Zeal & Ardor Manuel Gagneux’ Musik ist der neue grosse Hype. Ein Gespräch über unerhofften Erfolg. Seite Donnerstag 6 13.04.2017 Nr. 15 Fr. 5.–

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«Ein verdorbenes Kind des Westens» – im Südsudan leidet die Bevölkerung unter Seite Krieg und Hunger. Eine Reportage aus dem humanitären Katastrophengebiet. 24

Pharma Foto: Hans-jörg walter Stadtrundgang Foto: A. Preobrajenski

Fluch oder Segen: Was bedeutet Seite Jeanne Darling führt Kinder an den Seite Trump für die Basler Wirtschaft? 14 Zauber der Basler Altstadt heran. 28

Dominik Muheim S. 4 Stadtgespräch Bestattungen S. 20 Kulturflash S. 29 In einer neuen Rubrik gehen wir Wochenendlich S. 31 Wahnsinn Alltag S. 32 Fragen nach, die von unserer Kreuzworträtsel S. 34 Leserschaft aufgeworfen werden. Impressum S. 34 Zum Auftakt: Wo sind all die Seite Tea-Rooms hingekommen? 12 titelFoto: willi matthias

TagesWoche 15/17 EDITORIAL PORTRÄT

Wir huldigen dem neuen Metal-Messias Dominik Muheim von Naomi Gregoris anuel Gagneux von Zeal & Ardor Der Reigoldswiler ist neuer Schweizer singt Spirituals wie ein afroamerika- Meister im Poetry Slam. Ist so ein nischer Sklave, doch statt «Oh Lord» Mensch besonders witzig? Aber ja. Reto M heisst es bei ihm «The Devil Is Fine». Dazu braten Aschwanden er Mensch mag es, e­ rtappt zu Schwermetaller die ­Gitarren, wie man es von okkultem Black werden. Weil er sich eigentlich mehr wünscht als ein Leben Metal kennt. Das ist eine Provokation, und zwar aus «Haben Sie eine Cumulus- in mehrfacher Hinsicht. DKarte?» und Geraniumkästen und Selbst- Zunächst stösst es Christen vor den Kopf. findungstrips auf Bali. Dazu braucht es ­jemanden, der die ganzen Cumulus-Karten Das ist noch nichts Besonderes, denn die Provo- und Selbstfindungstrips so drehen kann, dass sie zur sympathischen Verschroben- kation von Autoritäten ist so alt wie die Rock- heit werden. Jemand, der unser­ e langweili- musik. Dann fordert es auch viele Metal-Fans gen Neurosen glorifiziert und auf eine Büh- ne holt. Jemand wie Franz Hohler. Oder heraus. Die geben sich zwar gerne rebellisch, wie Dominik Muheim. sind in ihrem Geschmack aber oft konservativ. Weiterlesen, S. 6 Muheim ist kürzlich Schweizer Meister im Poetry Slam geworden. ­Poetry Slam Wenn nun ein Musiker, der zur Hälfte schwarz kennt man, diese Jungen, die auf Bühnen ist, dieses vom weissen Mann geprägte Genre Dinge aus ihrem Privat­leben rausbrüllen, immer mit Dringlichkeit, ­immer mit einer mit afroamerikanischen Einflüssen aufmischt, «Der erste Gig Affinität zur etwas zu grossen Geste. Im dann ist das eine Provokation für die Hüter der wird nicht der schlimmsten Fall. Im besten Fall sind sie beste sein», wie Hohler: aberwitzig, einzigartig, ruhig, Metal-Tradition. Wie die Szene Gagneux’ neue tageswoche.ch/ präzis. Und dabei eben lustig. Nicht dieses Interpretation «ihrer» Musik annimmt, wird +0ovhc beknackte Schenkelklopfertum, sondern sich auf der Tournee zeigen, zu der Zeal & Ardor richtig lustig. demnächst aufbrechen. Was der Slammer Diese Tour und wie es dazu kam, dass ein kann, steckt nicht im noch vor einem Jahr weitgehend unbekannter Basler Musiker von renommierten Festivals Wörterbuch, sondern in auf der halben Welt eingeladen wird, das ist Grossmüttern. die wirklich spannende Geschichte rund um Bei der Schweizer Poetry-Slam-Meis- Manuel Gagneux. Wir lassen ihn im Interview terschaft weiss die Jury, was lustig ist. ­Gabriel Vetter hat sie schon gewonnen, ­erzählen, wie es sich anfühlt, mit Leuten am und Lara Stoll und zuletzt Remo Zumstein, Tisch zu sitzen, die sonst mit den Rolling Stones der alles andere als eine bühneng­ eile Rampensau ist. Aber eben: Es fägt einfach arbeiten, und wie man sich als Band, die noch mit ihm. nie zusammen aufgetreten ist, auf ein Publikum Und es fägt auch mit Dominik Muheim. Jetzt gerade sitzt er in dem Schreibatelier vorbereitet, das nicht weniger als den neuen mit Rheinblick und klimpert auf der Metal-Messias erwartet. ­Gitarre rum. Kann er nämlich auch, Gitar- re spielen. Ziemlich gut sogar, Muheim Kollege Olivier Joliat und ich waren beein- hat bereits in diversen Bands gespielt. druckt, wie gelassen Gagneux an die Herausfor- Aber darum soll es jetzt nicht gehen, auch wenn der Fotograf geradezu versessen auf derung herangeht und wie offen er über Ziele diese Gitarre ist. Während der Fotograf und Ängste spricht. Er singt vom Teufel, aber weiter Gitarren-Posen befiehlt, werfen wir einen Blick ins Bücherregal. ­eigentlich ist Gagneux ein einnehmender Das Baselbieter Wörterbuch steht da – ­junger Mann, dem wir – beidhändig den hat Muheim ein Lieblingswort? Er neigt den Kopf. «Batted» findet er ganz witzig, ­Teufelsgruss bildend – viel Erfolg wünschen. das habe seine Grossmutter immer gesagt. tageswoche.ch/+etcfm × Baselbieter Deutsch für «funktioniert».

TagesWoche 15/17 Klopf, klopf! Wer da? Poetry-Slammer Dominik Muheim ist frisch gebackener Schweizer Meister. Foto: alexander preobrajenski

Oder Halt – das Wörterbuch sagt was te zu kennen glaubt. Sie fühlt sich gross an, len dürfen, das nicht per se einfach nur anderes: «nützt, reicht aus». Er lacht und wie Teil eines grossen Ganzen, Bekannten, ­lustig ist. Darin liegt der Unterschied. zuckt die Schultern. Die Grossmutter sage Heimat. Das ist es, was die Schenkelklop- Irgendwo auf Youtube gibt es ein Video, es so, dann wird es schon stimmen. fer von den Geschichtenerzählern unter- in dem Dominik Muheim sagt: «Plötzlich Das ist nicht aufsehenerregend, aber scheidet: Die Erzähler klopfen nicht nur, bisch doch kei Rockstar worde. Plötzlich bezeichnend: Was Muheim kann, wovon sie kommen herein. bisch doch kei Schauspieler worde, plötz- er Gebrauch macht, steckt nicht im lich bisch doch kei Astronaut worde. Aber ­Wörterbuch, sondern in Schweizer Die Geschichte seines Lebens plötzlich – bisch am Lehrer-Wärde.» Alle Grossmüttern, Stuben, Kneipen – und Und im Laufe des Gespräches wird lachen. Er schmunzelt. Story of his life. Schulzimmern: Muheim ist in Reigolds- auch klar, was eigentlich schon klar war: Und trotzdem: Irgendwie ist er alles ande- wil aufgewachsen und unterrichtet Muheim kann reinkommen. Er hört zu, es re eben doch auch. Nur etwas anders. ­heute als Primarlehrer . geht nicht nur um ihn, sondern um uns, ­Bescheidener, zugänglicher. Das ist gut so. Er nutzt die Gunst seines Berufes: um den Fotografen, um Unfälle, um ­Lehrer, Sehr gut sogar. In Reigoldswil würde man ­Seine Schüler würden sich hervorragend um Bücher, um generische Emmi-Produk- stolz sagen: Es «batted». für Geschichten eignen, besonders der te. Hat alles Platz. Muheim sagt, er wolle tageswoche.ch/+kc3pz × eine, ein kleiner Junge, der kürzlich im keine Comedy machen, da brauche es Spiderman-Kostüm in die Schule kam. ­Höhepunkte, das müsse witzig sein, immer Dominik Muheim tritt am 25. April im Muheim erzählt die Geschichte, er lacht, witzig, und er wolle gar nicht immer witzig Teufelhof und am 18. und 19. Mai im man lacht auch, weil man diese Geschich- sein müssen. Er wolle auch mal was erzäh- Palazzo Liestal auf.

TagesWoche 15/17 «Ich bin wie ein ­kleines Kind mit einem Schlüssel zu einer neuen Welt.» foto: matthias willi 7 Zeal & Ardor Was passiert, wenn ein unbekannter Musiker plötzlich in die erste Liga der Pop-Welt katapultiert wird? Manuel Gagneux hat es uns vor seinem ersten Auftritt mit Zeal & Ardor erzählt. «DER ERSTE GIG WIRD NICHT DER BESTE SEIN»

von Reto Aschwanden das keine Option. Alles ging zu schnell. Ich gehe da stoisch ran. Je mehr ich mir und Olivier Joliat ­Venues und Booker bringen uns einen überlege, desto verkopfter wird es. Büh- enormen Goodwill entgegen. Ich habe nenpräsenz kann man ein Stück weit üben, ie Basler Zeal & Ardor wurden den Anspruch, dass wir dem gerecht wer- aber ich will keine Choreografien einstu- mit ihrem Debüt «The Devil Is den. Gut zu sein, reicht nicht. Es muss dieren Es soll sich organisch entwickeln. Fine» zum internationalen eine gewisse Vehemenz haben. Und das Die ersten Gigs werden nicht die besten Hype. Noch bevor die Band ein nagt an mir. sein. Das muss ich akzeptieren. Aber es ist DKonzert gespielt hatte, stürzten sich Festi- Das hast du allein eingespielt, super, dass wir das machen dürfen, und vals, Feuilletons und Fans auf den Stilmix die Band formierte sich erst danach. ich freue mich wie ein Schneekönig. aus Sklaven-Spirituals und . Wie bereitet ihr euch vor? Kaum ein Bandmitglied hat grosse Dabei entstand alles aus Spass. Eine Wir üben in dieser Besetzung seit Sep- Tourerfahrung. ­Woche, bevor die Band am Karfreitag ihre tember intensiv. Diese Woche hatten wir Stimmt, das ist Neuland für uns. Wir Bühnentaufe feiert, sprachen wir mit Bühnenproben im Sommercasino, um werden 24 Stunden am Tag aufeinander- Bandleader Manuel Gagneux. rauszufinden, wie es läuft, wenn wir uns hocken, und es wird sich eine Dynamik Ihr spielt am Freitag mit Zeal & Ardor nicht in die Augen sehen können. Wir entwickeln, die nicht vorhersehbar ist. euer allererstes Konzert. Danach geht ­haben auch Kollegen eingeladen, um Zum Glück sind das alles Freunde von mir. ihr auf Tournee, die euch durch Feedback zu bekommen. Wir sind noch Dein Debütalbum dauert 25 Minuten, Europas Metropolen und an renom- ­relativ steif, weil wir uns darauf konzent- gebucht seid ihr zum Teil für einstün- mierte Festivals wie Roadburn oder rieren, die Songs nicht zu vergeigen. dige Shows. Wie füllt ihr die Spielzeit? Reading führen wird. Hast du Schiss? Die Songs sind das eine. Aber wie Ich habe eine Breakdance-Einlage ein- Schon. Normalerweise spielt man zu- bereitet man sich auf eine Tour in geübt (lacht). Ich habe neun neue Songs erst kleine Gigs, um als Band eine Büh- dieser Flughöhe vor, wenn man noch im Stil der Platte geschrieben und mit der nendynamik zu entwickeln. Für uns war nie zusammen aufgetreten ist? Band eingeübt.

TagesWoche 15/17 «Ich will mich nicht in die Ecke manövrieren: Indem ich verschiedene Stile einbringe, habe ich mehr Freiheit.» foto: matthias willi

Ist es Zufall, dass der allererste Auf- Und wie ist es mit Heavy Metal? Ich war mit Birdmask ein bisschen tritt mit deiner Black-Metal-Band am Meine erste Band, die ich mit 16 hatte, frustriert, weil es etwas eindimensional Karfreitag über die Bühne geht? spielte Black Metal. Wir waren grotten­ wurde. Ich wollte etwas Eklektisches, Absolut. Aber vielleicht hat sich der schlecht, aber es klang wütend, schnell ­darum fragte ich im Netz nach diesen Veranstalter Fredy Rotter einen Witz und grob. Was man als Bub halt toll findet. ­Stilkreuzungen. ­erlaubt. Um den Harten zu markieren, wäre Ab wann wurde es ernst? Das Album heisst «The Devil Is Fine», mit deinem Jahrgang auch Hip-Hop Nach dem ersten Song. Da fand ich: und du arbeitest mit satanistischen infrage gekommen. Das kann ich besser. Ich war nicht zufrie­ Symbolen. Wie ernst ist es dir damit? Je länger ich darüber nachdenke, desto den mit mir. Bin ich immer noch nicht Nicht so sehr. Ich fand es interessant, mehr scheint es mir ein Akt der Überassi­ (lacht). wie das Christentum den Norwegern und milierung gewesen zu sein, dass ich als Halb­ Dann hast du diese Aufnahmen auf den afroamerikanischen Sklaven auf­ schwarzer nicht Hip-Hop hörte (lacht). Bandcamp gestellt, und schnell sind gedrückt wurde. Dagegen rebellierten die Blogs und auch der US-«Rolling norwegischen Black-Metal-Bands der «Vor einem Jahr erlaubte Stone» darauf angesprungen. Manuel ­frühen Neunzigerjahre, nicht so sehr aus Das kann ich immer noch nicht ganz Gagneux Interesse am Okkulten, sondern als späte sich ein Musikjournalist verstehen. Ich glaube, da fand ein Redak­ (28) ist in Basel Trotzreaktion. Daraus entwickelte ich ein tor: Jetzt mach ich mal was Subversives! als Sohn eines Gedankenexperiment: Wie hätte es getönt, einen Gag. Und jetzt Für den war das ein Gag. Und ich geh jetzt Wallisers und wenn die Sklaven in den USA sich dem deswegen auf Tour. einer US-Ameri- Teufel zugewandt hätten? gehe ich deswegen auf Kann es sein, dass du so viele Leute kanerin auf­ Der Anstoss dazu kam von aussen. ansprichst, weil du mit Zeal & Ardor gewachsen. Als Ich hatte im Netz dazu aufgerufen, mir Tournee.» bei genauer Betrachtung Pop-Songs Birdmask wurde Vorschläge zu machen, welche Stile man im Metal-Gewand machst? er Insidern ein mischen könnte. Einer schrieb: Black Me­ Später hast du unter dem Namen Das trifft es ziemlich genau. Es ist süffi­ Begriff. Vor tal und «Nigger-Music». Zuerst war ich ir­ Birdmask poppige Musik gemacht ger als andere Metal-Bands. Ich höre auch einem knappen ritiert. Meine Mutter ist schwarz. Aber und Basel verlassen, um in New York von Leuten, die keinen Metal mögen, dass Jahr stellte er dann fand ich das musikalisch interessant zu leben. sie unsere Musik ganz okay finden. Aber unter dem und habe das mal ausprobiert. Ich suchte einen Neustart. Dafür ist wir sind ja nicht die Einzigen, die so funk­ ­Namen Zeal & Hattest du schon vorher einen Bezug kulturelle Überforderung gut. Also ging tionieren. Ghost spielen eigentlich Pop Ardor ein paar zu Sklaven-Gesängen? ich nach New York. Dort ist jeder auf seine mit ein paar E-Gitarren und einem okkul­ Songs ins Netz, Nicht wirklich. Meine Mutter ist Sänge­ Art besser als du. Drei Jahre lang versuch­ ten Image. was einen der rin, allerdings mehr im Bereich und te ich, Musik zu machen, spielte viele Es gibt ja auch Bands, die das Genre grössten Hypes R&B. Ich habe recherchiert. Es gibt diese Kack-Gigs an Hochzeiten und in Bars mit persiflieren. Ist Zeal & Ardor eine auslöste, den je Field -Recordings von Alan Lomax. Die ste­ lauter Betrunkenen. Zudem arbeitete ich Verarsche? ein Schweizer hen, so viel ich weiss, unter Public D­ omain, in Studios, um mich als Musiker weiterzu­ Nein. Ich bastardisiere gewisse Stil- Musiker erlebt unterstehen also keinem Urheberrecht. entwickeln. Elemente, nutze sie so, wie ich sie für rich­ hat. Wäre ich faul, könnte ich die einfach kopie­ Dort hat es auch mit Zeal & Ardor tig halte. Aber ich mache es mit Herz. ren und in meine Songs einbauen. angefangen. Wenn es nicht so wäre, würde man es mir

