20. Jahrgang, Nr. 240 Januar 2018 ot uchs RTribüne für KommunistenF und Sozialisten in Deutschland Zwanzig Jahre „RotFuchs“

iese Ausgabe des „RotFuchs“ trägt die Genossen der DKP und der KPD, in Gewerk- fortschrittlich eingestellten Menschen brin- DNummer 240, d. h., er erscheint seit schaften, Frauen- und Jugendverbänden gen. Die Situation ähnelt der vor 35 Jahren, 20 Jahren. Das ist in der Weltgeschichte Aktiven, früheren Mitgliedern aller DDR- als der Bundestag in Bonn entgegen millio- eine kurze Zeitspanne, für ein Organ die- nenfachen Protesten am 22. November 1983 ser Art eine lange Wegstrecke. Die Gründe, der Stationierung von US-Mittelstreckenra- diese Zeitschrift ins Leben zu rufen, haben keten vom Typ „Pershing“ und von Marsch- sich nicht geändert, neue, sie weiter zu stär- flugkörpern zustimmte. Noch im Dezember ken, sind hinzugekommen. Seit dem Ende 1983 wurde das Teufelszeug in den Huns- der Sowjetunion und der sozialistischen rück gebracht. 2018 wiederholt sich die Länder Europas war die Weltkriegsgefahr Situation – nun vor dem Hintergrund der noch nie so hoch wie heute, wieder einmal technischen Revolution im Militärwesen: versucht der Imperialismus mit Hilfe einer Im polnischen Redzikowo bei Slupsk geht nationalistischen und faschistischen Mas- eine Basis der gegen Rußland gerichteten senbewegung die Unzufriedenheit in der US-„Raketenabwehr“ in Dienst. Anders als Bevölkerung zu kanalisieren, die Arbeiter- damals gibt es aber gegenwärtig keinerlei bewegung zu spalten und zu lähmen. Nicht Verhandlungen über Regeln für die Hand- ohne Erfolg. Um so wichtiger ist es festzu- habung der heutigen Waffentechnik. Damals halten, daß der „RotFuchs“ heute die am hielt die DDR-Führung an der Fortsetzung weitesten verbreitete marxistische Monats- von Gesprächen, an einer „Politik der Ver- schrift in deutscher Sprache ist. nunft“ fest – entgegen aller Kritik auch von Klaus Steiniger, der den „RotFuchs“ grün- Verbündeten. dete und ihn bis zu seinem Tod am 9. April Für eine solche Politik tritt auch der „Rot- 2016 als Chefredakteur leitete, beschrieb Fuchs“ weiterhin ein – als Stimme gegen vor zehn Jahren im Heft Nummer 120 die Lüge und Ausbeuterei, chauvinistischen Ziele, die Gründer, Autoren und Leser von Größenwahn und imperialistischen Krieg. Anfang an leiteten: Wir wollten eine Zeit- Redaktion und Vorstand schrift, „die dem gegnerischen Angriff die des „RotFuchs“-Fördervereins Stirn bieten, Positives aus der DDR bewah- ren und in die Zukunft weisen sollte“. Und weiter: „Wir traten für eine Legierung aus ost- und westdeutschen Kampferfahrungen Blockparteien, linken Christen und Sozialde- ein, bezeichneten die DDR ungeachtet ihrer mokraten auf der Linie Oskar Lafontaines.“ Defizite als die größte Errungenschaft der Die Zahl der Artikel- und Leserbriefauto- Aus dem Inhalt Arbeiterbewegung, nannten die zur ‚Wende‘ ren, die von der ehrenamtlich arbeitenden verklärte Konterrevolution beim wahren Redaktion betreut werden, geht in die Tau- Namen und setzten uns für die Zusammen- sende. Abrüsten statt aufrüsten! 2 führung von Kommunisten und Sozialisten Seit langem wird der „RotFuchs“ Monat für Gespräch mit Stanislaw Retinskij (KP der DVR) 3 mit und ohne Parteibuch auf marxistischer Monat nach der Freigabe durch unseren Report aus Sotschi von den 19. Weltfestspielen 6 Basis ein.“ „Chef vom Dienst“ verläßlich und in bester Erinnerungen an zwei Weltfestspiele 7 Diese Grundidee hat sich nicht geändert. Der Qualität von der Druckerei „Bunter Hund“ Horst Schneider: Die SPD als Opposition? 13 Beschluß, unabhängig von Parteien zu arbei- hergestellt. Die Berge von Exemplaren jeder Über Lenins Broschüre „Die große Initiative“ 15 ten und für die Herausgabe des „RotFuchs“ Ausgabe werden von etwa 40 Genossinnen Otto Carl Meissner, der Karl-Marx-Verleger 17 einen Förderverein zu gründen, hat sich und Genossen verpackt, etikettiert und in R. Zilkenat: Die Bilanz des Jahres 1947 18 bewährt. Der Verein ist heute mit seinen den Vertrieb gebracht; die Post geht in weit L. Jahoda: Eine Hommage an Manfred Schmitz 20 Regionalgruppen eine politische Bildungs- über 20 Länder. – „Solange Leben in mir ist“ 22 zentrale eigener, marxistischer Art – in Allen, die am Entstehen des „RotFuchs“, an nicht wenigen Orten die einzige Organisa- seinem Wachstum sowie seinem kontinuier- Versuchte Verunglimpfung eines Aufrechten 23 tion, die regelmäßig Menschen unterschied- lichen Erscheinen Anteil hatten und haben, Die Potsdamer Garnisonkirche – licher linker Auffassungen zur Diskussion sei hiermit herzlich gedankt – vor allem ein Ort der Unfreiheitsgeschichte 24 zusammenführt. Die Leserschar, die bei aber auch den Tausenden Spendern, die seit Können Literaten die Gesellschaft verändern? 26 einer Auflage von etwa 11 000 Exemplaren Beginn durch ihre Zuwendungen und Bei- Stimmen aus aller Welt über die DDR 29 nach Zehntausenden zählt, ist noch bunter träge die materielle Basis der Herausgabe Zur 9. Mitgliederversammlung des gemischt als vor zehn Jahren. Klaus Steini- sichern. „RotFuchs“-Fördervereins 30 ger beschrieb sie damals so: „Sie besteht vor Das Jahr 2018 wird nach allem, was vor- Gisela Steineckert: Hand aufs Herz 31 allem aus der Sache treu gebliebenen Anhän- hergesehen werden kann, weitere Bela- „RotFuchs“-Veranstaltungen 32 gern der Linkspartei, jetzt Parteilosen, stungsproben für den Weltfrieden, für alle Leserbriefe 33 Seite 2 RotFuchs / Januar 2018

Unterschriftenaktion für den Frieden Abrüsten statt aufrüsten!

