworden und zum Bistum Würzburg gekommen waren, erhielten wir unseren Bekehrungsapostel St. Kilian als Diözesanheiligen zugewiesen (8.Juli). Der Bonifatiusfesttag wurde als Feiertag abgeschafft und dafür der Festtag des Frankenapostels St. Kilian eingeführt. Diese Umwandlung ihres St. Bonifatius in St. Kilian ließen sich aber die Mömlinger nicht ruhig gefallen. „Was geht uns an der Kilian, wir behalten unseren St. Bonifaz!“ Nach glaubwürdigen Überlieferungen feierten sie den Bonifatiustag durch Enthaltung von öffentlichen Arbeiten; auf St. Kilian aber wurde gearbeitet und nicht gefeiert.

152 Das nachfolgende Geschlecht nahm indes den St. Kilianifesttag wieder ruhig an und beging ihn sogar hochfeierlich, bis er nun wieder abgeschafft wurde. An den beiden Festtagen St. Wendelin und Johannes Nepomuk wurden feierliche Prozessionen zur Wendelinuskapelle (auch Standbild Johann Nepomuk) abgehalten. Dem Drängen der Industrie auf Beseitigung der Feiertage hat die kirchliche Behörde nachgegangen und vor einem Jahrzehnt einen Teil der Feiertage aufgehoben und die kirchliche Feier je auf den folgenden Sonntag verlegt. Solche Feiertage, welche früher kirchlich und durch Enthaltung von knechtlichen Arbeiten gefeiert wurden, heute aber abgeschafft sind, waren: Maria Lichtmeß (2.Febr.), St. Josefstag (19.März), Mariä Verkündung (25.März), Johannes Nepomuk (16.Mai), Johannes der Täufer (24.Juni), Kilian (8.Juli), Mariä Geburt (8.Sept.), Wendelin (20.Okt.) und Martinus (11.Nov.). Wie man hieraus ersieht, war auch Wendelinitag aufgehoben und auf den Sonntag verlegt worden. Die Bevölkerung von Mömlingen war aber nicht damit einverstanden, sondern hat es durchgesetzt, daß der Wendelinitag weitergefeiert wird. Viele Landleute der Umgebung finden sich ein, um der Festfeier beizuwohnen. Seit zwei Jahren feiert man auch das Fest des hl. Josef wieder in althergebrachter Weise am Josefstag (19.März). Die Arbeiterbevölkerung unserer Gemeinde begeht heute das Namensfest ihres Patrons noch hochfeierlicher als in früherer Zeit.

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153 Wallfahrten und Prozessionen

Wie in früheren Zeiten so geht auch heute noch alljährlich von hier aus eine Wallfahrtsprozession zum hl. Blut nach Walldürn, ebenso eine zum Kloster Engelberg. Die letztere bestand schon vor 1648, als Gelübde gegen Krankheit, nach einer anderen Überlieferung als Gelübde wegen einer Mäuseplage; man soll sie früher die Mäuseprozession genannt haben. Die Wallfahrt der Mömlinger nach Dieburg am Fest Mariä Geburt sowie die Wallfahrt der Dieburger am Wendelinitag hierher haben fast gänzlich aufgehört. Zu Ehren des hl. Urbanus wurde alljährlich eine Prozession zum Wingertskreuz abgehalten. Heute weiß man vom Weinbau und der Wingertsprozession nichts mehr. Die große Mainzer Wallfahrtsprozession nach Walldürn, bestehend aus Rheinländern von Köln und Koblenz, aus dem Limburgischen und dem Hundsrück, ging früher durch unseren Ort, ebenso die Dieburger. Sie zogen in unsere Kirche und erhielten den hl. Segen. Bei der Rückkehr übernachteten beide Wallfahrtszüge hier im Ort. Für die drei bis vierhundert Wallfahrer mußten Massenquartiere, auch in Bauernhäusern, geschaffen werden. Durch die Benützung der Eisenbahn in der heutigen Zeit ist diese Wallfahrt sehr zurückgegangen und man merkt hier wenig mehr davon. Zweimal im Jahre, am Markustage und in der Bittwoche ging früher die Mömlinger Prozession nach Eisenbach zur Kirche, wo ein Amt gehalten wurde; die Eisenbacher gingen zu gleicher Zeit hierher zur Kirche. Dieser alte Brauch ist zu Anfang dieses Jahrhunderts abgeschafft worden; Gründe hierfür sind mir unbekannt. Die übrigen Prozessionen im Gemark– und Ortsbereich werden wie früher auch heute noch abgehalten und sind jedem bekannt.

154 Alte Pfarrgräber

Seit der Errichtung der Pfarrei Mimlingen im Jahre 113 fanden alle hier verstorbenen Pfarrer ihre letzte Ruhestätte neben dem alten Kirchlein. Als aber die neue Kirche 1774 errichtet wurde, mußten diese Pfarrgräber überbaut werden. Es ist keine Vermutung, sondern Tatsache, daß sich also diese ehemaligen Ruhestätten der Ortspfarrer ganz oder teilweise im Innern der heutigen Pfarrkirche befinden. Bei Schließung und Einebnung des alten Kirchhofes im Jahre 1821 wurden alle Grabstätten aus früherer Zeit beseitigt. Nur ein Grabstein blieb bis in unsere Zeit erhalten. Er ziert ehedem die Grabstätte des Breuberger Amtmanns Heinrich Josef Lauteren und stammte aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Die ersten Mömlinger Pfarrherren, die auf dem neuen, dem heutigen Friedhof ihre letzte Ruhestätte fanden, waren:

Pfarrer Johann Michael Wolf, gestorben 1848 Pfarrer Johann Baptist Seikel, gestorben 1883 und Pfarrer August Grünewald, gestorben 1901

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155 Das Pfarrhaus

Das alte Pfarrhaus stand nicht an der Kirchgaßfront, sondern etwas zurück, im Pfarrgarten. Ein Kellergewölbe, welches teilweise noch vorhanden ist, beweist dies. Das heutige Pfarrhaus wurde im Jahre 1751, also vor dem Kirchenneubau, errichtet. Der Pfarrhof, wie er früher genannt wurde, besteht aus Wohnhaus, Scheuer sowie einem langgestreckten Nebengebäuden, in dem sich Waschküche, Holzremise, ein großer Viehstall und Schweineställe befinden. Ein schöner großer Hof liegt in der Mitte. An der Scheuer befindet sich ein alter kurmainzer Wappenstein. Rückwärts, sich an die übrigen Gebäude anschließend, befindet sich ein großer Obst- und Gemüsegarten, der „Pfarrgarten". Die früheren Pfarrer betrieben Ackerbau und Viehzucht und erhoben den Zehenten, d. h. den zehnten Teil aller Feldfrüchte, welche hier gebaut wurden. Nach dem Revolutionsjahr 1848 wurde der Zehent in die „Bodenzinse“ umgewandelt. Da der Zehent mit dem Ertrag des Pfarrfeldes nicht untergebracht werden konnte, wurde die Scheuer des ehemaligen Hofgutes, Hs. Nr. 181 und 181a, noch dazu benützt. Man nannte diese deshalb die Zehentscheune. Pfarrer Hertinger war der letzte Pfarrer der die Landwirtschaft betrieb. Unter diesem Pfarrer wurde der Grundbesitz des Pfarrhofes verpachtet.

Das Einkommen der Pfarrer

Bestand in früheren Zeiten aus dem Zehenten und dem Ertrag des 18 Tagwerk großen Pfarrgrundbesitzes; dazu leistete die Gemeinde einen Beitrag in Holz.

156 Dieser Holzbeitrag wurde später vermindert, besteht aber heute noch. Das heutige Einkommen der Pfarrer besteht aus dem Staatsgehalt, den die Pfarrer als Staatsbeamte beziehen, wovon der Pachterlös des Pfarrgrundbesitzes in Abrechnung gebracht wird, ferner in der Einnahme aus ihrer Amtstätigkeit und dem Holzbeitrag der Gemeinde.

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157 Schulwesen

In einem so kleinen Orte wie Mömlingen mögen in früherer Zeit wenig Personen gewesen sein, die des Lesens und Schreibens kundig waren. Der Geistliche und der von den Breubergern gesetzte Schulheiß werden die einzigen gewesen sein, die diese Kunst erlernt hatten, denn Volksschullehrer wie heute gab es in früherer Zeit nicht. Die Ortspfarrer konnten, wenn sie wollten, Unterricht erteilen, taten dies aber nur bei außerordentlich begabten Knaben. Im Allgemeinen war für das gewöhnliche Volk keine Gelegenheit geboten. Ob unsere Dorfjugend auch bei einem Schuster oder Schneider, die in der Welt herumgekommen waren, Unterricht im Lesen, Rechnen und Schreiben erhielten, wie es in anderen Gegenden der Fall war, dafür sind keine Überlieferungen vorhanden. Am Ausgang des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts finden wir die ersten Anfänge einer Schule im hiesigen Orte. Vom Jahre 1692 finden wir Aufzeichnungen von einem Lehrer Johann Adam Zöller. Nach einer weiteren alten Aufzeichnung verweigerten hiesige Einwohner im Jahre 1739 dem Lehrer die Bezüge (Schulgeld oder Naturalabgaben). Im Jahre 1754 erscheinen hier bereits zwei Lehrer. Während des Sommers wurde damals kein Schulunterricht gehalten, nur im Winter. Die Bezüge der Lehrer waren sehr gering, sie mußten sich noch Nebenverdienst suchen, um leben zu können. Heute ist es anders; heute wird der Lehrer oder die Lehrerin vom Staate angestellt und bezahlt. Auch dem Ordensstande angehörende, weibliche Lehrkräfte sind zur Zeit in der hiesigen Gemeinde eingestellt.

158 Für das weibliche Geschlecht entstanden auch Arbeitsschulen, wo die Mädchen in Handarbeiten, wie Nähen, Stricken, Sticken usw., unterrichtet werden. Dadurch, daß in früherer Zeit kein Schulzwang bestand, gab es hier im vorigen Jahrhundert noch Personen, die weder lesen noch schreiben konnten. Beim Unterschreiben von Urkunden machten sie drei Kreuze; diese mußten durch schreibkundige Personen nochmals durch Unterschrift bestätigt werden. Heute gibt es hier keine Analphabeten mehr. In den 1860er und 1870er Jahren wurden hier 5–6 Tageszeitungen gelesen, heute fast 400, ohne die massenhafte Verbreitung von sonstigen Drucksachen. Ein jeder möge heute der Schule dankbar sein für alles, was er in ihr gelernt.

Das Gehalt der Lehrer war früher, wo es die Eltern der Schüler und die Gemeinde aufbringen mußten, sehr gering, die Lehrer betrieben noch Landwirtschaft und betätigten sich sonst noch, um leben zu können. Seitdem Bayern Republik ist und die Schullehrer als Staatsbeamte angestellt werden, erhalten sie ihr Gehalt aus der Staatskasse. Mit dem Schuldienst war früher auch der Kirchendienst verbunden und bildete eine Einnahmequelle. Heute ist der Kirchendienst vom Schuldienst getrennt, es ist ein eigener Kirchendiener angestellt. Nur der Organistendienst wird noch von den Lehrern besorgt. Jeder Ortsbürger mußte früher für den Kirchendienst um die Martinizeit 1 Maß Korn (20 Liter) an den Lehrer abliefern (Läuterkorn). Im Jahre 1902 wurde diese Kornabgabe in Geldlohn umgewandelt und dieser nun von der Gemeindekasse getragen.

159 Auch die Wohnung sowie zwei Gemüsegärten hatte die Gemeinde den zwei älteren Lehrern unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Seitdem nun der Staat den Unterhalt der Lehrer übernommen hat, müssen sie hierfür eine kleine Vergütung leisten.

Die Schulen zu Mömlingen.

An dem Platze, wo heute die Knabenschule steht, stand früher ein Holzhaus mit Scheune, die alte Dorfschule. Die Scheune war notwendig, da die Lehrer von ihrem Gehalt, dem Schulgeld, nicht leben konnten und daher noch Landwirtschaft betrieben. Dies war ja auch möglich, da in früheren Zeiten in den Sommermonaten kein Schulunterricht gehalten wurde. Diese Schule mit Nebengebäuden wurde abgebrochen und da der Platz für die neue Schule nicht hinreichte, wurden noch zwei Häuser oder Häuschen angekauft und niedergelegt. Auf diesem Platz nun baute die Gemeinde im Jahre 1855 bis 1856 die heutige Knabenschule mit zwei Stockwerken. Im Jahre 1857 wurde sie feierlich eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben. An die Schuljugend wurden Festwecke ausgeteilt. Während der Bauzeit war der Schulunterricht im Rathaus und in anderen Häusern abgehalten worden. Das Bausteinmaterial für die neue Schule war aus dem gemeindlichen Steinbruche entnommen worden. Die Baukosten betrugen 1400 Gulden. Um diese zu decken, wurde die Gemeindehecke (Wald) abgeholzt. Da sich das Schulgebäude in ganz kurzer Zeit als zu klein erwies, baute die Gemeinde im Jahre 1883 noch ein drittes Stockwerk darauf. Das Schulhaus enthielt nun 4 Lehrsäle mit Lehrerwohnungen. Die Schulklassen entstanden aus den einzelnen Schuljahrgängen und waren bezüglich der Geschlechter gemischt.

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Kapelle und Standbild St. Johann Nepomuk

Wendelinus

Von den 1880er Jahren ab waren im Unterricht drei Lehrer und eine Lehrerin tätig. Nachkommen von früheren Lehrern machten sich hier ansässig (Morschhäuser und Marstatt). Im Jahre 1908 baute die Gemeinde eine zweite Schule mit Kinderbewahranstalt und Schwesternheim. Dieses neuzeitliche Bauwerk liegt neben der Kirche und dem Friedhof, in sonniger, freundlicher Lage. Diese zweite Schule ist heute nur Mädchenschule, die alte Schule ist die Knabenschule. In dieser Mädchenschule wohnen auch heute die sechs Ordensschwestern, welche als Schul–, Kinder– und Krankenschwestern ihre Tätigkeit ausüben. In die Bestreitung ihres Unterhaltes teilen sich Gemeinde und Einwohner und auch der Johanniszweigverein. Durch diese Ordensfrauen ist der weiblichen Jugend Gelegenheit geboten, sich in allen Handarbeiten, bis zur feinen Kunststickerei auszubilden. Auch von den Mädchen der Umgebung wird von dieser Gelegenheit fleißig Gebrauch gemacht. Zwei Schwestern betätigen sich als Krankenschwestern zum Wohle der leidenden und kranken Einwohner. Der große schöne Saal im Erdgeschoß ist für die noch nicht schulpflichtige Jugend bestimmt, um sie der Straße zu entziehen und für die Schule vorzubilden. Leider wird von dieser Einrichtung viel zu wenig Gebrauch gemacht und den Worten unseres Heilandes: „Lasset die Kleinen zu mir kommen!“ die am Eingange stehen, nicht Rechnung getragen.

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11 Mömlingen 161 Die St. Josefskapelle

Dort, wo sich die Wassermassen vom Kühzell und Bachelsbrunnen bei Unwetter und Wolkenbrüchen vereinigten, bauten unsere Vorfahren die St. Josefskapelle. Der Hauptgrund, auf diesem Schuttablagerungsplatz des Hochwassers dem hl. Josef eine Kapelle zu erbauen, ist darin zu suchen, daß der hl. Josef schon in aller ältester Zeit als Schutzpatron des Ortes verehrt und angerufen wurde. Durch die Fürsprache dieses Heiligen sollten die gewaltigen Wassermassen, welche sich hier vereinigten, durch den Ort geleitet werden, daß sie keinen Schaden anrichten. Die Verehrung des hl. Josef als Helfer und Fürsprecher in allen Nöten ist sehr alt; die Verehrung des hl. Johannes v. Nepomuk als Schutzpatron bei Wassernöten besteht erst seit späterer Zeit (1756). Die St. Josefskapelle wurde im 30jährigen Kriege erbaut, wo unser Heimatort durch Kriegsnot und Pest in großer Bedrängnis war. Das Altarbild ist sehr sinnvoll zusammengesetzt. Es stellt ein Kreuz dar, der Kreuzstamm besteht in der Darstellung der allerheiligsten Dreifaltigkeit, der Querbalken stellt die heilige Familie dar Eine Holztafel auf dem Altar mit dem Bildnis eines Ehepaares in der Tracht der damaligen Zeit gibt uns über den Altar Aufschluß. Die Inschrift lautet:

DIESE BILDVS HAD DER ERNHA. HANNS MILLER VND ELISAB. SEIN ELIGE HAVSFRA DIS ERZELAND- SCHEF HABEN DIESE BILDN. GOT ZV EREN AVS TRE AVFRICHTEN LASSEN anno 1630

162 (Dieses Bildus hat der ehrenhafte Hans Miller und Elisabeth seine eheliche Hausfra, bis Erzelandscheff, haben diese Bildnisse Gott zu Ehren aus Treue aufrichten lassen. Anno 1630.)

In den Jahren 1774–1777, als unsere heutige Kirche erbaut wurde, diente die Josefskirche als Ortskirche. Es ist ein Irrtum, wenn behauptet wird, diese Kapelle sei die frühere Ortskirche gewesen; die frühere Pfarrkirche stand an demselben Platze, an dem die heutige Kirche steht. Die Kapelle hatte sogar eine Empore, zu der an der Außenseite der Treppenaufgang führte. Die Silberkreuze mit Ketten, wie sie früher bei Trauungen getragen wurden und heute an dem Standbild des hl. Josef aufgehängt sind, lassen auf Gebetserhörungen schließen. In der Bittwoche geht eine Prozession zur St. Josefskapelle und man betet um das Gedeihen der Feldfrüchte. Jeden Sonntag wird von den Frauen eine Gebetsandacht zum hl. Josef abgehalten. Vor der Kapelle steht ein Lindenbaum. Er wurde nach Beendigung des Krieges 1870–71 angepflanzt und wird die Siegeslinde genannt.

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11* 163 Die St. Wendelinuskapelle

An dem Platze, wo die Distriktsstraße von Obernburg nach dem Odenwald sich wendet und die Mömlinger Ortsstraße einmündet, bauten unsere Vorfahren im Jahre 1818 die Wendelinuskapelle, unter Vorsteher F. Fahs. Die Baukosten betrugen 300 Gulden. Zu dem Bau wurden die Steine der alten Brücke verwendet, die bei der „Weid“ gestanden hatte (Gänweide). Es war dies die alte Brücke von Hausen, welche die Gemeinde zwei Jahrhunderte hindurch erhalten hatte, das letzte Bauwerk, das noch an Hausen erinnerte. Darum hatten die hiesigen Einwohner eine gewisse Achtung vor diesem alten Gestein und verwendeten es zu dieser Kapelle. In den 1890er Jahren wurde diese von einem Nachkommen jenes Vorstehers Fahs gründlich erneuert. Dieser in Amerika lebende Fahs hat sie, als er seinen Heimatort wieder besuchte, zum zweitenmal neu erstehen lassen, wofür ihm Pfarrer Grünewald im Namen der Gemeinde seinen Dank aussprach. Auf dem Altar steht das Bildnis des hl. Wendelinus und auch noch andere Bilder schmücken die Kapelle. An den Bittagen sowie am Wendelinusfesttag werden feierliche Prozessionen zur Kapelle abgehalten. Die Inschrift über dem Eingang lautet:

IN HONOREM SANCTI WENDELINI AB INGOLA ERIGITVR HVIATE

(Zu Ehren des heiligen Wendelinus von einem hiesigen Einwohner errichtet. 1818)

Der Platz bei der Wendelinuskapelle.

Zwischen der Distriktstraße Obernburg, der Mömlinger Ortsstraße und dem Amorbach lag ein dreieckiger Platz, der Wendelhäuschen - Platz.

164 Er lag früher außerhalb des Dorfes, heute, nach der Ausdehnung, liegt er im Ort selbst. Er war mit Obstbäumen bepflanzt und diente als Holz- und Zimmermannsplatz. Außerdem war er hauptsächlich der Spielplatz der Jugend. Der kleine Teil, den die Bahn, die den Platz durchschneidet, noch freigelassen hat, ist heute Denkmalsplatz, denn vier Denkmäler haben hier Aufstellung gefunden. Zunächst steht hier ein steinernes Kreuz. Eine Jahreszahl ist daran nicht zu finden, doch sagt uns der Name des Aufrichters Rombacher, daß es sehr lange schon errichtet ist, weil dieser Name schon lange nicht mehr existiert. Im Jahre 1765 errichteten hier die Einwohner ihrem neuerwählten Schutzpatron bei Wassergefahr, dem hl. Johannes Nepomuk, ein Denkmal. Hinter diesem standen zwei große Kastanienbäume mit gewaltiger Krone. Diese wurden wahrscheinlich bei der Aufrichtung des Denkmals oder schon früher angepflanzt. In den 1880er Jahren wurden sie ihres Alters wegen beseitigt. Später wurden hier vier Lindenbäume angepflanzt. Unsere Vorfahren erkannten die romantische Schönheit dieses Platzes und erbauten im Jahre 1818 auf ihm die Wendelinuskapelle oder das Wendelhäuschen. Im Jahre 1904 erhielt dieser Platz noch das Kriegerdenkmal für 1866 und 1870–71.

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165 Kreuze und Bildstöcke

In der Gemarkung Mömlingen befinden sich drei rote Kreuze aus Holz. Wahrscheinlich sind sie von frommen Stiftern aus irgend einem Grunde errichtet worden. Im Laufe der Zeiten mußten sie erneuert werden, daher ist die Jahreszahl ihrer Entstehung nicht mehr festzustellen. Zwei steinerne Kreuze sind noch gut erhalten, das eine wurde 1753 errichtet:

Die Bildstöcke sind sämtliche aus Rotsandstein und, wie die Inschriften und Überlieferungen uns berichten, ebenfalls von frommen Stiftern errichtet worden. Bei Flurprozessionen wurden und werden heute noch an diesen Kreuzen und Bildstöcken die Evangelien verlesen.

Das rote Kreuz an der Straße gegen Waldamorbach – Dorndiel.

Über die Entstehung dieses Kreuzes berichtet uns eine glaubwürdige Legende: In früherer Zeit war einmal eine Frau in der heutigen Feldabteilung „Wolfshecke“ mit „Futtermachen“ beschäftigt. Dabei wurde sie von einem großen Hund angefallen. Mit ihrer Sichel setzte sie sich zur Wehr, ergriff aber schließlich die Flucht ins Tal. An dem Platze, wo das rote Kreuz steht, kamen ihr die Bauern zu Hilfe und erschlugen das sie verfolgende Tier. Es wurde festgestellt, daß es kein Hund, sondern ein Wolf war. Die Frau gehörte einer Zimmermannsfamilie namens Böck oder Beck an. Diese Familie Beck soll zum Andenken an die Errettung das Kreuz errichtet und unterhalten haben; heute geschieht letzteres durch die Gemeinde.

166 Zu dieser Zeit gab es ja wohl keine freilebenden Wölfe mehr in der hiesigen Gegend, aber die Herren zu Breuberg hatten bei Neustadt, an dem Platze, wo heute die Marienanstalt oder das Waisenhaus steht, einen Tiergarten, in dem hauptsächlich Wölfe gehalten wurden. Dieser Wolf war wahrscheinlich ein aus jenem Tiergarten entsprungenes Tier. Überreste jenes Tiergartens sind heute noch vorhanden. Die ehemaligen Wärter gehörten zur Pfarrei Mömlingen. Die Feldabteilung, wo sich diese Begebenheit zugetragen haben soll, heißt heute noch „Wolfshecke“.

Das rote Kreuz an der Straße gegen Pflaumheim – Großostheim.

Über dieses Kreuz sind keine Überlieferungen vorhanden, bei Flurgängen diente es als Evangeliumstation.

Das rote Kreuz auf der Feldhöhe.

In früheren Zeiten wurde der Feldgang auf den Mühlbach– oder Höheflur gehalten, später bis zur Krümmung der Kreuzstraße, heute werden nur noch Chausseestraßen benützt. Der Weg, den die Flurprozession früher nahm, ging in gerader Linie bis zum Bildstock am Scherder, dann rechts ab zum roten Kreuz auf der Feldhöhe. Von hier aus ging es in gerader Linie über den Platz der heutigen Steinbrüche, durch den Kirchgraben, der damals ein Fahrweg war, zu Tal. Auch in späterer Zeit wurden noch solche weiten, beschwerlichen Flurgänge abgehalten. Bei einem solchen weiten Flurgang wurden die Teilnehmer von einem schweren Gewitter überrascht, alles flüchtete, den Pfarrer fast allein zurücklassend.

167 Daraufhin wurde der Flurgang bis zum Kreuz eingestellt. Dieses Kreuz wurde vom Sturmwind öfters zerstört, wurde aber immer wieder aufgerichtet.

Das Wingertskreuz

Aus Stein ist noch sehr gut erhalten. In der Nische dieses Kreuz stand früher wahrscheinlich das Bild des hl. Urbanus, zu dessen Ehre es von den Wingertsleuten errichtet worden war. Es ist als sicher anzunehmen, daß die Wingertsprozession, die früher abgehalten wurde, ihren Weg zu diesem Kreuze nahm. Der Pfarrer erhielt für die Abhaltung dieser Prozession von der Gemeinde ½ Viertel Wein. Heute befindet sich in der Nische das Bild der schmerzhaften Mutter Gottes, und es wird dieses von frommen Frauen mit Feldblumen geschmückt, wie kein anderes Kreuz oder Bildstock. Das Kreuz trägt die Inschrift: INRI HIS 1753

Das steinerne Kreuz

Vor der Wendelinuskapelle trägt keine Jahreszahl, nur die Namen Hans Rombacher, Landschef, Hans Klotz, Baumeister. Wahrscheinlich sind die beiden Männer die Errichter dieses Kreuzes. Landschef – heute Landschöff, war Beisitzer am Centgericht. Baumeister – Kirchenbaumeister, heute Kirchenpfleger.

Standbild des hl. Johannes Nepomuk bei der Wendelinuskapelle.

Inschrift: V. Nepomuk – dich St. Johann – Mömblingen nahm zum Patronen an – 1765.

