Sophie Pacini „Rimembranza“

Samstag | 26.9.2020 | 19.30 Uhr Programm

Wolfgang Amadeus Mozart (1756−1791) 12 Variationen über „Ah, vous dirai-je Maman“ KV 265 (300e) (ca. 12’)

Franz Schubert (1797−1828) Sonate a-Moll op. post. 143 D 784 (ca. 25’) Allegro giusto Andante Allegro vivace

Franz Liszt (1811−1886) (ca. 5‘) aus „Consolations“ Nr. 1 Andante con moto Nr. 2 Un poco più mosso

Richard Wagner (1813−1883) | Franz Liszt (1811−1886) Ouvertüre zu „Tannhäuser“ − Paraphrase für Klavier (ca. 15‘)

Sophie Pacini Klavier

Impressum

Herausgeberin Monheimer Kulturwerke GmbH Intendant und Geschäftsführer Martin Witkowski Daimlerstraße 10a 40789 Monheim am Rhein Konzertdauer: 60 Minuten | keine Pause www.monheimer-kulturwerke.de Ton-, Foto-, Film- und Videoaufnahmen sind – auch zum privaten Gebrauch – untersagt. 3 Rimembranza – Erinnerung

An-Denken und lässt uns damit hoffnungsvoll und Das Jahr 2020 wird – auch für die Klas- voller Vorfreude in eine Zukunft mit sikbranche – ein besonderes Jahr im weiteren Recitals in der Aula am Ber- Rückblick werden. Als was werden wir liner Ring blicken. Zum anderen prä- es im Gedächtnis behalten? Als das sentiert sie an diesem Abend Werke Jahr, in dem wir wie angekündigt nur aus ihrem neuen Album, die nicht nur Beethoven zu hören bekommen sollten „zutiefst persönliche Rimembranza (Er- und dann mit dem Lockdown gar nichts innerung) – sondern eine ganz eigene mehr hörten? Genauer: nichts in Kon- ‚Danksagung an die Kunst‘ “ sind. zertsälen, dafür aber wieder viel mehr Geräusche der Natur auf ausgedehnten Im kollektiven Gedächtnis der Klassik- Fahrradtouren mit der ganzen Familie fans verankert (was im Grunde voll im Sinne des Na- Diese Melodie wird nicht in Vergessen- Der „Augarten“ in Wien - Hier gab Mozart im Frühjahr 1782 zwölf Konzerte. turfreundes Beethoven war)? heit geraten – zu eingängig ist sie, zu Vielleicht werden wir auch den heuti- populär seit mehreren Jahrhunderten gen Abend als den gedenken, an dem und zu präsent in vielen Ländern. Und wir nach monatelanger Live-Musik-Ab- – davon kann ausgegangen werden – aber zu Mozarts Zeiten ein pikantes stinenz zum ersten Mal wieder einen auch in Monheim am Rhein wird sie ei- Thema: Der Titel „Ah, vous dirai-je Ma- Geschenktes Wissen Klavierabend erleben durften. Mit Ab- nen Wiedererkennungseffekt auslösen. man“ verweist auf ein Gedicht, in dem Doppelt einsortiert: Die Variationen stand, mit Maske, aber ohne die ge- Manch einer singt sie zu Weihnachten, ein junges Mädchen seiner Mutter den KV 265 werden in keinem Brief der Familie Mozart und keinem histo- wohnte Pause – wie wird sich das an- manch anderer musste sie zu Grund- Verlust der eigenen