Die Welt Zu Gast in Ehra-Lessien
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Samtgemeinde Meinersen Zwischen Aller und Oker Hillerse Leiferde Meinersen Müden (Aller) Verlag + Druck Linus Wittich KG online lesen: www.wittich.de 5362/Jahrgang 39 | Ausgabe 12 | Donnerstag, den 12. November 2015 Die Welt zu Gast in Ehra-Lessien „Die Welt zu Gast in Ehra-Lessien“, mit diesen Worten beschreibt Sandro Pietrantoni, was sich derzeit vor seinen Augen im Flüchtlingsnotaufnahmela- ger Lessien abspielt. Am vergangenen Mittwoch konnte der Gifhorner DRK- Geschäftsführer sieben Hauptverwal- tungsbeamtinnen und -beamte des Landkreises Gifhorn in der von ihm ge- leiteten Einrichtung begrüßen. Für ihre Amtskollegen spontan orga- nisiert hatte das Treffen die Bromer Samtgemeindebürgermeisterin Manu- ela Peckmann, zu deren Verwaltungs- bereich Ehra-Lessien gehört. Um sich angesichts nicht versiegender Flücht- lingsströme nach Deutschland und vor allem auch nach Niedersachsen vor Ort über die Lage zu informieren, be- gaben sich Anja Meier (Bgm. SG Bol- decker Land), Karl Ridder (Bgm. Stadt Wittingen), Andreas Taebel (Bgm. SG Hankensbüttel), Helmut Holzap- Von links nach rechts: René Weber, Andreas Taebel, Sandro Pie- fel (Bgm. SG Papenteich), Eckhard trantoni, Kathrin Rösel, Eckhard Montzka, Karl Ridder, Manuela Montzka (Bgm. SG Meinersen), René Peckmann, Anja Meier, Helmut Holzapfel Weber (Bgm. SG Wesendorf) und Ka- thrin Rösel (Erste Samtgemeinderätin der Aufforderung, er möge um 18.30 Uhr „auf dem Campus“ sein, SG Wesendorf) in die ehemalige Bun- denn übermorgen kämen die ersten Flüchtlinge. Damals sei noch deswehr-Kaserne, in die seit dem 21. von 1500 Menschen die Rede gewesen, für die die verlassenen und September insgesamt 804 Flüchtlinge aller Installationen beraubten Kasernengebäude in Windeseile be- aus 29 Nationen eingezogen sind. wohnbar gemacht werden mussten. Seit gestern leben alle in dreizehn Inzwischen hat sich die Bewohnerzahl - nach einem Schreiben des verschiedenen Wohngebäuden, die DRK sowie von Manuela Peckmann und dem Ehra-Lessiener Orts- letzten Behelfszelte und Feldduschen brandmeister Frank Mosel an das Landesinnenministerium, in dem wurden geräumt und können in den ernstzunehmende Sicherheitsbedenken bei einer befürchteten Über- kommenden Tagen weitgehend abge- belegung deutlich gemacht wurden - stabil bei ca. 800 Personen baut werden. eingependelt, die die ersten Wochen und Monate in Deutschland auf Pietrantoni berichtete weiter: Was auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz verbringen, bis individueller ihn in Lessien zukommen sollte, habe Wohnraum für sie gefunden wird. er am 18. September mittags durch ein Telefonat erfahren, verbunden mit Lesen Sie bitte weiter auf Seite 2. Meinersen -2- Nr.12/2015 Fortsetzung der Titelseite Wie lange dieses jeweils dauern wird und wo am Ende die Bele- Dies, so Pietrantoni, sei zu gefährlich. Für die allgemeine Sicherheit gungsgrenze nach oben sei, könne niemand sagen, so Peckmann. sorgten inzwischen drei verschiedene Sicherheitsdienste, darunter Man wolle aber keine Unterbringung in Zelten akzeptieren. Die Not- arabisch sprechendes Wachpersonal, und die Polizei sei ebenfalls aufnahmeinrichtung in Lessien falle komplett unter die Zuständig- präsent. „Unsere Leute machen Taschenkontrollen beim Einlass und keit des Landes Niedersachsen und sei als Zwischenstation für die wir habenExperten,die in Deeskalation geschult sind, so dass es Flüchtlinge auf dem Weg in die Kommunen gedacht gewesen, um bisher nicht zu nennenswerten Zwischenfällen gekommen ist.