TagesWoche 15/17 9 nicht abkaufen. So ein guter Schauspieler Ardor mache, aber was dann ist … Sie Auf Bandcamp stand halt New York, bin ich nicht. ­haben auch ihre eigenen Ziele, ich weiss weil ich damals dort lebte. Hast du keine Angst, dass du die nicht, wie lange sie es toll finden, meine Warum bist du überhaupt zurück­ tendenziell konservative Metal-Szene Masturbationsfantasien wahr werden zu gekommen? mit diesem Ansatz verprellst? lassen. Ich spielte als Birdmask ein Konzert in Ich kann meine Pop-Einflüsse ja nicht Die Band ist sozusagen deine rechte Deutschland und danach besuchte ich abstellen. Hand. meine Freunde hier. Da merkte ich, wie Die Frage ist doch: Ist das Musik für Tatsache ist, dass es bei Zeal & Ardor sehr ich diese Leute vermisst hatte. Es ist Metaller oder für Hipster? Machst du ein Stück weit um meine Selbstverwirk- krass, was für ein Loch fehlende Freunde dir Gedanken zur Zielgruppe? lichung geht. hinterlassen können. Nein. Seit ich Musik mache, habe ich Wovon lebst du eigentlich im Du hättest Zeal & Ardor auch in New diese Gruppe noch nie getroffen (lacht). Moment? York mit Session-Musikern machen Wenn man es unter Marketing-Aspek- Von kleinen Vorschüssen, und zwar können. ten anschaut: Metaller sind bekannt ­unter dem Existenzminimum. Vielleicht Klar. Aber viele dort sind abgestumpft. für Treue, Hipster hingegen springen kommen irgendwann Tantiemen und Ein- Die haben alles schon gehört. Für mich bald auf den nächsten Hype auf. nahmen aus den Album-Verkäufen und hingegen ist das alles aufregend, ich bin Wäre ich Investment-Banker, würde Konzerten. wie ein kleines Kind mit einem Schlüssel ich unsere Aktien in der Metal-Sparte Du bist bei der Basler Agentur Radica- zu einer neuen Welt. Es wäre blöd, wenn ­verkaufen. Aber ich will mich nicht in eine lis unter Vertrag. Für Schweizer ich das nicht teilen könnte. Ecke manövrieren. Indem ich verschiede- Verhältnisse ist das mittlerweile eine Es gibt mit Zatokrev und Scham- ne Stile einbringe, habe ich mehr Freiheit. Grösse, international aber ein kleiner masch bereits zwei Basler Bands, die Die Black-Metal-Szene krempelt sich übri- Fisch. Wärst du bei einer grösseren in der Metal-Szene einen guten Ruf gens gerade um. Die war früher sehr elitär Management-Firma nicht in besseren geniessen. Wie reagieren die darauf, und strikt. Heute gibt es da auch Acts, die Händen? dass du sie innerhalb eines Jahres Musik im Stil von Carpenter-Soundtracks Vielleicht schon, aber ich vertraue überflügelt hast? machen und an Black-Metal-Festivals ­David Burger sehr. Er ist selber Musiker Ich habe beide Bands an der BScene ge- ­auftreten. und eben kein Industrie-Mogul. Gerade sehen und finde es krass, was die abliefern. weil das für ihn auch neu ist, agieren er Ich würde verstehen, wenn die angepisst «Mein Management und sein Partner Dominic Oehen sehr vor- wären. Aber das sind einfach gute Typen. sichtig und überlegt. Ausserdem sind die ja auch keine 17 mehr, plant viel weiter als ich. Wie stark lässt du dich von ihnen und wir nehmen niemandem den Platz steuern? weg. Ich komme gut mit ihnen aus. Ich bin schon damit Ein Stück weit schon. Aber ich muss Ist es in Basel im Vergleich zu New ­alles absegnen, das steht so im Vertrag. York einfacher, so ein Projekt aufzu- überfordert, dass ich jetzt Aus Zeitgründen läuft es momentan aller- bauen, weil es Förderstrukturen gibt? dings oft so, dass das Management Sicher. Hier gibt es viele Stiftungen, die auf Tour gehe.» schreibt: Promo-Tag in Köln, okay? Das einiges möglich machen. Diese Tournee bedeutet: Komm, mach das jetzt! Aber für rentiert nicht, ich verdiene nichts damit. Eure Songs werden bereits in TV- mich ist das super. Ich habe keine Zeit, mit Immerhin können wir die Crew und die Serien wie «Underground» eingesetzt. allen Korrespondenz zu führen. Das ist der Musiker bezahlen. Ohne Fördergelder Und gestern ist «Devil is Fine» bei Job des Managements. wäre das alles nicht möglich. «Germany’s Next Topmodel» gelaufen. Wie viele solcher Promo-Tage hattest Das passt ja: Heidi Klum ist der Teufel. du denn? «Ohne Fördergelder wäre (lacht) Für mich wirft das einfach die Zweimal in Berlin, dann Paris, Köln, Frage auf: Wie soll ich ein Zielpublikum Zürich und am Montag (10. April, das In- das alles nicht möglich.» definieren? Ich habe keine Ahnung. terview wurde vorher geführt, die Red.) Wie weit schaut ihr voraus? fliegen wir für eine Live-Session bei BBC1 Und du fandest hier schnell Mit­ Mein Management plant viel weiter als nach London. Wir werden vier Songs musiker. Ist das in einer Kleinstadt ich. Ich bin schon damit überfordert, dass ­einspielen. Das macht mir Angst, denn wir einfacher als in einer Kreativmetro- ich jetzt auf Tour gehe. Im Oktober muss werden dadurch das potenziell grösste pole wie New York? ich drei Monate in den Zivildienst. Dann ­Publikum bisher erreichen. Vielleicht. Wenn du die Leute kennst muss die Band halt warten. Aber mir ist Eure Konzerte werden von Firmen und entspannt mit ihnen in einem Raum das recht so. gebucht, die sich auch um die Rolling sitzen kannst, ist das die halbe Miete. Hast du eine Vorstellung, wo Zeal & Stones, Iron Maiden oder Katy Perry Wenn ich erst neue Leute hätte kennen­ Ardor in drei Jahren stehen? kümmern. Wie ist das, mit Bookern lernen müssen, wäre es viel schwieriger. Nein. Erfahrungsgemäss würde ich das dieses Kalibers an einem Tisch zu Hast du Angst, dass ihr auf Tour den gar nicht richtig planen können. sitzen? Verlockungen des Rockstar-Lebens Und was denkt das Management? Das Lustige ist: Je grösser so eine Bude erliegen könntet? Die weitere Zukunft haben wir noch ist, desto netter sind die Leute. Ich hätte Da mache ich mir keine Sorgen. Der nicht besprochen. Ich will sicher weiter das nicht erwartet, aber durch die ganzen Drummer mag nicht mal den Geschmack Musik machen. Aber ich habe ihnen Umwälzungen im Musikbusiness funktio- von Alkohol. Und ich bekomme Kopfweh ­gesagt, dass ich keine Zeal & Ardor-Plat- niert die alte «Dicke-Hose-Schiene» wohl vom Schreien, wenn ich vor dem Auftritt te mehr mache, wenn mir nichts mehr nicht mehr. Vielleicht ist das auch bloss auch nur ein Bier trinke. Zudem werden einfallen sollte oder wenn ich es nicht eine Masche, aber ich habe den Eindruck, wir morgens um halb sechs aufstehen mehr fühle. dass das gute Typen sind. müssen, um von Auftrittsort zu Auftritts- Du klingst relativ unbekümmert. Aber Nichts mit: Kleines Schweizerlein, wir ort zu kommen. Da liegen keine langen hinter Zeal & Ardor steht bereits ein sagen dir jetzt mal, wies läuft. ­Aftershow-Partys drin. beachtlicher Apparat. Da ist das Gar nicht, die sind total zugänglich und Wie steht es mit dem Lampenfieber? Management, du hast Mitmusiker, die transparent. Habe ich immer, damit muss ich leben. aus ihren Brotjobs raus sind … Ganz am Anfang von Zeal & Ardor Vielleicht werde ich ja total durchdrehen, Nicht alle. Und sie wissen, dass ich wurdest du für einen New Yorker wir werden sehen. ziemlich sicher noch eine Platte als Zeal & gehalten. tageswoche.ch/+0ovhc ×

TagesWoche 15/17 10 Metal aus der Schweiz mit Gitarrist Thomas Baumgartner, der später mit Undergod dem Industrial Von Celtic Frost bis Zeal & Ardor: Metal frönte. Die Neunzigerjahre waren dann keine eine kurze Geschichte des gute Zeit für harten Metal. Ein Grossteil der Anhänger von verzerrten Gitarren wechsel- einheimischen Extrem-Metal. te zum Grunge oder dem kurzlebigen Nu Metal. Pulver aber machte mit wech- selnden Gurd-Besetzungen unverdrossen weiter sein Ding. Die Band blieb dem Thrash Metal treu, wobei auch Platz für zeittypische Crossover-Elemente war. Kleine Szene, Daneben baute Pulver sein Little Creek Studio auf. Er produzierte Platten für loka- le wie internationale Bands und arbeitete dabei auch mit Zatokrev, der Band um Fre- dy Rotter. Und weil eine Hand die andere grosse Kraft wäscht, erschien das letzte Gurd-Album «Fake» 2014 auf Rotters Label Czar of ­Crickets. Am Samstag werden die mittler- weile als Kultband gehandelten Gurd das diesjährige Czar Fest in der Kaserne abschliessen. Rotter erinnert sich, dass sich die ­Szene früher regelmässig zu Partys und Konzerten im Stücki einfand: «Gurd ­haben damals einen richtigen Metal- Crossover-Push in Basel erzeugt. V.O. Pul- ver war die zentrale Figur in der Szene, und es erstaunt mich, dass dieser Mann in Basel nicht mit Anerkennungspreisen überhäuft wird.» von Reto Aschwanden und experimenteller als die meisten Zeit- genossen und wurde dadurch zum Vor- Rotter, die zentrale Figur eal & Ardor mögen der letzte bild für die norwegischen Black Metaller Heute ist Fredy Rotter die zentrale Schrei sein, doch Metal made und den Gothic Metal, der ab den Neun- ­Figur der regionalen Metal-Szene. Mit in Switzerland geniesst schon zigern entstand. Auch Genregrössen wie Zatokrev führt er eine international seit Jahrzehnten weit über die Sepultura zollten den Pionieren aus der ­gefragte Post-Metal-Band an, und mit ZLandesgrenzen hinaus einen ausgezeich- Schweiz Tribut. Czar of Crickets leitet er ein Label, auf neten Ruf. Mit Celtic Frost aus Zürich Selbst Nirvana hörten im Tourbus dem neben allerlei Metal auch die ersten gab es bereits Mitte der Achtzigerjahre ­gerne Celtic Frost. Als Nirvana-Drummer Releases der Pop-Preis-Gewinner Se- eine Band, die ganze Subgenres des Dave Grohl seine Jugendidole für das rafyn erschienen sind. ­Heavy Metal ­mitprägte. Die Gruppe um ­Metal-Projekt Probot ins Studio lud, war Zudem ist Rotter der Organisator Tom Gabriel ­Fischer war düsterer, härter nebst Lemmy Kilmister auch Tom Gabriel des Czar Fest, das bereits zum zweiten Fischer dabei. Auch die Metal-Ästhetik Mal stattfindet und nach dem allerersten prägten Celtic Frost. Mehrere ihrer Auftritt von Zeal & Ardor am Freitag Metal entdecken am ­Albumcover schmückten Motive von HR anderntags­ Schwermetall von Acts wie Czar Fest Giger. Seit 2008 führt Fischer das Erbe von Palmer, Bölzer und eben Gurd auf die Der Freitag mit Zeal & Ardor ist Celtic Frost mit einer neuformierten Band ­Kasernenbühne bringt. hoffnungslosausverkauft. Wer unter dem Namen Triptykon weiter. Und Am letzten Czar Fest traten Scham- aber wissen will, welche Schätze das mit Erfolg: Letztes Jahr spielte die masch auf. Die avantgardistische Black- im Schweizer Metal-Untergrund Truppe beim weltgrössten Metal-Festival Metal-Band schaffte mit ihrem letztjähri- der Entdeckung harren, kommt in Wacken im Hauptabendprogramm. gen Album «Triangle» den endgültigen am Samstag sicher noch zu einem Schweizer Präzisionsarbeit trugen spä- Durchbruch. Das dreiteilige 100-Minuten- Ticket. Neben Gurd, über die Sie ter Coroner in die Metal-Welt hinaus. Das Werk führt mit unerhörter Härte, Musika- im Artikel nebenan mehr erfahren, Zürcher Trio machte sich einen Namen lität und Bandbreite in tiefste Finsternis empfehlen wir besonders den mit Thrash Metal, der nicht nur auf Tempo und darüber hinaus. Eine Zeitlang spielte Post Metal von Palmer, die mit und Härte, sondern auch auf technische auch Rotter bei Schammasch mit. Bei der gesunder Härte progressiv ans Raffinesse setzte. Nach der Trennung 1995 letzten BScene teilten sich die beiden Werk gehen. Weniger hart, aber spielte Gitarrist Tommy Vetterli eine Zeit- Bands die Rossstallbühne der Kaserne. nicht minder intensiv musizieren lang bei Stephan Eicher und der deut- Zwei Basler Bands spielen auch am When Icarus Falls aus Lausanne, schen Thrash-Institution Kreator. 2011 diesjährigen Roadburn-Festival. Das die ihre Songs auch mal auf zehn ­reformierten sich Coroner, noch dieses Woodstock des Extrem-Metals rollt dabei Minuten strecken, ohne dass Jahr soll ein neues Album erscheinen. den roten Teppich aus: Die Shooting Stars dabei eine Sekunde Langeweile von Zeal & Ardor bekamen gleich die b­ este Pulver, der Pionier der Basler Szene aufkommt. Und dann sind da noch Spielzeit, und Schammasch wurden vom Bölzer: Was die Zürcher nur zu In Basel hatte es harter Metal stets Festival gebeten, «Triangle» erstmals inte- zweit an infernalischem Death schwer. Doch einen Mann kümmerte das gral aufzuführen. Metal rauslassen, dürfte nachhal- nie: V.O. Pulver. Mitte der Achtziger star- Daheim haben es die Metaller schwerer. tig Eindruck hinterlassen. (ash) tete er seine Karriere mit Carrion, die sich 2015 war mit Zatokrev das erste Mal www.czarfest.com bald in Poltergeist umbenannten. Knapp eine Metal-Band für den Basler Pop-Preis zehn Jahre später folgte Gurd, zu Beginn nominiert, im selben Jahr wurde Czar of

TagesWoche 15/17 Crickets der Label-Support zugesprochen. Auftrittsmöglichkeiten gibt es im näheren Umfeld aber – abgesehen vom Czar Fest und im Vorprogramm internationaler Acts im Prattler Club Z7 – bis heute wenige. Die eng vernetzte Metalszene lebte hier schon immer von Eigeninitiative und ­gegenseitiger Hilfe. Wobei auch innerhalb der Szene manchmal Umwege nötig sind. Rotter weist darauf hin, dass Zatokrev, Scham- masch und nun auch Zeal & Ardor ­allesamt zunächst fern der Heimat für Aufhorchen sorgten: «Schweizer Metal- Bands müssen normalerweise erst im ­Ausland Fuss fassen, bevor sich ein grösse- rer Teil der Schweizer Metalszene für sie interessiert.» Der aktuelle Rummel um gleich mehre- re lokale Heavy-Bands scheint nun aber Folgen zu haben. «Ich hatte vor einigen ­Monaten ein Interview mit der ‹Badischen Zeitung›», erzählt Rotter: «Die erste Frage lautete: Wann wurde Basel eigentlich zur Metal-Stadt? Da habe ich definitiv begriffen, was hier abgeht. In der ganzen lokalen ­Musikszene ist ein richtiger Metal-Frühling zu spüren. Überall ist es am Brodeln.» Vernetzung wird weiter gross geschrie- ben: Bei Neo Noire, die Anfang Mai ihr De- bütalbum veröffentlichen werden, spielt der allgegenwärtige Fredy Rotter zusam- men mit Thomas Baumgartner (Gurd und Undergod, Sie erinnern sich) sowie David

Burger, der derzeit vor allem als Manager foto: eleni kougionis von Zeal & Ardor gefordert ist. tageswoche.ch/+d9hh8 × Fredy Rotter, Zatokrev-Bandleader und Labelchef von Czar of Crickets. foto: keystone foto: gurd

Prägende Figuren: Celtic Frost mit Tom Fischer (l.) in den Achtzigern und Gurd um V.O. Pulver heute.

TagesWoche 15/17 von Andrea Fopp

m Rahmen unserer Rubrik «Stadt­ gespräch» hat uns folgende Frage erreicht: «Vor einigen Jahrzehnten gab es noch eine Vielzahl alkohol­ Ifreier Freiräume in Form von Kaffee­ hallen, Tea-Rooms, Cafés, alkoholfreien Gaststätten oder Dancings. Diese kulturel­ le Vielfalt des Basler Gastro- und Sozial­ lebens verschwand still und leise und wich dem kommerziellen gastronomischen Einheitsbrei. Wie kam es zu dieser Verar­ mung?» Wir haben die Frage mit zwei Experten diskutiert: Maurus Ebneter vom Basler Wirteverband und Markus Meury vom Ver­ ein Sucht Schweiz. Das Fazit vorneweg: Es gab zwar in den letzten 30 Jahren eine Ver­ änderung des Trinkverhaltens, aber es gibt heutzutage nicht zwingend weniger Res­ taurationsbetriebe ohne Alkohol. Wenn man durch Basel flaniert, ist zwar offensichtlich: Ein Tea-Room zu finden, das kein Bier ausschenkt, ist nicht so ein­ fach. Einer der Gründe: Früher brauchten Wirte eine Extra-Bewilligung, um Alkohol auszuschenken, schuld war die sogenann­ te «Bedürfnisklausel». Es lag im Ermessen des Kantons, einzuschätzen, ob in der ­Bevölkerung ein «Bedürfnis für Alkohol» an diesem Standort bestehe. Im Jahr 1995 wurde die Klausel abgeschafft, heute kann ein Wirt selber entscheiden, ob er Alkohol ausschenkt oder nicht.