Unschuld beichtet. rischen Dokument der Zeit erwähnt. fühlen und anhören? schulzeiten mehr oder weniger freiwil- Und da auch ein vollständiges Autograf Wir leben in besonderen Zeiten, die lig auf der Blockflöte spielen. In England Den schnöden Mammon nicht ver- des Werkes spätestens seit der zweiten besondere Kräfte von uns verlangen. aufgewachsenes Publikum wurde mit gessen Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr Musik kann hier unterstützen, zum Re- ihr in den Schlaf gesungen und auch Im Grunde war „Ah, vous dirai-je Ma- vorlag, mutmaßte man lange eine Ent- flektieren anregen. So hat Sophie Pacini in Frankreich ist die Melodie bekannt. man“ ein Modethema in damals be- stehungszeit in Mozarts Paris-Besuch in einer persönlichen Krisenzeit in ihrer „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ liebter Variationenform, mit dem 1778. So ordnete Ludwig Ritter von Familie „gemerkt, dass die Auseinan- oder „Twinkle, Twinkle, Little Star“ hei- Mozart zwei Fliegen mit einer Klappe Köchel das Werk in sein legendäres dersetzung mit der Musik meine gan- ßen die volkstümlichen Weisen, die auf schlagen konnte: In seiner Solistentä- Verzeichnis mit der Nummer KV 265 ze Familie gestärkt hat“. Sie habe eine dem gleichen, elementaren Melodie- tigkeit konnte er auf den Podien der ein. Nach weiteren Stiluntersuchungen Verpflichtung der Musik gegenüber ge- modell basieren wie Mozarts Variatio- Akademie-Konzerte sein Publikum wurde allerdings eine spätere Ent- stehungszeit wahrscheinlicher und spürt: „Sie ist der Punkt, an dem man nen KV 265. (Auch in „Alle Vögel sind mit populären Melodien und brillan- so bekam das Werk die Nummer 300e. sich selbst sehr stark spiegeln kann. Sie schon da“ taucht sie auf!) Und die Be- ter Technik sowie Improvisationskunst Dank einer Wasserzeichenanalyse des breitet einen Mantel über dir aus, wenn liebtheit der kleinen Melodie lässt sich unterhalten. Für seine Unterrichtstätig- verwendeten Notenpapiers ist es nun dir kalt ist.“ sogar bereits lange vor Mozart nach- keit waren die Variationen auf den Leis- mittlerweile nachgewiesen, dass die Va- Der heutige Abend wird also in zweier- weisen. Ein wahrer Dauerbrenner. tungsstand seiner Klavierschülerinnen riation KV 265 zu Beginn seiner Wiener lei Hinsicht ein besonderer: Zum einen Die Volksweise kommt sowohl musi- maßgeschneiderte Stücke, die nicht Zeit 1781/82 komponiert wurde. Und so eröffnet Sophie Pacini die Piano-So- kalisch als auch in den heute gängigen nur ihre Lehrwirkung nicht verfehlten, kam das Werk zu seine Doppelnummer: lo-Reihe der Monheimer Kulturwerke Textfassungen eher naiv daher, hatte sondern auch den Schülerinnen durch KV 265 (300e).