168 Bildstöcke von Stein

An der Straße gegen Pflaumheim. Inschrift verwittert: Anno 1778 hat Peter – – – ler und dessen Ehefrau diesen Bildstock errichten lassen. Bildstock am Scherder. Anno 1730 hat – – – ses Kloz diesen Bildstock zu Ehren der hl. Mutter Gottes aufrichten lassen. Der Bildstock bei den Wiesgärten stand vor in den Wiesgärten bei der mit Steinen eingefaßten Quelle und wurde später an die Straße Waldamorbach – Dorndiel gestellt. Der Stifter war A. Giegerich – Landschöff. Die Inschrift ist: A G L – 1707. Der Bildstock bei den Lösern an derselben Straße lag lange Zeit zerbrochen, bis er im Jahre 1848 wieder hergestellt wurde. (Feldbenennung: Beim abgebrochenen Bildstock). Die Inschrift lautet: O – Ihr alle – die den Weg vorübergehet – merket doch und sehet – ob auch ein Schmerz sei – der meinem Schmerze gleiche. Anno 1761. Die Bildstöcke an der Straße gegen Hainstadt und Pflaumheim (der letztere befindet sich heute im Bereiche des Ortes) haben einen Hersteller und einen Stifter. Der Stifter soll ein kinderloses Ehepaar gewesen sein, namens Jakobus und Barbara. Diese beiden gotischen Bildstöcke scheinen die ältesten von den heute noch bestehenden zu sein. Der Kopfstein trägt das Bild des gekreuzigten Heilandes, rechts und links zur Seite Bildnisse und Namen von St. Jakobus und Barbara. Die Fuß– und Kopfsteine beider Bildsteine mögen noch von der ursprünglichen Errichtung herstammen, die Säulensteine sind jedenfalls erneuert. Nach mündlichen Überlieferungen waren die ursprünglichen Säulensteine vierseitig und trugen die Jahreszahl 1626. Der Kopfstein des Bildstockes gegen Hainstadt ist stark beschädigt; er soll 1814 von den Russen als Zielscheibe benutzt worden sein.

169 Dieses ist aber zu bezweifeln, der Stein scheint abgeschlagen zu sein. Im Jahre 1900 wurde eine zu Hs. Nr. 52 gehörige alte Scheuer abgebrochen. Da fand man einen alten Kopfstein ebenfalls mit dem Bildnis des Gekreuzigten. Altertumskenner glauben, daß dieser Kopfstein zu einem Bildstock gehört habe, der vielleicht in alter Zeit hier gestanden habe, als dieser Boden noch Gartenland war. Dieser Stein ist ohne Zweifel sehr alt, viel älter als die heutigen Bildstöcke. Er wurde in der neuen Scheuer über der Stalltür wieder eingesetzt und bleibt damit weiter erhalten.

Die Marterlsteine.

Die Marterlsteine sind nach Alter geordnet, mündliche Überlieferungen sind beigefügt, sonstige Vorkommnisse vermerkt. Sie befinden sich fast alle an Wegen, bis auf Nr. 1. welcher auf einem Acker steht. Sie stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert; später ist dieser sinnige Brauch verschwunden. Teilweise ist die Inschrift gut erhalten, teilweise im Laufe der Zeit verwittert. Eine mündliche Überlieferung stimmt bei sämtlichen Steinen mit der Inschrift überein. 1. Das Kreuz auf der Höhe, genannt Hann-Jakobs-kreuz. Mündliche Überlieferung: vom Blitz erschlagen. Inschrift: Ano 1717 den 18 Mai ist der ehrsame Johanes Jakobus Zengel gewesener Mitnachbar zu Memlingen an diesem Ohrt von dem Donerweter zu Tod geschlagen worden seines Alters 37 Jahr und 4 Monat. Gott behüte uns al vor folgem schnellen Tod und gebe dieser Sele die ewige Ruhe. 2. Stein an der Kreuzstraße im Bachelsgraben. Die mündliche Überlieferung sagt uns, daß der hier Verunglückte mit Ochsengespann zu Berg fuhr.

170 Das Zugjoch aus der damaligen Zeit war aus einem Stück Holz für zwei Zugtiere. In der Mitte steckte es in der Deichsel, rechts und links waren die Kopflöcher; darin steckten die Köpfe der Zugtiere. Dieses Joch löste sich aus der Deichsel, der Wagen lief rückwärts in den Bachelsgraben, und der Mann wurde dabei getötet. Einige gut erhaltene Jöcher aus dieser Zeit sind hier im Hause Nr. 52 aufbewahrt. Inschrift des Steines: 1780 den 11 Oktober hat hier Sebastian Seltner sein Leben geendigt. 3. Der Stein im Bachelsgraben, welcher heute im Ort vor einem Hause steht, sagt uns, daß in einem strengen Winter ein Mann eine Traglast Holz aus dem Wald holte. Er hatte das Beil in die Holzlast gesteckt. An dieser Stelle stürzte er auf dem Eise des Bachelsbrunnen, und das Beil schnitt ihm die Halsschlagader durch, sodaß er tot aufgefunden wurde. Das warme Blut höhlte sich im Eis eine Grube und blieb den ganzen Winter liegen. Im Frühjahr beim Eisabgang soll der ganze Bachelsgraben voll Blutwasser gewesen sein. Die Jahreszahl ist abgeschlagen, doch wissen wir, daß es am Ausgange des 18. Jahrhunderts war. Die Inschrift lautet: den 12. Januar hat hier Johannes Böck sein Leben auf dem Eis geendigt. Gott gib ihm die ewige Ruh. 4. Stein an der Straße gegen Hainstadt. Über diesen Stein wissen wir folgendes: Ein junger Mensch ritt mit dem Pferd und Füllen von der Schwemme heim. An diesem Platze wurden beide Tiere störrisch, das eine strebte vor, das andere rückwärts. Der Reiter stürzte vom Pferd und wurde totgetreten. Inschrift: Peter Gigrig geboren in Eisenbach hat hier sein Leben under den Pferden geendet den 9 den August ano 1792.

171 5. Das steinerne Kreuz an der Straße gegen Pflaumheim ist der merkwürdigste von allen Marterlsteinen. Er ist in der Form eines eisernen Kreuzes hergestellt (Kriegskreuz). Ein Schwert geht von oben nach unten durch den Stein. Der Handgriff ist oben, die Spitze unten sichtbar; es ist ein französischer Krummsäbel aus der Napoleonszeit. Eine Jahreszahl ist an dem Kreuze nicht zu finden. Es hat bestimmt auf einem Sockelstein gestanden, der auch die Jahreszahl der Errichtung trug. Bei dem Baue der neuen Straße, 1850, wurde es von dem Sockelsteine, der wohl in der nächsten Umgebung zu finden wäre, weggenommen und in den Straßengraben gestellt. Das Kreuz ist noch gut erhalten, die Inschrift auf beiden Seiten sind sehr verwittert. Nur mit großer Mühe und Beharrlichkeit war es möglich, hier etwas herauszulesen. Die Inschrift der Vorderseite lautet (ohne Gewähr): Das Kreuz hat Ano Eva Lieb im machen lassen zum Andenken ihrem Sohn – – – – – welch dahier erfrohren ist so bitt ich ale liebe Christen die an dieser Stelle vorbeigehn woltesd barmherzig sein und vür diese arme Sel beten was dir belibt. Die Inschrift der Rückseite lautet: Dieser Soldat hat in iro keiserlich Meiesdet Gahrde treu gedient als Gemeiner. Die eine Inschrift besagt uns also, daß wir es hier mit einem Soldaten zu tun haben, der zur Zeit des Rheinbundes, 1806 – 1814, in Napoleons berühmter Garde diente, und daß er an dieser Stelle erfroren ist. Die mündlichen Überlieferung berichtet, daß ein Soldat, der vom Kriege zurückkehrte und angesichts seines Heimatortes im Schnee stecken geblieben und erfroren ist. Der Mann soll aus der nun ausgestorbenen Familie Holl gestammt haben, worüber aber das hiesige Pfarrbuch keine Aufzeichnungen enthält.

172 6. Stein in der Gemeindehecke (Wald). Mündliche Überlieferung: beim Holzfällen von einem Baum erschlagen. Inschrift: An diesem Platze verunglückte am 25. November 1853 der ledige Johann Jos. Hohm geb. zu Mömlingen am 19. März 1831. Man bittet jeden Vorübergehenden um ein herzliches Gebet. 7. Stein an der Straße gegen Pflaumheim, am Pflaumheimer Wald, Überlieferung: Auf der Brautschau verunglückt, vom umgefallenen Wagen erdrückt. Inschrift: Hier verunglückte in der Nacht vom 27. Aug. 1859 der hirschwirt und Metzgermeister Joh. Philipp Giegerich von Mömlingen 39 ½ Jahr alt. Bete o Wanderer für dessen Seele ein andächtiges Vater unser damit sie ruhen möge in Frieden. 8. Stein an der Straße gegen Pflaumheim, rechts beim Bildstock. Überlieferung: Ein Müllersknecht vom Wagen gefallen, unter das Wagenrad gekommen und getötet. Die Inschrift lautet: Hier verunglückte der ledige Sebastian Stegmann von Mömlingen geboren den 7. Dezember 1845 gest. den 17. Juli 1866 R. J. P. An diesem Steine endete auch ein Selbstmörder aus dem Odenwald, der sich vor diesem Steine eine Kugel in den Kopf schoß. 9. Stein an der Straße gegen Hainstadt, dem Bahnhof gegenüber. Überlieferung: Beim Obsternten vom Baum gestürzt. Inschrift: Hier verunglückte der Ortsbürger Peter Klotz von Mömlingen den 19. Sept. 1877 geb. den 21. Dezember 1807 R.J.P. Man bittet jeden Vorübergehenden um ein andächtig Gebet. 10. Stein an der Straße gegen Waldamorbach. Überlieferung: Beim Getreideladen mit den ersten, wenigen Garben abgestürzt und das Genick gebrochen. Inschrift: Hier verunglückte der hiesige Ortsbürger Kilian Giegerich am 20. Juli 1895, geb. am 25. Juli 1829 R. J. P.

173 Es war früher ein schöner christlicher Brauch, an dem Orte, wo ein Mensch plötzlich sein Leben endete, ein Kreuz oder einen Gedenkstein zu errichten, der viele Jahrhunderte Bestand hält ! Mancher Mensch wird durch diese Gedenksteine an die arme Seele erinnert worden sein und ein „Vater unser“ und „O Herr gib ihr die ewige Ruhe“ gebetet haben. Aber auch zur Warnung sollen die Marterlsteine dienen, stets vorsichtig bei der Arbeit und vorbereitet auf einen plötzlichen Tod zu sein. Heute ist man von diesem Brauch abgekommen und hat Bäume (Bernhardstanne im Buchberg) oder auch Holzkreuze (Dicknet) errichtet. Diese sind oft in ganz kurzer Zeit verschwunden und die Nachwelt weiß nichts mehr von der Begebenheit. Sämtliche 10 Steine sind fast gar nicht beschädigt, denn der Volksmund sagt: „Wer einen solchen Stein beschädigt, dem soll Gleiches widerfahren".

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174 Alte Grabsteine

Wenn man auf der rechten Kirchenseite zum Friedhof geht, sieht man in der Friedhofsmauer eingesetzt einen alten Grabstein. Derselbe stammt aus dem alten Kirchhof, welcher rechts und links von der Kirche lag. Er wurde bei der Anlegung des neuen Friedhofes in die Mauer eingesetzt und ist nach der hiesigen kirchlichen Chronik das älteste Grabmonument dahier. Es gehörte der Familie der Vogel, welche nach dem 30jährigen Kriege als Kurfürstl. Revierjäger hierher kamen. Einer von ihnen hatte es seiner verstorbenen Ehefrau errichten lassen. Die Inschrift lautet: I – – M – – I Alhier ruhet in Gott die ehr und tugendsame Fraun Ana Maria Vogel(in) her Johan Henrich Vogel Churf.– Mainz–Jäger hier in Mömblingen Hausfrau geboren ano 1711 den 16. Oktoberis gestorben ano 1741 den 5. Septembris deren Sel Gott die ewige Ruhe verleihen wollte. Das Grabmonument des Fürstlich Löwenstein`schen Regierungsrates und Amtmanns zu Breuberg Heinrich Joseph Lauteren steht heute noch auf dem Kirchenplatz neben der Mauer. Dieser Säulenstein stand früher rechts beim Kirchturm. Anfangs der 90er Jahre wurde er weggestellt. Seine Inschrift der Vorderseite lautet: Denkmal kindlicher Liebe und Dankbarkeit dem besten Gaten und Vater Heinrich Joseph Lauteren fürstl. löwenst. Reg. Rat und Amtmann zu Breuberg geb. 11. Nov. 1754 in Mainz gest. 22. April 1812. Die Rückseite: Drei seiner Söhne, Heinrich, Franz Karl und Adolf gingen voran zum besseren Leben. Ihre Gebeine ruhen vereint im Schoße der mütterlichen Erde, die auch unsere Asche empfangen wird, wan der menschliche Geist zu den Geliebten emporsteigt.

175 Das Rathaus

Das Rathaus zu Mömlingen ist ein einfaches Holzbauwerk ohne jede Verzierung oder architektonische Schönheit, steht aber auf dem schönsten Platze des Ortes. Für die zahlreiche Bürgerschaft ist es schon längst zu klein geworden. In früherer Zeit stand es frei, es war von keinerlei Gebäuden umgeben. Der Aufgang zum Saal ging einst vom Rathausplatz aus, später wurde er in der Kirchgasse eingebaut. Der Raum des unteren Stockwerkes ist Aufbewahrungsort für die Feuerwehrgeräte. Es sind dort aufbewahrt: Eine Feuerspritze aus dem Jahre 1849, welche in Miltenberg gefertigt wurde und 900 Gulden kostete, ferner eine kleine Handspritze, die ein Geschenk der Magdeburger Feuerversicherungsgesellschaft ist. Um das Jahr 1890 wurde die Saugspritze angeschafft. Dazu gehören zwei Steigleitern mit Verlängerungsvorrichtung. Die eine ist eine mechanische Schubleiter nach neuester Vorrichtung und wurde erst vor einigen Jahren angeschafft. Es sind noch alle alten Geräte, die ehedem zum Feuerlöschwesen gehörten, vorhanden, mit Ausnahme der alten Löscheimer aus Leder, womit man früher das Wasser zu den brennenden Gebäuden trug. Jeder junge Mann, der heiratete und als Bürger aufgenommen werden wollte, mußte einen Taler bezahlen für einen Feuerlöscheimer. Das obere Stockwerk des Rathauses enthält den Rathaussaal und ein Amtszimmer, wo alle gemeindlichen schriftlichen Arbeiten erledigt werden. Der Speicher enthielt und enthält noch Altertümer. Er enthielt ein Archiv, in dem alle Verwaltungsbücher der Gemeinde von den früheren Jahrhunderten her aufbewahrt wurden. Dabei sollen sich auch 2 Bände befunden haben, welche unsere Vorfahren von Hausen mit herübergeholt hatten.

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Grabdenkmal von Heinrich Joseph Lauteren, Amtmann zu Breuberg, und seiner 3 Söhne auf dem Kirchenplatz zu Mömlingen

Aber niemand soll im Stande gewesen sein ihren Inhalt zu entziffern. Leider war dieses Gemeindearchiv den Interessenten nicht zugänglich. Die Einsicht in dasselbe wurde jedem verweigert, auch mir. Nach Beendigung des Weltkrieges wurden die für die Ortsgeschichte so wichtigen Bücher und Schriften, deren Zahl in die Hundert ging, auf einen großen Kastenwagen geladen und fortgeschafft, um zur Herstellung von Papier verwendet zu werden. Die Verwaltungsbücher hätten uns Aufschluß geben können über die Prozesse, welche die Gemeinde mit der Gemeinherrschaft Löwenstein und Erbach wegen des Hinterberges und „Hofkopfes“ führte, über den ehemaligen Schneid`schen Hof, über den wir heute fast gar nichts mehr in Erfahrung bringen können, und noch über vieles andere. Heute ist nichts mehr vorhanden, das uns über wichtige gemeindliche Angelegenheiten aus früherer Zeit Aufschluß geben könnte, als einige Urkunden (von dem Commendeacker), welche aber nicht mehr auf dem Rathaus, sondern von einem Gemeindebürger aufbewahrt werden. Auf dem Speicher befindet sich nur noch ein Pflug und eine Pestbahre. Der Pflug ist von altertümlicher Beschaffenheit, hat nur eine Röhre oder Handgriff und soll in früheren Zeiten zur Erhaltung und Erneuerung der Gemarkungsgrenze verwendet worden sein. Die Pestbahre ist aus Weidengeflecht und hat die Länge und Breite für die Aufnahme eines menschlichen Körpers. In den Pestzeiten des 30jährigen Krieges wurden die Toten sofort, ohne Sarg und Leichenzug, der Erde übergeben. Die Beerdigungen geschahen zur Nachtzeit und wurden von Nachbarn und Freunden der Verstorbenen ausgeführt, einen Totengräber wie heute gab es damals noch nicht.

12 Mömlingen 177 Geistliche gab es ebenfalls seit dem großen Sterben von 1635 bis 1648 in unserer Heimatgegend nicht mehr; sie waren geflüchtet oder der Pest zum Opfer gefallen. (Siehe Heimatgeschichte S.117) Eine Einsegnung der Leichen mag vielleicht später und für alle gemeinsam vorgenommen worden sein. Für die an Pest Verstorbenen wurden eigene Friedhöfe (Pestfriedhöfe), oft weit vom Wohnort entfernt angelegt.

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178 Hochwasser und Wolkenbrüche

Große Hochwasser haben erst den Platz erhöht, auf dem heute der Ort Mömlingen steht, und ihn zum Anbau von menschlichen Wohnungen geeignet gemacht. Ein Teil der Hauptstraße, sowie die Bachstraße besteht im Untergrund aus angeschwemmten Ackerboden. Bei Brunnengrabungen hat man diesen Schwemmboden nicht durchstoßen können, deshalb war das Wasser faul und ungesund, und die Brunnen wurden wieder zugeworfen. Beim Rathausplatz wurden drei Pflaster, jedes ungefähr 0,60 Meter über dem anderen, festgestellt. Unsere Vorfahren konnten die große Masse des durch Hochwasser aufgeschwemmten Schuttes, Gerölles und Ackerbodens nicht mehr beseitigen; sie überpflasterten es einfach. Daß auch die Häuser eingeschwemmt worden sind, sieht man noch bei manchem, am besten aber bei den ehemaligen Hofhäusern Nr. 178 und 180–81. Nach alten Überlieferungen sollen die Jahre 1750 bis 1760 eine Zeit mit vielen und schweren Wassernöten gewesen sein, und in dieser Zeit erwählte auch die Gemeinde den hl. Johannes Nepomuk zum Schutzpatronen. Hundert Jahre später war dieses Jahrzehnt eine Zeit der Trockenheit, wo man das Verbrauchswasser aus der Mümling holen mußte. Bei einer großen Wasserkatastrophe am Ausgang des 18. Jahrhunderts ertrank ein Ortsbürger, ein Schmied, welcher sein Vieh in Sicherheit bringen wollte. Seine Leiche wurde am Rathausplatz, dort, wo heute das Backhaus steht, im Schlamme gefunden. Wohnhaft soll er im Haus Nr. 109 gewesen sein. Den ältesten Einwohnern werden noch die schweren Steine in Erinnerung sein, die am Hauseck der alten Wirtschaft „Zur Brezel“ aufgeschichtet waren.

12* 179 Sie sollen bei jenem Hochwasser hierher gerollt worden sein und wurden zum Andenken an jene Katastrophe dort aufgeschichtet. Beim Neubau dieses Hauses, 1901, wurden sie beseitigt. Der Platz, wo heute der ehemalige fürstl. Hof steht war bei Hochwasser der Ablagerungsplatz für Geröll und Steine. Vor 40 Jahren standen bei der St. Josefskapelle noch Häuser, von denen das unterste Stockwerk im Hochwassergeröll vergraben lag und die gehoben wurden. Im Jahre 1884 wurde Mömlingen abermals von einem schweren Wolkenbruch heimgesucht. Zwei Personen wurden von den stockwerkhohen Wassermassen mit fortgerissen. Die Frau konnte am Rathausplatz gerettet werden, der Mann ertrank, seine Leiche wurde aus der Mümling geländet. Das Bett des Amorbaches war im Orte früher eine breite, tiefe, gut ausgepflasterte Mulde. Alle 20 bis 30 Meter waren 2 Meter lange Quadersteine eingelegt, um ein Aufreißen durch Hochwasser zu verhindern. Heute ist dieses alles beseitigt, der Bachgraben kaum ½ Meter breit, kanalisiert und die Mulde eingeebnet. Die Wassergefahr ist dadurch für die angrenzenden Bewohner viel größer geworden, wie man aus dem Hochwasser 1924 ersehen konnte. Die tiefen Gräben und Schluchten in unserer Gemarkung beweisen mehr als alles andere, welche gewaltigen Wasserkatastrophen in früherer Zeit des öfteren unser Heimatgebiet betroffen haben.

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180 Grundwasser

Eine andere Erscheinung, die in unserer Gemarkung großen Schaden verursacht, ist das zeitweise Auftreten von Grundwasser. Das Ackerland rechts und links des Amorbaches bis fast zur Landesgrenze wird von Zeit zu Zeit durch das Hervortreten von Grundwasser feucht, ja oft so mit Wasser durchtränkt, daß eine landwirtschaftliche Bebauung unmöglich oder auch wertlos ist. Die Ursache ist darin zu suchen, daß nach niederschlagreichen Wintern die Berge sich mit Feuchtigkeit vollsaugen, die als Grundwasser an den tieferliegenden Stellen wieder zutage tritt. Auch außerordentlich trockene und heiße Sommer ändern an diesem Vorgange nichts. Das Wasser ist auf einmal da, hält ein oder mehrere Jahre an und verschwindet wieder. Entwässerungsanlagen, die man in Wiesgärten geschaffen hat, haben sich als wertlos erwiesen. Zur Zeit des Hochstandes des Grundwassers merkt man den Abgang des Wassers durch diese Anlage fast gar nicht. Dieses Auftreten von Grundwasser war von jeher und wird wohl in Zukunft so bleiben. Die Benennung „Wies–Gärten“ sagt uns, daß das betr. Gelände in nassen Jahren als Wiese, in trockenen aber als Gartenland genutzt worden ist. In den Jahren 1925–27 hat sich im Ostheimer Flur ein ähnliches Auftreten von Grundwasser gezeigt, von dem niemand sich erinnern kann, daß es früher schon in Erscheinung getreten wäre. Die schöne Obstbaumanlage der Gemeinde an der Straße gegen Pflaumheim sowie auch Bauern gehörende Obstbäume sind von einem plötzlich auftretenden Grundwasser vernichtet worden. In den Feldlagen Gräben- und Krummenäcker sowie in der Umgebung des roten Kreuzes war das Auftreten des Grundwassers so stark, daß sich auf den Grundstücken förmliche Sümpfe bildeten.

181 In den Fahrwegen Dörnig – Dicknet und Heiligenhecke entstanden Quellen, die ihr Wasser in den Amorbach abfließen ließen. Diese Wege konnten einige Jahre nicht mehr befahren werden. Der ganze Fahrverkehr mußte über den „Hundsrück“ und die „Goldgrube“ gehen. Wie beschwerlich und mühevoll diese Fahrwege waren, kann man sich denken. Heute ist dieses Grundwasser wieder verschwunden, hoffentlich für recht lange Zeit.

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182 Die Hagelschläge in unserer Gemeinde–Gemarkung sind noch häufiger als die Wasserkatastrophen. Fast alljährlich gibt es Gewitter mit Hagelschlag, welche an den Feldfrüchten Schaden verursachen. Früher schon kamen häufig schwere Hagelschläge vor, von denen uns Heimatchronisten berichten, daß man für sie Menschen verantwortlich machte und als Hexen verbrannte. Eine besonders schwerer Hagelschlag, verbunden mit Hochwasser ging am 5. Juni 1908 nieder, wo alles Getreide und andere Feldfrüchte in einer Richtung (von Westen nach Osten) vernichtet wurden, und zwar so gründlich, daß nicht einmal die Saatfrucht geerntet wurde. Zum Gedächtnis an diesen Tag wurde ein Amt von der Gemeinde gestiftet, welches alljährlich am Jahrestag des Hagelwetters abgehalten wird. Unsere Vorfahren glaubten, daß Hagelwetter immer ihre bestimmte Richtung einhielten, über den Hintersberg, Ostheimer Flur, Landorlis und Höheflur. Der Hagelschlag 1926 hat aber gezeigt, daß dies nicht immer stimmt, indem dieses Hagelwetter das Wiesental und Neustädterhoffeld heimsuchte, wo seit Menschengedenken noch kein Hagelschlag niedergegangen war.

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183 Von Bränden und Feuersgefahr

Ist, wie jede andere Gemeinde, auch unser Ort im Lauf der Zeit öfters heimgesucht worden. Außerordentlich große Brände sind indes nicht zu verzeichnen. Der größte Brand war im Januar 1906, wo 5 gefüllte Scheunen mit Nebengebäuden vom Feuer vernichtet wurden. Die Wohnhäuser blieben trotz des heftigsten Südweststurmes wunderbarerweise verschont. Die niedergebrannten Scheunen gehörten zu Haus Nr. 10, 12, 13, 14 und 15. Bei diesem Brande war auch unsere Kirche in großer Gefahr, durch fliegende brennende Strohseile entzündet zu werden. Kleinere Schadenfeuer kommen bei uns sehr oft vor, können sich aber nicht zu einem Großfeuer ausbreiten, weil die Ortseinwohner und Feuerwehr rasch und ausdauernd die Bekämpfung aufnehmen. Es ist seit mehr als hundert Jahren kein einziges Wohnhaus durch Feuer zerstört worden. Eine Zigeunerin habe durch einen Segensspruch die Häuser beschützt, sagten unsere Vorfahren. Mömlingen besitzt seit den 1870er Jahren eine gut geschulte Feuerwehr und nun auch neuzeitliche Feuerlöschgeräte, womit eine Bekämpfung des Feuers leichter und erfolgreicher geschehen kann als mit den ledernen Eimern, womit man früher das Wasser auf den Brandherd schüttete.

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184 Der Schneidtsche Hof

Wie man aus den alten Urkunden ersehen kann, hatte Mömlingen in früheren Jahrhunderten eine Anzahl von Höfen. Wie diese Höfe in den Besitz der Bauern gelangt und aufgeteilt worden sind, ist heute gänzlich unbekannt. Einer nur hat sich bis in das 18. Jahrhundert erhalten und kam am Ausgange desselben ebenfalls in den Besitz der hiesigen Bauern. Es war das Schneidtsche Hofgut, dessen Grundbesitz man größtenteils heute noch kennt und als Schneidtsche Hofäcker bezeichnet. Nichts ist so unklar und in tiefes Dunkel gehüllt als die Geschichte des Hofes. Wir wissen heute nicht einmal, ob der Name, den unsere Vorfahren mündlich überlieferten, der richtige ist. Kein Adelsgeschlecht mit dem Namen „von Schneidt“ ist in unserer Heimatgegend verzeichnet. Und auch das hiesige Pfarrarchiv enthält hierüber nicht die geringste Aufzeichnungen. Wer war der Eigentümer dieses Hofes, wann und wie kam dieser an die Gemeinde? Hierüber hätte uns das leider vernichtete Gemeindearchiv vielleicht Aufschluß geben können. Der Hof war 1754 noch vorhanden, wo die Grundstücke mit starken Grenzsteinen versehen wurden, und seine Bodenfläche soll mehr als 200 Morgen an Äckern, Wiesen und Weinbergen umfaßt haben. Die Grenzsteine, von denen heute noch viele vorhanden sind, tragen die Buchstaben G – H – V – S, welche „Gebrüder Herrn Von Schneidt“ bedeuten sollen und die Jahreszahl 1754. Als Hofgebäude bezeichnet man das im Viereck erbaute Anwesen Nr. 181 – 181a. An dem inneren Ausbau der Wohnung (hohe Zimmer mit Deckenverzierung) sowie an dem alten Ziehbrunnen, der vor 50 Jahren noch vorhanden war, konnte man ersehen, daß hier wohlhabende Leute ihren Wohnsitz hatten.