Komfortzone Tea-Room: Käffele ohne Säufer rundherum. foto: Imago Ein Ort für anständige Frauen Das Verschwinden der Tea-Rooms hat Stadtgespräch laut Maurus Ebneter vom Wirteverband Basel-Stadt aber auch gesellschaftliche Gründe. Lange Zeit waren Bars oder Bier­ Ein Leser wollte wissen: Weshalb gibt es hallen Männern vorbehalten, für anstän­ dige Frauen ziemte es sich nicht, alleine kaum mehr alkoholfreie Restaurants in ­etwas trinken zu gehen. Doch in der zwei­ ten Hälfte des 19. Jahrhunderts öffneten Basel? Wir sind der Frage nachgegangen. zunehmend Kaffeehäuser und Kondito­ reiwirtschaften in den Städten und ab den 1920er -Jahren kamen die Tea-Rooms dazu. Das kam den Frauen entgegen: «Wenn sie einen Verehrer trafen, aber ihren Ruf ­bewahren wollten, gingen sie in ein Tea- Wo sind all Room und tranken eine heisse Schokola­ de», sagt Ebneter. Dann kamen die 68er-Bewegung und die Emanzipation und mit ihnen die Frau­ en in die Bars – die Tea-Rooms verstaub­ die Tea-Rooms ten ein wenig. Allerdings bedeutet das nicht, dass es keine alkoholfreien Restau­ rants mehr gibt. «In den letzten 20 Jahren haben viele Cafés, Coffeeshops und Schnellverpflegungsbetriebe wie Star­ hin? bucks oder Burger King eröffnet», sagt ­Ebneter, «dort spielt Alkohol keine oder höchstens eine Nebenrolle.» Das bestätigt auch eine Verbands­ umfrage im Branchenspiegel von Gastro ­Suisse. Sehr viele Schweizer Wirte setzten auf andere Einnahmequellen als den Alko­ hol: Im Jahr 2015 machten fast 80 Prozent der Restaurants mindestens 70 Prozent ­ihres Umsatzes mit Essen oder alkohol­ freien Getränken.

TagesWoche 15/17 Stadtgespräch 13 Stellt sich die Frage: Ist es wichtig, dass es Cafés oder Restaurants gibt, die keinen Alkohol ausschenken? Was passiert genau mit den Fragen, die Aus Sicht der Prävention laute die Ant- wort «Ja», sagt Markus Meury von Sucht Sie uns stellen? Hier erfahren Sie, was es Schweiz. Er denkt dabei vor allem an ehe- malige Alkoholiker. «Für sie ist es einfa- mit unserer neuen Rubrik auf sich hat. cher, wenn sie an Orte gehen können, an denen sie nicht ständig in Versuchung ­geführt werden.» Leser fragen, Allerdings gilt es zu bedenken: Der ­Alkoholkonsum hat in der Schweiz in den vergangenen Jahren stetig abgenommen, die Redaktion recherchiert wie die Zahlen von Sucht Schweiz zeigen. 1971 bis 1975 tranken die Schweizer im Schnitt elf Liter Alkohol pro Jahr. 2015 von Gabriel Brönnimann versuchen, den Wünschen gerecht zu wer- ­waren es nur noch acht Liter pro Jahr. den. Aber für eine einzelne Recherche chon vor einem Jahr haben wir sind diese Inputs zu wenig konkret/spezi- Sie existieren noch, ­ unser Projekt «Stadtgespräch» fisch. Seien Sie also so präzise wie möglich. vorgestellt – nun steht die finale die alkoholfreien Web-Version kurz vor der Fertig- Anregungen, die wir längst beherzigen: Sstellung. «Ausstellungen und Kultur» lautet ein Restaurants, und die Unser «Stadtgespräch» ermöglicht es Wunsch. Doch wir berichten schon regel- Ihnen, ganz am Anfang einer «Geschichte» mässig über das regionale Kulturgesche- Leute trinken heute zu stehen – Sie bestimmen, was wir recher- hen. Auch hier: Geht es etwas genauer? chieren, bringen die Idee ein, noch bevor «Lokalpolitik», will ein weiterer Leser. weniger als vor 40 Jahren. der journalistische Prozess losgeht. Wir Auch da geben wir schon alles, was wir erhoffen uns vom Projekt einen Journalis- können, oder vermissen Sie ein konkretes Auch das Trinkverhalten hat sich ver- mus auf Augenhöhe, bei dem Leserinnen Thema? «Ziele, Ausrichtung, Neue Füh- ändert. Früher tranken die Menschen und Leser nicht bloss Konsumenten sind, rung FC Basel im Allgemeinen»: Auch bei ­regelmässig wenig, etwa das berühmte sondern als Ideengeber und Wissensträ- diesem Thema ist unsere Sportredaktion Glas Wein zum Mittagessen. Heute trinken ger agieren können. längst am Ball. Derartige Vorschläge sie nicht mehr täglich, sondern aus spezi- Um herauszufinden, wie gross das In- waren ebenfalls häufig anzutreffen. ellem Anlass, etwa im Ausgang oder an teresse an einem solchen Format ist – oder ­einer Party, dann jedoch einige Gläser. ob wir vielleicht beim nächsten Versuch Was zeichnet die gewählten Themen aus: «Das ist nicht besser oder schlechter», sagt andere Fragen stellen oder uns noch mehr Die aus dem Testlauf ausgewählten Meury, «jedes Trinkverhalten birgt Vor- Mühe geben müssen, den richtigen Ton zu Themen erfüllen folgende Punkte: Sie sind und Nachteile.» treffen –, haben wir Ende März einen ers- – nicht allgemein gehalten, sondern Die da wären: Wenn man regelmässig ten Aufruf gestartet. konkret, wenig trinkt, besteht das Risiko, dass der – sie haben einen Bezug zu Basel-Stadt Alkoholkonsum in Krisen ­zunimmt. Bei- Überwältigendes Echo oder der Region Basel und spielsweise nach der Pensionierung: «Ei- Um es vorwegzunehmen: Wir waren – sie behandeln ein Thema, dem man nige Menschen geraten dann in ein Loch überwältigt vom Echo und von der Quali- realistischerweise nachgehen kann. und füllen die Leere mit mehr Alkohol.» tät der eingegangenen Fragen und Inputs. Also so wie bei der Frage nach den Tea- Das kann sich zur Sucht entwickeln. Bis zur Fertigstellung des definitiven Rooms, die Sie auf der Seite links beant- Auch wenn man unregelmässig viel Tools werden wir im Wochentakt einem wortet finden. trinkt, geht man Risiken ein. «Leute, die in der eingegangenen Recherche-Anstösse der Jugend rauschtrinken, trinken auch nachgehen. Zum Schluss sei noch angemerkt: Es im Erwachsenenalter häufiger und grös- Rund 30 Inputs sind von Ihrer Seite kann trotz allem sein, dass Ihr Input von sere Mengen», sagt Meury. Damit schadet eingegangen, die als solche erkennbar uns nicht behandelt wird. Obwohl er die man seiner Gesundheit und läuft eher sind (also abgesehen von Meldungen wie genannten Kriterien erfüllt. Und obwohl ­Gefahr zu verunfallen. «Hallo TagesWoche» und «Test»). Dafür es durchaus spannend wäre, genau der Das Fazit: Es gibt sie noch, die alkohol- herzlichen Dank: Sie haben unsere Erwar- S­ache auf den Grund zu gehen. In einem freien Restaurants, und die Leute trinken tungen für einen ersten Versuch dieser Art solchen Fall müssen wir auf Ihr Verständ- heute sogar weniger als vor 40 Jahren. übertroffen. Nun warten 30 Leserinnen nis zählen. Aber eine Frage müssen wir unbeantwor- und Leser darauf, dass ihr Input / ihre Wir sind eine kleine Redaktion und wir tet lassen, und zwar die nach dem «gastro- Frage / ihr Anliegen von uns behandelt werden – insbesondere wenn es mit dem nomischen Einheitsbrei»: Können alko- wird. Eine grosse Verantwortung. Und so Rücklauf nach dem definitiven Start des holfreie Fastfood-Restaurants und Cafés leid es uns tut: Wir können nicht auf jeden Projekts in gleichem Masse weitergehen die Atmosphäre der früheren Tea-Rooms Vorschlag eingehen. Warum nicht, und sollte – auch schlicht aus Kapazitätsgrün- ersetzen? nach welchen Kriterien wir bei der Aus- den eine Auswahl treffen müssen. Alles tageswoche.ch/+247ui × wahl vorgehen, das möchten wir hier andere wäre unrealistisch. transparent darlegen: Sobald das Projekt startbereit ist, eröff- Die nächste «Stadtgespräch»-Runde nen wir die nächste Runde und freuen uns startet schon bald. Aber keine Bange: Anregungen, zu allgemein formuliert: über Ihre Anregungen. Sie haben noch etwas Zeit zum Nach- «Wirtschaftsgeschehen, lokal und glo- tageswoche.ch/+yh8ug × denken! Ihre Story-Inputs und Ideen bal», so lautet ein Input, den wir nicht in ei- werden uns in den nächsten Monaten nem separaten Artikel abhandeln können. immer wieder beschäftigen. Sie errei- «Macht mal Punk!», lautet ein zweiter, chen uns wie immer per E-Mail unter: «Fankultur, Studileben, Reiche in der Re- [email protected]. gion Basel» ein dritter Vorschlag. Danke dafür – wir nehmen uns das zu Herzen und

TagesWoche 15/17 14 Pharma Donald Trump spricht viel – auch über die Pharma-Branche, den Wirtschaftsmotor der Nordwestschweiz. Fragt sich, ob der neue US-Präsident zu einer Gefahr fürs Geschäft wird. Ist Trump gut oder schlecht für Basel?

Blick vom BASF-Gelände: Schwarzsehen oder gute Aussichten für die Basler Pharma? foto: Hans-Jörg Walter 15 von Gabriel Brönnimann ­Gesundheitswesen «America First» und sinnvoll und deshalb aufzuheben sind. «alles anders als bisher» lauten. Doch bis- Regula Ruetz: «Eine der Hauptfolgen s ist kein Geheimnis, dass es her hat er das Gegenteil erreicht: Die bei von Trumps offensiver und unberechen- ­Basel – ja der ganzen Schweiz – manchen Republikanern so verhasste barer Art, Politik zu machen: grosse Un- ohne die Pharma-Branche wirt- Obamacare ist in der Bevölkerung berechenbarkeit und Unsicherheit. Das schaftlich schlecht gehen wür- ­beliebt wie nie zuvor. ist für Wirtschaftsstandorte generell Ede. Wie schlecht, das zeigt ein Blick auf die In dieselbe Richtung deutet Trumps schlecht.» Schweizer Handelsbilanz: Die wäre letztes Nominierung von Scott Gottlieb zum neu- Jahr ohne die Finanzspritze von Basler en Vorsteher der nationalen Gesundheits- Gute Miene zum bösen Spiel Pharma-Firmen im Minus gewesen. behörde FDA (Food and Drug Administra- Die Unsicherheit ist nicht zu leugnen – Keine Einzeldiagnose: Ohne die Phar- tion). Gottlieb hat als Pharma-Lobbyist die wie konkret Trump seine «America ma-Branche wäre die Schweizer Handels- FDA-Regulierungen für neue Medikamen- First»-Strategie tatsächlich umsetzen bilanz in den vergangenen 15 Jahren nega- te jahrelang als zu streng bekämpft − ent- kann, wird sich zeigen. Die TagesWoche tiv gewesen. sprechend kritisch wurde er vom hat bei N­ ovartis und Roche angefragt, ob Jede negative Veränderung von Phar- US-­Senat zu seinen Verbindungen zur In- sich die Befürchtungen um schwieriger ma oder Life-Sciences würde die Region dustrie befragt. werdende Beziehungen zwischen der Basel hart treffen. Doch genau das droht Ein Präsident, der seine angekündig- Schweizer Pharma und dem US-Markt nun laut Experten der UBS, wie die NZZ ten Reformen nicht durchbringt, ein Phar- nach dem Scheitern von Obamacare berichtete: Der neue US-Präsident Donald ma-Lobbyist als Chef der obersten Kont- ­etwas gelegt haben. Trump stelle ein Risiko für den Pharma­ rollbehörde: Sind Trumps Ankündigun- Von den Pharma-Unternehmen hört standort Schweiz dar. Dies etwa, weil er gen nur Schall und Rauch, sind die wirt- man neutrale bis optimistische Einschät- massiv günstigere Medikamentenpreise schaftlichen Sorgen des Auslands über zungen, die das eigentliche Thema gefordert hatte. Das führt wiederum zur Trumps Präsidentschaft übertrieben? ­gekonnt auslassen. «Novartis unterstützt UBS-Prognose, wonach sich die Schwei- Das Problem mit Trumps Regierung für legislative Anstrengungen, um den Zu- zer Aussenhandelszahlen «spürbar verän- die Wirtschaft von Europa und der gang zu einer erschwinglichen Gesund- dern» könnten. Schweiz liegt vor allem in der Unberechen- heitsversorgung zu ermöglichen und die Dass Trump die Pharma-Industrie barkeit von Trumps Politik, wie Kommen- wissenschaftliche Innovation zu fördern. empfindlich treffen will, behauptet er tatoren schon festgehalten haben. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit schon lange. Gerne betont der Präsident, ­Bezogen auf den Pharma- und Wirtschafts- mit der Administration bei der Unterstüt- er werde etwas gegen die überhöhten Standort Basel hält auch Metrobasel-­ zung dieser Ziele», so Sprecher Satoshi ­Medikamentenpreise unternehmen – was Direktorin Regula Ruetz fest: «Trump ist Jean-Paul Sugimoto auf Anfrage. die US-Pharma-Aktien jeweils kurz zum unberechenbar und gefährlich.» Bei der Roche heisst es, man sei «über- Fallen bringt. Immer wieder. zeugt, dass die USA auch in Zukunft Inno- Nach einem Treffen mit dem Bran- «Trump ist vation und medizinische Therapiedurch- chenverband PhRMA, an dem auch PhR- brüche honorieren werden», und da sehe MA-Chairman Elect und Novartis-CEO ­unberechenbar und sich die Firma «gut aufgestellt», sagt Spre- Joseph Jimenez teilnahm, klang Trump cherin Ulrike Engels-Lange. Sie fügt an: dann schon etwas versöhnlicher. gefährlich.» «Wie auch schon in der Vergangenheit, Allerdings sprach er auch bei diesem werden wir auch zukünftig mit den Treffen über noch nicht näher definierte Metro­basel-Direktorin Regula Ruetz ­verschiedenen Akteuren im Gesundheits- «Massnahmen», die man durchaus als wesen zusammenarbeiten, um sicherzu- ­angedrohte Strafzölle für ausländische Zwar sei es für die Pharma-Branche stellen, dass Patienten Zugang zu unseren Firmen lesen kann. Und kurz darauf, im von Vorteil, dass Trumpcare nicht durch- innovativen Medikamenten haben.» März, verschärfte Trump den Tonfall wie- gekommen sei, aber die negativen Fakto- tageswoche.ch/+6j5hz × der: «Wenn die Reform des Gesundheits- ren der Politik von Trump überwiegen wesens durch ist und wir Obamacare los dennoch bei Weitem. Ruetz: «Die Andro- ANZEIGE sind, wird es Zeit, dass wir uns um Medika- hungen der Strafzölle, die Unsicherheit, mente kümmern», so der Präsident. wie es genau mit der Gesundheitspolitik 124 Doch es kam, wie es in seiner bisheri- im wichtigen amerikanischen Markt wei- gen Amtszeit bisher fast immer kam: Statt tergeht: All das schafft grosse Unsicher- «winning» obenauf zu schwimmen, ging heit und wirkt deshalb investitionshem- der Republikaner wenige Tage später nach mend. Die negativen Auswirkungen sind dieser Ankündigung mit seiner Trump- auch für unseren Standort spürbar.» Staatlich anerkanntesHilfswerk care unter. Gefährlich könnte laut Ruetz auch die › Tendenz der Regierung Trump zur erneu- Gratisabholdienst Schall und Rauch ten totalen Deregulierung sein – beispiels- undWarenannahme Eine strikte Umsetzung von Trump- weise bei den Banken. Dies würde zu einer für Wiederverkäufliches care hätte bedeutet: weniger Versicherte, erhöhten Gefahr einer erneuten Überhit- › Räumungen und ein kleineres US-Gesundheitswesen, Ver- zung der Wirtschaft führen. Auch die Entsorgungen änderungen bei der Bezahlung verschrei- ­nationalistischen Tendenzen und die zuzu fairenfairen PPrreeiisen bungspflichtiger Medikamente – entspre- Abschottungspolitik­ des Trump-Lagers chend weniger Business. Nach dem seien keine guten Voraussetzungen für sta- Trumpcare-Flop setzten US-Spital- und bile und offene Wirtschaftsbeziehungen Brockenstube Basel Pharma-Aktien dementsprechend zu und somit für den Basler Standort. Klybeckstrl .91, Tel. 061683 23 60 ­einem Höhenflug an. «Der Politik von Trump fehlt jede Be- www.hiob.ch, [email protected] «Es ist sicher eine Erleichterung für sonnenheit», so Ruetz. Es brauche sicher WeW itereHIOB Brockenstube den Wirtschaftsstandort Basel, dass auch Deregulierungsanstrengungen. Münchenstein, Birseckstr.62 Trumpcare nicht durchgekommen ist», Die Forderung von Trump nach «one in, Tele .061 411 89 88 sagt Regula Ruetz, Direktorin von Metro- two out» (für jede neue Regulierung basel, dem Think-Tank für die Entwick- ­werden zwei alte aufgehoben), würde HelfenwoNn ot ist lung der Metropolitanregion Basel. Rhe- sie teilen. ­Allerdings gelte es genau zu MitIhrem Einkauf helfen auch Sie! torisch mag Trumps Devise auch im prüfen, welche Regulierungen wenig

