Der Anschein Von Volksnähe Schalke-Manager Rudi Assauer Versteht Sich Als Letzter Klassenkämpfer Der Bundesliga
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Sport FUSSBALL Der Anschein von Volksnähe Schalke-Manager Rudi Assauer versteht sich als letzter Klassenkämpfer der Bundesliga. Doch so wie die Konkurrenz in München und Dortmund schmerzt auch ihn die neue Aggressivität des Publikums: Die Fans mögen keine Kicker, die arrogant und abgehoben sind. as Dümmste, was einem Macher tet und den beliebten Michael Büskens aus nachvollziehen“ können, mag daran lie- widerfahren kann, ist Machtlosig- der Stammelf verdrängt zu haben. Büs- gen, dass müde Arbeitssiege in der Dkeit. Wenn Rudi Assauer wie im- kens, seit sieben Jahren im Club, steht aber Champions League mitunter dem Club mer die Knie gegen die Schreibtischkante für das alte Schalke. zweistellige Millionenbeträge versprechen, drückt, den Kopf zurücklegt, Tee aus dem Mächtig aufgeregt hat sich Assauer über während Niederlagen im früher so heiß- Becher mit der Aufschrift „Rudi der Ruhm- den Umgang des Publikums mit dem An- blütig umkämpften Derby nicht viel mehr reiche“ schlürft, wenn er dann seinen un- gestellten van Kerckhoven: „So ist das kosten als ein paar Sympathien. Der Zu- vermeidlichen Zigarrenstumpen neu an- nicht mehr mein Schalke“, polterte er und schauer im Stadion, dessen Eintrittsgeld steckt, tief im Nebel die Handkante durch drohte mit Rücktritt. Denn die Luft sausen lässt, dann soll auch was van Kerckhoven, so ahnt der passieren.Aber wenn dann nichts passiert? Manager, ist nicht die eigent- Keine Änderung, kein Fortschritt? liche Zielscheibe: „Vielleicht Assauer, 55, nennt diesen Zustand „Seu- meinen die Leute den Stevens che“. Seuche ist dann, „wenn du dir den und mich.“ Finger in der Nase abbrichst, wenn Sachen Womit Assauer wohl nie passieren, die gar nicht möglich sind und gerechnet hätte: Ihn und die bei denen du trotz intensivster Ursachen- ungeliebten Konkurrenten forschung nicht auf den Punkt kommst, aus Dortmund und München und da kannste dann trainieren, machen, plagt dasselbe Problem. Der üben, sprechen und musst doch möglichst Fan muckt auf. Zwischen der ruhig bleiben“. Basis und den kickenden Mil- Dieser Tage ist es wieder so. Der rau- lionären stimmt die Kommu- chende Macher von Schalke 04 sitzt macht- nikation nicht mehr. Ausge- los in seiner Wolke im ersten Stock in der rechnet bei den drei Bundes- Geschäftsstelle des Bundesligaclubs und ligisten mit dem stärksten An- wartet unruhig auf das Ende der Seuche. hängerpotenzial haben sich DPA Eigentlich mag er ja genau dieses am Käufer und Verkäufer der Schalker Manager Assauer*, Fan-Proteste in München und Fußball: dass keiner den Erfolg kaufen Ware Fußball entfremdet. kann, nicht mal Uli Hoeneß einen Cham- Beim FC Bayern München pions-League-Titel, weil am Ende der Ball führte eine 0:1-Schlappe im rollt, wie er will. Gemein ist jedoch, dass Lokalduell gegen den TSV die Seuche so ausgiebig ausgerechnet As- 1860 zu empfindlichen Ver- sauer plagt, der sich doch als Mann der werfungen. Kapitän Stefan Basis, als letzter Klassenkämpfer der Bun- Effenberg sprach den Bayern- desliga versteht. Das geht ihm „mächtig Zuschauern das Recht ab, auf den Pinn“. Hat er denn etwas falsch ge- „uns so zu kritisieren“ – und macht? wurde auf der vereinseigenen Er hat eine Menge Trainer entlassen und Internet-Homepage prompt schließlich den Niederländer Huub Stevens als „Anführer der Arroganz“ gefunden, „einen ganz ehrlichen Kerl mit gescholten. viel, viel Verstand inner Birne“. Dann hat Zwar beeilte sich Club- er die Arena „auf Schalke“ angeschoben, Vize Karl-Heinz Rummenig- dieses „Jahrhundertobjekt“, das „358 Mil- ge, in die Öffentlichkeit zu lionen Mäuse“ kosten wird und 2001 fertig streuen, man habe Effenberg sein soll. Schließlich hat er die Mannschaft, deshalb zur Räson gerufen. die letztes Jahr lausig wie lange nicht spiel- Beim nächsten Heimspiel te, mit exquisiten neuen Profis bestückt. rollten die Tribünenbesucher Aus Holland, Dänemark, Ghana und Polen. dennoch ein unmissverständ- Und? Die Mannschaft hat von sieben liches Transparent aus: „Wir Heimspielen dieser Saison erst eines ge- verzeihen nicht!“ wonnen. Und die Zuschauer im Parksta- Dass Bayern-Profis wie dion pfeifen den Abwehrspieler Nico van Markus Babbel das Gemaule Kerckhoven aus, weil er für das neue Schal- von jenseits des Rasens „nicht ke steht. Der Belgier muss mit dem Pech le- ben, sieben Millionen Mark Ablöse gekos- * Mit Trainer Huub Stevens (l.). 178 der spiegel 50/1999 heutzutage eine zu vernachlässigende Der Fußball, gibt Manager Michael Meier Der Vorsitzende des Dachverbands aller Größe im Vereinsbudget darstellt, sei viel- zu, sei zuletzt öffentlich „nur noch als Geld- Schalke-Fanclubs erhielt im vergangenen leicht mit „einem Hunderter Statisten- maschinerie rübergekommen“. Monat so viele empörte Briefe über das gage“ ruhig zu stellen, empfahl die „Süd- Das hat Folgen: Für gewöhnlich pilgern Gehabe von Spielern und Vereinsführung, deutsche Zeitung“ spitz. Borussen-Anhänger in Kompanie-Stärke dass er ein Gespräch mit Rudi Assauer Auch in Dortmund kriselt es seit Mona- zum Training ihrer Elf.Vor dem Uefa-Cup- suchte. Der erneuerte zwar seine Philoso- ten zwischen Fan und Fußballer. Ihr „Er- Spiel gegen Glasgow jedoch bemühten sich phie, dass „Fußball ohne Publikum tot ist“; satz-Sandsack“, wie ein Insider formuliert, vorige Woche gerade mal 19 Unentwegte in dass auf Schalke gefälligst samstags ge- heißt Michael Skibbe. Für die Dauerkar- den Westfalenpark. Club-Chef Gerd Nie- spielt werden müsse, weil der Zuschauer teninhaber verkörpert der temperament- baum versucht, den Protest vom Verein auf statistisch aus 107 Kilometern Entfernung schwache Trainer jenen nüchternen Er- die Spieler umzulenken, die er als eigent- anreise; und dass die Champions League gebniskick, der Freunden der Rasenmalo- lich Verantwortliche ansieht: „Wer eine ein Wettbewerb sei, von dem der Fußball- che zwangsläufig verdächtig vorkommt. dicke Brieftasche hat, wird gleichgültig ge- interessierte wisse, „dass es Zirkus ist“. „Wir woll’n euch kämpfen sehn“, ge- wissen Dingen gegenüber.“ Aber kann er den Lauf der Welt auf- mahnte die Südtribüne, und ein anderes Mögen sich Münchner wie Dortmunder halten? Plakat machte deutlich, dass es die Ge- vorigen Dienstag mit ihren Siegen auf in- Manager wie Assauer leiden sehr am schäftemacherei ist, die das Publikum mehr ternationalem Terrain auch etwas Luft ver- Fußball in diesen Zeiten. Assauer leidet, vergrätzt als eine unglückliche Niederlage: schafft haben – in den Wirtschaftswunder- weil er den Fußball so liebt, und er liebt „Ehrliche Arbeit statt Börsengang“. clubs der Bundesliga schwelt ein klassi- den Fußball, weil der ihn groß gemacht Die Borussia hat jüngst die Umwandlung scher Konflikt: Wie modern, so lautet die hat, damals, als Fußball im Ruhrgebiet der Profiabteilung in eine Kommanditge- Preisfrage, kann