Fan-News Stadion-Porträt „Kölner Modell“ bricht Tabus Nachdem Fans des 1. FC Köln zuletzt mehrfach unangenehm aufgefallen sind, versucht der Club nun mit fragwürdigen Methoden, Kontrolle über die eigenen Anhänger zu erlangen. Auswärtskarten gibt es nur noch personalisiert, und bei neuerlichen Vorfällen soll ab sofort der ganze Fanclub haften.

04.000 Euro. Seit einigen Tagen gei- Vereine, die dem FC in der nächsten Zeit Viele Karten würden dann an Nachrücker stert diese Zahl durch das Umfeld gegenüber stehen werden, boten an, wäh- fallen. 1des 1. FC Köln. Es handelt sich da- rend der Spiele etwaige Protestaktionen „Wir be nden uns da in einer beson- bei um die Höhe der Geldbußen, die die zu unterstützen. Die DFL hingegen lobte ders schwierigen Situation“, sagt Boris DFL dem Club in den letzten zweieinhalb das Vorgehen. „Das Verfahren wegen der Gehlen, der 1. Vorsitzende des Fan-Pro- Jahren aufgebrummt hat. Für den Verein Feuerzeugwürfe in Bielefeld ist eingestellt jekts, das für den FC den Verkauf der ist dieser Betrag, zusammen mit der An- worden. Wir gehen davon aus, dass unse- Auswärtskarten abwickelt, „wir haben drohung, bei der nächsten Auffälligkeit re Maßnahme honoriert wurde“, sagt der dem Verein mitgeteilt, dass wir die Rege- ein „Geisterspiel“ austragen und sich Kölner Fanbeauftragte Rainer Mendel. lung nicht glücklich  nden.“ Zum ande- Regressforderungen von Sponsoren und Nach Auskunft des FC haben inzwi- ren entsteht eine gewisse Brisanz aus der Kartenbesitzern stellen zu müssen, Legi- schen 300 der 1.000 Fanclubs unterschrie- Mitgliedschaft des Fan-Projekts im Fan- timation, mit einer in dieser Form nicht ben, doch nahezu alle „aktiven“ Fanclubs Bundesverband „Unsere Kurve“. Dieser gekannten Härte gegen die Fans vorzuge- mobilisierten binnen Wochenfrist Wider- hat in einer Pressemitteilung unmissver- hen, deren Verhalten die Strafen ausgelöst stand. Rund 100 kamen auf Anregung ständlich klargemacht, was er von der hat. von „Wilde Horde“ und „Fan-Orga“ zu- Angelegenheit hält. „Sippenhaft und glä- Und nicht nur gegen die, denn nach sammen, berieten das weitere Vorgehen, serne Fußballfans sind kein tragbares Zu- dem Willen des FC könnten die Scha- verschafften sich zudem einen Überblick kunftsmodell für ein Sicherheitskonzept densersatzforderungen auch den gesam- über die möglichen Konsequenzen. „Je- in deutschen Stadien“, heißt es dort. Die Eleganz der Dachkonstruktion erschließt sich erst aus einiger Entfernung. Foto: Stadionwelt ten Fanclub des Täters treffen, „da dieser der ernsthafte Jurist lacht sich darüber Rainer Mendel wirbt weiter für das FC- durch das Gruppengefühl stärker in die kaputt“, sagte ein Teilnehmer der Dis- Modell: „Von sieben zuletzt identi zierten Prävention gegen Ausschreitungen einge- kussionsrunde und verwies darauf, dass Fans seien drei unorganisiert gewesen, vier bunden werden soll“, so die Argumenta- die Regelung ohnehin nicht wasserdicht konnte man einem Fanclub zuordnen aber tion des Vereins. Mit einem den Fanclubs sei. Holger Richter, der die zweistündi- keiner davon war als Vereinsmitglied regi- Gefangen in der Zeitschleife Mitte Januar zugestellten Schreiben wer- ge Versammlung leitete, geht ins Detail: striert. Kein Nachweis über Täterpro le“, Seit 1993 ist das Gottlieb-Daimler-Stadion ein hervorragendes Leichtathletikstadion. den die Vorsitzenden aufgefordert, der „Grundsätzlich ist entscheidend, ob ein meint Mendel, „aber eine Tendenz ist zu neuen Regelung zuzustimmen, die zu- Fanclub „e.V.