ANTONÍN DVOŘÁK Symphony No
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ANTONÍN DVOŘÁK Symphony No. 1 in C Minor Op.3 Rhapsody Op.14 Deutsche Radio Philharmonie | Karel Mark Chichon 93330_ChichonDvorakS01Booklet_Print.indd 1 19.01.15 11:48 02 ANTONÍN DVOŘÁK (1841 – 1904) Wegweiser der tschechischen Musik Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 3 Erst ausgebildeter Metzger, dann Organist und (Die Glocken von Zlonice) | Bratscher – die Karriere Antonìn Dvořáks verlief Symphony No. 1 in C Minor Op.3 [47:07] alles andere als geradlinig. Im frühen Lebenslauf des im Moldau-Dorf Nelahozeves, dreißig Kilome- 1 Maestoso [11:57] ter nördlich von Prag geborenen Sohns eines Gast- wirts und Metzgers deutete zunächst nichts 2 Adagio di molto [12:38] darauf hin, dass aus ihm einmal der neben Bedřich 3 Allegretto [09:00] Smetana und Leoš Janáček bedeutendste Kompo- nist Tschechiens werden sollte. Nachdem Ver- 4 Finale – Allegro animato [13:14] wandte und Musiklehrer die Eltern davon über- zeugt hatten, den begabten Knaben nicht als Rhapsodie op. 14 | Rhapsody Op.14 [17:34] Fleischer arbeiten zu lassen, durfte Dvořák 1857 5 Allegro moderato zur Ausbildung an die Orgelschule in Prag. Der Broterwerb im Kirchendienst war für die fromm katholische Familie vermutlich handfester als ein TOTAL TIME [64:53] abstraktes Studium der Komposition oder die Arbeit als Kapellmeister. Der böhmische Dorfkan- tor war ein angesehener Berufsstand im als „ Konservatorium Europas“ gepriesenen Land. Doch nach seinem Abschluss musizierte Dvořák dann doch – halb aus der Not heraus, halb aus Liebe – hauptsächlich als Bratscher im Unterhaltungs orchester des Kapellmeisters Karel Komzák. Das auf Märsche, Walzer und Polkas spe- zialisierte Ensemble ging Anfang der 1860er Jahre in das Orchester des „Interimstheater“ über, dem ersten tschechischen Nationaltheater (aus dessen Orchester sich wiederum Ende des 19. Jahrhun- dert die berühmte Tschechische Philharmonie her- auslöste). Die Kultur in Prag war bislang durch die herr- schenden Habsburger geprägt. Auch Dvořák lernte seit seiner Kindheit Deutsch, wurde bereits daheim „Anton“ und nicht „Antonín“ gerufen. Diese Sprache zu beherrschen bedeutete die Zukunft, erst so öffneten sich weitere Tore. Die musikalische Begeisterung für die deutsche Hoch- romantik schürten außerdem Konzerte unter den Gastdirigenten Franz Liszt und Richard Wagner, Complete Symphonies 1 Symphonies Complete 93330_ChichonDvorakS01Booklet_Print.indd 2 19.01.15 11:48 03 Protagonisten der sogenannten „neudeutschen“ tensatzform (mit einer Exposition mehrerer The- Richtung. Das Kontrastprogramm dazu bot Sme- men, einer abwechslungsreichen Durchführung, tana mit seinen tschechischen Opern wie Prodaná Reprise und Coda), seine reiche Instrumentation nevĕsta (Die Verkaufte Braut) und Dalibor am pro- vom sanft den Streichern überlassenem Seiten- Deutsch visorischen Interimstheater. Das offizielle Natio- thema bis zu blechgewandeten Höhepunkten naltheater wurde erst nach langer Bauverzöge- mögen von Franz Schuberts „großer“ C-Dur-Sinfo- rung und einem Brand 1883 eröffnet. nie beeinflusst sein. Sie wirken jedoch auch wie eine Vorausahnung auf Anton Bruckner, der zeit- In dieses Spannungsfeld von