Rote Liste Wildbienen
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154496_IH.qxp 06.12.2005 14:49 Seite 1 Vorwort Rote Listen gefährdeter Organismen dokumentieren den Kenntnisstand über die Gefährdung der einzelnen Arten und über den Anteil gefährdeter Arten der betrach- teten Sippe. Sie sind damit sowohl ein Instrument der Umweltindikation als auch der Fachplanung des Naturschutzes, z. B. Grundlage für Arten- und Biotopschutz- programme. Nicht zuletzt dienen sie zur Information der Öffentlichkeit. Rote Listen erleichtern es auch, Landschaften, Landschaftsteile und Biotope anhand der Vorkommen gefährdeter Arten zu bewerten. Bei der Einstufung der Gefährdung innerhalb der Artengruppen werden feste Bewertungskriterien angelegt, die den Vergleich mit anderen Bundesländern ermöglichen. Rote Listen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten Sachsens werden entsprechend dem Bearbeitungsstand in loser Folge und nach einheitlicher Gliederung herausge- geben. Eine spätere Aktualisierung dieser Listen ist notwendig und geplant. Anregungen hierzu werden von uns gern entgegengenommen. Hartmut Biele Präsident des Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie 1 154496_IH.qxp 06.12.2005 14:49 Seite 2 Rote Liste Wildbienen 1 Einleitung material von mineralischen Substraten über pflanzliches Material bis zu Wildbienen sind eigentlich populär und Drüsensekreten, wie dem Wachs der trotzdem in ihrer gesamten Vielfalt Hummeln und der Honigbiene. Die mei- wenig bekannt, denn außer der heimi- sten Wildbienenarten nisten solitär (ein- sche Honigbiene und den Hummeln zeln), wobei die Nestversorgung allein gehören ca. 550 in Deutschland heimi- dem Weibchen obliegt. Daneben exi- sche Arten zu dieser Artengruppe stieren verschiedene Sozialitätsstufen. (WESTRICH & DATHE 1997, 1998; Die höchste Form der Staatenbildung WESTRICH 1999). Durch neuere Bestim- erreichen die hoch sozialen (eusozialen) mungswerke haben sich die auftreten- Hummeln und Honigbienen, die eine den Bestimmungsprobleme erheblich Kastendifferenzierung mit eierlegender verringert. Probleme sind jedoch wei- Königin und Arbeiterinnen ausbilden. terhin vorhanden, was selbst bei häufi- Darüber hinaus leben zahlreiche Arten gen Arten heute noch zu verschiedenen als Brutparasiten oder Kuckucksbienen Art- und Namensauffassungen führt. (Parasitoiden). Gewöhnlich handelt es sich bei den Wildbienen besitzen eine herausragen- Wildbienen um Brutfürsorge treibende de Bedeutung als Bestäuber entomoga- Arten, wobei die Weibchen ihre mer Wild- und Kulturpflanzen, weshalb Nachkommen in der Regel mit einem sie oft gezielt im Freiland oder in Ge- Vorrat aus Pollen und Nektar oder Öl wächshäusern zur Bestäubung einge- (Gattung Macropis) versorgen. Einige setzt werden. Aus wirtschaftlicher Sicht Vertreter sind auf einzelne Pflanzen- sind neben der Honigbiene die Hum- arten spezialisiert (Oligolektie), was meln die wichtigsten Blütenbestäuber. z. B. in der strengen Bindung von Osmia anthocopoides an Natterkopf (Echium vul- Der indikatorische Wert von Wildbienen gare) zum Ausdruck kommt. Das Fehlen ist besonders groß, weil es u. a. mosa- der Nahrungsressource kann nur über ikartige Verzahnungen von Ressourcen kurze Zeiträume durch „Kümmerfor- sind, die für das Vorkommen einer Art men“ ausgeglichen werden, führt aber notwendig sind. Wildbienen sind über- dauerhaft zum lokalen Aussterben die- wiegend thermo- und heliophil, doch ser Arten (WESTRICH 1990, eig. Beob.). kommen auch echte Waldarten (z. B. Andrena fucata) vor. Durch ihre enge Die Nistweise von Wildbienen ist über- Bindung an Blütenpflanzen ist zudem wiegend endogäisch, d. h. Nester wer- ein „historischer Rückschluß“ für den den von den Tieren in der Erde selbst Standort möglich, da eine Art meist gegraben oder zum Nisten vorhandene sehr lange Zeiträume zur Besiedlung ei- Strukturen genutzt (z. B. verlassene nes Lebensraumes benötigt und daher Mäusenester oder Hohlräume unter über eine längere Periode ungestört Steinen). Die hypergäisch (oberirdisch) sein muß (Störanzeiger). Ausgenom- nistenden Arten nutzen Höhlungen in men sind hier typische Erstbesiedler, Totholz, Pflanzenstängeln, Schnecken- die es zwar zahlreich unter den Wild- häusern oder mörteln Nester an Steine bienen gibt, die jedoch ebenfalls sehr bzw. legen ihre Nester in Grasbüscheln empfindlich und schnell auf Verän- an. Dabei variiert das benutzte Nist- derungen ihrer Ressourcen reagieren. 2 154496_IH.qxp 06.12.2005 14:49 Seite 3 Rote Liste Wildbienen Die Kenntnisse über die Verbreitung der einer Arbeiterin auch Bombus pyrenaeus Arten in Sachsen sind lückenhaft. (vgl. FRANKE 2003). Obwohl die vorliegenden Untersuch- ungen zur Wildbienenfauna einen lan- Auf das mögliche Auftreten weiterer gen Zeitraum umfassen (insbesondere Arten wird hier ausdrücklich hingewie- KRIEGER 1894; BAER 1904; SCHÜTZE 1921; sen. So kommen aktuell Osmia papaveris MÜLLER 1944; BALDOVSKI 1983, 1993, im Grenzgebiet zu Sachsen-Anhalt oder 1995, 2002) klaffen dazwischen Lücken Megachile genalis im Grenzgebiet zu mit erhebliche Kenntnisdefiziten. Brandenburg vor, die in Sachsen als ver- Faunistisch bemerkenswerte Arbeiten schollen gelten. Möglicherweise könnte in jüngster Zeit kamen von LANGNER Andrena symphyti noch heute in den (1997), BALDAUF & STRASSBURG (2002), Elbauen an Symphytum vorkommt. Für FRANKE (2003) und graue Literatur u. a. Lasioglossum prasinum ist ein Vor- von BREINL (2000), SCHNEE & DORN kommen in den Sandheiden der Ober- (1997) und MÜNZE (2004). Trotzdem lausitz ebenso wahrscheinlich, obwohl konnte auch gegenwärtig keine regional ein gesicherter Beleg nicht existiert. ausgeglichene Untersuchung erreicht Gleiches gilt für Melitta tricincta, die an werden. Während die Oberlausitz, die Odontitis als Nektarquelle gebunden ist. Dübener Heide, die Leipziger Region, das Vogtland (teilweise) und das Elbtal Für die 5 ausgestorbenen/verschollenen nördlich von Dresden als gut inventari- Kuckucksbienen Nomada distinguenda, N. siert hervorzuheben sind, müssen u. a. furva, N. mutica, N. rhenana und Sphe- das Elbtal südlich von Dresden, das codes spinulosus liefern Bezüge zu den Elbsandstein- und Erzgebirge als Wirtsarten Hinweise auf Untersuch- schlecht untersucht gelten. ungsdefizite. Bei beiden kleinen Arten N. distinguenda (Wirte: Lasioglossum villo- Insgesamt sind derzeit 407 Wildbienen- sulum, L. parvulum) und N. furva (Wirte: arten in Sachsen bodenständig. Da- Lasioglossum morio, L. leucopus, L. punct- runter