“ sie dort nach ihrer Registrierung durch die Landesaufnahmebehörde Doch es gibt noch anderes Gefahrenpotential, für das eine Lösung schließlich dezentral unterzubringen. Auf dem Papier, so Peckmann, gefunden werden musste. Da unter so vielen Menschen und speziell habe dies früher einmal fünf Tage dauern sollen. in dieser Umgebung auch eine generelle Brandgefahr herrscht, für Campus, so nennt Sandro Pietrantoni, Sohn italienischer Einwan- die Feuerwehr Ehra-Lessien „der Platz“ aber weit abseits liegt, konnte derer, der fünf Sprachen spricht, das nun wieder belebte Zentrum Samtgemeindebürgermeisterin Manuela Peckmann inzwischen pro- des 76 Hektar große Geländes, aus dem er in den vorangegangen fessionelle, vomLandbezahlteEinsatzkräfte vorOrt erwirken.„Ein 27 Tagen mit der Hilfe von über 500 ehrenamtlichen und freiwilli- Löschfahrzeug und eine Staffelbesetzung von sechs Personen sind genHelfern vonDRK,THW,den Freiwilligen Feuerwehren, einer seit einer Woche auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz statio- Gruppe Auszubildender von VW und nicht zuletzt vieler Bürger aus niert, die bei größeren Einsätzen dem Kommando der Freiwilligen Ehra-Lessien und dem ganzen Landkreis „ein kleines Dorf“ geschaf- Feuerwehr Ehra-Lessien unterstehen.“ fen habe. Seitdem hat der agile DRK-Manager den Anzug gegen Für Manuela Peckmann war der Besuch ihrer Kolleginnen und Kol- sportliche Kleidung getauscht, hat 16-Stunden-Arbeitstage und ein legen in Lessien deshalb wichtig, „weil es ihnen allen hilft, einen Ein- eigenes Büro auf dem „Platz“, wie die ehemalige Kaserne in der Um- druck von der Lage und ein Verständnis für gewisse Situationen zu gangssprache der Ehra-Lessiener noch immer heißt. Von ihnen hat bekommen.“ er inzwischen viele kennengelernt. „Ohne die freiwillige Hilfe dieser Samtgemeindebürgermeister Eckhard Montzka sagt: vielen Menschen wäre das hier alles nicht möglich gewesen“, betont „Ich war sehr beeindruckt von der enormen Leistung der Ehrenamtli- er. Bei seiner Ankunft stand nicht nur das Gras auf den Rasenflä- chen vor Ort. Aber auch das DRK Kreisverband Gifhorn e.V. verdient chen zwischen den Häusern meterhoch und musste erst mal gemäht absoluten Respekt für die Leistung in so kurzer Zeit eine Konzeption werden, sondern in den Gebäuden war -buchstäblich -nichts mehr. für das Flüchtlingsnotaufnahmelager zu erarbeiten und umzusetzen.“ Sanitäranlagen, Heizung, Mobiliar, alles hatte die Bundeswehr mit- Besuch auf der Krankenstation des Notaufnahmelagers, in der alle genommen. Bewohner bei ihrer Ankunft medizinisch untersucht und im Krank- „Zwei Stunden vor der Ankunft der ersten Bewohner lief hier endlich heits- oder Notfall behandelt werden können (s. unten). das Wasser. Leider war es zu Anfang nur kalt“, erzählte Pietrantoni seinen staunenden Zuhörerinnen und Zuhörern. Sogar die Küche im Kantinenbereich war ausgebaut worden. Inzwischen werden die Bewohner der