it einem dringenden Appell haben sich versäumt oder nicht ernst genommen. Das Unterschriften gesammelt. Abrüsten sei das M am 6. November 2017 vier Gewerk- liegt aber immer noch auf dem Tisch.“ Gebot der Stunde, so die Unterzeichner. schaftsvorsitzende, ein Nobelpreisträ- Im Aufruf „Abrüsten statt aufrüsten!“ heißt Unter den Erstunterzeichnern sind Franz ger, führende Vertreter der Friedens- und es, man müsse abrüsten und verhandeln – Alt, Schriftsteller; Dieter Maschine Birr (Ex Umweltbewegung, bekannte Künstler, kriti- auch mit Rußland. Damit wollen die Unter- Puhdys) | Prof. Dr. Peter Brandt, Historiker, sche Wissenschaftler sowie Engagierte aus zeichner helfen, „einen neuen kalten Krieg Initiative Neue Entspannungspolitik JETZT! | den Bewegungen für Nachhaltigkeit und eine abzuwenden“. Doch wie groß ist die Gefahr Frank Bsirske, Vorsitzender von ver.di | Chri- gerechte Welt an die Öffentlichkeit gewandt. tatsächlich? Reiner Braun erklärt, um diesen stine Buchholz, MdB Die Linke | Marco Bülow, In den Jamaika-Sondierungen waren sich Satz hätte es im Vorfeld Diskussionen gege- MdB SPD | Annelie Buntenbach, Mitglied des nahezu alle Parteien einig, die Rüstungsaus- ben: „Die Diskussion war: Haben wir eigent- Geschäftsführenden Bundesvorstandes des gaben deutlich zu erhöhen. Dem entgegen lich schon einen kalten Krieg, oder stehen wir DGB | Daniela Dahn, Schriftstellerin Prof. Dr. stellt sich jetzt ein Bündnis aus Künstlern, noch kurz davor? Wir sind auf jeden Fall ganz Ulrich Gottstein, IPPNW-Gründungs- und Politikern und Aktivisten. Ehrenvorstandsmitglied | Unter dem Motto „Abrüsten Jürgen Grässlin, Bundes- statt aufrüsten!“ machen sie sprecher der DFG-VK | Prof. darauf aufmerksam: Es dro- Dr. Frigga Haug, Soziologin | hen ein neuer kalter Krieg und Philipp Ingenleuf, Netzwerk massiver Sozialabbau. Friedenskooperative | Toni Sollte die neue Bundes- Krahl, Musiker (CITY) | Anna regierung aus Union, FDP Loos, Schauspielerin, Sänge- und Grünen bestehen, wer- rin (Silly) | Wolfgang Niedec- den die Rüstungsausgaben ken, Musiker, Sänger (BAP), in Deutschland nahezu ver- Maler, Autor | Prof. Dr. Nor- doppelt. Da sind sich Experten man Paech, Völkerrechtler und Beobachter übereinstim- | Anne Rieger, Bundesaus- mend sicher. schuß Friedensratschlag | US-Präsident Donald Trump Michaela Rosenberger, Vor- hatte Deutschland wieder- sitzende der Gewerkschaft holt aufgefordert, mehr Geld Nahrung, Genuß, Gaststät- für Rüstung auszugeben. Dem ten (NGG) | Prof. Dr. Gesine widersprechen die Unterzeichner des Auf- nah dran an einer Konfrontation mit Rußland, Schwan, Vorsitzende der SPD-Grundwerte- rufs. „Auch sicherheitspolitisch bringt eine die an die schlimmsten Zeiten des kalten Krie- kommission | Prof. Dr. Johano Strasser, ehem. Debatte nichts, die zusätzlich Unsummen für ges erinnert.“ Präsident des deutschen PEN | Marlis Tepe, die militärische Aufrüstung fordert. Statt des- Dies macht er auch daran fest, daß erstmals Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und sen brauchen wir mehr Mittel für Konflikt- seit dem Zweiten Weltkrieg wieder deut- Wissenschaft (GEW) | Willi van Ooyen, Bun- prävention als Hauptziel der Außen- und sche Truppen 250 Kilometer von St. Peters- desausschuß Friedensratschlag | Peter Wahl, Entwicklungspolitik. Militär löst keine Pro- burg entfernt stationiert sind. Das müsse laut Wissenschaftlicher Beirat von ATTAC | Kon- bleme. Schluß damit! Eine andere Politik muß dem Experten zwangsweise dazu führen, daß stantin Wecker, Musiker, Komponist | Heide- her“, heißt es in dem Aufruf. das Verhältnis zu Rußland weiter abkühle und marie Wieczorek Zeul, Bundesministerin a. D. Der ehemalige PDL-Bundestagsabgeordnete Moskau Gegenmaßnahmen ergreife. | Burkhard Zimmermann, Initiative Neue Ent- Wolfgang Gehrcke hat den Aufruf unterzeich- Die FDP hatte sich im Wahlkampf ursprüng- spannungspolitik JETZT! net, um öffentlich Stimmung gegen eine wei- lich für eine Entspannung der Beziehungen tere Aufrüstung zu machen. Von jährlich zu Rußland eingesetzt. Auch Teile der CSU 37 Milliarden Euro könnten die deutschen waren für eine Abschaffung der Sanktionen Ausgaben auf 70 Milliarden im Jahr steigen. gegen das Land. Herzlich gratulieren wir unseren Eine „Spirale des Irrsinns“, ist sich Gehrcke Braun sieht in den Sondierungsgesprächen Mitstreitern aus der Gemeinschaft sicher: „Das ist unglaublich. Deutschland keine Anhaltspunkte, die auf eine mögliche des Versandkollektivs würde dann mehr Geld für Rüstung ausge- Abrüstung hinweisen würden. Im Gegenteil: ben als Rußland. Aber vergleichen Sie mal die „Drei von den vier Parteien haben in ihrem Hans-Peter Wokittel Größe und die weltweite Verantwortung der Wahlprogramm die klare Aussage, daß sie die () am 16. Januar zum beiden Länder!“ Solch eine Aufrüstung hat es zwei Prozent an Rüstungsausgaben unter- 85. Geburtstag in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren stützen: CDU, CSU und FDP. Die Grünen drüc- nicht gegeben. Der Friedensaktivist Reiner ken sich da etwas vornehmer aus, sie sagen: Hans Ludwig Braun unterstützt ebenfalls die Kampagne. Wir sind gegen die zwei Prozent. Das heißt, sie (Wildau) am 23. Januar zum Bei der geplanten Aufrüstung gehe es um wären auch mit 1,8 oder 1,9 Prozent zufrie- 85. Geburtstag eine Weichenstellung zu einem dramatischen den.“ Wahlprogramme sprächen dafür, daß Sozialabbau, zu einer ungeheuren Militarisie- Deutschland es in der kommenden Legislatur- Ursel Berthold rung und zu einer verstärkten Konfrontations- periode mit einer „Aufrüstungs-, Kriegs- und (Berlin) am 9. Januar zum politik gen Osten. Konfrontationskoalition“ zu tun bekomme. 80. Geburtstag Das sieht Wolfgang Gehrcke ebenso. Für ihn Deshalb solle der Appell „Abrüsten statt auf- ist ein gutes Verhältnis zu Rußland die Kern- rüsten!“ den Boden bereiten, das Thema Abrü- Seit vielen Jahren garantiert Ihr frage der deutschen Außenpolitik. Wer eine stung wieder auf die Tagesordnung zu setzen. zuverlässig und mit großer Einsatzbe- Außenpolitik der Vernunft wolle, der müsse Abrüstungskritiker argumentieren dagegen, reitschaft, daß unsere Zeitschrift Monat eine Kooperation mit Rußland eingehen, so die veränderte internationale Sicherheits- für Monat pünktlich an die Abonnenten Gehrcke: „Es gab einmal einen Vorschlag lage und die Verantwortung Deutschlands gelangt. Wir sagen danke und wün- des russischen Präsidenten Dmitri Medwe- in der Welt würden Mehrausgaben für das schen Euch Kraft und Gesundheit für dew, eine europäische Abrüstungsinitiative Militär rechtfertigen. Der Aufruf „Abrüsten das neue Lebensjahr. in Gang zu setzen. Das hat der Westen damals statt aufrüsten!“ hat mittlerweile über 15 000 RotFuchs / Januar 2018 Seite 3

