Das Dürfen Sie Nicht Versäumen
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Zeal & Ardor Manuel Gagneux’ Musik ist der neue grosse Hype. Ein Gespräch über unerhofften Erfolg. Seite Donnerstag 6 13.04.2017 Nr. 15 Fr. 5.– SATAN, SKLAVE, SUPERSTAR ANZEIGE Das dürfen Sie nicht versäumen. Mit dem «Adieu Alltag» in dieser Ausgabe die Schweiz entdecken. SPINAS CIVIL VOICES SPINAS Natürliche Vielfalt. Menschliche Einfalt. Es dauert Jahre, bis sich Plastikabfall zersetzt. Unsere Ozeane drohen zu gigantischen Mülldeponien zu werden – mit tödlichen Folgen für die Meeresbewohner. Unterstützen Sie unsere Kampagne für saubere Meere: oceancare.org 3 INHALTSüdsudan Foto: reuters «Ein verdorbenes Kind des Westens» – im Südsudan leidet die Bevölkerung unter Seite Krieg und Hunger. Eine Reportage aus dem humanitären Katastrophengebiet. 24 Pharma Foto: Hans-jörg walter Stadtrundgang Foto: a. Preobrajenski Fluch oder Segen: Was bedeutet Seite Jeanne Darling führt Kinder an den Seite Trump für die Basler Wirtschaft? 14 Zauber der Basler Altstadt heran. 28 Dominik Muheim S. 4 Stadtgespräch Bestattungen S. 20 Kulturflash S. 29 In einer neuen Rubrik gehen wir Wochenendlich S. 31 Wahnsinn Alltag S. 32 Fragen nach, die von unserer Kreuzworträtsel S. 34 Leserschaft aufgeworfen werden. Impressum S. 34 Zum Auftakt: Wo sind all die Seite Tea-Rooms hingekommen? 12 titelFoto: willi matthias TagesWoche 15/17 EDITORIAL PORTRÄT Wir huldigen dem neuen Metal-Messias Dominik Muheim von Naomi Gregoris anuel Gagneux von Zeal & Ardor Der Reigoldswiler ist neuer Schweizer singt Spirituals wie ein afroamerika- Meister im Poetry Slam. Ist so ein nischer Sklave, doch statt «Oh Lord» Mensch besonders witzig? Aber ja. Reto M heisst es bei ihm «The Devil Is Fine». Dazu braten Aschwanden er Mensch mag es, ertappt zu Schwermetaller die Gitarren, wie man es von okkultem Black werden. Weil er sich eigentlich mehr wünscht als ein Leben Metal kennt. Das ist eine Provokation, und zwar aus «Haben Sie eine Cumulus- in mehrfacher Hinsicht. DKarte?» und Geraniumkästen und Selbst- Zunächst stösst es Christen vor den Kopf. findungstrips auf Bali. Dazu braucht es jemanden, der die ganzen Cumulus-Karten Das ist noch nichts Besonderes, denn die Provo- und Selbstfindungstrips so drehen kann, dass sie zur sympathischen Verschroben- kation von Autoritäten ist so alt wie die Rock- heit werden. Jemand, der unser e langweili- musik. Dann fordert es auch viele Metal-Fans gen Neurosen glorifiziert und auf eine Büh- ne holt. Jemand wie Franz Hohler. Oder heraus. Die geben sich zwar gerne rebellisch, wie Dominik Muheim. sind in ihrem Geschmack aber oft konservativ. Weiterlesen, S. 6 Muheim ist kürzlich Schweizer Meister im Poetry Slam geworden. Poetry Slam Wenn nun ein Musiker, der zur Hälfte schwarz kennt man, diese Jungen, die auf Bühnen ist, dieses vom weissen Mann geprägte Genre Dinge aus ihrem Privat leben rausbrüllen, immer mit Dringlichkeit, immer mit einer mit afroamerikanischen Einflüssen aufmischt, «Der erste Gig Affinität zur etwas zu grossen Geste. Im dann ist das eine Provokation für die Hüter der wird nicht der schlimmsten Fall. Im besten Fall sind sie beste sein», wie Hohler: aberwitzig, einzigartig, ruhig, Metal-Tradition. Wie die Szene Gagneux’ neue tageswoche.ch/ präzis. Und dabei eben lustig. Nicht dieses Interpretation «ihrer» Musik annimmt, wird +0ovhc beknackte Schenkelklopfertum, sondern sich