<<

applyparastyle “fig//caption/p[1]” parastyle “FigCapt”

Mediaevistik 33 . 2020 71 2020 Albrecht Classen University of Arizona

1 Die Glorie der mittelalterlichen Buchproduktion: 1 Vom Manuskript zur Inkunabel, aus literatur- und 71 kulturhistorischer Sicht. Wie dunkel war also das Mittelalter? 88

2020 Abstract: Wenngleich die Geschichte der mittelalterlichen Handschrift bereits vielfach un- tersucht worden ist, lohnt es sich immer wieder, die zentrale Rolle der Handschriften für die moderne Bewertung jener mittelalterlichen Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Immer noch hören wir viel zu schnell vom sogenannten ‘dunklen Mittelalter’, so als ob jeder Aspekt der damaligen Zeit negativ oder primitiv, ja barbarisch gewesen wäre. Kulturhistorisch erweist sich solch ein Pauschalurteil sowieso immer als höchst problematisch. Indem hier erneut die Entste- hung und das Wesen mittelalterlicher Handschriften vor allem im literarhistorischen Kontext betrachtet wird, ergibt sich die ungemein wichtige Möglichkeit, innovative epistemologische Kategorien zu entwickeln, um unser Wahrnehmungsvermögen vergangener Kulturen wie der des europäischen Mittelalters kritisch zu schärfen und zu erkennen, dass unsere Urteile über die Vergangenheit meist doch durch konkrete subjektive Filter bestimmt sind, die kaum der kritischen Überprüfung standzuhalten vermögen. Mittelalterliche Handschriften repräsentie- ren bestimmt nicht die gesamte Gesellschaft der damaligen Zeit, vielmehr nur die intellektuelle und soziale Elite, aber sie bestätigen auf ihre Weise, dass auch in der Vormoderne ungemein hochentwickelte und ästhetisch und philosophisch bedeutsamste Kunst- und Schriftwerke ent- stehen konnten.

Keywords: Handschriften, Illuminationen, mittelalterlicher Literaturbetrieb, Überlieferung mittelalterlicher Texte, Autorporträts, Sammelcodices, Glorie des Mittelalters

Einleitung

Zwischen 1504 und 15016 bemühte sich der Bozener Zöllner Hans Ried darum, im Auftrag von Kaiser Maximilian I. das später so benannte Ambraser per Hand zu schreiben. Er schuf damit eine der prächtigsten spätmittelalterlichen Hand- schriften, und dies zu einer Zeit, als der Buchdruck längst schon vorherrschend gewor- den war und nicht mehr Pergament, sondern Papier das Schreib- bzw. Druckmaterial ausmachte.1 Natürlich dominierte seit der Erfindung der Druckpresse durch Johann Gutenberg die Inkunabel (ca. 1450‒ca. 1500) bzw. das gedruckte Buch,2 aber sowohl diese Prachthandschrift als auch viele andere dokumentieren das unablässige Interes- se an dieser traditionellen Methode, Texte zu überliefern und weiterzureichen.

The online edition of this publication is available open access and licensed under a Creative Commons Attribution CC-BY 4.0 license. To view a copy of this license, visit https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

© 2020 Albrecht Classen https://doi.org/10.3726/med.2020.01.03 72 Mediaevistik 33 . 2020

Eigentlich ist diese Faszination an der Handschrift bis heute nicht völlig verloren gegangen, denn wertvolle Dokumente bedienen sich weiterhin des Pergaments, und wenn ein solches per Hand beschriftet worden ist, genießt es einen ganz besonderen Wert. Dazu gehören Geburtsurkunden, Stiftungsurkunden, Auszeichnungen, Ver- träge, Verfassungen etc. Trotzdem muss man davon ausgehen, dass heute praktisch die gesamte Druckwelt auf Papier beruht bzw., was sich mittlerweile ganz rasant herausstellt, auf dem digitalen Medium, befinden wir uns ja in einem umfassenden Paradigmenwechsel. Die Handschrift aus Pergament gehört also zu den Raritäten in der modernen Welt und repräsentiert ein außerordentlich wertvolles Objekt, oft mit hohem Sakralwert ‒ die Aura des mittelalterlichen Manuskripts lebt fort! Moderne Torahs (Toras) werden bis heute aus feinem Kalbs- oder Schafsleder hergestellt, wenn möglich von Föten, denn dann ist das Beschriftungsmaterial besonders fein und dünn und erlaubt sehr günstig das Auftragen der Schrift mittels einer Truthahnfeder oder anderer Stifte. Das Erstellen einer Torah konstituiert bis in die Gegenwart quasi einen religiösen Akt und ist nur auserwählten Schreibern bzw. Gelehrten gestattet, die ihre Arbeit auf koschere Art und Weise durchführen müssen. Sowohl hohe Kunstfertigkeit als auch beträchtliche Bildung sind hierbei vonnöten, um ein solches ‚heiliges‘ Buch für eine Synagoge herzustellen, was uns aber direkt mit der Welt der Handschriften aus der Zeit vor dem Buchdruck verbindet. Die Erforschung mittelalterlicher Literatur und anderer Text reicht schon mehre- re Jahrhunderte zurück, und obwohl weiterhin oftmals neue Funde gemacht werden, wenn man gründlicher die Archive durchforstet, verfügen wir doch mittlerweile eine sehr solide Kenntnis von der Welt der Handschriften der Vormoderne.3 Die folgenden Betrachtungen sollen sich daher nicht so sehr auf rein philologische oder paläogra- phische Aspekte beziehen, die für jedes mittelalterliche Werk, das heute mindestens in einer modernen Editionen vorliegt, bereits ausführlich behandelt worden sind (sie- he z.B. Walther von der Vogelweide).4 Statt dessen besteht mein Anliegen darin, an- hand der mittelalterlichen Literaturproduktion auch im rein technischen Sinne das Augenmerk auf ein zentrales, dennoch oftmals viel zu wenig beachtetes Anliegen zu richten und mittels der Konzentration auf die Handschriften einen relevanten Zugang zur Vormoderne zu entwickeln. Für den Experten werden viele Themen mittlerweile längst selbstverständlich sein, aber aus kulturhistorischer Sicht lohnt es sich doch, diese noch einmal im größeren Zusammenhang vor Augen zu führen, um dann genau- er nachzufragen, welche kunsthistorische, philosophische, literaturwissenschaftliche oder theologische Bedeutung solche Manuskripte des Mittelalters insgesamt besitzen.5