sind wohl auch einige Arten, die atissimum) können diese bei größerer das Gebiet nur zeitweilig als Ver- Untersuchungsdichte wahrscheinlich mehrungsraum nutzen. In Rücksicht auf noch gefunden werden. Von der sehr den bisher nur als befriedigend zu cha- seltenen südlichen Art N. mutica befan- rakterisierenden Kenntnissstand wur- den sich nördliche Vorposten-Standorte den nur 9 Arten aus der Faunenliste in Sachsen. Sie ist in trockenwarmen Sachsens gestrichen. Die jeweilige Eichenwäldern noch heute zu erwarten, Begründung kann dem Anhang entnom- einschließlich dem bisher nicht nachge- men werden. Weitere 4 Arten wurden wiesenen Wirt Andrena ferox. Ein Phäno- bereits von WESTRICH & DATHE (1998) men ist N. rhenana, denn der Wirt gestrichen (zumeist Angaben von Andrena ovatula ist im Bergland nicht sel- MÜLLER (1944) für die Hoflößnitz bei ten und trotzdem ist der Parasitoid ver- Dresden: Andrena vetula, Andrena albo- schollen. Es sollte auch hier bei geziel- punctata, Anthidium florentinum und ter Suche ein Auffinden möglich sein. Megachile parietina). Letztere Art könnte Auch S. spinulosus sollte heute noch im aber vorkommen. Nicht als bodenstän- Elbtal vorkommen, weil der Wirt dig angesehen werden kann aufgrund Lasioglossum xanthopus dort auch heute des bisher bekannten Vorkommens noch regelmäßig vorkommt. 3 154496_IH.qxp 06.12.2005 14:49 Seite 4 Rote Liste Wildbienen Die Nomenklatur richtet sich vorwie- den sind (keine wildlebenden Popula- gend nach SCHWARZ et al. (1996), tionen seit 30 Jahren mehr bekannt). GUSENLEITNER & SCHWARZ (2000), Ihre Populationen sind: Großgattungen nach WESTRICH & DATHE (1997) und taxonomisch umstrittenden – nachweisbar ausgestorben, ausge- Arten nach AMIET et al. (2001), rottet oder HERRMANN & DOCZKAL (1999), NILSSON – verschollen (es besteht der begrün- (2003), SCHEUCHL (1995), SCHMID-EGGER dete Verdacht, dass ihre Populatio- & SCHEUCHL (1997), SMISSEN (2002). In nen erloschen sind). Einzelfällen (N. glabella, N. tormentillae, Begründung siehe Bemerkungen) wird 1 Vom Aussterben bedroht durch den Autor abgewichen. So sind Andrena albofasciata, A. batava, A. blueth- Arten, die so schwerwiegend bedroht geni, A. confinis, A. morawitzi, A. nigrospi- sind, dass sie voraussichtlich ausster- na, A. propinqua, Lasioglossum sabulosum, ben, wenn die Gefährdungsursachen Nomada glabella, N. meridionalis, N. tor- fortbestehen. Eines der folgenden mentillae in der Artenliste enthalten, die Kriterien muss erfüllt sein: in der Deutschlandfauna von DATHE (2001) wie auch bei WESTRICH & DATHE – Die Art ist so erheblich zurückge- (1997) synonymisiert wurden. gangen, dass sie nur noch selten ist. Ihre Restbestände sind stark Bei der Erstellung halfen außer den bedroht. bereits genannten Mitarbeitern dan- – Die Art ist von jeher selten, nun kenswerterweise folgende Personen aber durch laufende menschliche mit: K. Breinl (Gera), Dr. M. Dorn Einwirkungen sehr stark bedroht. (†, Halle), E. Jansen (StUFA Leipzig), – Die Bestandsgröße der Art ist wahr- U. Kallweit (Staatl. Museum für scheinlich gleich oder kleiner der Tierkunde Dresden, coll. Starke), kritischen Populationsgröße. H. Klein (LRA Meißen), Dr. P. Kneis (StUFA Radebeul), R. Münze (Dresden), Ein Aussterben