Die Friedensbewegung war wieder auf der Straße NEIN zu Atomwaffen und JA zur Abrüstung

it Aktionen in mehr als 30 Städten, dar- Forderungen an die neue Regierungskoalition Militarisierung auch in unserem Lande. Munter einer Menschenkette von der US- bleiben: Auch Deutschland muß dem Atom- „30 Milliarden Euro mehr für die Rüstung zur nordkoreanischen Botschaft in Berlin, waffenverbotsvertrag beitreten, und die US- sind Tausende weniger Kindergartenplätze mit Demonstrationen u. a. in Frankfurt/Main, Atomwaffen müssen umgehend aus Büchel und modernisierte Schulen. Nur eine breite Nürnberg, Tübingen und weiteren vielfälti- abgezogen werden.“ gesellschaftliche Bewegung kann den Druck gen Aktivitäten wandten sich Organisationen für eine Veränderung hin zu realer Abrü- und Initiativen aus der Friedensbewegung am stung erzeugen“, so Reiner Braun. 18. November 2017 an die Öffentlichkeit und Der bundesweite Aktionstag der Friedens- verlangten von den politisch Verantwortlichen: bewegung war ein hoffnungsvoller Beginn - Kriege beenden! für weitere Aktionen gegen Atomwaffen und - Abrüstung für globale Gerechtigkeit! Krieg und für die Alternativen: Abrüstung - Entspannungspolitik jetzt! und zivile Lösung von Konflikten. - Atomwaffen abschaffen! Die Organisatoren der Aktionen zeigten sich durch jüngste Ereignisse ermutigt. So Bunt, vielfältig und auch laut unterstrichen die ins Bewußtsein zurückgekehrte Atom- die Beteiligten die zentralen Forderungen aus kriegsgefahr und die deutlicher werdenden der Friedensbewegung, die auf einer Aktions- Bei vielen Aktionen wurden Unterschrif- Alternativen dagegen weltweit und bei uns. konferenz im Okober gemeinsam vereinbart ten unter den Aufruf „Abrüsten statt auf- Aber auch die beeindruckende Unterstüt- worden waren. rüsten!“ gesammelt. Die nach kurzer Zeit zung der Initiative gegen eine weitere Erhö- „Im Mittelpunkt der doch überraschend vielen erreichten mehr als 15 000 Unterschriften hung der Rüstungsausgaben quer durch Aktionen stand die Ablehnung aller Atomwaf- sind ein hoffnungsvolles Zeichen des Pro- Parteien, Kirchen, Verbände und anderen fen“, so Willi van Ooyen. „Dies ist angesichts tests gegen die ungehemmte Aufrüstungs- Formationen der Gesellschaft. der immens teuren und destabilisierenden politik der NATO und der EU. Die bisher „Wir stellen uns den wachsenden Erforder- Modernisierung auch der US-Atomwaffen bekannt gewordenen Pläne deuten auf eine nissen einer friedlichen, sozial gerechten in Deutschland mehr als notwendig. Unsere ungehemmte Fortsetzung dieses Kurses der und globalisierten Welt.“

Gespräch mit Stanislaw Retinskij (KP der DVR)

Der Sekretär der Kommunistischen Partei der Flughafen grenzt. Im Januar/Februar 2015 gab Die Besonderheit besteht darin, daß sie in Donezker Volksrepublik (KP der DVR), Stanis- es dort erbitterte Kämpfe, als die Schlacht um erster Linie zwischen den Ministerien und law Retinskij, besuchte auf Einladung der DKP den Flughafen stattfand. Unweit von unserem Behörden aufgeteilt wird. Ein großer Teil ist und der Initiative „Alternative Presseschau“ vom Hochhaus detonierten ständig Geschosse. Nach für den Wiederaufbau der zerstörten Infra- 20. bis zum 24. Oktober 2017 die BRD. Er nahm Beendigung der Operation um Debalzewo und struktur, für die Schulspeisung der Kinder an der Konferenz von DKP, „RotFuchs“ und SDAJ der Unterzeichnung der jetzigen Minsker Ver- und Medikamente für die Krankenhäuser. zum 100jährigen Jubiläum der Großen Sozialisti- einbarungen haben sich die Beschüsse merk- Die Notwendigkeit humanitärer Hilfe wird schen Oktoberrevolution in Berlin teil. Kurz vor lich verringert, besonders in diesem Bezirk. bestehenbleiben, solange sich die Kampf- seinem Abflug nach Moskau gab er uns ein Inter- Dennoch setzen sich die zähen Kampfhand- handlungen fortsetzen. Hilfe erhalten auch view, das wir hier auszugsweise veröffentlichen. lungen fort. einfache Einwohner der Republik. Was die Vor kurzem sollte ich eine Reportage im front- humanitären Konvois der KPRF betrifft, so Genosse Retinskj, was erwarteten Sie von Ihrer nahen Kominternowo, das im Süden liegt, vor- kommen auch sie seit Beginn der Kampf- Reise nach Deutschland? bereiten. Während der Zeit meiner Arbeit handlungen in die Republik. Die KPRF über- Außer meiner Teilnahme an der Konferenz dort waren von ukrainischer Seite aus stän- nahm die Aufgabe, den Sicherheitskräften zur Oktoberrevolution waren zwei Treffen dig Maschinengewehrsalven zu hören. Insge- der DVR, in denen es viele Anhänger von uns mit DKP-Mitgliedern in Berlin und Hannover samt kann man die gegenwärtige Situation gibt, dem Ersten Militärhospital, dem Dra- geplant, auf denen ich als Augenzeuge und Teil- im Donbass charakterisieren als „kein Krieg matischen Theater und der Krupskaja-Bib- nehmer der Ereignisse im Donbass über die – kein Frieden“. liothek zu helfen. Außerdem übernahmen Lage der arbeitenden Menschen und die Rolle die russischen Kommunisten die Patenschaft der Kommunisten in diesen Prozessen infor- Wie steht es im Moment mit der Versorgung mit für einige soziale Objekte im Telmanowo- mieren wollte. In Berlin kam nach Beendigung Waren des täglichen Bedarfs aus? Gibt es huma- Bezirk, bauten eine Schule und ein Kran- des Treffens eine Frau zu mir und sagte, daß nitäre Hilfe? kenhaus wieder auf. Auf Bitte der Donezker sie erst nach dieser Veranstaltung ihre Mei- Gegenwärtig gibt es in den Geschäften aus- Kommunisten leistet die KPRF auch gezielt nung zur DVR und LVR klar bestimmen könne. reichend Lebensmittel. Natürlich wurde ein Bedürftigen Hilfe: den Veteranen, Invali- In Hannover sagte ein Mann, der völlig zufäl- bedeutender Teil davon in Rußland erzeugt. den, kinderreichen Familien. Allerdings lig auf der Straße einen Flyer für die bevorste- Doch eine große Auswahl der Waren wird in sind wir seit Oktober 2016 nicht mehr an hende Veranstaltung in die Hand bekam, daß der Donezker Volksrepublik selbst hergestellt. der Verteilung der humanitären Hilfe der er nun bereit sei, in jeglicher Form zu helfen. Es Ungeachtet der Kampfhandlungen arbeiten die KPRF beteiligt, weil dies jetzt in den Hän- ist gut, daß mein Auftritt geholfen hat, Klarheit Betriebe der Leichtindustrie stabil. In der DVR den des Katastrophenschutzministeriums in eine Reihe von Fragen zu bringen. wurde die Produktion von Milch-, Fleisch- und der DVR liegt. Backwaren wieder aufgenommen. Medikamente stehen ausreichend zur Ver- Können Sie noch einmal etwas zur aktuellen Situ- Die Preise in der DVR unterscheiden sich prak- fügung, es gibt Soziale Apotheken. Außer- ation im Donbass und speziell zur militärischen tisch nicht von den Preisen in der Ukraine. dem gibt es eine Reihe von Programmen zur Lage sagen? Humanitäre Hilfe vom russischen Kata- medizinischen Versorgung der Bevölkerung, Ich lebe mit meiner Familie in einem frontna- strophenschutzministerium kommt seit beispielsweise bei der kostenlosen Durchfüh- hen Bezirk von Donezk, der unmittelbar an den August 2014 regelmäßig in den Donbass. rung von Operationen. Seite 4 RotFuchs / Januar 2018

