Hinaus Zum Wasen!
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Der VfB wird 125! 125 Beiträge mit noch mehr Bildern erzählen in diesem Buch die Geschichte des Vereins mit dem roten Brustring neu. ISBN 978-3-7307-0399-1 VERLAG DIE WERKSTATT VERLAG DIE WERKSTATT C-125 Jahre Stuttgart-mehr kontrast.indd 1 07.08.18 12:17 FRÜHES RUGBY-SPIEL AUF DEM CANNSTATTER WASEN. AUS: PH. HEINEKEN, ERINNERUNGEN AN DEN CANNSTATTER FUSSBALL-CLUB (HEIDELBERG 1930). HinausHinaus zum zum Wasen! Wasen! Wer heute von der König-Karls-Brücke über den Cannstatter Wasen blickt, der schaut umgeben vom pulsierenden Verkehr über das Areal des Festgeländes mit dem randständigen Campingplatz, den schmucklosen Aufbauten und den parkenden Autos. Die Eindrücke sind weit entfernt von den Verhältnissen jener Zeit, in der der Fußball in Cannstatt ankam. Damals, als der Engländer William Cail und seine Kameraden als Schüler der Kloseschen Knabenanstalt 1865 auf der ausgedehnten Graslandschaft am Neckar das Rugby-Spiel pflegten und bei der männlichen Cannstatter Jugend rasch Nachahmer fanden. Die jungen Sportler trafen sich schließlich regelmäßig an bestimmten Nachmittagen und auch sonntags. Für sie war der weite Wasen Raum der Freiheit, Luft, Bewegung, Natur – es war ihr Grund und Boden, obwohl sie keinen Besitz daran hatten. Er bot die günstige Gelegenheit, den engen und dunklen Wohnungen und den frühen Erscheinungen der Industrie in Cannstatt und drum herum zu entfliehen. Die jugendlichen Akteure fühlten sich als ihre eigenen Herren, ohne zu fragen besetzten sie den öffentlichen Raum für ihre Zwecke. Ihr Ausgriff war eine aggressive Tat in den Augen derer, die bislang den idyllischen Wasen nutzten: der Schäfer, der seine Tiere in Pacht dort grasen ließ, die Reiter, Angehörige der Garnison in hochherrschaftlichem Gestus, und bürgerlich situierte Spaziergänger, die ihre behagliche Gemächlichkeit genossen. In diese Beschaulichkeit brach der Sport ein, ungefragt, ungebeten und die Gleichmäßigkeit störend: eine Rebellion! Mit ihm brach sich der Lärm Bahn, der bei den Spielen bis in die Badestadt hinein zu hören war. Die braven Bürger, die Reiter und der Schäfer sahen ihre liebgewordenen Gewohnheiten und Rechte in Gefahr und bemühten die Obrigkeit. Die verbot das Spielen, das Lärmen, und so wachte ein Feldschütz über die Einhaltung der Ordnung. Doch das Neue ließ sich nicht vertreiben. Gegen alle Maßregeln hielt sich das wilde Spiel, bis schließlich sogar erste Vereine gegründet und akzeptiert wurden: der Cannstatter Fußball-Club 1890 und der Fußballverein Stuttgart von 1893. [16] 17 | 1891 EINES DER ÄLTESTEN MANNSCHAFTSFOTOS MIT WEISSEN VfB TRIKOTS UND ROTEM BRUSTRING, AUFGENOMMEN IM HERBST 1925. STEHEND V.L.N.R.: HEINER MAIER, PAUL SCHWARZ, OTTO DÖRTENBACH, ERWIN GERLINGER, ERNST BLUM, MAX BÖKLEN, TRAINER TERENCE PERCIVAL HANNEY. SITZEND V.L.N.R.: FRITZ RETTER, ROLF GLENK, HERMANN HESS, WILLI RUTZ, KARL BECKER. Legendenbildung:Legendenbildung: Der Der BrustringBrustring kommt kommt Am Anfang war das Chaos. In der Oktoberausgabe der VfB „Vereinsnachrichten“ aus dem Jahr 1924 richtet ein sich als „XY“ bezeichnendes Mitglied folgenden Appell an die Vereinsführung: „Es ist sehr merkwürdig, daß die Mannschaften