Das ‚dunkle Mittelalter‘

Man hört allenthalben von sehr negativen Urteilen über das Mittelalter, das oft- mals, ganz naiv und ohne jegliches Hintergrundwissen, als das ‘dunkle Mittelalter’ charakterisiert wird.6 Natürlich ist es ein leichtes, aus kulturhistorischer Sicht ne- gative Urteile zu fällen, denn man muss ja nur ein Raster auswählen, mittels dessen positive Elemente schlicht verschwinden, während die negativen übrigbleiben und Mediaevistik 33 . 2020 73 das Bild komplett dominieren. Ohne Frage erweist sich dann die Vormoderne als eine Kulturepoche, die jedenfalls technisch gesehen weit hinter unseren eigenen zurücksteht. Viele Dinge des alltäglichen Lebens, die wir heute als selbstverständ- lich ansehen, gab es damals nicht. Die medizinische Versorgung und die allgemei- ne Hygiene waren weitgehend sehr unterentwickelt; das globale Weltbild war noch geozentrisch ausgerichtet; der Glaube an Gott beherrschte die Menschen weitge- hend vollständig; die Kenntnisse über fremde Länder oder gar Kontinente waren sehr beschränkt; etc. Trotzdem kommt man nicht umhin, will man gerade das 20. Jahrhundert mit dem Mittelalter vergleichen, das Urteil zu fällen, dass die wahrhafte Barbarei erst in der Moderne auftrat. Zwar hören wir in der Vormoderne ebenfalls von vielen Kriegen, von den Kreuzzügen, von Hungersnöten, Pestilenzen etc., ja auch von Pogromen ge- gen die Juden und globaler Feindschaft gegen die Muslime (aus europäischer Sicht), aber einen Holocaust hat es nicht vor der eigenen Gegenwart gegeben. Genozide wie derjenige der Türken gegen die Armenier fand erst 1915 statt, und derjenige in Burun- di der Tutsis gegen die Hutu vollzog sich in drei großen Wellen, 1972, 1988 und 1993. Die Zahl der Massenvernichtungswaffen, die heute in vielen Ländern der Welt zur Verfügung stehen, reicht aus, um mehrfach die gesamte Erde auszulöschen. Man hüte sich also davor, die Moderne in ein rosiges Licht zu tauchen, um als Kontraststrategie das Mittelalter als barbarisch oder primitiv hinzustellen. Natürlich gab es in der Ver- gangenheit ebenfalls zahllose Kriege, behandelten Machthaber ihre Untergebene in oftmals brutaler, extrem repressiver Weise, gab es Morde, kam es zu Vergewaltigun- gen oder anderen Verbrechen. Aber wir merken bei dieser Kontrastierung doch nur zu schnell, welche subjektiven Kategorien bei der Bewertung ganzer Kulturen, Völker oder Epochen zum Tragen kommen. Natürlich besteht zunächst die Gefahr, dass man aus diesen Überlegungen heraus genauso irreführend das Mittelalter idealisieren oder glorifizieren könnte. Darum soll es aber gar nicht gehen und wäre sowieso aus wissenschaftlich-objektiver Sicht voll- kommen falsch. Aber das pauschale Negativurteil über die Vormoderne erweist sich als gefährlich und fehlerhaft. Man kann und soll schlicht nicht eine Kulturepoche ver- gleichend neben eine andere stellen, man würde dabei sowieso nur verkehrte Kriterien ins Feld führen und gar keine soliden, verifizierbaren Ergebnisse erhalten. Elektrizität z.B. gehört zu unserer modernen Welt, aber deswegen war das Mittelalter nicht auto- matisch ‘dunkel’ im wortwörtlichen und übertragenen Sinn.

Die mittelalterliche Handschrift

Die Existenz einer unglaublichen Fülle an mittelalterlichen Handschriften belegt so- fort, dass unsere kulturhistorischen Wertvorstellungen äußerst subjektiv sein können. In Frankreich allein existieren bis heute ca. 50 000 solche Bände aus der Zeit vor 1500, 25 000 davon in der Nationalbibliothek Paris, ca. 22 000 in Stadtbibliotheken und 3 700 in Universitätsbibliotheken.7 Diese waren natürlich fast komplett der intellektu- 74 Mediaevistik 33 . 2020 ellen und politischen Elite vorbehalten bzw. für diese geschaffen und spiegelten ihre Bildung und ökonomische Macht. Konzentrieren wir uns im Gegensatz dazu etwa auf die Welt der einfachen Bauern, könnte uns schaudern – was auch einem Stereotyp entspräche8; widmen wir uns dem Leben eines Hochadligen, würden wir hingegen vielleicht gar nicht aus dem Staunen kommen. Gebildete adlige Damen genossen gänzlich andere Existenzbedingungen als die Mönche verschiedener Orden, usw. Die sozialen Bedingungen im Mittelalter waren also weit auseinandergefächert, was es uns heute unmöglich macht, Pauschal- urteile über die damalige Gesellschaft zu fällen. Was uns die Handschriften überliefern, reflektiert aber meistens sehr viel über den Bildungsstand der Auftraggeber, also der Kleriker, d.h. oftmals der hochrangigen Bischöfe und Äbte. Wir wissen zudem, dass sehr viel an mittelalterlicher weltlicher Literatur, dazu aber auch viel an religiösen Texten von Frauen aus der Schicht der Aristokratie gefördert wurde.9 wenn sie nicht selbst als Schreiberinnen aktiv an der Erschaffung von Handschriften mitwirkten, was gerade in Frauenklöstern oftmals der Fall gewesen war.10 Die unglaublich prächtige Gattung der Stundenbücher, die der privaten Devotion dienten, belegt eindringlich, welch eine bibliophile Pracht sich dort entfalten konnte. Darauf werde ich mich am Ende anhand eines besonderen Exemp- lars genauer konzentrieren. Wie auch immer mittelalterliche Handschriften beurteilt werden, so belegen sie doch auf vielfache Weise die sehr hohe kulturelle Entwick- lungsstufe gewisser Teile jener Gesellschaft vor der Erfindung des Buchdrucks. Mit Verblüffung vermag man sogar zu konstatieren, dass selbst schon im frühen Mittelal- ter die Fähigkeiten klösterlicher Schreiber und Illuminatoren enorm vorangeschritten waren, wie die Meisterleistungen derjenigen vor Augen führen, die z.B. das Book of Kells schufen, oder die die vielen Prachtcodices in Fulda, Echternach, Köln, St. Gallen etc. herstellten.11 Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass uns heute nur noch ein kleiner Bruchteil der Gesamtzahl an mittelalterlichen Handschriften vorliegt, also gerade mal so die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs. Die Verlustrate ist tragischer- weise geradezu gigantisch, und wir müssen uns daher manchmal schon recht kritisch fragen, welchen realistischen Überblick wir überhaupt besitzen.12 Hier soll als erstes kurz ein historischer Überblick der Geschichte von Handschrif- ten geboten werden. Dann werde ich mich auf einige spezielle Exemplare des frühen und des späten Mittelalters konzentrieren, die repräsentativ für den Glanz und die hohe kulturelle Entwicklung jener Epoche einstehen sollen. Den Einstieg bildet aber ein knapper Abriss zur technischen Seite einer Handschrift, die erst nach vielen Bear- beitungsprozessen bereitstand, beschrieben und zu einem Kodex gestaltet zu werden.

