Gegen Den Strom – Schönau Im Schwarzwald Von Stefanie Müller-Frank
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1 COPYRIGHT: COPYRIGHT DiesesDieses Manuskript Manuskript ist urheberrechtlich ist urheberrechtlich geschützt. geschützt. Es darf E ohnes darf Genehmigung ohne Genehmigung nicht verwertet nicht werden.verwertet Insbesondere werden. darf Insbesondere es nicht ganz darf oder es teilwe nicht iseganz oder oder in Auszügen teilweise oderabgeschrieben in Auszügen oder in sonstigerabgeschrieben Weise vervielfältigt oder in sonstiger werden. Weise Für vervielfältigRundfunkzwecket werden. darf dasFür Manuskript Rundfunkzwecke nur mit Genehmigungdarf das Manuskript von DeutschlandRadio nur mit Genehmigung / Funkhaus Berlin von Deutsch benutzt landradiowerden. Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Deutschlandrundfahrt Gegen den Strom – Schönau im Schwarzwald Von Stefanie Müller-Frank Sendung: 21. Juli 2012, 15.05h Ton: Bernd Friebel Regie: Karena Lütge Redaktion: Margarete Wohlan Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012 1 2 Atmo 1 Brunnen plätschert Autorin Schönau: Luftkurort im Südschwarzwald. 2.600 Einwohner, zwei Gasthöfe, ein Amtsgericht und die Freiwillige Feuerwehr. Ein Flüsschen schlängelt sich durchs Tal – vorbei an Fachwerkhäusern, Tankstelle und Freibad. Was Schönau so einzigartig macht, das ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Außer man steigt auf den Glockenturm der katholischen Kirche im Ortskern, direkt gegenüber vom Gasthof Vier Löwen: Wohin man von hier oben auch schaut – überall glänzen dunkelblau die Solarzellen. Auf fast jedes Schönauer Dach mit Südausrichtung ist eine Photovoltaikanlage montiert, das Flachdach des Gymnasiums gleicht einem Weinberg aus Solarplatten. Und die evangelische Kirche auf der Anhöhe ist komplett mit einem Photovoltaikdach überzogen. Atmo 2 Kirchturm schlägt zur halben Stunde SpvD Gegen den Strom. Schönau im Schwarzwald. Eine Deutschlandrundfahrt von Stefanie Müller-Frank. Amto 3 zum Gasthof laufen Autorin Ursula und Michael Sladek steigen die Gassen hinab zum Gasthof Vier Löwen. Was Schönau so einzigartig macht, ist untrennbar mit ihnen verbunden. Deshalb muss die Geschichte, die im folgenden erzählt werden soll, auch vom Leben dieses Paars handeln – von dem ihrer Familie, ihrer Mitstreiter und dem Ort selbst. Nur so lässt sich erklären, warum sich gerade hier die Einwohner zusammengeschlossen haben, um das eigene Stromnetz zu kaufen. Wie ausgerechnet im Schwarzwaldstädtchen Schönau der erste 2 3 bundesweite Stromversorger in Bürgerhand entstand. Und worin es besteht, das Erfolgsrezept für den Pioniergeist aus der Provinz. Atmo 4 die beiden scherzen Autorin Halb neun, die Dächer funkeln in der Abendsonne. Eigentlich keine Zeit, zu der das Ehepaar Sladek schon Feierabend macht – auch wenn beide im vergangenen Jahr 65 geworden sind. Aber vielleicht musste es heute einfach schneller gehen, denn die Küche im Vier Löwen schließt um neun. Und Michael Sladek will … unbedingt noch Kutteln essen – nach all den Verhandlungen heute. Über das Ergebnis verlieren die beiden kein Wort, zur Taktik lassen sie sich aber doch etwas entlocken. O-Ton 1 Ursula und Michael Sladek Ich bin immer die Böse. (lacht) Auch in Verhandlungen. Good guy - bad guy. Er ist meistens der Gute, weil du ja auch ein bisschen harmoniebedürftig