Wie entwickelt sich die Industrie Arbeit erheblich umstrukturiert in der Republik? Wie hoch ist der werden. Die Anhebung des theo- Anteil staatlicher Betriebe und retischen Niveaus unserer Partei- Betriebe unter äußerer Leitung? mitglieder ist meines Erachtens Wohin exportiert die Republik? eine vorrangige Aufgabe. Wenn Wenn behauptet wird, daß der die Arbeiterbewegung in der Donbass die Betriebe, die im Laufe Defensive ist, muß ein Hauptau- der Kampfhandlungen zerstört genmerk auf das Theoriestudium wurden, hätte erhalten können, gelegt werden, damit in der Zeit wenn er im Bestand der Ukraine der Offensive die Partei über die geblieben wäre, ist das nicht wahr. zur Führung fähigen Kader ver- In Wirklichkeit haben diejenigen, fügt. die 2014 in Kiew an die Macht kamen, begonnen, zielstrebig den Mit welchen nationalen und inter- ukrainischen Markt für eine Über- nationalen Kräften arbeiten Sie nahme durch ausländisches Kapi- zusammen? tal bereit zu machen. Ein Beleg Die Kommunisten haben viel zur dafür sind die heutigen Kohleliefe- Überleben im Krieg Schaffung der Republik beigetra- rungen aus den USA in die Ukraine. gen. Derzeit ist ein erheblicher Nur die Trennung von der Ukraine erlaubt es russisches Territorium auf den internatio- Teil unserer Arbeit auf deren internatio- der DVR und der LVR, ihr industrielles Poten- nalen Markt geliefert wird. Rußland expor- nale Anerkennung gerichtet. Dies zu errei- tial wenigstens teilweise zu erhalten. Allein tiert sie nochmals über seine Seehäfen in chen ist möglich, unter anderem dank der im Verlauf dieses Jahres wurden die Char- Drittländer. Herstellung von internationalen Partei- zysker Drahtseilfabrik und die Jusowskij- verbindungen. Die DKP ist eine der ersten Metallfabrik wieder in Betrieb genommen, Welche Hauptaufgaben muß die KP der DVR kommunistischen Parteien, mit der wir zwei- es wurden Stromleitungen im Nowoasow- gegenwärtig lösen? Wie organisieren Sie die seitige Kontakte hergestellt haben. Außer- skij-Bezirk gebaut, es werden neue Stollen theoretische Arbeit innerhalb der Partei? dem gibt es Kontakte mit Kommunisten in den Bergwerken in Tores eröffnet. Gegenwärtig sind in der Partei etwa 1000 Italiens, Kubas und Lateinamerikas, Spa- Die Bergwerke, die die Kohle für die Ener- Menschen. Ein großer Teil der Mitglieder war niens, der KDVR, Großbritanniens, Schwe- gie fördern, befanden und befinden sich in früher in der KPU oder der KPdSU. Doch es dens und selbstverständlich zu Rußland und staatlichem Eigentum. Bis zum Krieg waren kommen auch viele neue hinzu. Das Prob- den GUS-Staaten. Die KPRF unterstützt uns praktisch alle anderen Unternehmen im lem besteht darin, daß es entweder Ältere aktiv bei unseren Bemühungen. Mitglieder Besitz der Oligarchen. Bis zur Einführung sind, die sich bei uns organisieren, oder ganz der KP der DVR haben die Möglichkeit, eine der totalen Blockade des Donbass durch die junge. Menschen mittleren Alters sind weni- Schulung im Zentrum für politische Bildung ukrainische Seite befanden sie sich noch ger vertreten. des ZK der KP der Russischen Föderation in Privateigentum. Jetzt wurden sie unter Wir legen unser Hauptaugenmerk auf die zu besuchen, Praktika in kommunistischen äußere staatliche Leitung gestellt, und die Erziehung der jungen Generation. Dabei gibt Medien zu absolvieren, an Parteiveranstal- Steuern zahlen sie nicht in den Haushalt der es deutliche Erfolge, was die Arbeit der Pio- tungen teilzunehmen. Kontakte existieren Ukraine, sondern in den der DVR. nier- und Komsomolorganisation in Make- nicht nur zwischen den Parteiführungen, Vor kurzem wurde gemeldet, daß eine Par- jewka belegt. sondern auch zwischen regionalen Partei- tie der Donbasser Kohle nach Polen geliefert Einige Mitglieder der KP dienten und dienen komitees. Es existiert eine Zusammenarbeit wurde. Dies zeigt, daß die Unternehmen der in der Armee der DVR. Aber die Schwierig- zwischen den Jugendorganisationen. Dank DVR und der LVR, wenn auch in kleinen Men- keiten bei unserem Wirken unter den Mili- der KPRF wurde unsere Partei Beobachter gen, dennoch ihre Erzeugnisse verkaufen. So tärangehörigen sind dieselben wie mit der in der „Union der Kommunistischen Parteien“ erklärte unlängst der stellvertretende Mini- zivilen Bevölkerung. (SKP-KPSS). ster für Ökonomie der Russischen Födera- Es reicht nicht, einen Menschen in die Par- Interview und Übersetzung: Renate Koppe und tion Sergej Nasarow, daß Kohle im Umfang tei aufzunehmen, das wichtigste ist, ihn auch Swetlana Ebert; redaktionell bearbeitet und von einer Million Tonnen im Monat über zu behalten. Dafür muß die innerparteiliche gekürzt

Herzliche Glückwünsche unseren Jubilaren des Monats Januar!

zum 96. Geburtstag zum 85. Geburtstag zum 70. Geburtstag Marie-Luise Helmschrott (Schöneiche) Werner Krahnert (Jena) am 2. Januar Joachim Augustin (Bockhorn-Grabstede) am 15. Januar Heinz Schulz (Cottbus) am 13. Januar am 4. Januar Tatjana Neudeck (Cottbus) am 23. Januar Jürgen Mirtschink (Berlin) am 9. Januar zum 95. Geburtstag Lutz Vierig (Muldestausee, OT Muldenstein) Anni Dörmer (Berlin) am 9. Januar zum 80. Geburtstag am 21. Januar Werner Nestler (Berlin) am 9. Januar Norbert Glaske (Eberswalde) am 27. Januar Karl-Heinz Meinig (Freiberg) am 22. Januar Sonja Richter (Pößneck) am 28. Januar Helmut Steinfurth (Petershagen-Eggersdorf) zum 94. Geburtstag Brigitte Tichauer (Berlin) am 28. Januar am 29. Januar Elisabeth Monsig (Gartz) am 1. Januar zum 75. Geburtstag zum 65. Geburtstag zum 93. Geburtstag Walter Illmann (Stahnsdorf) am 1. Januar Ralf-Detlef Schröder-Pews (Lindendorf, Paul Fiedler (Berlin) am 13. Januar Volker Link (Frankfurt/Oder) am 23. Januar OT Libbenichen) am 19. Januar Bernd Neudeck () am 29. Januar Siegfried Seltmann (Chemnitz) zum 90. Geburtstag Ute Schindlmeier (Prötzel, OT Harnekop) am 15. Januar Gerhard Wolfrath (Pölitz) am 3. Januar am 5. Januar zum 60. Geburtstag Bernd Schrumpf (Erfurt) am 14. Januar Anja Mewes (Berlin) am 9. Januar

Wie immer gilt unsere Gratulation auch allen anderen Geburtstagskindern des Monats. RotFuchs / Januar 2018 Seite 5

