Schriftliche Kleine Anfrage Und Antwort Des Senats
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BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/15504 21. Wahlperiode 18.12.18 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlef Ehlebracht, Harald Feineis und Peter Lorkowski (AfD) vom 10.12.18 und Antwort des Senats Betr.: Wie entwickeln sich die Kontrollen im ÖPNV? Man steigt aus der U-Bahn, geht die Treppe Richtung Ausgang hoch, und plötzlich stehen sie da: mehrere Fahrkartenkontrolleure, die alles abriegeln und jeden Fahrgast genau unter die Lupe nehmen. Schwarzfahrer haben hier keine Chance. „Abgangskontrolle“ werden diese konzentrierten Aktionen genannt, die bei den Verkehrsunternehmen im HVV auf der Jagd nach Schwarzfahrern sehr beliebt sind.1 Auf den Hamburger U- und S-Bahnhöfen hat es im ersten Halbjahr 2018 rund 220 Großkontrollen gegeben. Rund 169 000 Fahrgäste waren im ver- gangenen Jahr bei den Kontrollen ohne gültigen Fahrausweis erwischt wor- den, davon rund 68 000 bei der HOCHBAHN/HADAG, 81.800 bei der S- Bahn sowie jeweils rund 10 600 bei den Verkehrsbetrieben Hamburg- Holstein (VHH) und rund 8 400 in der AKN. 28 000 Gäste konnten später zur eigenen Entlastung ihre gültigen Tickets nachträglich vorzeigen.2 Laut HVV waren im vergangenen Jahr rund 4,5 Prozent der Fahrgäste ohne gültiges Ticket unterwegs, das sind rund 169 000 Menschen. Vor fünf Jahren waren es noch 3,5 Prozent.3 Dem öffentlichen Nahverkehr in Hamburg ent- stehen durch diese Schwarzfahrer Verluste von rund 20 Millionen Euro pro Jahr.4 Ohne gültiges Ticket zu fahren, ist nach geltender Rechtslage eine Straftat. Die Beförderungserschleichung („Schwarzfahren“) wird nach Paragraf 265a Strafgesetzbuch sanktioniert. Das „erhöhte Beförderungsentgelt“ beträgt im HVV inzwischen 60 Euro.5 Am 6. Dezember gab es am S-Bahnhof Harburger Rathaus eine großange- legte Kontrolle. Mehrere Menschen ohne Fahrschein wurden dabei erwischt, erzählten uns Augenzeugen. Zum Teil hätten die kontrollierten Schwarzfah- rer keine Ausweise vorgezeigt, ihre Namen lediglich buchstabiert. Sie hätten 1 https://www.abendblatt.de/hamburg/article213327559/Zahl-der-Schwarzfahrer-in-Hamburg- steigt-wieder.html. 2 https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/63948/phantomphaenomen_ schwarzstehen_am_bahnsteig_halten_senat_und_hvv_weiterhin_am_ticketdino_ bahnsteigkarte_fest.pdf. 3 Ebenda. 4 https://www.nahverkehrhamburg.de/hier-finden-die-meisten-schwarzfahrer-kontrollen-im-hvv- statt-10282/. 5 https://www.bussgeldkatalog.org/schwarzfahren/. Drucksache 21/15504 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode daraufhin einen Zettel erhalten, vermutlich mit einer Zahlungsaufforderung, und damit den Bahnsteig verlassen dürfen. Rainer Vohl, Pressesprecher des HVV, sagte Anfang des Jahres gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“6, dass „mit Augenmaß“ kontrolliert werde. Wer als Tourist oder Flüchtling „schuldlos mit falschem Ticket fährt“, also unwis- sentlich, kann auch mal nur ermahnt werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV), der Deutschen Bahn AG (DB AG), der AKN Eisenbahn AG (AKN), der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) und der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein AG (VHH) wie folgt: 1. Wie viele Schwarzfahrer wurden in diesem Jahr im Hamburger ÖPNV erwischt? Bitte nach Verkehrsunternehmen aufschlüsseln. 2. Wie viele Fahrer ohne gültigen Fahrschein haben diesen fristgerecht nachgereicht, wie viele waren Wiederholungstäter? 3. Gegen wie viele Schwarzfahrer wurde Anzeige erstattet und warum? 4. In welcher Höhe wurden Bußgelder im Jahr 2018 verhängt und in wel- cher Höhe wurden Bußgelder a) gezahlt, b) angemahnt, c) gerichtlich eingefordert? Für das Jahr 2018 liegen noch keine Werte vor. 5. In wie vielen Fällen wurde ein Ermittlungsverfahren gar nicht erst aufge- nommen, in wie vielen Fällen eingestellt? (Bitte Gründe angeben.) Die Polizei nimmt in allen ihr zur Kenntnis gelangenden Straftaten die im jeweiligen Einzelfall erforderlichen Ermittlungen auf und übersendet die Vorgänge anschließend an die zuständige Staatsanwaltschaft zur Entscheidung. Im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA wird nicht erfasst, ob ein wegen des Tatvorwurfs des Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a StGB geführtes Verfahren die unberechtigte Beförderung durch ein öffentliches Verkehrsmittel zum Gegenstand hat. Zur Beantwortung müsste daher eine händische Auswertung erfolgen. Für den Aktenzeichenjahrgang 2018 sind in MESTA 8 795 Ver- fahren mit 8 889 Beschuldigten erfasst. Eine händische Auswertung ist in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Gibt es ein einheitliches Vorgehen gegenüber Schwarzfahrern? Wenn ja, bitte konkret darstellen, wenn nein, welche möglichen Vorge- hensweisen existieren? Es gibt eine interne Handlungsanweisung für die einzelnen Beanstandungsfälle im HVV. Sie basiert auf den Tarif- und Beförderungsbedingungen des HVV. Im Sinne einer effizienten Fahrkartenkontrolle wird diese Handlungsanweisung vertraulich behandelt. 