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2016 EINSCHLAUFEN Betrifft: Aus Jeder Sache Raus – Ein Jahr Auf Halbmast Impressum Nº 10.16 Irgendwann Kommt Die Nachricht

2016 EINSCHLAUFEN Betrifft: Aus Jeder Sache Raus – Ein Jahr Auf Halbmast Impressum Nº 10.16 Irgendwann Kommt Die Nachricht

DEZ.16/JAN.17

2016 EINSCHLAUFEN Betrifft: Aus jeder Sache raus – ein Jahr auf Halbmast Impressum Nº 10.16 Irgendwann kommt die Nachricht. Als Breaking Manchmal kommt die Nachricht auch per SMS DER MUSIKZEITUNG LOOP 19. JAHRGANG News über den digitalen Ticker, als zehnspalti- und reisst einen aus allem heraus. Ein paar we- ge Meldung im Feuilleton einer Tageszeitung, nige Worte nur, ratlos und benommen in die P.S./LOOP Verlag in der «Tagesschau» am Fernsehen, eingerückt kleine Tastatur getippt von Freunden, die einem Langstrasse 64, 8004 Zürich in die Biographiezeile bei Wikipedia. Die Nach- mitteilen, dass man einen gemeinsamen Freund Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 richt vom Dahinscheiden eines Menschen, der verloren hat: «Badoux ist gestorben.» Das war www.loopzeitung.ch geographisch und von seinem Status her zumeist Ende Oktober. Der Schock klingt allmählich ab, eine Figur aus der Ferne blieb, dem man sich doch die Trauer bleibt. Und die grosse Leere, die Verlag, Layout: Thierry Frochaux allerdings qua Sozialisation, Wesensverwandt- man mit den schönen Erinnerungen auffüllt, die [email protected] schaft und Bewunderung verbunden fühlte. Und sich über die Jahre angesammelt haben. Christo- der einfach immer schon – für einen – da war. phe Badoux – unter diesem Namen kannte man Administration, Inserate: Manfred Müller Die Flut der traurigen Nachrichten begann be- ihn als Comiczeichner und Illustrator. Wir nann- [email protected] reits im frühen Januar mit dem still orchestrierten ten ihn Ob-la-di Badoux. Damals, als wir nach Abtritt von David Bowie, der sein Vermächtnis den Proben unserer Band Hasselhoff jeweils bei Redaktion: Philippe Amrein (amp), mit «Blackstar» nachhallen liess. Der weltraum- Bier und Blödeleien ganz kleine Welten aus den Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe fahrende Dandy mit der mehrfach gebrochenen Angeln hoben. Oder in ausfransenden Diskus- Künstlerbiographie – für immer versunken im sionen die seiner Meinung nach unbegründete Mitarbeit: Philipp Anz (anz), Reto Aschwanden, Treibsand, den er einst besang. Weitere Grössen Genialität Serge Gainsbourgs zu ergründen ver- Yves Baer, Thomas Bohnet (tb), folgten ihm. Der ebenso vielseitige Mann aus suchten. Jean-Martin Büttner, Marcel Elsener, Roman Minneapolis, der sich manchmal Symbol, meis- Diese Mischung aus Nonchalance, Erstaunen Elsener, Chrigel Fisch, Christian Gasser (cg), tens aber nannte. Der als unzerstörbar und Empörung, mit der Ob-la-di durch sein Michael Gasser (mig), Ane Hebeisen, Hanspeter geltende Merle Haggard. Und schliesslich der bis Leben ging, vermissen wir alle, die ihn gekannt Künzler, Tony Lauber (tl), Susanne Loacker, zur Selbstauslöschung grüblerische Leonard Co- haben. Aber drüben, an diesem «anderen Ort», Sam Mumenthaler, Philipp Niederberger, hen, dem wir vor zwölf Jahren mit einer ganzen wird er nun zeichnen und trinken und träumen. Miriam Suter Ausgabe zum 70. Geburtstag gratuliert haben. Mit Bowie, Haggard, Prince und Cohen, mit Seine Zeilen werden bleiben und uns begleiten, in Muhammad Ali und Johan Cruyff. Und allen, Druck: Tagblatt Print, St. Gallen den folgenden Tagen vor allem jene, mit denen er die dort früher schon eingecheckt haben. seinen von trotzender Trauer durchwirkten Song Wir sehen uns wieder. Genau dort. Spätestens Das nächste LOOP erscheint am 27.01.2017 «Famous Blue Raincoat» eröffnete: «It’s four in irgendwann. Bei Blödeleien. Und Bier. the morning / the end of december / I’m writing Titelbild: David Bowie you now / just to see if you’re better.» Barclay James Amrein

Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, 8004 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] IM HINTERGRUND Sir George Martin war mehr als nur sir george martin der Produzent der Beatles, er prägte massgebend die Studiotechnik und gründete die unabhängige Produzenten- Vereinigung AIR.

Einige der wichtigsten Alben der 80er-Jahre entstanden in George Martins AIR-Studio auf der Karibikinsel Montser- rat, darunter «Brothers In Arms» von den Dire Straits oder «Synchronicity» von The Police. Aber auch Phil Collins, Black Sabbath, , die Rolling Stones und Micha- el Jackson fanden den Weg in die Karibik. Der Hurrikan Hugo zerstörte das Studio am 17. September 1989. VOM PIANISTEN ZUM PRODUZENTEN

Geboren wurde George Henry Martin am 3. Januar 1926 in der Nähe von London. Als Achtjähriger nahm er die ersten Klavierstunden. Von 1943 bis 1947 diente er als Flugzeug- beobachter im Fleet Air Arm der Royal Navy. Danach im- matrikulierte er sich in der Guildhall School Of Music And Drama, wo er Klavier und studierte. Seine musikali- schen Vorlieben waren Sergei Rachmaninow, Maurice Ra- vel und Cole Porter. Nach seinem Abschluss 1950 arbeitete Martin in der Klassikabteilung der BBC, ehe er zu EMI Re- cords als Assistent des Parlophone-Direktors Oscar Preuss wechselte. 1955 übernahm Martin von Preuss Parlophone. Zunächst produzierte er Comedyaufnahmen von Peter Sel- lers, aber auch Aufnahmen von klassischen Orchestern. In den späten 50er-Jahren erweiterte er den Katalog um engli- sche Volksmusik. 1959 nahm er mit Matt Monroe die eng- lische Antwort auf Frank Sinatra unter Vertrag. Während Jahren suchte er nach einer talentierten Rock’n’Roll Band, und obwohl er vom Demotape der Beatles nicht überzeugt war, lud er sie 1962 zum Vorspielen ein, weil ihm die Stim- men von John Lennon und Paul McCartney gefielen. Martin gab den Beatles den üblichen Vertrag von einem Penny pro verkaufter Platte. 1963, nach dem Erfolg von DER FÜNFTE BEATLE «From Me to You», änderte er den Vertrag auf zwei Pen- nys, worauf er bei EMI als Verräter behandelt wurde. Der Zusammen mit den Beatles entwickelte er neue Aufnah- Frust darüber und die Tatsache, dass er nicht für seine ef- meverfahren: 1963 führte er das Doubble-Tracking, die fektive Arbeit als Arrangeur und teilweise auch Mitmusi- Verdoppelung einer Spur ein. Ab 1966 kamen rückwärts ker entlohnt wurde, liessen ihn 1965 bei EMI kündigen, eingespielte Elemente hinzu, aber auch die Technik, zwei danach gründete er mit geliehenen 5000 Pfund die Produk- verschiedene Takes mit verschiedenen Geschwindigkeiten tionsgesellschaft Associated Independent Recording AIR. zu einem einzigen Song zu verschmelzen («Strawberry Fortan konnte Martin seine Dienste anderen Künstlern Fields Forever»), schreckte Martin nicht ab. Als Arrangeur anbieten. 1970 eröffnete George Martin das AIR-Studio prägte er massgeblich die Musik der Beatles. So kompo- in London, 1977 verliebte er sich in die Insel Montserrat nierte Martin etwa auch die Arrangements von «Yester- und eröffnete dort 1979 das Studio. 1996 begründete er day», «Eleanor Rigby» und «All You Need Is Love». zusammen mit Paul McCartney das Liverpool Institute For Nach der Trennung der Beatles blieb er mit Paul McCart- Performing Arts. ney verbunden und produzierte neben «Live and Let Die» Seit den frühen 60er-Jahren komponierte und arrangierte dessen Alben «Tug of War» (1982) und «Pipes of Peace» George Martin Filmmusik, neben der Musik zu den Bea- (1983), die grösstenteils in Montserrat entstanden. Mitte tlesfilmen produzierte er die Bond-Songs «Goldfinger» und der 90er-Jahre war Martin verantwortlich für die «Beatles- «From Russia With Love» und schrieb die Filmmusik zu Anthology» und produzierte zusammen mit seinem Sohn «Live and Let Die», die auf Paul McCartneys gleichnami- Gilles 2006 das Remix- «Love». gem Song basiert. In den 70er- und 80er-Jahren produzier- 1996 wurde er als Sir geadelt. 1998 zog er sich, sein Gehör te er u.a. , die Kings Singers, Ultravox und UFO. verlierend, in den Ruhestand zurück. Sein Abschiedsalbum George Martin produzierte offiziell 4836 Titel, es dürften «In My Life», auf dem u.a. Phil Collins, Bobby McFerrin, wohl aber über 5000 sein. In England hatte er 30 Num- Vanessa Mae, Sean Connery, Goldie Hawn und Jim Car- mer-1-Hits, in den USA 23. Der letzte von ihm produzierte rey Beatles-Songs neu interpretieren, setzt einen heiteren Nummer-1-Hit war Elton Johns «Candle in the Wind ’97», Schlusspunkt. der Schwanengesang auf die verstorbene Prinzessin Diana. Yves Baer SZENE

Atlantis_2016_Version_3_Atlantis_2016 26.01.16 18:18 Seite 1 www.elbertin.ch

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xenix.ch MILOŠ FORMAN

DEZEMBER 2016 AUS DER HÜFTE Wie konnte das nur passieren: Prince, der Alleskönner unter den Musikern, ist Ende April in seinem Anwesen in Minnesota jäh verstorben. Er wurde nur 57 Jahre alt.

Er war doch so lebendig gewesen. Heiss und cool, sagte man bewundernd. Also zu jenen Temperaturen fähig, die sich alle erträumen in einer Kultur, die beides feiert. Und die er als einer der wenigen in sich vereinte. Mit seiner Persona, seiner Musik, seiner tanzenden Eleganz. Mit der Unabhängigkeit, die seine Karriere von Anfang an bestim- mte. Mit seinen Auftritten, bei denen er die Hingabe be- sang, ohne je die Kontrolle abzugeben. Mit seiner Stimme, die zwischen Bariton und flehendem Falsett oszillierte. Mit seiner geschmeidig androgynen Männlichkeit, seinem Hu- mor, seinem erotischen Charisma. Mit seiner Virtuosität an der Gitarre, aber auch an Keyboards, Bass und Schlagzeug – auf seinem ersten Album spielte er über zwei Dutzend In- strumente. Mit seinem Talent als Arrangeur und Bandlead- er, der wusste, was er wollte und es von seinen Begleiter- innen und Begleitern mit diktatorischer Präsenz erwartete. Ein kleiner Mann, ein grosser Musiker. Er hat über 100 Millionen Platten verkauft. WENN TAUBEN WEINEN prince

