Gunther Emmerlich Opernsänger Und Moderator Im Gespräch Mit Hans-Jürgen Mende
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks Sendung vom 10.6.2011, 20.15 Uhr Gunther Emmerlich Opernsänger und Moderator im Gespräch mit Hans-Jürgen Mende Mende: Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, zum alpha-Forum, heute mit einem Gast, den man wohl kaum vorstellen muss, weil man ihn aus dem Fernsehen kennt und natürlich auch von Liveveranstaltungen. Manche kennen ihn vielleicht sogar noch von der Opernbühne. Gunther Emmerlich, vielen Dank fürs Kommen. Emmerlich: Ich grüße Sie. Mende: Sie sind ja fast schon so etwas wie hier zu Hause, denn es gibt da so bestimmte Traditionen, z. B. in Bad Wörishofen. Dort moderieren Sie seit vielen Jahren ein ganz spezielles Konzert. Emmerlich: Das sind mehrere Konzerte, die dort immer zu Pfingsten stattfinden, meistens sind es drei, manchmal auch nur zwei. Das sind, wenn man sie so nennen darf, kleine "Pfingstfestspiele". Ich bin dort schon mit Kollegen der Dresdner Staatskapelle gewesen, mit dem Rundfunkblasorchester Leipzig, mit bekannten Tenören und Sopranistinnen. In diesem Jahr wird es einen Duettabend mit Eva Lind geben und einen Soloabend mit Arien und Liedern. Mende: Wie fühlt sich denn ein geborener Thüringer, der aber viele Jahre seines Lebens in Sachsen verbracht hat, in Bayern? Gefällt es Ihnen hier? Entdecken Sie Ähnlichkeiten zwischen den Landsmannschaften? Emmerlich: Also, wir sind ja beide Freistaatler, die Bayern und die Sachsen. In Dresden habe ich damals das Bayerische Fernsehen leider nicht sehen können. Man weiß vielleicht noch, dass das in Teilen Sachsen damals nicht ging, jedenfalls nicht in Dresden. Allerdings hieß Dresden damals ebenfalls "ARD", nämlich "Außer Raum Dresden", womit darauf angespielt wurde, dass sonst eben überall solche Sender wie der Bayerische Rundfunk zu empfangen waren. Dresden hatte deswegen ja auch den Beinamen "Tal der Ahnungslosen". Aber im Rundfunk habe ich viele "Bayern 3" gehört. Ehe ich selbst z. B. mit dem verdienstvollen Ado Schlier zu tun hatte, der ja über viele Jahre hinweg im Rundfunk und im Fernsehen Sendungen gemacht hat, kannte ich ihn bereits seit langen Jahren über seine Radiosendungen vom späten Abend in "Bayern 3". Mende: Ich habe mir gesagt, dass ich für die heutige Sendung mal keinen Zettel brauche und keine Stichwörter, denn wir beide machen das einfach so im Gespräch. Sie sind ja selbst ein alter Profi im Moderationsgeschäft: Wenn mir nämlich die Fragen ausgehen sollten, dann würden Sie bestimmt einspringen. Emmerlich: Es stimmt beides, ich bin alt und Profi. Mende: Ist es Ihnen denn selbst schon mal passiert bei einer Moderation, dass Sie plötzlich nicht mehr wussten, was Sie fragen sollten? Emmerlich: Dann habe ich einfach was anderes gefragt. Denn die Leute wissen ja nicht, was man fragen wollte. Insofern ist das auch niemandem aufgefallen. Das Entscheidende ist also das, was auch bei den Printmedien wichtig ist: Der Name muss stimmen und wenn man vom Geburtsort spricht, dann sollte auch der stimmen. Auch das Geburtsdatum sollte korrekt sein. Der Rest jedoch ist sozusagen "frei" und manchmal eher dem spontanen Einfall geschuldet. Man ist dann selbst überrascht von der Frage, die man da plötzlich stellt, obwohl man sie doch gar nicht stellen wollte. Mende: Geboren sind Sie in Eisenberg 1944. Emmerlich: