Pu tz frau G retel bekommt Konku rrenz Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte sich auf eine bequeme Landtagswahl eingerichtet. Nun muss sie kämpfen – wegen Martin Schulz.

enn es um jede Stimme geht, werden selbst die Parkplätze in WKleinblittersdorf plötzlich wich - tig. In dem Ort an der deutsch-französi - schen Grenze diskutiert die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Kar - renbauer, 54, mit einer Ladeninhaberin über die Schwierigkeit, das Auto an der Durchgangsstraße abstellen zu können. Davor hat sie den Angestellten der Spar - kasse anvertraut, dass sie sich „noch nie mit dem Onlinebanking anfreunden“ konnte und daher „wirklich froh“ über Bankfilialen sei. In einer Apotheke zeigt sie ihre Sympathie für den Kampf der Apo - theker gegen den Internethandel mit Me - dikamenten. Und im gemeinnützigen Dorf - laden greift sie sich beherzt einen Einkaufs - korb und füllt ihn mit Nudeln, Lyoner Wurst und Walnussöl, alles natürlich re - gionale Produkte. „Normalerweise macht ja mein Mann jetzt den Einkauf“, erzählt sie, „aber wenn sich schon so eine schöne Gelegenheit ergibt …“ Es ist Wahlkampf im Saarland, in vier Wochen wird ein neuer Landtag gewählt, und bis vor Kurzem sah es so aus, als könn - te die CDU-Ministerpräsidentin sich ent - spannt auf eine weitere Amtszeit freuen. Der Wahlkampf drohte ungefähr so dröge zu werden wie Kramp-Karrenbauers Pla - kate, die das Porträt der Politikerin mit drei ziemlich inhaltsleeren Wörtern zeigen: „Zusammen. Weiter. Voran.“ Doch dann kam Martin Schulz, und alles ist anders. Die Begeisterung für den neuen SPD-Kanzlerkandidaten reicht bis nach Saarbrücken, wo seit fast fünf Jahren eine Große Koalition unter Führung der CDU regiert. Die Wahl im kleinsten deutschen Flächenland, das im Rest der Republik häu - fig unter der Wahrnehmungsschwelle des Politikbetriebs liegt, wird nun zum Testlauf für die Berliner Machtoptionen zur Bun - destagswahl: Kippt Kramp-Karrenbauer am 26. März, schwächt das auch Angela Merkel. Ein Machtverlust der Christdemo - kraten an der Saar nach mehr als 17 Jahren in der Regierung würde die bereits hoch nervöse Bundes-CDU weiter verunsichern. Gleichzeitig wird sich im Saarland zeigen, ob der neue SPD-Star Schulz die fantasti -

schen Umfragewerte für seine Partei auch O G A M

in Wahlerfolge verwandeln kann. I

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Schon bei seinem ersten Auftritt an der E D E R

Saar, Anfang Februar, sorgte der SPD- B & R Kanzlerkandidat für einen Menschenauf - E K C E

lauf in der Fußgängerzone von Saarlouis. B Die saarländische SPD-Spitzenkandidatin Christdemokratin Kramp-Karrenbauer im Karneval: „Spaßbremse“, „Geizhals“, „Depp“

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Anke Rehlinger und der Oberbürgermeis - nicht kräftig selbst loben. „Die meisten echte Konkurrenz erwachsen: Der Linken- terkandidat, denen die Veranstaltung ei - Leute kennen mich hier, und viele fanden Frontmann geht ebenfalls mit Forderungen gentlich galt, wirkten wie Statisten neben es wohl auch gar nicht so schlecht, was ich nach Zuwanderungsbegrenzung in den der Walze aus begeisterten SPD-Mitglie - hier gemacht habe“, so Lafontaine. Immer - Wahlkampf. dern, Fernsehleuten und Schaulustigen, die hin 14 bis 16 Prozent könnte er für die Kramp-Karrenbauer hofft nun auf den mit Schulz durch das Zentrum der ehema - Saar-Linken holen, so die Meinungsfor - Effekt, mit dem die SPD-Frau ligen Festungsstadt rollte. scher. Minister unter einer SPD-Regie - im vergangenen März die Landtagswahl Später, auf dem Landesparteitag, dräng - rungschefin, das gehe für ihn allerdings in Rheinland-Pfalz gewann: Die Minister - ten sich über 800 statt der erwarteten 350 nicht, sagt Lafontaine. Aber als Fraktions - präsidentin setzte konsequent auf Landes - SPD-Mitglieder in einer völlig überfüllten chef würde er in einem rot-rot-grünen politik und ihre persönliche Beliebtheit Halle im Kurort Orscholz an der Saar- Bündnis gern mitmischen. Rehlinger wäre und schaffte es so, sich von den damals schleife, den die Genossen kurzerhand in für eine Kooperation mit der Linken offen. noch miserablen Umfrageergebnissen für „Orschulz“ umtauften. Sie feierten den Kramp-Karrenbauer dagegen fehlen die Bundes-SPD abzusetzen. Mann aus Würselen und das Umfragehoch Bündnisoptionen jenseits der SPD. Das Auch im Saarland, so glaubt Kramp-Kar - für die SPD. „Das ist die Rückkehr des Verhältnis zu FDP und Grünen ist zerrüt - renbauer, würden die Wähler zunehmend Selbstbewusstseins in unserer Partei“, ju - tet, seit Kramp-Karrenbauer 2012 ein erkennen, „dass hier nicht Martin Schulz belte Landesparteichef , der schwarz-gelb-grünes Jamaika-Bündnis nach zur Wahl steht, sondern die Anke Rehlin - sich nach drei erfolglosen Spitzenkandida - diversen Affären entnervt aufkündigte ger und die Annegret Kramp-Karrenbau - turen für die Saar-SPD Ende 2013 er“. Deshalb hat sie den CDU- ins Amt des Bundesjustizminis - Wahlkampf fast komplett auf ihre ters nach Berlin verabschiedet Person ausgerichtet. Sie interes - hatte. siert sich für die Sorgen des klei - Kramp-Karrenbauer hat die nen Mannes, tourt selbst durch Wiederauferstehung der SPD kalt winzige Gemeinden und küm - erwischt. In den Umfragen bis mert sich um Parkplätze, Apothe - Ende Januar führte ihre CDU be - ken und Bankfilialen. Ihre Tele - quem mit mindestens zehn Pro - fonnummer steht nach wie vor im zentpunkten vor der SPD. Schon öffentlichen Telefonbuch ihres vor Beginn des Wahlkampfs hatte Heimatortes Püttlingen. sie sich festgelegt, diese „erfolg - Und natürlich tritt sie jetzt im reiche Regierung“ mit den Sozial - Karneval wieder als „Putzfrau demokraten unbedingt fortsetzen Gretel“ auf, mit demonstrativem zu wollen. Nun kann sie ihren Ko - Abstand zum Politikbetrieb. Ihr alitionspartner im Wahlkampf diesjähriger Halbstundenvortrag kaum hart angreifen. SPD-Spit - wird vom Saarländischen Rund - zenkandidatin Rehlinger sitzt als funk mehrfach ausgestrahlt. Mit Vizeregierungschefin und Wirt - karierter Kittelschürze, Kopftuch