Es gibt diese biografisch anmutenden Zeilen von ihm, vor- «When You Were Mine» Künstler sich abhandenkam. Seine Platten verkamen, wie getragen auf der Single «When Doves Cry» aus «Purple und komponierte 1987 viele der Konzerte jener Zeit, zu einer hastigen Kollektion Rain», dem Album und Film, die ihn 1984 zum Superstar mit «Sign 0’ the Times» von Beliebigkeiten. Und keiner seiner Songs erreichte die machten. Damals klang der Song als eleganter Hit aus al- ein Doppelalbum, auf dem kristalline, treibende Kraft seiner früheren Aufnahmen. Um len Radiostationen, im Rückblick vernimmt man vor allem er alle seine Talente zur zu verstehen, wen die Musikwelt verloren hat, genügt die die Trauer. Geltung brachte. Weitere Erinnerung an sein erstes und sein letztes Konzert, das er «Wie kannst du mich stehen lassen in einer so kalten Welt? Platten folgten auf hohem in der Schweiz gegeben hat. Das erste führte Prince 1987 Vielleicht bin ich zu fordernd, zu dreist wie mein Vater. Vi- Niveau, Tourneen auf der im Zürcher Hallenstadion dreimal hintereinander auf, in- elleicht bist du wie meine Mutter, die nie zufrieden war. ganzen Welt, Kontroversen spiriert von «Sign O’ the Times». Die ganze Stadt sprach Warum nur schreien wir uns an? So klingt es, wenn Tauben um seine Texte, die er ge- von diesen Konzerten, bei denen er sein Publikum mit einer weinen.» Auf Deutsch klingt das klebrig, geradezu kitsch- niesserisch ausreizte. Dann, Musik verzauberte, die seine Einflüsse zu einem multikul- ig; aber wie er es im Original singt, von einer knappen, plötzlich, kam die Karriere turellen Stil mitreissend legierten. Es war kein Konzert, es treibenden Instrumentierung begleitet, glaubt man ihm ins Stocken. Prince zerstritt war eine Feier. Prince zitierte das neue Album und ergänzte jedes Wort. Ausserdem nahm er das Stück ohne Basslinie sich mit Warner Brothers, es mit seinen schönsten Songs aus «Purple Rain», «Parade» auf – was für ein kühner Entscheid: eine Tanznummer ohne der Firma, die ihn publiziert und «1999». Er spielte auf dem Höhepunkt seines Könnens. das Instrument, das den Unterleib steuert. Dabei kam alles hatte. Er änderte zum Er- Anders seine drei letzten Konzerte am Jazzfestival von bei ihm aus der Hüfte. staunen aller seinen Namen Montreux, das war vor knapp drei Jahren. Die ersten Prince wurde am 7. Juli 1958 in Minneapolis geboren, sein zu «Love Symbol», schrieb beiden, von einer geschwätzigen, 19-köpfigen Bigband Vater war Pianist, seine Mutter Sängerin. Mit sieben Jahren «Slave» auf seine Wangen begleitet, erwiesen sich als einzige Enttäuschung. Der komponierte der Sohn den ersten Song, spielte in mehreren und machte sich auf, die Bandleader kam mit einer Zuhälterbrille auf die Bühne Bands. Schon sein zweites, nach ihm benanntes Album Karriere ohne Plattengigan- und verlor sich in virtuoser Langeweile. Er wirkte desori- wuchtete sich auf Platz vier der schwarzen Billboard-Charts. ten weiterzutreiben. entiert, seine Musik klang belanglos. Doch der dritte, von Wie auf allen seiner über drei Dutzend Platten wahrte Prince einem hart rockenden Frauentrio begleitete Auftritt geriet die Kontrolle über Songs, Instrumentierung und Arrange- DIE BELIEBIGKEIT SIEGT zum Triumph. Die Band begeisterte mit ihrem organischen ments – eine Freiheit, die nur die wenigsten Musiker ver- Spiel, der Chef brillierte mit harten Nummern wie «Gui- langen und durchsetzen konnten. Auf den folgenden Platten Obwohl er unablässig neue tar», um sich dann hinters Keyboard zu setzen und im festigte er seinen Stil: bald Alben aufnahm, erreichte Balladentempo seine unerhörte Stimme vorzuführen. Man federleichten, dann wieder keines die Brillanz seiner hörte Prince heraus in jedem Ton, hörte seinen Stil in je- rüttelnden Funk, den er mit früheren Werke. Und je dem Genre, von Soul zu Gospel, Rap und Pop. Er sang wie Versatzstücken aus Pop, mehr er von ihnen machte, keiner sonst. , Soul und hartem Rock desto weniger wurden sie Was man von diesem Auftritt am besten behalten hat, weil verzierte. beachtet. Dass er im Jahr es alles sagte, ist seine laszive Ansage nach ein paar Tak- Mit jedem Album wurde 2000 seinen angestammten ten. Ob wir denn Rock’n’Roll mögen würden, fragte er. er besser, schrieb betörende Namen zurücknahm, än- Die Menge raste. «I like Rock’n’Roll, too» sagte er dann: Songs wie «Little Red derte nichts an der Ein- «Difference is, I like it funky.» Corvette», «1999» oder schätzung, dass ein grosser Jean-Martin Büttner the monsters (1989) MASTER OF CEREMONY ben. Dass in diesem mäch- Sein Lebensantrieb war es, Menschen tigen, lauten Charismatiker ein hochsensibles Wesen mit Musik glücklich zu machen. Im Café steckte, blieb vielen verbor- Michael Helmle gen. In den seltenen stillen Mokka ist er dieser Mission 30 Jahre Momenten offenbarte sich ein nachdenklicher, sanfter, lang nachgegangen. Ende Oktober ist zu kindlicher Begeisterung fähiger Mensch. Gerne der lauteste Thuner Beat «Bädu» Anliker holte dieser zu lautstarken kulturpessimistischen Ti- im Alter von 59 Jahren gestorben. raden über die Unwägbar- keiten des Musik-Business «Wenn du manchmal nicht mehr über den Berg siehst, den aus – fünf Minuten später hast, dann musst du nur daran denken, wie viele sass man mit ihm im Büro, Leute du hier in diesem Club schon glücklich gemacht hast. wo er einem mit funkeln- Und wie viele du künftig noch glücklich machen kannst.» den Augen seine neuesten Beat «Bädu» Anliker (2011) musikalischen Entdeckun- gen vorspielte. Es war die- Man hört das Klagen immer öfter: Der Musikwelt ermangle ser Entdeckergeist, der ihn es je länger, desto mehr an Leidenschaft. Im beschaulichen jeden Tag antrieb und der Thun – genauer gesagt an der Allmendstrasse 14 – war die- dazu führte, dass die lust- se Leidenschaft noch zu Hause. In dem funkelnden, glit- volle Diktatur des Herrn zernden Reich namens Café Mokka. Hier war die Musik Anliker im Mokka Thun (1989) weit mehr als das beiläufige Unterhaltungsprogramm einer dreissig Jahre andauern nach Zerstreuung und Alkoholika dürstenden Jugend. Und konnte. wenn sie dies an einem schlechten Abend dennoch zu wer- In tagelanger Recherchear- MC ANLIKER den drohte, dann war da dieser langhaarige, nachlässig ge- beit klopfte er die immer schminkte, aufwendig gewandete, resolute, raumgreifende unübersichtlicher werdende Herbergsvater der Dorfjugend Hausherr, der dieser Jugend – oder der Band, die ihre Sa- Musikszene nach Trouvail- che nicht richtig ernst nahm – auch schon mal die Leviten len ab. Eine Erkenntnis, die Da stand er nun, der Eisbär, der stets die Musiker und las. Beat «Bädu» Anliker hiess der Mann, ohne den dieses ihm während einer solchen Musikerinnen auf der Mokka-Bühne beäugte, mitten im Städtchen Thun nicht mehr dasselbe sein wird wie zuvor. anstrengenden Findungs- Altar der Stadtkirche, als die Thuner Bevölkerung und Grauer irgendwie. Trauriger. Leiser. phase gekommen ist, hat Freunde und Mokkabesuchende der unwahrscheinlichen Er war genau das, was sein Kampfname versprach: MC er spornstreichs auf einen Erscheinung Bädu Anliker noch einmal gedachten. Und all Anliker – der Master of Ceremony. Er selber sprach von Aufkleber gedruckt, mit die Erinnerungen aus den Jugendjahren jagten durch mei- einer «lustvollen Diktatur», die er in seinem europaweit dem er in der Folge über nen Kopf. Erinnerungen an die ersten elternlosen Konzer- hochgeschätzten Club über die Jahre etablierte. Es gab Jahre seinen Club bewarb: te in den Endneunzigern, als Drum’n’Bass auf einmal live Schnittblumen auf der Herrentoilette, Kunst und Tand an «Musik ist scheisse», stand gespielt wurde (beispielsweise von Bands wie Felka oder den Wänden, Science-Fiction-Figuren standen neben Kunst da drauf. Und die Lebens- Jojo Mayers Nerve). An den damals daseinsverändernden von MS Bastian, Spielzeug neben Schnörkel-Lampen, über- aufgabe des Bädu Anliker Auftritt von Nils Koppruch und seiner Band Fink, an ver- all blinkte etwas, und bekocht hat er die Bands, die bei ihm bestand darin, aus diesem langweilte Sonntage, die durch Konzerte von Spassbands auftraten, mit aller Hingabe in Eigenregie. Den Braten legte unwohl riechenden Haufen wie den Supersuckers eine legendäre Wende nahmen. An er teilweise schon zwei Tage vorher in die Marinade ein, Musik die Schönheiten zu die von Bädu geliebte Blümchen-CD, gespielt in Endlos- Sättigungsbeilagen gab es bei ihm nicht, jede Komponente fischen. Darin war er gut. schlaufe – lange bevor Eurodance unpeinlich wurde. An die war liebevoll zubereitet, jedes Menü eine kleine Kompo- Weil er nicht in landläufiger immer noch beste Silvesternacht aller Zeiten, als ich und sition. Die Musiker sollten sich bei ihm wohlfühlen, das Veranstalter-Logik dach- mein Bruder die Gamekonsole für einen kurzen Abstecher würde sich auch positiv auf die Kunst auswirken, pflegte te, weil er Risiken einging, in die Stadt doch noch verliessen. Ein Abstecher, der dann er gerne zu sagen. weil sein Musikhorizont bis zum Morgengrauen dauerte – und mit den Lovesongs Und trotzdem: Wer im Mokka spielte, reiste mit einer ge- sich über die ganze Welt von MC Anliker, der um Mitternacht eine Stuntman-Feu- sunden Ehrfurcht in Thun an. Manche Konzertagenturen erstreckte, weil er lieber erwerkshow zündete, und der besten Kartoffelsuppe mei- pflegten ihre Musiker im Vorfeld zu warnen, dass es im eine gute als eine erfolg- nes Lebens beschlossen wurde. Mokka ein bisschen anders zu- und hergehe als in ande- reiche Band zu Gast hatte. Natürlich habe ich mich, wenn auch unscharf, erinnert an ren Kulturstätten Europas. Regel Nummer eins: Man solle Das Spektrum reichte von die ersten Räusche im schön beleuchteten Garten, die ich stets anständig bleiben, der Rest werde sich ergeben. Und erlesener Weltmusik bis ohne das Mokka wohl in den unguten Ballermann-Par- dann solle man es einfach geniessen. zur angriffigen Elektronika tytempeln des benachbarten Selve-Areals durchlebt hätte. und vom deutschen Lie- Und auch an die eher einsamen Nächte, in denen die Sehn- EIN MÄCHTIGER CHARISMATIKER dermachertum zum skan- suchtspersonen allzu rasch abzottelten und zumindest der dinavischen Indie-Rock. Zeitungsständer Trost anbot – auch dank dieser Musikzei- Anlikers Eifer für die Musik war ungezügelt – und zwar Die hippsten Bands waren tung, die mir dort zum ersten Mal begegnet ist. Kurz, ich im Guten wie im Bösen. Ein schlechtes Konzert konnte ihn ebenso bei ihm zu Gast wie wäre ohne diesen Ort, den Bädu Anliker so liebevoll wie furchtbar erzürnen, wie ein gutes Konzert ihn zum glück- die kauzigsten Hippies, der resolut erfunden und gepflegt hat, ein anderer geworden. lichsten Menschen auf Erden zu machen vermochte. Das moderne Jazz ebenso wie Und dann, im Angesicht des Eisbärs, schossen mir die Trä- Ungefähre war seine Sache nicht. Routine wurde in seinem die lokale Heavy-Metal- nen ins Gesicht, während Koppruch von Kirschen im Som- Reich nicht geduldet. Und wenn sie sich einzuschleichen Band. Doch beliebig war mer sang. Danke für all das. drohte, dann wurde sie von Bädu Anliker mit grösstem sein Programm nie. Es war Vergnügen sabotiert. Er galt als unberechenbar, öfters auch ein bisschen wie mit dem Benedikt Sartorius unbeherrscht, doch als Person ist er stets unfassbar geblie- Interieur des Lokals: In «Grundsätzlich ist jeder Tag eine Einheit: an jedem Tag ein bisschen Liebe, an jedem Tag ein bisschen

Hass, an jedem Tag ein bisschen Franziska Rothenbühler Leiden, an jedem Tag ein bisschen Fe rien. Die Bilanz ziehst du am Ende jedes Tages – und dann noch eine am Ende des Lebens.»

Beat «Bädu» Anliker (2011)

diesem Club wurde das Unvereinbare zu einer schillernden Einheit. VOM REVOLUZZER ZUM MIT-THUNER

Natürlich war das Mokka Thun kein reiner Musikclub. Es gibt kaum einen Thuner zwischen 18 und 45, der nicht in Papa Anlikers Nacht-Kita sozialisiert wurde, kaum einer, der hier nicht seinen ersten Alkoholrausch erlebte oder an- derweitig herumexperimentierte. Gerne erzählte Anliker, wie auch die Söhne und Töchter jener konservativen Thuner Stadtpolitiker bei ihm verkehrten, die ihm und seinem Club den Garaus machen wollten. Es seien nicht die bravsten Be- sucher gewesen. Doch Namen nannte er nie. Auch wenn er sich gerne mit der Politik anlegte und sich leidenschaftlich einmischte, blieb er stets einigermassen anständig. Nur einmal, da ging er wohl ein bisschen zu weit. Ende der Siebzigerjahre ist das gewesen. Auf dem Rathausplatz zu Thun hielt Bundesrat Willi Ritschard eine Rede, die von Beat Anliker und seinen Kollegen empfindlich gestört wer- den sollte. Anliker wollte gegen die Atomkraft demonst- rieren und hatte sich zu diesem Zweck aus Papiermaché ein Mini-Kernkraftwerk gebaut, welches die Bande auf den Platz karrte, um es dort mit einem leicht überdimensionier- ten Sprengsatz in die Luft zu sprengen. Willi Ritschard er- griff die Flucht, Chaos überall. Die anwesenden Thuner sei- en ob dieser Aktion dermassen aufgebracht gewesen, dass die Polizei die Revoluzzer in Schutzhaft nahm, um sie vor Repressalien der Bevölkerung zu bewahren. Es war nicht das letzte Mal, dass sich Thun gegen Anli- ker auflehnte. Seinem Club sollte mehrmals der Geldhahn zugedreht werden, weil der «Chef» den Behörden «zu frech» wurde. Es wurden Subventionen aus disziplinari- schen Gründen gekürzt, und Bädu Anliker wurden Bus- sen aufgebrummt wegen «unflätiger, ausfälliger Handzei- chen» gegenüber Stadtpolizisten. 1997 wurde das Mokka sogar kurz geschlossen, weil eine ausgelassene Party den Nachbarn den Schlaf raubte. In den letzten Jahren sind die Scharmützel weitgehend ausgeblieben. Anliker wurde zum schrulligen, aber akzeptierten Mit-Thuner. Er selber beschrieb das Verhältnis einst so: «Die Leute haben bei mir im Mokka ihre wilden Jahre erlebt. Später, wenn sie schon längst SVP wählen und irgendeinen Big-American-Grill im Garten stehen haben, fährt eines Tages der Anliker auf dem Velo vorbei, und sie rufen ‹Heeey Anliker!›, während sie in irgendeiner doofen Hollywoodschaukel sitzen. Dann geht der Anliker hin und sagt Grüezi.» Solche Szenen werden sich in Thun nicht mehr abspielen. Der Mann mit der grossen Klappe und dem noch grös- seren Herzen ist nicht mehr. Das grosse Herz war schon länger lädiert. Am 25. Oktober hat es endgültig aufgehört zu schlagen. Seine Aufmüpfigkeit wird fehlen. Und seine Leidenschaft sowieso. mc anliker Ane Hebeisen SZENE

Samstag 17.12. 20Uhr20 VIZEDIKTATOR Sonntag 18.12. 18Uhr18 MAX LÄSSER, ANDREA CAPREZ & DAS ÜBERLAND ORCHESTER Sonntag 8.01. 18Uhr18 GIIGESTUBETE Samstag 14.01. 20Uhr20 HENDRIX / COUSINS Samstag 28.01. 20Uhr20 REBECCA LANE Samstag 4.02. 20Uhr20 GEMMA RAY Sonntag 5.02. 18Uhr18 GIIGESTUBETE Fr 9.12. WINSTON FRANCIS (JAM) BACKED BY RUDE RICH + THE HIGH NOTES (NL) Montag 6.01. 20Uhr20 10.12. KARL BLAU HATHORS, NO MUTE (CH)