TagesWoche 15/17 16 Religionsunterricht Aufsteller der Woche finanziert. Die reformierte Kirche zahlt an den von beiden Landeskirchen gemein- Die Kirchen sam getragenen ökumenischen Unter- richt rund 3 Millionen, die katholische rund 1,5 Millionen Franken. ­müssen sparen Diese Beiträge werden aber drastisch sinken. Im Perspektivenpapier der evan- von Dominique Spirgi gelisch-reformierten Kirche ist für das Jahr 2025 noch ein Betrag von 1,8 Millio- von30 Gabriel Brönnimann % er Mitgliederbestand der beiden nen Franken eingesetzt. christlichen Landeskirchen sinkt aut der repräsentativen Leser-Stu- D dramatisch. In ­Basel sind beson- Neue Finanzierungsquellen die MACH Basic 2017-1 haben wir ders viele Austritte zu v­ erzeichnen: Die «Langfristig werden wir den Religions- L den Sprung von 27 000 Leserinnen Zahl der Mitglieder der evangelisch-refor- unterricht, wie wir ihn heute anbieten, und Lesern auf 35 000 geschafft. 8000 mierten Kirche ging von 2005 bis 2016 nicht halten können», sagt Christian Griss, Print-­Leserinnen und -Leser haben wir in von 36 800 auf 27 800 zurück. Bei der Präsident des römisch-katholischen Kir- einem Semester dazugewonnen, das ent- ­römisch-katholischen Kirche sank die Mit- chenrats. Pfarrer Richard Atwood, Rektor spricht einem richtig satten Plus von 30 gliederzahl von 32 700 auf rund 27 000. für den Religionsunterricht der evange- Prozent! Das hat finanzielle Folgen. Die evange- lisch-reformierten Kirche, weiss, dass in Diese Nachricht macht uns glücklich. lisch-reformierte Kirche verbuchte 2016 Zukunft deutlich weniger Geld zur Ver- Und wir sagen Danke. Danke, dass Sie beispielsweise noch 17 Millionen Franken fügung stehen wird: «Wir sind zusammen uns Ihr Vertrauen schenken. Täglich an Steuereinnahmen, das sind über 3 Mil- mit der römisch-katholischen Kirche ­online, mit rund 230 000 Usern (Unique lionen Franken weniger als 2012. Im Pers- daran, Sparmassnahmen zu erarbeiten.» Clients) im Schnitt pro Monat letztes Jahr. pektivenpapier 2015–2025 rechnet die Eine Option ist laut Atwood die Er- Und, was alles andere als selbstverständ- ­Kirche damit, dass in zehn Jahren ledig- schliessung neuer Finanzierungsquellen. lich ist in Zeiten der Medienkrise – mit lich noch 12 Millionen Franken zur Verfü- Den Kanton Basel-Stadt haben die Kir- steigenden Leserzahlen bei der gedruck- gung stehen werden. Die römisch-katholi- chen aber nicht im Visier. Im Schulgesetz ten Ausgabe. sche Kirche rechnet mit einem Rückgang ist vermerkt, dass der Religionsunterricht Doch auch an der TagesWoche geht die der Steuereinnahmen von heute 11 auf in den Schulen klar «Sache der religiösen Medienkrise nicht spurlos vorbei. Umso 10 Millionen Franken im Jahr 2020. Gemeinschaften» ist. Der Lehrplan 21 hoffnungsvoller stimmt uns die Entwick- Die Kirchen müssen also neue Geld- ­bietet als Alternative dazu Unterrichts- lung unserer Leserzahlen: Ohne Sie, liebe quellen generieren und vor allem sparen. stunden zum Thema Ethik an. Leserinnen, liebe Leser, ergibt nicht nur Und das an allen Ecken und Enden, von Obwohl die Landeskirchen laufend das Recherchieren und Schreiben keinen den Pfarreien über karitative Einrichtun- Mitglieder verlieren, ist der Religions- Sinn – wir müssten auch irgendwann gen bis zum Religionsunterricht an den unterricht an den Schulen nach wie vor ­damit aufhören. Denn ohne Ihren Sup- Basler Primarschulen. Dieser wird traditi- beliebt: Über 70 Prozent aller Primarschü- port, auch den finanziellen gibt es keine onellerweise in vollem Umfang von den ler besuchen den Unterricht. TagesWoche. Kirchen getragen und entsprechend auch tageswoche.ch/+ex8fa × tageswoche.ch/+a7jua ×

Gesehen von Tom Künzli

Tom Künzli ist als Illustrator für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften tätig. Der 42-Jährige wohnt in Bern.

TagesWoche 15/17 17

Urs Fischer im Spiel gegen Arsenal. Der Misserfolg in der Champions League wird ihm nun zum Verhängnis. Foto: reuters

Kommentar zuweilen nur wenige Zentimeter liegen, ­Fischer hat der 21-jährige Manuel Akanji konnte man gegen Paris Saint-Germain seinen Marktwert mutmasslich um ein miterleben. Vielfaches gesteigert. Mohamed Elyou- Urs Fischer Fischer hat sich in seiner ersten Saison noussi (22) spielt eine prägende Rolle, bei nicht für die Champions League qualifi- Alexander Fransson (23) hat Fischer Spiel- ziert, das ist auch für ihn die grösste Ent- macherqualitäten herausgekitzelt, und er ist besser als täuschung. Und Fischer hat es in seiner hat sich nicht gescheut, Raoul Petretta, zweiten Saison nicht geschafft, Razgrad in den Mann aus dem eigenen Nachwuchs, sein Ruf der Champions-League-Gruppenphase ins kalte Wasser zu werfen. hinter sich zu lassen. von Samuel Waldis Aber Fischer hat sich in der Europa Die unausweichliche Entscheidung League gegen die französische Spitzen- Urs Fischer war es auch, der Breel berrascht sein kann niemand. mannschaft AS Saint-Etienne durchge- Embolo immer öfter auf dem rechten Nachdem der FC Basel am Frei- setzt, in einem Spiel, das im St.-Jakob-Park Flügel einsetzte. Jenen Spieler, der dem Ü tag eine Zeitenwende eingeläutet zu den aufregendsten der letzten Jahre FCB rund 25 Millionen Franken Trans- hat, ist der Trainer das erste Personalopfer. ­gehört. Der FCB qualifizierte sich damit fererlös eintrug. Und im Blätterwald ertönt sogleich zum für den Achtelfinal, nur zweimal kamen Dem Trainer wird weiter vorgeworfen, wiederholten Male das Lied, dass dem die Basler in ihrer jüngeren Europacup- er habe zu wenig Akteure aus dem Nach- bald schon zweifachen Meistertrainer Geschichte weiter als in diese Runde der wuchs eingebunden. Das hat auch damit Urs Fischer der grosse Wurf in Basel nicht letzten 16. zu tun, dass sich nicht viele aus dem Nach- gelungen sei. wuchs für höhere Aufgaben aufdrängten. Aber was ist ein grosser Wurf? Ist es Vielleicht hätte die neue Der FC Basel verfügt nicht über die ein Sieg in der Champions League gegen Fülle an Hochbegabten wie in den letzten einen Grossen, wofür eine einzige splendi- Führung gut daran Jahren; ein Umstand, der natürlichen de Tagesform reicht? Oder ist es der über- Schwankungen unterworfen ist. zeugende nationale Erfolg, der nur dann getan, an einem Trainer Es ist nicht undenkbar, dass die alte erreicht wird, wenn eine Mannschaft mit Vereinsführung mit Urs Fischer in eine herausragender Konstanz am Werk ist? festzuhalten, der für dritte Saison gegangen wäre. Schliesslich Urs Fischer ist es gelungen, mit dem hält sie ihn für den erwachsensten Trainer FCB den 19. Meistertitel zu gewinnen. Den Konstanz steht. der letzten Jahre – ­sowohl im mensch­ 20. Titel könnte er mit der höchsten Punkt- lichen Umgang ­innerhalb des Vereins zahl holen, die eine Schweizer Mann- Urs Fischer wird vorgeworfen, er lasse als auch in der Moderation eines grossen schaft seit Bestehen der Super League je keinen attraktiven Fussball spielen. 2,5 Kaders mit vielen Nationalspielern. erreicht hat. Und auch das erste Double Tore pro Liga-Spiel in diesem Jahr und Vielleicht hätte die neue Führung gut seit 2012 liegt in Reichweite. 2,4 im letzten sprechen eine andere Spra- daran getan, in der Zeit des grossen Um- che. 2,3 Tore waren es unter Paulo Sousa, bruchs, da kaum ein Stein auf dem ande- Aufregendstes Spiel der letzten Jahre 1,9 und 1,7 unter Murat Yakin. Dass die ren bleibt, an einem zentralen Element Das reicht in Basel offenbar nicht mehr, Partien in der Liga selten attraktiv waren, festzuhalten: an einem Trainer, der für um die Fussballinteressierten zufrieden- weil die Spannung fehlte, ist nicht Konstanz steht. Dass die neue Führung zustellen. Es braucht den grossen Wurf im Fischers Problem. mit Urs Fischer weitermacht, war den- internationalen Geschäft. Dass zwischen Dem 51-Jährigen wird vorgeworfen, er noch unvorstellbar. Erreichen oder Verfehlen eines solchen setze zu wenig auf junge Spieler. Unter tageswoche.ch/+rujco ×

TagesWoche 15/17 Bildstoff 360° tageswoche.ch/360

Gunnedah Gunnedah, das klingt weit ab vom Schuss, aber geballert wird in der australischen Provinz trotzdem: Die 12-jährige Jessica dürfte zu einem Flintenweib heranwachsen. Jason Reed/reuters

Doolow Die Zukunft der 14-jährigen Zeinab dagegen ist unge- wiss: Wegen anhal- tender Dürre und einer drohenden Hungersnot ist die Hälfte aller Soma- lier auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zohra Bensemra/ reuters

Palma Sonne, Meer und Palmsonntag – ­bevor auf Mallorca die Sommersaison anbricht, ziehen kleine und grosse Büsser zu ­Ostern durch die Haupt- stadt. Enrique Calvo/ reuters Lakhnau Ein friedliches Bild: Auch das darf einmal sein. Mögen die Träume der Schlafenden so farbig sein wie der Schleier, der vor aufsässigen Fliegen schützt. Cathal McNaughton/ Reuters

Karakosch Ein Kreuz an die Decke machen werden diese christlichen ­Iraker, die nach der Rückerobe- rung ihrer vom IS ­besetzten Stadt in einer Prozession durch Karakosch ziehen. suhaib Salem/ reuters 20 Bestattungsanzeigen Basel-Stadt und Region

Allschwil Fleischli-Siebold, Zimmerli-Kuprecht, APH Käppeli, Mut- BS, 17.12.1928– Kron, Elsa, von Ettin- Edelgard Maria, von Klara, von Unterent- tenz, Trauerfeier: 04.04.2017, Rheintal- gen/BL, 12.11.1934– Basel/BS, 13.04.1937– felden/AG, Freitag, 21.04., weg 19, Riehen, wurde 06.04.2017, 02.04.2017, Allschwi- 09.09.1931–27.03.2017, 14.00 Uhr, ref Kirche bestattet. Spitzwaldstr. 209, lerstr. 73, Basel, Friedrich Miescher- St. Arbogast. Bei- Gisske-Schenkel, Allschwil, Trauerfeier Trauerfeier: Dienstag, Str. 1, Basel, Trauer- setzung im engsten Peter, von Basel/BS, und Beisetzung: 18.04., 10.30 Uhr, feier: Donnerstag, Familienkreis. 22.02.1947–09.04.2017, Freitag, 21.04., Friedhof Allschwil. 20.04., 13.30 Uhr, Hartz-Lüthi, Jürg, von Rainallee 33, Riehen, 14.00 Uhr, Kapelle Furrer-Müller, Wally Friedhof am Hörnli. Basel/BS, 15.08.1945– Trauerfeier im engs- Friedhof Allschwil. Jenny, von Basel/BS, Zoller-Leu, Gisela, 04.04.2017, wohnhaft ten Kreis. Widmer, Ruth, von 23.11.1927–31.03.2017, von Kishong, gewesen in, Muttenz, Hauser-Restle, Basel/BS, Zürich/ZH, Morgartenring 34, 22.02.1933–18.03.2017, wurde bestattet. Bernard Peter, von 04.10.1944–05.04.2017, Basel, wurde bestattet. Spalenvorstadt 5, Schärz, Gertrud Rüschlikon/ZH, Felsenweg 19, All- Häfelfinger-Müller, Basel, wurde bestattet. Johanna, von Därli- 17.06.1937–06.04.2017, schwil, Trauerfeier: Hermine, von Gelter- Birsfelden gen/BE, 21.11.1928– Pfaffenlohweg 55, Freitag, 21.04., kinden/BL, 18.10.1921– Aebischer-Schüp- 28.03.2017, Birsfelder- Riehen, Trauerfeier 11.00 Uhr, Kapelle 02.04.2017, Hagen- bach, Josef, von str. 95, Muttenz, im engsten Kreis. Friedhof Allschwil. talerstr. 16, Basel, Basel/BS, Schmitten/ wurde bestattet. Schwab-Gasser, Ida Basel wurde bestattet. FR, 26.08.1934– Stacher-Loos, Her- Bertha, von Ins/BE, Akyol-Boz, Hadis, von Hänggi, Blandina 03.04.2017, Sonnen- mann Werner, von 10.11.1920–02.04.2017, Basel, 01.01.1946– Maria, von Basel/BS, bergstr. 40, Birsfelden, Muttenz/BL, Egnach/ Inzlingerstr. 230, 02.04.2017, Elsässer- 25.04.1934–03.04.2017, Abdankung: Freitag, TG, 19.08.1921– Riehen, wurde str. 131, Basel, wurde Leimenstr. 21, Basel, 21.04., 14.00 Uhr, 29.03.2017, Baumgar- bestattet. bestattet. wurde bestattet. Friedhof Birsfelden. tenweg 28, Muttenz, Schwander-Mursch, wurde bestattet. Aydin, Deniz, von Lapka-Buzek, Vera, Cescato, Luigi, Hans Rudolf, von Basel/BS, 01.04.2017– von Basel/BS, von Birsfelden/BL, Weiss-Bättig, Verena Hendschiken/AG, 01.04.2017, Güter- 01.04.1926–27.03.2017, 10.05.1925–04.04.2017, Annamarie, von 22.08.1923–09.04.2017, str. 163, Basel, wurde Karl Jaspers-Allee 11, Hardstr. 71, Birsfel- Basel/BS, 24.02.1930– Unterm Schellen- bestattet. Basel, wurde bestattet. den, wurde bestattet. 31.03.2017, wohnhaft berg 189, Riehen, gewesen im APH Zum Trauerfeier im engs- Bilic, Jakov, von Leu, Hans Otto, von Ehrsam-Pohl, Basel/BS, Rohrbach/ Gertrud Charlotte, Park, Muttenz, Trau- ten Kreis. Kroatien, 25.02.1955– erfeier: Dienstag 04.04.2017, Erlen- BE, 27.01.1933– von Rümlingen/BL, Wenk-Mory, Niklaus 30.03.2017, Stadion- 01.04.1915–04.04.2017, 18.04., 14.00 Uhr, ref. Heinrich, von Rie- str. 48, Basel, wurde Kirche St. Arbogast bestattet. str. 17, Basel, wurde Birsstegweg 1, Birsfel- hen/BS, 03.11.1927– bestattet. den, Abdankung: Muttenz. 08.04.2017, Wettstein- Brogli, Gertrud, Neff, Markus, von Mittwoch, 12.04., Pratteln str. 6, Riehen, Trauer- von Beggingen/SH, 10.00 Uhr, Friedhof feier: Dienstag, 18.04., 13.12.1941–03.04.2017, Basel/BS, 03.11.1952– Wehrli-Schär, Mar- 06.04.2017, Im Burg- Birsfelden. lise, von Heiden/AR, 15.30 Uhr, Dorfkirche Wintergasse 9, Basel, Riehen. wurde bestattet. felderhof 30, Basel, Frenkendorf 23.10.1934–07.04.2017, wurde bestattet. Hochstrasser-Bohnet, wohnhaft gewesen im Wenk-Fischer, Brügger, Walter, Nelly, von Füllins- APH Madle, Pratteln, Werner Simon Heinz, von Lostorf/SO, Saladin-Hunziker, dorf/BL, Densbüren/ Trauerfeier: Freitag, von Riehen/BS, 14.01.1944–01.04.2017, Dora Hilda, von AG, 31.07.1933– 21.04., 14.00 Uhr, 26.10.1922–25.03.2017, Wiesendamm 20, Basel/BS, 26.11.1922– 04.04.2017, Mühlack- Abdankungskapelle Schützengasse 60, Basel, wurde bestattet. 02.04.2017, Allmend- str. 40, Basel, Trauer- erstr. 13, Frenkendorf, Friedhof Blözen. Riehen, wurde Brühlmann, Heidi, feier im engsten Kreis. Trauerfeier und Beisetzung im engs- bestattet. von Amriswil/TG, Beisetzung: Dienstag, ten Familienkreis. Senn-Zaugg, 19.05.1929–04.04.2017, 18.04., 14.15 Uhr, Reinach Hebelstr. 102, Basel, Hans-Rudolf, von Friedhof Äussere Egg Tinner-Wirichs, Trauerfeier: Mitt- Basel/BS, 22.11.1940– Frenkendorf. Alfred, von Sennwald- woch, 19.04., 05.04.2017, Leimen- Frümsen/SG, 13.30 Uhr, Friedhof str. 22, Basel, Trauer- Muttenz 13.06.1930–09.04.2017, am Hörnli. feier: Donnerstag, Geiser-Membrez, 13.04., 14.00 Uhr, Madeleine, von Eschenweg 4, Rei- Donelli, Marcel, von Leonhardskirche, Muttenz/BL, Lagen- nach, Trauerfeier und Basel, 09.01.1940– Leonhardskirch- thal/BE, 21.05.1938– Beisetzung: Mitt- 03.04.2017, Austr. 75, platz 4. 06.04.2017, Germanen- woch, 26.04. Basel, Trauerfeier: weg 6, Muttenz, 14.00 Uhr, Friedhof Dienstag, 18.04., Soder, Hans, Fiechten Reinach. von Möhlin/AG, Trauerfeier und 14.30 Uhr, Friedhof Beisetzung: Dienstag, am Hörnli. 15.08.1932–02.04.2017, Riehen Wettsteinallee 143, 25.04., 14.00 Uhr, Franz-Looman, Fasel-Kofmel, Eveline Basel, wurde bestattet. röm.-kath. Kirche Waltraud Käthe Erna, von St. Ursen/ Muttenz. Strecker, Christian Henny, von Riehen/ FR, 26.11.1941– Girod-Wenger, Anna 06.04.2017, Hechtli- Hugo, von Liestal/BL, 30.03.1960– «Anneli», von Mut- acker 44 , Basel, wurde tenz/BL, Buckten/BL, bestattet. 20.03.2017, Steinen- laufend aktualisiert: torstr. 26, Basel, 29.05.1926–05.04.2017, wurde bestattet. wohnhaft gewesen im tageswoche.ch/todesanzeigen

TagesWoche 15/17 21 Knackeboul Er hält es selber für einen Fluch: Knackeboul will gefallen. Zwar kann er schriftlich prima austeilen, im direkten Dialog aber überkommt ihn eine neurotische Harmoniesucht.