des V.f.B. sich scheinbar mit einer gewissen Beharrlichkeit dagegen wenden, die Vereinsfarben zu tragen. Nicht nur, daß die erste Ligamannschaft, die doch in erster Linie alles das, was den Verein direkt oder indirekt angeht, wahren soll, in der vergangenen Saison mit orangefarbigen Trikots gespielt hat, nicht nur, daß beispielsweise die Rugbyabteilung in violett antritt, sondern daß man auch die Jugend scheinbar nicht an die Farben des Clubs gewöhnt. […] Die Farben des Vereins sollten doch in erster Linie dazu angetan sein, die Treue zum Verein den Spielern einzuimpfen; und die Treue zum Verein wird auch steigen, wenn man sein Ideal in diesem Falle durch zwei Farben stets und ständig vor sich sieht, sondern auch trägt. Wenn man diese Farben in den Satzungen hat, dann soll man sie auch tragen und die Satzungen befolgen.“ Zu diesem Zeitpunkt stand es offenbar schlecht um die Einheitlichkeit bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes der VfB Mannschaften. Ende August des Jahres 1925 – zwischenzeitlich war vom Hauptausschuss das Tragen eines einheitlichen „Vereinstreß“ beschlossen worden – taucht dann der rote Brustring, auf dem zentral das VfB Wappen prangt, erstmals bei einem Freundschaftsspiel gegen Alemannia Worms auf. Zahlreiche Mythen ranken sich um die Schöpfung dieses zentralen Symbols des VfB. Tatsächlich ist hierüber nur wenig bekannt. Eine der gängigsten Thesen ist, dass der Brustring eine Idee der VfB Jugend war, die das Trikot der deutschen Leichtathletik-Nationalmannschaft zum Vorbild nahm. Unter anderem könnte aber auch das Hemd der deutschen Fußball-Nationalmannschaft als Vorlage gedient haben – sofern es überhaupt ein Muster hierfür gab. Mögen die Anfänge auch nicht geklärt sein, so erweist sich der Brustring seit seiner Einführung als treuer und durchaus wandlungsfähiger Weggefährte des VfB. Trotz zahlreicher Positionswechsel, Kürzungen und Verlängerungen blieb er stets das wesentliche Merkmal der sportlichen Aushängeschilder und macht den Verein wie kaum einen anderen erkennbar. [62] 63 | 1925 VonVon Costa Costa Rica Rica bis bis Indonesien: Indonesien: DieDie „Länderspiele“ „Länderspiele“ desdes VfB Jede Saison bestreitet der VfB etwa zehn Freundschaftsspiele. Die Gegner sind nationale wie internationale Proficlubs, unterklassige Vereine, Auswahlen mit ambitionierten Amateurfußballern – oder Nationalmannschaften. Ganze 32-mal ist der Verein mit dem Brustring in seiner 125-jährigen Geschichte bereits einer Nationalmannschaft gegenübergestanden und dabei auf 22 Länder von vier Kontinenten getroffen. Das erste „Länderspiel“ bestritt der VfB am 26. Juni 1954 gegen Mexiko. Die Partie wurde damals kurzfristig arrangiert, nachdem die Mexikaner wenige Tage zuvor bei der WM in der Schweiz in der Vorrunde gescheitert waren. Obwohl der VfB die Partie mit 1:5 verlor, hielt es den Verein mit dem Brustring nicht davon ab, im Laufe der Zeit immer wieder gegen ein Nationalteam anzutreten. Und so folgten seit der Premiere gegen Mexiko Duelle gegen die folgenden Nationen, die in chrono- logischer Reihenfolge, nach dem ersten Spiel gegen das jeweilige Land, aufgelistet sind: Spanien, Deutschland, Indonesien, Polen, Schweiz, Tschechoslowakei, Tunesien, Sowjetunion, Frankreich, Bulgarien, Malta, Costa