Die Geschichte mittelalterlicher Handschriften

Wer über mittelalterliche Handschriften spricht, bewegt sich sogleich in der Welt der mittelalterlichen Klöster, wo allein auf lange Sicht schriftgetragene Bildung vor- handen war und wo die Mönche intensiv darum bemüht waren, theologische Texte aufzuzeichnen und zu kopieren, wissenschaftliche Arbeiten schriftlich festzuhalten Mediaevistik 33 . 2020 75 und Werke verschiedenster Art aus dem Lateinischen in eine der Volkssprachen zu übersetzen. Nachdem im 4. oder 5. Jahrhundert die Schriftrolle aus Papyrus oder die Holztafel vom Pergament ersetzt worden war – bereits Ende des 2. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung unter König Eumenes II. von Pergamon (197‒158) notgedrun- gen entwickelt, weil laut Plinius dem Älteren der ägyptische König Ptolemaios den Export von Papyrus nach Pergamon blockierte aus Neid wegen der in Konkurrenz zu Alexandria dort aufblühenden Bibliothek und Wissenschaft –, kam es gewisserma- ßen zu einer kulturellen Revolution, das frühe moderne Buch, d.h. der mittelalterliche Kodex, entstand, der es dem Leser ermöglichte, schnell und mühelos von einer Seite zur nächsten zu blättern, was sich bis heute als großer Vorteil sogar gegenüber digitale Bücher erweist.13 Seit dem Frühmittelalter befreite sich aber die Handschrift z.T. vom klösterlichen Kontext, denn es entstanden zunehmend Schreibstuben oder Scriptoria auch im welt- lichen Kontext, vor allem verbunden mit den seit dem 12. Jahrhundert aufblühenden Universitäten. An vielen Orten wurden offizielle Schreibwerkstätten geschaffen, was zur enormen Verbreitung auch weltlicher Literatur beitrug. Die Produktivität dieser Werkstätten steigerte sich im Spätmittelalter erheblich, und es dauerte daher doch so etwa zwei Jahrzehnte nach 1450, bis die Druckerpresse soweit entwickelt war, dass sie tatsächlich die Handschrift verdrängen und zu überholen vermochte, obwohl Manu- skripte wie das Ambraser Heldenbuchs weiterhin repräsentativen Charakter behielten. Eine Handschrift zu erzeugen verlangte stets eine größere Gruppe von Handwer- kern bzw. Fachleuten und Künstlern, denn es gab sehr viele Einzelschritte zu verfol- gen, bevor ein gutes zum Schreiben geeignetes Pergamentblatt vorlag. Halten wir uns die praktischen Seiten vor Augen. Zunächst muss ein Tier ausgewählt werden, das für diese Zwecke am besten geeignet war. Kühe oder Pferde verfügen über eine zu dicke oder feste Haut, die nicht als Pergament eingesetzt werden kann. Stattdessen dient die Haut von Schafen, Ziegen oder Kälber am besten für die Aufgabe, denn die Tiere wur- den in großen Herden gehalten und waren groß genug, dass man eine gute Folioseite aus der Haut schneiden konnte, und ihre Haut erwies sich als dünn genug, um sie als Schreibstoff zu benutzen. Das Pergament, das aus der Haut von Kälbern gemacht wird, nennt man vellum, und das von Schafshaut pergamentum. Nachdem das Tier geschlachtet war, musste die Haut abgezogen und auf beiden Seiten gründlich gereinigt werden (Haare und Fett müssen entfernt werden). Die Haut wurde dann in einen Rahmen gespannt und ins Kalkwasser gelegt, damit sie die not- wendige chemische Behandlung erfuhr. Wenn man sie einfach hätte trocknen lassen, wäre sie schnell geschrumpft, hart und brechbar geworden, also ungeeignet für den weiteren Gebrauch. Anschließend behandelte man die Haut erneut mit einem Messer, um letzte Spuren des Tieres zu entfernen. War die Folioseite erst einmal bereit, wurde sie gefaltet und erneut mit einem Bimsstein gereinigt. Im weiteren Prozess wurde das Pergament zu- rechtgeschnitten, mögliche Löcher oder Risse wurden genäht oder geschlossen – das Tier musste ja getötet werden, also gab es immer ein Einstichloch –, dann trat der Rub- rikator auf und zog die notwendigen Linien, auf denen der Schreiber den Text auftrug. Ein Illustrator verzierte die Initialen oder fügte Bilder hinzu, entweder im Rahmen der Textseite oder auf einer ganzen Seite. Darauf bestand die Aufgabe des Korrektors 76 Mediaevistik 33 . 2020 darin, den Text genau zu überprüfen und ihn notfalls mittels eines Rasiermessers zu verbessern. Erst dann wurden die einzelnen Seiten gebunden, mit Vorder- und Rück- tafel sowie Befestigungsschnallen versehen. Recht häufig stellte sich heraus, dass ein gewisser Text nicht mehr als richtig oder angemessen angesehen wurde. Daher kratzte man ihn einfach aus und überschrieb ihn, aber weil das Pergament ja stets die Tinte tief in sich aufnimmt, blieb eine gewisse Spur des originalen Textes meist doch übrig, was uns heute erlaubt, mit Hilfe von opti- scher Technik tief in die Seite hineinzuschauen und den alten Text zu rekonstruieren, ein Phänomen, das Palimpsest genannt wird. Man griff auf dieses Procedere zurück, schlicht weil Pergament zu wertvoll und teuer war, um es leicht in größeren Mengen zu produzieren bzw. es bei Problemen einfach wegzuwerfen.14 Nur wenn man über eine größere Viehherde verfügte und oftmals die Tiere schlachtete, stand nicht nur viel Fleisch, sondern standen auch viele Pergamente zur Verfügung.15 Die Entwicklung von Papier auch in Europa – man kannte es lange vorher schon in China und Korea – seit dem Ende des 13., vor allem aber seit dem 14. Jahrhundert veränderte vieles in der Produktion und dem Verkauf von Büchern bzw. Handschriften, aber selbst nach 1450 konnte es geschehen, dass besonders wertvolle Texte wie die Bibel auf Pergament gedruckt wurden.16 Eine Pergamentseite bestand oftmals aus vielen verschiedenen Elementen, die alle zusammen in den Blick genommen werden müssen, um vollständig zu begrei- fen, welches geistige Konzept sich auf dem Blatt spiegelt. Zunächst ist der Text selbst zu betrachten, der oftmals in mehreren Kolumnen aufgeschrieben wurde. Illustrierte Initialen zeigten die einzelnen Kapitel an. Häufiger wurden auch neue Zeilenanfän- ge farblich markiert, meist in blau und rot oder abwechselnd. Viele mittelalterliche Handschriften sind ausgiebig illustriert und beweisen sich allein schon von daher als enorme Kunstschätze, fast die einzigen, die bis heute überliefert sind. Glasmalerei, Fresken und Skulpturen haben oftmals nicht den Zahn der Zeit überlebt, aber Hand- schriften wurden als größte Kulturgüter angesehen und besaßen einen meist unschätz- baren Wert. Man hob sie also sorgfältig in Bibliotheken auf, und oftmals wurden sie sogar angekettet, um sie vor Diebstahl zu beschützen (wie heute noch in der Bibliothek von der St. Walburga-Kirche zu Zutphen in Nord-Holland zu sehen ist). Viele Klöster tauschten sich Handschriften aus, damit man die Texte abschreiben und somit verviel- fältigen konnte, dass dann aber so manche niemals an den ursprünglichen Eigentümer zurückgingen, wirkt kaum überraschend, wenn man den ungeheuren Wert dieser Ma- nuskripte bedenkt. Im Laufe der Zeit wanderte das Geschäft der Handschriftenproduktion von den Klöstern zu den Universitäten bzw. privaten Schreibwerkstätten in den größeren Städ- ten. Aber auch an den weltlichen Höfen wurden viele Text geschaffen und abgeschrie- ben, denn der Adel war generell von einem hohen Interesse an höfischer, didaktischer, instruktiver u.a. Literatur bestimmt. Dichtung und das Verfassen von faktischen Wer- ken (Medizin, Jura, Politik, Theologie, praktische Belehrungen etc.) besaßen ein ho- hes Ansehen, auch wenn der Beruf des Schreibers (für einen Fürsten oder gar den König selbst) nicht unbedingt reich für seine Arbeit bezahlt wurde. Handschriften zu sammeln war eine der großen Leidenschaften des hohen Adels und des Klerus, und seitdem sich im 12. Jahrhundert das Universitätswesen entwickelt Mediaevistik 33 . 2020 77 hatte, wurden auch immer mehr private Bibliotheken angelegt, womit das Manuskript überhaupt zu einer der zentralen Ikonen des Mittelalters wurde. Es zeichnet sich nicht nur durch die höchste Qualität als Textträger aus, der bei entsprechender Behandlung und Aufbewahrung praktische keine Verfallserscheinungen aufweist, und dies selbst über tausende von Jahren hinweg, sondern es diente zugleich oftmals als ein Medium für die beste Kunstproduktion der Vormoderne. Zugleich beweisen sich die meisten mittelalterlichen Handschriften als außerordentliche Dokumente von Kalligraphie. Wenn man nämlich bedenkt, wie rau trotz der besten Bemühungen die Schreibober- fläche eines Pergaments war, wie dickflüssig die meist aus gerbstoffhaltigen Eichen- gallen hergestellte Tinte war, in die die Gänse- oder Truthahnfeder getaucht wurde, dann kann man heute nur über die hohe Qualität der aufgezeichneten Texte staunen.17 Im Laufe der Zeit veränderten sich sowohl die Schrifttypen als auch die Illust- rationen, von den einzelnen historischen Sprachstufen (etwa, Althochdeutsch, Mit- telhochdeutsch, Neuhochdeutsch) und Inhalten ganz abgesehen. Das mittelalterliche Manuskript war also ein zentraler Spiegel der zeitgenössischen Kultur, das die weit- gehend bestehende mündliche Kultur übersteigerte und Permanenz in der Kommu- nikation, Lehre und Unterhaltung ermöglichte. Mittels der Handschrift wurden nicht nur die wichtigsten Texte fiktionaler und faktischer Art für die Nachwelt aufbewahrt, sondern man schätzte Manuskripte überhaupt als die wesentlichsten Kunstgüter ihrer Zeit. In der Tat, die Handschriftenillustrationen dürfen trotz ihrer geringen Größe als die wichtigsten Kunstwerke des gesamten Mittelalters angesehen werden. Soweit also zur praktischen Seite bei der Herstellung von Pergament und dessen Einsatz für die Schaffung von Manuskripten. Nun aber wenden wir uns der Relation von Text und Handschrift zu, um den kulturhistorischen Wert der letzteren besser zu verstehen.