Nun zu euch. Und ich weiss, dass es «euch« nicht gibt, so wenig, wie es den Rapper Knackeboul gibt. Trotzdem: Ihr habt das Bedürfnis zu schubladisieren. Zu vereinfachen, um begreifen zu können. Dabei kann man eine Sache oder Person nicht begreifen, wenn man deren Komple- xität nicht beachtet. Somit kreiert ihr den er Rapper Knackeboul. Eine Rapper Knackeboul mit. Ich werde zu dem, Bezeichnung, die mir seit jeher was ihr in mir seht. Für euch und für mich. widerstrebt. Obwohl es mich Aktiv und passiv. gleichzeitig wütend macht, Dwenn mir Hater aus der Szene trotz meiner Es ist ein Kreuz mit vernichtenden Rapskillz diesen Titel ab- sprechen wollen. Immer wieder ertönt ein dieser fixen Vorstellung, «Sie, sind Sie nid dä Rapper?» an Kassen, Knackeboul ist Rapper, Beatboxer auf der Strasse, in öffentlichen Verkehrs- und Publizist. wie oder was ein Mensch mitteln und Toiletten. tageswoche.ch/+4Xz77 Inzwischen schaudert mich, wenn ich ist oder zu sein hat. diese Worte höre. Aber sie sind ja nicht böse gemeint, also drehe ich mich um und Bühne spielt eine sehr versierte Jazz-Band. So wie andere zum Rocker, zum Kiffer, bin: der Rapper Knackeboul. Genauer: dr Ich werde gebeten, in den Jam einzustei- zum Banker werden, werde ich zum Rap- Räpper Knäckebuhl. Ein bisschen wie «Der gen. Ich gehe auf die Bühne und freestyle. per. Man kann sich dem fast nicht entzie- Räuber Hotzenplotz» – so ein kurliges We- Soweit alles im dopen Bereich. hen. Schlimm wirds erst, wenn man sich sen. Dass sowohl die Berufsbezeichnung Das Publikum ist jedoch Upperclass. selbst spiegelt. «Ja, ich bin halt etwas ver- wie auch mein Künstlername mit ä ausge- Ich meine das nicht wertend. Aber so sehr rückt, halt nicht wie die anderen.» «Ich bin sprochen werden, macht das Ganze noch ich hier predigen möchte, dass Musik ver- halt voll die Rocker-Braut» etc. Meine uriger, noch schweizerischer. bindet und dass es schön ist, wenn ich mit Flucht vor dieser zombiemässigen Bild- meinem Talent Grenzen und Klassen nishauerei ist die Diversität. Ich habe das Dieses leicht nervige Wesen überwinden kann, so sehr zweifle ich an Glück, als Künstler in Rollen schlüpfen zu Der Rapper. Klingt ein bisschen wie: dieser Message. Denn ein Grossteil des können. Ich kann Alter Egos kreieren. Ich der Seppli oder der Chasper. Der Rapper Publikums hat es wieder getan. «He, dasch lasse mich nicht festnageln. Bligg. Der Rapper Stress. Der Rapper und jetz aber cool gsi.» «Endlich mal einer, der das Model. Wieder schaudert mich. «Jaja, mit seinem Rap etwas Schwung in die In der Schublade wärs bequemer so sind sie, diese Rapper mit ihrem Hip- Bude bringt.» Und genau das habe ich Es ist ein Kreuz mit dieser fixen Vorstel- Hop.» «Immer am Beatboxen und Break- auch getan: «Hände in die Luft – make lung, wie oder was ein Mensch ist oder zu dancen, he.» some noise!» Alles dabei. sein hat. Also ist mein liebstes Hobby, aus Ich weiss, ich hab mir die Scheisse Und eben: Ich verurteile die Situation Schubladen springen. Ich bin der Blödler selbst eingebrockt, indem ich mich nicht nicht. Es war ja schön – das Verbindende ist in Web-Videos, der Meinungsbekunder in nur im Bus oder an der Kasse, sondern eine Qualität der Musik. Ich versuche nur, Politsendungen, der Beatboxer, der Battle- auch auf Bühnen und vor Kameras in die- das Schubladisieren seitens Öffentlichkeit Rapper, das Feindbild, der Musterschüler, ses leicht nervige Wesen verwandle, sobald und Publikum und meine fast opportunis- der sympathische Typ, der nervt – ich bin jemand das Zauberwort «dr Rapper Knä- tische Reaktion darauf zu analysieren. Seit David. Hallo. Dass es in der Schublade ckebuuuuuuuhl» ausspricht. Und ein gros- fast 20 Jahren spiele ich das Spiel. Sich ­bequemer wäre, dass das ständige Swit- ser Teil von mir ist so. Ich improvisiere selbst sein in jeder Situation, einen Fick ge- chen und Seiltanzen wirklich anstrengend gerne, egal vor welchem Publikum. ben – andere können das besser und ste- ist, und dass das zwanghafte In-keine- hen dafür oft schlechter da. Schublade-passen-wollen eine selbst- Sich selbst sein in jeder auferlegte Schublade sein kann, nehme Wo der Sauhund begraben liegt ich dabei in Kauf. Situation, einen Fick Im Schriftlichen kann ich es, in Videos Ich habe noch keine bessere Lösung ge- auch: angriffig sein. Mich für meine Prinzi- funden für meinen Zwang, immer ein biss- geben – andere können pien unbeliebt machen. Im direkten Dia- chen gefallen zu wollen, und euren Zwang, log taucht da immer dieser People-Pleaser einen gefälligen Künstler sehen zu wollen. das besser und stehen in mir auf und ich werde versöhnlich. Und In diesem Sinne: Bum-Tschät-Badum- da liegt der Sauhund begraben. Meine neu- dum-Tschät! Euer Rapper Knackeboul × dafür oft schlechter da. rotische Harmoniesucht ist auch ein ­Talent. Menschen vereinen und begeistern Ich beatboxe teils unkontrolliert und ist ein wichtiger Skill, aber eben auch ich bringe die Leute gerne zum Lachen anstrengend und verhängnisvoll. und Mitmachen. Aber ein Teil von mir ver- Meine Tendenz zur Gefälligkeit im abscheut dieses Verhalten. Es ist wie ein Kontrast zu meinem Bedürfnis, ehrlich Fluch. Aktuelles Beispiel: Ich bin am Zer- und konsequent zu sein, hätten wir damit matt Unplugged. Als Zuschauer. Auf der besprochen.

TagesWoche 15/17 22 Reichtum formen und Uhrwerken für Munition, ­später auch infolge des Vorsprungs, den Wir leben im reichsten Land der Welt. sie im zerstörten Europa unmittelbar nach 1945 mit ihrer unversehrten Wirtschaft Ein paar Gründe, wie es dazu kam und hatte. Denkt man an Krieg, ist man schnell warum es noch immer so ist. bei der Neutralität, die man ebenfalls als Tugend einstufen kann. Den wirtschafts- fördernden Effekt der Neutralität kann man auch bezweifeln. Wegen der Unpar- teilichkeit könnten Geschäfte auch ent- gangen sein. Zudem darf man Absicht und Die Schweiz: Effekt nicht vertauschen: Die Schweiz ist aus anderen Gründen bisher mehr oder weniger neutral gewesen als aus dem ­Bestreben, in alle Richtungen gute Ge- schäfte machen zu können. ein goldener Der Erste Weltkrieg hat einem Teil der Schweiz (der Industrie, aber auch dem ­Finanzsektor) sicher einen starken Kick gegeben. Allerdings war die Schweiz schon um 1900 bei der Pro-Kopf-Wirt- Hase schaftsleistung Weltspitze. Dazu hat die Industrialisierung im frühen 19. oder gar die Proto-Industrialisierung im 18. Jahr- hundert beig­ etragen und möglicherwei- se auch die Bereitschaft, anfallendes ­Kapital innovativ in «Risiko»-Projekte zu investieren.

Überschätztes Bankgeheimnis Weiter zurückgreifend wird auch dar- auf hingewiesen, dass dank der Solddiens- von Georg Kreis Budapest von einem mitreisenden Kolle- te viel Geld ins damals arme Land geflos- gen aus den Niederlanden gestellt. Die sen sei. Nicht vergessen sollte man die ür die Ostertage etwas Erfreuli- Fahrt war zu Ende, bevor ich mit meinen guten Geschäfte, die einzelne Schweizer ches: Wir sind das reichste Erläuterungen fertig war. im Rahmen des europäischen Kolonialis- Land der Welt. Diese Nachricht Die gleiche Frage hatte mir schon ein mus zu machen verstanden. Zur auch heu- sollte sich längst herumgespro- Franzose gestellt und auch gleich die Ant- te noch benötigten Beruhigung wird da Fchen haben, sie stammt nämlich vom wort gegeben, dass dies sicher mit den gesagt, dass die Armut der einen nicht ­November des vergangenen Jahres und aus Frankreich zufliessenden Schwarz­ einfach aus dem Reichtum von anderen bestätigt frühere Meldungen. Diesmal ist geldern zu erklären sei. abgeleitet werden könne. es vom «Global Wealth Report» der Cre- Warum also ist die Schweiz «so» reich? Für einen Teil der Reichtumgenerie- dit Suisse für uns errechnet und von der Eines ist sicher: Darauf kann es keine ein- rung ist die Schweiz nur Durchlaufstation. Sonntagspresse weitergereicht worden: fache Antwort geben. Das lässt sich nur auf Kapital kommt aus dem Ausland und geht «Schweizer sind elfmal wohlhabender eine Kombination von verschiedensten in Form von Investitionen gleich wieder als der Weltdurchschnitt.» Faktoren zurückführen: auf Strukturen, ins Ausland oder bleibt hier zum Teil hän- Höchstwahrscheinlich trifft das nur ­sicher aber auch auf Tugenden und – wie gen. Hier sind wir auch beim Bankgeheim- auf wenige Schweizer zu. In der Schweiz eingeräumt, aber nicht weiter erklärt wird – nis, das in diesen Überlegungen aus einem verfügt das reichste Prozent der Bevölke- auf Glück. an sich verständlichen Denunzierungs­ rung über 25 Prozent der Vermögenswerte. bedürfnis meist überschätzt wird. Auch in anderen Ländern ist der Reichtum Nicht einzelne Produkte Noch immer zu den Strukturen: Hier auf wenige Wohlhabende konzentriert – kommt der Föderalismus mit seiner den allerdings auf tieferem Niveau. machen die Stärke der inneren Staatswettbewerb fördernden Im globalen Durchschnitt verfügt ein Wirkung ins Spiel. Doch landen wir so Prozent sogar über 50 Prozent der Vermö- Schweiz aus, sondern eine plötzlich wieder bei der zunächst bloss aus gen. Schwacher Trost: Weniger bemittelte dem internationalen Vergleich wahrge- Menschen profitieren von wohlhabende- vernetzte Gesamtheit: nommenen Problematik: Warum ist, wenn ren Mitbürgern. Das wäre zum Beispiel es denn so ist, ein Kanton Zug «so» reich im appenzellischen Wolfhalden der Fall das Swissness-Paket. und der Jura nicht «so» reich? In welchem gewesen, wenn sich der Formel-1-Pilot Verhältnis stehen hier Strukturen und ­Michael Schumacher dort niedergelassen Zu den Strukturen: Da werden die grös- ­Tugenden zueinander? Die gleiche Ver- hätte. seren Nachbarländer genannt, die es der gleichsfrage wollen wir für BS/BL hier Schweiz mit ihren breiten Eigenwirtschaf- nicht anschneiden. Strukturen, Tugenden und Glück ten ermöglichten, Zulieferin von wert- Zwei Erklärungen für den dichten Dieser Oster-Artikel möchte nicht den schöpfungsintensiven Produkten zu sein. Wohlstand werden im Allgemeinen wenig Neid auf Bessergestellte in Gang setzen. Beinahe treuherzig wird erklärt, dass es berücksichtigt: zum einen die Kleinheit Im Zentrum soll die Frage stehen, warum der Schweiz weniger gut ginge, wenn sie in des Landes. Konfettistaaten (von Hawaii die Schweiz «so» reich ist. Diese Frage Afrika statt in Europa läge. und den Bermudas nach Monaco und San stellt man sich vielleicht weniger, wenn Die Schweiz war eindeutig auch Kriegs- Marino über Luxemburg und Liechten- man selber in diesem Paradies lebt. Dafür profiteurin, zum Beispiel 1914 bis 1918 stein bis zur Schweiz) stehen tendenziell wurde sie mir zuletzt auf einer Taxifahrt in mit Lieferungen von Farbstoffen für Uni- überdurchschnittlich gut da. Da entste-

TagesWoche 15/17 Wir habens ja. Doch auch in der Schweiz verfügt nur eine schmale Schicht über haufenweise Geld. foto: keystone hen leichter profitable Dienstleistungs- «Wirtschaftswunder Schweiz» (2016) auf ­sicher in einer gewissen Win-Win-Situati- zentren. die Bedeutung einer politischen Tugend on – zum Beispiel die schweizerischen Eine weitere Erklärung darf der bereits als «einmalige Balance zwischen individu- ­Infrastrukturbauten erstellen oder den vorhandene Reichtum sein, der – wenn eller Selbstverantwortung und genossen- Kehricht beseitigen. man es nicht ganz dumm anstellt – einfach schaftlicher Solidarität». Die Blicke in die Vergangenheit haben noch reicher macht. Der eingangs zitierte Es werden noch viele weitere aus naheliegenderweise die Funktion, richti- Bericht geht davon aus, dass das Durch- ­Tugend geborene Vorzüge genannt: im ges und wünschbares, das heisst erfolg- schnittsvermögen der schweizerischen Vergleich mit dem Ausland schwache versprechendes Verhalten für die Zukunft Erwachsenen bis 2020 von jetzt 562 000 ­Regelungsdichte, Zurückhaltung des festzumachen. Eine generelle Einsicht auf 606 000 Dollar ansteigen, die Schweiz Staates, Kompromissbereitschaft, Rechts- dieser Art ist, dass es eine permanente also in den nächsten Jahren weiterhin sicherheit, der vertraglich abgesicherte ­Anpassungsfähigkeit braucht, um Spit- Spitze bleiben wird. ­Arbeitsfriede, die Vorliebe für mittlere zenpositionen zu halten – als Einzelunter- Endlich zu den Tugenden: Da könnte Wege etc. nehmen wie als Unternehmen Schweiz. man unterscheiden zwischen den Unter- Mehr als nur Anpassung ist Innovation. nehmerqualitäten eines relativ kleinen Durchreisenden fällt auf, Harold James, der mit der Schweiz bestens B ­evölkerungsteils und den einem ganzen vertraute amerikanische Historiker, wür- Bevölkerungskollektiv (mit Ausnahmen) dass in der Schweiz digt im Vorwort des genannten Wirt- zugeschriebenen Qualitäten von Arbeit- schaftswunder-Buches die aus einer samkeit, Pünktlichkeit, Fleiss etc. ­weniger gelacht wird als Mischung von Struktur und Tugend Weiter wird dem politischen Kollektiv entwickelte Innovationsfähigkeit der «weises» Verhalten an der Abstimmungs- andernorts in der Welt. Schweiz. Nicht einzelne Spitzenprodukte urne attestiert, mit Ablehnungen von (Banken/Schoggi/Uhren etc.) machten ­Initiativen für mehr Ferien und Mindest- Sind das Schweizer Tugenden? Und die Stärke aus, sondern eine vernetzte Online lohn oder «gerechte» Löhne (1:12); viel- stehen die Immigranten zu ihnen? Oder Gesamtheit: das Swissness-Paket. leicht dereinst auch mit der Bereitschaft, sind es gerade besonders tugendhafte, Eine andere Frage ist, wie «wir» diesen im Alter länger zu arbeiten. Das Votum nämlich arbeitswillige Ausländer, die sich Wohlstand nutzen. Nicht wenigen Durch- von 2013 gegen die Abzocker könnte auf von der Schweiz angezogen fühlen? Gerne reisenden fällt auf, dass in der Schweiz dieser Linie eher ein Ausrutscher gewe- wird eingeräumt, dass die Schweiz einen ­weniger gelacht wird als andernorts in der sen sein. Teil des Wohlstands ehemaligen Nicht- Welt. Kann der goldene Hase lachen? tageswoche.ch/ James Breiding und Gerhard Schwarz schweizern verdankt (Nestlé, Maggi, Macht glücklich zustande gekommener themen/ verweisen in ihrem 2011 erstmals und 2016 ­Boveri, Hayek etc.). Nicht vergessen sollte Reichtum gar unglücklich? Schöne Ostern! Georg Kreis bereits in 3. Auflage erschienenen Buch man die weniger Qualifizierten, die – tageswoche.ch/+ve51h ×