Gessner-Allee 11 - 8001 Zurigo Isola MI 14.12. INFO + TICKETS AUF: www.ellokal.ch THE WAVE PICTURES (UK)

Vorschau: 20.1.17 Musiktherapeut/in – ein Beruf mit Zukunf. MASHA QRELLA (D), SISSY FOX (CH) 10.2.17 KNÖPPEL, JACK STOIKER (CH)

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Inserat im LOOP vom 9.12.2016 Konzerte 9.12.16-26.1.17 IG Rote Fabrik Seestrasse 395 8038 Zürich

Tel. 044 485 58 58 Sa 10.12. Clubraum 21:00 Fax. 044 485 58 59 Woo-Hah! MIKE SKINNER & MURKAGE PRESENT: TONGA 2017 feiern

So 11.12. Clubraum 17:00 Fabrikjazz ALEXANDER VON SCHLIPPEN- wir unseren BACH TRIO <>

Sa 17.12. Aktionshalle 22:00 zwanzigsten Enter The Dancehall DAVID RODIGAN / ANTHONY B Boss Hi-Fi Jahrgang... Vorverkauf:www.starticket.ch AM ABGRUND david bowie Mitte der 80er-Jahre machten die Kritiker bei Bowie eine zunehmende Ideenarmut aus. Und in der Tat: Alben wie «Never Let Me Know» (1987) of- fenbarten einen Künstler in der Sackgasse. Nicht nur die Lieder wirken blutleer, sondern auch der Gesang. Selbst David Bowie sprach später von einer «schreck- lichen Platte». Zu seiner alten und bahnbrechenden Form fand er zwar nur noch selten zurück, doch seine Grandezza und sein Stilge- fühl verlor er nie. Egal, ob er sich in Filmen wie Julians Schnabels «Basquiat» (in der Rolle von Andy Warhol) und «Prestige» von Christo- pher Nolan als Schauspieler versuchte, oder ob er sich auf «Earthling» (1997) am Drum’n’Bass probierte. KEINE STUDIOARBEIT MEHR

Nach seinem Herzinfarkt im Jahr 2004 verzichtete Bowie auch auf die Studio- arbeit. Bis er 2013 unver- der Arbeiterklasse stammenden Eltern schon früh von sein- mittelt das melancholische Als David Bowie sein Album «Black- en Popstar-Ambitionen vorschwärmte, unternahm alles, «The Next Day» auf den um seine Träume wahr werden zu lassen. Im Dauertakt Markt brachte, über des- star» auf den Markt brachte, ahnte wechselte er – mitunter auch rücksichtslos – Musiker, seine sen Existenz selbst seine Mitarbeiter und nicht zuletzt seine Musen. Seinen endgül- PR-Agentur nicht vorab niemand, dass der Sänger todkrank war. tigen Durchbruch feierte Bowie 1972 – mit «The Rise and informiert war. Vielleicht Fall of Ziggy Stardust and The Spiders From Mars», einem wusste er schon damals um An seinem 69. Geburtstag, veröffentlichte David Bowie losen Konzeptalbum über einen ausserirdischen und andro- seine Krankheit und wollte sein 25. Studioalbum «Blackstar». Und heimste viel Lob für gynen Rockstar namens Ziggy Stardust, ein Alter Ego des nochmals ein musikalisches das sperrige und doch relaxte Werk ein. Zwei Tage später Briten. Während die Musik epischen Glamrock mit metal- Statement setzen. Das ist dann die überraschende Nachricht: Laut seiner offiziellen lenen Gitarren und melodramatischen Melodien vereinte, ihm gelungen – auch mit Facebook-Seite ist der Musiker friedlich im Kreise seiner kündeten die Texte von einer dekadenten Zukunft und der dem am Freitag veröffentli- Familie verstorben – «nach einem mutigen 18-monatigen nuklearen Apokalypse. Eine flamboyante, aber verführe- chten «Blackstar». Hört Kampf gegen seine Krebserkrankung». rische Mischung. Fortan galt Bowie als Darling all jener, man sich das Album im Eine einzigartige Stimme der Rockmusik ist damit ver- die ein Flair für Abgründiges hatten. Seine grössten Lie- Wissen um Bowies Ableben stummt, endgültig. 2004 sorgte man sich erstmals um die derfolge wie «Heroes», «Young Americans» oder «Space an, wird klar: Hier ist die Gesundheit Bowies: Bei einem Festivalauftritt in Deutsch- Oddity» versprühten durchwegs etwas Unkonventionelles, Rede vom nahenden Ende. land verspürte er Brustschmerzen und erlitt kurz darauf waren aber immer eingängig genug, um auch bei der Masse Entsprechend drehen sich einen Herzinfarkt. Danach zog er sich ins Private zurück. Anklang zu finden. die Texten um Kliniken, Der Musiker gab keine Interviews mehr, verzichtete auf Röntgenbilder und Grab- Tourneen und trat 2006 letztmals mit drei Songs in New MUSIKALISCHES CHAMÄLEON steine. Und am Schluss singt York auf. Sein von ihm unkommentierter Rückzug hatte Bowie wie gelöst: «Oh, I’ll vor allem eins zur Folge: Man gierte nach News und neuen Rasch einmal haftete Bowie der Ruf eines musikalischen be free.» Mit David Bowie Songs. Meist vergeblich. Chamäleons an, das sich fortwährend ein anderes Äusseres ist einer der ganz Grossen zulegt: vom Pilzkopf über den Astronauten bis hin zum des Musik- und Showge- «WE ARE HUNGRY MEN» Träger von edlem Zwirn. Mitte der 70er-Jahre wandte sich schäfts abgetreten. Einer, der Sänger dem Soul, später dem Krautrock zu. Nur um im der seinen Sound als Gesa- Sein Debut veröffentlichte der 1947 geborene Londoner als darauffolgenden Jahrzehnt ausgiebig mit New Wave und mtwerk verstand und nicht 20-Jähriger. Obschon die Platte mit dem schlichten Titel Pop zu flirten. Doch David Bowie ging es nicht darum, sich zuletzt deshalb faszinierte, «David Bowie» in erster Linie Pop zum Mitträllern bot, selbst mit einer spezifischen Rolle zu vermarkten. Sein An- weil er sich dem Medien- brodelte es schon damals unter der Oberfläche: «We Are liegen war es vielmehr, sich eine Figur zurechtzuschneidern rummel entzog und der Hungry Men» drehte sich um Hunger und Kannibalismus und als solche Kunst zu kreieren. Seine Kabinettstückchen Musikwelt mit seiner Aura und das von Glockengeläute und Regenschauern unter- und fortwährenden Soundexperimente verkauften sich des Rätselhaften begegnete. malte «Please Mr. Gravedigger» entpuppte sich als Schau- mehr als bloss gut – insgesamt sollen seine Werke über erodethe monsters an ein ermordetes Mädchen. Bowie, der seinen aus 140 Millionen Mal über den Ladentisch gewandert sein. Michael Gasser Do 26.1.17 > X-TRA Zürich José González With The String Theory – Tour 2017

Di 31.1.17 > Volkshaus Zürich The Flaming Lips Die US-Kultband! • CH-exklusiv!

Mi 8.2.17 > Schauspielhaus Zürich Lambchop pfauen:sounds: Flotus-Tour 2017

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w 33.–h w .c loopzeitung.ch w. ng loopzeitu SO LONG, LEONARD er war damals bereits 33-jährig. Neben seiner dunklen seine Managerin Kelley Linch sein gesamtes Vermögen von Leonard Cohen Bassstimme überzeugten auch die Texte. Cohen feilte an mehreren Millionen veruntreut hatte. Cohen musste mit seinen Songtexten, bis sie aus seiner Sicht perfekt waren, 70 nochmals seinen Lebensunterhalt neu verdienen. Sein war der grosse das konnte Monate, wenn nicht gar Jahre dauern. Alterswerk ist durchzogen von Songperlen wie «Boogie Street» und einigen Belanglosigkeiten. Literat unter den DER MUSIKER DAS VERMÄCHTNIS Liedermachern. Auf seinen ersten Alben war Cohen Folksänger, der sich auf der Gitarre begleitete. Aus dieser Zeit stammen die In Erinnerung bleiben wird aus der letzten Schaffensperio- Eine Würdigung. Klassiker «Suzanne», «Bird On A Wire» und «So Long, de der demütige alte Gentleman auf der Bühne, bei dessen Marianne». Nach einem kurzfristigen ersten Rückzug aus Konzerten nie ganz klar wurde, ob das Publikum ihm oder Leonard Cohens lapidare der Musik (1972) kehrte er 1974 mit dem reich instrumen- er dem Publikum huldigte. Leonard Cohen ist nach den Reaktion auf die Verlei- tierten Album «New Skin For The Old Ceremony» zurück. Beatles der meistgecoverte Musiker. hung des Literaturnobel- «Who By Fire» und «Chelsea Hotel No. 2», ein Song über Sein Vermächtnis sind seine Texte, denen es oft nicht an der preises an Bob Dylan war seine Beziehung zu Janis Joplin, sind die Klassiker. 1977 nötigen Portion Schalk fehlte. So schrieb er 2012 in «Going die Feststellung: «Das ist, produzierte Phil Spector «Death Of A Ladies Man» und Home» aus der Sicht von Gott, der auf Cohens Heimkehr als ob man vor dem Mount pflasterte es mit seinem Wall Of Sound zu. Cohen bezeich- wartet und zog eine erste Bilanz über sein Leben. Mit «I’m Everest ein Schild mit der nete das Album rückblickend als eine Katastrophe. Auf Your Man» hat Leonard Cohen eines der grössten Liebes- Aufschrift ‹Höchster Berg «Recent Songs» (1979) wandte er sich ein letztes Mal der gedichte der Literatur verfasst. Die gemeinsame Version der Welt› anbringen wür- Folkmusik zu, seine Lieder wurden spiritueller. von «Tower of Song» mit U2 mit der schneidenden Gitarre de.» Dylan verschlug es ob 1984 kehrte Cohen als Popstar mit Synthesizern zurück. von The Edge, die Cohens dunkle Stimme konterkariert, ist er Auszeichnung die Spra- Von «Hallelujah», das verschiedene alttestamentliche Be- die definitive Version dieses Songs. «Suzanne» und «First che. Als er sie wieder gefun- züge enthält, schrieb er als Getriebener in einer einzigen We Take Manhattan (Then We Take Berlin)» sind die erst- den hatte, war Cohen end- Session 80 Versionen, nur in der Unterhose gekleidet und genannten Songs, wenn man die Leute auf Leonard Cohen gültig verstummt. Neben den Kopf auf den Boden seines Zimmers im New Yorker anspricht. Dylan war Cohen der an- Royalton Hotel hämmernd. Das Gebet «If It Will Be Your Abgetreten ist Cohen mit einem letzten Meisterwerk, dem dere Singer/Songwriter, der Will» bezeichnete er als seinen besten Song. Diesen sollte er Song «You Want It Darker» auf dem gleichnamigen Al- die höchsten literarischen vier Jahre später mit «I’m Your Man» auf dem gleichnami- bum, worin sich er in Form eines jüdischen Gebets (und Meriten verdient hätte. gen Album veröffentlichen. Auf «The Future» (1992) wur- mit einem Synagogenchor eingespielt) vor seinen Schöpfer den Cohens Songs politisch: «Democracy is coming to the stellt: «Hineni» (Hier bin ich) singt der Chor, «I’m ready» DER POET USA» singt er in «Democracy» und «Give me back the Ber- entgegnet der lebenssatte Cohen seinem Schöpfer. Das gan- lin wall (…) because I have seen the future. It is murder.» ze Gefühlsspektrum des Sterbens liegt in der Musik. Drei Leonard Cohen wurde in Mitte der 90er-Jahre zog er sich, von seinen Depressionen Wochen nach Veröffentlichung des verstarb Leo- eine wohlhabende jüdische und vom Drogenmissbrauch ausgelaugt, in das Zen-Kloster nard Cohen am 7. November im 83. Lebensjahr im Schlaf. Familie geboren, die in der Mount Baldy bei Los Angeles zurück. 2001 kehrte er mit Nähe von lebte. «Ten New Songs» zurück. 2004 stellte sich heraus, dass Yves Baer Sein Grossvater mütter- licherseits war Rabbiner. Mit 13 Jahren lernte Cohen Gitarre zu spielen, um ein Mädchen zu beeindrucken. 1955 schloss er sein Studi- um der englischen Literatur an der McGill University ab. Anfang der 60er-Jahre lebte er auf der griechischen Insel Hydra, zusammen mit der Norwegerin Marianne Ihlen. Sie war seine grosse Liebe und Muse zugleich. Nach dem Studium war Cohen bei der Literatur geblieben und veröffent- lichte die Lyrikbände «Let Us Compare Mythologies» (1956), «The Spice Box of Earth» (1961) und «Flo- wers for Hitler» (1964). Er verfasste auf Hydra auch seine beiden Romane «The Favourite Game» (zu deutsch «Lieblingsspiel») von 1963 und «Beautiful Losers» von 1966, der zum internationalen Bestseller avancierte. 1967 erschien mit «The Songs of Leonard Cohen» sein erstes Album, leonard cohen Teenage Fanclub (SCO) Sa.18.2.2017 Sa.18.2.2017 samstag, 10. dezember 20.30 uhr konzert CRAZY DIAMOND Palace freitag, 16. dezember 18.00 & 20.30 uhr konzert St.Gallen KONZERT IM DUNKELN

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w 33.–h www.kult-agentur.ch w .c w. g loopzeitun TODESJAHR 2016 Mardin zusammen. Der verwandelte die Gibb-Brüder in Robert Stigwood einen Disco-Act. 1975 landeten sie internationale Hits mit (1934 – 2016) «Jive Talking» und dem Album «Main Course». Zum ganz grossen Wurf geriet «Saturday Night Fever»: John Travol- ta wurde durch den Film zum Star, der Soundtrack der Bee Gees verkaufte 30 Millionen Kopien. 1978 landete RSO neun Nummer-eins-Hits in den US-Pop-Charts. In den Achtzigern verkaufte Stigwood sein Label an Poly- gram. Der Mann lebte wie ein König: Er besass Privatjets, Yachten, ein Anwesen auf den Bermudas, ein Penthouse am New Yorker Central Park. 1998 liess er «Saturday Night Fever» wiederaufleben – als West-End-Musical. Bis zuletzt spülte diese Bühnenversion Geld auf die Konten des Pop-Zampanos. Er starb am 4. Januar 2016 an einer Herz- attacke. Tony Lauber Giorgio Gomelsky (1934 – 2016)