7. Wie gehen Kontrolleure konkret mit Schwarzfahrern um, die sich a) nicht ausweisen können? b) nicht ausweisen wollen? c) nicht verständigen können/wollen? 6 https://www.zeit.de/2017/02/fahrkartenkontrolle-hvv-hamburg-bahn-warum-funktioniert-das- nicht. 2 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/15504 Die Vorgehensweise erfolgt situations- und unternehmensabhängig, etwa durch tele- fonische Nachfrage zum Beispiel bei Eltern, Abfrage beim Einwohnerzentralamt oder die Hinzuziehung der Polizei. Da viele Fahrkartenprüferinnen und Fahrkartenprüfer Fremdsprachen beherrschen, können die meisten Fälle vor Ort geklärt werden. Andernfalls wird die Polizei hinzugezogen. 8. Gibt es eine Arbeitsvorgabe, die es den Kontrolleuren ermöglicht, einen Fahrgast ohne gültigen Fahrausweis, welcher sich nicht ausweisen kann/will, mit einer Ermahnung die Kontrolle passieren zu lassen? Wenn ja, welche Fälle betrifft das? HOCHBAHN Nein. Es liegt im Ermessen der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Prüf- dienst, ob im Ausnahmefall eine Ermahnung ausreicht. S-Bahn Grundsätzlich werden alle Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis im HVV mit einem erhöhten Beförderungsentgelt belegt. VHH Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Prüfdienst sind angehalten, anhand ihrer lang- jährigen Erfahrung die aktuelle Prüfsituation zu bewerten. Wenn sich jemand ohne gültigen Fahrschein nicht ausweisen kann, wird entweder ein gleichwertiges Doku- ment herangezogen (zum Beispiel Führerschein, Schülerausweis) oder die Polizei zur Feststellung der Personalien hinzugebeten. Ermahnungen sind in solchen Fällen unüblich. AKN Nein. Von einem Fahrgast, der ohne gültigen Fahrausweis in den Verkehrsmitteln angetroffen wird, versucht das Prüfpersonal zunächst die persönlichen Daten zu erhalten. Eine Kulanzregelung gibt es nur in Ausnahmenfällen, wie zum Beispiel bei Kindern bis zehn Jahre. 9. In Bezug auf die Aussage von Rainer Vohl: Woran erkennt der Kontrol- leur, ob es sich um einen Touristen, einen hier lebenden Asylanten oder um jemanden handelt, der nur vorgibt eines von beiden zu sein? Merk- male bitte konkret benennen. Alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit Leistungen nach dem Asylbewerber- leistungsgesetz besitzen eine Mobilitätskarte. Andernfalls liegt die Entscheidung im Ermessen der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 10. In Drs. 21/2431 erklärt der Senat, dass es bei der Anzeigenerstattung im Wiederholungfall keine Sonderregelungen für bestimmte Personen oder Personengruppen gibt. a) Wie wird vor Ort geklärt, ob es sich um einen Wiederholungstäter handelt? Eine Klärung erfolgt erst im Nachgang, da es auch aus Datenschutzgründen keinen Onlinezugriff auf die Datei der Schwarzfahrerinnen und Schwarzfahrer gibt. Dies ist auch nicht nötig, da die Personalien festgestellt werden. b) Wie wird mit Asylbewerbern verfahren, wenn der Kontrolleur diesen gemäß der Aussage Rainer Vohls als solchen identifiziert? Sollte eine Mobilitätskarte nicht vorliegen, wird wie bei allen anderen Schwarzfahre- rinnen und Schwarzfahrern verfahren. Im Übrigen siehe Antworten zu 6. und 9. 11. Wird dafür gesorgt, dass in Fällen, wo unwissentlich ein Fahrschein mit zu geringem Fahrpreis erworben wurde, ein unmittelbares Nachlösen erfolgt? Und woran erkennt der Kontrolleur, dass dies unwissentlich geschah. 3 Drucksache 21/15504 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode HOCHBAHN Die Beurteilung, ob es sich um ein Versehen handelt, liegt im Ermessen der Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter. Ist von einem Versehen auszugehen, ist die Nachlösung eines Fahrscheins möglich. S-Bahn Ob ein falscher Fahrschein unwissentlich oder vorsätzlich gekauft wurde, kann die Prüferin beziehungsweise der Prüfer vor Ort nicht bewerten. Sollte der Fahrgast jedoch nur eine Zahlgrenze überfahren haben, kann das erhöhte Beförderungsentgelt von 60 Euro auf 20 Euro reduziert werden (Kulanz). VHH Ja, in der Regel beim Fahrpersonal des Busses, in dem gerade kontrolliert wird. AKN Ein unmittelbares Nachlösen liegt im Ermessensbereich der Kontrolleurin bezie- hungsweise des Kontrolleurs. In den meisten Fällen wird bei geringer Überschreitung ein reduziertes erhöhtes Beförderungsentgelt von 20 Euro gemäß Richtlinie für den Prüfdienst ausgestellt. 12. Wie wird mit offensichtlich Obdachlosen ohne Fahrschein verfahren? Das Verfahren ist für alle Fahrgäste entsprechend der Antwort zu 6. gleich. Im Busbe- reich kommt dies durch den kontrollierten Einstieg (vorn) in der Regel nicht vor.