Rica, Martinique, China, Südkorea, Vietnam, Weißrussland, Elfenbeinküste, Ghana und Vereinigte Arabische Emirate. Das bislang letzte „Länderspiel“ fand während des Winter- Trainingslagers in der Saison 2006/2007 in Dubai statt, wo der VfB dem Iran 0:1 unterlag. Zwar waren die „Länderspiele“ allesamt Test- beziehungsweise Freundschaftsspiele, kamen aber auf unterschiedlichste Art zustande. Am häufigsten fanden die Vergleiche während der Saison- vorbereitung in den Trainingslagern des VfB statt. Teilweise luden aber auch die internationalen Fußballverbände den VfB ein, um in der Vorbereitung auf ein entscheidendes Spiel oder ein großes Turnier durch die Partie wichtige Erkenntnisse zu gewinnen. Das reine Resultat (Bilanz: 8 Siege, 7 Remis, 17 Niederlagen, 45:64 Tore aus Sicht des VfB) stand bei diesen Testspielen nie im Vordergrund. Vielmehr nutzte der VfB die Gelegenheit, um sich im Ausland einen guten Namen zu machen und sich als weltoffener Verein zu präsentieren – was sowohl auf als auch neben dem Platz stets gelungen ist. LINKE SEITE: ZEUGEN UNGEWÖHNLICHER PARTIEN: TAUSCHWIMPEL DER LÄNDERSPIELBEGEGNUNGEN. [98] 99 | 1954 DIE DFB-POKALSIEGER VON 1954: STEHEND V.L.N.R.: ERWIN WALDNER, WALTER BÜHLER, LUDWIG HINTERSTOCKER, RICHARD STEIMLE, PETER KRIEGER, MASSEUR LECHLER, OTTO BAITINGER. HOCKEND V.L.N.R.: ROLF BLESSING, ROBERT SCHLIENZ, KARL BÖGELEIN, ERICH RETTER, KARL BARUFKA, ZEUGWART MARTIN RIEDINGER. EinEin Pokal Pokal fürs fürs Osternest Osternest Es war schon fast zur lieben Gewohnheit geworden: Am 17. April des Jahres 1954 stand der VfB nach 1950, 1952 und 1953 binnen vier Jahren im vierten Endspiel um einen großen Titel. Dennoch konnte der VfB eine Premiere feiern, denn anders als in den Jahren zuvor ging es diesmal nicht um die Meisterschale, sondern um den DFB-Pokal. Immerhin war der Mannschaft von VfB Trainer Georg Wurzer das Geläuf im Südweststadion zu Ludwigshafen in bester Erinnerung, da das weite Rund kaum zwei Jahre zuvor bereits Schauplatz des zweiten großen Titelgewinns des VfB gewesen war. Im DFB-Pokalfinale am Ostersamstag 1954 trafen zwei Mannschaften in Topform aufeinander: der VfB als frischgebackener Meister der Oberliga Süd und der 1. FC Köln, dessen mit den späteren Weltmeistern Paul Mebus und Hans Schäfer bestückte Elf kurz zuvor ebenfalls die Meisterschaft in der Oberliga West errungen hatte. Wer von den 60.000 anwesenden Zuschauern sich angesichts dieser vielversprechenden Paarung allerdings ein Spitzenspiel erwartet hatte, wurde enttäuscht. „Alles wirkte verkrampft und die klare spielerische Linie wurde vermisst“, wurde der Spielverlauf bis zur 75. Spielminute in den VfB „Vereinsnachrichten“ charakterisiert. Dann folgte jedoch ein Paukenschlag: Die Kölner bekamen von Schiedsrichter Albert Dusch einen umstrittenen Strafstoß zugesprochen, den der Schütze allerdings glücklicherweise nicht verwandeln konnte. Nun war der VfB hellwach, und die Wasenelf dominierte deutlich. Bis zum Abpfiff der regulären Spielzeit versäumte es der VfB jedoch, den spielentscheidenden Treffer zu erzielen. Dieser folgte in der Verlängerung bereits nach sechs Minuten durch einen doppelten Geniestreich: Ein herrlicher Pass von Robert