19. Treffen Kommunistischer und Arbeiterparteien

um 19. Mal seit 1999 trafen sich die Kom- ihre Ablehnung dieses Wegs mit einer grund- Die Wut mancher Menschen richte sich Zmunistischen und Arbeiterparteien zu sätzlichen Ablehnung jeder Art von Entwick- gegen die Geflüchteten und nicht gegen ihrer jährlichen Zusammenkunft. Sie fand am lungsstadien auf dem Weg zur Revolution die, welche von den verschiedenen For- 2. und 3. November in St. Petersburg statt. verbinden und diese Strategie meist noch men der Spaltung der Ausgebeuteten pro- Die Rückkehr zum bis 1914 gebräuchlichen mit einem Anspruch auf Gültigkeit unabhän- fitieren. Auch erwähnte er, auf welcher Namen hat die Heldenstadt nicht vollstän- gig von lokalen Bedingungen versehen. Die Grundlage die DKP die Zusammenarbeit dig nachvollzogen. Denn immer noch ist DKP geht für Deutschland von einer antimo- der kommunistischen Parteien betreibt. Lenin, nach dem die Stadt bis 1991 benannt nopolistischen Strategie aus, die sich an den Sowohl die KP Chinas als auch die PdA war, präsent. Und zum 100. Jahrestag der Bedingungen eines hochindustrialisierten Koreas und die Ungarische Arbeiterpar- Oktoberrevolution hatte die KP der Russi- Landes im staatsmonopolistischen Kapita- tei wurden in die „Working Group“, wel- schen Föderation (KPRF) die Bruderpar- lismus orientiert. che die jährlichen Treffen vorbereitet, teien der Welt nicht zufällig aufgenommen. Das 20. Tref- dorthin eingeladen, wo mit fen der Kommunistischen dem Schuß des Kreuzers und Arbeiterparteien wird „Aurora“ das Signal für den in diesem Jahr von der KP Aufstand der Bolschewiki – Griechenlands ausgerichtet. und den Sturm auf das Win- Wie im Vorjahr in Hanoi terpalais – gegeben wurde. gelang es, eine gemeinsame An diese und andere Orte der Resolution zu verabschieden. Revolution führte das von der Es gelte dem Antikommunis- KPRF organisierte Rahmen- mus und Antisowjetismus programm, das anschließend ebenso wie der Verfolgung in Moskau fortgesetzt wurde: von Kommunisten und ihrer Besuche des Kreml, des Lenin- Parteien Widerstand entge- Mausoleums, der Gräber an genzusetzen. Wissenschaft- der Kremlmauer und die liche Beratungen zum Sturz Parade auf dem Roten Platz. des Sozialismus und Ausar- Die Bedeutung der Revolution beitungen zu den Werken begriffen nicht nur die Völ- Lenins, speziell anläßlich ker der Welt, sondern auch des hundertsten Jahrestags die imperialistischen Mächte, von „Staat und Revolution“, deren vierzehn Interventi- werden vorgeschlagen, und onsarmeen bis 1922 an der Denkmal für die Verteidiger Leningrads Foto: W. Metzger (1977) zu Marx’ 200. Geburtstag Umkehrung der Ereignisse soll die Bedeutung des Vor- scheiterten. Gennadi Sjuganow, der Vorsit- Entsprechend war der Beitrag der KP Chinas, denkers vor allem an die jüngere Gene- zende der KP der Russischen Föderation, die mit dem Vizeminister der Internationa- ration vermittelt werden. Gemeinsame unterstrich in seiner Rede, welche Impulse len Abteilung, Guo Yezhou, vertreten war, Anstrengungen zur Verteidigung demo- die Sowjetunion für Menschen in aller Welt von Interesse. Er beschrieb die Beschlüsse kratischer Rechte werden unter Nutzung gab und was sie für die Entwicklung Ruß- des 19. Parteitags, die den „Sozialismus chi- des Jahrestags des Sieges von Stalingrad lands von einer rückständigen Agrarnation nesischer Prägung“ unterstrichen sowie am 2. Februar angemahnt. zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht der den Hauptwiderspruch in der Gesellschaft Die Kommunistischen und Arbeiterparteien Welt brachte. In den Köpfen der ehemaligen heute als den zwischen den Bedürfnissen solidarisieren sich mit dem Recht Palästinas Sowjetbürger sind neben diesem unvergleich- der Menschen und einer inadäquaten Pro- auf einen unabhängigen Staat sowie mit den lichen Aufschwung, der in zwanzig Jahren duktionsentwicklung betonten. Genosse Völkern, die unter Besetzung und Interven- eine Versiebzigfachung der Wirtschaftskraft Guo verdeutlichte eine Zwei-Schritte-Stra- tion leiden; ferner fordern sie gemeinsam bedeutete, natürlich auch die Eroberung des tegie beim weiteren Aufbau des Sozialismus mit der überwältigenden Mehrheit der in der Kosmos sowie der soziale Fortschritt, der die bis 2035 und dann bis 2049. UNO vertretenen Staaten das Ende der Bloc- Gleichstellung von Frau und Mann ebenso Viele Parteien bezogen sich auf die Aus- kade Kubas. Für den Friedenskampf wer- erreichte wie Bildung für alle Menschen. wirkungen der Oktoberrevolution in ihren den eine antiimperialistische Front gegen 103 Kommunistische und Arbeiterparteien Ländern; manche davon sind durch die fol- die Aggressionen des Imperialismus vorge- aus 78 Ländern nahmen an der Konferenz mit genden Entkolonialisierungen überhaupt schlagen sowie gemeinsame Aktionen gegen dem Titel „100. Jahrestag der Großen Sozi- erst entstanden. Shah Alam von der KP Atomwaffen und ausländische Militärba- alistischen Oktoberrevolution – Ideale der Bangladeshs beschrieb die Entstehung sen. Konflikte müßten mit den Prinzipien kommunistischen Bewegung, Stärkung des einer revolutionären Bewegung nach des internationalen Rechts gelöst werden, Kampfes gegen imperialistische Kriege, für dem Oktober sowie die Unterstützung so auch auf der koreanischen Halbinsel. Frieden und Sozialismus“ teil. Der Präsident der UdSSR für das 1971 gegründete Land. In Moskau fand auf Einladung der KPRF der Russischen Föderation, Wladimir Putin, Tran Dac Loi von der KP Vietnams nannte am 6. November noch eine Konferenz von richtete einen Gruß an die Konferenz. den Untergang der Sowjetunion wegen Linksparteien statt. Letzter Redner war Wie schon in den letzten Jahren bleiben die objektiver Fehler innerhalb einer Rechts- ein Parteiloser, dem vor 27 Jahren der Staat Kommunistischen Parteien in einigen Fra- abweichung für begründbar und als unver- abhanden kam, dem er einige Wochen vor- gen der Strategie unterschiedlicher Meinung. meidlich. Marian Baby von der KP Indiens stand und der vierzig Jahre lang „der beste Das betrifft die Haltung zu den Staaten, die (M) erinnerte daran, daß die bestehenden Freund der UdSSR“ war: Egon Krenz. Der sich auf dem Weg zum Sozialismus befinden, demokratischen Rechte in den kapitalisti- ehemalige DDR-Staatsratsvorsitzende aber auch die Frage der Übergänge zum Sozi- schen Staaten nur dank der Oktoberrevolu- stellte sich als „Kommunist ohne Partei- alismus. Unter den Parteien, die eine skepti- tion möglich geworden waren. José Ramón buch“ vor. Was die große Leistung der Roten sche Haltung bezüglich der Umwege der VR Balaguer (KP Kubas) nannte die Oktober- Armee für die europäischen Völker bedeu- China oder der SR Vietnam über einen nach- revolution als Bedingung für den Sieg tete, faßte er in dem Satz zusammen: „Der holenden, parallel verlaufenden privaten Ent- der Kubanischen Revolution. Für die DKP Frieden nach 1945 kam nur aufgrund der wicklungsstrang neben der Hauptlinie des beschrieb ihr Vorsitzender Patrik Köbele Existenz der UdSSR!“ Staatseigentums haben, gibt es solche, die die Situation nach den Bundestagswahlen. Gestützt auf Günter Pohl (UZ) Seite 6 RotFuchs / Januar 2018