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spieltechnische Tricks wie das Über- Kunst gegen Geld sicherte also das kreuzen der Hände ein wirkungsvolles (Über-)Leben und das war nicht nur Auftreten und Konzertieren ermög- damals wichtig und richtig. Gerade in lichten. Das einfache Lied als Grund- den vergangenen Monaten haben wir lage war zudem für die Schülerinnen erlebt, was es heißt, wenn Werke ohne motivationsfördernd, da französische, „Gelegenheit“ waren und Künstlerin- pastoral-schlichte „Chansons“ gerade nen und Künstler in Not geraten. dem herrschenden Geschmack folgten. (Die aktuellen Hits wurden also schon damals von Lernenden lieber geübt.) Da Mozart viele Variationswerke so be- trachtet aus rein finanziellen Gründen komponierte, werden sie oft mit einem abwertenden Unterton als „Gelegen- heitswerke“ bezeichnet, die qualitativ hinter seinen anderen zurückstehen. Diese „Gelegenheiten“ musste Mozart allerdings zwingend nutzen und er tat es auch mit Erfolg, denn er war zu der Zeit der Komposition von „Ah, vous di- rai-je Maman“ gerade aus seiner Fest- anstellung in Salzburg in das Leben eines Freiberuflers in Wien gewechselt und das Leben in der Großstadt wollte finanziert werden. Geschenktes Wissen Auch die Sammlung von sechs kleinen Der Tröstung Ursprung: Der Titel der „Tröstungen“ („Consolations“) von Sammlung bezieht sich entweder auf Franz Liszt werden eine solche Gele- das Gedicht „Une larme, ou consolation“ genheit gewesen sein: Für die mit we- aus einem Gedichtband von Alphonse nig virtuosen Fertigkeiten beschenkten, de Lamartine (1790-1869). Sowohl Ge- dichttitel als auch der des Gedichtbandes aber ambitionierten Klavierschülerin- sind Namenspate für eine andere Kla- nen und -schüler war die Sammlung vierkompositionssammlung von Franz eine Möglichkeit, ein Werk von Liszt Liszt. Alternativ könnte der Titel an den einstudieren zu können, ohne an den Gedichtband „Consolation“ von Charles immensen technischen Anforderungen Sainte-Beuves – ein Freund von Liszts zu verzweifeln. Für Liszt war es eine Ein- erster Lebensgefährtin Marie d’Agoult – Franz Liszt 1858 – Fotografie von Franz Hanfstaengl nahmenquelle. angelehnt sein.