Literatur und Handschriften

Auf der anderen Seite erlaubt uns die Überlieferungslage von mittelalterlichen Hand- schriften, einen recht guten Eindruck von der Popularität einzelner Werke oder Dichter zu gewinnen. Allerdings muss von vornherein beachtet werden, dass Quantität nicht unbedingt Qualität spiegelt bzw. dass das moderne Urteil über bestimmte Heldenepen oder höfische Romane nicht notwendig mit dem der mittelalterlichen Leser/Zuhörer übereinstimmen muss. Das Ambraser Heldenbuch z.B. enthält eine Reihe von extrem wichtigen Werken der mittelhochdeutschen Literatur, wie wir heute sagen würden, die aber sonst entweder kaum oder gar nicht erhalten sind. D.h., manche Texte wie Kudrun oder Mauritius von Craûn existieren nur hier, obwohl beide schon im frühen oder späten 13. Jahrhundert verfasst wurden. Wie sie über mehr als drei Jahrhunderte mittels der oralen Rezeption der Nachwelt bekannt blieben, vermögen wir heute nicht zu sagen, aber umso wichtiger ist genau die einzige Handschrift, die den einzigen Textzeugen darstellt. Nicht auszuschließen ist gerade bei diesen zwei Fällen, dass sie bei den Zeitgenossen in Vergessenheit gerieten, dass sie aber von Hans Ried bei seiner Suche nach angemessenen Texten für den großen Sammelband neu gefunden und in 78 Mediaevistik 33 . 2020 das Heldenbuch aufgenommen wurden. Freilich bewirkte auch dies nichts hinsichtlich ihrer weiteren Rezeption, denn die Neuentdeckung und neue Wertschätzung kam erst im 19. und 20. Jahrhundert. Auf der anderen Seite sehen wir uns in recht vielen Fällen einer ungemein großen Zahl von Handschriften gegenüber, in denen einzelne Werke kopiert waren. Einige der wichtigsten Beispiele waren z. B. die sehr bekannten, hoch angesehenen, vielleicht sogar ‘kanonischen’ Werke wie das anonyme , Wolframs von Eschen- bach Parzival und Willehalm und Gottfrieds von Straßburg Tristan. Dazu kommen zahllose religiöse oder didaktische, dazu auch juristische Werke, wie etwa Eikes von Repgow extrem populärer Sachsenspiegel (275 Handschriften). Betrachten wir uns einige Zahlen, um einen besseren Eindruck von der heutigen Sachlage zu bekommen. Ulrich Bonerius’ Edelstein (ca. 1350) ist in 36 Handschriften von der Zeit bis zum frühen 16. Jahrhundert überliefert; Walthers von der Vogelweide Lieder sind in 21 Handschriften teilweise oder vollständig aufgezeichnet worden; Wolframs Parzival existiert in 88 Handschriften, und sein Willehalm in 79, die Titurel-Fragmente aber nur in 3. Hartmanns von Aue Der arme Heinrich liegt uns in 7, der Erec in 4, der Iwein in 33, der Gregorius in 14 Handschriften vor. Die Lieder Neidharts finden sich in 28 Handschriften; Konrads von Würzburg Der Welt Lohn existiert in 9 Handschriften, seine allegorische Dichtung Die goldene Schmiede in 41, sein Herzmære in 13 und sein großer Trojanerkrieg in 20 Handschriften. Wir gelangen in eine ganz andere quantitative Kategorie, wenn wir uns mystische Literatur anschauen, z.B. Heinrich Seuses Büchlein der ewigen Wahrheit, welches in 186 Handschriften auf uns gekommen ist; sein Exemplar dagegen nur in 15, seine Pre- digt in 14 und seine Vita in 16 Handschriften. Mechthilds von Magdeburg Das Licht der fließenden Gottheit wurde in 19 Handschriften aufgezeichnet; Elisabeths von Schönau Revelationes de sacro exercitu virginum Coloniensum auf Deutsch liegt in 9 Handschriften vor. Die Zahlen schnellen bei den Werken Meister Eckharts beträcht- lich hoch, denn die Predigt findet sich in 82 Handschriften, die Reden der Unterschei- dung in 27, seine Spruchsammlung in 21 und sein Traktat Von abegescheidenheit in 17 Handschriften. Karl der Große, um wieder zur weltlichen Literatur zurückzukehren, verfasst von Dem Stricker, existiert in 42, seine Kleineren Reimpaardichtungen in 45, sein Pfaffe Amîs in 13 und sein Daniel von dem Blühenden Tal in 5 Handschriften. Nur, all diese Zahlen sind mit größter Vorsicht zu betrachten, denn die beliebtesten Werke könnten gerade wegen ihrer hohen Popularität schnell aus den Handschriften- beständen verschwunden sein, weswegen heute nur noch wenige Abschriften erhalten sind. Oder sie wurden zu Opfern von Kriegsumständen, Feuer, Wasser oder Bücher- würmern. Sehr viele Handschriften, die den Ackermann aus Böhmen von Johannes von Tepl, heute noch in 17 Kopien vorhanden, gingen im Hussitenkrieg verloren, als die Böhmen systematisch deutsche Städte, Klöster oder Kirchen zerstörten. Johannes Hartliebs Werke haben den Zahn der Zeit relativ gut überstanden, denn De Amore deutsch liegt in 15, der Alexander in 20, sein Kräuterbuch in 9, seine Kunst der Ge- dächtnüß in 10, sein Mondwahrsagebuch in 7, seine Namenmantik in 10 und seine Secreta mulierum in 9 Handschriften vor.18 Was besagen nun diese Zahlen? An erster Stelle sind sie als sehr relativ anzuse- hen, denn vielfache Überlieferung ist nicht notwendigerweise ein absoluter Beweis, Mediaevistik 33 . 2020 79 dass das jeweilige Werk sehr beliebt gewesen ist. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass dies doch der Fall war, ist zumindest recht hoch. Sachbücher wie Kochbücher kön- nen schnell ‘zerlesen’ worden sein, und dies trifft wohl auf viele andere pragmatische Textsorten wie solche der Heilkunde zu. Wenn man sich insbesondere die mittelal- terliche Fachliteratur der Artes vornimmt, sieht man sich nicht nur mit einer umwer- fenden Fülle an verschiedenen Genres gegenüber, sondern ebenso einer solchen von Handschriften.19 Aber viel wichtiger ist doch, dass in den meisten Fällen ein Text gar nicht von individuellen Rezipienten gelesen wurde; vielmehr ist meistens von einer Vorlesung auszugehen, denn das Kollektiv, sei es die höfische Gesellschaft, sei es die klösterliche Gemeinschaft oder sei es das städtische Publikum, ganz abgesehen von den Universitäten, bevorzugte allemal, ein Werk vorgetragen zu bekommen, wobei es eben in der Gruppe goutiert und verarbeitet werden konnte. Natürlich übereinstimmen unsere heutigen Urteile über individuelle Texte nicht mehr unbedingt mit denen des Mittelalters, aber ganz abwegig sind freilich diese har- ten Zahlen für unsere Betrachtung dennoch nicht, wie es insbesondere der Fall von Wolframs von Eschenbach Parzival gut vor Augen führt. Die kümmerliche Überlie- ferungslage seines Titurels hingegen (nur 3 Fragmente) bedeutet keineswegs, wie die neuere Forschung eindringlich demonstriert hat, dass wir diesen Text wenig zu schät- zen brauchen, auch wenn die Zeitgenossen wohl weniger davon hielten.20 Vielmehr kommt es ganz auf die Umstände an, die wir heute nicht mehr eindeutig zu rekonstru- ieren vermögen, wie uns der Jüngere Titurel Albrechts (von Scharfenberg) illustriert, der Wolframs knappen Text gewaltig ausweitete und damit einen großen Erfolg erlebte (60 Handschriften). Wenn man sich nun vor Augen hält, von wem eine vorgetragene Dichtung rezipiert wurde, verändert sich die Situation schlagartig. Ein Sänger, Goliarde, Vagant oder ähnlich zog natürlich über viele Jahre hinweg von Hof zu Hof und trug dort für den Lebensunterhalt sein Repertoire vor, ob eine heroische Dichtung oder höfische Min- nelyrik, was auch für so große und angesehene Dichter wie Walther von der Vogelwei- de zutraf. Wie groß das jeweilige Publikum gewesen sein mag, lässt sich heute kaum genau einschätzen, aber wir können auf jeden Fall eine sehr hohe Zahl von Zuhörern insgesamt annehmen, die über viele Jahre hinweg ein Werk goutierten. Gleichzeitig ist zu bedenken, dass fast jede mittelalterliche Handschrift einen bibliophilen Schatz ausmachte, sei es wegen des Pergaments, sei es wegen des Inhalts, sei es wegen der Illustrationen oder sei es wegen des Gesamtphänomens. Eine große Bibliothek mit Handschriften (vielleicht bis zu 200‒300) zu besitzen, war mithin eine fürstliche Aus- zeichnung und steigerte erheblich das öffentliche Ansehen. Während im frühen und hohen Mittelalter die Handschriftenproduktion primär ein Anliegen von Klöstern waren, verweltlichte sich dieser Prozess zunehmend im Laufe der Zeit, denn immer neue interessierte Gruppen von jungen Schreibkundigen drängten in dieses Arbeitsgebiet, wenn sie nicht eine Stelle innerhalb der Kirche fan- den. Wir können daher eine seit dem 13. Jahrhundert wachsende Zahl von Zentren identifizieren, wo intensiv Manuskripte hergestellt wurden, was aber stets eine hoch- entwickelte (Schreib-)Technik, künstlerische Fähigkeit und ein vorzügliches literari- sches oder technisches Wissen voraussetzte. Der Unterschied zwischen weltlichen und kirchlichen Schreibwerkstätten wurde aber immer weniger relevant, wie etwa diejeni- 80 Mediaevistik 33 . 2020 ge des Bischofs Wolfger von Erla illustriert, wo gerade die berühmten Versionen des Nibelungenlieds um 1200 entstanden.21 Allerdings hatten schon lange vorher Mönche an den verschiedenen Klöstern die volkssprachliche Dichtung aufgezeichnet, ob den Beowulf, das Hildebrandslied oder den Heliand. Im Spätmittelalter hingegen übernahmen städtische oder fürstli- che Schreibwerkstätten diesen Aufgaben, denn sie benutzten den sich entwickelnden spätmittelalterlichen Buchmarkt als wichtige Einnahmequelle. Diejenige von Diebold Lauber (vor 1427‒nach 1471) in Hagenau im Elsass war eine der produktivsten und er- folgreichsten ihrer Zeit, die sich sogar noch länger über die Frühphase des Buchdrucks halten konnte. Mehr als 80 illustrierte Handschriften sind seiner Werkstatt entsprun- gen, die einige der beliebtesten hochmittelalterlichen Werke (Heldenepen, höfische Romane, historische Epen) enthielten, so den Tristan Gottfrieds von Straßburg, den Karl der Große des Strickers, den Parzival Wolframs von Eschenbach, den Wigalois von Wirnt von Gravenberg oder den Trojanerkrieg des Konrad von Würzburg. Zu- gleich produzierte er auch geistliche Literatur, bemühte sich also, die verschiedens- ten Interessen unter seinen potentiellen Kunden anzusprechen.22 Diese kommerzielle Strategie wurde dann natürlich auch von den Frühdruckern verfolgt, denn der Markt bestimmte die Nachfrage und damit die jeweilige Produktion von Handschriften bzw. Inkunabeln/Drucken.