bist, was ich jetzt gar nicht bin. Und das hat manchmal Vorteile und manchmal Nachteile. Aber so ist die Rollenverteilung: Ich gucke böse, schüttele den Kopf und sage: So geht das überhaupt nicht. Während du immer noch versuchst, einen Kompromiss zu finden. – Ich versuche auch schon zu verstehen, was im anderen da vorgeht und versuche, den nicht gleich in die Ecke zu schieben. – Das tue ich auch nicht. Aber es gibt Dinge, das haben wir erst kürzlich erlebt, da gibt es keinen Kompromiss. Und da muss man das auch ganz klar so rüberbringen. Und da bin ich derjenige, der einfach für Klarheit sorgt. Der das nicht immer ganz charmant macht, das gebe ich ja zu. Habe ich auch kein Problem mit. – Das Problem haben ja die anderen, ist ja klar. – Ja, aber ich bin durchaus erfolgreich. – Das ist schon richtig. (655, 47.10) Atmo 5 Ankunft im Vier Löwen Autorin Michael Sladek hält seiner Frau die Tür auf und stürmt dann hinterher in die Schankstube, grüßt in die Runde. Hinter der Theke steht eine Frau Mitte 60, mit weißer Spitzenschürze, praktischer Kurzhaarfrisur und goldenen Ohrringen. Sie strahlt, als sie die Sladeks sieht und begleitet sie umgehend zu einem der Tische. Der Arzt fährt ihr im Vorbeigehen kurz durch die Haare, sie senkt etwas 3 4 verlegen den Blick und holt schnell die Karten. Dann kehrt sie zurück hinter den Schanktresen. Atmo 6 hinterm Tresen O-Ton 2 Julia Böhler Das sind ganz einfache Leute. Da ist kein Schicki-Micki, kein Garnichts. Und ich bediene sie auch gern. Er sagt: Stell hin, stell hin! Es ist ganz einfach, mit denen Leuten. (663, 2.47) Autorin Julia Böhler arbeitet seit 38 Jahren als Aushilfsbedienung im Vier Löwen. Wenn der Wirt sie braucht, kommt sie herunter aus Schönenberg – einem kleinen Dorf oberhalb von Schönau. Dann muss ihr Mann abends das Vieh versorgen. Viel Geld bringt das nicht ein, aber so kommt jeden Tag Fleisch auf den Tisch. Das ist Julia Böhler wichtig. Michael Sladek kennt die Bedienung seit 1977, seitdem er Landarzt geworden ist in Schönau. Der mächtige Bart, die wirren Haare und seine Poltrigkeit haben Julia Böhler anfangs allerdings erstmal abgeschreckt. O-Ton 3 Julia Böhler Er war ja Arzt bei uns. Und er war ja so ein bisschen so, wo man erstmal denkt: Oh, na ja. Und dann denke ich: Hoffentlich muss ich jetzt nicht schnell zum Doktor. Zack, habe ich mir da was reingerissen und musste zum Doktor. Und dann war er ganz angenehm eigentlich. Er ist sehr einfühlsam, das versteckt er hinter seiner Poltrigkeit. Also ich kenne ihn gut, und das versteckt er. Und wenn er gut drauf ist, dann kommt er – egal, wie voll das Haus ist – dann kommt er und fährt mir so durchs Haar. Wenn die Männer beisammen sind, dann passiert das nicht. Dann hat er Probleme im Kopf. Und ich weiß, wann ich zu ihm was Spaßiges sage und wann nicht. (661, 5.01) Autorin Mit seiner Frau war Julia Böhler erst noch zurückhaltend. Bis mal ein Gast ging, ohne seine Rechnung zu bezahlen. O-Ton 3 Julia Böhler Ich habe mal gesagt: Frau Sladek, der eine ist gegangen und hat nicht gezahlt. – Ja, Julia schreib alles auf, damals waren wir noch nicht per du, da hat sie gesagt: Ihnen vertraue ich blind. Also das ist eine große Ehre, wenn jemand sagt: Ihnen vertraue ich – blind. Sie hatte oft große Rechnungen. Und das war für mich Heimat, wenn eine fremde Frau sagt: Ihnen vertraue ich blind. (661, 4.04) 4 5 Autorin