Acies Quartett (Photo: Emir Memedovski)
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Acies Quartett (Photo: Emir Memedovski) Glenn Gould (1932–1982) String Quartet Streichquartett 1 measure/Takt 1 7:56 2 measure/Takt 196 7:14 3 measure/Takt 347 9:03 4 measure/Takt 525 12:48 Friedrich Gulda (1930–2000) Music for String Quartet in F-sharp Minor Musik für Streichquartett fi s-Moll 5 I Andante appassionato 5:55 6 II Presto 4:28 7 III Tranquillo 8:58 Acies Quartett Benjamin Ziervogel 1st violin / 1. Violine Raphael Kasprian 2nd violin / 2. Violine Jozef Bisak (1-4), Simon Schellnegger (5-7) viola / Viola Thomas Wiesfl ecker cello / Violoncello 2 Glenn Gould, Komponist und Antidogmatiker Eine der besten Biographien über Glenn Herbert Gould, Als Glenn Gould zwischen 1953 und 1955 sein Streichquartett verfasst von Kevin Bazzana, trägt im Original den Titel: (welchem er dann die Opuszahl „1“ verlieh) schrieb, war er “Wondrous Strange: The Life and Art of Glenn Gould”. Der noch eine kleine Weile entfernt von dem Weltruhm, in den erste Teil des Titels ist in seiner Ambiguität nicht einfach, ihn 1955 seine beiden Klavierabende in Washington und aber immerhin annähernd als “wundersam-absonderlich” New York und die darauf folgende Einspielung der Goldberg zu übersetzen. (In der deutschen Ausgabe heißt es, pro- Variationen für Columbia Records katapultieren sollte. In saisch und schlicht: “Glenn Gould: Die Biographie”.) Der Kanada hingegen war seine Karriere schon länger aktiv. Originaltitel passt so gut, weil Glenn Gould, 1932 in Toronto Seinen ersten Auftritt mit dem Toronto Symphony Orchester geboren, alles darstellt, was diese Phrase konnotiert. So war bestritt er immerhin im Alter von 14 Jahren (mit Beethovens Gould ein wandelnder Widerspruch. Sein eigener Zugang viertem Klavierkonzert) und sein erstes Fernsehrezital für zur Musik war einerseits dogmatisch in der Art, welches den Canadian Broadcasting Service wurde 1950 landesweit Repertoire er spielte und wie er es spielte – andererseits ausgestrahlt. Der intellektuell frühreife Gould gefiel sich zu aber gänzlich frei von den Dogmata, die Musik in streng dieser Zeit sehr in der Verteidigung der Dodekaphonie und begrenzte Kategorien einteilen wollten. Gould spielte nicht allen Zwölftönlertums, die – obwohl in akademischen Gefil- mit: Er schätzte die Welt der Atonalität genauso wie die den auch dort im Kommen – in Nordamerika nicht mit der der Hochromantik: Vorbehaltlos und keine auf Kosten der gleichen unerbittlichen Inbrunst als einzig wahre klassische anderen. Goulds Bach ist modern und sein Berg romantisch. Zukunftsmusik angenommen wurde wie im ideologisch In seiner Suche nach einem unbedingt eigenen Zugang stärker aufgeheizten Europa. So gab er 1951, aus Anlass zur Musik erfreute er sich entweder an Repertoire welches von Arnold Schönbergs Tod, am Royal Conservatory of zu seiner Zeit unpopulär oder vernachlässigt war (Richard Music von Toronto einen selbst so bezeichneten „Eloge und Strauss, Ernst Krenek, Paul Hindemith, William Byrd und Apotheose des verstorbenen Despoten der Dodekapho- seinen vermeintlich-angeblichen Lieblingskomponisten: nie“, in dem er seinen „unerschütterlichen Glauben an die Orlando Gibbons) oder an seinen eigenwilligen, ja geradezu Erhaltung des Schönbergschen ästhetischen Universums“ mutwillig andersartigen Interpretationen von etablierten bekräftigte. (Später, freilich, nahm er einiges zurück und Klassikern (insbesondere Mozart und Beethoven). Etwas kalauerte gerne über die „Dodekakophonie“.) dieser un- und anti-orthodoxen Haltung kommt auch in seinen – wenigen – Kompositionen zum Vorschein. 3 Als nun sein Opus 1 erschien, hätte man mit Fug und Recht Spätromantik vorrausgesetzt) auf offene Ohren stoßen sollte. ein Werk im Geiste der Zweiten Wiener Schule erwarten Gould argumentierte gerne, dass vieler Komponisten erstes können. Schon ein früheres Werk – eine atonal gehaltene Werk oft auch ihr Bestes sei. So zum Beispiel bei Alban Fagottsonate – suggerierte diese Tendenz (und gleichzeitig Berg und dessen – zugegebenermaßen genialem – Opus 1. seinen schrulligen Sinn für Humor). Auch ist der Kern des Oder, etwas kontroverser, indem er argumentierte, Mozart Streichquartetts dahingehend ausgelegt: Eine vier Noten sei zu spät gestorben. Bei sich selbst ging er auf Nummer kurze motivische Kernzelle, die Gould durch die Schön- sicher, dass dies der Fall sein würde: Gould schrieb nie ein bergsche Mangel nehmen wollte. Doch übernahm eine Opus Nummer Zwei. Gould innewohnende harmonische Grundtendenz beim Komponierprozess die Vorherrschaft über akademische Jens F. Laurson Überlegungen, und das Resultat ist ein Streichquartett, welches klingt, als stünde es in direkter Patenschaft aller früh- wie spätromantischen Größen, von spätem Beethoven über Brahms, Wolf, Bruckner und Wagner bis hin zu