Stundenbücher als Sternstunden der mittelalterlichen Herstellung von Manuskripten

Die Fülle an verschiedenen Genres unter den mittelalterlichen Handschriften ist kaum zu überblicken, aber es besteht weitgehend Übereinstimmung in der Forschung und auch in der Öffentlichkeit, dass die Stundenbücher zu den wahren Kostbarkeiten der mittelalterlichen Buchkunst gehören.23 Eines davon sei zuletzt noch vorgestellt, um einen guten Eindruck davon zu gewinnen, welche ästhetischen, spirituellen, literari- schen und kunsthistorischen Dimensionen sich hier uns darbieten. Das Stundenbuch der Maria von Burgund, heute in der Österreichischen Nationalbibliothek unter der Signatur Codex Vindobonensis 1857, entstand im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts für eine der mächtigsten adligen Damen des Spätmittelalters (1457‒1482), der Tochter des Herzogs Karl der Kühne, die später die Ehefrau des zukünftigen Kaisers Maxi- milian I., des Sohns Kaiser Friedrichs III. wurde. Bis zu ihrer Heirat war sie in Gent aufgewachsen und genoss ein luxuriöses Leben, was also die Erklärung dafür bietet, wieso dieses ungemein prächtige Stundenbuch für sie geschaffen wurde. Zwar war 1477 ihr Vater in der Schlacht von Nancy gefallen, was die Hochzeit um einige Monate verschob, aber diese wurde nicht deswegen aufgehoben. Wir nehmen an, dass Maria dieses Stundenbuch zu dem Zeitpunkt bereits besaß, ein Geschenk ihrer Stiefmutter, Margarete von York, der Schwester des englischen Königs Eduards IV. – sie hatte Herzog Karl 1468 geheiratet, nachdem dessen erste Frau Isabella von Bourbon 1465 gestorben war.24 Stundenbücher, besser unter dem französischen Begriff Livres d’heures bekannt, enthielten meistens die 150 Psalmen, Gebete und auch Kalender, alles für den ‘Haus- Mediaevistik 33 . 2020 81 gebrauch’ meistens von fürstlichen Damen bestimmt. Mit Hilfe eines dieser relativ kleinen bibliophilen Juwelen war es der Besitzerin möglich, den kirchlichen Rhyth- mus der Liturgie im Privaten zu verfolgen und sich somit einen Freiraum zu schaffen, in dem sie ihren religiösen Verpflichtungen nachkommen konnte, ohne sich aus dem Hause begeben zu müssen. Es wäre hier viel zu sagen über den Inhalt dieser Gattung, aber es reicht zu betonen, dass dasjenige der Maria von Burgund geradezu als Ideal- typus einstehen kann, weil es praktisch all die erwarteten Elemente enthielt. Zugleich beweist es sich aber auch als ein Glanzlicht der mittelalterlichen Buchproduktion.25 Der Inhalt besteht überwiegend aus Gebeten, einem Kalender, Psalmen, Offizien, und dann aber insbesondere aus ganzseitigen oder kleineren Illustrationen meistens von biblischen Szenen.26 Wohin auch das Auge schaut, überall tritt uns eine unendliche Menge an Szenen aus dem menschlichen Alltag, aus der Natur oder aus dem religiösen Bereich entgegen. Der sogenannte “horror vacui” macht sich hier genauso bemerkbar wie etwa im berühmten Nonnenchor des Zisterzienser-Klosters Wienhausen bei Cel- le.27 Obwohl die Künstler sicherlich eine Art Musterbuch verwendeten, um die Unzahl an Früchten, Ranken, Tieren, Interieurs, menschliche Tätigkeiten (als Spiegel der Jah- reszeiten), Vögel oder Fische abzubilden, merkt man hier doch sehr deutlich, wie stark sich ein neuer Sinn für spätmittelalterlichen Realismus bemerkbar macht. Zugleich entdeckt man die große Freude der Künstler, die ihrer Fantasie offensichtlich freien Lauf lassen durften und gerade in den Rändern großartige Marginalien einfügten. Obwohl es hier um ein Stundenbuch für eine hochadlige Dame handelt, verhinderte dies überhaupt nicht, dass gerade im Kalender für jede Seite ein Medaillon eingefügt wurde, das eine typische bäuerliche Tätigkeit im Laufe des Jahres abbildete. Zugleich aber war es den Künstlern offensichtlich gestattet gewesen, viele spielerische, skurrile, ja groteske Szenen zu integrieren, was nicht untypisch für das Spätmittelalter gewesen ist, sei es, dass menschliche Figuren aus Blüten auftauchen, Tänzer und Musikanten auftreten, nackte Gestalten sich auf dem unteren Rand tummeln, Fabelwesen auftau- chen und dann aber auch Engel. Der auf seiner Harfe spielende alttestamentarische König David ist ebenso präsent wie ein nacktes Kind, das sich an einer Gehhilfe fest- hält. Der Imagination war praktisch kein Riegel vorgeschoben, und was wir in diesen spätmittelalterlichen illustrierten Manuskripten entdecken, übersteigt fast unsere Fä- higkeit, rational den Konzepten der Künstler zu folgen.28 Aus kunsthistorischer Sicht wäre sehr viel über diese außerordentlich illustrierte Handschrift zu sagen, hier aber genüge es, sich allein auf das faszinierende Bild von einer Innenszene zu konzentrieren. Der Betrachter wird sofort auf die zentrale Stelle innerhalb einer gotischen Kirche gelenkt, wo die Jungfrau Maria im dunkelblauen Gewand das nackte Christuskind auf dem Schoß hält. Mehrere höfische Damen, ein- deutig im burgundischen Stil des späten 15. Jahrhunderts gekleidet, knien anbetend auf ihrer rechten Seite. Ein Mann in einem dunkelroten Gewand (Pluviale) kniet auf Marias linken Seite. Die ganze Szene eröffnet sich uns, weil wir durch ein Fenster mit Butzenscheiben hineinschauen. Vor dem Fenster aber sitzt eine ebenfalls prächtig ge- kleidete Dame, die ein Stundenbuch auf grünem Tuch hält und offensichtlich intensiv darin liest. Das ganze Bild ist von Licht durchflutet, das durch die gotischen Fenster fast ganz ungehindert eindringen kann. 82 Mediaevistik 33 . 2020