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Geschenktes Wissen So wenig Liszt seine eigenen Ver- Ohne System relevant: „Zu Recht wur- dienste in den Mittelpunkt stellte, so de in der Literatur darauf hingewiesen, sehr verurteilte er doch deutlich die dass „Liszt (oder sein jeweiliger Verle- mangelnde Qualität der Klavierauszü- ger) für solche Übertragungen fremder ge anderer: „Denn die Arrangements, Opernmusik auf das Klavier eine „Viel- welche bisher von großen Vokal- und falt von Bezeichnungen“ verwendeten, Instrumentalkompositionen verfasst von „Phantasiestück“ über „Transkrip- wurden, verraten durch ihre Dürftig- tion“ und „Concertparaphrase“ bis zu keit und eintönige Leere das geringe „für das Pianoforte übertragen/bearbei- Vertrauen, welches man in die Mög- tet/componirt“, ohne dass ein System für die Benennung erkennbar wäre [...] lichkeiten dieses Instruments setzte. Im Fall der Tannhäuser-Ouvertüre geht Schüchterne Begleitung, schlecht ver- die Bezeichnung „Concertparaphrase“ teilte Melodiestimmen, verstümmelte in den Druckausgaben mutmaßlich Passagen und kümmerliche Akkorde auf Liszt selbst zurück [...]. Der Begriff verrieten eher den Geist Mozarts und „Concertparaphrase“ lässt eine freie Beethovens, als dass sie ihn übersetzt Phantasie über die Themen der Ouver- hätten.“ Seine Antwort war eine neue türe erwarten (die ja traditionell den Art von Transformation der Partitur wichtigsten Szenen der Oper entnom- Foto von Georg Heinrich von Langsdorff, für Orchester auf das Klavier, die er men sind), tatsächlich folgt die Bearbei- Freiburg, Mai 1881 tung dem Original aber Takt für Takt. Auf die Notenrolle schrieb Liszt eigenhändig: bewusst nicht Klavier-Auszug nannte, Lediglich an vier Stellen sind Abwei- „schlechter Componist F. Liszt“. sondern Klavier-Partitur. Seine Transkrip- chungen festzustellen [...]“ tionen waren nah am Original, obwohl sie auf dem Klavier einer Neuinter- Zum Gedenken der Anderen pretation nahekamen. Er veränderte Erst im hohen Alter schrieb er in einem Das Verhältnis von eigenen Origi- ebenso im Dienste seines Leitspruches nicht, aber er setzte sich inhaltlich mit Brief über seine Verdienste: „Die 50jäh- nal-Klavierwerken und Bearbeitungen „Génie oblige!“. Er stellte also seine der Musik auseinander und fügte mit rige Praxis des Handwerks der Tran- von Werken anderer Kollegen ist bei Kunst des Arrangierens und Transkri- der Darstellung auf dem Klavier quasi skription (das ich beinahe erfunden Franz Liszt interessant – es gibt näm- bierens in den Dienst seiner Kollegen, auch seine Deutung, seinen Kommen- habe) hat mich vielleicht gelehrt, wie lich weit mehr Klavierbearbeitungen quasi als kollegiale Unterstützung. tar zum Ursprungswerk hinzu. Für die man in dieser Gattung den richtigen als Originale. Was machte das Bearbei- Und selbst Kritiker „leugnen seine Ohren seiner Zeitgenossen holte er aus Mittelweg zwischen dem Zuviel und ten für ihn so interessant? Liszt war mit Bedeutung für die Musikgeschichte dem Klavier damit neuartige und auch dem Zuwenig halten muss.“ Sicherheit immer auf der Suche nach des 19. Jahrhunderts“ nicht. Ziel war damals umstrittene „Sounds“ hervor. Seine davon profitierenden Kollegen Literatur, die seinen enormen pianisti- es, die Werke der von ihm geschätzten Für ihn selber waren das Arrangieren haben es ihm selten gedankt schen Fähigkeiten entsprach und schuf Komponisten-Kollegen einer breiteren und Bearbeiten Prozesse der Aneig- sie hiermit selber. Ihn reizte fernerhin Bevölkerung zugänglich zu machen. Lud- nung fremder Werke, aber auch das So auch Richard Wagner nicht, mit dem die Herausforderung, für das Klavier wig van Beethoven, Franz Schubert, Erschaffen virtuoser, beeindruckender er ohnehin in einem sehr speziellen Ver- untypische Klänge und Tonsetzungen Hector Berlioz, Camille Saint-Saëns, Literatur für sein Instrument und seine hältnis stand. Mehr als ein Viertel der auf sein Instrument zu übertragen. Richard Wagner – die Liste der Profi- pianistische Tätigkeit sowie die seiner Operntranskriptionen sind von Wer- Aber: Seine Bearbeitungen standen teure ist lang. Schülerinnen und Schüler. ken seines zweiten Schwiegersohnes.