deutscher und tsche- gleich im etwa 250 km entfernten Linz ebenfalls chischer Kultur sowie ihrem viel diskutierten an einer ersten Sinfonie c-Moll arbeitete. Mischverhältnis wuchs Dvořák hinein. Die Volks- und Unterhaltungsmusik seines Landes hatte er Gemeinsamkeiten gibt es bezüglich der blockartig bereits früh kennengelernt. Sein Vater spielte gegeneinandergestellten Instrumentengruppen nebenbei Zither, in der Familie wurde viel gesun- und den breit „aufgezogenen“ Spannungsbögen. gen und im eigenen Gasthaus zum Tanz aufge- Erinnert sei daran, dass sowohl Dvořák (seit 1874 spielt – der Junge fiedelte auf der Geige mit. Diese fest an der Prager St. Adalberts-Kirche) als auch musikantischen Wurzeln hat der spätere Kompo- der ältere Bruckner ausgebildete Organisten nist nie verleugnet. Hört man ein Werk wie die waren. Die Instrumentation dieses sinfonischen erste Sinfonie, so sind die Herkunft des Knaben Erstlings ist gleichfalls am mittleren Wagner und die Prager Einflüsse deutlich erkennbar. geschult, dessen Opern Der fliegende Holländer, Tannhäuser und Lohengrin am Königlich Deut- Der poetische Beiname dieser Sinfonie, Die Glo schen Stadttheater (Ständetheater) in Prag cken von Zlonice, erinnert an die Kleinstadt Zlo- gespielt wurden. nice, wo Dvořák 1854 mit 13 seine Metzger-Gesel- lenprüfung abgelegt und eine musikalische Überreich strömen die melodischen Ideen aus Ausbildung an der deutschen Fortbildungsschule Dvořáks Kopf. Diese Fantasie wurde später auch genossen hatte. Sein Lehrer Anton Liehmann vom Fürsprecher Johannes Brahms bewundert. spielte auch Orgel an der spätbarocken Kirche Man höre etwa den von einem feierlichen Bläser- Mariä Himmelfahrt. Sind es Jugenderinnerungen, choral eröffneten zweiten Satz mit seinem aus- die der Musiker mit dieser zwischen dem 14. Feb- drucksvoll singenden Oboensolo über zunächst ruar und 24. März 1865 komponierten ersten Sin- raunender Streicherbegleitung. Zauberhafte Strei- fonie verband? Glockenartig ist eine Passage cher-Kantilenen, bewegt rhythmisierte Begleitfi- gleich zu Beginn dieser Sinfonie unmittelbar nach guren und eine aparte Harmonik geben diesem 14 3 · Rhapsodie op. 1 c-Moll op. Nr. | Sinfonie der kurzen Maestoso-Eröffnung. Holzbläser und Adagio di molto im weichen As-Dur viel Atmo- Hörner spielen abwechselnd monotone Zweiton- sphäre. In der Mitte tönen Fanfaren und Volksthe- Intervalle, wie aus weiter Ferne tönen sie als men hinein, als würden Peter Tschaikowsky oder „Geräuschemusik“ in die ernste c-Moll-Sphäre Gustav Mahler aus der Zukunft grüßen. Dann wird hinein. sogar ein kurzes Fugato eingefügt. Klug verästelt sind die Stimmen dieser stets feinsinnig ausgear- Die großräumigen Flächen und Steigerungen die- beiteten Partitur. ses ersten Satzes in klassisch-romantischer Sona- ANTONÍN DVOŘÁK ANTONÍN 93330_ChichonDvorakS01Booklet_Print.indd 3 19.01.15 11:48 04 Dvořáks tief verwurzeltes Musikantentum kommt übrigens marginal. Bis auf die Tonartenfolge der in den beiden letzten Sätzen zum Ausdruck. Sie vier Sätze gibt es keine Gemeinsamkeiten. Schon stehen nicht zufällig im 2/4-Takt der böhmischen gar nicht interessierte Dvořák eine klare Per- Deutsch Polka. Das Allegretto ist freilich „kecker“ im Tonfall, aspera-ad-astra-Dramaturgie, die