man werden, ohne die noch Religion war. Damals, in den fünfzi- sellschaft auf Aktien (KGaA) beschlossen. Wurzeln zu verlieren? ger Jahren, pölte Rudi Assauer im Katzen- busch von Herten mit seinen Kumpels, „wir ham uns da unseren eigenen Platz ge- zimmert, mit Latten zwi- schen den Bäumen“. Der Ball war aus Gummi, denn der Rudi kam von ganz un- ten: Vater war Stellmacher, eine Art Zimmermann, Mut- ter Hausfrau, und wenn mal Geld da war, gab es freitags zu Hause Schellfisch mit Senfsoße, Armeleuteessen. „Dass das heute eine Deli- katesse ist, ich glaub’s nicht.“ Mit 14 verließ Assauer die Schule, lernte Stahlbau- M. KIENZLER / BONGARTS schlosser und ging zur Gelsenkirchen (u.): In den Wirtschaftswunderclubs der Bundesliga schwelt ein klassischer Konflikt Abendschule. Und dann – sein Schlüsselerlebnis – war an einem Mittwoch das End- spiel der Landesmeister, FC Barcelona gegen Benfica Lis- sabon; da fragte der Rudi sei- nen Pauker, wie denn über- haupt die Quote sei in der Abendschule. Von 40 Jungs kämen 3 durch, sagte der Herr Lehrer, „und da sollte ich dabei sein“? Rudi warf die Tasche in die Ecke, guck- te Fußball, 3:2 für Benfica. Und von da an wollte er nur noch Fußballer werden. Er kam in Auswahlmann- schaften und in die Zweite Liga West mit der Spielver- einigung Herten und ver- diente 50 Mark pro Monat und 5 Mark pro Punkt. 1964 dann zu Borussia Dort- mund, Jüngster beim Euro- pacupsieg, 307 Bundesliga- spiele, eine ordentliche deutsche Profikarriere. „Ich bin dankbar“, sagt TEAM 2 Assauer, der Romantiker, 179 Sport „und ich sage jedem Spieler, der sich heu- Zorc bei Borussia Dortmund – so etwas te bei mir über irgendwas beschwert: Du wie das gute Gewissen eines Unterneh- wirst erst das heulende Elend kriegen, mens, das die Volksnähe fürs Geschäft wenn im Stadion die Lichter angehen, und braucht. Oder eben den Anschein von du bist nicht mehr dabei.“ Volksnähe. Assauer wurde Manager, erst in Bremen, Das ist Assauers Rolle bei Schalke; es ist wo er in der Zweiten Liga den damals re- das Problem von Fossilien aus der Grün- putationsschwachen Trainer Otto Rehhagel derzeit der Liga, dass sie im Millionenspiel verpflichtete, und dann in Schalke, wo sie ihren Platz finden und dort auch noch ihn 1986 nach fünf Jahren entließen. We- glaubwürdig erscheinen müssen – was frei- nigstens weiß der Mann, der 1993 wieder lich eher gegen das Geschäft als gegen das ins Amt zurückkehrte und den sie „Rasie- Fossil spricht. rer-Rudi“ nennen, seitdem, was er seinen Seine zweite Amtszeit begann Assauer ja Trainern antut, wenn er sie rausschmeißt. damit, dass er den Club, der während „Rasierer-Rudi“ hatte jahrelang ein et- der Ära des Klinikbesitzers Günter Eich- was grob geschnitztes, aber für seine Bran- berg vom schnellen Geld ganz besoffen che ideales Image: Er entscheidet blitz- war, gründlich ausnüchterte. „Damals“, so schnell, arbeitet wie geisteskrank für seine Assauer, „gab es hier Bierdeckelverträge große Liebe Schalke und kämpft dabei stets für die Jungs in der Nordkurve, die „treu im Regen stehen und immer löhnen“. Dieses Image rührt unter ande- rem daher, dass Assauer sich mit Zigarre in der Sauna knipsen lässt; dass er „Bild“ nach jeder privaten Trennung darüber infor- miert, es gehe „nur eins: Schalke oder Familie“, und da entscheide er sich natürlich für Schalke. Dass er eine 30 Jahre jüngere Geliebte mit den Worten verabschiedet, „die Alte“ habe zwar keine Ah- nung von Fußball, sei aber sonst „unheimlich in Ordnung“.