TagesWoche 15/17 Trotz improvisierten Kliniken – hier von Médecins Sans Frontières – gibt es nicht genug Hilfe für alle. foto: Reuters

Südsudan Regierung und Rebellen im Sudan liefern sich einen grausamen ­Vernichtungskrieg. Internationale Helfer warnen, dass nur noch wenig Zeit bleibt, um eine Hungerkatastrophe zu verhindern. Wenn der Regen fällt, schlägt der Hunger zu

TagesWoche 15/17 25 von Cedric Rehman Wau kauften vor dem erneuten Kriegsaus- Kriegsbeginn flossen die Devisen nur bruch im Sommer 2016 ihre Lebensmittel noch ins Militär. Die Regierung in Juba m Himmel über der Stadt Wau von Bauern, die südlich der Grossstadt überliess aus Gleichgültigkeit und Geld- ziehen Geier ihre Kreise. Dunk- lebten und zu anderen Stämmen gehören. mangel die Versorgung der Bevölkerung le Wolken ballen sich wie eine Nachdem in der Haupstadt Juba im der UNO und ausländischen Helfern. Drohung. Noch wirbelt nur ein vergangenen Juli erneut Kämpfe ausbra- Ende 2016 gelang es der Regierung nicht Aheisser Wind Staub zwischen den Hütten chen, zogen Dinka-Männer plündernd mehr, den Kurs des südsudanesischen auf, oft bricht die Sonne durch. durch die Bauerndörfer und vertrieben, Pfunds gegenüber dem Dollar künstlich In zwei oder drei Wochen werden Re- wen sie nicht töteten. Die Bauern hatten hoch zu halten. Mit einem Schlag traf die gentropfen den Staub in Schlamm ver- mit den Rebellen nichts zu tun. Aber die Kriegs­inflation eine bereits ausgezehrte wandeln. Wo im Moment noch Lastwagen Dinka sahen in den wieder aufgeflammten Bevölkerung. Die Preise für Lebensmittel mit Lebensmitteln aus Kenia oder Uganda Kämpfen eine Chance, das Ackerland zu stiegen um das Elffache. rollen, werden die Strassen sich in Morast ­erobern, um darauf ihre Kühe zu weiden. verwandeln. Wau wird einer Insel glei- Diejenigen, die sie bisher mit Hirse und Düstere Vorahnungen chen, die niemand mehr auf dem Land- Gemüse versorgt hatten, flüchteten und Bereits im Juli 2016 hatte eine Katastro- weg erreichen kann. Und nur die mit GPS suchten Schutz in Wau, wo UNO-Soldaten phe das Land getroffen. Beide Seiten ausgerüsteten Maschinen der UNO wer- stationiert sind. machten ein von Kiir und Machar in Äthi- den die Landepiste von der Luft aus durch Die Kühe der Dinka frassen, was noch opien unterschriebenes Friedensabkom- die Regenschauer noch erkennen. Aber auf den verlassenen Feldern wuchs. Die men mit Bomben zur Makulatur. Vorge- auch die Antonows mit ihren Hilfsgütern Dinka selber fingen an zu hungern. Auf die sehen war eine erneute Machtteilung werden nicht mehr regelmässig landen. Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, zwischen beiden Anführern wie vor Kriegs- Mal werden die Unwetter zu stark sein, wenn die Dinka den Bauern ihre Felder ausbruch 2013. Doch kaum hatten Machar mal werden die Rebellen die Regenzeit für ­gelassen hätten, fällt den Frauen vor dem und Kiir gemeinsam die Regierungsge- eine Offensive nutzen. Saint Mary’s Hospital keine Antwort ein. schäfte übernommen, wiederholte sich Auch die Panzer der Regierung werden Nach einer Weile sagt eine, dass der Krieg die Geschichte: Ihre Truppen gerieten in den kommenden Monaten im Schlamm eine Angelegenheit der Männer sei. Die ­aneinander. Viele Beobachter sagen, dass versinken. Der Regen wird auf Menschen Sache der Frauen scheint es zu sein, das weder Machar noch Kiir jemals ernsthaft niederprasseln, die schon seit einem Jahr Leid ihrer Kinder zu ertragen. daran gedacht hätten, sich an das Abkom- nicht mehr regelmässig gegessen haben. men zu halten. Sie haben zwei Jahre lang keine Vorräte Für das Grauen im Busch Das Scheitern des Friedensabkom- mehr anlegen können. Denn die Bauern mens entfesselte eine Bestie: Der ethni- der Region fuhren in diesem und im ver- gibt es keine Zeugen. sche Hass, von allen Kriegsparteien im gangenen Kriegsjahr keine Ernte ein. Auf ersten Krieg geschürt, frisst sich jetzt ihren Feldern ausserhalb der Stadt lauern Ein Diplomat nimmt durch jeden Winkel des Landes. Kein marodierende Kämpfer und der Tod. Stamm kann sich aus den Kämpfen her- Achol Amman kümmert es nicht, dass das Wort «Genozid» aushalten. Wer nicht Partei ergreift, wird die Regenzeit ihrem Land den Tod bringt. beschuldigt, dem Feind zu helfen. Ihre Kinder leiden schon jetzt Hunger. Die in den Mund. Südsudan wird seit vergangenem Som- Mutter sitzt auf einer Mauer vor dem Ein- mer in zahlreichen lokalen Aufständen gang des Saint Mary’s Hospital in einem Zur Zeit des Separationskriegs der ­gegen die Dinka-Regierung aufgerieben. Dorf unweit von Wau, auf ihrem Schoss südsudanesischen Christen gegen den Die Fronten lösen sich auf und weichen wiegt sie den dreijährigen Majok. In ihrer muslimischen Nordsudan bildeten die ­einem einzigen grossen Schlachtfeld. Und Hütte einige Kilometer entfernt warten Dinka das Rückgrat der Unabhängigkeits- die Vertriebenen berichten Furchtbares: Majoks Geschwister mit leeren Bäuchen. bewegung SPLM. Nach der erfolgten In vielen Regionen würden Dinka-Krieger Ammans Mann ist irgendwann wäh- ­Ablösung vom Sudan, reiste US-Präsident ganze Stämme auslöschen. Weite Teile des rend dieses endlosen Krieges gefallen. Seit George W. Bush 2011 nach Juba, um die Landes sind weder für Helfer noch für Wochen hat sie nichts als Brennholz zu Gründung des jüngsten Staates der Welt Journalisten zugänglich. verkaufen, um ihren Kindern etwas Hirse zu feiern. Er schenkte dem SPLM-Anfüh- Das Grauen im Busch spielt sich ohne zu besorgen. Majoks Körper ist aus­gezehrt. rer Salva Kiir einen Cowboyhut. Zeugen ab. Ein hochrangiger Diplomat Seine Augen treten aus dem eingefallenen Kiir trägt Bushs Hut noch heute. Doch nimmt das Wort «Genozid» in den Mund. Gesicht hervor. Die Haare sind ihm in die USA sieht er inzwischen als Feind. Die Alle Kriegsparteien würden im Moment ­Büscheln ausgefallen. Amerikaner wollten im vergangenen kämpfen, um dem gegnerischen Volk die Herbst ein Waffenembargo gegen Süd­ Lebensgrundlage zu entziehen. Zitieren Viehhalter gegen Bauern sudan im UNO-Sicherheitsrat durchset- lassen will er sich mit der Aussage aber Was wird die Mutter tun, wenn sie den zen. Sie scheiterten am Veto Chinas. Im nicht. nach Erdnussbutter schmeckenden Kalo- Gegenzug vergab Juba die Konzession für Die Entscheidung der Regierung, aus- rienkuchen aus UNO-Beständen von den die Förderung des südsudanesischen Öls gerechnet in der eskalierenden Hunger- Helfern erhält? Die Ärzte werden verlan- an Peking. Eine herbe Enttäuschung für krise die Visumgebühren für internationa- gen, dass sie die Kalorienmedizin Majok Washington, das die SPLM gegen die Mus- le Helfer von 100 Dollar auf 10 000 Dollar gibt. Denn der Junge ist am Verhungern. lime des Nordens unterstützt hatte. zu erhöhen, macht viele Helfer nervös. Ist Dann bekommen aber seine Geschwister Die SPLM spaltete sich im Dezember das der Versuch eines verzweifelten Regi- auch weiterhin nur Hirse zu essen. Zu 2013. Nach einem langen Streit über die mes, an Devisen heranzukommen? Oder ­wenig, um sie gesund zu halten. Teilt Kontrolle der ölreichen Gebiete setzte der will die Regierung keine Beobachter im ­Amman den Kuchen unter ihren Kindern Dinka Salva Kiir seinen Vize Riek Machar ab, Land haben, wenn sie tut, was sie für nötig auf, wird es Majok nicht besser gehen. Die der dem zweitgrössten Stamm der Nuer an- hält, um den Krieg zu gewinnen? Niemand Mutter muss sich entscheiden. gehört. Die beiden Fraktionen gingen mit weiss es, aber die Vorahnungen sind so Achol Amman gehört zum Volk der Waffen aufeinander los. Von 2013 bis 2016 düster wie der wolkenverhangene Him- Dinka, dem grössten Stamm im Südsudan. verwüstete der Krieg die nördlichen Bun- mel über Wau. Die Dinka leben von der Viehhaltung und desstaaten mit ihren Ölquellen, das Land Die Alten und Kranken siechen als Ers- haben noch nie in ihrer Geschichte einen ächzte unter der Last der Vertriebenen. te dahin. Unter einer Zeltplane im Flücht- Pflug über ein Feld gezogen. Die Dinka- Die Ölausfuhren nach China sind die lingslager rund um die Kathedrale von Frauen aus dem nördlichen Umland von einzige Einnahmequelle des Landes. Nach Wau stinkt es nach Fieber. Fliegen wan-

TagesWoche 15/17 26 dern über das Gesicht einer älteren tionen in Wau tätig, um das Schlimmste zu zeitig fünf Epizentren. «Wir beten, dass es und einer­ jüngeren Frau. Beide liegen auf verhindern. jetzt nicht noch irgendwo auf der Welt ein Matten und winden sich still in Krämpfen. Dennoch spricht Schwester Grace von Erdbeben gibt», sagt Schwester Grace. Der Die Insekten fliegen auf, wenn die beiden einem Dilemma, in dem alle Hilfsorgani- Südsudan könne sich frühestens nach Körper sich aufbäumen. Ein Junge nestelt sationen in der heutigen Krise steckten: dem Ende der Regenzeit 2018 wieder am Hemd der jungen Frau. Das Kind be- Geld kann nur einmal ausgegeben werden, selbst versorgen, «wenn im kommenden ginnt, an der Brust der Frau zu saugen, die und die Helfer können nicht überall Jahr die Waffen schweigen und die Bauern mit dem Tod ringt. gleichzeitig sein. Die mobilen Ärzte und wieder auf ihre Felder können». Ansons- Krankenschwestern der Mary Help Asso- ten werde es auch im kommenden Jahr «Bevor die Regenzeit ciation kümmern sich vielleicht gerade keine Ernte im Südsudan geben. um ein Kind, das in einem Camp an Ruhr richtig begonnen hat, leidet, während ein anderes in einem an- Angst und Hunger in jedem Winkel deren Lager an Typhus stirbt. Und die vor- Die graue Wolkendecke hängt auch muss genug Essen für handenen Lebensmittel reichten nie, um über der zwei Flugstunden südlich von alle Unterernährten zu versorgen. Wau gelegenen Hauptstadt Juba. Immer mindestens ein Drittel In einem Land, in dem während Mona- wieder gehen Regenschauer nieder. Aber ten alle Strassen überschwemmt sind, die Tage, an denen der Himmel seine der Einwohner des ­verschlinge allein der Transport von Hilfs- Schleusen weit öffnet, stehen auch Juba gütern Unsummen, sagt Schwester Grace. noch bevor. Landes da sein.» Die internationale Gemeinschaft dürfe jetzt Angst und Hunger sind in jeden Winkel keine Zeit verlieren: «Bevor die Regenzeit der Stadt gekrochen. Lehrer halten sich an Schwester Grace, Hilfsarbeiterin richtig begonnen hat, muss genug Essen im ihren Pulten fest, um nicht vor den Schü- Land sein, und zwar mindestens für ein lern ohnmächtig zu werden. Sie beobach- Die Helfer des Malteserordens blicken Drittel der zwölf Millionen Einwohner ten, wie täglich Schüler aus ihren Klassen betreten auf die Szene des Grauens. Ei- Südsudans.» Ausser der Hungersnot im verschwinden. Einige halten die langen gentlich wollten sie den Gästen aus dem Südsudan gebe es noch die Dürre am Horn Schultage ohne Frühstück im Bauch nicht Ausland zeigen, wie sie in dem Camp den von Afrika und die gleichfalls kriegsbeding- aus. Oder sie hoffen, irgendwo auf der Vertriebenen Hilfe leisten. Oft kommt ten Krisen im Jemen und der Sahelzone. Strasse Geld aufzutreiben. ­diese aber zu spät. Die UNO spricht von der schwersten Ein Mädchen, kaum älter als zehn, Ein Malteser erklärt, dass die Organisa- humanitären Krise seit 1945 – mit gleich- schäkert im Stadtzentrum mit einer Wa- tion mit der Unterstützung des Nothilfe- bündnisses «Aktion Deutschland hilft» Verbrannte Erde: In blutigen Stammesfehden wird die Ernährungsgrundlage zerstört. foto: reuters Latrinen auf dem Kirchengelände gegra- ben hat. Sie sind tief genug, damit die Aus- scheidungen von 8000 Menschen nicht ins Grundwasser sickern. Im Lager verteilt die Organisation Seife. Mehr als eine me- dizinische Grundversorgung können die Malteser in dem Lager aber nicht gewähr- leisten. «Unsere Mittel sind begrenzt», sagt ein Helfer.

Hilfsorganisationen im Dilemma Wenn die indische Schwester Grace Alb- träume hat, weiss sie manchmal nicht, ob es Bilder aus der Vergangenheit sind, die sie plagen, oder ob sie die Zukunft voraussieht. In ihren Träumen kriechen Mütter mit ­ihren Kindern auf dem Rücken auf sie zu, um vor ihren Augen zusammenzubrechen. Immer wieder kommt sie im Traum zu spät, um die Verhungernden zu retten. Schwester Grace ist noch etwas schwach auf den Beinen. Ein Infekt hat sie einen Tag lang ans Bett gefesselt, während draussen vor der Station der Mary Help Association in Wau die leeren Bäuche der Kinder schmerzen. Die Schwester rührt in einer Tasse Tee, während sie ihre Geschichte erzählt. Als sie Ende der 1990er-Jahre nach Wau kam, hungerte das Regime in der sudane- sischen Hauptstadt Khartoum die auf- ständischen Dinka aus. Der Sudan liess damals keine Hilfsorganisation in den ­rebellierenden Süden. Nur die Kirche blieb in der Region und baute unter ande- rem eine Krankenschwesternschule auf. «Gott sei Dank ist das heute anders», sagt Schwester Grace. Von den Maltesern bis zu den Johannitern seien derzeit zahlrei- che kirchliche und private Hilfsorganisa- 27 che, die vor dem Büro einer internationa­ Den Westen sieht er in der Verantwortung durchgesetzt habe. «Und das heisst, die len Organisation postiert ist. Als der Mann für die Selbstzerstörung des Landes. «Ihr ­anderen sind alle tot.» merkt, dass er beobachtet wird, scheucht habt uns in die Unabhängigkeit getrieben, Die regionalen und internationalen er das Mädchen weg. Er dreht sich aber weil ihr Probleme mit den Muslimen habt. Mächte würden derweil mit den verschie­ noch kurz zu ihr um und greift sich in Da wolltet ihr etwas christliche Solidarität denen Seiten gute Deals machen. Wie etwa den Schritt. Wenige Meter entfernt liegt zeigen, und jetzt seid ihr erstaunt, was aus China, von dem Wul behauptet, dass es ein Mann entkräftet auf der Strasse und dem Südsudan geworden ist: ein verdor­ nicht nur die Regierung, sondern auch die leckt wie ein Hund Wasser aus einer Pfütze.­ benes Kind des Westens», sagt Wul. Rebellen via Sudan mit Waffen beliefere. Alltag in Juba. Oder die USA, von denen niemand glaube, An einer Hotelbar trinkt der Journalist Frieden, sagt Wul, dass sie ohne Hintergedanken die Kon­ Simon Wul (Name geändert) ein Bier nach frontation mit Salva Kiir suchten. dem anderen auf Kosten seines ausländi­ werde es erst geben, Wenn Europa Menschlichkeit wichti­ schen Kollegen. Eigentlich besteht er ger sei als das Geschäft, müsse die EU die ­darauf, dass sein wirklicher Name in der wenn ein Stamm sich Führung in Juba endlich hart bestrafen, ausländischen Presse erscheint. Aber er fordert der Journalist. «Sperrt den SPLM- redet sich um Kopf und Kragen. Was mit gegen alle anderen Anführern die Konten, sorgt dafür, dass ihm geschehe, sei ihm egal, sagt er. «Mein eure Ärzte sie nicht mehr behandeln», sagt Land stirbt.» durchgesetzt habe. er und klingt dabei so verzweifelt wie jene, Nach der Unabhängigkeit 2011 leitete die meinen, dass allein Gott den Südsudan Wul eine grosse Tageszeitung. Auf dem Er, ein Mann, der selbst einmal mit dem noch retten könne. ­Papier war die Presse frei. Wul wurde legendären Rebellenchef John Garang im Über den Köpfen der Südsudanesen ­bekannt und vielleicht schützt ihn sein Busch gekämpft hat, wünschte sich heute, brauen sich am Himmel aber bloss die Name bis heute. Die Regierung gab ihm dass es keinen christlichen Staat auf dem Wolken zusammen. Das Land erwartet nach kritischen Artikeln schliesslich den Boden des Sudan gäbe. Erst nach einer den grossen Regen – und womöglich eine freundlichen Rat, er möge in den Ruhe­ ­langen Phase des Übergangs und der Etab­ beispiellose Katastrophe. stand treten. lierung staatlicher Strukturen hätte über tageswoche.ch/+pa2w5 × Jetzt bleibt Wul nur der Alkohol, eine eine Unabhängigkeit entschieden werden Rente, die täglich an Wert verliert, und das sollen. Frieden, sagt Wul nach dem fünften Diese Geschichte wurde ermöglicht Entsetzen über das, was aus dem Süd­ oder sechsten Bier, werde es erst geben, durch eine Recherchereise von «Aktion sudan nach der Unabhängigkeit wurde. wenn ein Stamm sich g­ egen alle anderen Deutschland hilft» im Südsudan.