für Beethovens trotz der wieder aufgenommenen c-Moll-Tonali- Werk essentiell ist. Ihm gelingt eher die Erneue- tät. Volkstümliche Wendungen, Rubato-Effekte, rung der traditionellen Gattung Sinfonie aus neu- Stimmungswechsel und ein farbig variierter deutschem Geist und mit tschechischem Idiom Streicherklang wirken lebendig. Auch die Holzblä- – im Grunde die Geburt einer Nationalsinfonie. ser sind erneut vielseitig eingesetzt. Eingescho- bene Sequenzen und die luftige Polyphonie klin- Den Durchbruch als Komponist in seiner Heimat gen an einigen Stellen wie ein Vorgeschmack auf erlebte der Orchesterbratscher Dvořák im März Wagners Meistersinger-Musik. Im C-Dur-Finale 1873 bei der Uraufführung seines patriotischen wird die Nähe zur formal freien Rhapsodie spür- Hymnus Dĕdicové Bílé hory (Die Erben des weißen bar. Majestätische Passagen und Fanfaren wech- Berges) für Chor und Orchester op. 30, bei der allein seln mit vereinzelten Soli und innigen Themen, 300 Sänger des tschechischen Hlahol-Chores mit- doch die sinfonische Stringenz geht nie verloren. wirkten. Vaterländischer Stolz und eine slawische Haltung führten 1874 auch zur ersten Rhapsodie Erstaunlich, wie selbstbewusst sich der 24-jährige a-Moll op. 14. Nach Auskunft der Musikzeitschrift Komponist mit dieser Sinfonie „Opus 3“, seinem „Dalibor“ sollte damit ein Zyklus nationaler Werke ersten Orchesterstück nach einem Streichquintett eröffnet werden „etwa in der Art, wie Liszt mit sei- und einem ersten Streichquartett, in die Musik- nen Rhapsodien ungarischer Volkslieder“. welt einführt. Allerdings nur privat, denn dieser Erstling hielt seinen überkritischen Augen nicht Dvořák führte den Plan jedoch erst vier Jahre spä- stand und verschwand zeitlebens in der Schub- ter mit seinen drei Slawischen Rhapsodien op. 45 lade. (Einige Quellen behaupten, dass er sie erfolg- weiter fort. So ist die frühe a-Moll-Rhapsodie ein los zu einem Kompositionswettbewerb nach Leip- umfangreiches Einzelwerk vor dem Hintergrund zig schickte.) Vielleicht war die Sinfonie auch zu mittlerweile vier vollendeter Sinfonien. Ihr epi- gelehrt und „germanisiert“, ein von vielen Tsche- scher Charakter wechselt zwischen pathetischen chen geäußertes Vorurteil gegenüber der Musik und volkstümlichen Abschnitten, zielt auf eine Dvořáks. Erst 1923 wurde das Manuskript im grandiose Dur-Coda. Das einschließlich Harfe, Nachlass eines Prager Orientalistik-Professors wie- Englischhorn, drei Posaunen, Tuba und Schlagwerk derentdeckt. Die Uraufführung erfolgte am 4. üppig besetzte Stück wirkt wie eine dramatische Oktober 1936 im mährischen Brünn, wo der tsche- sinfonische Dichtung und ist daher mit Smetanas chische Dirigent Milan Sachs jedoch nur eine zeitgleich begonnenem Zyklus Mein Vaterland gekürzte und bearbeitete Version präsentierte. verwandt. Wie die erste Sinfonie wurde auch diese Rhapsodie erst lange nach der Entstehung urauf- 1961 – fast 100 Jahre nach ihrer Entstehung – gab geführt, in einem Gedenkkonzert der Tschechi- der Komponist František Bartoš die Sinfonie inner- schen Philharmonie am 3. November 1904 unter halb der Prager Dvořák-Ausgabe erstmals heraus. dem böhmischen Dirigenten und Komponisten Der bereits vom Biografen Otakar Šourek bemerkte