185 Hinter dem Anwesen befand sich ein großer Garten, den man den Hofgarten nannte. Hatte hier wirklich ein adeliges Geschlecht seinen Wohnsitz oder bewohnten das „Hofhaus“ nur Pächter? Wir wissen heute gar nichts hierüber. Oder sollte es vielleicht der Seitzenhof gewesen sein, der durch Urkunden nachgewiesen werden kann und im Anfangsbuchstaben S gleich, in der Aussprache fast gleichlautend ist? Aller Wahrscheinlichkeit nach gehörte der Schneidtsche Hof der französischen Familie von Bertremoville, welche auf dem Reichardshäuser Gute (Schloßgut) in Großwallstadt ihren Wohnsitz hatte. Im Besitze dieser Familie befand sich auch urkundlich ein „hochadelig Gut“ zu Mömblingen. Nach dem Aussterben der Bertremoville im Mannesstamm 1715 kam der ganze Besitz an die Familie Lieb. Durch Einheiraten von adeligen Männern in die Lieb`sche Familie wurde der Besitz zertrümmert und veräußert. Das Lieb`sche Gut zu Mömlingen kam am Ausgange des 18. Jahrhunderts in den Besitz der Gemeinde, und dieser Besitz war wahrscheinlich der Schneidt`sche Hof. Auch das neben dem Hofhaus stehende Häuschen Nr. 182 gehörte zum Hofgut und diente als Hirten– oder Schäferwohnung. Ebenso gehörte das Anwesen Nr. 178 und ein Teil des Pfarrgartens zu einem Hofgute. Wahrscheinlich war es der Ochsenhof, auch Kirchenhof genannt, welcher dem Mainzer Domkapitel gehörte. Dieses erhob hier den kleinen Zehenten und mußte hierfür das Faselvieh halten, Ochs, Eber, Bock und Gansert. Als am Anfange des vorigen Jahrhunderts die Wohngebäude erneuert wurden, wurde dabei ein Stein aufgefunden mit der Jahreszahl 1573, welcher noch vorhanden ist.

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186 Der ehemalige Fürstliche Hof

Bestand aus dem Besitze der Breuberger Herren, der Grafen von Löwenstein und Erbach. Wie sich die Herrschaft Breuberg diesen Grundbesitz, der aus vielen größeren Grundstücken bestand, die in allen Teilen unserer Gemarkung lagen, angeeignet hat, ist heute nicht mehr festzustellen. Der größte Teil unserer Gemarkung war in früheren Jahrhunderten Viehweide und die Herrschaft Breuberg hatte den Nachtrieb, d. h. ihre Viehherde durfte erst nach der gemeindlichen die Weideplätze benützen. Aus diesem Nachtriebsrecht wurden später Eigentumsrechte geltend gemacht. Der Feldbesitz bestand aus dem Ritterfeld, das im Jahre 1818 noch wüst lag, und aus dem Röder-, Fritze- oder Frützefeld, das 300 Morgen mit Schäferei umfaßte und verpachtet war. Pächter war die Familie Vogel zum „Löwen“. Als Pacht hatte sie zu entrichten: 300 Gulden an Geld und 40 Mlt. Korn. Fürst Löwenstein nahm dem Grafen Erbach im Jahre 1830 seinen Anteil ab, wurde dadurch Alleinbesitzer hier und erbaute im Jahre 1831–32 den Fürstlichen Hof. Der ganze Besitz betrug 481½ Morgen. Der Pfalz, worauf der ehemalige Fürstliche Hof erbaut war, war der Schuttablagerungsplatz der Hochwasser vom Bachelsbrunn und Kühzell. Ob der Fürst den Platz, worauf der Hof zu stehen kam, gekauft, oder ob er ihn von der Gemeinde geschenkt erhalten hat, weiß man nicht. Das Steinmaterial zum Hofbau wurde auf dem fürstlichen Grundstück „Rauschen“ herausgebrochen. Dies war der Anfang zu den Mömlinger Steinbrüchen. Die Baukosten sollen 64.000 Gulden betragen haben. Wahrscheinlich sind die Frucht- und Schafscheuer in der Schafgasse, welche später erbaut wurden, nicht mitgerechnet.

187 Die Bewirtschaftung des Hofes geschah im Anfang durch die fürstliche Verwaltung, später durch Pächter. Diese Pächter waren Enes, Gruber und Puth. Der letzte Pächter Puth wurde bankerott. Darauf verkaufte Fürst Karl von Löwenstein den Hof, bis auf den Waldbestand, mit lebendem und totem Inventar an die Gemeinde um den Betrag von 130 000 Mark. Die Gemeinde zerlegte ihn in kleinere Grundstücke und verkaufte das ganze Hoffeld so an die Bauern. Durch den Verkauf und die Ausbauung der Hofgebäude wurden für 6 Familien Wohnungen geschaffen. Der Hofankauf wurde zu einem großen Segen für die Gemeinde; denn der Bauernstand konnte sich jetzt vergrößern und aufblühen. Die Erwerbung des Fürstlichen Hofes wird an anderer Stelle ausführlich berichtet werden. Nach der Fertigstellung des Hofbaues wollte die fürstl. Hofverwaltung eine Quelle im Dinkelsgraben zum Hofe leiten, um den Hof mit gutem Trinkwasser zu versehen. Als Entschädigung für die Gemeinde sollten drei Laufbrunnen im Orte errichtet werden. Außerdem wollte die fürstliche Hofverwaltung noch Faselvieh (1 Ochsen und 1 Eber) für immer unentgeltlich für die Gemeinde halten. Die Holzröhren dieser Wasserleitung waren schon bis in die nächste Nähe des Hofes gelegt, als durch einen Einwohner die Fertigstellung verhindert wurde. Die Ausführung unterblieb, und die Quelle ist heute nicht mehr zu finden. Man hat die Quelle mit Quecksilber versenkt, behaupten unsere Vorfahren. Der Rest dieses Hoffeldes wurde zu Wald angelegt. Es ist der letzte fürstliche, eigentlich breubergische Besitz dahier: Pröbel, Scherder, Teufelsloch und Rauschen. Im Jahre 1926 erwarb die Gemeinde diesen letzten Rest des Löwensteiner Besitzes um den Kaufpreis von 215 000 Mark.

188 Da aber das gemeindliche Vermögen durch die Inflation verloren gegangen ist, so konnte die Gemeinde die Zahlung bis heute noch nicht leisten. Hoffentlich gelingt es doch noch, diesen Besitz zu erwerben und unserem Gemeindewald anzugliedern! Damit wäre der letzte Besitz der Herrschaft Breuberg, den diese in früheren Jahrhunderten dem Orte Mimling weggenommen hat, wieder zurückerworben. Die Besitzrechte der Breuberger hätten nach 700jährigem Bestande in unserer Gemarkung ein Ende gefunden.

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189 Der Römerturm auf der Berghöhe

Nachdem die Befestigungsanlagen der Römer, der Limes vom Main– und Mimlingtal sich bei Wörth am Main zu einer Linie vereinigt hatten, ging diese wieder bergaufwärts über die Obernburger und Mömlinger Feldhöhe. Auf dem höchsten Punkte der hiesigen Feldhöhe bauten die Römer einen Turm, von dem man das Main– und Mümlingtal übersehen konnte. Dieser Turm war nicht nur ein Beobachtungs–, sondern auch ein Signalturm in der Kastellenlinie. Erbaut wurde er am Ausgange des 1. oder zu Anfang des 2. Jahrhunderts. Er war von einer bürgerlichen Niederlassung umgeben. Ausgediente römische Legionäre waren die Ansiedler, die den Boden rodeten und Ackerbau trieben. Dieser Römerturm war nicht der einzige auf dem Orlisberge, sondern auch auf der Obernburger, Großwallstädter und Ostheimer Bergseite waren solche Signaltürme angelegt worden. Ob die beiden Türme auf der Mömlinger– und Großwallstädter Berghöhe wirklich durch einen unterirdischen Gang verbunden waren, wofür sich bei den letzten Ausgrabungen Beweise ergeben haben sollen, muß erst durch weitere Ausgrabungen festgestellt werden. In der nächsten Nähe des nun zerstörten Turmes sind die Anlagen eines Bades oder der Wasserversorgung zu finden. Dieser Platz, wo Turm und Niederlassung standen, nennt man heute noch die Altmauer. Die alten Mauern wurden abgebrochen und anderwärts wieder als Baumaterial verwendet; später grub man das Steinmaterial aus dem Erdboden. Die Baufläche ist durch ihre Erhöhung noch deutlich sichtbar und mit Kieselsteinen, Ziegel–, Glas– und Topfscherben bedeckt. An dem Turm vorbei führte auch die Römerstraße, die über Land– Orlisfeld und Orlisbusch auf Wenigumstädter Gebiet usw. führte. (Siehe Heimatgeschichte - Römerzeit S.4)

190 Ausgrabungen am Römerturm. (Altmauer)

Im Laufe der Jahrhunderte mag diese schöne Ansiedlungsstätte vielmals durchwühlt worden sein, sei es wegen Baumaterial oder weil man wertvolle Gegenstände hier zu finden glaubte. Ausgangs des vorigen Jahrhunderts wurden unter der Aufsicht und Leitung des hiesigen Ortspfarrers und Distriktsschulinspektors August Grünewald Ausgrabungen bei der Altmauer vorgenommen. Dabei wurde folgendes gefunden: Bruchstücke von Ziegelsteinen, Topfgefäße aus Erde, Stein oder Porzellan, (terra sigilata); Bruchstücke von Glas, das aber nicht so hell war wie das heutige. Ganze Gefäße oder Urnen wurden nicht vorgefunden, auch eine Zusammensetzung der Scherben war nicht mehr möglich, da der Platz zu oft durchwühlt worden war. An Metallgegenständen wurde nur ein Armreif aus Kupfer oder Bronze vorgefunden; von Eisen fand man nichts. Eine große Anzahl Ziegelplatten waren so gut erhalten, als seien sie erst hergestellt worden. Sie fanden noch Verwendung als Bodenbelag im Hause Nr. 162. Tadellos erhalten und unbeschädigt wurde eine Getreidemühle zu Tage gefördert, die aus granitartigen Steinen bestand. Sie konnte an einem Hebel durch menschliche oder tierische Kraft in Betrieb gesetzt werden. Sämtliche Funde habe ich selbst besichtigt; wo sie sich nunmehr befinden, ist mir unbekannt. Es böte sich in der Umgebung dieses Turmes für Altertumsforscher sicher auch jetzt noch Gelegenheit, römische Bauart und Erzeugnisse durch weitere Ausgrabungen kennen zu lernen.

191 Ein Römergrab auf der Berghöhe Kohlenhausen.

Die Feldabteilung oberhalb der Steinbrüche benennt sich „Kohlenhaufen". Diese Benennung kommt daher, daß früher, als es noch keine Steinkohlen gab, hier aus Holz die Holzkohlen gebrannt wurden. Vor ungefähr 30 Jahren beseitigte ein Einwohner von hier den Steinhaufen und fand unter den Steinen im Erdboden ein Armband aus Bronze oder Gold und einen großen starken Nagel von Eisen. Es wurde festgestellt, daß das Schmuckstück römische Arbeit war und von einem höheren, römischen Beamten oder Offizier getragen wurde, dessen Grabstätte höchstwahrscheinlich diese Fundstelle war. Nach den heidnischen Anschauungen der Römer, sollten auch die Toten noch eine schöne Aussicht auf die Umgebung haben. Von diesem Platze aus konnte man den Odenwald und das Mümlingtal übersehen. Die erste Annahme, daß das vermutliche Grab ein Judengrab sein könnte, weil die nächste Waldabteilung der Judenkirchhof heißt, ist durch die Feststellung von Altertumsforschern widerlegt worden. Der Armreif kam nach München in das Landesmuseum.

Ein altfränkisches Gräberfeld?

Im Jahre 1911–1912 wurde die Eisenbahn von Aschaffenburg nach Höchst im Odenwald gebaut. Bei einem Hügeldurchnitt von der Keil, in nächster Nähe des Ortes Mömlingen fand man ein altes Gräberfeld, über das weder mündliche noch schriftliche Überlieferungen vorhanden sind. Es wurden zahlreiche menschliche Knochengerüste und Bronzewaffen Ausgegraben.

192 Prof. Dr. Hock aus Würzburg stellte einen Bestattungsort aus altfränkischer Zeitperiode fest. Ob es sich um einen Ansiedlungsfriedhof oder um einen Bestattungsplatz kriegerischen Ursprungs handelt, sollte später durch weitere Ausgrabungen festgestellt werden. Der Weltkrieg verhinderte die Arbeiten zu dieser Aufklärung und wir wissen heute noch nicht, ob hier nicht die erste Anlage unseres Ortes zu suchen ist. Die Lage von dem Keilberg wäre wirklich geeignet gewesen für eine Ansiedlung. Sonnige Lage, Wasser und Nichtgefährdung durch Hochwasser waren Grundbedingungen für menschliche Ansiedlungen, und diese Bedingungen waren hier vorhanden. Die Zukunft bringt uns hoffentlich über dieses Gräberfeld weitere Aufklärungen. Die Landleute mögen Funde aus Stein, Bronze, Eisen, Knochen oder ausgebrannter Ton– und Lehmerde aufbewahren, vielleicht können Altertumsforscher aus diesen Funden noch manches über unsere Heimat feststellen. Vor ungefähr 100 Jahren wurde beim Umpflügen eines Grundstückes bei diesem Gräberfelde ein menschlicher Körper aufgefunden, der in die Pflugspitze geraten war. Der Eigentümer dieses Grundstückes kam durch diesen Schädelfund in den Verdacht, einen französischen Offizier, welcher auf der Flucht von Leipzig und Hanau für eine Nacht Quartier genommen hatte, ermordet und beraubt zu haben. Dieser Verdacht hat sich die ganze Zeit hindurch bis heute erhalten und im Glauben mancher sich wohl zur Tatsache erdichtet. Vielleicht wird einmal durch spätere Funde auch die Wahrheit hiervon gefunden.

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13 Mömlingen 193 Die Eisengrube

Im Jahre 1826 wurde im Eichwäldchen auf dem Holzberg, nachdem dort Eisenerz festgestellt war, mit der Ausbeute begonnen und das Erz durch Seilwinden zu Tage gefördert. Es soll ein sehr gutes Eisenerz gewesen sein. Auf Fuhrwerken kam es an die Schmelzorte, nach Laufach bei Aschaffenburg und Mühlhausen im Odenwald. Aber nur 12 Jahre dauerte die Ausbeute, dann mußte wegen Einbruchs von Wasser der Betrieb eingestellt werden. Bei der Arbeit war man auf eine Quelle gestoßen. Das Wasser kam so schnell und stark, daß die Arbeiter kaum ihre Arbeitsgeräte in Sicherheit bringen konnten. Das Schachtloch wurde mit Baumstämmen überdeckt, und so ist es noch heute. Diese Erzgrube hieß „Bertha".

Das Mühlhansen – Loch.

Nachdem die Erzgrube im Eichwäldchen ersoffen war, wurde einige Hundert Meter südlich davon entfernt Grabungen vorgenommen. Diese Grube wurde freigelegt und das Erz in Tagschicht gefördert; man kennt sie heute unter dem Namen Mühlhansenloch. Dieses Bergwerk soll in den 1850er Jahren noch in Betrieb gewesen sein und nur wegen Transportschwierigkeiten eingestellt worden sein. Nach der Größe und Tiefe des Mühlhansenloches kann man annehmen, daß hier bedeutend mehr Erz gewonnen wurde als bei der Eisengrube. Das Schürf– und Ausbeutungsrecht hatte die Deutsch – Luxemburgische – Hütten – Aktiengesellschaft Union Dortmund in Dortmund. Das Recht genannter Firma ist, da sie den Betrieb nicht wieder aufnahm, im Jahre 1922 erloschen.

194 Heute sind Aussichten vorhanden, daß die Ausbeutung dieser Bergwerke wieder aufgenommen wird, da jetzt durch die Bahnverbindung andere Verhältnisse bestehen als früher. In einer urkundlichen Abschrift im Gemeindearchiv vom Jahre 1666 wird das „Mühlhansenloch“ erwähnt; auch das umliegende Gelände wird unter dem Namen Eisengrube – Feld aufgeführt. Dadurch steht fest, daß die Erzausbeutung des „Mühlhansenloches“ schon vor 1666 stattgefunden hat. Nach mündlichen Überlieferungen soll auch noch ein Schachtloch vorhanden sein, welches auf unterirdische Ausbeute schließen lasse. Ob diese Überlieferung Wahrheit oder Sage ist, muß erst durch Forschungen festgestellt werden. Das „Mühlhansenloch“ muß zu einer Mühle gehört haben und war von Hecken eingegrenzt. Diese werden als „Müllers–Hecken“ schriftlich erwähnt. Die Mühle war wahrscheinlich die Dorf– oder Bornmühle (Brunnmühle), welche unterhalb des Dorfes (beim Bahnhof) gestanden haben soll.

Der Basaltbruch im Buchberg.

Im Jahre 1852 wurde der Basaltbruch entdeckt. Da der Basalt an diesem Platze an der Oberfläche zu Tage trat, wurde er abgedeckt und herausgeschafft. Diese alte Grube ist heute noch vorhanden, der Betrieb aber dauerte nur bis 1865. Die Gemeinde hat sich das Material sofort für Pflasterungen des Ortes zunutze gemacht. Im Jahre 1853 wurde das untere Dorf, in den Jahren 1859 bis 61 der übrige Teil mit diesen unförmigen Basaltsteinen gepflastert. Diese Pflasterung wurde später beseitigt und durch schöne, abgerichtete Granitsteine ersetzt, außer in der Schafgasse, die heute noch dieses alte Basaltpflaster besitzt.

13* 195 In nächster Nähe dieses Basaltloches wurde später ein Schacht eingetrieben, in dem man erst in mehr als 30 Metern Tiefe den erstklassigen Basalt, in seltener Reinheit und Güte, fand. Er wurde ebenfalls durch Seilwinde zu Tage geschafft. Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurde ein Stollen eingetrieben und der Basalt mit Rollwagen herausgeschafft. Das Gestein wurde als Straßenschotter verwendet. In den letzten Jahrzehnten wurde der Basaltbruch öfters in kleinem Maßstab betrieben. Nachdem der Betrieb nun wieder seit Jahren stilliegt, soll nun wieder mit der Ausbeute begonnen werden. Hoffentlich kommt einmal die Zeit, wo die Werte, die in dem Berg lagern, durch großzügig angelegte Unternehmungen zu Nutzen gemacht werden. Der Buchberg enthält wenige Meter unter der Oberfläche eine Schicht Rotsandstein. Der Basalt, der kuppelförmig aus dem Berginnern durch vulkanische Ereignisse in die Höhe geschoben wurde, hat auch den Rotsandstein mitgehoben. Der Rotsandstein bildet heute ein förmliches Bogengewölbe über der Basaltkuppel. Der in den letzten Jahrzehnten gegrabene Stollen wurde genau in das alte Bergwerk eingeführt. Dadurch kann das alte Schachtloch als Notausgang benützt werden. Auch eine Erzader ist noch vorhanden. Eine Besichtigung dieses Bauwerkes ist sehr interessant. Wohin man blickt, sieht man den guten, reinen Basaltstein, ohne jede Beimischung. Der Buchberg soll nach der Meinung unserer Vorfahren auch noch Steinkohlen enthalten, und zwar im Wächtelskopf. Wie man sieht, ist unsere Gemarkung reich an mineralischen Schätzen und die Nachwelt wird sich diese Schätze nutzbar machen. Die Ausbeutung des Basaltbruches wurde auch im Jahre 1928 durch einen hiesigen Ortsbürger versucht, aber wegen Einsturzgefahr und Unrentabilität wieder eingestellt.

196 Die Steinbrüche.

In nächster Nähe des Ortes, in östlicher Richtung, befinden sich die Mömlinger Steinbrüche. Es sind Rotsandsteinbrüche von vorzüglicher Qualität, die den bekannten Maintalsandsteinbrüchen gleichgestellt werden können. Der Anfang der Steinbrüche geht in die Jahre 1831 und 32 zurück, wo Fürst Löwenstein den Hof erbaute und die Steine hierzu auf seinem Grundstück „Rauschen“ brechen ließ. Bei dem Kirchenbau im Jahre 1773 hatten wir noch keinen Steinbruch. Die Steine zur Kirche wurden im Bachelsgraben, hauptsächlich in den beiden Seitengräben unter der Gemeindehecke gebrochen. Da die Gemeinde wiederum Steinmaterial brauchte, legte sie neben dem fürstlichen Steinbruch einen gemeindlichen an, und baute im Jahre 1856 die heutige Knabenschule aus Rotsandstein. Beide Steinbrüche waren bald nach ihrer Entstehung verpachtet worden. Die bedeutendsten Pächter des fürstlichen Steinbruchs waren Happel und Luft aus Wibelsbach–Heubach in Hessen und seit Anfang der 1870er Jahre das Steinmetzgeschäft Franz Arnold und Söhne aus Reistenhausen, das ihn heute noch in Pacht besitzt. Der gemeindliche Steinbruch war neben dem fürstlichen unterhalb der Gemeindehecke angelegt. Gepachtet hatten ihn die Gebr. Babilon von hier; daher der Name „Babilonsbruch“. Die Firma Arnold hat ihn hernach käuflich erworben und besitzt ihn heute noch. Später entstanden in der Waldabteilung „Judenkirchhof“ noch eine ganze Reihe von kleinen Steinbrüchen. Pächter waren Einheimische und Fremde.

197 Die Steine dieser Mömlinger Brüche gingen früher auf dem Wasserweg in alle Welt, meistens aber nach Frankfurt am Main. Die Blütezeit der hiesigen Steinindustrie war nach dem 1870er Krieg, flaute nach und nach wieder ab, um seit der Zeit des Weltkrieges, verdrängt durch den Kunststein, gänzlich aufzuhören. Der große fürstliche Steinbruch stand mehr als ein Jahrzehnt gänzlich still. Heute, im Jahre 1927, ist der Betrieb im kleinen Umfang wieder aufgenommen. In den 1880er Jahren lieferte die Firma Arnold im Wettbewerb der hiesigen Steinindustrie unter außerordentlichen Mühen und Arbeiten einen Riesenstein aus dem hiesigen Steinbruche nach Frankfurt. Der Stein wurde aber durch einen noch größeren Stein übertroffen, er kam erst an zweiter Stelle; alle Arbeit und alle Kosten waren umsonst. Diese Steinbrüche boten früher Hunderten von Arbeitern Arbeitsgelegenheit und Verdienst; sogar Ausländer, Italiener, waren zeitweise hier in Arbeit. Die hiesige Jugend lernte zahlreich das Steinhauerhandwerk und verdiente viel Geld. Heute ist der Beruf fast ausgestorben und nur noch einzelne sind in ihm tätig. Die heutige Jugend erlernt nicht mehr die Steinhauerei, sondern die Konfektionsschneiderei. Aber hoffentlich kommt auch wieder die Zeit, wo dieser vorzügliche Naturstein unserer Heimat wieder verwendet wird und wieder eine reiche Einnahmequelle für die Gemeinde bilden kann!

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198 Die Schwedenschanz

Nichts von allen in unserer Gemarkung noch vorhandenen Überbleibseln aus alten Zeiten ist so ungeklärt wie der Ursprung und der Zweck der Schwedenschanze. Schwedenschanze, von den Schweden geschaffen, die von da aus den Breuberg mit Kanonen beschossen, so stellt uns der Volksglaube dieses Erdwerk dar. Diese Erklärung steht aber im Widerspruch mit der Geschichte und der Ansicht der Altertumsforscher. Nach geschichtlichen Aufzeichnungen über den Breuberg zur Zeit des 30jährigen Krieges hat damals keine längere Belagerung durch die Schweden stattgegefunden. Die Belagerung mit Überfall der Feste Breuberg durch den Schwedischen General Ramsay 1637 dauerte nur drei Tage. In dieser kurzen Zeit konnte die Schanze nicht errichtet worden sein. Außerdem war es ja technisch ganz unmöglich mit den damaligen Geschützen von der Schanze aus den Breuberg zu beschießen. Viel glaubhafter wäre es, wenn man die Entstehung der Schwedenschanze zurückversetzte in die Zeit von 1547 oder 1552, wo die Truppen des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg unsere Gegend und den Ort verwüsteten, wo der Breuberg ein Jahr lang belagert worden sein soll. Die Altertumsgelehrten haben sich ebenfalls mit der Entstehung dieses Erdwerkes eingehend befaßt. Der eine hielt es für einen Ringwall, der in der keltischen Zeit dem Stamme mit Hab und Gut Schutz gewährte vor wilden Tieren und feindlichen Nachbarstämmen. Andere verwarfen diese Annahme, indem die Ringbildung nicht nachweisbar sei. Die Annahme, daß es sich hier um eine uralte, keltische Anbaustelle handelte, wurde bis heute gelten gelassen.

199 Die Begründung der Annahme, daß die Schwedenschanze aus vorchristlicher Zeit stamme, wird dadurch noch bestätigt, daß in der Waldabteilung Grenzberg noch drei menschliche Anbaustätten festgestellt worden sind. Die tiefen Grubenlöcher, die heute noch vorhanden sind und die man als Schneidlöcher bezeichnet, sollen noch Zeugen sein von dem Platze, wo diese Pfahlbauten gestanden haben. Da das Urteil der Gelehrten über die Schwedenschanze noch nicht abgeschlossen ist, so bleibt es wohl einer späteren Zeit vorbehalten, Ursprung und Zweck derselben zu ergründen.

Mümlingbrücken.

Im Jahre 1853 wurde die steinerne Mümlingbrücke vom Hochwasser weggerissen. Dieses geschah durch den Umstand, daß die Neustädterhofbrücke zuerst durch das Hochwasser zusammengestürzt war und dadurch das Wasser gestaut wurde. Die Brücke stand etwa 100 Meter oberhalb der Ammerbachmündung, an der Stelle, die wir noch heute „Alte Brücke“ benennen und wo noch viele Steinreste den Platz deutlich erkennen lassen. Da es in jenem Jahre nicht mehr möglich war eine neue Brücke zu bauen, wurden einige Baumstämme gelegt, um als Fußsteg zu dienen; der Wagenverkehr zum Buchberg und zur kleinen Wiesenseite ging über die Hainstädter Brücke. Im Jahre 1854 erbaute man weiter oben, wo heute die Buchbergbrücke steht, eine Holzbrücke. Dese wurde im Jahre 1871 durch eine massiv steinerne ersetzt, die heutige Buchbergbrücke. Die alte Brücke war deshalb so weit bachabwärts angelegt, weil weiter bachaufwärts Hauser Gebiet war, das eine eigene Brücke besaß. Die Steine dieser alten Brücke von Hausen, die nach alten Aufzeichnungen bei der Waid gestanden (Gänzweide), wurden im Jahre 1818 zum Bau der Wendelinuskapelle verwendet.