“ ist. In diesem Fall müsste erkennen“. Zudem seien rund 80 Prozent Aber wird es eines Tages noch zum hervorragenden Fußballstadion? künftige Zuteilung von Eintrittskarten sei er sich im Falle einer Strafe wahrschein- der Karten bisher bereits personalisiert ge- an die Einverständniserklärung zu diesen lich au ösen, wenn sie das Vereinsvermö- wesen, „aber es fällt doch auf, dass es die ie Fernsehbilder wirken wie aus bei jedem Kameraschwenk durch das veränderten AGBs gebunden. Weiterhin gen überschreitet. Wenn es eher eine lose Probleme gerade bei den Spielen wie Bie- Serie WM-Stadien einer fernen Vergangenheit, da- Bild huschen, erinnern daran, dass im wird es Auswärtskarten nur noch unter Gruppierung ist, wäre jedes einzelne Mit- lefeld, Hamburg oder Duisburg, immer Dbei liegt die Szene nicht einmal Sommer 1992 im großen Stil umgebaut Angabe der Personalien geben. glied haftbar.“ Was im Bereich des Mög- dann, wenn es einen freien Verkauf gab, Gottlieb-Daimler- 14 Jahre zurück: , auf wurde im Neckartal. Das städtische Sta- Die Tragweite der nun beschlossenen lichen liegt, da der FC bereits vor Jahren auftraten. Und in keinen Fall konnten wir Stadion dem Höhepunkt seiner Trainerkarriere, dion erhielt im Hinblick auf die im Au- Regelung könnte sich als immens erwei- Mitgliederlisten der Fanclubs anforderte. nachweisen, dass die Leute die Karten zu- stemmt die Meisterschale in den Stutt- gust 1993 statt ndende Leichtathletik- sen. Macht das „Kölner Modell“, der Be- Vorerst haben die Fans einen Aufschub vor nicht bei uns gekauft hatten. Zudem � Gefangen in der Zeitschleife garter Himmel. Im Hintergrund die Idole WM nicht nur ein neues Dach, sondern griff hat sich inzwischen bundesweit eta- erreicht, denn die Frist, bis zu der die Un- haben wir bei all diesen Spielen im Stadion Das Gottlieb-Daimler-Stadion jener Epoche: Fritz Walter, frisch gekrön- auch eine Modernisierung der Haupttri- bliert, Schule, wäre es die bisher radikalste terschriften geleistet werden sollen, wurde Leute mit Stadionverbot entdeckt.“ im Porträt ...... 61 ter -Torschützenkönig. Matt- büne und Verbesserungen im Stadion- Maßnahme im restriktiven Umgang der bis März verlängert. Wenn dann keine Lö- Aktuell entsteht jedoch das Bild eines hias Sammer, ausnahmsweise einmal umfeld. Eines der schönsten Stadien sei- � Daten & Fakten ...... 65 Clubs mit ihren Anhängern. Und die rea- sung herbeigeführt werden kann, fällt auf Clubs, der eine zweifelhafte Vorreiterrol- lächelnd. Eike Immel mit dem Versuch, ner Zeit sollte es werden, ein würdiger gierten entsetzt. Im Internet-Forum und der Geschäftsstelle viel Arbeit an. „Durch le im unnachgiebigen Umgang mit Fans � Poster ...... 66 die Spuren einer durchzechten Nacht Schauplatz der Welttitelkämpfe, eine in persönlichen Gesprächen weigerten den Aufschub ist das Spiel in Möncheng- eingenommen hat. Nach dem ersten Knall hinter einer monströsen Sonnenbrille zu moderne Sportstätte und das Fundament sich viele Fans, die Vorgaben zu unter- ladbach nicht betroffen, doch könnte es sind alle Seiten derzeit um moderatere � „Perspektive für Leichtathletik“ kaschieren, dann . Der einer großen VfB-Ära. Alles schien per- schreiben. Andere Fanclubs gingen auf für das Spiel auf Schalke relevant werden. Töne bemüht. „Ich frage mich immer noch, Interview mit Dr. Susanne Kapitän hat der Spielzeit 1991/92 tags fekt – die Stadionentwicklung passend Eisenmann (Stadt Stuttgart) . . . 