Sophie Pacini „Rimembranza“
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Sophie Pacini „Rimembranza“ Samstag | 26.9.2020 | 19.30 Uhr Programm Wolfgang Amadeus Mozart (1756−1791) 12 Variationen über „Ah, vous dirai-je Maman“ KV 265 (300e) (ca. 12’) Franz Schubert (1797−1828) Sonate a-Moll op. post. 143 D 784 (ca. 25’) Allegro giusto Andante Allegro vivace Franz Liszt (1811−1886) (ca. 5‘) aus „Consolations“ Nr. 1 Andante con moto Nr. 2 Un poco più mosso Richard Wagner (1813−1883) | Franz Liszt (1811−1886) Ouvertüre zu „Tannhäuser“ − Paraphrase für Klavier (ca. 15‘) Sophie Pacini Klavier Impressum Herausgeberin Monheimer Kulturwerke GmbH Intendant und Geschäftsführer Martin Witkowski Daimlerstraße 10a 40789 Monheim am Rhein Konzertdauer: 60 Minuten | keine Pause www.monheimer-kulturwerke.de Ton-, Foto-, Film- und Videoaufnahmen sind – auch zum privaten Gebrauch – untersagt. 3 Rimembranza – Erinnerung An-Denken und lässt uns damit hoffnungsvoll und Das Jahr 2020 wird – auch für die Klas- voller Vorfreude in eine Zukunft mit sikbranche – ein besonderes Jahr im weiteren Recitals in der Aula am Ber- Rückblick werden. Als was werden wir liner Ring blicken. Zum anderen prä- es im Gedächtnis behalten? Als das sentiert sie an diesem Abend Werke Jahr, in dem wir wie angekündigt nur aus ihrem neuen Album, die nicht nur Beethoven zu hören bekommen sollten „zutiefst persönliche Rimembranza (Er- und dann mit dem Lockdown gar nichts innerung) – sondern eine ganz eigene mehr hörten? Genauer: nichts in Kon- ‚Danksagung an die Kunst‘ “ sind. zertsälen, dafür aber wieder viel mehr Geräusche der Natur auf ausgedehnten Im kollektiven Gedächtnis der Klassik- Fahrradtouren mit der ganzen Familie fans verankert (was im Grunde voll im Sinne des Na- Diese Melodie wird nicht in Vergessen- Der „Augarten“ in Wien - Hier gab Mozart im Frühjahr 1782 zwölf Konzerte. turfreundes Beethoven war)? heit geraten – zu eingängig ist sie, zu Vielleicht werden wir auch den heuti- populär seit mehreren Jahrhunderten gen Abend als den gedenken, an dem und zu präsent in vielen Ländern. Und wir nach monatelanger Live-Musik-Ab- – davon kann ausgegangen werden – aber zu Mozarts Zeiten ein pikantes stinenz zum ersten Mal wieder einen auch in Monheim am Rhein wird sie ei- Thema: Der Titel „Ah, vous dirai-je Ma- Geschenktes Wissen Klavierabend erleben durften. Mit Ab- nen Wiedererkennungseffekt auslösen. man“ verweist auf ein Gedicht, in dem Doppelt einsortiert: Die Variationen stand, mit Maske, aber ohne die ge- Manch einer singt sie zu Weihnachten, ein junges Mädchen seiner Mutter den KV 265 werden in keinem Brief der Familie Mozart und keinem histo- wohnte Pause – wie wird sich das an- manch anderer musste sie zu Grund- Verlust der eigenen Unschuld beichtet. rischen Dokument der Zeit erwähnt. fühlen und anhören? schulzeiten mehr oder weniger freiwil- Und da auch ein vollständiges Autograf Wir leben in besonderen Zeiten, die lig auf der Blockflöte spielen. In England Den schnöden Mammon nicht ver- des Werkes spätestens seit der zweiten besondere Kräfte von uns verlangen. aufgewachsenes Publikum wurde mit gessen Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht mehr Musik kann hier unterstützen, zum Re- ihr in den Schlaf