200 Spuren dieser alten Brücke sind ebenfalls noch vorhanden. Auf eingerammten eichenen Holzblöcken wurde die heutige Buchbergbrücke erbaut. Einfach, aber dauerhaft ist sie und kann von Hochwasser nicht beschädigt werden, da in solchen Fällen das tiefer gelegene Wiesental als Flußbett dient und die Brücke entlastet. Unterhalb der Landesgrenze geht über die Mümling noch ein Flußsteg, der bei den Heuarbeiten große Dienste leistet. Die 1853 ebenfalls zerstörte Neustädterhofbrücke wurde durch eine Holzbrücke und, nachdem diese baufällig geworden war, im Jahre 1885 durch eine zweibogige Steinerne ersetzt.

Die Wallauer Mühle.

An dem Platze, wo heute die Holzwarenfabrik von August Lehmann steht, soll früher ein kleines Mühlchen gestanden haben. Erbauer dieser Mühle soll eine Familie Wallau aus Mainz gewesen sein, daher der Name Wallauer Mühle. Unter einem Nachfolger dieser Familie, namens Fischer, soll dieses Mühlchen abgebrannt sein. Im Jahre 1851 erbauten Adam Laumeister und sein Bruder Steffen die Mühle wieder neu auf. Einige Jahre später wurde auch die jetzige Wehr– oder Wasserverteilungsanlage errichtet. Besitznachfolger waren Steingeßner, Hahn, Mohrhard und seit den 70er Jahren der Kaufmann Friedrich Lehmann aus Darmstadt. Diese Mühle, welche nur als Getreidemühle eingerichtet war, wurde von Fr. Lehmann durch Anbauten bedeutend vergrößert. Er erbaute ein Holzsägewerk mit Möbelfabrik. Hier wurden vor allem Fleischerhackklötze hergestellt, welche aus kleinen Holzteilen zusammengesetzt wurden. Weiter wurden dort jahrzehntelang große Fässer hergestellt, worin die berühmte Klingenberger Tonerde in alle Welt versandt wurde.

201 Die Herstellung von Versandkisten wurde ebenfalls viele Jahre beibehalten. Heute ist der ganze Betrieb nur auf Erzeugung von Holzwolle eingestellt. Friedrich Lehmann erbaute in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts ein Elektrizitätswerk und versah auch die Gemeinde Mömlingen mit elektrischem Licht. Dadurch hatte Mömlingen fast 20 Jahre früher als die Nachbargemeinden das schöne neuzeitliche Licht. Heute liefert das Überlandwerk das Licht für die Gemeinde und das Elektrizitätswerk Lehmann dient nur noch dem eigenen Fabrikbetrieb. Der heutige Besitzer August Lehmann erbaute im Jahre 1922 vor der Wallauer–Mühle an der Distriktsstraße Mömlingen–Obernburg ein schönes Wohnhaus im Villastil, welches dieses romantische Tal noch mehr verschönert. Viele Arbeiter und Arbeiterinnen finden in diesem gesunden Betriebe Arbeit und Verdienst.

Die Ziegelhütte

Wohl der älteste industrielle Betrieb, den Mömlingen hatte, war die Ziegelhütte. Im Jahre 1810 wurde sie nebst einem kleinen Wohnhaus von dem Ziegler Schwinn aus Hainstadt erbaut und in Betrieb genommen. Die Errichtung dieses Betriebes war in der damaligen Zeit für die hiesige Gegend von großer Bedeutung; denn es gab in der Nähe keine Ziegelfabriken, und auch die Eisenbahn existierte noch nicht, die uns diese notwendigen Baustoffe von auswärts hätte zuführen können. Fast jeder Ort hatte seine Ziegelei, wo Dachziegel und Backsteine hergestellt wurden; dabei wurde auch der zum Bauen notwendige Kalk gebrannt. Diese kleinen Ziegeleien wurden zu Anfang dieses Jahrhunderts von den großen mit Maschinenbetrieb eingerichteten Ziegelfabriken verdrängt, sie wurden arbeitslos und gingen sämtliche ein.

202 Unter einem späteren Besitzer, namens Müller, einem unternehmungslustigen und kapitalkräftigen Manne, war die hiesige Ziegelei vergrößert und auch das Wohnhaus in der heutigen Größe ausgebaut worden. Der Betrieb unter diesem Ziegler Müller muß ziemlich groß gewesen sein, in Anbetracht der Größe der Lettkaute im Wiesental, die durch ihn ausgegraben wurde. Der Lehm wurde in einer großen Grube vor der Keil gegraben, die heute nicht mehr vorhanden ist. Unter dem Besitzer Jakob Spieler ging die Ziegelhütte ein infolge der Konkurrenz der Großbetriebe. Sie wurde umgebaut und nichts läßt heute mehr erkennen, welchem Zwecke die Anlage früher 1 1 gedient hatte. Die Anwesen Nr. 2 – 2 /6 und 2 /7 sind die Gebäude der einstigen Ziegelhütte.

Das unbekannte Bauwerk auf der Engelspitze.

Im Jahre 1849 – 50 wurde die Straße gegen Pflaumheim gebaut. Zu diesem Straßenbau wurden die letzten Steinreste eines Bauwerks, das auf der Engelspitze in Richtung Land – Orlis gestanden hatte, abgebrochen und verwendet. Was war dies für ein Bauwerk? Wir wissen nichts über den Ursprung und Zweck dieses Bauwerkes, auch die mündliche Überlieferung versagt hier. War es ein römisches Bauwerk an der hier vorbeiziehenden Römerstraße oder ein Wartturm gleich dem Schaafheimer Turm? Wir wissen es nicht. Unsere Vorfahren erzählten von einem Schloß, andere wieder von einem Posthaus, das hier gestanden habe. Ein Posthaus oder eine Herberge wäre am ehesten anzunehmen, da im Mittelalter die Karawanenzüge der Kaufleute die Römerstraße noch benutzt haben Sollen. Möglich wäre immer noch, daß im Staatsarchiv zu Würzburg,

203 Geschichte Mimlingen, noch Material vorhanden wäre, das eine Aufklärung dieses Bauwerkes möglich machen würde. Weitere Angaben, die ich über dieses Bauwerk erhielt, lassen vermuten, daß es doch ein Wartturm gleich dem Schaafheimer Turm, war.

Die Räuberhöhle im Scherder.

In der Waldabteilung "Scherder" sollen im vergangenen Jahrhundert noch Spuren einer Erdhöhle vorhanden gewesen sein. Die in sich zusammengesunkene Erdhöhle sowie die Herdfeuerung aus Steinen sollen noch ganz deutlich erkennbar gewesen sein. Der Volksmund nannte diesen Erdbau „die Räuberhöhle“. Daß sich Räuber in diesem Erdbauwerk aufgehalten haben, wird auch durch mündliche Überlieferung nicht nachgewiesen. Ursprung und Zweck dieses Erdbauwerkes scheint ein anderer gewesen zu sein, als Räubern zum Aufenthalt zu dienen. Nachdem die allgemeine Centviehweide, der Orlis–busch (Pflaumheimer Wald), aufgehoben war, behielt der Ort Mömlingen die Viehweide im Land Orlis und Scherder weiter bei. Dies beweist der Weg zum Scherder, der Gemeindetrieb, der nun in Ackerland umgewandelt und verpachtet ist. Als wahrscheinlich kann man annehmen, daß diese Räuberhöhle eine Schutzhütte war, die den Viehhütern Schutz und Unterschlupf bei schlechter Witterung gewährte und zu diesem Zwecke errichtet worden ist.

Etwa 100 Meter von der Grenze des Scherder, im Großwallstädter Waldgebiet, liegt

der Pechofen.

Der Platz, wo er angelegt war ist noch deutlich erkennbar. Hier wurde aus dem Nadelholz der Harzstoff gewonnen.

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204 Die Juden

Seit 1730 hatten sich nachweisbar auch in Mömlingen Juden angesiedelt; 1820 waren es sechs Familien mit 32 Köpfen. Im Jahr 1848 sind nur vier Familien noch festzustellen; wohin die zwei fehlenden gekommen sind, ist nicht bekannt. Im Haus Nr. 49 wohnte Josef Mai; er fabrizierte Seife und trieb damit Handel; man nannte ihn deshalb den „Seifenjud“. Im Haus Nr. 143 wohnte der „Scheel–Löb“ mit seinen Töchtern. Seine Tochter, die "Gütel", hatte ein kleines Spezereilädchen. Ihr richtiger Name war Dornheimer. Im Haus Nr. 148 aber wohnten die reichsten von den hier ansässigen Juden, die Gebrüder From und Salomon Schloß. Sie hatten ein großes Manufakturwarengeschäft und waren zugleich die Geldverleiher für Mömlingen. Im Haus Nr. 52 ist noch das Geldtischchen zu sehen, darauf sich mancher hiesige Einwohner diesen beiden Geldjuden verschrieb. In jedem Türgestell dieses Anwesens, in Haus, Stall und Keller, ob Holz oder Stein, waren kleine Löcher ausgemeißelt. In diese Löcher, die teilweise heute noch zu sehen sind, waren kleine Blechbüchsen eingefügt, welche die zehn Gebote Gottes enthielten. Dafür, daß sie nicht darnach lebten und handelten, mußten die Juden im Jahre 1848 schwer büßen. Die Häuser Nr. 32 und Nr. 140 waren Judenhäuser. Das Haus Nr. 135 war zuletzt unbewohnt; es hatte als Synagoge und wahrscheinlich auch als Schule gedient. In den 1880er Jahren war das Gebetszimmer mit seinen hebräischen Bildern und Schriften noch zu sehen. In einer Nacht des Revolutionsjahres 1848 kam der Haß, den die wucherischen Juden sich hier zugezogen hatten, zum Durchbruch.

205 Männer mit geschwärzten Gesichtern schlugen Türen und Fenster der Judenläden ein und drangen in die Häuser, andere hielten Wache. Es wurde alles zertrümmert, was man zertrümmern konnte. Die Ware warf man auf die Straße, wo sie wieder aufgelesen und fortgeschleppt wurde. Die Juden selbst hatten sich versteckt und dadurch ihr Leben gerettet. Die arme Familie Dornheimer allein war verschont geblieben. Auf diese Verfolgung hin verließen die Juden das ungastliche Mömlingen. Die Familie Dornheimer war noch allein hier; doch später zog auch sie zu ihren Glaubensgenossen. Mömlingen war nun von den Juden frei und ist es auch bis heute geblieben. Als die Obrigkeit nach den Revolutionswirren wieder in Tätigkeit getreten war, folgte die Strafe für Täter und Gemeinde. Die mutmaßlichen Zerstörer und Plünderer der Judenhäuser wurden gefesselt auf einem Leiterwagen ins Gefängnis gebracht, später aber wieder entlassen, da man ihnen nichts nachweisen konnte. Wie erstaunt war man aber, als man nach einem Sonntagsnachmittags – Gottesdienst auf dem Rathausplatz Militär mit scharfgeladenen Gewehren sah! Es war eine Kompanie Jäger, die auf Kosten der Gemeinde in Bürgerquartiere gelegt wurden. Nachdem in der Gemeinde die Ruhe durch nichts mehr gestört wurde, höchstens durch Militärübungen und Appelle, zogen sie nach einem Vierteljahr wieder ab. Groß war die Trauer bei Jung und Alt beim Abmarsch der Soldaten, sie waren hier „heimisch“ geworden. Stolz erzählten und erzählen uns noch heute die Alten ihre Erlebnisse aus jener Zeit des Revolutionsjahres 1848, da Mömlingen „Garnison“ war und Militär hatte.

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206 Ortsviehweide

Nachdem die allgemeine Viehweide, wo alle Ortschaften der Zent das Weiderecht besaßen und ausübten, der Orlis–Busch, aufgehoben war, hatte Mömlingen im Scherder und Land–Orlis noch eine eigene Viehweide beibehalten. Die Übergabe des Orlis Busches an Pflaumheim soll durch ein großes Fest eigentlich Saufgelage – gefeiert worden sein. Der Kleeanbau, der eingeführt worden war, machte die beschwerliche Zentviehweide überfällig. Der Weg, den das Weidevieh benutzte, ist in Ackerland umgewandelt und verpachtet, doch heute noch erkennbar. Er beginnt oberhalb des Ortes am Kühzehl und endigt am Scherder. Als Tränke und Ruheplatz diente der Pröbelsbrunnen. Als letzte Rindviehweide war später der Kühtrieb verwendet worden. Aber auch die „Kühruh“ war ohne Zweifel früher Viehweide gewesen.

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207 Prozesse

Da das Gemeindearchiv nicht mehr vorhanden ist, können genauere Erklärungen bezüglich der gemeindlichen Prozesse nicht mehr gemacht werden. Eine Beschreibung der gerichtlichen Auseinandersetzungen mit den Herren von Breuberg kann nur nach mündlichen Überlieferungen erfolgen. Es mag zu Anfang des vorigen Jahrhunderts gewesen sein, da war die Gemeinde Mömlingen gezwungen zwei Prozesse zu führen gegen die Gemeinherrschaft Löwenstein und Erbach. Die Gemeinherrschaft machte Ansprüche auf Miteigentumsrecht am Hinterbergfeld. Darauf, daß die Gemeinde der Herrschaft die öde Flächen als Weideland überlassen hatte, mag die Annahme einer Schenkung oder eines Ersessungsrechtes begründet worden sein. Nach langem Streite, der große Erbitterung in der Gemeinde hervorgerufen hatte, wurde ein Urteil gefällt. Es wurden der Herrschaft ein Drittel, der Gemeinde zwei Drittel des Hinterbergfeldes zugesprochen, mit dem Zusatz, daß die Gemeinde ihren Anteil nehmen konnte, wo sie wollte. Die Gemeinde nahm den vorderen und hinteren Teil und legte den Anteil der Herrschaft Breuberg in die Mitte, weil hier die tiefen Gräben waren. Die Gemeinde hatte also ein Drittel des Hinterberges eingebüßt. Der zweite Prozess entstand wegen des „Hofkopfes“ und eines Teiles des „Schlotraines". Womit hier Eigentumsrechte begründet wurden, ist nicht bekannt; wahrscheinlich wurden sie auf Jagdrechte zurückgeführt. Der „Buchberg“ mit „Hofkopf“ und ein Teil des „Schlotrains“ gehörten nach alten Aufzeichnungen zu dem ehemaligen Orte Hausen. Das betreffende Terrain reichte bis zur Talschlucht hinter dem Neustädterhofe und

208 grenzte an das Eisenbacher Waldgebiet an (Lieb‘scher Hofschlag), welches dem Orte Eisenbach schon frühzeitig weggenommen und zum Neustädterhof geschlagen worden war. Alte Grenzsteine, die später aufgefunden wurden, bestätigen, daß dieser strittige Waldbestand tatsächlich zu Hausen gehört hatte. Die Eigentumsansprüche, welche die Gemeinherrschaft geltend machte, wurden von Mömlingen als Erbe von Hausen hartnäckig bestritten. Nachdem auch dieser Prozess in die Länge gezogen worden war, kam es zwischen der Herrschaft und der Gemeinde zum Vergleich: Die eine Partei erhält den Grund und Boden, die andere den Holzbestand; die Gemeinde hat das Vorrecht zum Auswählen. Die Vertreter der Gemeinde, geblendet von dem schönen Hochwald, beanspruchten den Holzbestand. Der Herrschaft verblieb also die Bodenfläche. Nachdem der Vergleich rechtskräftig geworden war, wurde die Gemeinde zum Abholzen gezwungen. Der Wald „flog“ nach der Abholzung wieder an, d. h. er wuchs ohne Kulturanpflanzung wieder auf. Die nachfolgende Generation der Gemeinde betrachtete den ihren Vorfahren „geraubten“ Wald immer noch als ihr Eigentum und holzte darin, soviel sie wollte. Als einmal ein herrschaftlicher Förster schroff dagegen einschritt bedrohten ihn die Holzer. In Notwehr, wie er angab, erschoß er einen Mann namens Gabriel Loy. Von jetzt an hielt die Mömlinger die Furcht ab, zu holzen und zu verwüsten; der Wald verblieb weiter ungestört in herrschaftlichem Besitz. Bei der Teilung des gemeinherrschaftlichen Besitzes Breuberg erhielt den Wald die fürstliche Herrschaft Erbach– Schönberg, in deren Besitz er sich heute noch befindet. Der Feldanteil des Hinterberges kam an den Fürsten Löwenstein, später durch Ankauf des Fürstl. Löwensteiner Hofes mit diesem an die Gemeinde zurück.

14 Mömlingen 209 Die Commende – Acker

In der Gemarkung Dorndiel befand und befindet sich heute noch ein Hof, dessen Äcker zwischen denen der Gemeinde liegen. Dieser Hof, der in allerfrühester fränkischer Zeit seinen Ursprung hatte, war früher eine Doppelhof. Der eine Teil war kurpflälzisch und gehörte in die Cent Umstadt, der andere Teil gehörte zur Commende Mosbach. Dieser Commendehof war 206 Morgen groß und verpachtet. Die Commende hatte ferner in der Gemeinde Dorndill das Schafweiderecht und die Berechtigung, in die Gemarkung Mömblingen einzufahren, „soweit sie ungehindert (ohne Hindernisse) fahren konnte". Aus diesem Grunde hatte Mömblingen das Wüstammerbachtal an der engsten Stelle durch Wald und Hecken abgesperrt. Die Hecken wurden aber später abgebrannt, der Wald ausgangs des letzten Jahrhunderts ebenfalls beseitigt und in Ackerland umgewandelt. Die zwischen der Absperrung und Gemarkungsgrenze liegende Fläche lag wüst. An die Mömlinger Gemarkung angrenzend hatte das Commendegut Dorndill ein Grundstück von 20 Morgen, welches der Straßen- oder Bruchacker genannt wurde. Die Pächter des Commendegutes hatten die in der Gemarkung Mömlingen zwischen Bach und Straße wüst liegende, spitz auslaufende, ebene Fläche dem Commendestraßenacker einverleibt. Die Gemeinde Mömlingen verlangte die Herausgabe dieses Grundbesitzes von der Commende, und da man dieses verweigerte, führte sie Klage bei dem zuständigen Gerichte (Vizedomamt Aschaffenburg) Die von dem genannten Gericht angeordnete Abmessung des Commendestraßenackers ergab einen Überschuß des Flächeinhaltes von 5 Morgen, 2 Viertel und 14 Ruten. Diese Überschußfläche mußte laut Urteilsspruch an die Gemeinde Mömlingen zurückgegeben werden.

210 Die beiden nachfolgenden Urkunden befinden sich im Besitze eines hiesigen Einwohners. Sie stammen aus dem Gemeindearchiv und tragen die Siegel des Vizedomamtes Aschaffenburg.

EXtractus Kuhrfürstl. Mainzischen Vicedomamts Protocolli Judinelis d. d. Aschaffenburg, den 27ten März 1789. Gemeinde Mömlingen Commende Mosbach pto Dorndieler Gutsabtretung.

In Klagesache der Gemeinde Mömlingen Klägerin an einen, entgegen und wieder die Commende Mosbach beklagen im anderen Theil, wird allen Vor– und Anbringen nach, zu Recht erkennt, daß die über den 20 Morgen an dem Acker, den sogenannten Straßen Acker sich zum überschuß befindende 5 Morgen, 2 Virtl, 14 Ruth, welche in der Mömlinger Gemarkung an- und derselb zu erkennen sei; dahingegen wird die Commende Mosbach mit ihrem allenfälligen Abgang an dem ganzen in der Dorndieler Gemarkung liegenden Gut ab 206 Morgen 1 ½ Virtl an die besizer dasiger Gemarkung verweisen;

Sententia

(55 fl. 10 Kr.l pro infinuation aschaffenburg 11. April 1789 Konrad Born vicedomamtsdiener). Als wir zum (Hochlöblichen) Vicedomamt Gnädigst verordneten Director und aßeßoren (Assesoren) also zu Recht an- und erkennen, und verweisen, die bei dieser Instanz aufgegangenen Kosten aus bewegenden Ursachen compentierend und vergleichend. V. D. Vs.

Decretum

Es wird lefung ad audiend poblic Sentent. Ad pro anberaumt, wozu beide theile vorzuladen sind.

14* 211 Continnatum d. 3ten April 1789. Erschienen Namens der Commende Mosbach Hofgerichtsrath Wolf und wurde Namend der Gemeinde Mömling, Stadthg. Cloßmann. Alles weitere ist lateinisch abgefaßt. Das Urteil wurde sofort "poblicirt". Diese Urkunde enthält das Siegel des Vizedomamtes und die Unterschrift des Amtsschreibers.

Absteinungs – Urkunde:

Extractus obernburger Stadtvogteiamltiches Protocolli juris dctionalis de dato Mömlingen am 28. Mai 1789. Gemeinde Mömlingen entgegen Commende Mosbach wegen Dorndiller Gutsabsteinung. In Gemäßheit Decrete vom 11ten dieses hat man sich anhero begeben, und mit Zuziehung des Churfürstlichen Schultheißen Johann Schneiders, der beiden Geschworenen Kloz und Lose zu Mömlingen, sodann des Churfürstlichen Schultheißen Konrad Müßig und der beiden Geschworenen Boll und Müßig zu Dordill, durch die beiderseitige Vierrechter Andreas Bräutigam, Philip Gerhard, Leonhard Klotz und Johann Henrich Vogel zu Mömlingen und Mathes Röder, Johann Boll und Jakob Müßig zu Dorndill auf den sogenannten Straßen– und Bruchacker. Wovon die Gemeinde Mömlingen unterm 27. März d. J. vom Churfürstlichen, hochlöblichen Vizedomamt per pectertiam Fünf Morgen - Zwei Viertel Zehnvier Ruthen mömlinger Gemäß – per Ruth 14 Schuhe als Eigenthum zuerkannt worden sind. Die Grenzen der beiderseitigen Gemarkungen näher bestimmende Steine in gerader Linie nach dem Grenzberg zu Sub Nris 11 und 11 ½ mit M und D 1789: gezeichnet setzen lassen; beide Steine sind 3 Schuhe lang, 10 Zoll breit, und 8 Zoll dick.

212 Sodann stehet der Stein Sub Nro 11 von jenem Nro 11 ½ in gerader Linie 19 Ruthen disstantes von einander, welches man anhero zur steeter Notiz und allenfalligen Gebrauch zu registrieren für nothwendig befunden hat: Hiernächst baten beide Ortsvorstände zu Mömlingen, und Dorndill, pro extracto protocollari von dieser Absteinung, und regiestire Grenz–Steinsetzung um selbige als Urkunde zur Gerichts-Liste zu bringen.

Pe Solutum Wird bewilligt in forma probante in fidem (Unterschrift) Stadt und Vogteiamt.

Kosten 12 Kreuzer 30 " 5 " 47 Kreuzer

Die Jesuitenäcker.

Größer als die Commendeäcker ist die Fläche der Jesuitenäcker, nämlich 10 Morgen. Sie liegen in drei Feldlagen, im Epelsloch (der Hauptteil), hinter den Wingerten und am unteren Holzberg (Backofen). Wie dieser Grundbesitz, der sich seit alten Zeiten im Besitze der Familie Bräutigam befindet, in deren und in den Besitz der Jesuiten gekommen ist, ist mir nicht möglich festzustellen, da weder mündliche noch schriftliche Überlieferungen vorhanden sind. Was ich hier aufzeichne, sind nur Vermutungen. Während des 30jährigen Krieges und darnach bis in die 1660er Jahre hatte Mömblingen, wie es damals hieß, keinen eigenen Pfarrherrn, sondern war der Pfarrei Obernburg zugeteilt. Da der Pfarrer von Obernburg nur das Allernotwendigste hier versehen Konnte,

213 ja Obernburg zeitweise selbst ohne Pfarrer war, sind, wie überall, wo Not war, die Jesuiten aus dem Jesuitenkolleg zu Aschaffenburg hilfreich eingesprungen. Nach der furchbaren Zeit des 30jährigen Krieges und der Pest hat nun jedenfalls die Gemeinde diesen furchtlosen, hilfsbereiten Männern ihren Dank abstatten wollen. Geld hatte sie nicht, aber Grund und Boden im Überfluß, also gab sie, was sie hatte. Daß die Jesuiten dieses Ackerland nicht selbst bewirtschafteten, sondern daß es als Hub– (Pacht) feld behandelt wurde, ist selbstverständlich. Pfarrer Sebastian Bräutigam, welcher von 1684 bis 1730 dahier Pfarrer war, wird als Verwalter dieses Feldes dasselbe seinem hierhergezogenen Bruder überlassen haben. Als im Jahre 1773 der Jesuitenorden aufgehoben und diese hochgebildeten Jesuiten vertrieben wurden, wurde auch ihr Ordensvermögen eingezogen. Der Grundbesitz der Jesuiten dahier verblieb, ob durch Kauf oder Ersessungsrecht, weiß man nicht, im Besitze der Familie Bräutigam, wo er heute noch ist. Das ist wohl die wahrscheinlichste Erklärung über die Jesuitenäcker.

Die Äcker in den Lösern.

Zwischen Wald und Bach, vom weißen Bildstock aufwärts bis zur Landesgrenze (Trieb), lagen die Losäcker, oder wie wir sie im Kataster eingetragen finden, die „Äcker in den Lösern". Jeder junge Mann, der heiratet und als Bürger aufgenommen wurde, erhielt auf Lebensdauer ein Stück Ackerland, 110 Dezimalen, von der Gemeinde unentgeltlich zugewiesen. Die Zuteilung geschah durch das Los, daher der Name Losäcker. Bei dem Tode eines Inhabers ging das Grundstück an die Gemeinde zurück und ein anderer junger Bürger erhielt es wieder durch das Los zugeteilt.

214 Wie sich in anderen Orten, wie Eisenbach und Obernburg, dieser Brauch bis heute fortgesetzt hat, ist er hier seit ungefähr 100 Jahren aufgehoben. Die ehemaligen Losäcker sind heute Eigentum der Bürger, und nichts erinnert mehr an den früheren Brauch als der Name „Äcker in den Lösern".

Weinbau.

Alle Ortschaften waren früher gezwungen Weinbau zu treiben, ob sich die Lage oder der Boden dazu eignete oder nicht, denn sie mußten den zum kirchlichen Gebrauche nötigen Wein liefern. Weinhandel wie heute gab es fast gar nicht, und weinbautreibende Orte hatten die Städte und Adeligen zu versorgen. Nach Aufzeichnungen im Archiv zu Breuberg lieferte die Stadt Obernburg den Herren zu Breuberg ihren Wein, trotzdem die südlichen Abhänge des Breubergers mit Wein angepflanzt waren. Auch unser Ort hatte seinen Weinbau, und er soll keiner von der schlechtesten Sorte gewesen sein, der hier gewachsen ist. Alte Leute von hier und Umgebung erzählen uns noch von dem guten „Hoafenberger“, den sie für wenige Kreuzer getrunken haben. Auch an den Kirchweihtagen wurde hauptsächlich in der „Krone“ eigenes Gewächs, der „gute Hoafenberger,“ verzapft. Der Wirt zur „Krone,“ Vogel war der letzte Weinbauer dahier. Die Feldlage „Hoafenberg“ (soll eigentlich heißen „Heißer Berg“), wo die Mömlinger ihre Weinberge hatten, war gut geeignet zum Weinbau und es ist zu bedauern, daß der Weinbau nicht weiter betrieben wurde. Der Hoafenberg ist wie von der Natur geschaffen zum Weinbau. Der Abhang ist steil, der Boden besteht größtenteils aus Sand und Sandgeröll, und der erste und letzte Sonnenstrahl kann ihn bescheinen.