68 Nummer sicher und kündigten gleich ihre Wenn der Vertrag nicht vorliegt, wird die was den Verein da geritten hat“, sagt Hol- zuvor mit seinem Siegtreffer in Leverkus- zum aufstrebenden Verein. Wohl nie- Abmeldung an. Eine Kollektivhaftung sei Bestellung nicht bearbeitet“, sagt Mendel. ger Richter, „aber es gibt ein Gesprächsan- � „Fußballstadion hat Priorität“ en, wenige Minuten vor Saisonende, eine mand hätte sich 1992 vorstellen können, nicht nur unpraktikabel, hieß es, denn gebot. Man muss es noch mal im Guten Interview mit Erwin Staudt letzte überraschende Wendung gegeben, dass dieses Meisterwerk mit seinem herr- welcher Fanclub-Vorsitzende möchte versuchen.“ „Wir wollen ja nicht in erster (VfB Stuttgart) ...... 69 so unerwartet, dass die Stadt dem VfB lichen Dach in einigen Jahren als Brems- schon die Hand für bis zu 400 Mitglieder Linie Strafen weiterleiten, sondern errei- nicht einmal den Stuttgarter Marktplatz klotz der VfB-Entwicklung ausgemacht ins Feuer legen, auch liege hierbei ein sit- chen, dass sich die Fans endlich mit der � Ewige Baustelle im Neckartal für eine Meisterfeier zur Verfügung werden könnte. Zur Geschichte des tenwidriges Prinzip zu Grunde. Problematik auseinandersetzen. Mit den stellen kann. Ein schon lange für diesen Im Gegenteil. Aus der Perspektive der Gottlieb-Daimler-Stadions ...... 70 Ähnlich sehen es Fans anderer Verei- Gesprächsangeboten in der Vergangen- Sonntag genehmigter Flohmarkt zu Fü- frühen 90er Jahre musste das Stadion in ne. „Ein skandalöser Vorgang“, sagt der heit ist uns das leider bislang nie gelun- � Stimmen und Meinungen ...... 72 ßen des Rathausbalkons kann auf die seiner Form als ein Glücksfall für Stadt Schalker Rolf Rojek gegenüber „Revier- gen“, sagt Rainer Mendel. Boris Gehlen Schnelle nicht mehr abgesagt werden. und Verein erscheinen. So war etwa die sport“, „ich habe schon viel erlebt, aber so entgegnet: „Ich hoffe, dass sich der Verein � Landestypisches im Talkessel So bietet also das Neckarstadion die Dachkonstruktion eine Weltpremiere: was noch nicht. Sollte jemand bei uns auf noch mal bewegt.“ In den nächsten Tagen Der WM-Standort Stuttgart . . . . . 74 Kulisse des Meisterfeier-Films, bezie- Erstmals wurde ein dermaßen großer so eine Idee kommen, kann er das gleich treffen sich Verein und Fanvertreter zu er- ��Matthias Ney, Jennifer Töpperwein hungsweise das, was vom Stadion übrig Zuschauerraum mit einer hängenden, vergessen.“ Und einige Fanszenen der FC-Fans auswärts: Bald vollständig registriert? sten Gesprächen. ��Maik Thesing blieb. Denn die gewaltigen Baukräne, die textilen Überdachung versehen. Das �

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s060.indd 60 26.01.2006 22:23:31 s061-075_neckarstadion.indd 61 16.01.2006 12:02:01 Stadion-Porträt Stadion-Porträt

größte Kompliment für die Konstrukteure Deutschlandpremiere – nicht mehr an lung. Denn seit seiner Fertigstellung 1993 Schlaich, Bergermann und Partner dürfte Masten, sondern ausschließlich am Sta- steckt das Stadion in einem aus Fußbal- die Tatsache sein, dass ihre visionäre Idee diondach montiert. lersicht ungünstigen Modernisierungszy- eines „liegenden Speichenrades“, das mit klus. Angesichts der Kosten des bereits er- einer lichtdurchlässigen Membranhaut Dem Zeitgeist entsprechend folgten Umbaus kam die Umgestaltung in überzogen wird, in Deutschland und ein reines Fußballstadion – ein Weg, den weltweit zahlreiche Nachahmer fand. In Stuttgart entstand also ein Stadion, in den vergangenen sieben Jahren nicht Und auch sonst war das Stadion