gesungen und auch Im Grunde war „Ah, vous dirai-je Ma- vorlag, mutmaßte man lange eine Ent- flektieren anregen. So hat Sophie Pacini in Frankreich ist die Melodie bekannt. man“ ein Modethema in damals be- stehungszeit in Mozarts Paris-Besuch in einer persönlichen Krisenzeit in ihrer „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ liebter Variationenform, mit dem 1778. So ordnete Ludwig Ritter von Familie „gemerkt, dass die Auseinan- oder „Twinkle, Twinkle, Little Star“ hei- Mozart zwei Fliegen mit einer Klappe Köchel das Werk in sein legendäres dersetzung mit der Musik meine gan- ßen die volkstümlichen Weisen, die auf schlagen konnte: In seiner Solistentä- Verzeichnis mit der Nummer KV 265 ze Familie gestärkt hat“. Sie habe eine dem gleichen, elementaren Melodie- tigkeit konnte er auf den Podien der ein. Nach weiteren Stiluntersuchungen Verpflichtung der Musik gegenüber ge- modell basieren wie Mozarts Variatio- Akademie-Konzerte sein Publikum wurde allerdings eine spätere Ent- stehungszeit wahrscheinlicher und spürt: „Sie ist der Punkt, an dem man nen KV 265. (Auch in „Alle Vögel sind mit populären Melodien und brillan- so bekam das Werk die Nummer 300e. sich selbst sehr stark spiegeln kann. Sie schon da“ taucht sie auf!) Und die Be- ter Technik sowie Improvisationskunst Dank einer Wasserzeichenanalyse des breitet einen Mantel über dir aus, wenn liebtheit der kleinen Melodie lässt sich unterhalten. Für seine Unterrichtstätig- verwendeten Notenpapiers ist es nun dir kalt ist.“ sogar bereits lange vor Mozart nach- keit waren die Variationen auf den Leis- mittlerweile nachgewiesen, dass die Va- Der heutige Abend wird also in zweier- weisen. Ein wahrer Dauerbrenner. tungsstand seiner Klavierschülerinnen riation KV 265 zu Beginn seiner Wiener lei Hinsicht ein besonderer: Zum einen Die Volksweise kommt sowohl musi- maßgeschneiderte Stücke, die nicht Zeit 1781/82 komponiert wurde. Und so eröffnet Sophie Pacini die Piano-So- kalisch als auch in den heute gängigen nur ihre Lehrwirkung nicht verfehlten, kam das Werk zu seine Doppelnummer: lo-Reihe der Monheimer Kulturwerke Textfassungen eher naiv daher, hatte sondern auch den Schülerinnen durch KV 265 (300e). 4 5 Rimembranza Erinnerung spieltechnische Tricks wie das Über- Kunst gegen Geld sicherte also das kreuzen der Hände ein wirkungsvolles (Über-)Leben und das war nicht nur Auftreten und Konzertieren ermög- damals wichtig und richtig. Gerade in lichten. Das einfache Lied als Grund- den vergangenen Monaten haben wir lage war zudem für die Schülerinnen erlebt, was es heißt, wenn Werke ohne motivationsfördernd, da französische, „Gelegenheit“ waren und Künstlerin- pastoral-schlichte „Chansons“ gerade nen und Künstler in Not geraten. dem herrschenden Geschmack folgten. (Die aktuellen Hits wurden also schon damals von Lernenden lieber geübt.) Da Mozart viele Variationswerke so be- trachtet aus rein finanziellen Gründen komponierte, werden sie oft mit einem abwertenden Unterton als „Gelegen- heitswerke“ bezeichnet, die qualitativ hinter seinen anderen zurückstehen. Diese „Gelegenheiten“ musste Mozart allerdings zwingend nutzen und er tat es auch mit Erfolg, denn er war zu der Zeit der Komposition von „Ah, vous di- rai-je Maman“ gerade aus