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„Das Klavier umschließt im Umfang seiner sieben Oktaven den ganzen Umfang eines Orchesters, Die Analysen und Klangeindrücke der Krankheits-Krisen helfen kann. Inter- und die zehn Finger eines Menschen genügen, um die Harmonien wiederzugeben, welche durch Sonate in a-Moll führt die Musikwis- essant könnte hier die Frage werden, den Verein von Hunderten von Musizierenden hervorgebracht werden. Durch seine Vermittlung senschaft immer wieder zu dem Punkt, an was uns gerade jetzt entstehende wird es möglich, Werke zu verbreiten, die sonst von den meisten wegen der Schwierigkeit, ein Or- dass es Bezüge zu seinem Leben geben Kompositionen erinnern werden: chester zu versammeln, ungekannt bleiben würden. Es ist sonach der Orchesterkomposition das, muss. Was ist also über den Zeitraum Der Sonate von Schubert hört man was der Stahlstich der Malerei ist, welche er vervielfältigt und vermittelt: und entbehrt er doch rund um 1823, dem Entstehungsjahr sein persönliches Leiden an. Wird auch der Farbe, so ist er doch im Stande Licht und Schatten wiederzugeben.“ (Franz Liszt 1835) der Klaviersonate, bekannt? Zum einen man Musikwerken mit Entstehungs- versucht Franz Schubert, – der „Lieder- jahr 2020 einmal – mit (zeitlichem) Den Impuls, die Ouvertüre zur Oper Freund Hans von Bülow die Exklusiv- fürst“ – sich der Gattung der Sinfonie zu Abstand und Kameraperspektive – „Tannhäuser“ auf das Klavier zu über- rechte zur Aufführung zu geben. Seine nähern. So schreibt er 1824 an seinen die Pandemiezeit anmerken? Und tragen, beschreibt er in einem Brief Klavierfassung der Ouvertüre ist somit Freund Leopold Kupelwieser nach Rom: mit Blick auf Liszt könnte der heuti- an seinen Verleger 1876: Seine Tran- ein Dienst für die Allgemeinheit und für „In Liedern habe ich wenig Neues ge- ge Abend ein Nachdenken darüber skriptionen hätten „anfangs der 50er zwei Kollegen. macht, dagegen versuchte ich mich in anregen, wie sich solidarisches Han- Jahre, wo allein das Weimarer Theater mehreren Instrumental-Sachen, denn deln vorteilhaft für den nächsten und die Ehre hatte, „Tannhäuser“, „Lohen- Die Qualen im Gedächtnis ich componirte 2 Quartetten für Violi- gleichzeitig auch für den Handeln- grin“ und den „fliegenden Holländer“ Bei der Sonate in a-Moll D 784 von nen, Viola u. Violoncelle u. ein Octett, u. den selbst auswirken kann. aufzuführen, […] nur als bescheidene Franz Schubert dreht sich das Verhält- will noch ein Quartetto schreiben, über- Propaganda am dürftigen Clavier für nis von Klangeindruck und Vorlage um: haupt will ich mir auf diese Art den Weg den hehren Genius Wagner‘s“ gedient. Die Sonate ist von Franz Schubert allei- zur grossen Sinfonie bahnen.“ Denkbar Den Genius der geschätzten Kollegen nig für Klavier geschrieben, klingt aber, also, dass dieser Weg schon mit der Kla- über seinen eigenen zu stellen, ist als wenn es eine Orchestervorlage viersonate D 784 begann. Zum anderen hier typisch für Liszt. Dabei ist auch gäbe. Manch ein Werkführer behauptet hat er um 1822/23 an sich erste für die Übersetzung der Ouvertüre auf gar, sie klinge und spiele sich wie ein Syphilis typische Symptome entdeckt. die Klaviertastatur brillant – er selber Klavierauszug, „wie die Reduzierung Damit gerät der Komponist in eine ge- nannte die Tannhäuser-Paraphrase eines instrumental farbenreichen Ori- sundheitliche und soziale Katastrophe: mal ein „fast unspielbares Arrange- ginals“. Und tatsächlich ist es gerade in Der Wunsch nach einem erfolgreichen ment“ . Liszt greift hier tief in die pianis- den ersten beiden Sätzen ein Leichtes, Berufs- und einem erfüllten Familienle- tische Trickkiste, um auch die Wirkun- sich ganze Passagen von einem Orches- ben zerbirst, und der innere Kampf und gen von Klangfarbenwechseln Wagners ter gespielt vorzustellen, bei den Tre- die entstehende Öde scheinen in der Ouvertüre auf das Klavier zu übertra- molo-Passagen die Pauke zu hören, bei Klaviersonate hörbar zu werden. gen, nutzt zum Beispiel das Überkreu- den schroffen dynamischen Wechseln zen der Hände, das plötzliche Fokussie- ein Wechsel von Tutti zu solistischeren Rimembranza – Nach-Gedanken ren auf nur eine spielende Hand, das Besetzungen. Es gibt hier kaum Bril- In Relation zu Sophie Pacinis CD-Titel Separieren von besonders wichtigen lanz, dafür aber viel Sprödes und einige können das heutige Konzertereignis Auftakten. Liszt belässt es aber nicht Technikdetails, die unter die Kategorie und Konzertprogramm, können Künst- dabei, mit diesem Werk Wagner zu pro- „unbequeme Griffverbindungen“ für lerin und Komponisten ein Nachsinnen tegieren, er verzichtet auch lange auf Pianisten fallen. Erst im dritten Satz auslösen darüber, wie Musik bei der eine Veröffentlichung als Notendruck, schimmert der bekannte, pianistisch Bewältigung von gesamtgesellschaftli- um seinem ersten Schwiegersohn und denkende Schubert durch. chen Umbruchzeiten und persönlichen