seiner das zahlreiche andere Vereine zu jener weniger als 15 deutsche Städte oder Ver- Zeit voraus: Einige Jahre lang war es das Zeit mit Kusshand genommen hätten, eine gegangen sind – in Stuttgart nicht in größte Stadion Deutschlands, das sämt- zumal es auch in seiner Konzeption als Frage. So konsequent man einst die Chan- lichen Zuschauern einen überdachten Leichtathletikstadion dem Zeitgeist ent- ce der Leichtathletik-WM 1993 genutzt Platz bieten konnte, und dies komplett sprach. Man rufe sich die Jubelarien in Er- hatte, um das Stadion dem damals aktuel- ohne die Sicht behindernde Dachstützen innerung, die wenige Jahre zuvor, bei der len Stand des Stadionbaus anzupassen, so im Innenraum. Und obwohl das neuarti- Fußball-Weltmeisterschaft 1990, auf die tatenlos mussten die Fußballpuristen nun, ge Dach einen Großteil der 53,5 Mio. DM größtenteils mit Laufbahn ausgestatteten im Vorfeld der Fußball-WM 2006, zuse- Umbaukosten verschlang, war es nicht italienischen Fußballopern gesungen wor- hen, wie eine gigantische Neubauwelle einmal übermäßig teuer, im Gegenteil: den waren. Man bedenke, dass sich der durch fast ganz Deutschland (allerdings Noch heute gilt die in Stuttgart gewählte englische Fußball Anfang der 90er Jahre an Stuttgart vorbei) schwappte. Während Konstruktionsform als eine der preisgün- gerade erst langsam von seiner fünfjähri- all jene, die zuvor lange Jahre neidisch auf stigsten und materialef zientesten Über- gen Europapokalverbannung – eine Folge den VfB Stuttgart geschielt hatten, nun mit dachungen überhaupt. der Katastrophe von Heysel – erholte. Zum dem Rückenwind der anstehenden Welt- Auch ästhetisch setzte das moderni- Trendsetter sollte das „englische“ Stadion meisterschaft durch den Bau enger, mo- sierte Stadion Maßstäbe, einen harmoni- erst Jahre später mit der stimmungsvollen derner Fußballtempel am schwäbischen schen Gesamteindruck vermittelten vor Europameisterschaft 1996 werden. Die Traditionsverein vorbeizogen, investierte allem die durchgängig rote Bestuhlung Entscheidung der Stuttgarter für einen man in Stuttgart zwischen 1999 und 2005 und der gleichmäßige Höhe und Form Umbau, der aufgrund seiner Kosten und weitere 107 Mio. Euro in den Status Quo der Tribünen. Hinzu kam eine technische Perfektion den Erhalt der Laufbahn auf als Leichtathletikstadion. Immerhin konn- Ausstattung, die alle anderen deutschen Jahrzehnte zementieren würde, war also te durch die Ausbauten, insbesondere die Stadien in den Schatten stellte – nicht zu- eine logische, aus damaliger Sicht richtige Aufstockung der Haupt- und Gegentribü- letzt dank der Lichtanlage. Die Flutlicht- – aus heutiger Sicht hingegen möglicher- ne, die Qualität des Stadions noch einmal strahler nämlich waren – auch dies eine weise eine verhängnisvolle Weichenstel- erheblich verbessert werden.

Zwei-Klassen-Gesellschaft: Während die fl achen und weitläufi gen Kurven keine gute Sicht auf das Spielfeld bieten, ...

... lässt die komfortable Haupttribüne kaum Wünsche offen. Fotos: Stadionwelt