215 Wenn das Gelände nicht in so viele kleine Parzellen Zerlegt wäre, hätte man den Weinbau vielleicht längst wieder aufgenommen, wie es in umliegenden Orten, in Pflaumheim, Großostheim usw. bereits geschehen ist. Oberhalb der Wingerte steht heute noch ein großes steinernes Kreuz, in der Nische soll das Bildnis des hl. Urbanus gestanden haben. Alljährlich am Urbanustag wurde eine Prozession zu diesem Kreuze abgehalten, um Gedeihen des Weinstocks zu erbitten. Daraus ersieht man, daß unsere Vorfahren um das Gedeihen des Weines sehr besorgt waren. Auch in den „Rauschen“ wurde ein Weinberg angelegt; sein Wein soll aber die Güte des „Hoafenberger“ nicht erreicht haben. Im „Kühzehl“ war ebenfalls vermutlich Wein angepflanzt, denn eine Feldbenennung nennt sich „Bei den Kühzehlswingerten". Für die Prozesion in „die Wingerte“ zu Ehren des hl. Urbanus und für andere Umgänge erhielt der Pfarrer je ½ Viertel Wein.

Hanfbau.

Der heutigen Jugend ist es nicht mehr bekannt, wie sich ihre Urgroßeltern kleideten und sich ihre Kleidung selbst herstellten. Es war der Hanfbau, der unsere Bevölkerung die Kleidung früher lieferte, und erst vor ungefähr 40 Jahren ein Ende nahm, dadurch, daß Fabriken entstanden, welche mit ihren Maschinen die Handarbeit ablösten und Kleiderstoffe schneller und besser herstellten. Dem heutigen Geschlecht, das sich in Samt und Seide kleidet und sich die Mode aus Paris holt, möchte ich einmal vor Augen führen, mit welcher Arbeit, Zeit und Mühe unsere Vorfahren sich ihre Kleidung herstellten. Die Jugend möge manchmal daran zurückdenken an ihre Urgroßmutter und Vergleiche anstellen zwischen der Kleidung von einst und jetzt.

216 Die Herstellung der Kleidung, wie sie unsere Vorfahren ausführten, ging folgendermaßen vor sich: Der Hanfsamen wurde im Frühjahr gesät wie das Getreide. Die frühreifen Stengel wurden aus dem Hanffeld herausgenommen (gefehmelt). Der Hanf wurde abgeerntet und auf den Wiesen ausgelegt, Wochen, ja Monate lang. Im Frühjahr wurden mannstiefe Gruben gegraben und darin Feuer unterhalten, auf welchem der Hanf geröstet wurde. Vom Feuer hinweg kam er auf die „Breche“, ein Holzwerkzeug, durch das Holz und Fasern der Stengel getrennt wurden. Sodann wurde er „gehechelt“, das heißt, das letzte Holz wurde von den Fasern beseitigt und diese ausgesondert in feine und grobe Fasern. Hierauf kam die Hauptarbeit, das Spinnen, welches den ganzen Winter andauerte und von den Frauen und Mädchen ausgeführt wurde. Diese gingen mit dem Spinnrad an den langen Winterabenden abwechselnd auch in andere Häuser, wo sie oft in großer Anzahl ihre Arbeit ausführten (Spinnstube). Das gesponnene Garn kam dann zum Weber. Hier gab es deren mehrere. An den Winterabenden kamen die Männer bei den Webern zusammen und es wurde behauptet, daß fast jeder Bauer durch das viele Zusehen die Weberei erlernt habe. Das feingesponnene Garn wurde zu feiner Leinwand, das grobe zu Sackleinen für Wagentücher und Säcke verarbeitet. Ersteres wurde zunächst auf die Wiesen in den Wiesgärten zur Bleiche ausgelegt, bis es genügend weiß war. Der Teil, der für Hemden, Bettleinen usw. bestimmt war, blieb weiß, der andere Teil kam in die Färberei. Etwas einfacher war die Herstellung von Wollkleidungsstücken, wozu die Wolle zuvor ebenfalls gesponnen werden mußte.

217 Heute haben uns die Fabriken diese Arbeit abgenommen und stellen Gewebe her, die an Feinheit und Schönheit fast nicht mehr zu steigern sind. Die Geräte, wie sie zur Herstellung der Kleidung notwendig waren, sind hier noch zu sehen, nur der Webstuhl fehlt; für ihn gibt es auch in Zukunft keine Verwendung mehr.

Zwetschgendörre.

Wenn man in obst- und vor allem zwetschengreichen Jahren zur Zeit der Reife auf unseren Ort blickt, sieht man rings um denselben bei Tag und Nacht Rauch aufsteigen. Das sind Zwetschgendörren, die mehrere Wochen in Betrieb sind. Auf diesen Dörren oder Darren wird Obst, hauptsächlich Birnen und Zwetschgen, geräuchert und führ Jahre haltbar gemacht, um als Nahrungsmittel verwendet zu werden. Die Anlage dieser Obstdörröfen ist eine Eigenart der hiesigen Einwohner. Andere Orte der Umgebung haben die Einrichtung abgesehen und versuchen sie nachzumachen. Jeder weiß, wie bekömmlich und gesund dieses geräucherte Obst für den Menschen ist. Die Anlage einer solchen Obstdarre ist einfach. Es wird ein etwa 4 Meter langer Kanal gegraben, in aufsteigender Richtung, mit Steinplatten und mit Erde überdeckt. Am unteren Ende erhält er das Brandloch, am oberen Teil wird die Dörrhorde eingegraben. Diese ist von Holz, ungefähr 1,50 Meter lang, 1,20 Meter breit, der Boden ist siebartig. In diese Horde kommt das Obst und wird mit einem Bretterdeckel überdeckt. Im Brandloch brennt das Feuer, der Rauch geht durch den Kanal nach der Obsthorde um hier langsam durch die Löcher hindurch zu ziehen und dabei das Obst zu räuchern. Das fertig geräucherte Obst wird dann von Zeit zu Zeit abgelesen und durch frisches ersetzt; so geht es weiter, bis die Dörrung beendet ist. Vorsicht ist hier am Platze, denn bei zu starker Feuerung verbrennt Darre und Obst.

218 Straßen und Wege

Die Distriktstraße Obernburg–Hainstadt (Hessen) wurde im Jahre 1834–35 in der Planierung, 1838–40 endgültig fertig gebaut. Die schöne Pappelallee vom Ort zur Wendelinuskapelle und von da bis zum Bildstock wurden gleichzeitig mit angepflanzt. In den 1880er Jahren wurde sie auf der Strecke vom Ort zur Wendelinuskapelle entfernt und durch Obstbäume ersetzt, die heute noch zum Teil stehen. Der andere Baumgang zum Bildstock wurde durch Silberpappeln ersetzt. Durch den Bahnbau schon mußte ein Teil entfernt werden, der Rest wurde 1927 beseitigt. Diese Anlagen waren eine Zierde für Straßen und Ort. Die Verbindungsstraße nach Pflaumheim wurde im Jahre 1849 – 50 in der Fron gebaut. Die Gemeinde hatte eine Grundentschädigung von 2300 fl. zu leisten. Die Straße gegen Waldamorbach–Dorndiel war ein schlechter Feldweg, auf dem man zweimal durch das Wasser des Amorbaches fahren mußte; noch später erbaut. Die Pflasterung der Ortsstraße mit Basalt geschah von 1853 bis 1861. Der Bachelsgraben wurde 1859 eingeebnet und im Jahre 1861 ebenfalls mit Basaltsteinen gepflastert. Der frühere Graben des Amorbaches wurde 1864 ausgepflastert, in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts kanalisiert. Heute ist Mömlingen fast ganz mit Granit– und Basaltsteinen umgepflastert. An den Feldwegen wurden sehr wenige Neuanlagen und Verbesserungen ausgeführt. Der Kreuzstraßenweg ging neben dem Bachelsgraben bis zum Bildstock am Scherder, dann bog er rechts ab zum Höhefeld. Abwärts ging er über das Gebiet der heutigen Steinbrüche durch den Kirchgraben und führte dort,

219 wo das Haus Nr. 182 steht, in die Ortsstraße (nach einem alten fürstl. Plan). Die Gemeinde verbreiterte den Auffahrtsweg neben dem Bachelsgraben, kaufte bei der „Krümm“ aufwärts den Boden an, um die hohe Steigung auszuschalten, verbesserte den Weg, der zum Kreuze führte, und nannt ihn Kreuzstraße. Die früheren Flurgänge am Himmelfahrtsfeste zum Mühlbachflur (heute Höheflur) gingen auf dem Kreuzstraßenweg aufwärts und durch den Kirchgraben abwärts. Bei einer solchen Himmelfahrtsprozession unter Pfarrer Wolf, die nachmittags abgehalten wurde, soll ein schweres Gewitter niedergegangen sein. Alle Teilnehmer flüchteten, den Pfarrer fast allein lassend. Daraufhin wurde der Flurgang abgekürzt und nicht mehr bis zum Höheflur abgehalten. In den 1880er Jahren wurde der Weg von der Keil zum Hinterberg gebaut. Der beste und notwendigste Feldweg wurde nach Beendigung des Weltkrieges erbaut. Von der Pflaumheimerstraße geht er aufwärts zur Engelspitze, Lichtplatte bis zum Höhefeld. Ein bei der Engelspitze sich links abzweigender Teil geht zum Land–Orlisfeld. Ein großer Feldteil ist dadurch leicht zu bewirtschaften und liefert reichere Ernten. Die meisten Feldwege aus alter Zeit warten noch auf Verbesserung. Unsere breiten Waldwege sind in den letzten 50 Jahren zweckmäßig angelegt und ausgebaut worden. Es ist heute leicht, auf diesen guten Waldwegen die schwersten Lasten abzufahren. Wenn man die noch sichtbaren uralten, steil angelegten Waldwege betrachtet, staunt man und fragt sich, wie es möglich war, diese Wege zu befahren. Wenn unsere Nachkommen später die Feldwege so gut und zweckmäßig ausbauen, wie die Waldwege es heute sind, wird die Bewirtschaftung unseres Feldes viel leichter und der Ertrag viel größer sein.

220 Hans Memling

Einer der größten Maler in der christlichen Kunst, der Flämisch – Niederländischen Schule (Renaissance) war Hans Memling. Unter ihm und seinen Zeitgenossen, den Brüdern van Eick, entstand eine neue Periode der niederländischen Kunst, die Ölmalerei. Der Strenge der alten Zeit folgte die geschmackvolle Milderung der neueren Zeit, und die Bilder, die Hans Memling geschaffen hat, sind von anmutiger Liebenswürdigkeit. Die vielen Kunstwerke im Rahmen dieser Beschreibung aufzuzählen und zu erklären ist nicht möglich; sie zählen zu den bedeutendsten Werken der christlichen Kunst, befinden sich in verschiedenen Ländern, Kirchen, Klöstern, Kunstmuseen und im Privatbesitz. Abschrift aus „Hans Memling und die Renaissance in den Niederlanden“ von Dr. Walter Rothes, Verlag der allgemeinen Vereinigung für christliche Kunst, München, Renatastraße 6: „Hans Memling stammt nach einer vor nicht langer Zeit aufgefundenen Notiz, die in das 15. Jahrhundert, also noch in des Künstlers Zeit hineinreicht, aus dem Gebiete der Diözese Mainz. Und da es einen Ort Mömlingen in der Nähe von Aschaffenburg gibt, so haben wir allen Grund anzunehmen, daß er dort geboren wurde. Sein Geburtsdatum ist nicht überliefert, doch wird es gegen 1440 anzusetzen sein, da seine ersten nachweisbaren Gemälde kurz vor 1470 entstanden sind, und bei aller Größe der Kunstfertigkeit im Vergleich zu seinen späteren Arbeiten eine gewisse Jugendlichkeit verraten. Urkundlich ist Memling zuerst im Jahre 1478 erwähnt, dann folgt eine Reihe von Angaben über Werke seiner Hand und seine Familienverhältnisse bis zu der Nachricht, daß er am 11. August 1494 in Brügge gestorben ist. Dort wurde er im Kirchhof von Sankt Ügidius begraben.

221 Die Gildenverzeichnisse führen Memlings Namen nicht, woraus der Schluß gezogen wurde, daß er im Dienste Karls des Kühnen gestanden hat und durch diese Hofstellung befreit war, sich in die Gilde aufnehmen zu lassen. Aus verschiedenen Nachrichten geht ferner hervor, daß Memling, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen aller Zeiten, sehr wohlhabend gewesen ist. Auch andere Forscher erklären übereinstimmend, daß die Geburtsstätte dieses Künstlers zweifellos im Erzstift Mainz gewesen ist. Der einzige Ort, welcher aus dem Ruhm, Geburtsort von Hans Memling zu sein, Anspruch machen kann, ist wohl unser Heimatort Mömlingen. Von 1024 bis zur Auflösung des Kurmainzer Staates, 1803, gehörte Mömlingen zum Kurmainzer Staatsgebiet. Mömlingen führte in frühester Zeit den Namen Mimling, auch Memling. Der Name Memling ist auf einem alten Marterlstein vom Jahre 1717 zu finden, und auch in der Volkssprache nennt man Mömlingen heute noch Mimling = Memling. Nach der Sitte damaliger Zeit zeichneten die Künstler ihre geschaffenen Werke mit ihrem Vor– und Ortsnamen, den Familiennamen, obwohl dieser ebenfalls schon im Gebrauch war, erwähnten sie nicht. Da wir also den Familiennamen von Hans Memling nicht wissen, ist es fast unmöglich sicher nachzuweisen, daß er ein Kind unseres Heimatortes ist. Schon vor Jahrzehnten hatte Pfarrer und Distriktsschulinspektor Grünewald es sich zur Aufgabe gemacht, Ursprung und Heimatort von Hans Memling zu ergründen. Auch eine Reise, die er nach Brügge, der Arbeitsstätte Memlings, unternahm, hatte keinen Erfolg. Er starb, ohne sein Ziel erreicht zu haben. Mömlingen hatte in früheren Zeiten eine Anzahl Höfe und auch ein hochadelig Gut, welches verschiedene Adelsgeschlechter im Laufe der Jahrhunderte in Besitz hatten. Dieses hochadelige Gut, das unter dem Namen „Schneidtsches Hofgut“ am Ausgang des 18. Jahrhunderts an die Gemeinde kam und

222 von heute noch die Gebäude vorhanden sind (Siehe der Schneidtsche Hof S.185), soll nach der Vermutung Grünewalds als Geburtsstätte von Hans Memling in Betracht kommen. Er nimmt an, daß er einem dieser Geschlechter oder auch der Familie eines Verwalters oder Pächters entsprossen sei. Das Gemeinde– und auch das alte Kirchenarchiv ist vernichtet, das neue Kirchenarchiv beginnt mit dem Jahre 1673, sonstige schriftliche Aufzeichnungen aus früherer Zeit sind hier nicht mehr vorhanden. Die Gemeinde Mömlingen selbst wird wahrscheinlich niemals im Stande sein, einwandfrei nachzuweisen, daß aus ihr der hochberühmte Künstler Hans Memling hervorgegangen ist.

Von oder van Hör?

Noch vor einigen Jahrzehnten führte die hier ansässige Familie Hör den Namen „von Hör". Nachforschungen nach Wappen und Stammbaum ergaben, daß im deutschen Adelsmatrikel von diesem Namen nichts stand. Die Folge dieses Bescheides war, daß die Behörde das Weiterführen des Wörtchens „von“ verbot. Die mündliche Überlieferung und das Pfarrbuch berichten die Einwanderung dieser Familie von den Niederlanden. Damit ist anzunehmen, daß es das Niederländische „van“ war, welches mit dem deutschen Adel nichts zu tun hat.

Allerlei Begebenheiten.

Als im Jahre 1637 der Breuberg kaiserliche Besatzung hatte, wollte der schwedische General Ramsey den Breuberg überraschen und wegnehmen, was ihm aber nicht gelang. Dem Breuberg wurde ein Regiment Kroaten, welche rote Mäntel trugen, zu Hilfe geschickt. Die Schweden fielen über diese kaiserlichen Hilfstruppen her und zerstreuten sie. Die Kroaten flüchteten in die umliegenden Orte.

223 In dem Orte Raibach leisteten sie den Schweden Widerstand, wodurch ein Teil des Ortes niedergebrannt wurde. Auch Mömblingen, wie es damals hieß, wurde von diesen halbwilden Horden schwer heimgesucht. Sie kamen in unseren Ort, raubten den Einwohnern Lebensmittel, Kleider und alles, was sie mitnehmen konnten. Es entstand der Spruch, den wir von unseren Vorfahren oft hören konnten: „Er stiehlt wie ein Rotmantel". Der Ausgangs des 18. und der Anfang des 19. Jahrhunderts war eine Leidenszeit für die Gemeinde. Die Durchzüge der französischen Revolutionstruppen mit ihren unerhörten Plünderungen hielten die Bevölkerung stets in Aufregung und Schrecken. Fortgesetzt wurden diese Durchmärsche und Einquartierungen durch französische kaiserliche Truppen unter Napoleon I., dem wir Vasallendieste leisten mußten, und zuletzt durch die Verbündeten, Napoleons Gegner. Im Jahre 1776 floh der französische General Jourdan, bei Amberg und Würzburg geschlagen, durch unsere Heimatgegend dem Rheine zu. Im Jahre 1799 rief General Albini im Spessart und in der Maingegend den Landsturm auf, wozu auch Mömlingen seinen Anteil stellte, um das Vorrücken einer französischen Armee aufzuhalten, was jedoch nicht gelang. Die Franzosen rückten auf dem linken Mainufer bis Amorbach vor und besetzten das Land bis zum Friedensschluß 1801. Obernburg war Etappenstation, Mömlingen blieb verschont. In den Napoleonischen Kriegen gegen Österreich, Preußen und Rußland mußte Mömlingen die Lasten, welche die französischen Durchmärsche mit sich brachten, tragen wie andere Orte auch. Nachdem Napoleon 1804 Kaiser geworden, das Kurfürstentum Mainz zerschlagen und das Fürstentum Aschaffenburg errichtet worden war, wurde alles nach französischem Muster eingerichtet.

224 Fürst Karl Theodor mußte Napoleon für seinen Zug nach Spanien 1809 aus seinem Fürstentum Hilfstruppen stellen, unter denen auch Mömlinger waren (Spanier). Die zurückgekehrten konnten erzählen von den großen Flüssen und dem wütenden Volke, das sich die Herrschaft Napoleons nicht gefallen ließ. Im Jahre 1812 zog eine Abteilung Soldaten, in der die Mömlinger stark vertreten waren, nach der preußischen Festung Glogau, um die französische Besatzung zu verstärken. Das 14. Linieninfanterieregiment bei denen auch die Mömlinger nicht fehlten, stellte Fürst Karl Theodor dem Korsen 1812 auf seinen Feldzug nach Rußland, wo es vollständig zu Grunde ging. Im Winter 1812 auf 1813 kamen die französischen Rekruten in ihren Bauernkleidern nach Aschaffenburg marschiert, wo die Armee des Marschalls Rey gebildet und von deutschem Gelde ausgerüstet wurde. Die Kompanien lagen in Aschaffenburg und den umliegenden Orten und wurden jeden Tag auf der Ebene des Bachgaues einexerziert. Täglich marschierten diese unglücklichen Truppen zwei, drei Stunden weit zu den Regiments–, Brigade– und Divisionsübungen und zurück bis sie im März den vereinigten Armeen der Preußen und Russen entgegengeführt wurden. Ob auch unser Heimatort von Truppen dieser Armee belegt war, ist nicht festzustellen. Nach der Schlacht bei Hanau am 30. und 31. Oktober 1813 flüchteten aufgelöste Truppenteile der Großen (französischen) Armee durch unseren Ort, nahmen teilweise Quartier und eilten dem Rheine zu. Am 2. November kamen schon die preußischen freiwilligen Studentenkops, und diesen folgte nun die russische Armee, welche ihr Winterquartier im Fürstentum bezog.

15 Mömlingen 225 Auch Mömlingen erhielt einen Teil, und zwar Kosaken. Die russische Armee verblieb bis zum halben Dezember und zog dann langsam dem Rheine zu. Die Kosaken, die wir hier in Quartier hatten, waren keine Feinde, sie gehörten zur Verbündeten–Armee; trotzdem haben sie sich viele Gewaltakte erlaubt, wie uns von den Alten berichtet wurde. Durch die Rückkehr Napoleons von der Insel Elba, 1815, begann der Krieg aufs neue. Im Juni kamen abermals die Russen und marschierten durch das Fürstentum und unseren Heimatort. Das 14. Linienregiment in Aschaffenburg, welches aus Spessarter und Bachgauer Rekruten völlig neu gebildet worden war, zog als Kgl. Bayerisches Infanterieregiment im Zentrum der Verbündeten- Truppen gegen Paris, das sich aber ergab, ehe die Bayern dasselbe erreicht hatten. Eine zwei Jahrzehnte andauernde Kriegszeit hatte ihr Ende gefunden. Hunger und Not waren in den beiden letzten Kriegsjahren nicht entstanden, denn die Jahre 1811, 1812 bis 1815 waren fruchtbare Jahre. Nach der Schlacht bei Hanau und auch später noch, trat hier eine Krankheit auf, die man noch nicht kannte, und die zahlreiche Opfer forderte. Man nannte sie die Russenkrankheit. Es war der Kriegs– oder Hungertyphus, den die halbverhungerten Franzosen auf ihrer eiligen Flucht von Leipzig her mitgebracht hatten. In jener schweren Zeit hatten wir französische Gesetze und alles andere war nach französischem Muster eingerichtet. Die Kosten, die der Gemeinde in diesen Kriegszeiten entstanden waren, müssen sehr große gewesen sein. Der „große Wald“ (Breiteichel und Salzrain), ein schöner stattlicher Hochwald, mußten gefällt und verkauft werden,

226 um die entstandenen Schulden zu decken. Auch an den Staat mußten viele Jahrzehnte hindurch Kriegssteuern bezahlt werden (Russensteuer). In jenen Kriegsjahren war Jakob Hohm Maire, (Bürgermeister) und Heinrich Vogel zum Löwen Adjunkt (Stellvertreter). Die Kriegsfolgen waren noch nicht überwunden, so brach schon wieder anderes Unheil über die Ortsbevölkerung herein. Das Jahr 1816 war ein Regenjahr, wie man ein solches noch nicht zu verzeichnen war. Die Ernte konnte nicht eingebracht werden, sie verfaulte gänzlich auf dem Felde. Ein folgenschweres Ereignis für die Gemeinde ! Die Bevölkerung hatte kein Brot, und die Gemeindevertretung mußte Getreide auswärts aufkaufen lassen, das sie an die Bevölkerung verteilte. Das folgende Jahr 1817 war nicht viel besser, und 1818 mußte bekanntlich vom Staate Getreide verteilt werden, damit die Bevölkerung nicht verhungerte. In jener Zeit kostete nach den Aufzeichnungen meines Großvaters: 1 Malter Korn 40 bis 60 Gulden, 1 Laib Brot 1 Gulden, 1 Mas Kartoffeln 1 Gulden. Daß auch die hiesigen Männer an den Feldzügen Napoleons teilnehmen mußten, beweist das steinerne Kreuz, das einen heimkehrenden Krieger, der angesichts seines Heimatortes im Schnee stecken blieb und erfror, errichtet wurde. Die Inschrift des Steines sagt uns, daß er in des Franzosenkaisers berühmter Garde gedient hatte. Im Pfarrbuch dahier befinden sich Einträge, wonach drei Mömlinger in Glogau a. d. Oder in einem Lazarett an den Folgen des Krieges verstorben sind. Aus Spaniens Hauptstadt wurde ein Totenschein hierhergesandt, wonach ein Mömlinger namens Giegerich, in Napoleons Heere dienend, dort gestorben ist. Wie viele hiesige Männer unter des Welteroberers Fahne gekämpft haben, wissen wir nicht, aber mancher Mömlinger Sohn wird in fremder Erde ruhen und kein Totenschein wird hierhergelangt sein.

15* 227 Am 19. Oktober 1863 wurden einige Fuhren Reisigwellen auf den höchsten Punkt der „Höhe“ gebracht, turmartig aufgeschichtet und angezündet. Nach und nach flammten überall im Maintal und im Spessart auf den Höhen die gleichen Feuer auf, begleitet von Flintenschüssen. Was bedeuteten diese Feuer in der dunklen, kalten Oktobernacht und was wollte die Menschenmenge, die die Feuer umgab? Man feuerte die 50ste Wiederkehr der Schlacht bei Leipzig, wo des Weltbezwingers Macht von den verbündeten Völkern endgültig gebrochen worden. Fünfzig Jahre Frieden, darum die Freude und die Freudenfeuer des Volkes. Die 1750 bis 1760er Jahre war eine Zeit der Wolkenbrüche und Hochwasser. In dieses Jahrzehnt fällt auch die Erwählung der Heiligen Johannes von Nepomuk und Wendelinus zu Schutzheiligen der Gemeinde, nämlich 1756. Die Jahre 1850 bis 1860 waren ein Jahrzehnt der Trockenheit und Dürre. Der Bachelsbrunn und der Amorbach waren ausgetrocknet, die Brunnen wurden geschlossen, das vorhandene Trinkwasser wurde verteilt. Die Einwohner holten ihr Wasser in der Mimling. Daß besonders die Landwirtschaft unter der Trockenheit zu leiden hatte, ist selbstverständlich. Das Jahr 1893 war ebenfalls ein Jahr der Trockenheit und Dürre. Vom Frühjahr bis zur Hälfte des August fielen nur leichte Niederschläge ohne jede Bedeutung. Heu gab es fast gar keines, die trockenen Wiesen konnten nicht gemäht werden, denn sie waren von der glühenden Sonne ausgebrannt. Getreide gab es sehr wenig. In der letzten Hälfte des August erst kam Regen und Wachstum. Grummet gab es so viel, wie in sonstigen Jahren Heu, Herbstfutter sehr viel und die Hackfrüchte lieferten einen reichhaltigen Ertrag.