Die hier bereits verwendete Zentralperspektive führt von uns aus gesehen durch das Fenster direkt auf Maria und von dort hin bis zum Altar im hinteren Teil, und wir wer- den damit privilegiert, an dem heiligen Geschehen in der Kirche direkt teilzunehmen. Die Forschung hat mehrheitlich geurteilt, dass die weibliche Figur im Vordergrund wohl Margarete von York sein muss, während die Dame, die neben Marie kniet, Ma- ria von Burgund sein dürfte, deren Gebet also direkt von der Jungfrau erhört wurde, weil sie sich persönlich zusammen mit dem Christuskind zu erkennen gab. Durch die Doppelung des Raumes, getrennt durch ein großes Fenster, erfolgt eine faszinierende Transformation des Betrachters, denn einerseits befinden wir uns im Vordergrund in einem privaten Raum der persönlichen Devotion, andererseits zusammen mit der Be- sitzerin des Stundenbuchs im unmittelbaren Kontakt mit der göttlichen Vision. Auch die architektonische Gestaltung der Szene erweist sich als ungemein ge- schickt und komplex, denn wir durchwandern mit unseren Blicken gleich zwei Räume und befinden uns als Betrachter zugleich in unserem eigenen, dritten Raum. Indem die Dame im Vordergrund in ihrem Stundenbuch liest, erhalten wir die Mitteilung, dass ihre Devotion tatsächlich zur spirituellen Transformation führt, an der Maria von Burgund teilhaben darf, die aber nicht mehr der liturgischen Texte bedarf, sondern in unmittelbarer Nähe zur Jungfrau Maria gezeigt wird. Die Kleidung der Personen könnte nicht prächtiger sein, was die ungemein luxuriöse Ausstattung des burgundi- schen Hofes spiegeln soll. Die vielen Details (Schoßhund, Gebetskette, Polsterkissen, zwei blühende Iris in einer Vase, zwei Engel und die gesamte architektonische An- lage) dienen dazu, eine spirituelle Unmittelbarkeit zu erreichen, die an eine mysti- sche Vision grenzt, die hier bildlich umgesetzt wurde. Ob der Künstler darum bemüht war, die einzelnen Personen erkennbar zu machen, vermögen wir nicht zu bestimmen, während die religiöse Situation nicht eindringlicher sein könnte. Zwar entdecken wir hier schon einen guten Ansatz zur Zentralperspektive, aber die gesamte Miniatur ge- hört vollständig in die spätgotische Kulturgeschichte und liefert damit einen schlagen- den Beleg für die These, dass dieses vermeintliche Mittelalter keineswegs einfach als ‘dunkel’ zu bezeichnen wäre. Die Integration von einer Fülle an exakten Abbildungen von verschiedensten Vö- geln, Früchten, Pflanzen, Musikinstrumenten und menschlichen Figuren dokumen- tiert eindeutig, welch ein hohes Kunstverständnis und -vermögen diesem Stundenbuch zugrunde lag, in dem ein starker Sinn für Realismus sich mit dem tiefen Interesse an spiritueller Transsubstantion vereinigte, ein charakteristisches Element des Spätmit- telalters,29 aber eben nicht nur in der gotischen Freskokunst und in den Holzschnitt-Al- tären etwa eines Tilman Riemenschneiders, sondern gleichfalls in den illustrierten Handschriften des 14. und 15. Jahrhunderts. Trotzdem ist es für uns unmöglich, eindeutig die Identität der zwei weiblichen Figu- ren, von der männlichen ganz zu schweigen, zu bestimmen, denn der Künstler beab- sichtigte kaum, ein exaktes Porträt der Mäzenin (Margarete von York?) zu bieten. Dies überrascht jedoch keineswegs, denn solche Porträts finden sich praktisch nirgends im Mittelalter, denn das Individuum war stets noch der göttlichen Macht unterworfen und sollte sich nicht durch das biographische Eigenbewusstsein aus diesem spirituellen Rahmen begeben. Dies heißt zwar nicht, dass wir keinerlei Informationen über die verschiedenen Dichter besäßen, denn selbst schon Hrotsvita von Gandersheim, später Mediaevistik 33 . 2020 83

Marie de France oder Wolfram von Eschenbach, um nur eine kleine Auswahl zu tref- fen, fügten viele biographische Anspielungen in ihre Texte ein.

Codex Manesse

Besonders eindringlich macht sich aber diese bewusste Anonymität im sogenannten Codex Manesse bemerkbar, der zwischen 1280 und 1330 im Auftrag der Züricher Familie Manesse geschaffen wurde, um den großen Schatz der mittelhochdeutschen Minnelyrik vor dem Vergessen zu bewahren (Große Heidelberger Liederhandschrift). Diese Handschrift umfasst 426 Pergamentblätter und enthält die Lieder von 110 Dich- tern, die fast alle auf eine gewisse Art in großformatigen Illuminationen abgebildet wurden (insgesamt 137 Miniaturen, 110 davon den Grundstock ausmachend), ohne dass auch nur einer von ihnen dadurch exakt erkennbar gemacht worden wäre. Viel- mehr stoßen wir hier auf idealtypische Darstellungen, die oftmals Bezug auf einen der Liedinhalte nehmen und mehr symbolisch denn biographisch aufzufassen sind.30 Hier liegt uns ebenfalls ein eindringliches Beispiel dafür vor, welch ein umfangreiches Unternehmen die Produktion einer mittelalterlichen Handschrift darstellte, bei dem viele verschiedene Fachkräfte und Künstler gefragt waren, ganz abgesehen von den Mäzenen bzw. den Geldgebern, ohne die kein Manuskript geschaffen worden wäre. Der Codex Manesse entstand aber nicht über Nacht, sondern war das Ergebnis kollek- tiver Bemühungen über Jahre hinweg, bei dem sich die Auftraggeber stolz in diesem Werk spiegeln konnten.