Report aus Sotschi von den 19. Weltfestspielen

uch früher schon war ich bei bedeuten- solches Großereignis nicht möglich ist. Und Sie haben ihre edlen Ziele verloren. Anstatt Aden Ereignissen dabei, erkannte diese ich hatte Glück! Mit der Urkunde eines „Sil- ein Treffen für Diskussionen darüber zu sein, aber oft erst viel später als prägend für mein bernen Volontärs“ reiste ich am 9. Oktober in wie der Kapitalismus beendet oder wie diesem Leben. Bei den 19. Weltfestspielen der Jugend Sotschi an. Unterkunft, Verpflegung, Einklei- Widerstand entgegengebracht werden kann, und Studenten in Sotschi war ich mir gleich dung waren erstklassig und kostenlos. Einge- wurden die Weltfestspiele zu einem Event, ihrer großen Wirkung bewußt – nicht nur als setzt wurde ich an einem Informationsstand, das von Kapitalisten und Unterdrückern ange- eine Art Wiedersehen mit der Jugend, sondern der gleichzeitig Fundbüro war, jeden Tag acht führt wird. Zum ersten Mal sponsern große auch durch das beglüc- Banken Bildungsveran- kende Gefühl, inmitten staltungen; organisieren Tausender von Jugendli- Rüstungskonzerne und chen einem neuartigen multinationale Unter- und weltumfassenden nehmen Veranstaltun- Ereignis beigewohnt gen, um die Jugend von zu haben. morgen in die Irre zu Seitdem ich Rentner bin, führen; nehmen faschi- studiere ich die Festival- stische Organisationen bewegung tiefgründig offen an den Weltfest- und halte Vorträge zu spielen teil und ver- diesem Thema. Als der breiten ihre gefährliche Weltbund der Demokra- Ideologie.“ Sie wiesen tischen Jugend (WBDJ) auch auf eine Reihe von im Juni 2016 beschloß, staatlichen Einschrän- daß die nächsten Welt- kungen für linke Grup- festspiele in Sotschi stattfinden werden, gab Stunden. In der freien Zeit besuchte ich die pierungen hin und auf Auseinandersetzungen es weltweit in den Mitgliederorganisationen Festivalschauplätze. um deren Symbole. des WBDJ Zweifel an der Richtigkeit dieser Ent- Es gab etwa 500 Veranstaltungen an jedem Tag In seiner Rede während der Abschlußzere- scheidung. In Deutschland erklärte etwa die in den Bereichen Sport, Kultur, Wissenschaft, monie in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober FDJ, daß „wir die Geschichte des Weltbundes, Industrie, Bildung und politische Diskussio- dankte der WBDJ-Präsident Nicolas Papadimit- unsere Ziele und uns selbst verraten …, wenn nen – viele davon im Medien-Center, andere riou den Organisatoren für die Durchführung wir Hand in Hand gehen mit der Konterrevo- in den Olympiahallen oder im Freigelände des der Weltfestspiele, an denen 30 000 Menschen lution, die die Oktoberrevolution zum Bürger- Olympiaparks. aus 188 Ländern teilgenommen hatten. Er krieg erklärt und Lenin zum Verbrecher“. Die erinnerte noch einmal daran, daß das Festi- Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) val dem 100. Jahrestag der Großen Sozialisti- hingegen begründete ihre Teilnahme am Festi- schen Oktoberrevolution gewidmet war, und val so: „Wir wollen in Sotschi mit anderen fort- würdigte die großen historischen Leistungen schrittlichen Jugendlichen diskutieren. Eine des sowjetischen Volkes. Auf die Konflikte der antiimperialistische Ausrichtung wollen wir vergangenen Tage hinweisend, bezeichnete er auch gegen die russische Regierung durch- die Weltfestspiele als eine besondere Heraus- setzen.“ forderung für den WBDJ. Die Veranstaltung sei Der WBDJ hatte im Vorfeld seine Losung für insgesamt erfolgreich gewesen, denn entschei- die 19. Weltfestspiele verkündet: „Für Frie- dend sei die Botschaft, die von Sotschi aus- den, Solidarität und soziale Gerechtigkeit! geht: die Einheit der Jugend im Kampf gegen Wir kämpfen gegen den Imperialismus! Unsere den Imperialismus. Es gelte ständig darum zu Vergangenheit in Ehren haltend, gestalten wir Beim Pressegespräch mit Viktor Schast- ringen, den antiimperialistischen, antikolonia- die Zukunft!“ Auf dem Diskussionsprogramm liwy (U. Durak, li.) listischen und antifaschistischen Charakter des Weltbundes standen die Würdigung des der Festivalbewegung zu bewahren. 100. Jahrestags der Oktoberrevolution, des Sotschi war unglaublich vielfältig ausgerich- Zustimmen kann ich auch Wladimir Putin, der entscheidenden Beitrags der Sowjetunion tet, bunt, optimistisch, russisch. Da steckten am letzten Tag der Weltfestspiele von Sotschi zum Sieg über den Faschismus und ihrer gro- so viele Themen, soviel Organisationsaufwand den Teilnehmern zurief: „Ich weiß, ein Stück ßen Unterstützung der antikolonialen Befrei- und soviel Geld drin. Daraus haben die Organi- Eures Herzens bleibt hier. Rußland wird für ungsbewegung in der Welt. Ebenso sollten in satoren etwas auf die Beine gestellt, mit dem immer in Eurem Herzen sein.“ Sotschi der 70. Jahrestag der ersten Weltfest- sie ihre Ankündigung wahr machten – ein Ich bekomme einen Anruf – Valerij Bolenuk, spiele in Prag und der 50. Todestag von Che unvergeßliches Fest mit interessanten Inhal- der mir in Sotschi erzählt hatte, wie er 1957 Guevara gewürdigt werden. Auch eine Wür- ten zu gestalten, das der Zukunft zugewandt beim 6. Festival in Moskau Tamara Bunke digung der herausragenden revolutionären ist, auf neuem Niveau und in neuer Qualität – kennengelernt und viel mit ihr getanzt hatte, Führer Fidel Castro und Mohamed Abdelaziz, als ein gewichtiger Beitrag für Vertrauen und will mir etwas sagen. „Habe ich Dir schon die beide 2016 gestorben waren, war geplant. gegenseitiges Verstehen, die von der Jugend in von meiner Begegnung mit der berühmten Die Konzeption des russischen nationalen die Welt getragen werden. Opernsängerin Tamara Sorokina bei den 5. Vorbereitungskomitees setzte völlig andere Dann war aber doch unübersehbar auch der Weltfestspielen in Warschau erzählt? Sie lebt Schwerpunkte (siehe RF Nr. 237, S. 27). Wla- ursprüngliche Festivalgedanke – etwa beim heute in Moskau. Du kommst doch zu meinem dimir Putin wurde im August gegenüber TASS Demonstrationszug von etwa 1000 linken 85. Geburtstag im Februar?!“ sehr deutlich: keine Ideologisierung, keine Jugendlichen aus aller Welt quer durch den Da ist so viel in unserer Geschichte, das wir Politisierung beim Festival. Konflikte kün- Olympiapark am 16. 10., täglich die Info-Stände bewahren und an diese jungen Leute, unter digten sich an. der Jugendorganisationen in der „Roten Zone“ denen ich war, weitergeben müssen. Mögen sie Ich wollte trotzdem dabeisein und mitfei- des Medien-Centers und nicht zuletzt in den verinnerlichen, daß Frieden, Solidarität und ern. Aber wie anstellen? Offiziell teilnehmen Diskussionsforen. Trotzdem gab es Unzufrie- soziale Gerechtigkeit die wichtigsten mensch- konnte man nur bis zum Alter von 35 Jahren. denheit bei den Linken aus vielen Ländern. lichen Werte sind! Möge die Jugend immer den Von der Festivaldirektion in Moskau kam der Äußerst kritische Teilnehmer verteilten am Willen und die Kraft zum Widerstand gegen Hinweis, daß man sich als Volontär bewerben 20. 10. ein Flugblatt. Darin stand unter ande- die Gefährdung dieser Werte haben! könne, als einer der vielen Helfer, ohne die ein rem: „Wie sehen heute die Weltfestspiele aus? Uwe Durak, Greifswald RotFuchs / Januar 2018 Seite 7