Überaus zufrieden mit den Umbauten das Gottlieb-Daimler-Stadion harmonisch dazu einem eigenen Parkhaus direkt auf zeigt sich daher auch die Stadt Stuttgart. in die weite Senke des Neckartals ein. der gegenüberliegenden Straßenseite. Um Als „eines der schönsten Stadien Euro- trockenen Fußes und von sonstigen Fan- pas“ hatte Oberbürgermeister Wolfgang Zu weit, zu fl ach strömen unbehelligt dorthin zu gelangen, Schuster das Gottlieb-Daimler-Stadion an- wurde ihnen eigens eine verglaste Brücke lässlich der Eröffnung der neuen Haupt- Vielen Fußballfans – und seit einigen über die Mercedesstraße gespannt. tribüne im Sommer 2001 bezeichnet. Eine Jahren auch dem VfB Stuttgart – wäre es Obwohl es sich beim Gottlieb-Daim- durchaus nachvollziehbare Einschätzung. allerdings lieber, das Stadion hätte statt- ler-Stadion um eine städtische Immobilie Im Inneren schmiegt sich die Haupttri- dessen das Pro l des Grand Canyon auf- handelt, wurde der Großteil dieser Kom- büne mit ihrem neuen Oberrang seitdem gegriffen. Denn die sanften Steigungen fortmerkmale vom VfB Stuttgart bezahlt, ausgesprochen elegant unter das ge- der Umgebung  nden auch im Inneren respektive: muss noch bezahlt werden. schwungene Dach. Mit der Fertigstellung des Stadions ihre Fortsetzung. So sind Die Stadt streckte die Kosten des Haupt- des Oberrangs der Gegengeraden im No- die Kurven wegen der Leichtathletikan- tribünen-Ausbaus lediglich vor, seit 2002 vember 2005 hat sie zudem ein optisches lage nicht nur relativ weit vom Spielfeld und noch bis 2024 wird der Verein zusätz- Pendant erhalten, der Zuschauerraum entfernt, durch ihre geringe Steigung ver- lich zu Stadionmiete und Werbebeteili- des Stadions hat damit wieder ein gleich- bessert sich auch in den höher gelegenen gungen jährlich 2,7 Mio. Euro zurückzah- mäßiges Erscheinungsbild. Und auch die Reihen kaum die Perspektive. Eine derart len müssen. Ungünstig wirkt sich diese Außenansicht des Gottlieb-Daimler-Sta- ungünstige Kombination aus Entfernung Klausel – ausgehandelt vom ehemaligen dions ist gelungen. Das blendend weiße und Blickwinkel ist in der deutschen Sta- VfB-Präsidium um Gerhard Mayer-Vor- Membrandach wölbt sich, als bestehe es dionlandschaft inzwischen einzigartig. felder – nicht nur wegen der künftig ho- aus zahllosen kleinen Segeln im Wind, in Da gleichzeitig die Haupt- und Gegen- hen  nanziellen Belastung aus, auch ist gleichmäßigen Buckeln über den Stadion- tribüne gute – in den Oberrängen sogar der Verein hierdurch langfristig an das körper. Darüber thront in bis zu 50 Me- sehr gute – Sicht auf das Spielfeld bieten, Gottlieb-Daimler-Stadion gebunden. So tern Höhe ein mächtiger Druckring, der schafft die Form des Gottlieb-Daimler- existierten zwar in den letzten Jahren im- über ein Ge echt aus Stahlseilen das Dach Stadions eine echte Zwei-Klassen-Gesell- mer wieder Planspiele des VfB, die einen in seiner Position hält. Dadurch, dass so- schaft. Oder drei Klassen, wenn man die Neubau an anderer Stelle im Stadtgebiet wohl die Tribünen als auch das Dach und VIPs im Zentrum der Haupttribüne als vorsahen, ihre Realisierungschancen wa- sein Druckring eine Wellenform beschrei- eigene Kategorie betrachtet. Ihnen steht ren angesichts dieser  nanziellen Ver- ben, mit ihren höchsten Punkten über der einer der mondänsten Hospitality-Berei- p ichtungen im bestehenden Stadion Haupt- und der Gegentribüne und niedri- che des Landes zur Verfügung, mit etli- allerdings von vornherein eher theoreti- geren Bereichen in den Kurven, fügt sich chen Lounges, Restaurants und Foyers, scher Natur. �

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s061-075_neckarstadion_neu.indd 62 26.01.2006 16:40:21 s061-075_neckarstadion_neu.indd 63 26.01.2006 16:41:25 Stadion-Porträt Stadion-Porträt größte Kompliment für die Konstrukteure Deutschlandpremiere – nicht mehr an lung. Denn seit seiner Fertigstellung 1993 Schlaich, Bergermann und Partner dürfte Masten, sondern ausschließlich am Sta- steckt das Stadion in einem aus Fußbal- die Tatsache sein, dass ihre visionäre Idee diondach montiert. lersicht ungünstigen Modernisierungszy- eines „liegenden Speichenrades“, das mit klus. Angesichts der Kosten des bereits er- einer lichtdurchlässigen Membranhaut Dem Zeitgeist entsprechend folgten Umbaus kam die Umgestaltung in überzogen wird, in Deutschland und ein reines Fußballstadion – ein Weg, den weltweit zahlreiche Nachahmer fand. In Stuttgart entstand also ein Stadion, in den vergangenen sieben Jahren nicht Und auch sonst war das Stadion seiner das zahlreiche andere Vereine zu jener weniger als 15 deutsche Städte oder Ver- Zeit voraus: Einige Jahre lang war es das Zeit mit Kusshand genommen hätten, eine gegangen sind – in Stuttgart nicht in größte Stadion Deutschlands, das sämt- zumal es auch in seiner Konzeption als Frage. So konsequent man einst die Chan- lichen Zuschauern einen überdachten Leichtathletikstadion dem Zeitgeist ent- ce der Leichtathletik-WM 1993 genutzt Platz bieten konnte, und dies komplett sprach. Man rufe sich die Jubelarien in Er- hatte, um das Stadion dem damals aktuel- ohne die Sicht behindernde Dachstützen innerung, die wenige Jahre zuvor, bei der len Stand des Stadionbaus anzupassen, so im Innenraum. Und obwohl das neuarti- Fußball-Weltmeisterschaft 1990, auf die tatenlos mussten die Fußballpuristen nun, ge Dach einen Großteil der 53,5 Mio. DM größtenteils mit Laufbahn ausgestatteten im Vorfeld der Fußball-WM 2006, zuse- Umbaukosten verschlang, war es nicht italienischen Fußballopern gesungen wor- hen, wie eine gigantische Neubauwelle einmal übermäßig teuer, im Gegenteil: den waren. Man bedenke, dass sich der durch fast ganz Deutschland (allerdings Noch heute gilt die in Stuttgart gewählte englische Fußball Anfang der 90er Jahre an Stuttgart vorbei) schwappte. Während Konstruktionsform als eine der preisgün- gerade erst langsam von seiner fünfjähri- all jene, die zuvor lange Jahre neidisch auf stigsten und materialef zientesten Über- gen Europapokalverbannung – eine Folge den VfB Stuttgart geschielt hatten, nun mit dachungen überhaupt. der Katastrophe von Heysel – erholte. Zum dem Rückenwind der anstehenden Welt- Auch ästhetisch setzte das moderni- Trendsetter sollte das „englische“ Stadion meisterschaft durch den Bau enger, mo- sierte Stadion Maßstäbe, einen harmoni- erst Jahre später mit der stimmungsvollen derner Fußballtempel am schwäbischen schen Gesamteindruck vermittelten vor Europameisterschaft 1996 werden. Die Traditionsverein vorbeizogen, investierte allem die durchgängig rote Bestuhlung Entscheidung der Stuttgarter für einen man in Stuttgart zwischen 1999 und 2005 und der gleichmäßige Höhe und Form Umbau, der aufgrund seiner Kosten und weitere 107 Mio. Euro in den Status Quo der Tribünen. Hinzu kam eine technische Perfektion den Erhalt der Laufbahn auf als Leichtathletikstadion. Immerhin konn- Ausstattung, die alle anderen deutschen Jahrzehnte zementieren würde, war also te durch die Ausbauten, insbesondere die Stadien in den Schatten stellte – nicht zu- eine logische, aus damaliger Sicht richtige Aufstockung der Haupt- und Gegentribü- letzt dank der Lichtanlage. Die Flutlicht- – aus heutiger Sicht hingegen möglicher- ne, die Qualität des Stadions noch einmal strahler nämlich waren – auch dies eine weise eine verhängnisvolle Weichenstel- erheblich verbessert werden.

Zwei-Klassen-Gesellschaft: Während die fl achen und weitläufi gen Kurven keine gute Sicht auf das Spielfeld bieten, ...