Oswald von Wolkenstein

Aus dem frühen 15. Jahrhundert ist uns eine andere große Liedersammlung bekannt, die aber vom Dichter selbst, Oswald von Wolkenstein (1376/77‒1445), bestellt wur- de. Wir nehmen heute überwiegend an, dass diese Handschrift B im Augustinerstift Neustift bei Brixen in Südtirol entstand. Was hier aber als ein singuläres Phänomen ins Auge fällt, ist das Dichterporträt Oswalds, das ihn fast schon übertrieben eindring- lich in voller physischen Realität vorstellt, was verschiedene Forscher dazu geführt hat, hier ein Auftragswerk zu erblicken, das Oswald dem italienischen Renaissance- maler Antonio Pisanello bzw. einem seiner Schüler erteilt hatte (zwischen 1432 und 1438). Das Bild darf als eines der frühesten authentischen Porträts eines Dichters des deutschen Mittelalters angesehen werden,31 womit diese Handschrift zusätzlich an Wert gewinnt. Hier finden sich auch sehr frühzeitig die Noten für die Lieder, womit der ganze Kodex zu einem außerordentlich wertvollem Kunstwerk anwächst, das un- sere hohe Anerkennung heischt.32 Von hier aus könnten wir noch zahllos andere spätmittelalterliche Handschriften in die kritische Betrachtung einbeziehen, um die Glorie dieser kunstvollen Werke deut- lich vor Augen zu führen, würden aber nur bestätigen, was die bisherige Forschung bereits umfangreich und überzeugend dargelegt hat33. Natürlich änderte sich im Laufe 84 Mediaevistik 33 . 2020 der Zeit der Stil, die Textauswahl, die Illustrationstechnik, die Motivik der Miniaturen und vieles mehr. Zunehmend entstanden Handschriften mit weltlichen Texten, sei es literarischer, sei es wissenschaftlicher, sei es didaktischer Art. Philosophen und Theo- logen verfassten umfangreiche Werke, Mystiker zeichneten ihre Visionen auf, Ärzte und Architekten boten ihre Erkenntnisse und Wissen immer mehr einem lesekundigen Publikum dar, und die Zahl der einschlägigen Illustrationen ist nicht abzuschätzen.

Schlussfolgerungen

Damit gelangen wir aber auch zum Abschluss unserer Darstellung und Reflexionen. Die mittelalterliche Welt der Pergament-, später auch der Papierhandschriften erweist sich als ungemein technisch und künstlerisch versiert, und auch wenn sie gerade in der Frühphase noch wenig Interesse an Realismus erkennen lässt, besitzen im Grun- de alle mittelalterlichen Handschriften einen außerordentlichen hohen künstlerischen, kalligraphischen, literarischen und informativen Wert. Die Geldsummen, die in diese Werke investiert wurden, lassen sich überhaupt nicht mit den Preisen für moderne Bü- cher vergleichen, denn es waren bibliophile Kunstschätze erster Klasse. Manuskripte dienten nicht bloß dazu, um Wissen zu speichern oder Informationen zu liefern, oder als Grundlage für die Messe zu dienen (Liturgie), und sie waren auch nicht einfach das Medium, um poetische, philosophische, religiöse oder technische Gedanken zu vermitteln. Weit darüber hinaus repräsentierten sie die erlesenste, formvollendetste, meistgeschätzte repräsentative Kunst ihrer Zeit und wurden mit größter Sorgfalt ge- staltet und dann aufbewahrt, wie wir bis heute anhand einiger noch erhaltener Biblio- theken jener Epoche erkennen können. Hier macht sich der wahre Glanz einer ganzen Epoche zu erkennen, denn die Besit- zer von Handschriften hüteten diese mit größter Sorgfalt oder strebten hemmungslos danach, diese für sich selbst anzueignen durch Kauf, Raub, Diebstahl oder Betrug. Bibliotheken in der ganzen Welt streben bis heute danach, wenn nur irgend möglich selbst mittelalterliche Manuskripte zu erwerben und sie in ihren Sammelschatz ein- zufügen, und dies auf der ganzen Welt (z.B. J. Paul Getty Museum, Los Angeles). Natürlich trifft auch zu, dass die große Wertschätzung dieser Werke nicht auf Euro- pa beschränkt war oder ist.34 Verfolgt man also diese Perspektive weiter, erwächst vor unseren Augen nicht eine barbarische, primitive, bedrückende Welt, sondern eine glorreiche Vergangenheit, in der mittels der Handschriften mit die beeindruckendsten Kunstwerke der Menschheitsgeschichte geschaffen wurden. Es ist ein modischer Un- sinn, das Mittelalter im übertragenen Sinne als die ‘Kindheit’ unserer eigenen Epoche anzusehen,35 denn gerade das überwältigende Zeugnis der Handschriften und ihrer tief bewegenden Illustrationen bestätigt, dass wir heute eher als die Urenkelkinder zu beurteilen wären, die die intellektuelle Reife, spirituelle Tiefe und künstlerische Fähigkeit der Vormoderne gewissermaßen verloren haben oder immer noch versuchen heute erneut zu erreichen. Natürlich trifft auch dieses Urteil nicht zu, während wir mit guter Berechtigung abschließen können, dass die Riesenmenge an mittelalterlichen Manuskripten als eindeutige Belege dafür zu dienen vermag, wie weit jene Epoche Mediaevistik 33 . 2020 85 jedenfalls in der Hinsicht schon entwickelt gewesen war und sich keineswegs beim Vergleich mit uns heute in irgendwelche Schatten zu stellen braucht. Der rein finan- zielle Wert von diesen Handschriften sowohl damals als auch gerade heute beweist ja, dass sie zu den Spitzenprodukten ihrer Zeit gehörten und voll und ganz unserer Bewunderung würdig sind. Es geht aber nicht um die materielle Seite, sondern um den ideellen Aussagewert dieser bibliophilen, theologischen, literarischen, kalligraphi- schen und ästhetischen Kunstwerke. Wir begegnen in ihnen außerordentliche Zeugen einer höchst entwickelten Kultur, auch wenn sie nur einen sehr kleinen Prozentsatz der damaligen Bevölkerung reflektierten. Aus dieser Blickrichtung erweist sich das Mittelalter keineswegs als ‚dunkel‘.

Albrecht Classen Dept. of German Studies University of Arizona Tucson, AZ 85721 USA [email protected]

Endnotes

1 Mario Klarer, Hrsg., Kaiser Maximilian I. und das Ambraser Heldenbuch. Wien, Köln und Weimar: Böhlau Verlag, 2019. 2 Stephan Füssel, Johannes Gutenberg. 5. Aufl. Reinbek bei Hamburg 2019. 3 Jean Glenisson, ed., Le Livre au moyen âge. Turnhout: Brepols, 1988. Vgl. dazu auch Hel- mut Presser, Das Buch vom Buch: 5000 Jahre Buchgeschichte. Hannover: Schlütersche Verlagsanstalt und Druckerei, 1978. 4 Walther von der Vogelweide, Leich, Lieder, Sangsprüche. 15., veränderte und um Fas- sungseditionen erweiterte Aufl. der Ausgabe Karl Lachmanns. Aufgrund der 14., von Christoph Cormeau bearbeiteten Ausgabe neu herausgegeben, mit Erschließungshilfen und textkritischen Kommentaren versehen von Thomas Bein. Berlin und Boston: Walter de Gruyter, 2013. 5 Diese Studie entstand im Rahmen eines internationalen Austausches mit der Universidad de Sevilla, wo ich im November 2020 ein Seminar darüber anbot: “La nueva cultura del libro en la Europa de la Edad Media y el Renacimiento,” De la tablila a la tablet: El Libro y los libros desde la antigüedad hasta el texto electrónico, Curso de Otoño 2020, Facultad de Filología, Universidad de Sevilla, Nov. 2020 (online). 6 Siehe z.B. Gerd Althoff, “Finsteres Mittelalter?! Zur Dekonstruktion eines Klischees”, Farbe im Mittelalter: Materialität – Medialität – Semantik, hrsg. von Ingrid Bennewitz und Andrea Schindler. Akten des 13. Symposiums des Mediävistenverbandes vom 1. bis 5. März 2009 in Bamberg. Bd. 1. Berlin: Akademie Verlag, 2011, S. 47‒63. Der Mythos vom ‚dunklen Mittelalter‘, wie er von den italienischen Humanisten angefangen bei Francesco Petrarca entwickelt wurde, ist schon häufiger kritisch dekonstruiert worden. 7 Jacques Delarun, Hrsg. Das leuchtende Mittelalter. Aus dem Französischen von Birgit Lamerz-Beckschäfer. 3. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011 (orig. 2002), S. 7. 8 Vgl. dazu die Beiträge zu: Rural Space in the Middle Ages and Early Modern Age: The Spatial Turn in Premodern Studies, ed. Albrecht Classen, with the collaboration of 86 Mediaevistik 33 . 2020