auf der Tournee zeigen, zu der Zeal & Ardor richtig lustig. demnächst aufbrechen. Was der Slammer Diese Tour und wie es dazu kam, dass ein kann, steckt nicht im noch vor einem Jahr weitgehend unbekannter Basler Musiker von renommierten Festivals Wörterbuch, sondern in auf der halben Welt eingeladen wird, das ist Grossmüttern. die wirklich spannende Geschichte rund um Bei der Schweizer Poetry-Slam-Meis- Manuel Gagneux. Wir lassen ihn im Interview terschaft weiss die Jury, was lustig ist. Gabriel Vetter hat sie schon gewonnen, erzählen, wie es sich anfühlt, mit Leuten am und Lara Stoll und zuletzt Remo Zumstein, Tisch zu sitzen, die sonst mit den Rolling Stones der alles andere als eine bühneng eile Rampensau ist. Aber eben: Es fägt einfach arbeiten, und wie man sich als Band, die noch mit ihm. nie zusammen aufgetreten ist, auf ein Publikum Und es fägt auch mit Dominik Muheim. Jetzt gerade sitzt er in dem Schreibatelier vorbereitet, das nicht weniger als den neuen mit Rheinblick und klimpert auf der Metal-Messias erwartet. Gitarre rum. Kann er nämlich auch, Gitar- re spielen. Ziemlich gut sogar, Muheim Kollege Olivier Joliat und ich waren beein- hat bereits in diversen Bands gespielt. druckt, wie gelassen Gagneux an die Herausfor- Aber darum soll es jetzt nicht gehen, auch wenn der Fotograf geradezu versessen auf derung herangeht und wie offen er über Ziele diese Gitarre ist. Während der Fotograf und Ängste spricht. Er singt vom Teufel, aber weiter Gitarren-Posen befiehlt, werfen wir einen Blick ins Bücherregal. eigentlich ist Gagneux ein einnehmender Das Baselbieter Wörterbuch steht da – junger Mann, dem wir – beidhändig den hat Muheim ein Lieblingswort? Er neigt den Kopf. «Batted» findet er ganz witzig, Teufelsgruss bildend – viel Erfolg wünschen. das habe seine Grossmutter immer gesagt. tageswoche.ch/+etcfm × Baselbieter Deutsch für «funktioniert». TagesWoche 15/17 Klopf, klopf! Wer da? Poetry-Slammer Dominik Muheim ist frisch gebackener Schweizer Meister. Foto: alexander preobrajenski Oder Halt – das Wörterbuch sagt was te zu kennen glaubt. Sie fühlt sich gross an, len dürfen, das nicht per se einfach nur anderes: «nützt, reicht aus». Er lacht und wie Teil eines grossen Ganzen, Bekannten, lustig ist. Darin liegt der Unterschied. zuckt die Schultern. Die Grossmutter sage Heimat. Das ist es, was die Schenkelklop- Irgendwo auf Youtube gibt es ein Video, es so, dann wird es schon stimmen. fer von den Geschichtenerzählern unter- in dem Dominik Muheim sagt: «Plötzlich Das ist nicht aufsehenerregend, aber scheidet: Die Erzähler klopfen nicht nur, bisch doch kei Rockstar worde. Plötzlich bezeichnend: Was Muheim kann, wovon sie kommen herein. bisch doch kei Schauspieler worde, plötz- er Gebrauch macht, steckt nicht im lich bisch doch kei Astronaut worde. Aber Wörterbuch, sondern in Schweizer Die Geschichte seines Lebens plötzlich – bisch am Lehrer-Wärde.» Alle Grossmüttern, Stuben, Kneipen – und Und im Laufe des Gespräches wird lachen. Er schmunzelt. Story of his life. Schulzimmern: Muheim ist in Reigolds- auch klar, was eigentlich schon klar war: Und trotzdem: Irgendwie ist er alles ande- wil aufgewachsen und unterrichtet Muheim kann reinkommen. Er hört zu, es re eben doch auch. Nur etwas anders. heute als Primarlehrer . geht nicht nur um ihn, sondern um uns, Bescheidener, zugänglicher. Das ist gut so. Er nutzt die Gunst seines Berufes: um den Fotografen, um