Stimmt, Sie haben Ihre Hausaufgaben also gemacht. Mende: Wie ist es überhaupt mit dem Moderieren bei Ihnen? Wie kam es, dass der Sänger an der berühmten Dresdner Semperoper plötzlich auf die Bühne ging und nicht gesungen, sondern mit Menschen gesprochen hat? Emmerlich: Das fing schon relativ früh an. Ich habe in Weimar studiert und natürlich macht man dort zusammen mit Kommilitonen viele Veranstaltungen bei irgendwelchen Betriebsfesten oder anderen Feierlichkeiten. Da fühlte sich immer irgendjemand berufen, zwischendurch auch mal irgendwie so eine Kopfansage zu machen. Ich habe mir damals gedacht, dass man das doch auch ein bisschen anders machen könnte, als nur den Komponisten zu nennen und die Rolle, die mit dieser Arie verkörpert wird, die an diesem Abend gesungen wird. Das müsste doch ein bisschen pfiffiger zu machen sein. Da begann ich mich sozusagen mit diesem Seitenweg der Bühnenpräsenz zu beschäftigen, der ja dann irgendwann fast schon eine Hauptstraße wurde für mich. Das hat Spaß gemacht und ich habe gemerkt, dass man den Nerv der Leute gut treffen kann. Gut, man kann auch mal vorbeisegeln, aber im Laufe der Jahre lernt man doch einiges, um das zu vermeiden. Mende: Sind Sie jemand, der sich akribisch vorbereitet? Es gibt ja Moderatoren, die jede Frage auswendig lernen, die den kompletten Moderationstext auswendig lernen, wie das ein Schauspieler mit seiner Rolle macht. Oder sind Sie jemand, der eher spontan das fragt und tut, was ihm mehr oder weniger im Moment einfällt? Emmerlich: Theater ist ja Verabredung. Wenn man am Theater nicht alles ordentlich gelernt hat, dann ist man fehl am Platze. Wenn man Sendungen moderiert, dann muss es da schon ein gewisses Gerüst geben, ein Gerippe. Ich habe früher immer gesagt: "Man muss sich was in den Ärmel stecken, um am Ende beim Schütteln der guten Hoffnung sein zu können, dass da etwas rauskommt." Eine gewisse Vorbereitung muss also sehr wohl sein. Aber es muss schon auch ein Swing sein, d. h. es muss ein bisschen Raum für Improvisation geben – und nicht nur an der Stelle, an der einem nichts einfällt. Mende: Genießen Sie es denn, vor dem Publikum auf der Bühne zu stehen? Emmerlich: Ja. Das gilt aber generell, das geht mir beim Moderieren so wie beim Singen. Wenn man keine Freude daran hätte, eine Bühne zu betreten in der Hoffnung, dass einem viele zuhören und das vielleicht sogar als wohltuend empfinden, dann hätte man den falschen Beruf ergriffen. Als ich am Theater fest engagiert war, habe ich ja auch viel mit Schauspielern zusammengearbeitet, indem wir z. B. Programme erarbeitet haben. Das hat dann dazu geführt, dass bei mir die schauspielerische Seite dieses Berufs, die es beim Opernsänger ja auch gibt, noch etwas ausgeprägter wurde. Mende: Sie sind heute ja ein bekannter Mann: Können Sie eigentlich noch irgendwo durch die Stadt laufen in Deutschland, ohne erkannt und angesprochen zu werden, ohne gleich einen kleinen Menschenauflauf hervorzurufen? Emmerlich: In Dresden haben alle schon ein Autogramm, die eines wollen. Es ist ja angenehm, wenn die Leute einen erkennen, wenn sie einen freudig erkennen und nicht sagen: "Das ist doch dieser …! Ach du lieber Gott!" Das möchte ich logischerweise nicht so gerne haben. Aber wenn man zu mir sagt: "Sind Sie nicht manchmal im Fernsehen zu sehen?", dann bestätige ich das gerne, wenn es stimmt. Manchmal denken die Leute aber