schaftsministerin in ihrem Kabi - O und Besen lästert Kramp-Karren - G A M

nett, und zumindest bislang ge - I bauer über den Berliner Bundes -

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hen beide sehr behutsam mitei - E tag als „Zirkus“, den künftigen D E R

nander um. Einträchtig verteidig - B Bundespräsidenten Steinmeier & R ten die beiden Politikerinnen E nennt sie „Spaßbremse“ und Bun - K C E

kürzlich auf dem Podium der In - B desfinanzminister Schäuble einen dustrie- und Handelskammer die SPD-Politiker Rehlinger, Schulz: Hilfe von Oskar Lafontaine „Geizhals“. US-Präsident Trump Wirtschaftspolitik des Landes. ist für sie ein „Depp“. Rehlinger, 40, ehemalige Landesmeiste - und sich den Sozialdemokraten zuwandte. Im echten Leben hingegen, so kritisieren rin im Kugelstoßen, unterstützt Schulz in Von Dreierbündnissen halte sie nun gar der saarländische Rechnungshof und Op - seinem Kurs gegen die Agenda 2010. Sie nichts mehr, sagt die CDU-Landeschefin. positionsparteien im Landtag, fehle es hofft nun auf ein Ergebnis über 30 Prozent, Insbesondere die FDP, die 2012 im Saar - der Ministerpräsidentin gelegentlich an auf Augenhöhe mit der CDU. „Am 26. land auf 1,2 Prozent abgeschmiert war, der nötigen Distanz, zumindest dann, März werden die Karten neu gemischt, muss laut Umfragen ohnehin um den Ein - wenn es um die Trennung ihrer Ämter als und wir wollen mitmischen“, so Rehlinger. zug in den Landtag bangen. Parteivorsitzende und Regierungschefin Bisher hatte sie kaum eine Chance. Hin - Nicht einmal mit einer indirekten Hilfe geht. ter der populären Ministerpräsidentin, die durch die AfD kann Kramp-Karrenbauer 100 Millionen Euro pro Jahr werde sie Zustimmungswerte von 75 Prozent er - rechnen. In Umfragen werden die Saar - verteilen können, wenn sie weiterregiere, reicht, fällt die durchtrainierte Juristin weit land-Rechten eher einstellig gehandelt, je - versprach sie bei der Vorstellung des CDU- zurück. Nun könnte ihr Schulz den nötigen denfalls mit keinem Ergebnis, das Konstel - Wahlprogramms: für Straßen, Brücken, Auftrieb verschaffen. In die Staatskanzlei lationen jenseits einer Großen Koalition Hochschulen, Kinderbetreuung und Zu - könnte ihr dann ausgerechnet ein im Streit blockieren würde. Der AfD-Landesver - schüsse zur Eigenheimfinanzierung. Geld, geschiedener Exgenosse verhelfen: Oskar band stand zeitweise vor der Auflösung, das dem hoch verschuldeten Saarland ab Lafontaine. Der 73-Jährige will in seinem wegen allzu offensichtlicher Nähe zu 2020 aus dem neu geregelten Länderfi - vermutlich letzten Landtagswahlkampf als Rechtsextremen. Spitzenkandidat Rudolf nanzausgleich zufließe. Spitzenkandidat der Linken im Saarland Müller geriet ins Visier der Staatsanwalt - Dieses Wahlversprechen sei absolut se - noch einmal für Regierungsmehrheiten sor - schaft, weil er mit Hakenkreuzdevotiona - riös und finanzierbar, versicherte Kramp- gen – mit Rot-Rot-Grün. lien gehandelt haben soll. Und beim Karrenbauer: Das saarländische Finanz - Er wäre nicht Oskar Lafontaine, würde Kampf um rechte Protestwähler ist den ministerium habe das alles extra durchge - er sich bei seinen Wahlkampfauftritten AfD-Leuten mit Oskar Lafontaine eine rechnet – für die CDU. Matthias Bartsch

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