Verbrannte Erde: In blutigen Stammesfehden wird die Ernährungsgrundlage zerstört. foto: reuters 28 Stadtrundgang Mit ihrem Buch «Basels verborgene Geschichten» lässt die pensionierte Lehrerin Jeanne Darling Kinder von nah und fern den Zauber der ­Altstadt entdecken. Eine Schnitzeljagd durch Basler Märchen und Mythen

Was ist denn das für eine Brunnenfigur? Auf dem Stadtrundgang wird das Geheimnis enthüllt. foto: alexander preobrajenski 29 von Olivier Joliat Schülergeschwader mal wieder durch FLASH neugierige Kinderaugen auf Bekanntes erade noch pressten die Schul- und freut sich, wenn sich Strassenschilder, kinder gebannt ihr Ohr an den Streetart und Stadthistorie vermischen. KULTUR versteckten Brunnen in der Die Kinder selbst sind im Abenteuer- Rätsel-Rundgang Gerbergasse, um dem Grollen modus. Die Märchen haben sie schon in Gdes Basilisken zu lauschen. Schon pre- der Schule gehört. Bei den Schauplätzen schen sie ins Gässlein hoch, auf der Suche schiessen die Finger hoch, weil die nach den letzten Resten des Gerber-Bot- ­Neugier noch lange nicht befriedigt ist. tichs . Die Lehrerinnen rufen zur Ordnung. Darunter Spezifisches zu Basilisk und Doch selbst ein Gentleman-Professor wie ­Basler Dybli, aber auch Fragen wie: «Kann Indiana Jones hätte jetzt kein Ohr dafür. man hier Brunnenwasser trinken?». Die Fussgängerzone der Innenstadt Der Rundgang führt von den alten Ge- birgt zum Kinderglück weniger Gefahren werbegassen zum weltweit einzigen als die Schauplätze des Actionfilms. Doch Kirschbaum, der zugleich blüht und auch hier finden sie eine abenteuerliche Früchte trägt, und zum Schwan am Nadel- Mischung aus Mythen und historisch berg. Dazwischen testen die Kinder im ­belegter Geschichte: Basilisken, Geister schmalsten Gässlein der Stadt, ob sie mit am Spalenberg oder Ritterturniere auf gestreckten Armen reinpassen, entdecken dem Marktplatz – «Basels Verborgene Ge- ein Museum en miniature, erfahren, schichten» bietet alles, was das Kinder- wie die Sonnenuhr an der Peterskirche herz begehrt. funktioniert und wie das Totengässlein zu Römische Dazu Interaktives wie Malanleitungen seinem Namen kam. für Basilisken und Wappen, Fun Facts und Rätsel. Viele davon kann man nur lösen, Leuchtende Augen ­Riecher wenn man mit dem Buch in der Hand Beim Stopp am Basler-Dybli-Briefkas- durch die Innenstadt wetzt, von Schau- ten sagt ein Bub anerkennend: «Der Zeich- Seit der Entdeckung eines seltenen platz zu Schauplatz. ner hat Skills.» Die hat Jooce Garrett – von ­Bleisargs blickt die Fachwelt neidisch auf Denn die Autorin Jeanne Darling ist dem die Buchillustrationen stammen – Kaiseraugst. Und um einen Grabstein geht nicht einfach Basels neue Trudi Gerster, schon lange nicht mehr genutzt. «Als ich es auch bei diesem Rundgang für Kinder sie war Lehrerin mit Abschluss an der pensioniert wurde, malte ich mit Wasser- ab sechs Jahren: Der Name der verstorbe- ­renommierten Harvard University. Als sie farbe, nun musste es digital gehen.» Den nen Person ist nicht mehr zu entziffern! Anfang der 90er-Jahre aus den USA nach Geschmack der Kinder hat er damit Und solange sie keinen Namen hat, findet Basel zog, gründete sie die Swiss British ­getroffen. ihr Gespenst keine Ruhe. Sie benötigt ganz School of Basel und kümmerte sich dort Genauso wie Darling. Vor der Statue dringend die Hilfe der Besucher, die um die Vorschulkinder. des römischen Feldherrn Lucius Munati- ­gemeinsam das Rätsel um den verschwun- Die zweifache Mutter suchte Mittel us Plancus im Rathaus zeigt sie auf denen Namen lösen können: Auf dem und Wege, wie sie ihren eigenen und den ­dessen rote Unterhose. So hören ihr die Rundgang durch die antike Stadt weisen Schulkindern aus aller Welt die neue Hei- Kinder auch beim historischen Exkurs Duftspuren aller Art den Weg. × mat näherbringen konnte. «Viele Expats interessiert zu. bekommen nichts mit von der Geschichte Gut 90 Minuten dauerte der Rundgang. Sonntag, 16. April, 10-16 Uhr, der Stadt. Sie wohnen ausserhalb und Darling hat ihn schon vielen Schulen an- Augusta Raurica, Augst. kommen höchstens an den Wochenenden geboten. Von öffentlicher Seite kam bisher www.augustaraurica.ch zum Flanieren in die Altstadt, weil sie so kein Feedback, ein paar Private sind schon schön ist. Für Kinder ist das langweilig.» länger dabei und haben ihr Buchprojekt unterstützt. Darling hofft, dass sie mit der Bunter Abend Neue Einblicke deutschen Ausgabe mehr Leute erreicht. Deshalb streift Darling seit 25 Jahren Mit dem Buch in der Hand braucht man regelmässig mit Schulklassen durch Basel, für die Tour keinen Guide. Lohnen tut sich Der Tanz der auch nach ihrer Pensionierung. «Doch das nicht nur als Integrationsprojekt für wollte ich das irgendwann in andere Hän- Expatkinder. de geben und suchte ein Buch, wo zumin- Die Augen von Shauna aus Irland Schildkröten dest die Geschichten überliefert sind, fand leuchten. Sie hätte gerne noch mehr ge- aber nichts.» Auch nicht in Deutsch. hört. Über fünf Jahre lebt ihre Familie nun Ein abenteuerlicher Abend mit Über- Nun drückt sie den Kindern zu Beginn in Basel. Die Sagen aus Irland sind ihr aber raschungen verspricht die Heimat im der Tour am Barfüsserplatz druckfrische näher als die Geschichten ihrer neuen Kleinbasel. Unter dem Titel «Tanz der Exemplare ihres eigenen Buchs in die Heimat. Schildkröten» gibt es DJs, Kunstfilmecken, Hand. In Deutsch und Englisch – je nach Dem Basler Nils, der in der Swiss Bri- Vorlesungen, einen Grill und auch ein Ma- Gusto der 10- bis 12-jährigen Schüler, die tish School of Basel unterrichtet wird, geht rio-Kart-Turnier. Was das alles soll und ob zweisprachig unterrichtet werden. Finan- es wie seinem deutschen Freund Valenti- Schildkröten tanzen können, wissen wir ziert wurden die 48 reich illustrierten no. Beide sind sie hier geboren, interessie- nicht. Aber was es damit auf sich hat, das ­Seiten vor allem von Privatschulen und via ren sich aber mehr für Indien, Russland nimmt uns schon wunder. × Crowdfunding. oder andere, exotischere Destinationen Expats vermitteln Stadtgeschichte – ein als die Schweiz. Sonntag, 16. April, Heimat, spannendes Projekt im lokalpatriotischen Am Ende des Rundgangs sagen beide Erlenstrasse 59, Basel. Basel. Und als Bebbi in der Truppe, auf­ unisono: «Basel ist gar nicht so langweilig, www.facebook.com/heimatbasel gewachsen mit den wunderbaren Dialekt- wie wir immer dachten.» Märchen von Peter Baumgartner, fragt tageswoche.ch/+oxdgv × man sich beim Start, welche Facts Darling besser dem Fährimaa erzählen sollte. «Basels verborgene Geschichten/ Wohl keine. Vielmehr erfährt man Basel’s Hidden Stories» – Ein Erlebnis- selbst ein paar neue Details, blickt im buch für Kinder, Bergli Verlag.

TagesWoche 15/17 BASEL B–MOVIE • DIE SCHÖNE UND • THERE WAS A FATHER [0/0 J] DAS BIEST [6/4 J] MO: 16.15 Ov/e Kinoprogramm Grellingerstrasse 41 b-movie.ch FR/SO/DI: 15.15— [0/0 J] D • THE ONLY SON • KEINE VORSTELLUNGEN SA/MO/MI: 12.30 MO: 21.00 Ov/e • GOING IN STYLE – • A STORY OF FLOATING WEEDS Basel und Region CAPITOL ABGANG MIT STIL [12/10 J] MI: 19.00 Stumm mit jap./engl. Zwischentiteln Steinenvorstadt 36 kitag.com FR/SO/DI: 10.10/16.40/21.00— MIT LIVE-VERTONUNG SA/MO/MI: 14.30/18.50— AM KLAVIER ANDRÉ DESPONDS • FAST & FURIOUS 8 [14/12 J] SA: 23.10 E/d/f 13. bis 20. April E/d/f • MY SON, MY SON, WHAT HAVE 14.15/17.15/20.30 FR/SO/DI: 14.30/18.50— YE DONE [16/14 J] • THE BOSS BABY [6/4 J] FR/SO: 23.10— MI: 21.00 E/d 14.15 D SA/MO/MI: 10.10/16.40/21.00 D 17.15 E/d/f • GOLD – GIER HAT FRICK MONTI EINE NEUE FARBE [12/10 J] ANZEIGE • GHOST IN THE SHELL [14/12 J] Kaistenbergstr. 5 fricks-monti.ch 20.30 E/d/f FR/SO/DI: 10.30/21.00— SA/MO/MI: 17.50—SA: 23.30 E/d/f • THE BOSS BABY – 3D [6/4 J] KULT.KINO ATELIER 15.15—FR/SO/DI: 17.50— FR/SO/MO: 13.00 D Jetzt auf FR/SO: 23.30— www.pathe.ch Theaterstr. 7 kultkino.ch D • DIE SCHLÜMPFE – DAS teilnehmen & SA/MO/MI: 10.30/21.00 VERLORENE DORF – 3D [0/0 J] D gewinnen! • MA VIE DE COURGETTE [6/4 J] • BALLERINA [6/4 J] FR-MO: 15.15 14.00—FR/SO: 10.45 D 11.00/13.00 D • FAST & FURIOUS 8 [14/12 J] 17.30 F/d • THE BOSS BABY – 3D [6/4 J] FR: 17.30—FR-MO: 20.15 D •ERUDA N [16/14 J] 11.55—FR/SO/DI: 16.40— • DIE GÖTTLICHE FR/SO/MO: 11.45 Ov/d/f SA/MO/MI: 14.30/18.50 D ORDNUNG [12/10 J] • TIGER GIRL [16/14 J] • THE BOSS BABY [6/4 J] SA: 17.30—MO: 10.30 Dialekt GEWINNE EINE REISE 12.10/21.15 D FR/SO/DI: 14.30/18.50— • LION – DER LANGE WEG • MAL DE PIERRES [14/12 J] SA/MO/MI: 16.40 D NACH HAUSE [12/10 J] FR/SA/MO-MI: 12.15 F/d • BIBI & TINA – SO: 10.30 D •OKA M [10/8 J] TOHUWABOHU TOTAL [6/4 J] • DIE SCHÖNE UND FR/SO/MO: 13.15 F/d/e 13.30 D DAS BIEST – 3D [6/4 J] NACH KUBA • THE OTHER SIDE • THE LOST CITY OF Z – SO/MO: 17.30 D OF HOPE [10/8 J] DIE VERSUNKENE 14.00/16.00/18.15/20.15 Finn/d/f STADT Z [12/10 J] LIESTAL SPUTNIK • DIE GÖTTLICHE 13.30 D Poststr. 2 palazzo.ch ORDNUNG [12/10 J] • DIE HÜTTE – 14.30/16.30/18.30/20.45 Dialekt/f EIN WOCHENENDE • DIE GÖTTLICHE • DOUBLE PEINE [16/14 J] MIT GOTT [12/10 J] ORDNUNG [12/10 J] 14.45/19.00 F/d 15.00—SA/MO/MI: 20.30 D FR/SA: 15.00—SO/MO: 18.00— E/d DI: 12.15—MI: 20.15 Dialekt • EL CIUDADANO FR/SO/DI: 20.30 ILUSTRE [16/14 J] • GHOST IN • MANCHESTER 15.00/17.00/21.00 Sp/d/f THE SHELL – 3D [14/12 J] BY THE SEA [12/10 J] 15.50—FR/SO: 22.40— FR/SA/DI: 17.30 E/d/f • LION [12/10 J] D E/d/f SA/MO/MI: 20.20 • RADIN! [6/4 J] 15.30/18.00/20.30 FR/SO/DI: 20.20—SA: 22.40 E/d/f FR-MO: 20.15 F/d • LE CIEL ATTENDRA [10/8 J] F/d/e •FE LI [16/14 J] • DOUBLE PEINE [16/14 J] 19.10—SO: 12.30 FR-SO: 23.15 D SO/MO: 11.00 Ov/d/f • AFTER THE STORM [8/6 J] Jap/d/f • MEIN LEBEN SA/MO/DI: 12.10 PATHÉ PLAZA ALS ZUCCHINI [6/4 J] • PARENTS [14/12 J] SO/MO: 13.30—MI: 15.00 D © Universal Pictures International Switzerland. All Rights Reserved. Ov/d Steinentorstr. 8 pathe.ch SA/DI/MI: 12.20 • HIDDEN FIGURES [10/8 J] • STAATENLOS – • DIE SCHLÜMPFE – DAS SO: 15.00 E/d/f KLAUS RÓZSA, VERLORENE DORF – 3D [0/0 J] FOTOGRAF [10/8 J] 11.55/14.00/16.00 D • LION [12/10 J] PATHE KÜCHLIN | STEINENVORSTADT 55, 4051 BASEL D MO: 15.00—DI: 20.15— pathe.ch SA/DI/MI: 13.00 • KONG: MI: 17.45 E/d/f SKULL ISLAND – 3D [12/10 J] KULT.KINO CAMERA 18.00/20.30 D SISSACH PALACE Rebgasse 1 kultkino.ch • LOGAN – Felsenstrasse 3a palacesissach.ch ANZEIGE THE WOLVERINE [16/14 J] • WHITE SUN [8/6 J] D Ov/d/f FR-SO: 23.00 • DOUBLE PEINE [16/14 J] 14.15/18.30 FR/SO/MO: 10.30 Ov/d • MOONLIGHT [14/12 J] REX E/d • THE BOSS BABY [6/4 J] 14.45/18.45/21.00 Steinenvorstadt 29 kitag.com FR-MO: 13.00 D • A UNITED KINGDOM [8/6 J] E/d • MEIN LEBEN STADTGESPRÄCH 16.15—SO/MO: 12.30 • FAST & FURIOUS 8 [14/12 J] ALS ZUCCHINI [6/4 J] • RADIN! [6/4 J] 13.45/16.45—FR-MO/MI: 20.00— D F/d DI: 20.30 D FR-MO: 14.45 17.00 • DIE SCHÖNE UND • WILDE MAUS [12/10 J] •OLD G [12/10 J] DAS BIEST [6/4 J] 20.45 D/d FR-MO/MI: 14.45/20.45— D DI: 14.30 E/d/f FR-MO/MI: 16.00 • MANCHESTER • RADIN! [6/4 J] BY THE SEA [12/10 J] • DIE SCHÖNE UND FR/DI/MI: 18.30 D SO/MO: 11.45 E/d/f DAS BIEST [6/4 J] E/d/f • FAST & FURIOUS 8 [14/12 J] FR-MO/MI: 17.45—DI: 17.30 D NEUES KINO • KITAG CINEMAS Ladies Night: 20.30 Klybeckstr. 247 neueskinobasel.ch THE FOUNDER • DIE GÖTTLICHE DI: 20.00 E/d/f ORDNUNG [12/10 J] • THE OTHER SIDE [16/14 J] SA-MO: 18.30 Dialekt FR: 21.00 E/f STADTKINO PATHÉ KÜCHLIN Klostergasse 5 stadtkinobasel.ch Steinenvorstadt 55 pathe.ch • MUD [12/10 J] Entscheiden Sie mit, FR: 16.00 E/d • DIE SCHLÜMPFE – • TOKYO STORY [12/10 J] DAS VERLORENE DORF [0/0 J] Ov/d/f worüber die D FR: 18.30 13.10—FR/SO-MI: 9.20/11.20 •VING LO [10/8 J] • RADIN! NICHTS FR: 21.00—MO: 18.30 E/d TagesWoche schreibt. ZU VERSCHENKEN [6/4 J] D • TOKYO TWILIGHT [0/0 J] 9.30/11.30/18.15 SA: 15.00 Ov/e • FAST & FURIOUS 8 [14/12 J] Was wollten Sie immer schon journalistisch • 99 HOMES [16/14 J] 12.30/15.15/16.30/18.00/ E/d aufbereitet lesen? Besuchen Sie unseren Stand 19.30/20.45— SA: 17.45 FR/SA/MO-MI: 9.40— • EQUINOX FLOWER an der Blickfang und reden Sie mit. FR-SO: 22.30/23.30—SO: 9.45 D SA: 20.00 Ov/e 17.45/20.30—FR-SO: 23.15 E/d/f • ELVIS & NIXON [8/6 J] • BAILEY – EIN FREUND SA: 22.15 E/d FÜRS LEBEN [0/0 J] • I WAS BORN, BUT ... [6/4 J] 9.45/12.20 D SO: 13.15 Stumm mit dt./franz. Zwischentiteln • DIE SCHÖNE UND • REVOLUTIONARY DAS BIEST – 3D [6/4 J] ROAD [12/10 J] 9.45—FR/SO: 20.45 CINÉ DELUXE SO: 15.15 E/d/f SA/MO/MI: 18.00—SA: 23.30— • EARLY SUMMER – DI: 20.45 E/d/f BAKUSHU [0/0 J] FR/SO/DI: 12.30/18.00— SO: 17.45 Ov/e FR/SO: 23.30— • NOCTURNAL SA: 20.45 CINÉ DELUXE ANIMALS [16/14 J] MO/MI: 15.15/20.45 D SO: 20.15 E/d