auch, dass ich das doch gar nicht sein könne. Ich habe zu einigen Begegnungen mit meinen Fans ja auch schon mal was aufgeschrieben. Einmal hat eine Frau zu mir gesagt: "Sie sind doch mein Fan!" Die Leute kommen in den Formulierungen auch manchmal ganz schön durcheinander. Ein anderer hat mich über den grünen Klee gelobt, sodass es schon fast zu viel war, denn allzu viel Lob verdirbt den Charakter, wie man weiß. Er wollte sein Lob dann beenden mit einer überaus schmeichelhaften Bemerkung über meine Stimme, aber er sagte: "Und Ihre Stimme! Die ist ja indiskutabel!" Was auch immer er damit ausdrücken wollte. Selbst loben will also gelernt sein. Mende: Bleiben wir doch mal bei diesem An-die-Öffentlichkeit-Treten: Ist das auch einer der Gründe dafür, warum Sie zwei Bücher geschrieben haben? Eine Autobiografie, die etwas untypisch ist, weil sie eigentlich nicht chronologisch vorgeht … Emmerlich: Das sind eher biografische Geschichten. Mende: Dieses Buch hier "Ich wollte mich mal ausreden lassen" kam 2007 heraus. Ich gebe zu, ich habe es als Mängelexemplar bekommen. Das heißt aber nicht, dass es auf dem Ramschtisch gelandet wäre, sondern es ist momentan vergriffen und kommt demnächst in einer neuen Auflage heraus. Emmerlich: Das wird dann die dritte Auflage sein. Das ist ja eigentlich das Gegenteil von Öffentlichkeits-Suche, denn beim Schreiben sucht man doch eher das stille Kämmerlein, um aufzuschreiben, was einen über die Jahre so bewegt hat. Es gibt ja viele Dinge, die man bestenfalls im Freundeskreis erzählen kann oder in der Familie. Aber es gibt eben auch ein paar Geschichten, bei denen man öfter mal zu hören bekommt: "Das solltest du mal aufschreiben!" Es kamen auch viele Verlage auf mich zu und meinten zu mir: "Sie gehören doch zu der Generation, die eine ganze Menge erlebt hat." Ich bin 1944 geboren und ich muss ja nicht chronologisch alles erzählen, was in diesen Jahren seit damals alles geschehen ist bis heute. Es war jedenfalls für die Verlage interessant, dass ich da mal was schreibe, vor allem auch zu den immer wieder sich wechselnden Situationen, in denen ich mich befunden habe, also über meine Zeit in der DDR, in der Wendezeit usw. Bei dieser Wende bin ich ja aktiv mit dabei gewesen, um die künftige Demokratie mitzugestalten. Da ist im Laufe meines Lebens doch einiges auf mich zugekommen. Aber ich dachte mir dann: "Ach, heutzutage schreiben doch schon 17-Jährige ihre Biografie, da musst du dich nicht auch noch einreihen." Also habe ich erst einmal dankend abgelehnt. Dann aber kam der Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf aus Berlin auf die Idee, dass ich mal einzelne Geschichten aufschreibe. Und so ist es zu diesen Geschichten gekommen. Ich habe mir gedacht: Das machst du ja auch, wenn du auf der Bühne stehst, da erzählst du doch gelegentlich auch Geschichten. So habe ich mich also in einem Urlaub in Irland hingesetzt auf eine Veranda. Das Klima in Irland ist ja sehr günstig fürs Schreiben, wie der Gescheite weiß. Ich sagte mir: Wenn mir innerhalb der nächsten zwei Stunden nichts einfällt, was drei, vier Seiten füllt, dann lasse ich es einfach sein! Denn ich habe diesbezüglich ja keinerlei Ehrgeiz und Ambitionen. Aber siehe da, es macht mir ungeheuer viel Freude, das Schreiben. Das wusste ich nicht. Es macht mir auch sehr viel Spaß mit dem, was ich geschrieben habe, auf Lesereise zu gehen.