228 Was in diesem Jahr geerntet wurde, war wenig aber gut und man kam auch mit wenigem aus. Oft hörte man sagen: „Die Sonne scheint keinen Bauer aus dem Land“. Es mag in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gewesen sein – das Jahr ist nicht mehr festzustellen – da trat Anfang Juli, als das Korn in Blüte stand, ein starker Schneefall ein. Mit Stangen und Seilen schüttelten die Einwohner den Schnee von dem Korn ab, damit es nicht von der Last des Schnees zu Boden gedrückt wurde. Diese Saat lieferte keine Körner, man hatte mit dem Schnee auch die Blüten abgeschüttelt. Wo man es der Sonne überlassen hatte, den Schnee zu beseitigen, war der Körnerertrag ein guter. Am 30. Juni 1885 zog ein schweres Unwetter aus südwestlicher Richtung heran. Es wurde fast dunkel und die Einwohner eilten vom Felde dem Orte zu. Ein Wolkenbruch ging über Ort und Gemarkung nieder. Die Ortsstraßen wurden zu Strömen, alles mit sich reißend, Wagen und Eggen, Baumstämme und Brücken, aber auch Menschen. In der Bachets wohnend, wollten sie ihren Wagen in Sicherheit bringen, wurden aber samt den Wagen von den Fluten erfaßt und mitgerissen. Am Rathausplatz wurde die Frau gerettet, der Mann, namens Josef Vetter, mußte ertrinken; seine Leiche wurde am nächsten Tage aus der Mümling geländet. Gemarkung und Ort hatten durch diesen Wasserunfall großen Schaden erlitten. Im Jahre 1908, am 5. Juni, hatten wir einen großen Hagelschlag. Im Vergleich zu diesem waren die früheren Hagelschläge als unbedeutend anzusehen. Der größte Teil der Einwohner war auf dem Felde mit Köhlpflanzen beschäftigt und wurde von dem Unwetter überrascht. Im Ortsbereich fielen die Hagel in Größe eines Taubeneies, im Hintersberg aber als faustdicke Eisklumpen. Nach dem Schmelzen dieser Eisklumpen bildete sich Hochwasser. Mit blutenden Wunden und Beulen bedeckt, erreichten mit vieler Mühe und Not Menschen und Tiere ihr Heim.

229 Aber wie sah es im Ort und in der Gemarkung aus! Alle Feldfrüchte in der Hagelzone waren zerschlagen, wie wegrasiert vom Erdboden und vom Schlamm überdeckt. Die Wege waren zerrissen und nicht mehr fahrbar, das Ackerland durchrissen mit tiefen Gräben. Das Getreide lag am Boden; es lieferte bei der Ernte weder Körner noch Stroh, es wurde teilweise gar nicht erst gedroschen, Mehl und Saatgetreide mußten auswärts eingeführt werden. Diese Naturschickung war die furchtbarste, die ich erlebt habe; sie war viel schlimmer als die des Hochwassers 1885. Unsere Nachbargemeinde Dorndiel, die ebenfalls mitbetroffen wurde, gedenkt dieses furchtbaren Tages durch Arbeitsenthaltung und Gebet, es ist ein gelobter Feiertag. Die Gemeinde Mömlingen verewigte ihn durch ein gelobtes Amt, welches an diesem Tage alljährlich gehalten wird. Die Begebenheit des Revolutionsjahres 1848 sind an anderer Stelle schon beschrieben. Die Ausschreitungen, die hier vorkamen, richteten sich gegen die hier ansässigen, wucherischen Juden. Im Jahre 1866 hatten wir Durchmärsche der Badenser, dann der vom Odenwald herkommenden Österreicher, die zwischen Hainstadt und Mömlingen lagerten. Die Ortseinwohner brachten ihnen Erfrischungen, saure Milch, Wasser usw. Auf diesem Durchmarsche wurde in Hainstadt ein österreichischer Soldat standrechtlich erschossen. Er hatte auf Frauen, die am Brunnen Wasser holten, und auf den Korporal, der ihn daraufhin festnehmen wollte, geschossen. Er war aus Venetien und liegt in Hainstadt begraben; wahrscheinlich hatte er einen Sonnenstich. Zuletzt kamen die Preußen und bezogen sogar Quartiere hier. Furcht und Schrecken war in der Bevölkerung, aber ohne Grund, den die Preußen haben sich hier musterhaft betragen.

230 Das Vieh, das man in die Wälder getrieben hatte, aus Furcht vor Requirierungen, konnte wieder heimgeholt werden. Die Kriegsteilnehmer kamen sämtlich unverwundet zurück; ihre Namen sind auf dem Kriegerdenkmal eingezeichnet. An dem Kriege 1870–71 haben 52 hiesige Männer teilgenommen. Alle kehrten unverwundet zurück bis auf einen, der vor Paris den Tod fand, allerdings nicht im Kampfe. Der die Wache ablösende Leutnant hatte sich eine Zigarette angezündet, was vom Fort St. Antonie aus bemerkt wurde. Ein Granatschuß der Franzosen tötete Wilhelm Boll.

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231 Mömlingen während der Kriegszeit 1914 – 18

Mobil – ein Wort, welches bei den Alten Schrecken, bei den Jungen große Begeisterung hervorrief. Die ersten einberufenen Männer zogen mit Musik zur Bahn, unter Blitz und Donner und wolkenbruchartigem Regen. Ein böses Vorzeichen der Natur, aber man achtete nicht darauf, die Begeisterung war zu stark angeregt durch die Erzählung der Kriegsteilnehmer von 1870. Man wollte hinter den Vätern und Großvätern nicht zurückstehen, sich Ruhm und Ehre erwerben und siegreich heimkehren in die Heimat. Aber es kam anders, der Krieg war in einem Vierteljahr nicht zu Ende, wie sie geglaubt hatten, vier Kriegsjahre mußten überstanden werden. Die Mömlinger Krieger waren tapfer; wo es hieß: „Freiwillige vor!“ Waren sie dabei, die meisten dieser Helden kamen nicht mehr zurück. Auf allen Kriegsschauplätzen kämpften Mömlinger, im Westen und Osten, auf dem Balkan und am schwarzen Meer. In der langen Kriegsdauer wurden nach und nach über 500 Männer und Jünglinge zum Kriegsdienste einberufen. 70 haben ihr Leben lassen müssen und ruhen fast sämtlich in fremder Erde. Eine traurige Zeit, kaum der Schule entwachsene Jünglinge wurden einberufen und nach einigen Wochen lagen sie tot auf den Schlachtfeldern. Ich will nun kurz berichten, wie es daheim im Orte selbst zuging. Fünfhundert Männer, ein Viertel der hiesigen Bevölkerung, standen im Kriegsdienst; was noch daheim war, waren ältere Männer, Frauen und Kinder. Diese sollten 1200 Hektar Ackerboden bewirtschaften, zuletzt mit Hilfe von kriegsgefangenen Russen, Franzosen und Marokkanern. Was die Frauen an Arbeit, Sorgen und Entbehrungen mitmachten, ist kaum zu glauben, zu vielen kam dann noch die Nachricht vom Tode des Mannes oder Sohnes oder Bruders.

232 Auch diese schwersten Schläge mußten noch ertragen werden. Die Sorgen für die Kinder, für die Wirtschaft, für Haus und Vieh und Feld, alles lag auf den Schultern der schwachen Frauen. Wahrlich ! Unsere Frauen waren fast noch größere Helden als die Männer auf den Schlachtfeldern und die späteren Generationen können sich keine Vorstellung davon machen, was ihre Mütter und Großmütter in dieser Kriegs-, eigentlich Leidenszeit erduldet haben. Daß der Ertrag in der Landwirtschaft zurückging, zurückgehen mußte, ist leicht begreiflich; denn die Bewirtschaftung konnte nicht in der seitherigen intensiven Weise betrieben werden. Etwas noch nicht Dagewesenes wurde eingeführt und vermehrte das Ungemach und die Sorgen der Bevölkerung: es war die Zwangsbewirtschaftung und Rationierung der Lebensmittel. Die Zwangsbewirtschaftung war, nachdem die Vorräte aufgebraucht waren, notwendig, um das deutsche Volk vor dem Verhungern zu schützen. Aber die Art, wie sie hauptsächlich gegen das Landvolk durchgeführt wurde, mußte die bittersten Gefühle und den heftigsten Widerwillen bei der Landbevölkerung hervorrufen. Alles wurde rationiert, d.h. jeden Verbraucher sein Teil an Lebensmittel zugewiesen. Auch der Bauer konnte über seine Erzeugnisse nicht verfügen. Der Plan der Rationierung war so reichhaltig, daß man Bücher darüber schreiben könnte. Wer sich gegen die Vorschriften verfehlte, wurde mit den schwersten Geld– und Haftstrafen belegt. Was Mömlingen erduldete, kann und darf man hier nicht aufzeichnen. Ein Schwerarbeiter erhielt 1 Pfund Brot für den Tag, oder Kartoffeln, einige Gramm Fleisch in der Woche. Leichtarbeiter und Kinder erhielten noch weniger; dazu kam etwas Milch und Zucker, wenn solches überhaupt vorhanden war.

233 Auch der Bauer erhielt seine Rationen zugeteilt an Brot, Kartoffeln, Schlachtfleisch, Milch, Eier, Ölfrucht usw.; was er mehr erzeugte, mußte er abliefern. Auch nach Beendigung des Krieges (9. Nov. 1818) dauerte dieser Zustand weiter, er wurde nach Jahren erst abgebaut. Für alle Lebensmittel und Gebrauchsartikel mußten Karten, Bezugs– oder Berechtigungsscheine erworben werden. Ohne diese Scheine erhielt man nichts. Kaffee Seife, Tabakwaren (man baute selbst Tabak) und viele andere Artikel gab es jahrelang garnicht mehr, Bier und Wein waren zu Wasser geworden, auch Kleidung und Schuhwerk erhielt man nur auf Bezugsscheine. Diese Scheine stellte die Ortsbehörde aus. Was für Berechtigungsscheine brauchte man in dieser Zeit? Mahlerlaubnisscheine für 20 Pfund Getreide für die Person im Monat. Ölfruchtschlagscheine. Milch–, Brot–, Kartoffel– und Eierscheine fielen für Selbstversorger (Bauern) weg. Man brauchte Fleischkarten, Zucker– und Mehlkarten. Man brauchte Erlaubnisscheine zum Schlachten von Schweinen oder Rindvieh und Scheine zum Ankauf und Verkauf von Vieh. Zuwachs durch Jungvieh durch Geburt und Abgang durch Todesfälle mußten sofort gemeldet werden bei Vermeidung von hohen Geldstrafen. Schlachtvieh wurde ohne Rücksicht einfach weggenommen. Wie man nur an diesen Aufzeichnungen ersieht, hatte die Gemeinde eine Leidenszeit mitzumachen, wie noch niemals seit ihrem Bestehen. Alles wurde mit der größten Härte und Rücksichtslosigkeit durchgeführt, und die Wegnahme von Lebensmitteln und anderem fanden erst nach Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse ihr Ende. Das deutsche Volk hat Jahre mitgemacht, von denen sich die Nachwelt keine Vorstellung machen kann. Während der Kriegszeit mußten alle Gegenstände aus Metall, auch 2 Kirchenglocken, zur Herstellung von Kriegsmaterial abgeliefert werden. Gold– und Silbergeld sollte abgeliefert werden, was auch fast restlos geschah.

234 Das Kleingeld, welches seit 1873 in Gebrauch war, wurde eingezogen und durch Eisen– oder Aluminiumgeld ersetzt. Die Reichsbank errichtete noch Dutzende von Druckereien zur Herstellung von Papiergeld. In den Jahren 1920 – 22 stellten alle größeren Betriebe, Fabriken, Städte und Städtchen selbst Papiergeld her (Notgeld). Der Wert des Papiergeldes nahm vom Jahre 1916 an immer mehr ab, um im Jahre 1923 den tiefsten Stand zu erreichen. Es war eine Zeit eingetreten, die in der Weltgeschichte einzig dasteht, denn alle Bürger des Deutschen Reiches waren Millionäre und Milliardäre geworden. Diese Zeit nannte man Inflationszeit (Aufblähungszeit). Als es so nicht mehr weiter ging, wurde dem Schwindel Einhalt getan, das Geld feststehend gemacht und die Billion auf eine Mark festgesetzt. Die Millionen– und Milliardenscheine wurden wertlos, und neues Geld trat an ihre Stelle. Alle Bargeldeinlagen bei Kassen, Banken usw. waren durch diese Zustände wertlos geworden, wenn sie auch vor dem Kriege in Gold eingelegt waren. Dies war ein neuer, harter Schlag auch für viele aus der hiesigen Bevölkerung. Der Fleiß und Sparsinn der Ortsbewohner hatte es zuwege gebracht, daß mehrere Hunderttausend Goldmark auf der hiesigen Darlehenskasse festlagen, die ihnen im Alter und in Notfällen einen Schutz geboten hätten. Dieses Barvermögen ging bis auf etwas Aufwertunsgeld verloren. Es war das besonders hart für alte alleinstehende Personen, die im Alter von ihrem Zinsgroschen leben wollten; sie waren zu Bettlern geworden. Auch dieser Schlag, der allen Sparsinn vernichtete, mußte überwunden werden, und langsam läßt die Zeit auch diese Wunden heilen.

235 Nach dem Kriegsende, dem Zusammenbruch, nach der Heimkehr der Krieger traten hier Erscheinungen auf, die ich ebenfalls vermerken muß. Es war eine Zeit der Tanzwut ausgebrochen. Man dachte nicht an den Zusammenbruch und die Revolution, an die Millionen von Toten und Verstümmelten, man fragte nicht, was werden uns die Sieger auferlegen, man tanzte. Die Jugend tanzte jeden Sonn– und Feiertag und hätte auch die Werktage durchgetanzt, wenn sich Musikanten zum Aufspielen gefunden hätten. Die Behörde war diesem Unfug gegenüber selbst machtlos. Nur langsam gelang es, diese unsinnige Tanzerei einzudämmen und zu beseitigen. Ein anderes Vorkommnis, das sich kurz nach der Revolution hier abspielte, hätte für Mömlingen die schwersten Folgen haben können; glücklicherweise verlief es aber harmlos. Etwa ein Dutzend leichtsinniger Obernburger, junge sozialdemokratische Männer, mit Militärgewehren bewaffnet, versuchten unsere Kirche aufzubrechen, um für den Juden Eisner, den bayerischen Räteministerpräsidenten, nach seiner Ermordung das Trauergeläute zu erzwingen. Sie drangen auch in das Pfarrhaus ein und verlangten die Kirchenschlüssel, die ihnen aber vom Pfarrer standhaft verweigert wurden. Vor der rasch angesammelten drohenden Volksmasse zogen sie sich trotz ihrer geladenen Gewehre zurück und verschwanden, ohne ihr Vorhaben ausgeführt zu haben.

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236 Der Waldhannes

In den 1870er und 1880er Jahren lebte in Mömlingen ein Mann, der einzig bleiben wird in unserer Geschichte. Es war der Waldhannes, den das ältere Geschlecht noch gut im Gedächtnis haben wird. Wenn Fremde diesen Menschen in den Ortsstraßen erblickten, glaubten sie einen Urmenschen aus einem anderen Erdteil vor sich zu haben. Seine Kleidung waren Stiefel, Hose, Rock und Hut, das Hemd benutzte er als Unterhose, indem er die Beine durch die Hemdärmel gezwängt hatte. Die Hose war durch einen Strick um die Hüfte festgebunden und der untere Hemdteil hing darüber. Dadurch hatte der Mann ein seltsames Aussehen. Er wusch sich auch niemals, weshalb seine Hautfarbe dunkelbraun war, wie bei einem Araber. Das Kopfhaar reichte oft bis auf die Schultern, bis sich mitleidige Menschen erbarmten und es ihm abschnitten. Der Bart konnte eine große Länge nicht erreichen, da er von Zeit zu Zeit abbrannte. Die Kleider starrten vor Schmutz und überall sah man an ihnen herausgebrannte Löcher. Jedes Jahr erhielt er eine neue Bekleidung von der Gemeinde, auch mitleidige Menschen versahen ihn mit Kleidungsstücken. Nahrungssorgen hatte er ebensowenig, wo er hinkam, erhielt er zu essen. Aber er bettelte niemals, eher wäre er verhungert; er wollte auch nichts umsonst haben; als Entgelt für Kleidung und Essen brachte er den Leuten Kienspäne, die er in der Rocktasche mitführte. Seine Sprache war ein fast unverständliches Gemisch von Deutsch und Französisch, aus dem man seine Erlebnisse nicht erfahren konnte. Er wohnte im Armenhaus und seine Lagerstätte war der Fußboden. Die Gemeinde hatte ihm des öfteren ein Strohbett geschaffen, aber das war zwecklos; nach einigen Tagen ging es jedesmal in Flammen auf.

237 Fast täglich ging er in den Wald, wo er sich den Kienspan und anderes Brennmaterial holte, Reisig, wie es die Störche zum Nestbau verwenden. Der Mann war geisteskrank, hatte fast keine lichte Augenblicke, war aber so harmlos wie ein Kind. Er tat niemals Menschen oder Tieren etwas zu Leid, die Einwohner waren seinen Anblick gewöhnt und hatten ihn gern. Not litt er keine, er war genügsam, ein Stückchen Brot reichte ihm. Oft teilte er es noch mit den Gänsen auf der Ortsstraße. Wer war nun dieser Mensch und wie kam er in diesen Zustand? Zur Aufklärung und damit sich die Jugend an dem Schicksal des Waldhannes ein warnendes Beispiel nehme, will ich das wenige erzählen, was ich von seinem Lebensschicksale erfahren konnte. Er stellte sich oft in meinem Hause ein, verrichtete kleinere Arbeiten, putzte z. B. die Schuhe, was er als gelernter Schuster sehr gut verstand. Johann Wernig war sein Name, er hatte Schuster gelernt und kam später als stolzer Bursche zum bayerischen Militär. Hier gefiel es ihm nicht, er wurde fahnenflüchtig, ging nach Frankreich und kam zur Fremdenlegion nach Afrika. Zu dieser Zeit hatte Napoleon III. von Frankreich den Habsburger Prinz Maximilian als Kaiser von Mexiko eingesetzt, den aber die Mexikaner nicht annehmen wollten. Napoleon verpflichtete sich, dem neuen Kaiser eine Schutztruppe zu stellen. Zu dieser Schutzgarde verwendete man auch die Deutschen und Österreicher in der Fremdenlegion und Johann Wernig kam auf diese Weise nach Mexiko. „Ich habe den Maxel nur ein einziges Mal gesehen“, sagte er oft zu mir, „nur ein einziges Mal, er stand auf der Veranda in Puebla“ (Hafenstadt).

238 In Mexiko war Wernig nicht lange; Napoleon entzog Maximilian die Schutztruppen und dieser wurde nach dem Abzug am 19. Juni 1867 in Queretaro von den Mexikanern erschossen. Johann Wernig kam von Mexiko aus nach Cochinchina (Asien). Auf der Seereise dorthin traf ihn der Sonnenstich und er wurde geisteskrank. Er kam zurück nach Frankreich und wurde gänzlich mittellos über die Grenze nach Deutschland geschafft. Wie er den Weg über den Rhein in seinen Heimatort gefunden hat, ist nicht geklärt worden. Es war zur Herbstzeit, da wurde eine Gestalt beobachtet, die vom „Judenkirchhof“ (Wald) aus sich Kartoffeln und Rüben von den Feldern holte. Niemand kannte ihn, niemand wußte, wer er war. Nachforschungen ergaben, daß er in einer Steinbruchshütte hauste und er der ehemalige Schuster Johann Wernig war. Er kam ins Armenhaus und lebte noch 25 Jahre in geistiger Umnachtung, wie ich es zu Anfang geschildert habe. Man hatte ihn im Wald gefunden, er ging täglich in den Wald, deshalb nannte man ihn den Waldhannes. Die Jugend möge sich des Lebensschicksales dieses Mannes stets erinnern, wenn Abenteuerlust sie verführen will; es soll sie abhalten, sich jenem Heere der Fremdenlegion, in dessen Reihen sich leider so viele verirrte deutsche Söhne befinden, je zu verschreiben.

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239 Die Holzdraisine

Unser Ort hatte in den 1880 Jahren auch einen „Erfinder". Es war ein Schreiner, der ein Fahrzeug baute, welches ein Vorläufer des heutigen Autos war. Der Wagen hatte vier ziemlich hohe Räder; darauf befand sich der Sitz für den Fahrer, ein Steuer und zwei Tretklappen. Der Fahrer saß auf einem Sitzkasten, mit den Händen führte er das Steuer und mit den Beinen bewegte er die Tretklappen auf und nieder. Dadurch wurde das Fahrzeug fortbewegt und auf guten Straßen entwickelte es eine ziemliche Geschwindigkeit. Damals kamen die ersten dreiräderigen Fahrräder auf, Draisine genannt, daher nannte man dieses ganz aus Holz hergestellte Fahrzeug Holzdraisine. Als die Metallfahrzeuge immer zahlreicher wurden, benutzte der Erfinder das seinige nicht mehr, es stand noch lange im Schuppen und wurde später vernichtet. Es wäre wirklich wert gewesen in einem Museum aufbewahrt zu werden, der Nachwelt zur Betrachtung von „einst und jetzt".

Die Pest

Nach kirchlicher Aufzeichnung wurde im Jahr 1400 in unserem alten Kirchlein ein neuer Altar errichtet. Welcher von den beiden Seitenaltären es war, ist nicht vermerkt; anzunehmen ist aber, daß es der Josefsaltar war. Auf diesen stellten unsere Vorfahren die Bildnisse des heiligen Sebastian und Rochus, welche als Helfer gegen ansteckende Krankheiten, insbesondere aber gegen die Pestseuche angerufen wurden. Diesen Standort auf dem Josefsaltar haben sie auch in der neuen Kirche behalten und besitzen ihn noch heute. Die Festtage dieser beiden Pestheiligen wurden früher hochfeierlich begangen, wie man sich noch des Sebastianitages erinnern kann.

240

Zugloch, Pestbahre und Grenzpflug aus älterer Zeit

Heute werden sie nur noch kirchlich gefeiert durch ein gelobtes Amt für die Gemeinde. Die Pestkrankheit war im 15. – 16. und 17. Jahrhundert die schwerste Heimsuchung der Völker, auch unseres Heimatortes. Wenn Mimlingen auch nicht ganz ausstarb wie Hausen, Biebigsheim bei Wenigumstadt, Ringenheim bei Ostheim, Mainhausen und Nülkenheim und viele andere, so hatte der Ort doch schwer unter dieser Seuche gelitten, am meisten im 30jährigen Kriege. Wie oft und in welchen Jahren die Pest hier auftrat, ist nicht genau festgestellt worden, da das alte Pfarrbuch vernichtet ist das heutige im Jahre 1673 erst angelegt wurde. Die von der Pest dahingerafften Ortseinwohner wurden auf der Pestbahre ohne Sarg und oft ohne Priester zur Nachtzeit fortgeschafft und begraben. Vielfach wurden vom Ort entfernt eigene Friedhöfe angelegt (Pestfriedhöfe). Hier ist nichts von einem solchen bekannt, doch ist es nicht ausgeschlossen, daß auch hier ein solcher Pestfriedhof gewesen ist. Seit jenen Zeiten sind wir Gott sei Dank von einer solchen schrecklichen Krankheit verschont geblieben. Nur durch die Pestheiligen auf dem Josefsaltar werden wir an jene schrecklichen Zeiten unserer Vorfahren erinnert.

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16 Mömlingen 241 Sitten und Gebräuche

Die Spinnstube.

Wohl eine der ältesten Arbeiten, die der Mensch ausführen mußte, war die Beschaffung der Kleidung. Nach der Bekleidung mit Tierfellen verfertigte man die Kleidung aus Wolle und Pflanzenfasern. Die meiste Arbeit verursachte das Spinnen, welches eine Winterbetätigung des weiblichen Geschlechtes war. Um sich in den langen Winterabenden auch bei der Arbeit unterhalten zu können, wählten die jungen Spinnerinnen bald dies oder jenes Haus, wo sie sich mit ihren Spinnrädchen zusammenfanden und diese Spinnarbeit in Gemeinschaft ausführten. Diese Zusammenkünfte, wo Wolle, Hanf, Flachs usw. gesponnen wurde, nannte man Spinnstuben. Dieser Brauch bestand auch hier, und unsere Vorfahren erzählten uns noch manche Begebenheit aus jener „schönen, abergläubischen Zeit". Daß die männliche Jugend bei diesen Zusammenkünften nicht fehlte und zur Unterhaltung und Kurzweil beitrug, versteht sich. In diesen Spinnstuben wurden oft auch andere starke Fäden gesponnen, stark genug, um zwei junge Menschenkinder für das ganze Leben miteinander zu verbinden. Diese Spinnarbeiten mußten beim brennenden Kienspan oder beim Rapslicht ausgeführt werden; eine andere Beleuchtung gab es damals noch nicht, auch kein Petroleum. Noch einmal im Lauf der Zeiten kam das Spinnrad in Verwendung. Es war während und nach dem Weltkriege, wo man Schafwolle für Strümpfe spann. Dies mag wohl die letzte Verwendung des Spinnrades gewesen sein, denn die heutige Jugend hat die Spinnkunst nicht mehr erlernt. Textilfabriken haben den Spinnrädern und Spinnstuben ihr Grablied gesungen. Nur in Museen wird das Spinnrad, das oft sehr kunstvoll hergestellt war, noch gezeigt.

242 Die Klapperbuben.

Ein uralter Brauch hatte sich bis in dieses Jahrhundert hier erhalten. An den letzten Tagen der Karwoche übten die Klapperbuben ihre Tätigkeit aus. Nachdem die Glocken am Gründonnerstag verstummt waren, riefen die Buben die Ortseinwohner zum Gottesdienst. Mit Holzklappen und Rumpelkästen, die großen Lärm verursachten, zogen sie durch alle Straßen und Gassen und riefen zum ersten, dann zum zweitenmal zur Kirche. Zum drittenmal machten sie den Rundgang durch den Ort und unter dem Lärm ihrer Handwerkszeuge riefen sie „Zusammen“, und die Gläubigen begaben sich zur Kirche. Dreimal am Tage machten die Klapperbuben auch den Rundgang zum „Ave Maria“, wobei sie riefen: „Ave Maria, gratia plena, der Engel brachte Maria, daß sie Mutter sei(st), sie empfing vom heiligen Geist". Neunmal am Tage wurde also dieser Rundgang von den Schul– und noch nicht schulpflichtigen Buben ausgeführt unter kräftiger Benützung ihrer Lärmwerkzeuge, bis das Erklingen der Osterglocken ihrer Tätigkeit ein Ende machte. Dieser uralte Brauch, die Gläubigen zur festgesetzten Zeit zum Gottesdienste auf diese Weise zu versammeln, mag entstanden sein, als man noch keine Uhren, besonders noch keine Kirchenuhren hatte. Damals, als der Ort noch klein war und nur wenige Buben diese Aufgabe ausführten, mag es vollkommen seinen Zweck erfüllt haben. Nachdem sich aber der Ort stark vergrößert hatte, hatte auch die Zahl der Klapperbuben zugenommen, es waren nicht mehr einzelne oder Dutzende, nein Hunderte, denn keiner blieb zurück. Von dem Lärm ihrer Werkzeuge und dem Geschrei beim Ausrufen kann sich nur der eine Vorstellung machen, der es miterlebt hat; der beim Ursprung gewiß zweckmäßige und löbliche Brauch war zum Unfug ausgeartet. Die Ortsbehörde war nicht im Stande diesen Unfug abzustellen.