10 11 Vier Gegenüberstellungen zur Stellungnahme

Mit: Sophie Pacini „Cross oder Over“ – Die Frage nach Insofern brauchen wir heutzutage kein Bann ziehen muss. dem Sinn und Unsinn von Schubla- „Cross-Over“ im Sinne, die Musik so zu 2. Die Lebensphasen der „Katastrophe oder Chance“ – Die den und Genre in der Kunst verändern, dass sie einer populären Biografien der Komponisten, die Frage nach den Auswirkungen der Für mich war die Schubladi- Idee gleicht und zum „easy listening“ ich spiele, wie beispielsweise Mo- Pandemie auf Dein Leben sierung vor allem in der Musik schon wird, sondern müssen wir das stets zart, Schubert und Beethoven, „Ich denke, dass die Selbstver- immer eine falsche Herangehenswei- Neu-bleibende der Klassik einfach auf bei denen klar wird: Es gibt keine ständlichkeit von einer dichten Konzert- se − auch mit der strikten Einteilung in einer emotionalen Tiefenebene zulas- Hürde, wenn Du sie nicht als sol- landschaft aufgrund der veränderten Epochen konnte ich mich nie anfreun- sen und im Hier und Jetzt unserer Seele che siehst. Und sei der Zeit voraus Covid-Realität und dessen strenge Hy- den. Da stecken wir Mozart und Beet- einen Dialog mit uns selbst gönnen. Die sein, um zeitlos zu bleiben. Und gienemaßnahmen verschwinden wird. hoven in die Epoche „Klassik“, Schubert moderne Musik, die wir übrigens heut- auch ein Zitat, das Gustav Mahler Das muss für uns eine Chance sein, ist dann schon Spät-Klassik und Chopin zutage so hören, hat ihre Wurzeln in zugeschrieben wird: „Tradition ist künftig mehr auf Inhalte und Vermitt- und Schumann fallen in die Rubrik „Ro- der Klassik. Insofern ist die Klassik ein- die Weitergabe des Feuers und lung von Musik zu setzen. Wir werden mantik“, obwohl zwischen den Wir- fach DIE Musik. Alles andere bedarf nicht die Anbetung der Asche.“ das Publikum noch weniger als zuvor kungszeiten dieser ganzen Komponis- Bezeichnung, nicht aber der Ursprung 3. Meine Mentorin und nicht als gegeben hinnehmen können ten teilweise nur 10 Jahre liegen und aller emotionalen Prägung. mittlerweile auch enge Freundin und müssen uns noch viel mehr um die Stile ineinandergreifen und einan- . Als ich sie zum den direkten Kontakt zum Publikum be- der einleiteten. Für mich zählt Mozart „Inspiration oder Abschreckung“ – ersten Mal im Radio hörte, war ich mühen. Das gilt auch für das Publikum ebenso wie Beethoven in ihrem Stil zur Die Frage danach, wer oder was Dich sofort gefesselt von ihrer Mühe- an kleineren Orten, die oft nicht das Romantik, Schubert und Schumann und geprägt hat losigkeit im Spiel, ihrer direkt ins selbe Angebot genießen konnten, wie all deren Zeitgenossen sind doch aber 1. Die Tatsache, dass meine Herz treffenden musikalischen jenes in großen Städten. auch genauso „Klassik“? An dem Begriff Eltern zwar Musikliebhaber sind, aber Handschrift und ihrem Mut zum Das Touren durch die Welt wird weni- „klassisch“ störe ich mich ebenfalls des keine Musiker und mir somit immer die unmittelbar emotionalen Zugriff. ger werden und dadurch bewusster. Öfteren, denn vieles was außerhalb der Möglichkeit gewährt wurde, Interpreta- Keine „Frau am Klavier“, sondern Meiner Meinung nach wird es in Zu- Musik mit „klassisch“ zu tun hat, wirkt tionsansätze ohne Voreingenommen- eine legendäre Pianistin, die sich kunft immer wichtiger sein, dass der gerne altbacken und suggeriert ein we- heit und Vorprägung neu zu entdecken mit ihrer unbestechlichen Echtheit Künstler eine zeitgemäße Rolle ein- nig Philistertum. Aber genau gegen all und zu erspüren. Dabei konnte ich den durchgesetzt hat. nimmt, die Rolle eines Gesamtkünst- das haben sich ja die ganzen genannten verborgenen Tiefen meiner eigenen lers. Als Beispiel für diese Aufgabe Komponisten aufgelehnt, waren ihrer Seelenlandschaft, der ich durch die „Pflicht oder Kür“ – Die Frage dienen uns all die Komponisten und Zeit immer voraus, um zeitlos zu blei- Auseinandersetzung mit den Werken, nach der Erfüllung und dem Er- Künstler, die wir spielen, die immer ben. Sie waren damals schon „Cross- die ich spiele, immer weiter auf den füllenden in Deinem Beruf ihrer Zeit voraus waren, um zeitlos zu over“, wenn wir dieses Wort als „Grenz- Grund gehen. Es kamen keine Sätze Mein Beruf ist meine Be- bleiben. Es muss wieder mehr um die überschreitung“ sehen wollen. Weg mit von zu Hause, wie: „Das wurde immer rufung und meine Erfüllung ist das Vermittlung von künstlerisch essenziel- alten Klischees, die damals auch schon so gespielt, an die Regeln der Tradition Geschenk, Vermittlerin von Emo- len Inhalten gehen, Qualität muss den die Tradtition zur rückschrittlichen musst Du Dich halten!“, sondern viel- tionen sein zu dürfen, Geschichten Unterschied machen und Authentizität Manier werden ließen, sondern auf zu mehr Neugierde und auch der Wunsch, zu gestalten und der Diabolik des wird auf Dauer der Leitfaden sein, der neuen Ufern, zur Erschließung eines dass ich beiden Eltern auch durch Er- Geistes immer ein Stückchen näher das Publikum ehrlich bindet.“ neuen Horizonts und zur Beschreitung klärung in Worten die Musik darlege zu kommen. musikalisch logischer, aber bis dahin und sie als erste Hörer meines Spiels unbeschrittener Wege. mit auf eine Reise nehme und sie in den