... lässt die komfortable Haupttribüne kaum Wünsche offen. Fotos: Stadionwelt

Überaus zufrieden mit den Umbauten das Gottlieb-Daimler-Stadion harmonisch dazu einem eigenen Parkhaus direkt auf zeigt sich daher auch die Stadt Stuttgart. in die weite Senke des Neckartals ein. der gegenüberliegenden Straßenseite. Um Als „eines der schönsten Stadien Euro- trockenen Fußes und von sonstigen Fan- pas“ hatte Oberbürgermeister Wolfgang Zu weit, zu fl ach strömen unbehelligt dorthin zu gelangen, Schuster das Gottlieb-Daimler-Stadion an- wurde ihnen eigens eine verglaste Brücke lässlich der Eröffnung der neuen Haupt- Vielen Fußballfans – und seit einigen über die Mercedesstraße gespannt. tribüne im Sommer 2001 bezeichnet. Eine Jahren auch dem VfB Stuttgart – wäre es Obwohl es sich beim Gottlieb-Daim- durchaus nachvollziehbare Einschätzung. allerdings lieber, das Stadion hätte statt- ler-Stadion um eine städtische Immobilie Im Inneren schmiegt sich die Haupttri- dessen das Pro l des Grand Canyon auf- handelt, wurde der Großteil dieser Kom- büne mit ihrem neuen Oberrang seitdem gegriffen. Denn die sanften Steigungen fortmerkmale vom VfB Stuttgart bezahlt, ausgesprochen elegant unter das ge- der Umgebung  nden auch im Inneren respektive: muss noch bezahlt werden. schwungene Dach. Mit der Fertigstellung des Stadions ihre Fortsetzung. So sind Die Stadt streckte die Kosten des Haupt- des Oberrangs der Gegengeraden im No- die Kurven wegen der Leichtathletikan- tribünen-Ausbaus lediglich vor, seit 2002 vember 2005 hat sie zudem ein optisches lage nicht nur relativ weit vom Spielfeld und noch bis 2024 wird der Verein zusätz- Pendant erhalten, der Zuschauerraum entfernt, durch ihre geringe Steigung ver- lich zu Stadionmiete und Werbebeteili- des Stadions hat damit wieder ein gleich- bessert sich auch in den höher gelegenen gungen jährlich 2,7 Mio. Euro zurückzah- mäßiges Erscheinungsbild. Und auch die Reihen kaum die Perspektive. Eine derart len müssen. Ungünstig wirkt sich diese Außenansicht des Gottlieb-Daimler-Sta- ungünstige Kombination aus Entfernung Klausel – ausgehandelt vom ehemaligen dions ist gelungen. Das blendend weiße und Blickwinkel ist in der deutschen Sta- VfB-Präsidium um Gerhard Mayer-Vor- Membrandach wölbt sich, als bestehe es dionlandschaft inzwischen einzigartig. felder – nicht nur wegen der künftig ho- aus zahllosen kleinen Segeln im Wind, in Da gleichzeitig die Haupt- und Gegen- hen  nanziellen Belastung aus, auch ist gleichmäßigen Buckeln über den Stadion- tribüne gute – in den Oberrängen sogar der Verein hierdurch langfristig an das körper. Darüber thront in bis zu 50 Me- sehr gute – Sicht auf das Spielfeld bieten, Gottlieb-Daimler-Stadion gebunden. So tern Höhe ein mächtiger Druckring, der schafft die Form des Gottlieb-Daimler- existierten zwar in den letzten Jahren im- über ein Ge echt aus Stahlseilen das Dach Stadions eine echte Zwei-Klassen-Gesell- mer wieder Planspiele des VfB, die einen in seiner Position hält. Dadurch, dass so- schaft. Oder drei Klassen, wenn man die Neubau an anderer Stelle im Stadtgebiet wohl die Tribünen als auch das Dach und VIPs im Zentrum der Haupttribüne als vorsahen, ihre Realisierungschancen wa- sein Druckring eine Wellenform beschrei- eigene Kategorie betrachtet. Ihnen steht ren angesichts dieser  nanziellen Ver- ben, mit ihren höchsten Punkten über der einer der mondänsten Hospitality-Berei- p ichtungen im bestehenden Stadion Haupt- und der Gegentribüne und niedri- che des Landes zur Verfügung, mit etli- allerdings von vornherein eher theoreti- geren Bereichen in den Kurven, fügt sich chen Lounges, Restaurants und Foyers, scher Natur. �

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s061-075_neckarstadion_neu.indd 62 26.01.2006 16:40:21 s061-075_neckarstadion_neu.indd 63 26.01.2006 16:41:25 Stadion-Porträt Stadion-Porträt

Bereich der Heimfans

