Ohnmacht Und Erhabenheit Performative Sprachlosigkeit in Friedrich Schillers Dramen
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Ohnmacht und Erhabenheit Performative Sprachlosigkeit in Friedrich Schillers Dramen Von der Philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von Monika Pulsfort-Kunze, M. A., geboren am 22.06.1941 in Hannover 2019 (Erscheinungsjahr) Referentin: Prof. Dr. Birgit Nübel Korreferentin: Prof. Dr. Anne Fleig Tag der mündlichen Prüfung: 05.07.2017 Abstract Mit der Formulierung des Themas Ohnmacht und Erhabenheit. Performative Sprachlosigkeit in Friedrich Schillers Dramen stellt die Vf. bereits zentrale Aspekte der Studie heraus: Es geht um einen kulturwissenschaftlichen sowie ästhetischen Blick auf die Konstruktion der Figuren in Schillers Dramen von 1781–1804, d. h. in der Zeit der Spätaufklärung. Vor dem Hintergrund von ‚Theorien des Performativen‘ (Fischer-Lichte) werden in der Untersuchung die kontrastierenden Ausdrucksgesten von Ohnmacht und Erhabenheit als genderspezifische Merkmale zur Konstruktion der Figuren in Schillers Dramen verstanden. Von Schiller werden diese performativen Angaben in den zeitgenössisch üblichen Regieanweisungen literarisiert, also u. a. mit den jeweiligen Angaben zur Körpersprache der Figuren; insbesondere in diesen Nebentexten werden die genderspezifischen Merkmale als konstituierende Angaben erkennbar. Diese theoretischen Vorüberlegungen werden ergänzt um die Definition der polarisierenden Untersuchungskriterien von Ohnmacht und Erhabenheit. Dazu werden Analysekriterien kontemporärer Diskurse zur ambivalenten, nicht nur weiblich konnotierten Ohnmacht (vgl. Mülder-Bach und Galle) kritisch aufgegriffen, ebenso wie Paradigmen des männlichen Freundschaftskultes im 18. Jahrhundert (vgl. Pfeiffer). Der dann analysierende Durchgang durch die Dramen erfolgt zudem mit der kontemporären Sicht auf weitere polarisierende Begriffspaare in anthropologischen und ästhetischen Diskursen am Ende des 18. Jahrhunderts wie ‚Schönheit und Erhabenheit‘ ( Zelle); ‚Körper und Geist‘, ‚Natur und Kultur‘ (Schiller) und auch ‚Sinnlichkeit und Sittlichkeit‘. Letzteres wird bei Schiller entsprechend thematisiert in Anmut und Würde, darin in der besonderen Gegenüberstellung von ‚schöner Seele‘ und ‚erhabener Würde‘. In Analogie zur Gegenüberstellung (also nicht zur Abgrenzung) gerade zu diesen kontrastierenden, geschlechtsspezifisch konnotierten Kategorien wird in der Studie die Beziehung bzw. der Einsatz der Merkmale von Ohnmacht und Erhabenheit verstanden. Die so definierten Ausdrucksgesten (von (weiblich konnotierter) Ohnmacht und von (männlich konnotierter) Erhabenheit werden. in den differenzierten Textanalysen zu Die Räuber, Kabale und Liebe, Don Karlos, Die Jungfrau von Orleans und Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder erkennbar. Der besondere, zeitgenössisch unübliche Einsatz dieser geschlechtsspezifischen und polarisierenden Merkmale zur Konstruktion der Schiller’schen Dramenfiguren wird durchgängig nachgewiesen, insbesondere in den Jugenddramen. So setzt Schiller die empfindsame Ausdrucksgeste der Ohnmacht – synonym für Unschuld/ Tugend/ ‚Weiblichkeit‘ – zwar zeitgenössisch üblich ein, aber er verknüpft dieses Merkmal konstituierend in einer besonderen Gegenüberstellung mit dem ‚männlichen‘ Merkmal der Erhabenheit, d. h. in einer ‚gegenstrebigen Spannungsbeziehung‘ (vgl. Zelle) bzw. in einer Art ‚Verkreuzung‘ (vgl. Nübel); die Vf. benennt Schillers ungewöhnlichen Einsatz der kontrastierenden Merkmale zur Konstruktion der Figuren in seinen Dramen als ‚poetische Verfugung‘. Belegt wird dies, beginnend mit Amalia und darauf Luise, insbesondere dann mit der Königin in Don Karlos. Gerade die Analyse zur Konstruktion dieser Figur (im Kontext des Handlungsbogens und der Beziehung zu den männlichen Figuren) liefert neue Erkenntnisse zum Verständnis von Don Karlos als politisches Drama. Schlagwörter: Spätaufklärung – Gender – Performativität – Ohnmachtsdiskurs – Freundschaftskult – Regieanweisungen/ Nebentexte – Körpersprache. Für C l a i r e Danksagung Bei den letzten Korrekturen zum Abschluss dieser Dissertation waren die Arbeiten unerwartet Kräfte raubend; dabei stand mir meine Tochter Johanna mit tatkräftiger Kontrollhilfe zur Seite. Für diese Kraft und Konzentration, die sie für mich neben ihren eigenen künstlerischen und theaterpädagogischen Aufgaben spontan und eben- so arbeitsintensiv wie kompetent aufgebracht hat, möchte ich vorab ganz besonders danken, damit vor allen anderen, die mit unterschiedlicher Anteilnahme meinen Ar- beitsablauf verfolgt, aber auch motivierend und tatkräftig unterstützt haben. Hier möchte ich ausdrücklich den Dank an Frau PD Dr. P. Gehrmann (vormals Peggy Fiebich) für ihre Korrekturhilfe bei den ersten Teilen der Arbeit richten wie auch an Frau