­Christopher R. Clason. Fundamentals of Medieval and Early Modern Culture, 9. Berlin und New York: Walter de Gruyter, 2012. 9 Joachim Bumke, Mäzene im Mittelalter: die Gönner und Auftraggeber der höfischen Li- teratur in Deutschland 1150‒1300. München: C. H. Beck, 1979; cf. dazu jetzt Deborah McGrady, The Writer’s Gift or the Patron’s Pleasure? The Literary Economy in Late Me- dieval France. Toronto: University of Toronto Press, 2019. 10 Alison I. Beach, Women as Scribes: Book Production and Monastic Reform in Twelfth-Cen- tury Bavaria. Cambridge Studies in Paleaography and Codicology. Cambridge: Cambrid- ge University Press, 2004. 11 Albrecht Classen, “The Book of Kells – The Wonders of Early Medieval Christian Manu- script Art Within a Pagan World”, Mediaevistik 32 (2019; erschien 2020): 55‒69. 12 Thomas Heye, Verlorenes Mittelalter: Ursachen und Muster der Nichtüberlieferung mit- tellateinischer Literatur. Mittellateinische Studien und Texte, 49. Leiden und Boston: Brill, 2016. Vgl. dazu meine Rezension in Bd. 33 von Mediaevistik. 13 Severin Corsten, Stephan Füssel und Günther Pflug, Hrsg., Lexikon des gesamten Buchwe- sens. Bd. 5. 2., völlig neubearbeitete Auflage. Stuttgart: Anton Hiersemann, 1999. 14 Erika Eisenlohr, “Die Kunst, Pergament zu machen”, Uta Lindgren, Hrsg., Europäische Technik im Mittelalter. 800 bis 1400. Tradition und Innovation. Ein Handbuch. Berlin: Mann, 1996, S. 419–34; Julia Becker, Tino Licht und Bernd Schneidmüller, “Pergament”, Michael Ott, Thomas Meier u. Rebecca Sauer, Hrsg., Materiale Textkulturen. Konzepte – Materialien – Praktiken. Materiale Textkulturen, 1. Berlin, Boston und München: Walter de Gruyter, 2015, S. 337–347. 15 Claudia Brinker-von der Heyde, Die literarische Welt des Mittelalters. Darmstadt: Wissen- schaftliche Buchgesellschaft, 2007, S. 9‒14. 16 Vgl. dazu die Beiträge zu Papier im mittelalterlichen Europa: Herstellung und Gebrauch. Hrsg. von Carla Meyer, Sandra Schultz und Bernd Schneidmüller. Materiale Textkulturen, 7. Berlin und Boston: Walter de Gruyter, 2015. 17 Michelle P. Brown und Patricia Lovett, The Historical Source Book for Scribes. Toronto: University of Toronto Press, 1999. 18 Insgesamt zur gesamten deutschsprachigen Literatur des Mittelalters siehe https://hand- schriftencensus.de/autoren#B). Für eine spezielle Untersuchung siehe jetzt Michael Stolz, Parzival im Manuskript Profile der Parzival-Überlieferung am Beispiel von fünf Hand- schriften des 13. bis 15. Jahrhunderts. Berlin und Boston: Walter de Gruyter, 2020. 19 Bernhard Dietrich Haage und Wolfgang Wegner, unter Mitarbeit von Gundolf Keil und Helga Haage-Naber: Deutsche Fachliteratur der Artes im Mittelalter und Früher Neuzeit. Grundlagen der Germanistik, 43. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2007. 20 Albrecht Classen, Utopie und Logos. Vier Studien zu Wolframs von Eschenbach Titurel. Beiträge zur älteren Literaturgeschichte. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 1990; vgl. dazu jetzt Michael Stolz, Parzival im Manuskript (siehe Anm. 18), S. 136‒43. 21 Wolfger von Erla: Bischof von Passau (1191‒1204) und Patriarch von Aquileja (1204‒1218) als Kirchenfürst und Literaturmäzen. Hrsg. von Egon Boshof und Fritz Peter Knapp. Ger- manische Bibliothek, 20. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 1994. 22 Saurma, Lieselotte E., Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau. 2 Bde. Wiesbaden: Reichert Verlag, 2001; Christoph Fasbender, Hrsg., Aus der Werkstatt Diebold Laubers. Berlin und New York: Walter de Gruyter, 2012. 23 Albrecht Classen, “The Book of Hours in the Middle Ages”, Futhark: Revista de Investi- gación y Cultura 2 (2007): 111‒29. Mediaevistik 33 . 2020 87

24 Das Stundenbuch der Maria von Burgund: Codex Vindobonensis 1857 der Österreichi- schen Nationalbibliothek. Kommentar von Franz Unterkircher. Glanzlichter der Buch- kunst, 3. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 1993. 25 Delarun, Hrsg., Das leuchtende Mittelalter (siehe Anm. 7). 26 Kommentar von Franz Unterkircher, Das Stundenbuch (siehe Anm. 24). 27 Albrecht Classen, “The Medieval Monastery as a ‘Gesamtkunstwerk.’ The Case of the ‘Heideklöster’ Wienhausen and Ebstorf”, Studi medievali XLIII, Fasc. II (2002): 503‒34. 28 Michael Camille, Image on the Edge: The Margins of Medieval Art. London: Reaktion Books, 1992; Albrecht Classen, ed., Imagination and Fantasy in the Middle Ages and Ear- ly Modern Times: Projections, Dreams, Monsters, and Illusions. Fundamentals of Medie- val and Early Modern Culture, 24. Berlin und Boston: Walter de Gruyter, 2020, siehe vor allem meine Einleitung, S. 1‒229, speziell S. 57‒62. 29 Albrecht Classen, “‘Detail-Realismus’ im deutschen Spätmittelalter. Der Fall von des Stri- ckers Daniel von dem blühen Tal und Konrads von Würzburg Turnier von Nantes,” Studia Neophilologica 64 (1992): 195‒220; Maurits Smeyers, Flemish Miniatures from the 8th to the Mid-16th Century: The Medieval World on Parchment. Leuven: Brepols, 1999, S. 419‒24; Alastair Fowler, Renaissance Realism: Narrative Images in Literature and Art. Oxford: Oxford University Press, 2003; Van Eyck: eine optische Revolution, hrsg. Maxi- miliaan Martens, Till-Holger Borchert, Jan Dumolyn, Johan De Smet und Frederica Van Dam. Stuttgart: Museum der Schönen Künste Gent 2020. 30 Brinker-von der Heyde, Die literarische Welt des Mittelalters (siehe Anm. 15), S. 81‒88; Lothar Voetz, Der Codex Manesse: Die berühmteste Liederhandschrift des Mittelalters. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2015. 31 Maria Theresia Laussermeyer, “Ist das Porträt Oswalds von Wolkenstein in Hs. B ein Werk Pisanellos?”, Oswald von Wolkenstein: Beiträge der philologisch-musikwissen- schaftlichen Tagung in Neustift bei Brixen 1973, hrsg. von Egon Kühebacher. Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. Germanistische Reihe, 1. Innsbruck: Institut für Deut- sche Philologie der Universität Innsbruck, 1974, S. 63‒67; Leo Andergassen, “Oswald von Wolkenstein und die Kunst: Selbstdarstellund und Repräsentation“, Oswald von Wolken- stein: Leben – Werk – Rezeption, hrsg. von Ulrich Müller und Margarete Springeth. Berlin und New York: Walter de Gruyter, 2011, S. 77‒88; hier S. 79‒81. 32 http://www.literature.at/alo?objid=1049609 (letzter Zugriff am 14. Nov. 2020. 33 Medieval Mastery: Book Illumination from to Charles the Bold, 800‒1475. General coordinator: Kris Callens. Leuven: Davidsfonds, 2002. 34 Toward a Global Middle Ages: Encountering the World Through Illuminated Manuscripts, ed. Bryan C. Keene. Los Angeles: The J. Paul Getty Museum, 2019. 35 So aber noch Delarun, Das leuchtende Mittelalter (siehe Anm. 7), S. 7.