Er war einer der grössten Strippenzieher im Pop: Der Mu- sikmanager Robert Stigwood produzierte nicht nur den Tanzfilm «Saturday Night Fever», sondern auch die Bee Gees. Womit schon einiges über den in Australien gebore- nen Tycoon der Musikindustrie gesagt ist. Er produzierte erfolgreiche West-End- und Broadway-Musicals, machte und die Bee Gees zu Superstars und produ- zierte Filme wie «Tommy» (1975) und «Grease» (1978). Die Alben seiner Stars veröffentlichte Stigwood auf eige- nem Plattenlabel, er kontrollierte auch die Verlagsrechte. Mit 21 kam der gelernte Anzeigenwerber nach Grossbri- tannien. Er gründete eine Theateragentur und nahm 1960 den mässig talentierten John Leyton unter Vertrag. Mit dem Youngster nahm der Londoner Studiobesitzer Joe Meek «Johnny Remember Me» auf. Ein Hit, der Stigwood und Meek im Sommer 1961 als die ersten unabhängigen the monkees Produzenten des Landes etablierte. Stigwood betreute wei- tere Sänger, verdiente viel als Agent und Promoter und Giorgio Gomelsky war eine der zentralen Figuren der bri- führte fortan einen extravaganten Lebensstil. 1965, nach tischen Rhythm-and-Blues- und Rockszene der Sechziger- einer desaströsen Tournee mit Chuck Berry, war er bank- jahre. Er entdeckte die Rolling Stones, war ihr erster Ma- rott. Doch innert 18 Monaten schwamm Robert Stigwood nager, er führte die Beatles in London ein und produzierte wieder obenauf. Als freier Produzent machte er einen Deal die Yardbirds. mit Polydor. Die Partnerschaft mit dem Banker David Gomelsky wurde am 28. Februar 1934 in Tiflis, Georgi- Shaw verschaffte ihm finanziellen Spielraum. en, geboren. Seine Familie floh vor Stalins Terror und lan- 1966 holte Stigwood The Who auf sein eben lanciertes dete nach Abstechern in Nahost und Italien 1944 in der Reaction-Label. Er managte Cream und machte ihren psy- Schweiz. Giorgio besuchte ein katholisches Kollegium in chedelischen Bluesrock zum Welterfolg. Im Swinging Lon- Ascona und später ein progressives Internat in Hasliberg. don der späten Sixties kam seine Gabe, Talente zu erken- Mit 13 trampte er durch Europa, schrieb für ein italieni- nen und zu fördern, zu voller Blüte. Er wurde Partner des sches Jazzmagazin und organisierte 1953 in Zürich das Beatles-Managers Brian Epstein und führte dessen Agentur erste Open-Air-Jazz-Festival. 1955 zog er mit seiner Mut- NEMS. Nach Epsteins Tod gründete er 1967 die Robert ter nach London. Fasziniert tauchte er ins Nachtleben von Stigwood Organisation (RSO). Soho ein. Gomelsky realisierte, dass sich eine junge Gene- Inzwischen managte er die Bee Gees, die im dritten An- ration für amerikanischen Blues und Rhythm & Blues be- lauf einen Nummer-eins-Hit im Königreich landeten. geisterte. Er überredete den Betreiber des , Nach dem Ende von Cream manöverierte Stigwood seinen neben den Trad-Jazzbands auch R&B-Acts auftreten zu Schützling Eric Clapton in die kurzlebige Supergroup Blind lassen. Seinen eigenen Club, den Crawdaddy, richtete er im Faith und managte später die Solokarriere des Gitarristen. Januar 1963 im Station Hotel in Richmond ein. Ab April 1968 stieg Stigwood ins Musical-Business ein: Er holte das spielten die Rolling Stones regelmässig dort. Wegen Kla- Hippie-Musical «Hair» nach London. Ein Erfolg, den er gen aus der Nachbarschaft musste der Club in einen Raum mit «Oh! Calcutta!» wiederholte. Andrew Lloyd Webbers unter die Tribüne eines Leichtathletikstadions ziehen, wo und Tim Rices Musical «Jesus Christ Superstar» vermark- die Stones auftraten, (die späteren Procol tete Stigwood gleich dreifach: erst als Studioalbum, dann Harum), The Moody Blues und aus New- als Bühnen- und Filmadaption. Mit den beiden Komponis- castle. Die Stones warb ihm schliesslich der 19-jährige ten brachte er auch «Evita» (1978) auf die Bühne und die ab. Ein Tiefschlag, den Gomelsky Leinwand. Zum Flop geriet allerdings der Musicalfilm «Sgt nur schwer verkraftete. Ende 1963 nahm er Pepper’s Lonely Hearts Club Band» (1978). Die schwä- unter Vertrag und kümmerte sich als Manager aktiv um chelnden Bee Gees brachte er mit dem Produzenten Arif deren Karriere. Gomelsky vermittelte einen Deal mit EMI/ bitte umblättern parierte und zog 1968, gleich nach der High-School, in TODESJAHR 2016 Richtung Los Angeles, wo er bald J.D. Souther begegnete, mit dem er das Duo Longbranch Pennywhistle begründe- Columbia, produzierte die LP «» sowie te und auch zusammenwohnte. Der Nachbar der unteren diverse EPs und Singles. Nach Eric Claptons Abgang (der Wohnung war ebenfalls ambitionierter und aufstreben- Blues-Purist konnte sich mit der Single «» der Musiker: Jackson Browne. «Wie ich Lieder wirklich nicht anfreunden) holte er Jeff Beck und ins schreiben muss, habe ich von ihm gelernt – und zwar Boot. 1966 trennte sich die Gruppe von ihm. sprichwörtlich durch den Fussboden hindurch», erzählte Gomelsky gründete die Grafik- und PR-Firma Paragon Frey im Dokumentarfilm über die Eagles, «History of The sowie das Marmalade-Label. Darauf erschienen, neben Eagles, Pt. 1». Weil das gleichnamige Debüt von Long- frühen Aufnahmen von Jeff Beck, Jimmy Page und The branch Pennywhistle dennoch keinerlei Aufmerksamkeit , zwei Alben von , erregte, liess sich Frey für die Begleitband von Linda Ron- & the Trinity. Deren Single «This Wheel’s on Fire» schoss stadt verpflichten. Bei ihr lernte er Schlagzeuger Don Hen- 1968 hoch in die Charts. Gomelsky produzierte auch Soft ley kennen, mit dem er kurz darauf die Eagles ins Leben Machine, Gong und John McLaughlins Album «Extrapo- rief, die durch Bernie Leadon (Gitarre) und Randy Meisner lation» (1969). In Frankreich managte er die Band Mag- (Bass) komplettiert wurden. ma. Später, in New York, faszinierte ihn die experimentelle Bereits das Debüt, «Eagles» (1972), war ein Erfolg. Und Musikszene. Gomelsky avancierte zum Video-Pionier und mit jeder weiteren Platte schien die Band noch zugkräfti- förderte die tschechische Gruppe Plastic People of the Uni- ger zu werden. Mit «One of These Nights» (1975) zier- verse. Während seiner letzten Lebensjahre beschäftigte er te die Formation erstmals die Spitze der US-Charts. «Wir sich mit Computertechnologie. Am 13. Januar 2016 starb wollten immer alles. Den Respekt anderer Musiker, Erfolg, der ewige Musikfan an Krebs. Nummer-1-Hits, grossartige Songs und jede Menge Geld», Tony Lauber sagte Frey 1979 in einem Interview. Das haben die Eagles, die von den Kritikern häufig geschmäht wurden, alles voll- bracht. Nicht zuletzt dank dem geschmeidigen Gesang und Glenn Frey dem feinen Melodiegespür von Glenn Frey, der am 18. Ja- (1948 – 2016) nuar im Alter von 67 Jahren an den Folgen von Rheuma- toider Arthritis, einer Darmerkrankung und eines Eingriffs starb. Michael Gasser Keith Emerson (1944 – 2016)

1980 zogen die Eagles einen Schlussstrich. Wegen Dro- genexzessen, aber insbesondere wegen notorischer Streite- reien. Diese gingen soweit, dass sich die beiden Gitarristen, Don Felder und Glenn Frey, auf der Bühne gegenseitig mit Prügel drohten. Weil man dem Label, Asylum Records, noch einen Longplayer schuldete, veröffentlichte die Band kurzerhand das Doppelalbum «Eagles Live». Auf diesem wird gleich fünf Anwälten gedankt; diese waren auch nö- Keith Emerson, Mitbegründer und Tastenspieler von tig, denn die Bandmitglieder hatten längst aufgehört, mit- Emerson, Lake and Palmer, starb in der Nacht auf den einander zu sprechen. 1. März 2016 in seinem Haus in Santa Monica, Los Ange- 14 Jahre später fanden die Eagles – ohne Don Felder – trotz les. Er war 71. Die Polizei fand ihn mit einer Schusswunde allem wieder zusammen. Und das, obschon Glenn Frey be- im Kopf. Der Musiker hatte schon länger an Krebs gelitten. reits unter gesundheitlichen Problemen litt. «I’m getting Sein langjähriger Schlagzeuger Carl Palmer erklärte in ei- old before my time», sang er auf seiner letzten Soloplatte nem Statement, er sei tief erschüttert über das Dahinschei- «After Hours» (2012), die weder mit Country-Rock noch den seines Freundes: «Keith war ein Pionier und Innovator, mit sonnigem Westcoast-Sound aufwartete. Stattdessen dessen musikalisches Genie uns alle, sei es in Rock, Klas- frönte der Künstler romantischen Pianoballaden, die nach sik oder Jazz, berührt hat. Ich werde mich immer an sein spätem Barbesuch, verschmustem Jazz und leiser Melan- warmes Lächeln erinnern, an seinen Sinn für Humor, seine cholie klangen. 2014 besuchte er gemeinsam mit seinen Bühnenshows, seine professionelle Einstellung. Ich bin sehr Eagles ein letztes Mal das Hallenstadion. Es war ein soli- glücklich, ihn gekannt zu haben, und stolz auf die Musik, der Auftritt, bei dem das Publikum Songs wie «Lyin’ Eyes» die wir zusammen machten.» oder «Take It Easy» – mit Frey als Leadsänger – artig be- Emerson kam 1944 in der Nähe von Leeds zur Welt und klatschte, sich in Tat und Wahrheit aber die Zeit vertrieb wuchs an der südenglischen Küste auf. Als Teenager zog und auf «Hotel California» und die Vocals von Drummer der begabte Pianist nach London, wo er bei der R&B- Don Henley wartete. Combo Gary Farr & The T-Bones mitmischte. Nach einem Ende der 60er-Jahre debütierte Frey mit seiner damaligen Engagement in Frankreich ging Emerson zu den VIPS (den Band, The Mushrooms, mit der Single «Such a Lovely späteren Spooky Tooth), einer Band, die in ganz Europa Child» – und floppte. Worauf ihm deren Komponist, Bob spielte. Für Furore sorgte der frühere Begleiter der Sängerin Seger, riet: «Schreib deine eigenen Songs.» Der Detroiter P.P. Arnold, als er sich mit drei Mitstreitern – David O’List (Gitarre), Lee Jackson (Bass, Gesang) und Brian Davison bus, aus einem Scherz: «Hier rauchen sie sicher nicht mal (Drums) – zur bahnbrechenden Formation The Nice zu- Gras.» Von den einen als patriotische Hymne gefeiert, von sammentat. Andrew Loog Oldham nahm die Band für sein den anderen als ironische Abrechnung mit amerikanischem Immediate-Label unter Vertrag. Von Beginn weg schlugen Blut-und-Boden-Groove nach dem Trauma des Vietnam- The Nice eine abenteuerliche Richtung ein. Das Quartett kriegs, von Kinky Friedman später verhunzt zu «Asshole fusionierte psychedelischen Rock mit Klassik- und Jazz- from El Paso». Eine Viertelmillion verkaufte Singles in ein Zitaten. Es überführte Bachs Brandenburgische Konzerte paar Wochen. Die Legende will es, dass Präsident Nixon oder «America» aus Leonard Bernsteins «West Side Sto- Johnny Cash, zu Besuch im Weissen Haus, bat, für ihn ry» in den Rock-Kanon. Emersons Klassik-Ambitionen «Okie from Muskogee» zu singen. Cash behauptete, er kreierten mehrteilige Suiten, garniert mit Sibelius oder Bob könne den Text nicht. Dylan. Egal, wie Haggard den Song genau gemeint hat: Der Mann Zum Rockstar wurde der junge Keyboarder 1970 mit war um Welten authentischer als alle modernen Country- Emerson, Lake & Palmer. Die Prog-Supergruppe mit dem Crooner, die mit fetten Bankkonten und überdimensiona- singenden Bassisten Greg Lake (King Crimson) und dem len Gürtelschnallen durchs Leben gehen. Wenn Haggard 18-jährigen Drummer Carl Palmer (The Crazy World of von Einsamkeit, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit sang, Arthur Brown) setzte neue Massstäbe. Sie wagte sich an sang er oft über sich selbst. Fünfmal verheiratet, viermal Mussorgsky und Aaron Copland – im Fokus stand dabei geschieden. meistens Keith Emerson. Der entdeckte den Moog-Syn- Im Februar gab Merle Haggard eines seiner letzten Kon- thesizer als Instrument für musikalische Höhenflüge. Auf zerte in Las Vegas. Toby Keith, ein grosser Haggard-Fan, dem Album «Trilogy» (1972) gelang dem Trio die Balance besuchte sein Idol und erschrak, wie zerbrechlich Haggard zwischen folkiger Anmut, rockiger Kraft und klassischer wirkte. Er hatte eine Lungenentzündung, bekam kaum Virtuosität. Das Amalgam aus Klassik, Rock und Jazz mehr Luft. Er wolle den Gig trotzdem spielen, sagte Hag- geriet immer bombastischer, die auf hohem technischem gard zu Toby Keith, er wolle seine Musiker zahlen. Keith Niveau gespielten Passagen seelenloser. Das Ende von ELP bot an, die Gagen zu übernehmen. Haggard lehnte dan- war absehbar. Zu gross schien der Spagat zwischen den kend ab, fragte aber: «Wie viele meiner Songs kennst du?» akustischen Songs von Greg Lake und den elektronischen «Alle», antwortete Keith. Nach ein paar Songs, mitten in Ausflügen Keith Emersons, zu gigantisch die Konzerte, der «Ramblin’ Fever», winkte Haggard Toby Keith auf die Aufwand, den man trieb, um den Sound live reproduzieren Bühne. Der ewig Getrieben hatte einen seiner Markensongs zu können. Nach der Auflösung der Band im Jahr 1978 angefangen, konnte ihn aber nicht mehr zu Ende bringen. kam es zu mehreren Live-Reunions. Emerson machte sich Toby Keith trat ans Mikrofon und sang das Konzert zu auch als Solokünstler mit Klavierwerken und Filmmusik Ende. Wenige Wochen später starb Merle Haggard in sei- einen Namen. nem Tourbus. Tony Lauber Susanne Loacker Merle Haggard Guy Clark (1937 – 2016) (1941 – 2016)