12 13 Biografi e Sophie Pacini Vorschau

Sophie Pacini wurde mit einer Reihe bedeutender Musikpreise ausgezeich- net, mit dem „Young Artist of the Year“ bei den International Classical Music Awards ‚ICMA‘ sowie den ECHO Klassik in der Kategorie „Nachwuchskünstlerin des Jahres“ (Klavier). Mit ihrem Album „In Between“ mit Wer- ken von Clara und , Fanny Hensel und Felix Mendels- sohn-Bartholdy platzierte sie sich auf Lera Auerbach Anhieb in der Top-Etage der deutschen „Fülle des Ausdrucks“ | Piano solo Klassik-Charts. Sophies besonderes Augenmerk gilt Samstag | 28.11.2020 | 19.30 Uhr der Vermittlung von klassischer Musik an die nächste Generation, im Kontext ihrer eigenen Konzerttätigkeit sowie in Die junge italienisch-deutsche Pia- zahlreichen Publikationen. In Zeiten nistin tritt seit ihrem Konzertdebüt der Beliebig-Machung des Konzertan- mit acht Jahren in allen bedeutenden ten durch die ungefi lterte Digitalisie- Konzertsälen der Welt auf, wie zum Bei- rung von Musik, setzt sie sich aktiv für spiel dem KKL Luzern, der Philharmo- eine neue Bewusstheit des analogen nie München, der Philharmonie Berlin Künstlerischen und für neue Vermitt- oder der Suntory Hall in Tokio. Bereits lungsformen der Klassik ein. mit 19 Jahren schloss sie ihr Konzert- Konsequenterweise machten sie der examen am Hochbegabten-Institut des Bayerische Rundfunk und das Goe- Texte und Redaktion Stephanie Riemenschneider Mozarteum Salzburg mit Auszeichnung the-Institut 2020 zur Beethoven-Reprä- ab und gibt seitdem gefeierte Klavier- sentantin. Als Förderpreisträgerin des Textnachweise: abende in den großen internationalen Deutschlandfunks konzipiert sie neue S. 4: Booklet zur CD „Rimembranza“ von Sophie Pacini Klavierfestivals, sei es beim Klavierfesti- Konzertformate und ist eine gefragte S. 8: Michael Stegemann: Franz Liszt. Genie im Abseits. München 2011 val Ruhr, beim Rheingau Musikfestival, Dialogpartnerin in den Medien. S. 9/10: Peter Jost: Vorwort zur Urtextausgabe. G. Henle Verlag (eingesehen unter https://www. beim Lucerne Festival oder bei „Piano Eine innige persönliche wie künstleri- henle.de/media/foreword/1066.pdf am 10.09.2020) aux Jacobins“ in Toulouse. Sie konzer- sche Freundschaft verbindet Sophie S. 9: Serge Gut: Franz Liszt. Sinzig 2009 tiert mit berühmten Orchestern, wie mit der legendären Martha Argerich, S. 10: Manfred Schwenkglenks: Studien über die Klavierbearbeitung bei Franz Liszt − Vergleichende dem -Orchester zu Leip- mit der sie regelmäßig ausgewählte Analysen (eingesehen unter https://www.grin.com/document/132954 am 10.09.2020) zig, dem Tonhalle-Orchester Zürich, Duo-Konzerte spielt. S. 11: Zitiert nach: https://www.baerenreiter.com/shop/produkt/details/BA5617/ dem Tokio Philharmonic Orchestra, Bildnachweise: dem Sinfonieorchester Bern oder dem www.sophie-pacini.com S. 5: Géza Rech: Wolfgang Amadeus Mozart - Lebensweg in Bildern. Salzburg Luzerner Sinfonieorchester. S. 7/8: Ernst Burger: Franz Liszt in der Photographie seiner Zeit. 260 Portraits. München 2013 Umschlag und S. 14: https://www.sophie-pacini.com/about/#prev 14