Richard Strauss und dem frühem Schönberg. Gould überließ sich diesen Einflüssen und so ist sein halbstündiges, einsätziges Streichquartett geradezu klassisch ausgerichtet: in f-Moll mit einer Exposition in As-Dur, einer Durchführung in h-Moll und einer Reprise in F-Dur. Das letzte Teilstück sprengt ob seiner Länge den Rahmen der Sonatenform etwas, ist aber doch nichts anderes als eine riesige, 300 Takte lange, karge Coda, die sich harmonisch – langsam und beharr- lich – an den Beginn des Quartettes zurückarbeitet. Das ganze ist ein wunderlicher Hexentrank der Hochromantik, ambitioniert, doch zurückhaltend leise im Vortrag, und so gehalten, dass er beim breiten Publikum (eine Neigung zur 4 Friedrich Gulda (1930–2000) war ein erklärter Feind der Klavierkonzert und schließlich die bewußt offen gelassene Apartheid in der Musik – wie er es selbst so nannte –, Show „Paradise Island“. Davor gab es aber noch etwas, eine Ausnahmeerscheinung mit unendlich viel Facetten, was anderes, heute nahezu unbekanntes: den Gulda, der Rätseln, Höhen und Tiefen, ein rastloser, gar Getriebener an der Wiener Musik-Akademie nicht nur Klavier studierte, im Sinne von Schuberts Wanderer, ein Bürgerschreck und sondern auch Musiktheorie und Komposition bei Joseph Provokateur (für all jene, die ihm geistig und künstlerisch Marx (1882–1964), einem Proponenten des musikalischen nicht folgen konnten oder wollten), ein Arrangeur, Improvi- Konservatismus und unermüdlichen Kämpfer gegen die sator, ein Erfinder und Vermittler ebenso wie ein tüchtiger „Neutöner“ (Schönberg-Kreis, Strawinsky, Bartók, Hinde- Konzertabsager und Publikumsbeschimpfer, ein Wiener, der mith). Was mag sich wohl damals in Guldas musikalischem „immer nur auf Visit war“, einmal frech und „goschert“, ein Innersten abgespielt haben? Liegen vielleicht da die Wurzeln andermal dünnhäutig, empfindlich und verletzlich. Mozart seines späteren genialen Widerspruchsgeistes? Jedenfalls war für ihn der Weltmeister. Er war der aus dem kleinen schrieb er in dieser Zeit eine Reihe von Musikstücken, die Kreis der Jahrhundert-Pianisten, der Brahms nicht mochte das Ausbildungsziel der Wiener Akademie keinesfalls gefähr- und der einen Bogen um Schuberts große B-Dur-Sonate deten. Seine Pianistenkarriere war inzwischen kometenhaft machte (weil er meinte, den emotionalen Anforderungen angesprungen: 1946 1. Preisträger beim Wettbewerb in dieses Werkes nicht gewachsen zu sein), er spielte auch Genf, 1950 das Carnegie-Hall-Debut in New York. Johann Strauß besser als alle anderen, versenkte vorsätzlich 1950/51 aber auch die Komposition des dreisätzigen Tonbänder seiner Studioaufnahmen im Attersee und ließ Streichquartetts in fis-Moll, uraufgeführt am 30. November sich zuletzt auf eine Feindschaft mit einem angeblichen 1953 in Wien. Keinesfalls ein Gesellenstück, sondern Wiener Großkritiker ein. War das Friedrich Gulda? Nur irgendwo in der Nebelzone angesiedelt zwischen solider einen kleinen Teil davon konnten seine Weggefährten und Handwerklichkeit, präziser Konstruktion und harmonischem Zeitgenossen mitbekommen oder ahnen. Nicht-Wissen-Wohin. In nahezu elegischen Grau- und Soviel ich aus Gesprächen und Interviews mit ihm Schwarztönen schlingert Guldas fis-Moll (immerhin auch weiß, verwendete Gulda nie das heutige Modewort „world die Tonart von Haydns „Abschieds“-Symphonie!) dahin, music“, wiewohl ihm Spontaneität, Erfindungsreichtum, irgendetwas scheint in der Luft zu liegen, ständig braut Allgemeinverständlichkeit, „drive“, „swing“ und „action“ in sich was zusammen, doch es kommt weder zum Gewitter allen seinen stilistischen Wanderungen, Grenzgängen und noch zum Befreiungsschlag. Rein stilistisch hätte das Ganze Grenzüberschreitungen wesentlich waren. Da war von Anfang auch zwanzig oder dreißig Jahre früher passieren können, an seine tiefe Liebe zum Jazz in allen Größenordnungen; darüber muß sich Lehrer Joseph Marx schon sehr gefreut oder später die freien Improvisationen oder der Riesenerfolg haben, schließlich hatte er seine Ansichten von einer straffen des Cellokonzerts oder die verhaltene Rückwendung im staatlichen Lenkung des Kulturbetriebs im Ständestaat 5 (1934–1938) verwirklicht gesehen. Zwischen Zeilen kann mitunter gelesen werden, aber auch zwischen Notenzeilen? Diese drei Sätze haben einen gewissen „Gulda-drive“, doch scheint er sich damals noch nicht aufzumucken getraut zu haben. Da kreisen im ersten „Andante appassionato“ Themenfloskeln mit Triolenschnelle um kleinste Tonräume, markant, merkbar und artig durchgeführt, bis im Mittelteil Tempo und Figurationen anziehen. Der zweite Satz (Presto) saust staccato-artig und gekonnt wie fast ein Bruckner- Scherzo vorbei, inklusive eines besinnlichen Andante- (Trio)-Teiles. Als müßte man sich keine Sorgen machen, wie ein allfälliges Finale auszusehen hätte, beschließt Gulda sein Streichquartett mit