«Irgendwie bin ich immer rastlos. Das habe ich nie über- Der Begriff wird inflationär verwendet. Jeder hypersensible winden können, weder durch Bewegung, durch Heiraten Surfer, der abends am Lagerfeuer auf der Gitarre klimpert, oder dadurch, den Sinn des Lebens zu suchen. Ich werde jede sich selbst findende junge Veganerin bezeichnet sich ein Getriebener bleiben, bis ich sterbe.» als das, was nur ganz wenige Musikerinnen und Musiker Was Merle Haggard dem Magazin «» sagte, wirklich je waren: Singer/Songwriter. ist vermutlich die beste Zusammenfassung einer singulären Leute, die ihre eigenen Songs schreiben und singen, gibt es Biografie. Haggard, der seinen Vater früh verloren hatte, wie Sand am Meer. Doch Leute, die Songs singen, die es von zuhause weglief und als Jugendlicher regelmässig mit wert sind, Songs genannt zu werden, sind eher wie Seester- dem Gesetz in Konflikt kam, sass im Publikum, als Johnny ne: rare Fundstücke, die man am liebsten mit nachhause Cash 1959 im Gefängnis von San Quentin auftrat, in Hag- nehmen und für immer konservieren würde. Townes Van gards Heimatstaat Kalifornien. Drei Jahre später war Hag- Zandt war so einer, in seinem assoziativen Irrsinn voller gard draussen und hatte seinen eigenen Plattenvertrag un- Drogen und Alkohol. John Prine ist so einer, der die Kurve terschrieben. Rasch galt der Sohn eines Eisenbahnarbeiters gekriegt hat, dem Krebs zum Trotz, und heute noch brillan- als die Stimme des einfachen Mannes, der sich alle Mühe te Lieder schreibt. Kris Kristofferson, sowohl politisch als gibt, es manchmal auf die Reihe kriegt und manchmal eben auch anderweitig explizit, zu einer Zeit, als weder das eine doch nicht. noch das andere radiotauglich war. Sein bekanntester Song entstand zwar nicht gerade aus ei- Und dann war da Guy Clark. Nukleus einer Songschreiber- ner Bier-Idee heraus, aber immerhin in einer Viertelstun- Szene von Texanern, die nach Nashville gezogen waren, um de. «Okie from Muskogee», auf der Durchreise im Band- dort das zum Beruf zu machen, was sie interessierte, weil bitte umblättern Stax, spielte er Pop-Hits mit Sandy Posey («Single Girl», TODESJAHR 2016 1966) und The Box Tops ein. Deren Nummer-eins-Hit «The Letter» (1967) wurde von Dan Penn produziert. Mit ihnen alles andere unwichtig war. Clark und seine Frau ihm schrieb Moman Deep-Soul-Klasiker wie «The Dark Susanna, Richard Dobson, Townes, Lyle Lovett, Rodney End of the Street», aufgenommen von James Carr, Pop wie Crowell und Steve Earle. Alle diese Songschreiber hatten B.J. Thomas’ «Raindrops Keep Fallin’ On My Head» und zwei Träume: einen Song schreiben, der vor Guy bestand, Neil Diamonds «Sweet Caroline». und eine Frau zu finden wie Susanna. Doch die vielleicht bekannteste Platte entstand Ende der Schwer zu sagen, was Guy Clark so einzigartig machte. Er Sixties, als Elvis Presley geraten wurde, wieder in Mem- war klug, ohne ein Klugscheisser zu sein. Er war ein Dich- phis aufzunehmen. Nach Jahren mit teils zweifelhafter ter, ohne den Anspruch zu haben, ein Poet zu sein; er hatte Filmmusik liess Moman ihn Songs singen, in denen Pres- Adleraugen und wertete doch nie. Clark, der mit der glei- leys Qualitäten als Sänger zur Geltung kamen: Besonders chen Akribie, mit der er Songs schmiedete, auch Gitarren «In the Ghetto» und «Suspicious Minds» sowie das Album baute, war nie mit dem Zweitbesten zufrieden. Er nahm «From Elvis in Memphis» (1969) markierten einen letzten sich Zeit, er feilte, er killte seine Darlings am Laufmeter, künstlerischen und kommerziellen Höhepunkt in der Kar- wie man im Schreibkurs wohl sagen würde. riere des King of Rock. American Sounds schloss 1972 sei- An den Grammys ist Clark immer knapp vorbeige- ne Tore. Danach arbeitete Moman meistens in Nashvilles schrammt – er verliere immer gegen Dylan, lachte er je- Countryszene. Der Spitzname Chips bezog sich übrigens weils, vermutlich heilfroh, keine Rede halten zu müssen, auf seine Leidenschaft fürs Glücksspiel. sein ewig blaues Jeanshemd nicht gegen ein weisses samt Tony Lauber Sakko eintauschen zu müssen, auch nicht für einen Abend. Clark hat nicht nur eine Handvoll Meisterwerke geschrie- ben: Er hat keinen einzigen schlechten, noch nicht einmal Henry McCullough einen mittelmässigen Song hinterlassen. Seine Lieder sind (1943 – 2016) genial, grossartig oder einmalig. Wunderbar sind sie alle. Cash hat Clark gecovert, Jerry Jeff Walker sowieso, Ricky Skaggs schaffte es mit «Hearbroke» sogar in die Charts. «My Favorite Picture of You» hiess Guy Clarks letztes Al- bum. Obwohl er gesundheitlich angeschlagen war, gegen Blutkrebs und andere Leiden kämpfte, klang er fast wie früher. Ein bisschen brüchiger vielleicht, aber man hörte die Kraft seiner Zeilen, den Witz seiner Worte, die Kunst, die er beherrschte wie kaum einer mehr. Der Titelsong war seiner Frau Susanna gewidmet, ein Jahr zuvor an Lungenkrebs ge- storben, eine Lücke in Clarks Leben, die sich nie mehr hatte füllen lassen, so wie Townes’ Tod Jahre zuvor ein Loch in Susannas Leben gerissen hatte, das nie so recht verheilt war. Susanne Loacker Chips Moman (1937 – 2016) Henry McCullough war ein musician’s musician. 1967 siedelte er von Belfast nach London über und tourte mit seiner Band Eire Apartment mit Pink Floyd, , The Jimi Hendrix Experience oder den Animals. Nach ei- nem Abstecher zu den irischen Sweeny’s Men, einer frühen Folk-Rock-Band, kehrte er 1969 nach London zurück und stiess zu Joe Cockers Grease Band, die ihren Höhepunkt beim Rockfestival in Woodstock erlebte. 1970 wurde Mc- Cullough Leadgitarrist im Musical «Jesus Christ Super- star» von Andrew Lloyd Weber und Tim Rice, 1976 spielte er in «Evita». Weitere Aufnahmen fanden in dieser Zeit mit Donovan, Eric Burdon, Marianne Faithfull oder Andi Fairweather-Low statt. McCullough ist auch am Ende von «Money» auf «Dark Side of the Moon» von Pink Floyd mit den Worten «I don’t know, I was really drunk at the time» über einen Streit mit seiner Frau zu hören. Auf vielen Fotos aus den 70er-Jahren ist er mit Alkohol abgebildet. In den 80er- und 90er-Jahren trat er kürzer, in den Nullerjah- ren spielte er auch als Solomusiker Alben ein. Die Karriere von Lincoln Wayne Moman aus LaGrange, 1972 heuerte er für 70 Pfund die Woche als Leadgitarrist Georgia, umfasste die Genres Rockabilly, Rock, Pop, Soul, bei Paul McCartney und dessen Band Wings an. Der An- Country. Mit 14 kam der Bauernjunge nach Memphis, wo fang war schwer, die erste Single, «Give Ireland Back to the er für die Rockabilly-Musiker Dorsey und Johnny Burnette Irish», die McCartney 1972 drei Wochen nach dem Bloo- Gitarre spielte. Ende der Fifties wandte er sich für das Sa- dy Sunday über das Massaker englischer Fallschirmjäger tellite-Label dem R&B und der Soulmusik zu. Trotz Betei- an 13 Zivilisten in Derry veröffentlicht hatte, wurde von ligung an frühen Hits wie «Gee Whizz» und «Last Night» sämtlichen englischen Radios boykottiert, obwohl sie die schied Momans 1964 aus. Bald eröffnete er in Memphis oberen Chartregionen erreichte. McCulloughs Bruder, der sein eigenes Studio American Sound, wo seine besten und weiterhin in Nordirland lebte, wurde im Pub wegen Hen- populärsten Arbeiten entstanden. In den Sechzigern avan- rys Gitarrenspiel von englischen Sympathisanten spitalreif cierte er zum gefragten Sessionmusiker, Arrangeur, Produ- geprügelt. Mit den Wings erlebte er auch den Erfolg des zenten und Songschreiber. Mit einem Kern von Musikern, Bond-Songs «Live and Let Die». Und als die Band zusam- deren Stil eher der Muscle-Shoals-Hausband entsprach als men mit einem Orchester «My Love» einspielte, ging Mc- Cullough zu McCartney und bat ihn, anstelle von dessen ten. Der Megaseller «Heartbreak Hotel» setzte noch einen Solo etwas eigenes spielen zu dürfen. Er reüssierte, das Bill- drauf: Er animierte Teenager weltweit dazu, eine Gitarre board Magazine wählte «My Love» hinter Marvin Gayes in die Hand zu nehmen und es selber zu versuchen. Keith «Let’s Get It On» und «Killing Me Softly» von Roberta Richards und Jeff Beck waren zwei davon. Für jeden Pres- Flack auf Platz 5 der Hot 100 Singles von 1973. ley-Hit kreierte Scotty schlicht geniale rhythmische Ein- McCulloughs Beitrag zu den Wings ist bis heute nur teil- würfe und Soli, jedes noch innovativer als das letzte. Und weise veröffentlicht, dabei prägte er, wie die zahlreichen er definierte die Rolle des Leadgitarristen in einer Band. Raubpressungen belegen, massgeblich den Klang der Auch in den frühen Sechzigerjahren spielte Scotty Moore Band, die streckenweise als Bluesrockband durchging. auf vielen Elvis-Platten. Ein letztes Mal begleitete er den Als McCartney 1973 das Album «Red Rose Speedway» King 1968 bei dessen «Comeback Special»-TV-Show. Pa- von einem Doppelalbum auf eine Einzelscheibe reduzieren rallel dazu baute er sich eine Existenz als Studiotechniker musste, setzte er auf Beatle Paul anstatt auf Gitarrist Henry und Produzent auf – erst für das Fernwood-Label (Thomas und verzichtete auch auf die Veröffentlichung des Liveal- Wayne Perkins’ Hit «Tragedy»), für Sam Phillips’ Studio, bums von der Europatour im Sommer 1972, die auch in ab 1964 für Music City Recorders, sein eigenes Studio in Zürich und Montreux Station gemacht hatte. Im August Nashville. 1964 spielte er das Soloalbum «The That 1973, sprichwörtlich am Tag vor dem Abflug nach Lagos, Changed the World» ein, gründete das Belle-Meade-Label wo die Wings «Band on the Run» einspielten, verliess Hen- und produzierte Künstler wie Ringo Starr («Beaucoup of ry McCullough frustriert die Band. Der Rest ist Geschichte: Blues») sowie bis Ende der Achtzigerjahre auch Musik für «Band on the Run» wurde das erfolgreichste Album des Fernsehshows. Jahres 1974, Henry McCullough musste derweil kleinere Moore nahm Platten mit Carl Perkins auf, mit Sonny Brötchen backen. Es bleibt zu hoffen, dass er durch die seit Burgess und Alvin Lee. Auf dem Album «All the King’s 2010 laufende Öffnung von McCartneys Archiv im Rah- Men» (1997) liessen sich Scotty und der frühere Presley- men der «Archive Collection» postum die Anerkennung Drummer D.J. Fontana von einer Allstar-Band mit Keith erfährt, die er verdient hätte. Solange kann man den Titel Richards, Jeff Beck, Ron Wood und Levon Helm begleiten. seines letzten Albums «Shabby Road» (2012) auch verbit- Scotty Moore verabschiedete sich 2007 von der Bühne. Im tert deuten. selben Jahr veröffentlichte er die CDs «The Mighty Hand- Yves Baer ful, Volumes I and II». Er starb 84-jährig in seinem Haus in Nashville. Scotty Moore Tony Lauber (1931 – 2016) Alan Vega (1938 – 2016)