1949: Bei den Weltfestspielen in Budapest

ure Serie über die Weltfestspiele der Jugend eine unvoreingenommene Neugier. Wie wird Wir eilten von Bühne zu Bühne, um so viel wie Eund Studenten hat auch bei mir viele schöne sie sein, die neue deutsche Jugend? Es dauerte möglich von der vielfältigen Kultur der ein- Erinnerungen geweckt. eine Weile und dann wurden die ersten Worte zelnen Delegationen aufzunehmen. Und wir Ich hatte das Glück, 1949 mit einer Delegation gewechselt. Wo kommt ihr her, aus welcher schlossen Freundschaften mit vielen jungen der FDJ-Hochschulgruppe „Geschwister Scholl“ Stadt seid ihr? Ich kam ins Gespräch mit einem Menschen aus der ganzen Welt, mit denen wir von der Universität Leipzig (damals hieß sie etwa gleichaltrigen Mädchen namens Magda- noch lange im Briefwechsel standen. noch nicht Karl-Marx-Universität) an den drit- Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch ten Weltfestspielen in Budapest teilzunehmen. ganze Ausmaß der faschistischen Verbrechen Lea aus Israel, die ich mit ihren zwei Freundin- Besonders lebhaft in Erinnerung geblieben inlena. diesem Sie kam Vernichtungslager aus Oświęcim, aus war Auschwitz! mir damals Das nen in der Straßenbahn kennenlernte. Auf- ist mir die Eröffnungsveranstaltung. Wir und noch nicht bewußt. Aber es war doch ein grund ihrer bunten Tracht hätte ich die drei andere Delegationen hatten vor dem Stadion eigenartiges Gefühl, einem Menschen gegen- eher für Mädchen aus Finnland oder einer Aufstellung genommen. Neben uns wartete die überzustehen, der an diesem grauenvollen Ort Sowjetrepublik gehalten. Lustig fand ich auch, Delegation der VR Polen. Die jungen Polinnen gewohnt hat und dort aufgewachsen ist. daß es den dreien in Budapest kühl vorkam, und Polen musterten uns interessiert. Hatten Schließlich war es soweit, der Einmarsch ins während es für uns und noch mehr für Nord- Sie doch seit dem nur wenige Jahre zurück- Stadion begann. Es ertönte Marschmusik, und europäer doch recht heiß war. liegenden Krieg noch keine Deutschen wie- es wurden internationale Kampf- und Arbei- Alles in allem: Budapest war ein überwältigen- der gesehen. Und das letzte Mal waren es auch terlieder gesungen, von denen ich manche noch des Erlebnis, von dem ich noch lange gezehrt junge Männer, aber in feldgrauer Uniform. Und nie gehört hatte. Aber es gab auch welche, die habe. Und nur wenige Wochen später, am dieses Mal nun sahen sie eine Jugend im Blau ich mitsingen konnte: „Bandiera rossa“ oder 7. Oktober 1949, hatte ich das Glück, anläß- der FDJ. „Drum höher und höher und höher …“ lich der Gründung der DDR in Berlin zu sein. Auch wir musterten unsere Nachbarn. Wie Auf der Tribüne hatte die ungarische Par- Und hier konnte ich – die späteren strengen würden sie sich uns gegenüber verhalten? tei- und Staatsführung Platz genommen. Und Sicherheitsvorschriften gab es noch nicht Sicher hatte der eine oder andere unter der immer wieder brausten Sprechchöre durch – auf die Tribüne gehen und aus nächster deutschen Besatzung zu leiden gehabt; viele das Stadion. Auch unsere Delegation wurde Nähe Porträtfotos von Wilhelm Pieck, Otto hatten wahrscheinlich auch Angehörige zu mit Jubel empfangen. Wir waren im Kreise der Grotewohl, Walter Ulbricht und Max Reimann beklagen. Wir wußten, daß im 2. Weltkrieg Weltjugend aufgenommen. aufnehmen – Fotodokumente von der Grün- sechs Millionen Polen umgekommen waren. Die Tage in Budapest vergingen wie im Fluge. dung der Republik. Aber keine feindlichen Blicke trafen uns, eher Viele Stunden verbrachte ich mit Magdalena. Prof. Dr. Fritz Enderlein,

1951: Treffen der Weltjugend in Berlin/DDR

mmer wenn ich über den Berliner Alexan- Park, in der Möllendorffstraße/Ecke Stalin- und Hallen, zum Beispiel die sowjetische Aus- Iderplatz gehe – was mit zunehmendem Alter allee. Die schönste entstand in der Pionier- stellung wie die des Weltbundes der Demo- (92) leider seltener geschieht – und das alte republik Wuhlheide. kratischen Jugend und des Internationalen Bürohaus sehe, was zu den III. Weltfestspie- An allen Veranstaltungsorten waren so- Studentenbundes, die internationale Aus- len der Jugend und Studenten 1951 zum „Haus genannte Objektverantwortliche eingesetzt, stellung junger Künstler und die wunderbare der Weltjugend“ umfunktioniert wurde, über- die klare Richtlinien hatten, wie sie für den Präsentation der Volksrepublik China. Es ist fällt mich die Erinnerung an dieses Ereignis. reibungslosen Ablauf der jeweiligen Ver- unbedingt zu erwähnen, daß auf allen Sport- Hier saß ich 1951 im dritten Stock als Mit- anstaltungen sorgen sollten. Dabei war so plätzen Hochbetrieb herrschte. glied der Leitung des Organisationskomitees manche Schwierigkeit zu meistern. Ein Bei- Die tägliche Festspielatmosphäre beschrieb dieser Weltfestspiele. Unerfahren war ich in spiel: Auf einer Kontrollfahrt zu den Bühnen für mich am besten der bekannte Arbeiter- einer solch gewaltigen Aufgabe, aber der Ehre wurde ich an der Freilichtbühne im Plänter- schriftsteller Willi Bredel in seiner Kolumne und Verantwortung bewußt, die die demo- wald mit der Notwendigkeit konfrontiert, „Am Rande geschrieben“ im „Neuen Deutsch- kratische Weltjugend in die aufstrebende daß das auftretende internationale Kultur- land“: „Darüber kann es wohl keinen Zweifel Jugend der DDR setzte. Selten hat mich ein programm unbedingt ein Klavier benötigte. geben: Berlin ist in diesen Tagen die interna- Ereignis oder eine Arbeitsaufgabe so nach- Aber es war keins da. Da kam mir ein erlösen- tionalste Stadt der Welt. Siamesen, Afrika- haltig beeinflußt wie diese. Damals wirkten in der Gedanke, um die Veranstaltung zu ret- ner, Inderinnen in malerischen Gewändern, mir noch lange die Erlebnisse der II. Weltfest- ten: Ich rannte in der angrenzenden Neuen italienische Studenten mit lustigen lang- spiele in Budapest 1949 nach, an denen ich als Krugallee von Haus zu Haus, klingelte über- schnäbligen Kappen, Bauern und Bäuerinnen delegierter Vorsitzender der FDJ-Hochschul- all und versprach einige hundert Mark für die aus Polen, der Tschechoslowakischen Repu- gruppe der Uni Leipzig teilnahm. 1951 nun Ausleihe eines Klaviers. Zu meiner eigenen blik, Norwegen und Schweden, Finnland und war ich in die Leitung des Organisationsko- Überraschung kam dieser Tausch nach kurzer Rumänien in heimatlichen Trachten, male- mitees dieser III. Weltfestspiele berufen, ver- Zeit tatsächlich zustande. So manches Husa- risch gekleidete Mexikaner mit breitrandigen antwortlich für den Bereich Veranstaltungen renstück war notwendig, um dieses gewal- Sombreros, zierliche, bildschöne Chinesin- und Programme, das heißt unter anderem für tige Veranstaltungsprogramm reibungslos nen und Koreanerinnen, Kämpfer der korea- alle Kulturveranstaltungen. zu organisieren. nischen Volksarmee in Uniform, chinesische Alle Theater, Bühnen und geeignete Veran- Nicht zu vergessen: Nicht nur in allen 20 Film- Studenten in einfachen Gewändern mit offe- staltungsstätten wurden für Auftritte der theatern wurden täglich die verschiedensten nen intelligenten Gesichtern – Menschen aus zahlreichen internationalen und nationalen Filme aller Nationen gezeigt, auch in den 13 90 Nationen bevölkern die Straßen und Plätze künstlerischen Ensembles und Programme Freilichtkinos liefen allabendlich zwei Vor- . Und die Berliner, besonders die drei- hergerichtet. Um die Auftrittsmöglichkeiten stellungen, so in den Freilichtfilmbühnen sten und mundfertigen Jungen, starren und dem riesigen Bedarf entsprechend zu erwei- Chausseestraße, am Oranienburger Tor, Unter staunen. Alle fühlen sich in diesen Tagen, tern, ließ ich in fast allen Berliner Parks den Linden, am Georgenkirchplatz, in Köpe- mehr als jemals zuvor, mit der ganzen Welt behelfsmäßige Freilichtbühnen errichten, nick, am Müggelsee, im Treptower Park – ins- verbunden.“ so zum Beispiel auf dem Platz der Akademie, gesamt mehr als 50 verschiedene Filme. Die Weltfestspiele trugen sowohl in ihrer im Friedrichshain, auf der Rennbahn Karls- Massenbesuch erfuhren auch die Ausstel- Vorbereitung wie auch in ihrer Auswirkung horst, am Bahnhof Treptow, im Treptower lungen über die Kultur der Völker in Museen zu einem großen Aufschwung der gesamten Seite 8 RotFuchs / Januar 2018