TagesWoche 15/17 Wochenendlich in Lille 31 Wer aus dem TGV steigt und den modernen Bahnhof von Lille hinter sich lässt, kann in der historischen Altstadt wunderbar entschleunigen. Wo die sanften Kerle wohnen

von Martin Stohler ein. Dabei darf man sich allerdings nicht Pflanzen überwuchert werden, in ein durch den Autoverkehr stören lassen, der grünes Paradies verwandelte. aris, New York, Venedig – es gibt nicht völlig von der Place de Gaulle ver- Noch tiefer ist die Stille auf der nahen Städte, die man einfach gesehen bannt wurde. Cimetière de l’Est. Hier ruht unter ande- haben muss. Aber Lille? In der Wer ein bisschen sucht, kann in Lille rem auch der Sozialist Pierre Mauroy nordfranzösischen Stadt, die sich aber auch Oasen der Ruhe finden. Eine von (1928–2013), von 1981 bis 1984 französi- Pseit 2004 mit dem Label «Kulturhauptstadt ihnen ist der Jardin des Géants hinter der scher Premierminister unter Präsident Europas» schmückt, wächst kein Eiffelturm Gare Lille-Europe an der Rue du Ballon. François Mitterrand. in den Himmel, grüsst k­ eine überlebens- Der kleine Park war einst ein Autoparkplatz, Damit unser Besuch in Lille nicht allzu grosse Freiheitsstatue den Reisenden. bis man diesen in den Untergrund verlegte besinnlich ausklingt, beenden wir ihn im Indessen ist auch in Lille nicht einfach und das Gelände im Jahr 2009 mit verschie- zoologischen Garten bei der alten Zitadel- alles klein und putzig. Dessen wird man denen Bambusarten, kleinen Teichen und le, wo ein munteres Treiben herrscht. sogleich gewahr, wenn man in der Gare Kunstgebilden, die allmählich von allerlei tageswoche.ch/+yiq77 × Lille-Europe aus dem TGV steigt und aus dem modernen Bahnhofgebäude ins Anhören Sich verköstigen Freie tritt. Rund um den Bahnhof wurden Vom 20. Mai bis 4. Juni 2017 findet Mit einer «Carbonade flamande» jüngst mit enormen Mengen von Glas und in Lille das Musikfestival ­«Wazemmes (in Bier geschmortes Rindfleisch) in Beton diverse Gebäude hochgezogen. L’accordéon» mit zahlreichen einem der Restaurants an der Place Ein paar Hundert Meter weiter zeigt Künstlern­ statt. de Gaulle oder gegenüber der Gare sich Lille mit der Gare Lille-Flandres von Lille-Flandres. seiner älteren Seite. Dieses Bahnhofs- Flanieren gebäude geht auf das Jahr 1892 zurück. Der Am Kanal der Deûle bei der alten Unterkommen erste Bahnanschluss Lilles erfolgte aller- Zitadelle oder durch die Einkaufs­ Das Zimmer im Hotel Balladins dings bereits 1843, ein wichtiges Plus im strassen des Stadtzentrums. Im in nächster Nähe der Gare Lille- Zeitalter der ­Industrialisierung. ­Sommer bewegen sich die Tempera­ Flandres war keine Luxussuite, turen in Lille zwischen 12 und 23 aber das Preis-Leistungs-Verhältnis Verschnörkelter Stil Grad Celsius. stimmte völlig. Geht man vom Bahnhof Richtung Stadtmitte, begegnet man diesem älteren, Vor diesem Riesen müssen sich auch Zwerge nicht fürchten. foto: Martin Stohler etwas verschnörkelten Lille auf Schritt und Tritt. Zu erwähnen ist in diesem Zu- sammenhang etwa die in den Jahren 1910 bis 1921 erbaute Chambre de commerce. Nicht weniger eindrücklich präsentiert sich der im neoklassischen Stil gehaltene Bau der Opéra de Lille. Das Gebäude konnte erst 1923 in Betrieb genommen werden, nachdem schwierige Bodenver- hältnisse und der Erste Weltkrieg die Fer- tigstellung des 1907 begonnenen Neubaus verzögert hatten. Dieser war nötig gewor- den, nachdem die alte Oper 1903 einem Brand zum Opfer gefallen war. Noch weiter zurück in die Geschichte Lilles führt uns das Gebäude der alten Bör- se an der Place de Gaulle. Sie wurde in den Jahren 1652/1653 erbaut und ist mit ihren reich verzierten Fassaden ein wahres Kleinod der flämischen Architektur. Das Gebäude besteht aus 24 gleichen aneinan- dergebauten Mansardenhäusern, welche einen Kreuzgang bilden. Im Innenhof, wo früher im grossen Stil Waren umgesetzt wurden, kann man heute Blumen kaufen oder in Bücherkisten wühlen. Ein paar Schritte weiter laden Stras- sencafés und Restaurants zum Verweilen

TagesWoche 15/17 Süsse Erinnerungen: Ein Feigenbaum wirft seinen Schatten über eine tragikomische Geschichte. montage: nils fisch

Wahnsinn Alltag Wie unsere Autorin einst in der südfranzösischen Provinz einen Kadaver auf nicht ganz legale Weise beseitigte. Wohin bloss mit dem toten Pony?

TagesWoche 15/17 33 von Franca Hänzi Haustier im Garten vergraben? ir wollten im Garten ein Ist erlaubt, mit Einschränkungen. ­totes Pferd vergraben. Das Der Abschied vom geliebten Haustier kann gerade für Kinder wichtig sein. ­ darf man nicht. Also eigent- In der Schweiz ist die «Bestattung» von Tieren in der Verordnung zur Entsor- lich wollten wir im Garten gung tierischer Nebenprodukte geregelt. Erlaubt ist gemäss Artikel 25 das Wdes Nachbarn ein totes Pferd begraben. Es Vergraben von einzelnen kleinen Tieren bis zu einem Gewicht von zehn war sogar dessen Idee. Also die des Nach- Kilogramm auf Privatgrund. Es empfiehlt sich dabei 1,2 Meter tief zu graben, barn. Jean-Claude liebt seine Pferde. Sie sonst besteht die Gefahr, dass das Tier wieder ausgegraben wird. Nicht leben im Stall und auf der Weide unmittel- vergraben werden dürfen Tiere auf öffentlichem Grund sowie in der Nähe bar neben seinem Wohnhaus ein glückli- von Quellen und Reservoirs mit Trinkwasser sowie auch nicht in Grundwas- ches und absolut stressfreies Pferdeleben. ser-Schutzgebiet. Doch nun war Elise gestorben und wir alle ratlos. Elise war ein verfressenes und daher denn Monsieur Bancel brüllte laut und baustelle vor. Unser Gewissen war nicht moppeliges, liebenswertes und kinder- deutlich durch den Hörer. rein, sondern irgendwo zwischen hell- freundliches Pony. Sie hatte knapp 30 Er sei verpflichtet, das Pferd innert und dunkelgrau. Jährchen auf dem Pferdebuckel und trug 48 Stunden abzuholen, aber das könnten Schliesslich war der Aushub in der bis kurz vor ihrem Ableben mit stoischer wir gleich vergessen, die Liste sei lang und ­erforderlichen Länge, Breite und Tiefe Gelassenheit unsere pferdebegeisterten er sei als Einziger für mehrere Regionen, ja ­bereit. Doch wie sollten wir Elise dort hin- Mädchen durch die Landschaft. gar departementsübergreifend zuständig, unterbringen? Sie musste vor allem genau Es kam für alle sehr überraschend, dass da könnten wir uns ja vorstellen, wie viel er so hineinverfrachtet werden, dass die sie eines Tages Anzeichen von Alters- zu tun habe. mittlerweile schon starren Beine nicht zur schwäche zeigte und alles, was sie vorne Grube herausragten. Einmal drin, würden mit ungebremstem Appetit futterte, hin- Das Projekt Feigenbaum wir nichts mehr an ihrer Liegestellung ten flüssig die Beine hinunterlief. Den Wir sollten das Pferd schon mal zur ändern können. Durchfall bekamen wir nicht in den Griff. Strasse runterbringen und dort am Weges- Ein paar Tage später musste sie ein­ rand liegen lassen. Nein, auf keinen Fall Den Abdecker bestellten geschläfert werden. oben auf der Weide, da käme er mit dem Wir standen hinter der Tierärztin im Laster nicht hin. Er hoffe, so in drei bis ma- wir ab. Er verzichtete Stall und heulten Rotz und Wasser. Elise, ximal vier Tagen vorbeikommen zu kön- die tagelang nichts mehr bei sich behalten nen. Ja, schon klar, er wisse, es sei Sommer darauf nachzufragen, konnte, liess zum Abschied noch einen und heiss, aber was soll man machen? wohlgeformten Pferdeapfel ins Stroh Überhaupt sollten wir froh sein, ihn gleich weshalb er nun doch plumpsen, was trotz unseres tiefen erreicht zu haben, normalerweise müsse Schmerzes für Heiterkeit sorgte. Da stan- man auf den Telefonbeantworter spre- nicht kommen sollte. den wir also unbeholfen um das tote Pony, chen und dann könne er meist auch nicht und nach geraumer Weile trafen wir uns, gleich antworten. Es dauerte eine weitere Stunde, bis wir ohne dass wir es abgemacht hätten, in der Die Kinder begannen wieder zu weinen, das arme tote Pony mit einem groben Seil ­Küche. Heulen macht Hunger. und wir Erwachsenen waren kurz davor. an der Anhängerkupplung des Autos be- Wie bitte sollten wir das Pony bis zur festigt hatten und über ein breites Brett in Der ungehobelte Abdecker 50 Meter entfernten Strasse bringen? Und das frisch ausgehobene Loch gleiten las- Den Entscheid, Elise im Garten unter dann dort liegen lassen, mitten im Dorf, sen konnten. Elise rutschte in perfekter den Boden zu bringen, fiel also über einem bei 35 Grad im Schatten? Position in ihr ewiges, letztes Bett. Teller von dampfendem Risotto und das Jean-Claude erinnerte uns an sein Den Feigenbaum pflanzten wir dann kam so: Jean-Claude erinnerte sich, dass schon länger geplantes Projekt, im Garten wenig später auch noch. Der Nachbar mit der für unser Departement zuständige Ab­ einen Feigenbaum zu pflanzen. Wie schön dem Traktor hat sich tags darauf erkun- decker ein unfreundlicher, ja sogar dreist es für Elise wäre, unter einem Feigenbaum digt, ob wir den Traktor nun bräuchten ungehobelter Mann war. zu liegen. Also um es kurz zu fassen, wir oder nicht. Monsieur Bancel bestellten wir Ungehobelt und komplett überlastet, hoben, als die Nacht hereinbrach, zu viert ab. Er fragte nicht nach, weshalb er nun weil er mehrere Regionen bedienen muss- ein sehr grosses Loch aus. Das dauerte doch nicht kommen sollte. te. Da leider dauernd und überall gestor- einige Stunden, und ich übertreibe nicht, Die Geschichte ist mittlerweile verjährt. ben wird, rast Monsieur Bancel von Tier- wenn ich behaupte: Die Aktion hatte etwas Sie blieb für lange Zeit unser sehr gut leiche zu Tierleiche und sammelt ein. sehr Gruseliges. ­gehütetes Geheimnis. Denn ein Pferd­ Schon klar, dass da keine Zeit für Mit­ im Garten vergraben darf man nicht. Für gefühl bleibt. Kiloweise Kalk die Kinder war es eine grosse Sache. Sie Es war eine laue Sommernacht und schwiegen darüber all die Jahre wie Wie sollten wir das Pony ausser dem kratzenden Geräusch der ein Grab. Schaufeln hörte man nicht viel. Wir waren tageswoche.ch/+0awqy × zur 50 Meter entfernten sehr bedacht, keinen Lärm zu machen und kein Aufsehen zu erregen, sprachen kaum «Wahnsinn Alltag!» Strasse bringen? Und und wenn, dann im Flüsterton. Vorgängig Der Alltag bietet manch Ärgernis, aber hatten wir versucht, bei einem Bauern ei- auch manche Freude. Diese beschrei- dann dort liegen lassen nen Traktor für den Aushub zu organisie- ben wir möglichst lebensnah und ren. Doch als dieser anfing zu fragen, wes- manchmal auch mit einem ;) versehen bei 35 Grad im Schatten? halb wir abends so ein Gerät bräuchten, in unserer Rubrik «Wahnsinn Alltag!» hatten wir das Gespräch schnell beendet. Und machen – wo es nötig ist – den Jean-Claude wollte die Sache rasch Auch der Kauf von mehreren Kilo Kalk Faktencheck. hinter sich bringen, griff zum Telefon und zum Abdecken des Kadavers fiel uns nicht informierte Monsieur Bancel über Elises gerade leicht. Um ja keinen Verdacht zu Ableben. Es war nicht nötig, das Gespräch ­erregen, flunkerten wir dem Verkaufsper- anschliessend für uns zu wiederholen, sonal eine­ Geschichte über eine Gross-

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TagesWoche Geschäftsleitung Yen Duong, Andrea Fopp, Irene Schubiger, Druck 6. Jahrgang, Nr. 15; Sibylle Schürch Naomi Gregoris, Laura Schwab, Martin Stohler, Mittelland Zeitungsdruck AG, verbreitete Auflage: Digitalstratege Stefan Kempf, Simone Janz Dominique Thommen, Aarau 36 750 Exemplare (prov. Wemf- Thom Nagy (Praktikantin), Jakob Weber Designkonzept und Schrift beglaubigt, weitere Infos: Creative Director Christoph Kieslich, Abodienst Ludovic Balland, Basel tageswoche.ch/+sbaj6), Hans-Jörg Walter Felix Michel, Tel. 061 561 61 61, Spitalstrasse 18, Redaktion Matthias Oppliger, [email protected] 4056 Basel Amir Mustedanagić Jeremias Schulthess, Anzeigenverkauf Herausgeber (Leiter Newsdesk), Dominique Spirgi, COVER AD LINE AG Neue Medien Basel AG Gabriel Brönnimann Samuel Waldis Tel. 061 366 10 00, Redaktion (Leiter Region), Layout/Grafik [email protected] Tel. 061 561 61 80, Reto Aschwanden Anthony Bertschi, Unterstützen Sie unsere Arbeit [email protected] (Leiter Produktion), Carol Engler mit einem Jahresbeitrag Tino Bruni (Produzent), Bildredaktion Supporter: 120 Franken pro Jahr Die TagesWoche erscheint Mike Niederer (Produzent), Nils Fisch Enthusiast: 220 Franken pro Jahr täglich online und jeweils am Hannes Nüsseler (Produzent), Korrektorat Gönner: 500 Franken pro Jahr Freitag als Wochenzeitung. Renato Beck, Yves Binet, Chiara Paganetti, Mehr dazu: tageswoche.ch/join SPINASCIVIL VOICES

Sehen und handeln. Während die einen immer mehr Poulet essen, werden die anderen in Hunger und Armut getrieben. Denn für den An- bau von Soja als Tierfutter wird grossfl ächig Regenwald abgebrannt und den Einheimischen ihre Lebensgrundlage geraubt. Brot für alle und Fastenopfer kämpfen gegen die- ses Unrecht. Helfen Sie mit: sehen-und-handeln.ch AZA TagesWoche CH-4056 Basel Neue Medien Basel AG PP/Journal Spitalstrasse 18, 4056 Basel Redaktion: 061 561 61 80 Post CH AG Abo: 061 561 61 61 tageswoche.ch

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