«Scotty Moore war mein Held», bekannte Keith Richards in seiner Autobiografie. «In seinem Spiel gabs etwas Jazz, tolle Country-Licks und den Bezug zum Blues. Keiner Man sagt, Suicide seien die ultimativen Punks gewesen, konnte das kopieren.» Moores Karriere war eng mit jener weil selbst die Punks sie hassten. Tatsächlich kam es bei von Elvis Presley verknüpft. Er war der Gitarrist auf stil- Auftritten des Duos im Vorprogramm von Elvis Costello, prägenden Aufnahmen wie «Heartbreak Hotel», «Hound The Clash oder den Ramones regelmässig zu wüsten Sze- Dog», «Mystery Train» oder «Jailhouse Rock». nen: In Brüssel brach ein Zuschauer Sänger Alan Vega im Winfried Scott Moore wurde 1931 auf einer Farm in Gads- Tumult die Nase, in Glasgow flog ein Beil nur knapp an sei- den, Tennessee, geboren. Mit acht begann er Gitarre zu nem Kopf vorbei. «Da wusste ich, wir regen die Leute auf. spielen, diente vier Jahre in der US-Navy und liess sich in Um diese Agitation ging es bei Suicide», sagte Vega. Auf Memphis nieder. Mit Bassist Bill Black gründete er die Star- der Bühne standen aber keine jungen Provokateure. Schon light Wranglers, eine Hillbilly-Band, deren Trumpf Scottys 1971 hatten Vega und Bandkollege Martin Rev einen Gig von Chet Atkins inspiriertes Gitarrenspiel war. Ihre einzige als «Punk Music Mass» angekündigt – da war Vega be- Single nahm Sam Phillips im Mai 1954 auf, Sun Records reits 33. Als Boruch Alan Bermovitz in Brooklyn geboren, verkaufte davon ganze 245 Kopien. Und doch war die Be- hatte er Kunst studiert und in den Sechzigern mit Skulptu- gegnung für den jungen Musiker entscheidend. Im Juli bat ren und elektronischer Musik experimentiert. Der Besuch ihn Phillips ins Studio, um mit dem 19-jährigen Elvis Pres- eines Konzerts von Iggy Pop & The Stooges 1969 war der ley ein Demo aufzunehmen. Elvis schlug die Bluesnummer Auslöser, es selber mit wilden Live-Auftritten zu probieren. «That’s All Right» vor, Scotty kreierte das Arrangement. Suicide waren mittendrin in der New Yorker Szene, spiel- «That’s All Right Mama» wurde ein Hit. Der Rest ist Ge- ten im CBGB’s oder Max’s Kansas City. Aber es dauerte schichte. Innert weniger Monate wurde der Sänger mit den bis 1977, bis ihr erstes Album «Suicide» erschien, das zuckenden Hüften zum Star, und Scotty Moore befand mit Drum Machine, verzerrter Elektronik-Orgel und dem sich im Zentrum eines musikalischen Hurrikans. Mit Elvis Schreien Vegas klang wie kaum sonst etwas. Nach «Suicide nahmen Scotty und Bill Black fünf bahnbrechende Singles II» (1980) – darauf mit «Dream Baby Dream» eines ihrer für Sun Records auf, welche die Rockabilly-Musik etablier- bekanntesten und sanftesten Stücke – trennten sich die bei- bitte umblättern er als gefragter Studiomusiker bereits auf Hunderten von TODESJAHR 2016 Songs mitgewirkt. Er spielte bei Sessions für Phil Spector, Frank Sinatra, Sam Cooke, Aretha Franklin, The Ventures den vorerst. Doch die «minimalistische Proto-Punk, Pro- und The Monkees. Sein ist auf «Mr. Tambourine to-Electro, Proto-Industrial-Band» («New York Times») Man» von den Byrds ebenso zu hören wie auf «A Taste of wirkte gewaltig nach: auf Synth-Acts wie Soft Cell, New Honey» von Herb Alpert, «Live With Me» von den Rolling Order, Depeche Mode, auf Bauhaus, The Jesus & Mary Stones sowie auf diversen Alben der Beach Boys – inklusive Chain oder Ministry. Auch auf Bruce Springsteen, den das «Pet Sounds». 10-Minuten-Epos «Frankie Teardrop» über die Geschich- Der am 2. April 1942 als Claude Russell Bridges in Law- te eines Vietnamveteranen, der seine Familie umbringt, zu ton, Oklahoma, geborene Musiker nahm bereits im Vor- Songs auf dem Album «Nebraska» inspirierte. Suicide tra- schulalter Klavierstunden und begann mit 14 in den Clubs ten später immer wieder live auf, veröffentlichten aber nur von Tulsa zu spielen. Ende der Fifties zog der Minderjäh- noch drei weitere Alben. Alan Vega war vornehmlich solo rige nach Los Angeles, wo er mit gefälschtem Personalaus- aktiv, hatte mit «Jukebox Baby» einen Hit in Frankreich, weis in Clubs und Aufnahmestudios arbeitete. Als Musiker arbeitete mit Ric Ocasek (The Cars), Alex Chilton, Lydia kam ihm seine klassische Ausbildung zugut, auch seine Lunch, Pan Sonic oder seiner späteren Ehefrau Liz Lamere Southern-Wurzeln blieben stets präsent. Obwohl Russells zusammen und wandte sich auch wieder der Kunst zu. Popularität gegen Ende der Siebziger abnahm, trat der Im Oktober hätten Suicide am Desert Daze Festival in Kali- «musicians’ musician» bis 2012 live auf und spannte mit fornien wieder einmal auf der Bühne stehen sollen, der Tod Kollegen wie Elvis Costello, Bruce Hornsby oder Willie des 78-jährigen Vega am 16. Juli verhinderte es. Über ihre Nelson zusammen. Konzerte in der Neuzeit meinte er einmal halb ironisch, Tony Lauber halb ernst: «Ich sagte zu Martin: Ich bin fertig. Unsere Tage sind vorbei. Ich werde zu einem Entertainer. Mann, da draussen tanzen sie.» Prince Buster Philipp Anz (1938 – 2016) Leon Russell (1942 – 2016)

«Die Tatsache, dass er von der Strasse kam, einen wun- derbaren Sinn für Humor und Energie hatte – das sprach uns wirklich an und hatte einen grossen Einfluss auf alles, was wir machten», sagt Suggs, Sänger von Madness, über Leon Russell, der Pianist, Gitarrist, Songschreiber und Sän- Prince Buster. Und für Jerry Dammers von The Specials ist ger, dem erst nach langen Jahren als Sessionmusiker eigene klar: «Von Hip-Hop zu Grime, Dancehall und Reggae gibt Hits glückten, starb am 13. November 2016 in Nashville. es wenig, das bis zu einem Grad nicht von Prince Buster Er war 74 Jahre alt. Seine Gesundheit machte ihm seit Jah- und seiner Art, zu Rhythmen zu singen und zu sprechen, ren zu schaffen. 2010 musste er sich einer Hirnoperation beeinflusst ist.» Suggs und Dammers waren mit den Two- unterziehen, danach erlitt er eine Herzattacke. Nach «The Tone-Bands zentrale Figuren des britischen Ska-Revivals Union» (2009), dem erfolgreichen Duo-Album mit Elton Ende der Siebziger, mit Prince Buster als allgegenwärtiger John, wurde Russell in die Rock and Roll Hall of Fame Inspiration. Madness benannten sich nach einem seiner aufgenommen. In seiner Aufnahmerede nannte ihn Elton Songs, widmeten ihm ihre erste Single «The Prince» und «den Meister von Zeit und Raum» und ergänzte: «Er sang, hatten ihren ersten Hit mit einem Cover des Buster-Tracks er schrieb und spielte genau so, wie ich es immer wollte.» «One Step Beyond». Auch The Specials coverten ihn und Russell zählte in den frühen Siebzigerjahren zu den mar- bedienten sich zum Beispiel für «Gangsters» bei «Al Ca- kantesten Figuren der Szene. Mit Hut, langem Bart und pone». Damit war Buster ein Jahrzehnt zuvor bereits ein bis über die Schulter reichendem Haar spielte er auf dem Hit in der Mod-Szene und 1967 ein Charts-Erfolg in Eng- Piano schmissige Barrelhouse-Akkorde, dazu sang er mit land gelungen. Ursprünglich hatte er das Instrumentalstück leicht krächzender Stimme. Seine Musik verband Stile wie 1963 auf Jamaica eingespielt. Country, Blues, Jazz, Gospel und Pop. Leon Russell war 1938 in Kingston geboren und in ärmlichen Verhältnis- Bandleader von Joe Cockers Mad Dogs & Englishmen, sen aufgewachsen, war Cecil Campbell als Jugendlicher in und er spielte 1971 am Concert for Bangladesh. Gangs aktiv, wo er wegen seines Mittelnamens Bustamante Obwohl ihm Hits wie «Tight Rope» gelangen, wurden sei- (nach dem ersten Premierminister der Insel) den Überna- ne Songs meistens durch andere Interpreten bekannt: «Su- men Buster bekam. Gleichzeitig war er ein passionierter perstar» (The Carpenters), «Delta Lady» (Joe Cocker) oder Boxer – von dort kam die Bezeichnung «Prince». Diese «This Masquerade» von George Benson. Etliche Künstler Streetskills weckten die Aufmerksamkeit von Clement «Sir (u.a. Ray Charles) nahmen «A Song for You» auf, eine Coxsone» Dodd, der ihn zu seinem Downbeat-Sound- Nummer, die Russell angeblich in zehn Minuten kompo- System holte. Dort lernte Buster das Musikgeschäft und niert hatte. Als er 1970 (mit Eric Clapton, Ringo Starr und gründete nach Geldstreitigkeiten sein eigenes System Voice George Harrison) sein erstes Soloalbum einspielte, hatte of the People. Es folgte der Wechsel ins Tonstudio, wo er Anfang der Sechziger mit Stücken wie «Little Honey» oder und rauchen war den Musikern untersagt. Auch bei der «Humpty Dumpty» den populären R&B aus den USA mit Überspielung der fertigen Aufnahmen auf die Lackfolien, neu synkopierten Rhythmen veränderte. Ska war geboren. aus denen später das Masternegativ für die Schallplatte Prince Buster produzierte Hunderte erfolgreicher Singles hergestellt wurde, überliess Van Gelder nichts dem Zufall. und griff selber zum Mikrofon. Als Ska in der Beliebtheit Seit den Neunzigerjahren beschäftigte sich Van Gelder vom langsameren Rocksteady abgelöst wurde, war er wie- hauptsächlich mit der digitalen Nachbearbeitung seiner der vorne mit dabei, etwa mit «Judge Dread». Aufnahmen für Blue Note und Prestige Records. Blue Note Zu Beginn der Siebziger dann schwand sein Einfluss. Bus- veröffentlichte sie ab 1999 als (Rudy Van Gelder) RVG- ter, der nach einer Begegnung mit seinem Idol Muhammad Edition, Prestige seit 2006 als eigene Serie. Am 25. August Ali konvertiert und der Nation of Islam beigetreten war, 2016 starb der Meister 91-jährig in seinem Haus in Engle- zog sich aus dem Tonstudio zurück und wanderte nach Mi- wood Cliffs. ami aus. Erst ab den Achtzigern stand er wieder auf der Tony Lauber Bühne und tourte mit den Skatalites als Begleitband. 1998 kam er mit einer Wiederveröffentlichung von «Whine and Grine» nochmals in die englischen Charts, doch die Auftrit- Mose Allison te wurden spärlicher und blieben nach einem Schlaganfall (1927 – 2016) 2009 schliesslich ganz aus. Am 8. September starb Prince Buster, der «erste echte weltweite Botschafter der Musik Ja- maikas» (Jerry Dammers), 78-jährig in Miami.

Philipp Anz Rudy Van Gelder (1924 – 2016)

Den ersten Song von Mose Allison habe ich von The Who gehört. Deren LP «Live at Leeds» begann mit einer furio- sen Version des «Young Man Blues». Das schlicht gehal- tene Original von 1957 verwandelten The Who in einen wilden Gitarren-, Bass- und Schlagzeug-Exzess. Jetzt ist der grosse Mann 89-jährig gestorben, dort, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat: in Mississippi. In den Sixties wurden die Songs des singenden Jazz- und Bluespianisten von vielen jungen (vor allem britischen) In der Welt des Jazz genoss das Schaffen des 1924 in Jer- Musikern gecovert: The Yardbirds nahmen «I’m Not Tal- sey City geborenen Tontechnikers Rudy Van Gelder gros- king» auf, Rhythm & Blues-Enthusiasten wie Georgie se Wertschätzung. Er arbeitete mit nahezu allen wichtigen Fame, John Mayall, die Organisation, Cac- Jazzmusikern der Fünfziger- und Sechzigerjahre – von Mi- tus, Blue Cheer und Johnny Winter den Straflager-Blues les Davis bis Thelonious Monk. Standen auf der Cover- «Parchman Farm». Eigentlich stammte die Nummer von rückseite eines Albums die Worte «engineered by Rudy Van Bukka White. Allison spielte auch Sonny Boy Williamsons Gelder», garantierten sie beste Tonqualität. Van Gelder «Eyesight to the Blind». Pete Townshend baute den Song verpasste dem Klangbild so etwas wie eine zeitlose Aura. 1968 in die Rockoper «Tommy» ein. Eine Dekade später Wie kaum ein anderer besass er ein Gespür dafür, die Wün- tauchte Allisons «Look Here» auf «Sandinista!» der Clash sche der Musiker umzusetzen. Wie er das genau machte, auf. Und Elvis Costello sang «Everybody’s Cryin’ Mercy». blieb sein Geheimnis. Teil der Magie waren selbstgebau- 1996 veröffentlichte Van Morrison ein ganzes Album mit te Verstärker, Lautsprecher, optimal plazierte Mikrofone, Allison-Stücken («Tell Me Something: The Songs of Mose die Bandmaschinen sowie allerlei Zubehör wie die Ham- Allison»). mond C3-Orgel, auf welcher Jimmy Smith, Ray Charles, John Mose Allison Jr. wurde 1927 in Tippo, Mississippi, Jack McDuff und Charles Earland die beseeltesten Sounds geboren. Als Knirps pflückte er Baumwolle, fing jedoch kreierten. Die Elektronik, so beteuerte er, sei lediglich ein schon während der Schulzeit mit dem Klavierspielen an. Er Hilfsmittel, um die menschliche Seele einzufangen. lauschte der Jazz- und Bluesmusik, die nachhaltigen Ein- In den Fünfzigerjahren avancierte er zum führenden Auf- fluss auf sein Schaffen haben sollte. Allison ging zur Uni- nahmetechniker von Blue Note. Bis 1967 betreute Van Gel- versität und machte seinen Abschluss in Anglistik. Nach der nahezu alle Studioaufnahmen des Labels. Gleichzeitig dem Millitärdienst zog er nach New York, wo sein Stern war er auch für Riverside, Impulse! Records und Prestige als Musiker aufging. In den Fünfzigerjahren spielte er mit tätig, später auch für Verve, CTI Records und für das Klas- Jazzern wie Stan Getz, Gerry Mulligan und Zoot Sims. sik-Label Vox. Später konzentrierte er sich auf seine Solokarriere und gas- Im eigenen Studio in Englewood Cliffs, New Jersey, nahm tierte oft in Europa. In den USA jedoch blieb Mose Allison Van Gelder (mit Producer Bob Thiele) John Coltranes ein Geheimtipp, dem der kommerzielle Durchbruch nie ge- grossen Wurf «A Love Supreme» auf, aber auch Herbie lang. Sein Stil war schwierig einzuordnen – zu bluesig für Hancocks «Maiden Voyage», Cannonball Adderleys «So- Jazz, zu jazzig für Blues. Der Mann liebte es essenziell, re- methin’ Else» und Horace Silvers «Song for My Father». duziert. Bemerkenswert waren seine geistreichen, oft witzi- Er galt als Perfektionist, der alles eigenhändig verkabelte gen Texte, die er mit schwerem Südstaatenakzent vortrug. und einrichtete. Während der Sessions trug er Handschu- he, um die wertvollen Geräte zu schonen. Essen, trinken Tony Lauber DIE BESTEN PLATTEN Yves Baer Philipp Anz Reto Aschwanden Leonard Cohen: You Want It Darker Angel Olsen: My Woman Schammasch: Triangle Paul McCartney: Pure PJ Harvey: The Hope Six Demolition Project PJ Harvey: The Hope Six Demolition Project Eric Clapton: Live in San Diego A-WA: Habib Galbi David Bowie: Blackstar Yello: Toy Grand Blanc: Mémoires Vives Black Mountain: IV & The Bad Seeds: Skeleton Tree Leonard Cohen: You Want It Darker Divine Comedy: Foreverland David Bowie: Blackstar La Femme: Mystère Swans: The Glowing Man Rolling Stones: Blue And Lonesome Adia Victoria: Beyond The Bloodhounds Nadja Zela: Immaterial World Travis: Everything at Once Mitski: Puberty 2 Lucinda Williams: The Ghost Of Highway 20 Jack White: Acoustic Recordings 1998 – 2016 King Creosote: Astronaut Meets Appleman Matt Boroff: Grand Delusion Sting: 57th & 9th Lucy Dacus: No Burden Joseph: I’m Alone, No You’re Not