Melanie Liepe für spätere Korrekturhilfen. Ein vielfältiger Dank ‚rundum‘ gilt in der Zeit der Dissertation auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der GWL- und der Uni-Bibliotheken, besonders der Campus-Stelle. Sie ermöglichten mir hilf- reiche Ausleihbedingungen, wodurch mir Zeit und kostbare Kräfte erspart wurden. Für die Hilfe bei Rechercheanfragen und/ oder auch das Bereitstellen von Materia- lien von außerhalb Hannovers möchte ich Frau Dr. Rosmarie Günther vom Histori- schen Institut der Universität in Mannheim sowie Frau Liselotte Homering und Frau Dr. Claudia Braun vom dortigen Museum Schillerhaus wie auch dem Sekretariat des Mannheimer Altertumsvereins meinen herzlichen Dank sagen. Dieser geht dement- sprechend weiter an Herrn Dr. Daniel Graepler vom Archäologischen Institut der Universität Göttingen und auch an Herrn Prof. (em.) Dr. Heinrich Theissing von der Kunstakademie Düsseldorf. Mein Denken und Erinnern, insbesondere an die Fragestellungen der Arbeit bewegt mich noch immer, oft begleitet von positiver Unruhe aufgrund der ermöglichten Entdeckungen. Hier gilt mein großer Dank vor allem Frau Prof. Dr. Birgit Nübel, die meine Dissertation betreut hat und mich mit ihrer herausfordernden wie auch geduldigen Kritik in meinem wissenschaftlichen Arbeiten nach meinem Magister- Studium weitergebracht hat, nicht zuletzt dank klärender Nachfragen. Bei letzteren wurde sie konstruktiv unterstützt durch Dr. Till Nitschmann, dem ich ebenfalls für die verständnisvollen und weiterführenden Rücksprachen danke. In diesem Zusam- menhang gilt mein Dank auch allen Beteiligten des Doktorandenkolloquiums, das Frau Professor Nübel leitete und betreute. Die differenzierten Erörterungen der je- weiligen Themen, die Darstellung der eigenen Arbeitsschritte in einem Klima des teilnehmenden Fragens und kritischen Zuhörens waren für mich durchgängig moti- vierend und haben wesentlich zur Klärung und Weiterführung meiner Gedanken und Fragen hinsichtlich der eigenen Arbeit beigetragen. Die erwähnten Lern- und Ar- beitsprozesse sind kennzeichnend für eine wichtige Zeit meines Lebens geworden – eines erfüllten und lohnenden Abschnittes, den ich mir vorher in dieser Weise nicht vorgestellt habe, geschweige zu denken wagte. Darum gilt abschließend mein tiefer Dank denen, die dieses durch eine Art ‚Weichenstellung‘ in Gang gesetzt und auf den Weg gebracht haben. Neben meiner Tochter mit ihrem skeptischen Interesse und durchgängigem Zuspruch ist dies vor allem Frau Prof. Dr. Anne Fleig, die mir mit ihrer Lehre, ihren wissenschaftlichen Fragestellungen, insbesondere mit ihrer ununterbrochenen Wertschätzung das Studium der Neueren Deutschen Literaturwis- senschaft eröffnete wie auch zur Weiterführung anregte, letztlich zum Abschluss mit Promotion. Die Dissertation als wohl letzte große Arbeit meiner Lernbiografie ist somit sinnstiftend für einen wichtigen Lebensabschnitt für mich geworden; diese Zeit war auch bedeutsam ‚für Claire‘, der ich die Arbeit dankbar gewidmet habe: Als Erinnerung für die Zukunft. Laatzen/ Hannover, im Juni 2019 Monika Pulsfort-Kunze Inhaltsverzeichnis I. Einleitung .............................................................................................................................................................................8 II. Anthropologische und ästhetische Fragestellungen am Ende des 18. Jahrhunderts .................................. 18 1 Schillers Konstruktion der Dramenfiguren und seine Frage nach ‚dem Menschen‘ ............................................. 18 1.1 Der ‚ganze Mensch‘ – eine Frage der Spätaufklärung ......................................................................................... 19 1.1.1 Platners Anthropologie ...................................................................................................................................... 20 1.1.2 Die zentrale Bedeutung des Begriffs Anthropologie .................................................................................... 21 1.1.3 Die Wendung zur Empirie und die Erschütterung des Verständnisses der Seele .................................... 23 1.1.4 Die Wende der Psychologie. Das Entdecken der Heteronomien der ‚Seele‘ ........................................... 24 1.1.5 Die Sicht des Dichters: Die Grenzen der Autonomie und die Erscheinungsformen der Freiheit ........................................................................................................................................................... 27 1.1.6 Der Mensch – ein Mann; der Mann – ein Mensch ........................................................................................ 30 1.1.6.1 Lexikale Definitionen zur Bestimmung von ‚Geschlecht‘ ................................................................. 32 1.1.7 Das Geschlecht – ein Konstrukt