Unfälle, um Lehrer, Sehr gut sogar. In Reigoldswil würde man Seine Schüler würden sich hervorragend um Bücher, um generische Emmi-Produk- stolz sagen: Es «batted». für Geschichten eignen, besonders der te. Hat alles Platz. Muheim sagt, er wolle tageswoche.ch/+kc3pz × eine, ein kleiner Junge, der kürzlich im keine Comedy machen, da brauche es Spiderman-Kostüm in die Schule kam. Höhepunkte, das müsse witzig sein, immer Dominik Muheim tritt am 25. April im Muheim erzählt die Geschichte, er lacht, witzig, und er wolle gar nicht immer witzig Teufelhof und am 18. und 19. Mai im man lacht auch, weil man diese Geschich- sein müssen. Er wolle auch mal was erzäh- Palazzo Liestal auf. TagesWoche 15/17 «Ich bin wie ein kleines Kind mit einem Schlüssel zu einer neuen Welt.» foto: matthias willi 7 Zeal & Ardor Was passiert, wenn ein unbekannter Musiker plötzlich in die erste Liga der Pop-Welt katapultiert wird? Manuel Gagneux hat es uns vor seinem ersten Auftritt mit Zeal & Ardor erzählt. «DER ERSTE GIG WIRD NICHT DER BESTE SEIN» von Reto Aschwanden das keine Option. Alles ging zu schnell. Ich gehe da stoisch ran. Je mehr ich mir und Olivier Joliat Venues und Booker bringen uns einen überlege, desto verkopfter wird es. Büh- enormen Goodwill entgegen. Ich habe nenpräsenz kann man ein Stück weit üben, ie Basler Zeal & Ardor wurden den Anspruch, dass wir dem gerecht wer- aber ich will keine Choreografien einstu- mit ihrem Debüt «The Devil Is den. Gut zu sein, reicht nicht. Es muss dieren Es soll sich organisch entwickeln. Fine» zum internationalen eine gewisse Vehemenz haben. Und das Die ersten Gigs werden nicht die besten Hype. Noch bevor die Band ein nagt an mir. sein. Das muss ich akzeptieren. Aber es ist DKonzert gespielt hatte, stürzten sich Festi- Das Album hast du allein eingespielt, super, dass wir das machen dürfen, und vals, Feuilletons und Fans auf den Stilmix die Band formierte sich erst danach. ich freue mich wie ein Schneekönig. aus Sklaven-Spirituals und Black Metal. Wie bereitet ihr euch vor? Kaum ein Bandmitglied hat grosse Dabei entstand alles aus Spass. Eine Wir üben in dieser Besetzung seit Sep- Tourerfahrung. Woche, bevor die Band am Karfreitag ihre tember intensiv. Diese Woche hatten wir Stimmt, das ist Neuland für uns. Wir Bühnentaufe feiert, sprachen wir mit Bühnenproben im Sommercasino, um werden 24 Stunden am Tag aufeinander- Bandleader Manuel Gagneux. rauszufinden, wie es läuft, wenn wir uns hocken, und es wird sich eine Dynamik Ihr spielt am Freitag mit Zeal & Ardor nicht in die Augen sehen können. Wir entwickeln, die nicht vorhersehbar ist. euer allererstes Konzert. Danach geht haben auch Kollegen eingeladen, um Zum Glück sind das alles Freunde von mir. ihr auf Tournee, die euch durch Feedback zu bekommen. Wir sind noch Dein Debütalbum dauert 25 Minuten, Europas Metropolen und an renom- relativ steif, weil wir uns darauf konzent- gebucht seid ihr zum Teil für einstün- mierte Festivals wie Roadburn oder rieren, die Songs nicht zu vergeigen. dige Shows. Wie füllt ihr die Spielzeit? Reading führen wird. Hast du Schiss? Die Songs sind das eine. Aber wie Ich habe eine Breakdance-Einlage ein- Schon. Normalerweise spielt man zu- bereitet man sich auf eine Tour in geübt (lacht). Ich habe neun neue Songs erst kleine Gigs, um als Band eine Büh- dieser Flughöhe vor, wenn man noch im Stil der Platte geschrieben und mit der nendynamik zu entwickeln.