16* 243 Der damalige Ortspfarrer Grünewald wurde zur Mithilfe aufgefordert, er verweigerte es aber, diesen uralten Brauch abschaffen zu helfen. Erst seinem Nachfolger gelang es im Jahre 1903, diesen nicht mehr zeitgemäßen Brauch, der eine Entheiligung der stillen Kartage war, vollständig zu beseitigen. Die heutige Jugend weiß nichts mehr davon, und wenn sie in der Rumpelkammer eine alte Klapper findet und den Großvater, der noch ein Klapperbub gewesen, fragt, so wird er ihr die Arbeit und die Pflichten der Buben erzählen. Die Kinder werden gewiß aufhorchen und sagen. „Großvater, das war aber eine schöne Zeit, die Zeit der Klapperbuben". In Obernburg ist die Sitte des Klapperns an Stelle der „nach Rom gereisten Glocken“ noch im Schwung. Eier, dürre Zwetschgen werden gesammelt. Die Einwohner geben gerne diese Lebensmittel für das Klappern.

St. Nikolaus.

Ebenfalls ausgerottet ist ein anderer alter, christlicher Brauch, nämlich die Beschenkung der braven Kinder durch den hl. Nikolaus (Pelznickel) mit Süßigkeiten, Obst, Nüssen, Kleidungsstücken usw. Was von dieser Sitte noch übrig geblieben ist, kann unter „alten Sitten und Gebräuchen“ nicht mehr aufgeführt werden, denn es ist zum großen Unfug und zu nächtlicher Ruhestörung ausgeartet. Auch dieser uralte, christliche Brauch wird in nicht allzulanger Zeit vollständig verschwunden sein.

Walpurgisnacht.

Am Vorabend von Walpurgistag ging der besorgte Hausvater oder die Mutter von Tür zu Tür und schrieb mit Kreide oder Kohle die Anfangsbuchstaben der hl. drei Könige: K + M + B daran, um das Haus vor den Hexen,

244 die in dieser Freinacht auf einem Besen nach dem Blocksberg reiten, zu schützen und vor Schaden zu bewahren. Auch dieser Brauch ist vollständig verschwunden.

Maibaum.

Von Sonnwendfeuer und Maibäumen ist hier nichts bekannt, doch war ein ähnlicher Brauch hier vorhanden. Jeder neugewählte Vorsteher, später Bürgermeister, erhielt bei seinem Amtsantritt eine große, mit Bändern geschmückte Fichte vor seine Wohnung gestellt, wo sie monatelang stehen blieb. Während dieser Brauch in früherer Zeit fast regelmäßig in Anwendung kam, habe ich ihn in den letzten 40 Jahren nur ein einziges Mal beobachten können.

Patengeschenke.

An Neujahr erhalten die Kinder von ihrem Taufpaten eine große Brezel und „Bubenschenkel“, zu Ostern einen gebackenen Osterhasen. An beiden Tagen kommen sie zu den Taufpaten, wünschen ihnen ein glückliches neues Jahr bzw. ein glückliches Osterfest und erhalten genannte Geschenke.

Der Christbaum war früher nur in reicheren Häusern zu finden, heute steht er auch in der ärmsten Hütte. Früher recht ärmlich, nur geschmückt mit etwas Lebkuchen und Obst nebst einigen Herzchen, ist er in den letzten Jahrzehnten durch den Christbaumschmuck der Glasarbeit glitzernd und strahlend geworden. Durch seine Ständer, Krippen, elektrische Lichtkerzen und vieles andere wird er von Jahr zu Jahr verschönt. Die Christbaumfeiern haben bedeutend zugenommen; daß aber die Anbetung und Verehrung des Jesukindes zugenommen hätte, bezweifle ich!

245 Am Christabend legt jeder fromme Bauersmann seine Heubündel unter den Sternenhimmel, um sie in dieser Weihnacht vom Gnadentau des neugeborenen Weltheilandes befeuchten zu lassen. Dieses Heu erhält das Vieh als erste Weihnachtsgabe. Es soll die Haustiere vor Unglück und Seuche bewahren.

Die Faschingstage werden hier, wie überall, mit Musik und Tanz, mit schönen und unschönen Maskenaufzügen gefeiert. An schönen, ehrbaren Fastnachtsvergnügungen erfreut sich Jung und Alt. Aber es hat sich in diesen Tagen ein großer Unfug eingestellt: der Bettel. Viele Gruppen kleiner und großer „Masken“ ziehen von Haus zu Haus, erpressen Geld, Fleisch und Eier bei den Bauern, Zigarren, Schokolade und noch vieles andere in den Kaufgeschäften. Dieser beschämende Auswuchs muß beseitigt werden und das volkstümliche Faschingsvergnügen wieder an dessen Stelle treten.

Das Kirchweihfest.

Nach Beendigung der religiösen Kirchweihfeier beginnt die weltliche mit Musik und Tanz, Alt und Jung freut sich auf diesen Tag, denn die Feldarbeit ist an Martinikirchweih beendet und ein Sprichwort sagt: „Schwere Arbeit, frohe Feste". Große Vorbereitungen werden getroffen, denn am Kirchweihfest soll und darf nichts fehlen, wenn auch das ganze Jahr über sparsam hausgehalten werden muß. Wochenlang zuvor setzen die Hausschlachtungen ein und drei Tage und Nächte werden Kirchweihkuchen gebacken. Aus Nah und Fern erscheinen die Kirchweihgäste, um sich bei einer richtigen „Bauernkirb“ zu laden und zu vergnügen. Viele Ortskinder, die sonstwo ihren Wohnsitz haben und das ganze Jahr über nicht heimkommen – an Kirchweih stellen sie sich so sicher ein, wie die Schwalben im Frühjahr.

246 Drei Tage lang wird gefeiert, und wenn die Feier vorüber ist, ohne Streit und Schlägerei, welche „Vergnügungen“ früher häufig damit verbunden waren, sagt man sich: es war doch schön gewesen bei unserer Kirchweih, und freut sich schon wieder auf die nächste. Heutzutage ist das Kirchweihvergnügen in den Tanz– und Wirtschaftsräumen viel teurer geworden, bei Braten und feinen Weinen. Unsere Vorfahren waren genügsamer und feierten „die Kerb“ billiger, sie aßen ihren Kirchweihkuchen und tranken dazu den hier gebauten, guten „Hoafenberger“, den Schoppen zu sechs Kreuzer. Ein alter Brauch war früher hier üblich. Eine Gruppe junger Tanzburschen zog mit Gesang und Musik, unter Begleitung der Dorfjugend, außerhalb des Dorfes und holte „die Kirb". Sie kamen zurück mit einem bändergeschmückten Fichtenbäumchen und steckten dieses auf den Schild der Wirtschaft, in der sie ihre Kirchweihfeiern eigentlich vertanzen wollten. Hier mit nahm die weltliche Kirchweih ihren Anfang. Am Dienstag Abend machten sie denselben Gang, aber ohne Musik, mit Weinflaschen, Hacken und Spaten ausgerüstet, und begruben die „Kirb“. Nach Absingen, eigentlich Abjohlen von Liedern tranken sie den Wein, zertrümmerten die Flaschen, warfen sie in die aufgeworfene Grube und deckten sie mit Erde. Diese Kirb war begraben, die Feier beendet, Schluß mit ihr, es lebe die folgende.

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247 Gemarkungs- und Landesgrenzsteine

Um eine Verletzung der Gemarkungsgrenze zu verhindern zogen unsere Vorfahren mit dem auf dem Rathausspeicher heute noch vorhandenen altertümlichen Pflug die Grenzfurche. In diese Grenzfurche setzte man später den Grenz- und Gemarkungsstein. Dieser ist einfach bearbeitet, trägt auf unserer Gemarkungsseite den Anfangsbuchstaben unsere Gemeinde M, auf der anderen Seite den Anfangsbuchstaben des Angrenzers. Alte Breuberger Steine tragen den Buchstaben B = Breuberg, R bedeutet in jeder Feldabteilung (auch Wald) Rödergut, L . W . R . = Löwenstein–Wertheim–Rosenberg. Die Grenzsteine des Jesuitenfeldes tragen die Jahreszahl 1743 und die Buchstaben I – H – S. Das Schneidtsche Hoffeld die Jahreszahl 1754 und die Buchstaben G – H – V – S. Lieb`sche Grenzsteine aus älterer Zeit tragen die Jahreszahl 1744, jüngere den Buchstaben L (Lieb), die Jahreszahlen 1811 und 1835. In der Waldabteilung „Salzrain“ befinden sich drei Jagdsteine. Die eine Seite trägt das Kurmainzer Rad, die andere ein Jagdhorn, die Buchstaben S und B, die Jahreszahl 1807. Die zwei Commendegrenzsteine tragen die Buchstaben M = Mömlingen, D = Dorndiel, Jahreszahl 1789. Im Jahre 1928 wurde ein über 1 Meter hoher Säulenstein beim Schlaggraben ausgegraben. Dieser Stein kann nur als Hauser- Mömlinger Gemarkungsgrenzstein angesehen werden, da man ehemals diese Feldlage als Grenzlinie beider Orte bezeichnete. An der Landesgrenze gegen Hessen befinden sich zwei Arten von Grenzsteinen. Der ältere Teil trägt auf der einen Seite das Kurmainzer Rad, auf der anderen Seite den springenden Hessischen Löwen und die Inschrift: Großherzogtum Hessen, Königreich Bayern. Ein anderer Teil aus neuerer Zeit trägt die Buchstaben G – F = Großherzogtum Frankfurt, F – P = Fürst Primas, 1810

248 Der wichtigste und größte Grenzstein befindet sich auf dem Grenzberg (ehemals Lehensberg genannt). Der Volksmund nennt ihn wegen seiner Größe „den hohen Stein“. Er steht trotz der hohen Gebirgslage in sumpfigem Boden (ehemalige Wildschweinschwemme) und soll seine an Manneshöhe reichende Größe durch Senkung eingebüßt haben. Immerhin hat er noch eine stattliche Höhe, und man merkt, daß dieser Stein früher große Bedeutung gehabt haben muß. Diese Vermutung ist auch richtig, denn er diente drei Ländern als Grenzstein. Er führt die Jahreszahl 1668, trägt auf der einen Seite das Kurmainzer Radwappen, auf der anderen die Wappen– von Kur– und Fürstenpfalz und Hessen–Darmstadt. Der angrenzende hessische Ort Waldamorbach hatte bis zur Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) Pfälzische und Breuberger Rechte. Die Feldlage nennt sich am „Soul“. Die Bewohner von Hainstadt nennen den „hohen Stein“ den Dreigrenzenstein. Im Buchberg, Waldabteilung „Dreiangel“, befindet sich ein Stein, der nicht Grenz– oder Jagdgrenzstein ist. Es ist ein Orientierungs- oder Aufklärungsstein der in militärischer Hinsicht von Bedeutung ist. Auf dem Höhefeld an der Obernburger und Eisenbacher Gemarkungsgrenze (Lauterhof) befinden sich drei Steine mit Wappen; es ist aber heute noch nicht festgestellt, welches Geschlecht dieses geführt hat. Es zeigt einen Eichbaum, darunter ein Wildschwein und drei Eicheln. Die Feldlage nennt sich Gottfriedshecke (Cottewitzenhecke).

Feldvermessung

Die Feldvermessung fand in Mömlingen und Umgebung von 1848 bis 1852 durch geprüfte Vermessungsbeamte, Geometer, statt.

249 Die Eigentümer mußten ihre Grundstücke „abstecken“, Sie wurden dann abgemessen, berechnet und der Flächeninhalt sowie die laufende Nummer (Plan–Nummer, urkundlich eingetragen (Kataster). Die Grenzzeichen waren aus Holz; heute werden nur noch Rotsandsteine hierzu verwendet. Die Güter der Herrschaft Breuberg, des Schneidtschen Hofes, der Commende und Jesuiten sowie die Grenzen der Ortsgemarkung waren schon im 18. Jahrhundert mit Grenzzeichen aus Rotsandstein versehen worden, welche Namen, Zeichen und Jahreszahlen tragen. Heute sind auch Wege, Straßen, Bahngelände usw. mit Grenzsteinen versehen. Für die Überwachung, Erneuerung usw. sind in jeder Gemeinde vier Männer verpflichtet, die Feldgeschworenen, früher Vierrechter (Viergericht) genannt. Diese maßen in früherer Zeit die Grundstücke mit Ruten (Stange von über vier Meter Länge) und berechneten den Flächeninhalt nach Dezimalen. Heute geschieht die Berechnung nach dem neuen Maß, in Ur und Hektar. Die Einteilung benannte sich in viertel, halbe und ganze Morgen sowie in Tagwerk. Das kleinste Flächenmaß war 1 Dezimale. 1 Dezimale = etwa 3,35 Quadratmeter 1 Rute = 5 Dezim. = etwa 16,67 Quadratmeter aufgerundet 17 Quadratmeter 1 viertel = 40 Rt. = 200 Dezim. = 7 Ur 1 halber Morgen = 400 Dz. = 80 Rt. = 14 Ur 1 ganzer Morgen = 800 Dz. = 160 Rt. = 28 Ur 1 Tagwerk = 1000 Dz. = 200 Rt. = 35 Ur

Die Hausnummern

Sind wahrscheinlich nach 1830 eingeführt worden, denn der Fürstliche Hof, der 1831 erbaut wurde, besitzt eine eigene laufende Nummer, keine Bruchnummer.

250 Das Anwesen der früheren Schule hatte die Nr. 116. Bei dem Bau der heutigen Knabenschule wurden noch zwei Häuschen angekauft, abgebrochen und der Platz zum neuen Schulbau verwendet. Dadurch hatte die Knabenschule drei Hausnummern auf sich vereinigt, nämlich 116, 117 und 118. Nicht mehr vorhanden sind die Nummern 20 und 85. Das Haus Nr. 20 an der Bachstraße wurde von der Gemeinde erworben und beseitigt. Das Haus Nr. 85 stand im Bachelsgraben und wurde vom Hochwasser mitgenommen; auf dem Platze wurde eine Scheuer erbaut.

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251 Hecken-Grenzen

Der noch auf dem Rathaus vorhandene Grenzpflug scheint nicht lange in Benutzung gewesen zu sein, denn er zeigt wenig Abnützung. Es war auch eine mühevolle Arbeit, mit Ochsen oder Mauleseln auf steinigem Boden durch Hecken und Buschwerk die Grenzfurche zu ziehen. Nach dem 30jährigen Kriege wurde nur das dem Orte naheliegende Feld bebaut, alles übrige lag wüst und war mit Buschwerk und Hecken bewachsen. Allerdings nicht sehr lange, denn nach urkundlichen Aufzeichnungen vom Jahre 1666 machte man den Boden wieder anbaufähig und brannte Busch und Hecken nieder. An der Gemarkungsgrenze aber ließ man sie stehen, ja man verbesserte sie noch, um ein Übertreten von fremdem Weidevieh zu verhindern. Diese Hecken nannte man die Gemeindehecken, weil sie die Gemeindegemarkung von den Angrenzern abschlossen. Nähere Benennungen finden wir in alten Aufzeichnungen. An der Grenze gegen Wüstammerbach und Dorndill war die Schaafheimerhecke. (Der in und neben dem Grenzberg liegende, heute zu Dorndiel gehörende Wald gehörte früher zu dem Orte Schaafheim). An der Steig und Pröbel, wo viel Kirchengut lag (Hofgut des Domkapitels Mainz) war die Kirchenhecke. Die Grenzhecke bei der Wallstädter Gemarkung nannte man ebenfalls die Gemeindehecke. Auch das Mümlingwiesental war durch eine gepflegte Hecke abgegrenzt, die man „den Haag“ nannte. Die größeren Grundstücke von Huben (Höfen) und anderen Besitzern waren ebenfalls von Hecken umgeben worden, um eine Ausdehnung des Angrenzers zu verhindern und die Feldfrüchte vor dem Weidevieh zu schützen.

252 Auf dem Höhefeld waren die Junkern– und Cottewißenhecken (Gottfriedshecken), die einen größeren Feldbestand eingrenzten. (Das Cottenwißenfeld auf der Höhe gehörte dem Adelsgeschlecht der Cottewißen auf Aulenbach bei Hobbach im Spessart). Im Diethersberg waren die Seibertshecken. (Grundbesitz vom Seibertshof). Hier war durch Hecken eingegrenzt folgender größerer Grundbesitz: Von Müllers (Mühlhansenloch), vom Hoffeld (Hof ist nicht benannt), vom Rödergut– gehörte der Herrschaft Breuberg und dem Centgrafen Gerhard Jäger von Seligenstadt. Vom Knobs– und Schelmenhof. Die Gemarkungsgrenze gegen Wallstadt hatte die Gemeindehecken bei den Höllengräben, die Hammelhecken und Barbarahecken. Ob der „Haag“, die Landesgrenzlinie im Wiesental, eine Hecke oder ein Zaun (Flechtwerk aus Buchen und Eichenstämmchen) war, ist nicht genügend geklärt. Die im Winkel ziehende Grenzlinie läßt vermuten, daß es ein geflochtener Zaun war, welchen man in damaliger Zeit auf gutem ebenem Boden an Stelle der Hecken errichtete. Beim Häusereck war ebenfalls eine Grenzhecke, genannt die Häuserhecke. Die Barbarahecke war ebenfalls eine Grenzhecke zwischen der Wallstädter und Obernburger Gemarkung.

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253 Feld- und Waldbenennungen

2 Die Gesamtgemarkungsfläche beträgt 1854 ha, davon sind /3 1 bebautes Feld, /3 Wald. Waldbenennungen sind im Buchberg: Der Wächtelskopf, Heidelbeerrain, Heeringswiese, Häusereck, Finkengrube, Dreiangel, Loch und Zimmerrain. Im Grenzberg, früher Wolf- und Lehensberg genannt: Das Eichenwäldchen, oberhalb des Holzberges, früher Eichenwald, Der Eichelberg, ebenfalls früher Eichenbestand; man nennt ihn auch den großen Wald. Grenzberg, an der Landesgrenze hinziehend. Ferchen – Salzrain – Breiteichel, früher Küstchesdell genannt (Mümlingseite). Der Artenberg mit dem Hüte– oder Hüttemann. Ruheplatz des Weideviehes, ebenso die Kühruh. Die Kühruh – Dicknet – alter Geißrain. Der Scherder mit Höllengraben, der Breuberger Scherder u. Pröpel (fürstlich) neben der Pflaumheimer, Niedernberger und Großwallstädter Gemarkungsgrenze. Das Teufelsloch (fürstlich) zwischen Mömlinger Höhe und Lauterhoffeld, neben der Kunibertischen Waldung hinziehend. Rauschen (fürstlich); Gebiet der Steinbrüche. Angrenzend der Gemeindewald, Judenkirchhof, Königswald, Kohlenhaufen, Mühlrain und Semmetwiese. Die Waldabteilung „Gemeindehecke“, zwischen Kreuzstraße und Höhefeld soll nach Beschluß des Gemeinderates in Ackerland umgewandelt werden. Der Buchberg wurde in früherer Zeit Buschberg genannt, weil die Abteilungen mit Boden von Steingeröll keine Waldbäume trugen, sondern nur mit Buschwerk bewachsen waren. Der zwischen den Orten Mimlingen, Eisenbach, Obernburg, Wallstatt, Niedernberg, Ostheim, Pflaumheim und Wenigumstadt gelegene Berg war der Orlis - Berg.

254 Der Pflaumheimerwald (früher Centviehweide) wurde Orlisbusch, die Mömlinger Bergebene mit Obernburger Berghöhe Orlis - Land oder Orlis - Feld genannt. Die Centgrafschaft Ostheim wurde auch die Orlis–Mark genannt. In den 1880er Jahren unternahm es ein geschichtskundiger Geometer diesen uralten Namen „Land– Orlis“ zu streichen und dafür den nichtssagenden Namen Landsurlaub zu setzen. Der uralte, richtige Name Land– Orlis hat sich aber weiter erhalten und soll auch in alle Zukunft als der allein richtige beibehalten werden. Der Abfahrtsweg vom Höhefeld ging über das Gebiet der heutigen Steinbrüche und den Kirchgraben. Bei schweren Unwettern stürzten die Wassermassen auf diesem Wege zu Tal, unter gewaltigem Rauschen und Steine mit sich führend (Feldbenennung Rauschen). Judenkirchhof. Ob die hier ansässigen Juden hier wirklich einen Friedhof hatten, ist bis heute nicht geklärt. Kohlenhaufen. Früher wurden hier Kohlen aus Holz gebrannt.

Flur – oder Feldbenennung der Gemarkung:

1. Der Mühlbach – oder Höheflur Abteilungen: Im Boden. – Ebenes Feld, höchste Bonität; heute gänzlich mit Anwesen bebaut. Im St. Wendel – Feld bei der Wendelinuskapelle. Im Kirchrain – nicht weit von der Kirche, liegt am Rain. In den Rauschen – erklärt bei Waldbenennung. Im Stützberg – steil anwachsender Berg (Stutz). Im Ellenbogen – Feld zwischen Bacherlsgraben und Seitenarm.

255 In der Bacherts, beim Bacherlsbrunn – tiefer Graben, worin das Bacherl, heute Wasserleitung, zum Orte floß. Im Paradies. Hinter den Nußbäumen – war noch vor 50 Jahren ein Wald von Walnußbäumen. Im Essigkrug – wilde Birnbäume, saure Früchte. Im Kühzehl – Viehweg zum Weideplatz. Pröpel (früher Permbl) und Scherder. – Auf diesem Wege wurde die Viehherde abgezählt. Lichtplatte – schlechtester Sandboden, Frucht (Getreide) klein und dünn (licht). Urbansrain – vermutlich war hier Weinbau und ein Standbild des hl. Urbanus, des Patrones der Wingertsleute. Wendelhardt. Dreispitze. Gemeinde - Birnbaum – stand auf Gemeinde–Eigentum (Trieb). Er war außergewöhnlich groß und dick und stand noch vor 60 Jahren. Land - Orlis oder Orles – siehe Waldbenennung (S.254). Schneekaute – hochliegendes, kaltes Feld auf dem Orlisberg. Nach heißen Frühjahrstagen findet man in den Mulden noch Schnee. Kreuzstraße – Weg der auf die Höhe zum Kreuze führt. Feldbenennung für das umliegende Gelände. Bei der Gemeindehecke – Grenzhecke gegen Großwallstädter Gemarkung. Hammelhecke und Barbarahecke – waren ebenfalls Grenzhecken gegen Obernburger und Großwallstädter Gemarkung. Bei den Höllengräben – tiefe Gräben, welche auf der Mömlinger Berghöhe ihren Anfang nehmen, durch den Großwallstädter Wald ziehen und in das Maintal auslaufen.

256 Im Mühlbach - beim roten Kreuz – hier soll nach mündlichen und schriftlichen Überlieferungen eine Quelle mit fließendem Bach gewesen sein, entsprechend dem Namen Mühlbach auch ein Mühlchen für die im Diethersberg gelegenen Huben. In den Huben - Höfe auf der Obernburger und Mömlinger Berghöhe (Stiftshuben, Reußenhuben). Diethersberg – Gelände der Huben, wurde früher zur Obernburger Gemarkung gerechnet. Kurfürst und Erzbischof Diether bestätigte der Stadt Obernburg alle alten Rechte und schenkte ihr viele neue noch hinzu. Sein Name steht eingezeichnet im roten Stadtbuch, und das Hubengelände nannte man ihm zu Ehren und Andenken „Diethersberg". Gottfriedshecke – Cottewitzenhecke – Grundbesitz mit Heckengrenzen, der Herrschaft von Cottewitzen auf Aulenbach gehörig, ebenso das Jägerskoht – Jagdhütte. Luxenäcker – früher Junkernäcker genannt, gehörten Niklas von Obernburg (Halbadel), welcher der Jungkherr genannt wurde. Kleinwallstädter Pfad – Fußpfad nach Kleinwallstadt. Am Hexenbaum. Auf der Altmauer – Römerturm mit Kolonistenansiedlung. Teufelsloch – tiefer unfreundlicher Graben, welcher beim Lauterhof ausläuft. Hann - Jakobskreuz – siehe Marterlstein Nr.1(S.170) In den 9 Morgen – Grundstück von 9 Morgen. Mallhannes Schneideplatte – Wasserscheide. Beim Ahorn oder Einhorn – hier wurden Stücke eines Tierhornes gefunden, auch in neuerer Zeit, vor 20 Jahren. Wegen der Dicke und Schwere der Hornteile glaubten unsere Vorfahren, dieses gehörnte Tier habe nur ein Horn besessen und nannten es „Einhorn".

17 Mömlingen 257 Kohlenhaufen – Brandstätte für Holzkohlen. Im Kellerstutz – diese Benennung wurde im Laufe der Zeiten verstümpelt. Soll heißen im „gähen Stutz". Gähen oder Geen bedeutet steil, Stutz aber Berg (steiler Berg). Das zwischen der Mümling und Ammerbach sowie der Distriktstraße gelegene, ebene Gelände nannte man am Geen (Berg). Centgrafengeen – von dem Wiesenbestand des Rödergutes im „Geen“ (36 Morgen gehörten zur Herrschaft Breuberg) erhielt Gerhard Jäger, Centgraf zu Seligenstadt, als Erbteil 13 Morgen. Bei der alten Brücke – hier war früher die alte Mümlingbrücke. Sie wurde im Jahre 1853 durch Hochwasser zerstört und nicht mehr aufgebaut. Im Wächtel – am Wald, genannt von den Wachteln (Vögel). Über den Specken – feuchter, weicher Boden. Die Wege in solchem Gelände waren früher mit Holzprügeln und Faschinen ausgelegt; man nannte sie Speck– oder Speckenwege. Ober der Brunngasse, auch Schulgasse oder Stützberg genannt. Ober der Kirche. Auf der Höhe – Feldhöhe auf dem Orlisberg. Ditzenäcker - im Rosenacker - beim Hasenstock - beim Käsbaum sind Benennungen vom Seenfeld. Im Wendelhardt - beim Dinkelsgraben. Beim Brückchen – Einmündung des Dinkels in den Bachetsgraben.

2. Der Häuser - oder Bachflur

Abteilungen: Wiesen - Kleinseite – kleine Wiesenseite rechts der Mümling.

258 Wiesen - Großseite – große Wiesenseite links der Mümling. Wiesen bei der Gumpen und Gänsweiden – seichte Stelle der Mümling, Gänsweide. Bei der Kirchgasse – hier stand der einstige Ort Hausen. Hainstädter - und Eselshansen - Eck – Grenzlinien. Heringswiesen und Hausschnabel. Beim Eichbaum – hier stand früher eine große Eiche. Haag – Grenzlinie = Absperrung, wahrscheinlich ein Zaun aus Buchen– und Eichenstämmchen geflochten. Bei den Zollstöcken – Grenzpfähle der hessisch – bayerischen Landesgrenze. Bei, ober und unter der Amtswiese – (Siehe Heimatgeschichte - Revierjägerei S.96). Am Eichbaum – stand früher eine große Eiche. Brückwiesen – Hauser Mümlingbrücke. Im Hasel. Im Gitzig. In den Rohrwiesen – nasse Fläche, wo heute noch Schilfrohr wächst. Im Hirten - Eck – Aufenthaltsplatz der Schäfer, da durch die Vorlagerung des oberen Buchberges des Luftzug (Wind) aus dem Odenwald weniger zu verspüren ist. Pflanzenländer – hier waren auf den Wiesen kleine Beete (Länder), worauf Krautpflanzen (Setzlinge) gepflanzt wurden. Bubenwinkel – Badeplatz. Prügelsgräben – nasse Wiesen mit Wasserablaufgräben, die mit Prügeln (Holz) überdeckt waren. Wiesen am Steinweg – nasser Weg, wurde deshalb mit Steinen überdeckt. Am Mehlbaum – stand früher ein großer Birnbaum (Mehlbirnen).

