Besprechungen Winfried Held, Gergakome. Ein ›Altehrwürdiges
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09_Besprechungen 363-484 11.12.2009 10:16 Uhr Seite 454 454 Besprechungen Winfried Held, Gergakome. Ein ›altehrwürdiges‹ Hei- ligtum im kaiserzeitlichen Kleinasien. Istanbuler For- schungen, Band 49. Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen 2008. 213 Seiten, 250 Abbildungen, 1 Faltbeilage. Gergakome wird wohl zu Recht als eines der unge- wöhnlichsten antiken Heiligtümer in Kleinasien ange- sehen. Die außerordentlich gut erhaltene Stätte liegt ab- seits der großen antiken und modernen Überlandver- bindungen im karischen Bergland östlich des Cine-Çay, des antiken Marsyas. Obwohl der Ort bereits 1894 durch Georges Cousin bekannt gemacht wurde, hat er seither kaum Beachtung in der archäologischen For- schung gefunden. In der vorliegenden Arbeit beschäf- tigt sich Winfried Held im Rahmen seiner Habilita- tionsschrift aus dem Jahr 2003 nun erstmals intensiv und umfassend mit dem Ort und seinen Monumenten, wobei die gewonnenen Ergebnisse auf einem zweiwö- chigen archäologischen Survey basieren, der durch ein dreiköpfiges Team im Herbst 1994 durchgeführt wurde. Der Bestand und die Befunde der Denkmäler werden durch zahlreiche in den Text eingebundene Schwarz- weißfotos sowie durch den beigelegten Gesamtplan in ausreichender Qualität dokumentiert. In der Einleitung werden neben der Darstellung der angewandten Methoden auch die eingeschränkten Rah - menbedingungen während der Feldarbeiten mit ihren »geringen finanziellen und personellen Möglichkeiten« verdeutlicht. Die Arbeitsweisen und Techniken entspre- chen gängigen Standards, unterscheiden aber den Sur- vey freilich – wie der Autor selbst klar bekundet – erheb - lich von anderen, methodisch komplexer vorgehenden, allerdings weitaus besser ausgestatteten Unternehmun- gen. Gemeinsam mit der Forschungsgeschichte werden auch die bisherigen Interpretationsmodelle erörtert, aus denen deutlich wird, wie unterschiedlich die aus- 09_Besprechungen 363-484 11.12.2009 10:16 Uhr Seite 455 Rom und Provinzen 455 schließlich aus dem lokal anstehenden Augengneis ge- Aussagen, wie etwa zum Volumen und zum Gewicht wonnenen und »den Eindruck sehr hohen Alters« her- der gewaltigen Steinplatte zur Abdeckung der Nische vorrufenden Monumente bewertet werden. So be- des Tempels (S. 29), mangels Maßangaben im Text und wegen sich die Vorschläge für die zeitliche Einordnung wegen fehlender zeichnerischer Wiedergabe nicht nach- der Bauten I bis XIV, der drei kolossalen Statuen und vollziehbar. Zur besseren Lesbarkeit der Abbildungen deren teilweise reliefverzierten Basen, der Grotte, der wäre es darüber hinaus insbesondere in den Zeichnun- beiden Becken, der neunzehn Stelen beziehungsweise gen zu Bau I erforderlich gewesen, die Texturen der Stelenfragmente und der insgesamt dreiundvierzig In- Steinoberflächen graphisch wiederzugeben. Generell ist schriften sowie der sonstigen Werkblöcke von der ar- leider bei so gut wie allen Zeichnungen wohl aus zeit- chaischen Periode bis zur Kaiserzeit. Hinsichtlich der licher Distanz zur Aufnahme im Feld von 1994 die Deutung besteht in der jüngeren Forschung eine klare Überarbeitung auf dem Reißbrett ersichtlich, manch- Präferenz für die Interpretation der Anlage als Kultplatz mal auch mittels Lineal geschönten Kantenlinien, wie oder Heiligtum. bei Abbildung 144. Den Beschreibungen der Monumente vorangestellt In Bezug auf die architektonischen Gestaltung des ist der Abschnitt ›Geographische Lage‹ (S. 3–8) mit der Tempelinnenraumes sei die intendierte Gegensätzlich- Einbettung des Ortes in die allgemeine historische keit betont zwischen dem wuchtigen, archaisch wirken- Topographie des nördlichen Karien unter Berücksichti- den Erscheinungsbild der Wandarchitektur und der ge- gung der Erkenntnisse aus anderen aktuellen archäolo- waltigen Deckplatten des Giebeldaches einerseits sowie gischen Feldforschungen in der näheren und weiteren den fein ziselierten Profilen des kunstvoll petrifizierten Umgebung. Durch die gewählte Vorgangsweise wird Dachstuhls andererseits, der nur dekorative und keine die abgeschiedene Lage von Gergakome fern der großen statische Funktion erfüllte. Diesem gestalterischen Ele- Siedlungen an dem untergeordneten Verkehrsweg von ment wurde bei der Besprechung im Unterschied zur Alabanda nach Hyllarima besonders offensichtlich. Erläuterung technischer Komponenten wenig Aufmerk - Etwas unverständlich ist, warum das Kapitel ›Antike samkeit zuteil. Gewinnt der Raum vor der Nische schon Monumente in der Umgebung von Gergakome‹, das durch das Giebeldach an Höhe, verstärken die gegen - am Ende des Bandes angeschlossen ist (S. 181–205; im über den Ausmaßen der Bauglieder der Wände geringen Inhaltverzeichnis wird irrtümlich S. 203 angegeben), Dimensionen der Firstpfette und der je zwei seitlichen