Heute kennt die Bedienung Ursula Sladek besser – durch den jahrzehntelangen Kampf gegen den Strommonopolisten. Und je mehr sie von ihr erfuhr, desto mehr wuchs ihr Respekt vor deren Lebensleistung. Julia Böhler flüstert jetzt, damit die Gäste sie nicht hören. O-Ton 4 Julia Böhler Sie ist ja betteln gegangen in Freiburg auf dem Marktplatz. Alle Leute hat sie angeredet für den guten Zweck – und alle haben gespendet. Ich weiß nicht, wie viel sie da zusammengebracht hat. (flüstert) An die Millionen, glaube ich. Die Frau ist ja unermüdlich. (663, 0.31) Ich bewundere die Frau. Ihn auch. Aber die Frau ist eigentlich die Stütze. Und sie redet Stunden, ohne Konzept. Das ist der Wahnsinn, was die Frau da im Kopf drin hat. (663, 1.39) Atmo 7 Wein aufmachen Autorin Julia Böhler bringt die Gläser zum Tisch der Sladeks, öffnet eine Flasche Rotwein und zieht sich dann wieder zurück. Wenn es drauf ankommt, sagt die Aushilfsbedienung aber auch ihre Meinung. Zu den Sladeks und ihrem Engagement für atomfreien Strom zum Beispiel hat sie immer gestanden – auch wenn sie damit so einiges riskierte. O-Ton 5 Julia Böhler Und dann habe ich eben so eine Versammlung bedient und dann sagte sie: Julia, ziehst Du auch so ein T-Shirt an? Ja, sicher, habe ich gesagt, das ist für mich kein Problem. Und dann haben manche das eben nicht so gerne gesehen, gell. Und der eine hat mal zu mir gesagt: Du hast so ein Störfall-T-Shirt angehabt, von Dir will ich kein Bier. Dann habe ich gesagt: Dann hol es Dir eben im Adler. (lacht) (661, 9.32) Autorin Am Stammtisch geht es während der Bürgerentscheide oft hoch her: Soll man den Stromrebellen das Netz anvertrauen? Oder gehen dann im Ort die Lichter aus? Die Leute haben sich die Köpfe heiß geredet, erinnert sich Julia Böhler. Oft wurde es laut. Auch - ja gerade, wenn man einer Meinung war. O-Ton 6 Julia Böhler Es gibt Leute, die reden ja nach dem Wind. Wenn der eine sagt, das ist ja nichts, was der macht. Dann sagt der andere, dann stehen wir im Dunkeln und und. Es war wahnsinnig. Wenn 5 6 irgendeiner gesagt hat: Das ist gut. Dann hat der Nächste gesagt: Ja, das ist gut. Das ist wirklich gut. Viele Leute reden einfach nach dem Wind, gell? Die hängen ihre Fahne nach dem Wind. (661, 8.03) MUSIK 1 Atmo 8 morgens früh im Büro Autorin Der Arbeitstag beginnt früh heute, die Verhandlungen mit den Stadtwerken Stuttgart gehen in die nächste Runde. Es soll eine dezentrale Energieversorgung aufgebaut werden. Ursula Sladek sitzt konzentriert am Rechner, ihr Mann geht nur kurz die Mails durch, bevor er in seine Arztpraxis aufbricht. Die hat er immer weitergeführt – neben allem Einsatz für atomfreien Strom. Gegen Ende der Siebziger, als die Sladeks nach Schönau ziehen, sind sie politisch allerdings noch nicht sonderlich beleckt, wie es Michael Sladek formuliert. Den badischen Widerstand gegen Atommeiler kennen sie nur aus dem Fernsehen. Um sich selbst an den Bauzaun von Wyhl zu ketten, fehlt ihnen die Zeit. Er arbeitet damals als Stationsarzt in einer Klinik im badischen Schopfheim, sie ist schwanger mit dem dritten Kind – und eine Hebamme erzählt ihnen, dass im Luftkurort Schönau der Posten des Landarztes frei wird. Landarzt? Luftkurort? Das klingt perfekt für eine junge Familie mit drei kleinen Kindern. Ursula Sladek engagiert sich erst im Kindergarten, dann im Elternrat der Schule, ihr Mann im Kirchenrat.