17* 259 Fuchlöcher – Fuchs– und Kaninchenhöhlen in den Feldrainen unterhalb des „Kühtrieb“. Brunnmühle – früher Bornmühle genannt. Am Wasserlauf der Ammerbach soll ein kleines Mühlchen, Dorf– oder Bornmühle genannt, gestanden haben. Am weißen Bildstock – Feldlage am Bildstock, der heute noch vorhanden ist. Salzäcker - Salzwiesen - Salzrain (Wald), hier sollen in früherer Zeit Grabungen vorgenommen worden sein nach Erd– oder Steinsalzen. Im Ziegelrain – Feldlage bei der Ziegelhütte. Der Weidegang der Viehherde (Rindvieh) war vom Kühtrieb zum Eichwäldchen. Hier wurde das Jungvieh (Färsen) zurückgelassen. Wald– und Feldbenennung Ferchen oder Ferschen. Damit das Weidevieh das im Tale hinziehende Ackerland nicht beschädigen konnte, war ein Absperrungsgraben ausgehoben vom Kühtrieb bis zum unteren Eichwäldchen (Schlaggraben). Das Großvieh setzte seinen Weidegang fort durch die Waldwege des Kistchestell und Grenzberg und ging bei den Commendeäckern zur Tränke. Von hier aus trieb (Trieb) es der Hütemann (Hüte - oder Hüttemann in Wald– und Feldben.) zum Artenberg, nach dem hinteren Berg (Hintersberg - Hirtenschlag) und Dicknet, wo es an den sonnigen Hängen ausruhte (Kühruh). Die große Stube liegt zwischen Wald (Ferchen) und der Kühtriebs – Ödung, und ist entstanden, indem gewaltige Erdmassen in das Berginnere einsanken; auch in unserer Zeit ist eine Senkung in kleinerem Umfang eingetreten. Auf dem Holzberg – Berg mit großem Wald bestand; reich an Holz. Bei der Eisengrube – Feldlage bei den Eisenerzgruben. Pflaumheimergäßchen – Fußpfad der Bachgaubewohner (Pflaumheimer) zum Mutterkirchlein.

260 In der Tränk – feuchter Boden mit Wasser durchtränkt. Dreieck bei der Bahn – Haltestelle, mit Gebäuden verbaut. Bei den Ampeläckern - Äcker, wovon der Zehent (der zehnte Teil des Ertrages) zum Unterhalt der ewigen Ampel verwendet wurde. Backofen – gewölbte Lage, in der Form eines Backofengewölbes. Am hangenden Berg – Äcker, welche gerade zur steilen Berghöhe ziehen. Am Abhang – noch ebenes Gelände – Anfang des Berges. In der Schneidkaute. In den Wiesgärten – in nassen Jahrgängen waren es Wiesen (Tuchbleiche), in trockenen Gartenland. Beim Ortsgraben – früherer Abfahrtsweg, wurde durch Wasser unfahrbar gemacht. Hungerrain – Hunger nach Dung, da keine Zufahrtswege vorhanden sind. Beim schwarzen Stock – Schwarzdornhecke. Schelmengewann – gehörte zum Schelmenhofgut. Beim Daubenbaum. Beim roten Kreuz – umliegendes Gelände des noch vorhandenen roten Kreuzes. Wolfshecke – (siehe Heckengrenzen S.252). Beim Eichelsberggraben – tiefer Waldgraben im Eichelberg. Beim abgebrochenen Bildstock – steinerner Bildstock neben der Straße; lag umgeworfen und zerbrochen, wurde 1848 wieder erneuert. In der Landwehr. In den Lösern – (siehe Löser - Äcker S.214). Im Trieb – Weidegang und Tränke des Viehs. Im Sand – ebene Feldlage mit Sandboden. Im Hardgrunde – Grund, ebener, guter Boden.

261 Der Hasenberg – Hoasenberg, soll heißen der heiße Berg, weil ihn der erste und der letzte Sonnenstrahl bescheinen kann. Früher Weinberge. Bei den Wingertwegen = gen – Weinbergspfade. Bei den Gehwegen = gen – Weinbergspfade. Oberhalb der Weinberge stand und steht heute noch ein großes, steinernes Kreuz, das Wingertskreuz. Keil – steiniger Berg, der sich keilförmig in die Gemarkung einschiebt; mit der Spitze nach dem Ort gerichtet. Im Bauern - See – Äcker bei einer Wildschweinschwemme an der Landes– und Gemarkungsgrenze im Mosbacher Wald. Dorndieler Lage – Grenzlage gegen Dorndiel. Hinter dem Artenberg – Hintersbergfeld hinter dem Artenberg. In den Birken – hinter dem früheren Birkenwäldchen in der Kühruh. Dicknet – dichter Wald; Dickicht. Alter Geißrain und Geißrain – wüst gelegene Grundstücke, auf denen Geißen weideten, während ihre Besitzer in nächster Nähe ihre Feldarbeit verrichteten. Mittlere Gärten – Gärten hinter den Wohnungen. Im Attiggraben. Im Schießgraben. Benders Ackerrain - Bei der langen Liese – beide Namen sind von Personennamen abgeleitet. Am Straßen - oder Bruchacker – siehe die Commendeäcker (S.210). Im Eselspfad – siehe Beschreibung „Der Eselspfad“ (S.94) Hinter und vor der Stadt.

262 Beim Mühlhansenloch – alte Erzgrube, 1666 schon vorhanden, mit Hecken umgeben, wird als Müllershecke bezeichnet. Bei der Pfarrwiese – neben dem Hauptwiesenweg auf den Bahnkörper stoßend.

Wenig bekannte Flurnamen im Mümlingtal: Im Gissig - Heinrichswiese - Eselshanseneck - In den untersten Gärten - Unter dem Eichenbaum - In den Eckwiesen - In der breiten Gewann (beim Schlaggraben) – Im Krötenpfuhl - In der Weide (Gänsweide) – Beim Elsenfelder Birnbaum - Beim steinigen Weg.

Im Amorbachtal: Ober dem Gehen Stall (Hasenberg), beim Trossenrain (Eichelberg), bei der Landwehr (unter der Wolfshecke), Holzleite (ebenda), in den Löchern (beim großen Wald), Oberm Schlag (Hütenmännchen).

3. Der Ostheimer Flur (gegen Großostheim) Abteilungen: In den Knopfsgärten – Knospen, blühen. In den Knobsgärten – Gärten vom Knobsgut. Bei der Lehmkaute vor der Keil – die Lehmkaute von früherer Zeit ist eingeebnet und Ackerland. Hier wurde ein Mann namens Loy von abstürzenden Lehmmassen erschlagen. Im Heckelsgrund und Pfingstgrund – guter, ebener Ackerboden. Im Hollerstrauch – Hecke mit Hollerbusch. Auf dem Bühl.

263 Bei der Wegscheide – Auseinandergehen von Wegen. Beim Eitersberg – steiler Berg. In der Heupen. In den Hagend. In der Goldgrube – guter Weizenboden. Im Staab oder Staub – bei der Talstraße. Im Reisenberg – leichter Boden, Frucht frühreif. Im Eselsrain. In den krummen Äckern – Lage der Äcker ist krumm, nicht im rechten Winkel. Im Dörnig – alter Name war Dörring. Im Dörnigsrain – am Bergabhang. Beim Dicknet – beim dichten Wald. Im roten Busch – im Rosenberg. Hecken von wilden Rosenstöcken. Im Hansel. Auf dem Wenigumstädter Buckel – Berglage beim Wenigumstädter Wald. In der Heiligenhecke – Gemarkungsgrenzhecke. In der Eselskaute. In den Gräbchesäckern – Äcker von einem alten Wassergraben durchzogen, der heute ein Feldweg ist. Beim steinernen Kreuz – Feldlage bei Marterlstein Nr. 5 (S.172) Auf dem Hundrück – wellenförmige Erhöhung. Am Hofacker – gehörte zum Seitzen– oder Schneidtschen Hof. Im Farrenzell. Im Erpel, Ebel oder Ebertsloch. Besen auch Bessenäcker. In der Steig – steil ansteigender Berg mit der Verbindungsstraße gegen Pflaumheim.

264 In der weißen Gewann – weißer, schlechter Sandboden. Am Kirchacker – gehörte zum Hofgut des Domkapitels Mainz. Im Pröbel – alter Name Permbl. Brunnen. Beim kleinen Brünnchesgraben – Pröbelsgraben mit einer kleinen fließenden Quelle. In der Schweinsruh – früher gemeindliches Feld für den Schweinehirten. Bei der Schindkaute – Wasen– oder Verscharrungsplatz für verendetes Vieh am Ablauf des Engelspitzengrabens. Engelsspitze – soll wahrscheinlich heißen Orlisspitze. Hier stand früher ein unbekanntes Bauwerk. Im roten Rain – roter Lettboden, vorzüglich geeignet für Obstbaumzucht. In den Kühzehl – Wingerten – Weinbau. Im Weingarten – sonnige Lage, ebenfalls früher Weinberg. Beim Steinweg – heute im Ortsbereich. Bei schweren Unwettern stürzten gewaltige Wassermassen den Kühzehlsweg abwärts gegen den Ort. Vor dem Orte stürzten die Wassermassen den steilen Abhang hinunter ins Tal, das ebene Gelände mit dem mitgeführten Steingeröll überschwemmend. Im Hansel, im Farrenzell, im Harnzell (sind wahrscheinlich nur eine Feldlage) – beim Wenigumstädter Buckel oder den Gräbchesäckern. Gehren oder geen Stall – oberhalb der Goldgrube, Bei der Hasselhecke, vor der Steig, unter dem Geißenrain. Im Außersberg auch Eitersberg, oberhalb der Goldgrube. Im Falter, im Hollerstrauch liegen in Feldbenennung Roter Rain.

265 Allerlei Wissenswertes

Die Erwerbung des Fürstl. Löwensteiner Hofgutes zu Mömlingen im Jahre 1896.

Nach dem Tode des Hofpächters Puth, der übrigens auf dem Pachtgut Konkurs gemacht hatte, verkaufte Anfang September 1895 auf Ansuchen der damaligen Gemeindeverwaltung Fürst Karl zu Löwenstein – Wertheim–Rosenberg sein Hofgut in der hiesigen Gemarkung an die Gemeinde Mömlingen um den Preis von 100.000 Mark. Verbrieft wurde der Kauf am 25. November 1896, nachdem die fürstl. Forstbehörde noch die Wolfshecke, Hungerrain und oberen Holzberg (Wald) wegen unpraktischen Forstschutzes hinzugeworfen hatte, auf die Gesamtsumme von 108.000 Mark. Die Verbriefungs-Unkosten betrugen 2.272,90 Mark. Die Vermessung durch den Geometer kostete 1.669,95 Mark. Abgeschlossen wurde der Kauf durch den fürstlichen Generalbevollmächtigten Ludwig Müller, Fürstl. Domänendirektor zu Wertheim, und Bürgermeister Franz Hohm als Bevollmächtigter der Gemeinde Mömlingen. Der Zuschlag war abhängig von der Zustimmung des Fürsten selbst, des großjährigen Prinzen Alois, des Rechtsanwalts Köth von Würzburg als Kurators des minderjährigen Prinzen Johannes und des Oberlandesgerichts Bamberg als Obervormundschaftsbehörde des letzteren Prinzen, da der Hof Fideikommiß* war. Der Kaufpreis des Hofgutes von 108.000 Mark wurde an den Fürsten Karl zu Löwenstein bezahlt, und zwar 20.000 Mark in Bar, das übrige auf 10 Zielfristen mit 4 Prozent Zins. Die Gebäude wurden wieder um ca. 27.000 Mark verkauft gegen Barzahlung, welche Summe zur vorgenannten Barleistung an Fürst Löwenstein verwendet wurde.

______* lateinisch fidei commissum, „zu treuen Händen belassen“

266 Die Äcker und Wiesen wurden in kleine Grundstücke zerlegt und als solches an die hießigen Einwohner um die Gesamtsumme von 172.000 Mark, zahlbar in 10 Jahresraten bei 4 Prozent Zins, verkauft. Der Gemeinde verblieb ein Gewinn von 70.000 Mark einschl. der Zinsengewinne. Diese Summe wurde hiesigen Bürgern auf Hypothek geliehen und ging wie alles andere Geld durch die Inflation verloren. Die Zielfristen des Hoffeldes gingen so rasch ein, daß nach 5 Jahren schon der ganze Hof an den Fürsten bezahlt war. Vor dem Ankauf des Löwensteiner Hofes hatte die Gemarkung Mömlingen 3000 Tagwerk an bebautem Feld und Wiesen, mit 15.710 Plan-Nummern. Durch die Parzellierung wurde die Plan- Nummer-Zahl durch Nummern und Bruchnummern auf 15.884 erhöht. Das ganze bebaute Hofgut hatte eine Fläche von 128,4 Hektar, das sind 385,20 Tagwerk oder 481 ½ Morgen. Es wurde in 510 Grundstücke eingeteilt und an 204 Käufer abgegeben. Das Hof–Inventar verblieb dem Fürsten Löwenstein als Pfand für rückständige Pacht. Die Gemeinde selbst durfte es nicht kaufen, da das Bezirksamt die Genehmigung versagte, in Sorge, die Gemeinde könne in Geldverlegenheiten geraten. Die Gemeindeverwaltung, Pfarrer Grünewald und eine Anzahl Männer kauften alles lebende und tote Inventar für die Gemeinde um die Summe von 30.000 Mark. Erlöst wurden beim Verkauf an die Ortseinwohner im September 1895 über 38.000 Mark. Von dem Gewinn erhielt jeder Bürger 20 Mark in bar, von dem Rest wurde die Brückenwaage angeschafft. Im Jahre 1899 wurde noch ein Stück jungen Waldes (20 Tagwerk) im Hintersberg (Geißrain) um 4.000 Mark Hinzugekauft.

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267 Das nicht vorhandene Sanatorium

Es war zu Anfang dieses Jahrhunderts, da beabsichtigte ein Facharzt, Dr. Brandes, hier ein Sanatorium für Lungenkranke zu errichten. Zu diesem Zweck erwarb er von der Gemeinde mehrere Tagwerk Wald im Mühlrain, oberhalb des Landhauses Lehmann, welcher Platz sich besonders hierfür eignete. Am Eingang zur Semmetwiese (Waldabteilung) erbaute man aus Holzfachwerk eine Speiseanstalt, die heute noch vorhanden ist und als Wohnung Verwendung findet. Wege wurden damals angelegt, Ruhebänke errichtet und die Vorbereitungen zu einer Wasserleitung vom Johannesbrunnen, unterhalb der Wallauermühle, getroffen. Bei dem Ankauf der Quelle von A. Lehmann ergab sich bei den Vermessungen, daß sich jene auf Mömlinger Grund und Boden befand, mithin Eigentum der Gemeinde war. Nach stürmischen Bürgerversammlungen auf dem Rathause verlangten die Bürger den Kaufpreis der Quelle für die Gemeindekasse. Nach langen Streitigkeiten einigten sich 1 Gemeinde und Lehmann dahin, daß die Gemeinde /3 des Kaufpreises erhielt. Auf dem „geen Stutz“, am Waldrand, wurde eine Aussichts-, Ruhe- oder Liegehalle errichtet. Im Orte selbst wurde ein Wohnhaus angekauft, in dem die Lungenkranken untergebracht wurden, die von überallher in das schöne Mümlingtal kamen, um Heilung zu finden. Das Unternehmen war mit ungenügenden Geldmitteln in Angriff genommen worden und scheiterte schon, ehe auch nur ein Spatenstich zum Sanatorium getan war. Die Sittenlosigkeit, welche Kranke und Personal vielfach kundgaben, erregte bei der Bevölkerung oft Ärgernis, sodaß von ihr das große Unternehmen nicht mehr unterstützt, im Gegenteil energisch bekämpft wurde.

268 Durch den bald eingetretenen Konkurs des Unternehmens kamen alle Wertobjekte zur Versteigerung, und das große, stolze Sanatorium hatten wir nur auf Bildern zu sehen bekommen. Der Johannesbrunnen aber fließt heute noch wie ehedem ruhig zur Mümling.

Gasthäuser aus alter und neuerer Zeit.

Die Wirtschaften zum „Löwen“, zur „Brezel“, zur „Krone“ und zum „Hirschen“ haben von früherer Zeit her die Schankberechtigung; sie ruht auf dem Anwesen (Realschankrecht). Alle übrigen Wirtschaften sind später entstanden und das Schankrecht mußte erst durch den Besitzer von der Behörde erworben werden. Die Gastwirtschaft zum „Hirschen“ mit Metzgerei war früher im Anwesen Nr.14, die Schankberechtigung wurde in das neuerbaute Anwesen des heutigen „Hirschen" übertragen. Der Erbauer des heutigen Anwesens zum „Hirschen“ war Johann Philipp Giegerich, der später auf der Steig verunglückte (Siehe Marterlstein Nr.6 S.173).

Rathaus – und Kirchenplatz.

Das heutige Rathaus war in früherer Zeit „freistehend“. Der Vorplatz mit der Dorfstraße war der Rathausplatz, den oberen Teil nannte man den Kirchenplatz. Das alte Pfarrhaus, die Anwesen Nr.172 und 174 sowie das Eckhaus mit der Ölmühle bildeten die Häuserfrontlinie. Durch den Bau des Hauses Nr.173a sowie des neuen Pfarrhauses verschwand der große Kirchenplatz, es verblieb nur noch die Kirchgasse. In den 1860er Jahren wurde das Haus Nr.173½ eingebaut, und auf dem mit Bäumen bepflanzten Rathausplatz errichtete man das „Backhaus".

269 Der Pröpelsbrunnen.

Im 1.Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ließ die Gemeindeverwaltung den Pröpelsbrunnen aufgraben, um den Wasserstand der Quelle zu erhöhen und sie womöglich der Ortswasserleitung zuzuführen, die nach trockenem Sommer zur Herbstzeit gewöhnlich die notwendige Wassermenge für den Ortsverbrauch nicht liefern kann. Der Pröpelsbrunnen wurde ungefähr 8 Meter tief ausgegraben, schachtmäßig ausgemauert und die Abflußrohre in ziemlicher Tiefe den Pröpelsbrunnen entlang gelegt. Da diese Quelle wegen der vielen Abschwemmungen der Berge sehr tief begraben wurde, war die Wassermenge nicht hinreichend, um sie in die Ortswasserleitung einzufügen; die Ausführung unterblieb. Durch ein Pumpwerk neben der Steigbrücke wurde das Wasser dieser Quelle auf den höchsten Punkt der Steig geleitet, um die Maschinen, welche bei den Ausgrabungen des Bahnbaues verwendet wurden, mit Wasser zu versorgen. Die Rohrleitung reicht heute bis in den Epelslochgraben, wo man einen Laufbrunnen aufgestellt hat, der den durstigen Wanderer und die auf dem Feld arbeitenden Ortseinwohner mit dem besten Trinkwasser versorgt. Zwischen dem Pröpelsbrunnen und Pröpelsgraben befindet sich im Ackerboden noch altes Gestein von einem früheren Bauwerk. Ob dieses aus der vorchristlichen oder aus der Römerzeit herrührt, oder ob es Schutzhütten der Centviehweide waren, da ja die Pröpelsquelle als Tränkstelle benutzt wurde, könnte nur durch Ausgrabungen festgestellt werden.

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270 Allerlei Begebenheiten

Um den Platz, auf dem die Mädchenschule erbaut werden sollte, tobte damals ein Streit. Die Bürgerschaft glaubte, daß, wenn die Schule in nächste Nähe des Friedhofes zu stehen komme, dieser geschlossen und ein anderer, vielleicht weit entfernt, angelegt werden müsse. In dieser Zeit war die weltliche Behörde bestrebt, die Ortsfriedhöfe zu beseitigen, sie sollten draußen im Feld oder im Wald angelegt werden. Es war ein Kampf um die Erhaltung unseres Friedhofes. Nachdem die Behörde die Erklärung abgegeben hatte, daß Friedhof und Schule nebeneinander bestehen könnten, wurde der Schulbau ohne weitere Störung durchgeführt. * Im Jahre 1893 feierte der hiesige Kriegerverein ein Fest. Aus diesem Anlaß war auf der Ortsstraße, in nächster Nähe des Rathauses ein Karussell aufgestellt. Ein als Knecht hier weilender Schuster (aus Thüringen), den man während des Fahrens belästigte, sprang aus dem Karussell und tötete einen ahnungslosen, unbeteiligt dastehenden jungen Menschen durch einen Messerstich in die Halsschlagader. Der Erstochene, Josef Vogel, war sofort tot, der Mörder erhielt 4 Jahre Gefängnis. Wegen dieser Bluttat hat man in der hiesigen Gemeinde fast 30 Jahre lang kein Karussell zugelassen. Heute ist diese grausige Tat vergessen, und bei Festlichkeiten finden wir das Karussell auf der Dorfstraße. * Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden hier Bohrungen nach Ton vorgenommen. In der Feldabteilung Goldgrube wurde auch blaufarbiger Ton gefunden und zu Tage gefördert, bei der alten Lehmgrube vor der Keil war es eine klebrige weiße Sandmasse. *

271 Im Jahre 1882 entstand im Lieb`schen Wald, beim Teufelsloch, in nächster Nähe der Mömlinger Gemarkungsgrenze, ein Erdeinsturz, wobei der schöne Buchenhochstand in die Tiefe stürzte. Die Ursache war wahrscheinlich eine Unterhöhlung durch Wasser. * Über „den Specken“, am Fuße des steil ansteigenden Buchberges (Wächelskopf) befinden sich die Salzbrunnen. Nur zwei sind von Bedeutung, die übrigen sind kleine Quellen. Diese zwei Brunnen, welche als sehr tief bezeichnet werden, haben ihren Abfluß in die nahe Mümling. Sie haben 2 Meter Durchmesser und ihr Wasserstand ist immer der gleiche. Diese Wasserschächte des Buchberges sind durch keine Schutzvorrichtungen gesichert, daher als sehr gefährlich zu meiden. Nach einer Volkslegende soll ein Fuhrmann mit Esel und Salzkarren in einem dieser Brunnen spurlos verschwunden sein, und man nennt sie heute noch die Salzbrunnen. * Im Jahre 1925 machte die Gemeindeverwaltung Mömlingen den Vorschlag, das Gartengelände zwischen der Straße Pflaumheim und Waldamorbach bis zum Bahngelände in Baugelände umzuwandeln, um neue Bauplätze zu schaffen und den Ort geschlossener zusammenzuhalten. Die Grundbesitzer dieses schöngelegenen, ertragreichen Gartenlandes lehnten aber eine Umlegung in Baugelände entschieden ab. Im Jahre 1927 wurde zum zweitenmal versucht, dieses Vorhaben zur Durchführung zu bringen, und diesmal gelang es. Man hatte eingesehen, daß die Wohnungsnot und der Mangel an ebengelegenen Bauplätzen ein Schonen dieses Gartenlandes nicht mehr zuließen, und gab endlich nach. Es wurden nun dort mehr als 40 neue Bauplätze geschaffen. Neue Straßen (Keil-, Garten- und Bahnstraße) wurden angelegt und mit dem Bauen von Wohnungen wurde sofort begonnen.

272 Auch die heutige Gemeindevertretung unter Bürgermeister Wüst hat sich zur Aufgabe gemacht, wichtige Ortsverbesserungen vorzunehmen. Die Restaurierung des Rathauses ist bereits vollendet, die Kanalisierung des Amorbaches am unteren Dorfausgang ist zur Zeit in Arbeit und nach Beendigung derselben erfolgt der Bau einer neuen Ersatzwasserleitung mit elektrischem Pumpwerk, die den in trockenen Jahren nicht hinreichenden Wasserstand der alten Wasserleitung erhöhen und die Versorgung der Gemeinde für alle Zeiten sichern wird. Eine Anzahl heimatliebender Männer gründete unter dem Namen Verkehrs- und Verschönerungsverein Mömlingen einen Verein, um Ort und Heimatboden zu verbessern und zu verschönern und auch den Fremdenverkehr in unserem, von prächtigen Buchen- und Nadelholzwäldern umgebenen Heimatort zu fördern und zu heben. Mömlingen will auch in dieser Hinsicht nicht hinter anderen Ortschaften zurückstehen, sondern stets zum Wohle seiner Bürger mit der neuen Zeit vorwärtsgehen. * Diese Heimat- und Ortsgeschichte endigt mit dem Jahre 1929. Dieses Jahr begann mit einem sehr kalten Winter, wie es seit einem Menschenalter nicht mehr zu verzeichnen war. Die Kälte dauerte ohne Unterbrechung bis April und erreichte oft 30 Grad Celsius. Die Wintersaaten erlitten keinen Schaden, denn sie waren durch eine Schneedecke geschützt; man konnte noch im Mai in den Gräben hartgefrorene Schneehaufen finden. Indessen erfroren aber vielfach in den Kellern die eingelagerten Früchte. Auch das Jungvieh, Schweine und Federvieh litten schwer unter dieser Kälte und die Vögel und das Wild erfroren. Nach einem rauhen, trockenen Frühjahr folgte dann ein heißer Sommer (bis zu 45 Hitzegraden). Es besteht Mangel an Grünfutter und die eingesetzten Feldpflanzen fangen an dürr zu werden, zumal auch die Winterfeuchtigkeit im vergangenen Winter ausgeblieben ist.

273 Trotz allem ist wenigstens die Getreideernte sehr gut ausgefallen und von allem Unwetter verschont geblieben. Nach der Ernte, während der es so gut wie gar nicht geregnet hatte, wurde im August und September die Hitze noch größer, sodaß die Futterpflanzen fast völlig verdorrt sind. Grummet gab es nur auf feuchten Wiesen. Am 1. September wurden 50 Grad Hitze gemessen, und es besteht immer noch keine Aussicht auf Regen. Alles ist ausgebrannt, das wenige Heu größtenteils verfüttert, und sorgenvoll fragt sich der Bauersmann: „Wie werde ich im kommenden Winter mein Vieh durchhalten?“

Schluß

Möge die Heimat- und Ortsgeschichte Mömlingen, welche unter großem Aufwand an Zeit und Mühen nun zur Vollendung gekommen ist und alles erreichbare Material enthält, auch aufnahmefähige Leser finden und die Liebe zur Heimat fördern und kräftigen!

Dieses wünscht

Der Verfasser!

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