Anzeigetafel über dem Marathontor Haupteingang: Die Brücke führt zum VIP-Parkhaus. Daten & Fakten Eröffnung: 23. Juli 1933 WM-gerechter Ausbau: Das Dach setzte den Trend für eine ganze Stadiongeneration Foto: euroluftbild.de Januar 2004 bis Januar 2006 Kosten: 51,3 Mio. Euro Als einzig verbleibende Option erwägt VfB sind unklar. Ausdrücklich möchte die Architekten: Arat – Siegel & Partner der Verein daher den Umbau des beste- Stadt dies nicht als de nitive Absage an die (Umbauten); Schlaich, Bergermann und henden Stadions in einen reinen Fuß- Pläne des VfB verstanden wissen, ein Um- Partner (Dach) ball-Hexenkessel – im Anschluss an die bau ab Herbst 2008 sei nach wie vor mög- Maße des Stadions: 272 x 205 m Weltmeisterschaft und voraussichtlich lich. Das „World Athletics Final“ wird also Spielerkabine Die Haupttribüne bietet etliche Restaurants ... Höhe: 46,50 m Flutlichter am Dachrand auf eigene Kosten. Doch eine andere Wei- möglicherweise zum Schlusspunkt einer Höchste Tribüne: 27,10 m chenstellungen der 90er Jahre erschwert Ära. Als starker Abgang mit Pauken und Dach: 34.200 m² den Vereinsverantwortlichen auch hier Trompeten. Doch was passiert, wenn die Kapazität: die Kalkulation, denn eine Vermarktung Veranstaltung vom Publikum angenom- 57.000 Plätze (52.700 Sitzplätze, 4.300 des Stadionnamens als Bestandteil der men wird und schwarze Zahlen schreibt? Stehplätze), bei internationalen Spielen Finanzierung scheidet aus. Die Namens- Ist sie dann eventuell der Startschuss zu 54.267 Sitzplätze rechte nämlich wurden bereits 1993 an einer neuen Epoche, der Ausgangspunkt Business-Seats: 1.500 den benachbarten Daimler-Benz-Kon- für weitere Bewerbungen um hochklassige Logen: 44 Logen mit 675 Plätzen zern abgetreten: 10 Mio. DM kostete die Leichtathletikveranstaltungen, und damit Rollstuhlplätze: 180 unbefristete Umbenennung des Runds Signal für den Erhalt der Laufbahn? Anzeigetafeln: 2 à 115 m² in Gottlieb-Daimler-Stadion. Unglückli- Der VfB Stuttgart glaubt unvermin- Flutlicht: 284 Leuchten, 1.200 Lux cherweise war zu diesem Zeitpunkt die dert an die Realisierbarkeit eines Umbaus Lautsprecheranlage: rasante Wertentwicklung der Naming und hat dies zuletzt mit einer konkreten 152 Lautsprecher, 91 kW Rights nicht absehbar. Dass das Namens- Machbarkeitsstudie untermauert. Das Raum für Veranstaltungen ... und Sessel mit guter Sicht Einer der unbeliebtesten Gästeblöcke der Liga recht erheblich unter Wert abgetreten Architekturbüro Arat - Siegel & Partner, Schön und komfortabel: Die Haupttribüne des Gottlieb-Daimler-Stadions Alle Fotos: Stadionwelt wurde, zeigt sich schon daran, dass etwa an allen größeren Umbauten der jünge- die Betreiber der Allianz Arena heutzuta- ren Vergangenheit beteiligt, hat entspre- ge in einem einzigen Jahr mit 6 Mio. Euro chende Pläne ausgearbeitet: Der Rasen mehr Geld erlösen können, als die Umbe- müsste abgesenkt sowie Haupt- und Ge- nennung in Gottlieb-Daimler-Stadion auf gentribüne verlängert werden. Zwei neue Lebenszeit im Jahr 1993 einmalig in die Tribünen hinter den Toren würden den Kassen spülte. erhofften Hexenkessel schließen, das Dach Ob das Stadion trotz dieser  nanziel- deutlich nach vorne verlängert werden. len Perspektiven eine Zukunft als reine Der Umbau hätte nur einen Haken. Die Fußball-Arena hat, ist nicht absehbar. Für angenehme Gleichmäßigkeit, die homoge- den VfB-Präsidenten Erwin Staudt ist zwar ne Gestaltung der bisherigen Ränge ginge „ganz klar, dass das Fußballstadion kom- verloren. Die neuen Hintertortribünen hät- men muss“; ohne die Zustimmung der ten eine andere Geometrie als der Rest des Stadt als Stadioneigentümerin ist eine sol- Stadions und könnten daher nicht nahtlos che Maßnahme jedoch nicht durchführbar. anknüpfen, vielmehr müssten in den Ek- Und ob die „Sportstadt Stuttgart“ bereit ist, ken Lücken zwischen den Tribünen blei- auf eine Fortsetzung ihrer Leichtathletik- ben. Ganz sicher würde im Anschluss an tradition zu verzichten, ist nicht sicher. Im- solche Umbauten kein Oberbürgermeister merhin hat sich die Stadt im Sommer 2005 von „einem der schönsten Stadien Euro- erfolgreich um das „World Athletics Final“ pas“ sprechen können. Dennoch würden der Jahre 2006 – 08 beworben; die Auswir- ihm die Fußballfans vermutlich begeister- kungen auf die langfristigen Pläne des ter denn je zujubeln. ��Matthias Ney

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