Thomas Bohnet Roman Elsener Marcel Elsener Dexys: Let the Record Show Madness: Can’t Touch Us Now Dr. John Cooper Clarke & Hugh Cornwell: This Jain: Zanaka Teenage Fanclub: Here Time It’s Personal Benjamin Biolay: Palermo Hollywood Dr John Cooper Clarke & Hugh Cornwell: This The Wolfhounds: Untied Kingdom Teenage Fanclub: Here Time It’s Personal Teenage Fanclub: Here Avec: What If We Never Forget Bruce Foxton: Smash the Clock Mark Wynn: Singles – But They’re Not Really Mickey 3D: Sebolavy Jamie T: Trick Singles… La Femme: Mystère A Tribe Called Quest: We Got it From Here… Mark Wynn: Achin’ at the Prospect – A Racket Suuns: Hold/Still Thank You 4 Your Service (That One) MHD: MHD Richmond Fontaine: You Can’t Go Back If Skepta: Konnichiwa ABC: The Lexion of Love Vol. 2 There’s Nothing to Go Back to Göldin & Bit-tuner: Schiiwerfer Wire: Nocturnal Koreans Stahlberger: Kristalltunnel Half Man Half Biscuit: And Some Fell on Stony Richmond Fontaine: You Can’t Go Back If Philipp Niederberger Ground There’s Nothing to Go Back To Mystic Inane: E.P.’S Of M/I Bob Mould: Patch the Sky Tortoise: The Catastrophist The Hunches: The Hunches Guitar Wolf: T-Rex From A Tiny Space Yojouhan Chrigel Fisch Benedikt Sartorius Shady & The Vamp: The Holy Teachings of Motörhead: Clean Your Clock Blood Orange: Freetown Sound Rock’n’Roll Leonard Cohen: You Want It Darker Jessy Lanza: Oh No The Cavemen: Born to Hate Schammasch: Triangle Frank Ocean: Blonde The Real Kids: Shake Outta Control Bombino: Azel Chris Cohen: As If Apart Danny & The Darleans: Bug Out Death Grips: Bottomless Pit Cate Le Bon: Crab Day Musk: The Second Skumming Lush: Blind Spot JaKönigJa: Emanzipation im Wald No Negative: The Good Never Comes L.A. Salami: Dancing With Bad Grammar Oliver Coates: Upstepping The Lavender Flu: Heavy Air Zeal And Ardor: Devil Is Fine Frankie Cosmos: Next Thing The Great Park: Turn Your Back on the Crown Various Artists: DJ Koze Presents Pampa Vol. 1 The Company of Men: I Prefer Animal Collective: Painting With Tony Lauber David Bowie: Blackstar William Bell: This Is Where I Live Miriam Suter Sam Mumenthaler Joanna Newsom: Divers Warhaus: We Fucked a Flame Into Being PJ Harvey: The Hope Six Demolition Project Honey Island Swamp Band: Demolition Day Deap Vally: Femejism Lemon Twigs: Do Hollywood Madeleine Peyroux: Secular Hymns Conor Oberst: Ruminations Howlong Wolf: Owl Michael Kiwanuka: Love & Hate The Felice Brothers: Life in the Dark Angel Olsen: My Woman Karl Blau: Introducing Karl Blau The Prettiots: Funs Cool Jack White: Acoustic Recordings Lea DeLaria: House of David Leonard Cohen: You Want It Darker Nadja Zela: Immaterial World Allen Toussaint: American Tunes Nick Waterhouse: Never Twice Bob Dylan: The 1966 Live Recordings The James Hunter Six: Hold On! Beyoncé: Lemonade : Hopelessness A Tribe Called Quest: We Got it From Here... Iggy Pop: Post Pop Depression Thank You 4 Your Service William Bell: This Is Where I Live Michael Gasser Nick Cave: Skeleton Tree Karl Blau: Introducing Karl Blau Christian Kjellvander: A Village: Natural Light Philippe Amrein Simon Ho: Bruxelles Hanspeter Künzler Monotales: Weekend Love Gillian Welch: Boots No.1 – The Official Revi- David Bowie: Black Star The Company of Men: I Prefer val Bootleg Nick Cave: Skeleton Tree Nadja Zela: Immaterial World L.A. Salami: Dancing With Bad Grammar Klaus Johann Grobe: Spagat der Liebe Spain: Carolina Warpaint: Heads Up Xixa: Bloodline Angel Olsen: My Woman Emma Pollock: In Search of Harperfield Purson: Desire’s Magic Theatre Mr. Claudius Skybird Senior: The Kimihurura Margo Price: Midwest Farmer’s Daughter Damien Jurado: Visions of Us on the Land Tapes Andrew Bird: Are You Serious Daniel Romero: Mosey Elvis Presley: Way Down in the Jungle Room Ben Watt: Fever Dream Imarhan: Imarhan Phil Hayes & The Trees: Blame Everyone Shirley Collins: Lodestar Wilco: Schmilco Dralms: Shook Leonard Cohen: You Want It Darker DIE NEUEN PLATTEN Sound Surprisen Ein aktueller, breit mediatisierter Todesfall weckte viele Erinnerungen an das halbe Jahr, das ich vor knapp 20 Jah- ren auf Kuba verbrachte. Eines der schönsten Bilder ist ein flüchtiger Schnappschuss: Ich war im Auto unterwegs nach Trinidad und fand mich wegen einer Umleitung plötzlich auf einer Nebenstrasse in einem waldigen Hügelgebiet. Genetikk Various Artists Electro Deluxe Immer wieder kreuzte ich andere Strassen und Pisten, ich Fukk Genetikk Le pop la boum Circle hatte aber keine brauchbare Karte, und Wegweiser suchte (Selfmade Records) (Le Pop Musik) (Musicast) ich vergebens. Auf dem Gipfel eines Hügels hielt ich an; ich brauchte eine Pause und wollte mich orientieren. Die Weder dem Pop-Rap-Genre Auch den schönsten Sam- Am Sound der französi- Sonne stand bereits tief, die Schatten waren lang, die Luft zugehörig, noch komplett plerreihen mit klarem sti- schen Electro Deluxe gibt kühlte ab – da fiel mein Blick auf einen offenen Pavillon. im populären Gangsta-Rap listischem Konzept drohen es eigentlich fast nichts Auf der Tanzfläche schwoften drei jugendliche Paare zu zuhause, hat sich die aus Routine. Dieses Risiko auszusetzen. Die sechsköp- Musik aus einem scheppernden Ghettoblaster. Es war ein dem Saarland kommenden bannt das Label Le Pop,mit fige Gruppe um Frontmann bizarres Bild, surrealistisch, gar magisch. Ich wollte schon Rap-Crew Genetikk in den einer Compilation, die – und Sänger James Copley aussteigen, als mir der Soldat oder Polizist, der sich zwei letzten Jahren eine eigene durchaus im Wortsinn – aus spielt schon seit 15 Jahren Stunden zuvor als Mitfahrer aufgedrängt und seither kein Stellung in der deutschen der Reihe tanzt: «Le pop la einen erfrischenden Retro- Wort mit mir gewechselt hatte, auf die Schulter klopfte und Raplandschaft erobert. boum» ist eine Tanzplatte Sound, der Soul und Funk eine Richtung wies. Ich fuhr weiter, die Salsa verhallte im Und hat damit auch Erfolg. mit französischem Akzent, geradezu zelebriert, Jazz dichten Gehölz, und plötzlich war ich froh, den Unifor- Nach den Alben «D.N.A.» also nicht schweisstreibend, streift, sozusagen fresh and mierten mitgenommen zu haben. Ohne ihn würde ich wohl und zuletzt «Achter Tag» sondern immer elegant. funky ist. Songs, die mit heute noch durch dieses Gebiet irren… folgt nun also «Fukk Ge- Die Lieder wurden in den ihren fetten Bläsern in die Dieses Bild taucht immer wieder auf, wenn ich lateiname- netikk», das neue Werk letzten zwanzig Jahren auf- Golden Ära der 60s und rikanische Musik höre. Nicht Salsa. Salsa passt nicht ins der beiden Macher Silkk genommen, und dreizehn 70s eintauchen, dabei höl- Dschungelgebirge, Salsa ist urban. Eine entspannte Gua- und Rapper Karuzo. Bei- der sechzehn Interpretinnen lisch grooven. Stücke, die racha oder auch eine ländlich verschlurfte Cumbia wären de tragen nach wie vor die und Interpreten tauchen auf jeder Tanzfläche beste- der passendere Soundtrack. Zum Beispiel eine Cumbia, wie charakteristischen Masken, erstmals auf Le Pop auf. hen sollten. Neben Bläsern sie der 1931 geborene Andrés Gregorio Landero Guerra eine Mischung aus Voo- Und: «La Boum» ist ein- und Chören sowie einem spielte, der kolumbianische Rey de la Cumbia. Bis zu sei- doo und Skelett, mit denen fach toll! Die Party beginnt Fender-Rhodes-Piano setzt nem Tod im Jahr 2000 zeugte der Bauersohn und virtuose sie live und bei Interviews mit der charmanten «Pol- die Band auch ein Clavinet Akkordeonist nicht nur 24 Kinder (!), sondern prägte und posieren. Die Street Cre- ka» von Luce, sie rollt mun- ein, jenes vom deutschen spielte die Cumbia. Er hat sie erweitert, verfeinert, immer dibility der Band litt bei ter mit Call Me Poupées Hersteller Hohner entwi- wieder sanft erneuert und vorwärtsgebracht; blieb dabei «Achter Tag» ein wenig «Singapore Slang», «Jmy ckelte Tasteninstrument, aber immer volkstümlich genug, um das ländliche Publi- – zumindest bei den alten m’attendais pas» von Cléa das vom Klang her entfernt kum zum Tanzen zu bringen. Auf «Yo Amaneci» (Vam- Fans, die Genetikk nicht Vincent ist ein geschmei- an ein Cembalo erinnert pisoul) wird geschlurft und geschwoft, geschoben und ge- verzeihen wollten, dass auf diger Discotrack, Julien und vor allem in den 70ern schwelgt, das Akkordeon singt und klagt, die Perkussion diesem Werk einige eingän- Baer verbindet in «Roi de im Funk angesagt war. macht «Chuck Chucka Chuck», und es ist tiefes Glück gige Hits drauf sind. Dafür l’underground» Funk und So fegen Electro Deluxe und Wohlgefallen – und am liebsten wäre ich irgendwo in haben Genetikk inzwischen Off-Beat; die Fabulous Tro- durch die 14 Songs. Nur einem malerischen Tanzpavillon im Dschungel und würde nun auch andere Hörer- badors zelebrieren in «Y’a fehlt mir der französische zu diesen scheppernden Gassenhauern in die untergehende kreise erreicht. des garçons» ihren südfran- Einfluss bei Electro Deluxe. Sonne tanzen... Auch «Fukk Genetikk» zösischen Ethno-Rap. Ma- Denn das klingt alles sehr Wäre diese CD zu Ende, würde ich «Macondo Revisitado» ist wie die Vorgänger eine thieu Boogaerts lässt es in nach amerikanischem Ori- (Vampisoul) einlegen, eine Werkschau des gleichnamigen, Mischung aus prahlen- «Corinne» rocken, Thomas ginal. Das ist nichts schlim- nach Gabriel Garcia Marquez’ imaginärem Ort Macondo dem Rap, Bad-Boy- oder Dutronc gibt in «Comme mes an sich. Genau diesen benannten Labels aus Uruguay, das sich von 1975 bis 1979 Gangsta-Attitüde und Ge- un manouche sans guitare» Sound aber – verbunden einer uruguayischen Spielform karibischer und zentralame- sellschaftskritischem. Zum den zigeunernden Jazzer, mit französischen Texten: rikanischer Musik verschrieben hat. Tropische Musik aus Beispiel bei «Jordan Bel- ebenso beswingt, aber im Das fände ich mal originell! subtropischen Gefilden: Uruguayische Musiker und Band- fort», dem Song über den Turbomodus besingen Ag- leader griffen die damals in ganz Lateinamerika populären gleichnamigen Wall-Street- nès Bihl und Tom Poisson tb. kubanischen Guarachas und Guaguancos auf, bedienten Zocker. Bei «Trill» geht es in «Baby Boom» Kinder- sich in den Plenas, Bombas und Merengues aus Puerto Rico mit dem TGV nach Paris, freuden. Und als krönen- und Panama, und natürlich widerstanden auch sie dem bei «TeenSpirit» werden den Abschluss holpern in Charme der kolumbianischen Cumbias und Porros nicht. sehr geschickt Nirvana-Zi- Marcel Bontempis «Voulez- All das verquickten sie geschickt mit lokalen Gewohnhei- tate in den Song eingebaut. vous coucher avec moi?» ten und Bedürfnissen, etwa mit dem afro-uruguayischen Zudem ist «Peng Peng», die Sixties-Beats und -Or- Candombe. Daraus entstand eine entspannte Tanzmusik, die erste Single, ein hüb- geln. Nochmals: Einfach ebenso geeignet für Montevideos Salons und Kaschem- scher Ohrwurm. toll! men wie für dörfliche Volksfeste. Macondo ist überall, das wusste schon Garcia Marquez, und so klingt die Musik auf tb. cg. «Macondo Revisitado».