seiner Fest- anstellung in Salzburg in das Leben eines Freiberuflers in Wien gewechselt und das Leben in der Großstadt wollte finanziert werden. Geschenktes Wissen Auch die Sammlung von sechs kleinen Der Tröstung Ursprung: Der Titel der „Tröstungen“ („Consolations“) von Sammlung bezieht sich entweder auf Franz Liszt werden eine solche Gele- das Gedicht „Une larme, ou consolation“ genheit gewesen sein: Für die mit we- aus einem Gedichtband von Alphonse nig virtuosen Fertigkeiten beschenkten, de Lamartine (1790-1869). Sowohl Ge- dichttitel als auch der des Gedichtbandes aber ambitionierten Klavierschülerin- sind Namenspate für eine andere Kla- nen und -schüler war die Sammlung vierkompositionssammlung von Franz eine Möglichkeit, ein Werk von Liszt Liszt. Alternativ könnte der Titel an den einstudieren zu können, ohne an den Gedichtband „Consolation“ von Charles immensen technischen Anforderungen Sainte-Beuves – ein Freund von Liszts zu verzweifeln. Für Liszt war es eine Ein- erster Lebensgefährtin Marie d’Agoult – Franz Liszt 1858 – Fotografie von Franz Hanfstaengl nahmenquelle. angelehnt sein. 6 7 Rimembranza Erinnerung Geschenktes Wissen So wenig Liszt seine eigenen Ver- Ohne System relevant: „Zu Recht wur- dienste in den Mittelpunkt stellte, so de in der Literatur darauf hingewiesen, sehr verurteilte er doch deutlich die dass „Liszt (oder sein jeweiliger Verle- mangelnde Qualität der Klavierauszü- ger) für solche Übertragungen fremder ge anderer: „Denn die Arrangements, Opernmusik auf das Klavier eine „Viel- welche bisher von großen Vokal- und falt von Bezeichnungen“ verwendeten, Instrumentalkompositionen verfasst von „Phantasiestück“ über „Transkrip- wurden, verraten durch ihre Dürftig- tion“ und „Concertparaphrase“ bis zu keit und eintönige Leere das geringe „für das Pianoforte übertragen/bearbei- Vertrauen, welches man in die Mög- tet/componirt“, ohne dass ein System für die Benennung erkennbar wäre [...] lichkeiten dieses Instruments setzte. Im Fall der Tannhäuser-Ouvertüre geht Schüchterne Begleitung, schlecht ver- die Bezeichnung „Concertparaphrase“ teilte Melodiestimmen, verstümmelte in den Druckausgaben mutmaßlich Passagen und kümmerliche Akkorde auf Liszt selbst zurück [...]. Der Begriff verrieten eher den Geist Mozarts und „Concertparaphrase“ lässt eine freie Beethovens, als dass sie ihn übersetzt Phantasie über die Themen der Ouver- hätten.“ Seine Antwort war eine neue türe erwarten (die ja traditionell den Art von Transformation der Partitur wichtigsten Szenen der Oper entnom- Foto von Georg Heinrich von Langsdorff, für Orchester auf das Klavier, die er men sind), tatsächlich folgt die Bearbei- Freiburg, Mai 1881 tung dem Original aber Takt für Takt. Auf die Notenrolle schrieb Liszt eigenhändig: bewusst nicht Klavier-Auszug nannte, Lediglich an vier Stellen sind Abwei- „schlechter Componist F. Liszt“. sondern Klavier-Partitur. Seine Transkrip- chungen festzustellen [...]“ tionen waren nah am Original, obwohl sie auf dem Klavier einer Neuinter- Zum Gedenken der Anderen pretation nahekamen. Er veränderte Erst im hohen Alter schrieb er in einem Das Verhältnis von eigenen Origi- ebenso im Dienste seines Leitspruches nicht, aber er setzte sich inhaltlich mit Brief über seine