nicht an jener Stelle in die Arbeit eingebunden ist, zu - Sparren den Eindruck von Leichtigkeit. Als einzige ent- mal seine Ergebnisse ausschnittsartigen Charakter be- sprechend aufwendig ausgeführte Bauglieder tragen sie sitzen und nicht aus einer systematischen Begehung wesentlich zur Gestaltung des Innenraumes und des hervorgegangen sind. sakralen Ambientes bei. Die Präsentation der Einzelmonumente (S. 11–107) Etwas südwestlich des Tempels befindet sich am fla- erfolgt nach Gattungen. Das Heiligtum ist gegliedert in chen Hang vor der Ostterrasse umgeben von einem ver- drei große Bereiche, das Zentrum mit der Großen Ter- mutlichen Kapitellfragment (S 5), einer roh ausgeführ- rasse und dem Terrain südlich davon, die Zone im Nor- ten Stele (S 16) und zweier Steleneinlassungen (S 17 und den sowie diejenige im Südwesten. Summarische Erläu- S 18) sowie der Felsinschriften F 7 und F 8 eine große ge- terungen zu den kultischen Einrichtungen in den je- glättete Felsfläche, die mit einigen langen Quadern zu weiligen Arealen ermöglichen, die sakrale Topographie einer Rundterrasse von zwölfeinhalb Metern Durch- des Ortes im Überblick zu erfassen. messer gebildet wurde. Ein Vorschlag zur Deutung und Im Zentrum der Anlage steht auf der langgestreck- Nutzung der Einrichtung, die an ihrer Oberseite meh- ten, mehrfach geknickten Ostterrasse der vollständig er- rere flache rechteckige Abarbeitungen trägt, wird nicht haltene, allerdings relativ kleine Tempel (Bau I), dessen versucht, ebenso wird die Lage zum Tempel oder zu Giebel die in großen Buchstaben ausgeführte Inschrift der etwa fünfzig Meter entfernten, direkt oberhalb der »Γεργας« trägt. Die Beschreibung der Monumente ist Rundterrasse aufgestellten Statue A in keiner Weise the- präzise und erfasst zahlreiche Details. Behandelt sind matisiert. Abbildung 13, welche einen Schnitt durch die Merkmale der Bautechnik und Ausstattung sowie vor Rundterrasse von Westen mit einer Öffnung im Unter- allem Besonderheiten des Grundrisses, etwa die auf- bau zeigt, erweckt überdies den Anschein, als hätten wendige, tiefe Nische in der Rückwand zur Aufnahme die langen Quader zur Überbrückung beziehungsweise des nicht erhaltenen Kultbildes. Eindeckung eines unter der Anlage hindurchgeleiteten Hinsichtlich der zeichnerischen Dokumentation der Wasserlaufes gedient. Im etwas höher liegenden Ge- Architektur erschiene es im Sinne bautechnischer Plan- lände östlich der Rundterrasse finden sich jedenfalls das aufnahme dagegen angebracht, wenn zusätzlich zum Quellhaus VIII und das vermutlich die gleiche Funk- beigefügten Maßstab auch Maßeintragungen direkt in tion erfüllende Gebäude XIII sowie in unmittelbarer den Zeichnungen vorgenommen worden wären, ein Nähe zur Statue B das große und kleine Becken. Desiderat, das für die gesamte Architekturaufnahme Groß dimensionierte Quader, die jeweils die Seiten- gilt. Maße und andere im Text thematisierte Angaben, wände oder die Rückwand bilden, treten auch bei zum Beispiel zum Gewicht einzelner Werkblöcke des der Gruppe der Quellhäuser mit offener Frontseite und Tempels oder der Deckplatte des Quellhauses Bau II, Π-förmigem Grundriss auf, wobei allerdings drei der ließen sich so einfacher überprüfen. Vereinzelt sind insgesamt vier Gebäude entgegen der für diese Bauten 09_Besprechungen 363-484 04.01.2010 11:57 Uhr Seite 456 456 Besprechungen gängigen Lösung freistehend gestaltet sind und nur Bau und mit einem Köcher dessen Riemen über die Brust XII in eine Terrassenmauer eingegliedert ist. Die freiste- geführt ist (Statue B; die attestierte »motivische Ver- henden Bauten II, XII und vermutlich auch VII werden wandtschaft« zum Apoll von Belvedere ist überzogen) überdies nach Ausweis adäquater Öffnungen in den und Dionysos (Statue C). Die Identifizierung der Sta- Rückwänden durch Wasserleitungen gespeist, so dass tue C stützt sich im Wesentlichen auf den anhand der sie, wie der Autor treffend bemerkt, eigentlich als Brun- photographischen und zeichnerischen Dokumentation nen-, nicht als Quellhäuser zu bezeichnen sind (S. 123 nicht zweifelsfrei erkennbaren Reliefschmuck in Form Anm. 165). Konkret erwägt Held die Versorgung der von Pantherköpfen und einem Reiter (Zeus Karios?) Brunnenhäuser durch weiter entfernt entspringende und muss als unsicher gelten. Quellen (s. S. 65 etwa zur Versorgung von Bau II) und Die Deutung des architektonischen Befundes geht Zuleitungen in Form von Tonrohrleitungen, wofür in - von diesen ikonographischen Analysen sowie der epi- des nur auf ein einziges, bei Bau VII gefundenes Frag- graphischen Evidenz aus: Der größte Teil der dreiund- ment verwiesen wird. Auch der Block V 4, der über eine vierzig Inschriften beinhaltet die Worte Γεργα, Γεργας eingearbeitete Rinne verfügt, wird im Zusammenhang und Γεργαk μη. Daneben kennzeichnet die Nennung mit einer Wasserleitung für Bau VII gedeutet (S. 18).