Christian Gasser DIE NEUEN PLATTEN

Martha Siska Marie Hope Sandoval Lambchop Wainwright A Woman’s Tale Davidson Until the Hunter Flotus (Vai la Bott) Adieux au dancefloor (Tendril Tales) (City Slang) (PIAS/MV) (Cititrax) Hinter Siska verbirgt sich 2009 veröffentlichten Hope Die Stimme und das tiefe «I’ve been taking lots of die Sängerin Sista Ka, die Marie Davidson ist eine Sandoval & The Warm Tempo sind geblieben, die pills», verrät Martha Wain- einige LeserInnen even- hervorragende Live-Künst- Inventions ihr zweites Al- Musik hingegen hat eine wright in «Around The tuell als Frontfrau der lerin. Was sie alleine mit bum, «Through the Devil Metamorphose durchlau- Bend», dem Opener zu grossartigen Watcha Clan ihren Geräten anstellen Softly». Danach widmete fen: Auf ihrem zwölften Al- ihrer neuen Platte «Good- aus Marseille kennen. Ihr kann, ist auf Youtube zum sich die Frontfrau, die bei bum stellen sich Lambchop night City». Gut möglich Soloprojekt entstammt ei- Beispiel bei ihrem aktuellen Konzerten am liebsten im nicht nur dem Computer, also, dass sie ihre Songs gentlich einem Zufall, wie Auftritt für Boiler Room Dunkeln singt, wieder ihrer sondern machen sich diesen wieder einmal zur Beichte mir Watcha-Clan-Manager zu bewundern. Auf ihrem früheren Band Mazzy Star. zu eigen. Der Mastermind nutzt. Ihr Bruder ist Rufus Soupa Ju erzählt hat. Beim dritten Soloalbum «Adieux Jetzt der erneute Karriere- der Formation aus Nash- Wainwright, ihre Mut- Soundcheck, und um sich au dancefloor» lässt die Ka- schlenker: Die Amerika- ville, Kurt Wagner, sam- ter war Kate McGarrigle die Zeit zu vertreiben, habe nadierin, die in der Elektro- nerin hat die musikalische pelte für «Flotus» seinen – und beides ist nicht zu sie einfach mal andere, ei- nik-Szene Montreals gross Partnerschaft mit dem My- Gesang, jagte ihn durch überhören: Wie der Singer/ gene Songs gespielt. Es sind geworden und dort auch Bloody-Valentine-Schlag- diverse Filter und bastelte Songwriter lebt auch Mar- deutlich vom Trip-Hop der Teil des Synthwave-Duos zeuger Colm Ó Cíosóig allerlei Beats. Statt gitar- tha Wainwright in ihren Neunziger und Acid-Jazz Essaie Pas ist, die Maschi- abermals aufgenommen. renlastigen Country-Soul Liedern das Dramatische beeinflusste Stücke, die an nen aber nicht einfach los- Dieser erklärte unlängst in gibts nun eine Melange aus. Und wie ihre Erzeu- Neneh Cherry oder Beth laufen. Davidson, die eine einem Interview mit dem aus R’n’B, sanft dahinglei- gerin besitzt auch sie ein Gibbons von Portishead Vorliebe für Sequencer und Online-Magazin «Conse- tenden Elektroflächen Flair für Folk und Chan- erinnern. Das kam bei den alte Drum-Machines der quence of Sound»: «Es ist und Ambient ab Piano. son. Die sarkastische Ader Kollegen so gut an, dass sie Marke Roland hat, gibt nicht so, dass wir uns durch «Schüttle die Spinnweben ihres Vaters, Loudon Wain- einfach ein eigenes Projekt ihnen ein Ziel, das Aufruhr unsere anderen Projekte ab», croont der 57-Jähri- wright III, in den frühen forciert hat. Entstanden ist auf der Tanzfläche heisst. eingeschränkt fühlen, doch ge im Opener «In Care Of 70er-Jahren kurz als neuer nun dieses Album, auf dem Der Angriff erfolgt direkt: jene Bands verfolgen einen 8675309» mit granulösem Bob Dylan gehypt, scheint wir sehr schöne, englisch rougher Techno, Electro, ganz bestimmten Sound.» Timbre und zeigt sich eben- sie hingegen nicht vererbt gesungene Songs zwischen grimmiger Bass, Perkussi- Während die Musik, die so beherzt wie experimen- bekommen zu haben: Das Trip-Hop, Soul und Indie- on-Kaskaden, komplexe, Hope Sandoval & The tierfreudig. Der Sound ist vorliegende Lieddutzend Pop hören, die prima ins aber doch energetische Warm Inventions kreierten, gedämpft, herzerwärmend entpuppt sich als ernsthafte Ohr gehen und dort auch Rhythmen, bedrohliches einer konstanten Meta- und wirkt wie am Kamin- Angelegenheit. Nicht, dass bleiben. Wer also Portis- Flirren der analogen Syn- morphose unterworfen sei. feuer erdacht. Die Platte ist die Stücke der kanadisch- head, Massive Attack oder thesizer, dazu auf Franzö- Klingt gut, ist allerdings nicht zuletzt eine Liebeser- amerikanischen Doppel- Lamb mag, sollte mal rein- sisch und Englisch gespro- eine Übertreibung, denn: klärung an Mary Mancini, bürgerin freudlos klängen, hören. chene Texte. Zum Schluss, Das Duo schleicht sich die Frau des Frontmanns, doch: Sie wirken nicht nur im Titelstück, singt sie, wie eh und je durch Balla- die seit 2015 der demokra- durchdacht, sondern ge- tb. schafft so eine versöhnli- den, die mal orgelgetränkt tischen Partei Tennessees radezu seriös. In «Look che Verbindung zwischen («Into the Trees»), mal vorsitzt und eine Schwäche Into My Eyes» propagiert Dancefloor und Pop und soulbehaftet («Let Me Get für Hip-Hop und Beyoncé die Künstlerin den perlen- entlässt die Hörer aus ei- There») sind. Sandoval, hat. Die Songs nähern sich den Elektropop, in «Piano nem Album, das aus dem inzwischen 50-jährig, mur- denn auch den Präferenzen Music» huldigt sie dem elektronischen Allerlei ein- melt sich dabei sanft durch von Wagners First Lady an musicalnahen Sound der drücklich heraussticht. verwischte Rhythmen und – ohne sich diesen völlig McGarrigle Sisters, und mit feine, aber träge Gitarren- unterzuordnen. Lambchop dem fiebrigen «So Down» anz. licks. Die Musik ist derart ist es gelungen, sich neu zu lässt sie an die frühe Pat- verträumt, dass man sich erfinden, ohne das Bisheri- ti Smith denken. Einem nach Plattenschluss nie ge zu verleugnen. Das Re- Kaleidoskop gleich zeigt ganz sicher ist, ob man sich sultat überrascht und ist so Wainwrights Werk mit je- das Gehörte bloss eingebil- souverän wie überzeugend. der Drehung neue Spiege- det hat oder nicht. lungen. Das wirkt mitunter mig. aufreibend, aber gewiss nie mig. langweilig.

mig. DIE NEUEN PLATTEN 45 Prince Sobald ein Radio in der Nähe ist, stelle ich immer auf das Luzerner Jugendradio 3-Fach – man will ja frisch bleiben. Meist wird die gute Absicht aber schon nach zwei Songs eingetauscht. Welch Freude aber, als ich kürzlich meinte, Ex-Cult zu empfangen. Die Nachforschungen ergaben, dass deren Sänger zusammen mit Ty Segall (hallo Radio) Aaron Lee Various Artists Harvey Mandel und Charles Moothart nun GØGGS betreibt. «She Got Tasjan New Orleans Funk 4 Snake Pit Harder» (In The Red) hat den von der Jugend geforderten Silver Tears (Soul Jazz Records) (Thompkins Square) Disco-Bass und mehr Sologitarre. Ansonsten bleibt für Sän- (New West/MV) ger Chris Shaw alles beim alten: Punk hallt zurück aus der Die musikalische Vergan- Der Gitarrist Harvey Man- düsteren Zukunft. Sein letztes Album «In the genheit von New Orleans del kam aus derselben Angefangen haben sie 1963 als Junior & The Mondos Blazes» deutete Aaron Lee wirft ihre Grooves bis weit Chicago-Szene wie Mike mit den beiden Hits «Mondo Moe» und «Mondo» und Tasjans Potenzial an. Jetzt in die Gegenwart. Um 1900 Bloomfield, spielte mit belegten damit den ersten Platz sowohl in der Poesieklasse legt der Singer/Songwriter entstand hier der Jazz, die Howlin’ Wolf und Charlie – noch vor den Rivingtons und The Monsters – als auch und gefragte Gitarrist (Al- kulturelle Nähe zur Karibik Musselwhite, trat mit Can- im Turnunterricht – noch vor The Trashmen. Als Florian berta Cross, Drivin’ N’ Cry- öffnete die Stadt früh für ned Heat in Woodstock auf Monday & His Mondos übertrumpften sie sich gar selber in’, Madison Square Gar- Creole- und Latin-Rhyth- und machte Sessions mit mit «Rip It, Rip It Up» (Norton). Garage aus dem Frat- deners) aus Nashville die men wie den Mambo, in John Mayall, Barry Gold- Haus, den selbst geübte Hörer frühmorgens nicht einem Latte höher und demonst- den 50er-Jahren prägten berg, den Rolling Stones, Kaffee vorziehen, der jedoch spätabends jegliche Partystim- riert eine beachtliche mu- Fats Domino und Little Ri- Steve Kimock oder Vernon mung noch toppt. Zuerst wird auf eine Büchse gehauen, sikalische Diversität. Der chard eine schwarze Spiel- Reid. Er entwickelte seine Gitarre und Orgel setzen ein, das Schlagzeug startet den Opener «Hard Life» lässt art des Rock’n’Roll, und eigene Technik (zweihän- Wirbel, durch den sich der Sänger jodelt und stottert. Der noch alles offen, während der Kontakt zur afrikani- diges Fretboard-Tapping), jugendliche Übereifer lässt dann zwei Jahre später ein biss- die dezent psychedelischen schen Polyrhythmik blieb beeinflusste damit Ed- chen nach, und man veröffentlicht als Mondays Mondos «Little Movies» an Elliott direkter als in den übrigen die Van Halen und nahm «(I’m) Crying». Die Band selber vermutete, dass ihnen die Smith oder Jeff Lynne er- USA. All das verschmolz nach dem überragenden Rolling Stones nach einem gemeinsamen Konzert das Riff innern. Dem Blues nähert in den Sechzigerjahren im «Cristo Redentor» (1968) für ihr «Get Off My Cloud» klauten. Dieser Song erscheint sich Tasjan erst ernsthaft Rhythm’n’Blues von Pro- weitere Soloalben auf, de- nun hier völlig zu Recht nicht nur als Archiv-Beigabe auf («Refugee Blues»), dann fessor Longhair und Allen ren innovative Fusion aus einer LP erstmals in seiner Demo-Version. Die Ruchlosig- ironisch wie Todd Snider Toussaint und mutierte um Acid-Blues, Rock, Funk, keit des Bandleaders wird sich in seinem späteren Leben («12 Bar Blues»). «Till 1970 zum New Orleans Jazz und Country bis heute noch handfest manifestieren und drückt hier bereits durch The Town Goes Dark» Funk: Warm und erotisch, beeindruckt. Trotzdem ist (was ebenso passt wie seine heutzutage zeitweise leucht- klingt entfernt nach Tom jazzy und kreolisch, ge- Harvey «The Snake» Man- orange gefärbten Haare). Es bleibt zu hoffen, dass Nor- Petty. Auch im fliessenden trieben von flüchtigen Po- del kein geläufiger Name, ton Records auch nach dem Tod des Mitbegründers Billy Country-Folk von «On lyrhythmen, getragen von sonst hätte er nicht vor ei- Miller weiterhin solche Schätze ausgräbt und die lebens- Your Side» ist Petty irgend- verschleppt wummernden nigen Jahren Gitarren ver- soundtrackstiftende dreissigjährige Label-Geschichte eine wie präsent. Und «Dime» Bässen und verziert von flot- kauft oder ins Pfandhaus Fortsetzung findet. könnte ein Outtake der ten Bläsersätzen und flinken gebracht, um die Therapie Traveling Wilburys sein. Pianoläufen. Immer lässig, gegen Krebs bezahlen zu Philipp Niederberger All diese Einflüsse hat Tas- nonchalant und locker. können. Sein neues Album jan im Lauf seiner Karriere Auch das gehört zur Magie entstand in zwei Tagen mit aufgesogen, und das hat ihn dieser Musik: Sie verheim- einer anonymen Begleit- zu einem feinen Songwriter licht ihre rhythmische Vir- band. Auf «Snake Pit» do- mit scharfer Zunge, Witz tuosität unter dem Anschein miniert von Beginn weg der und viel Herz geformt. Der entspannten Musizierens unverkennbare, übersteuer- Mann versteht es, musika- auf der Veranda. Die vierte te Powersound des 71-jäh- lische Akzente zu setzen. Ausgabe von «New Orleans rigen Gitarren-Virtuosen. Geschmackssicher, mit Lie- Funk» ist mit «Voodoo Fire Die Freude daran trübt der be zum Detail, legt er Ge- In New Orleans 1951-77» Umstand, dass Mandels sangsspuren übereinander vielversprechend untertitelt Mitmusikern lediglich die oder sorgt für das ideale – und die Liste der Interpre- Statistenrolle bleibt. Inten- Wechselspiel zwischen sei- ten und ihrer Songs erfüllt sives Zusammenspiel ge- ner elektrischen und David die Erwartungen: Neben lingt in den acht Instrumen- Vanderveldes Pedal-Steel- grossen Namen wie Eddie talstücken nur selten. Eine Gitarre. «Memphis Rain», Bo, Dave Bartholomew und Ausnahme ist «Before Six», mit verhallter Gitarre und Betty Harris huldigen auch die groovende Nummer eingängiger Melodie, ist weniger bekannte und sel- aus «Cristo Redentor». nur eines von vielen High- ten kompilierte Interpreten Ansonsten scheint sich der lights dieses tollen America- dem New Orleans Funk in rüstige Veteran bloss noch na-Albums. seinem ganzen Reichtum. im Kreis zu drehen. tl. cg. tl. SZENE          

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