Anlage vom VW-Catering und dem Isenbütteler Ga- stronomieunternehmer Jörg Roth versorgt, der mobile Küchengeräte herbeischaffte und der noch immer täglich von freiwilligen Helfern aus der ganzen Samtgemeinde Brome unterstützt wird. „Inden ersten Tagensinduns dieHelferhierumgekippt,das kann sich keiner vorstellen“, beschrieb Pietrantoni die besonders ange- spannte Lage zwischen dem 18. und dem 21. September. Dabei zu beklagen gewesen sei besonders der mangelnde Informa- tionsfluss: „Die Busse aus den Einrichtungen in Friedland, Bramsche oder Braunschweig, von wo wir Flüchtlinge aufgenommen haben, kamen nie auch nur irgendwie pünktlich an. Alle zusammen -Ärzte, Krankenschwestern, Übersetzer,Küchenhelfer, dieLeute in derAus- gabe für Sanitätsartikel und nicht zuletzt unsere DRK-Helfer -haben von morgens an gewartet, aber die Busse kamen dann erst um zehn Uhr abends. Bis alle Ankömmlinge registriert waren, war es halb ein Besonders benö- Uhr nachts.“ tigt werden in der Auch die Kommunikation auf dem Waldgelände war und ist schwie- Kleiderkammer rig. „Wir haben zwei Rechner im Büro, aber noch immer kein Internet, Wintersachen und unsere Mobiltelefonefunktionieren hier auch nurbedingt undwir sind warme Schuhe. auf Funkgeräte angewiesen“, berichtet Sandro Pietrantoni. Wer Sachen spen- Der Einsatz vieler freiwilliger Helfer in Küche, Kleiderkammer, als den möchte, bitte Sprachlehrer, Übersetzer und bei der Kinderbetreuung wird wohl auf der Webseite auch in Zukunft notwendig sein, doch in der Einrichtung sollen zudem des DRK Gifhorn Arbeitsplätze entstehen: Das Catering-Unternehmen sucht feste informieren: Mitarbeiter, das DRK braucht einen Lager-Logistiker und will zehn http://www.drk-gif- Stellen für Sozialarbeiter besetzen. „Einer davon wird als Freiwilligen- horn.de/startseite/ Koordinator fungieren, damit die Menschen, die uns hier helfen wol- len, auch einen festen Ansprechpartner bekommen. Es laufen schon sehr wichtige Aktivitäten für die spätere Eingliederung der Asylbewer- ber in unsere Gesellschaft, wie Deutsch-Unterricht für Jugendliche und Erwachsene, und auch die Kinderbetreuung und -sprachförde- rung kann bald losgehen. Dabei versuchen wir immer auch unsere Werteund Normen zu vermitteln.Zum Glückhaben wirviele gebil- dete undhochqualifizierteMenschenunter unserenBewohnern,die dasauchweitertragen“,freut sich derDRK-Chef. Aber er warntauch vorzuvielEnthusiasmus: „Bei vielen Menschen wissen wirnatürlich nicht, wo sieherkommen,welcheTraumatasie in ihrerHeimatund aufder Flucht erlitten haben.“ Seine 804 Schützlinge teilen sich auf in 602 Männer und Jungen, 202 Frauen bzw. Mädchen, davon 160 Minderjährige und von diesen 55 Kinder im Grundschulalter von sechs bis zehn Jahren. 49 Prozent der Asylbewerber seien Syrer, es folgten mit deutlichem Abstand Iraner, Afghanen, Pakistani und danach die restlichen Nationen, so die Statistik. Die Flüchtlingsnotunterkunft in Ehra-Lessien ist mittlerweile als Erst- aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber im Gespräch. Schon jetzt würden sich mit allen Helfern tagsüber bis zu 1000 Menschen im „Camp“ aufhalten. Ein wichtiger Aspekt sei daher die Gewährleistung der Sicherheit aller, so Pietrantoni, zumal der Truppenübungsplatz von mit Kampfmitteln