kulturellen Massenarbeit in der DDR bei. In mehr als eine Million junger Deutscher, dar- den Hauptinhalt von Neuschöpfungen. Gera- ihrer Vorbereitung bildeten sich insgesamt unter 10 000 aus Westdeutschland, hatten sich dezu prophetisch äußerte sich begeistert der an die 5000 neue Volkskunstkollektive. Zahl- zur Teilnahme gemeldet. Tatsächlich teilneh- bekannte Musikwissenschaftler und Kompo- reiche neue Kunstwerke entstanden, zum Bei- men konnten davon insgesamt etwa 26 000. nist Professor Ernst Hermann Meyer, nachdem spiel der „Herrnburger Bericht“ von Brecht und Die Weltfestspiele waren von vielgestaltiger er das Nationalprogramm der jungen chinesi- Dessau und das zum Massenlied gewordene großer Auswirkung auf das Kulturleben der schen Volksrepublik erlebt hatte: „Wir danken „Im August, im August blühn die Rosen“ von DDR. Ein gewaltiger neuerlicher Aufschwung dem chinesischen Volk und seinen hochbegab- Müller/Friedrich. der Volkskunstbewegung fand statt. Es ent- ten jungen Künstlern für die wertvolle Berei- Bereits zirka 14 Tage vor der Eröffnung der faltete sich vielerorts eine freundschaftliche, cherung unserer eigenen Kultur ... Wir müssen Festspiele konnte auf einer Pressekonferenz zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen in Zukunft die Kunst Chinas ernst und gewis- über das Programm informiert werden. Nach Berufs- und Volkskünstlern. Ein Zentral- senhaft in unseren Gesichtskreis ziehen, wenn den bisherigen Meldungen waren Kultur- haus für Laienkunst wurde gegründet. In den wir nicht hoffnungslos zurückbleiben wollen.“ gruppen aus 70 Ländern angemeldet. Zahl- Kreisen entstanden Volkskunstkabinette. Zum Schluß ein ganz persönliches Fazit: Mit reiche hervorragende Persönlichkeiten aus Wettbewerbe der Volkskunst trugen wesent- den Weltfestspielen bin ich gewissermaßen aller Welt hatten ihr Kommen fest zugesagt. lich zu dem genannten Aufschwung bei. Wir auch eng familiär verbunden, kam doch wenige Unter ihnen waren der Träger des Weltfrie- organisierten 1952 die ersten Festspiele der Tage vor ihrer Eröffnung unser Sohn zur Welt, denspreises Pablo Neruda, der Atomphysiker Volkskunst in der DDR. Themen wie Völker- ebenso wie mit der DDR, an deren Gründungs- Mario Schönberg, die berühmten Schriftsteller freundschaft, internationale Solidarität der tag, dem 7. Oktober, unsere Tochter 1954 gebo- Jorge Amado und Martin Andersen Nexö, die Arbeiterklasse und aller Friedenskräfte, ren wurde. Prof. Dr. Werner Kühn, Berlin heldenhafte französische Friedenskämpferin Kampf gegen imperialistische Aggressionen, Raymonde Dien und viele andere mehr. Über Freude und Stolz über die demokratischen (Red. gekürzt aus: Heimat DDR, GNN-Verlag 30 000 Jugendliche aus allen Weltteilen und Errungenschaften bildeten mehr und mehr 2015)

Whistleblower-Preis 2017 verliehen ie 1959 u. a. von Prof. Carl-Friedrich von Nachteile illegales Handeln sowie schwerwie- strukturell nur schwer aufzudecken sind, DWeizsäcker und Prof. Otto Hahn gegrün- gende Gefahren und Risiken für Gesundheit überhaupt nachgehen und aufgrund ihrer dete „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler“ und Leben, für das friedliche Zusammenle- umfangreichen Ermittlungen Anklage gegen (VDW) vergibt zusammen mit der Deutschen ben der Menschheit oder für andere wichtige ihn vor einem unabhängigen Strafgericht Sektion der „International Association of Gemeingüter enthüllt worden sind. erheben konnte. Ferner haben beide Whist- Lawyers against Nuclear Arms“ (IALANA) Der Whistleblower-Preis soll eine Form des leblower damit einen wichtigen Beitrag zur seit 1999 zweijährlich den „Whistleblower- Zuspruchs, der Anerkennung, der Ermutigung Verhinderung künftiger weiterer Zytostatika- Preis“, der mit der Verleihung einer Urkunde und der Solidarität zum Ausdruck bringen, die Panschereien mit schwersten Lebens- und und einem Preisgeld sowie der nachfolgen- Bürgerinnen und Bürger mit großer Zivilcou- Gesundheitsgefahren für eine unbekannte den Publikation eines Dokumentations-Ban- rage brauchen, wenn sie die zahlreichen Bela- Vielzahl schwerkranker Krebspatienten des verbunden ist. stungen und Schwierigkeiten im privaten und geleistet. Ihr Whistleblowing ist zugleich ein 2017 erfolgte die Preisverleihung zum zehn- beruflichen Umfeld sowie die Anfeindungen wichtiger Beitrag zur Aufdeckung von struk- ten Male. Der Preis wurde am 1. Dezember und Zumutungen im öffentlichen Raum nicht turellen Mißständen in einem besonders vergeben an den Dipl.-Volkswirt Martin Por- nur auf sich nehmen, sondern auch aushalten kostenintensiven Bereich unseres Gesund- woll und an die Pharm.-Techn. Assistentin und ohne dauerhafte Beschädigung durch- heitswesens mit einem Jahresumsatz von ca. 4 Maria-Elisabeth Klein für ihre im Herbst stehen wollen. Milliarden Euro, der sich auf ca. 50 Hersteller- 2016 erfolgten Verdachtsenthüllungen über Mit der Preisverleihung geht es ferner darum, und Vertriebsunternehmen; ca. 1200 Onko- die in der „Alten Apotheke“ in Bottrop jah- eine möglichst breite gesellschaftliche Dis- logen und ca. 250 Zytostatika-Apotheken relang praktizierte illegale Panscherei mit kussion darüber anstoßen und befördern zu verteilt: Durch das Whistleblowing wurde Anti-Krebsmitteln (Zytostatika) und über helfen, wie wichtig Whistleblower sind. Ihre eine skandalöse defizitäre Kontrollpraxis die dadurch bewirkte Schädigung mehre- Kenntnisse als Insider und ihre uneigennüt- der staatlichen Aufsichtsbehörden offenbar; rer tausend schwer- und oft todkranker zige mutige Bereitschaft, Alarm zu schlagen, hier ist ein großes Umsteuern erforderlich. Krebspatienten in fünf oder sechs Bundes- stellen häufig die einzige Möglichkeit dar, z. B. Der Preisträger Dr. Can Dündar hat sich mit ländern sowie an den früheren Chefredak- in staatlichen Bürokratien, im Gesundheits- seinem Verhalten nicht nur als verantwor- teur der türkischen Zeitung „Cumhüriyet“ Dr. wesen, in der Wirtschaft, in Forschungs- und tungsbewußter kritischer Journalist und Can Dündar (z. Zt. im Exil in Berlin) für seine Entwicklungsabteilungen, aber auch in den Chefredakteur, sondern auch als couragier- Ende Mai 2015 und danach unter schwierig- internationalen Beziehungen grobe Miß- ter Whistleblower erwiesen. Er war nicht sten Repressionsbedingungen in der Tür- stände und Fehlentwicklungen aufzudecken nur „Medium“ für seinen Informanten. Sein kei erfolgten Enthüllungen über ein illegales und möglichst zu korrigieren. mutiges und unerschrockenes Vorgehen unter Schließlich wollen wir deutlich machen: den extremen Repressionsbedingungen des Regimes; Gegenstand war die Anfang 2014 Whistleblower müssen besser geschützt unter„Staatsgeheimnis“ Verstoß gegen des geltendes autoritären Völkerrecht Erdoğan- werden – rechtlich, aber auch durch eine ent- Öffentlichmachen und Verbreiten der auf unternommene Lieferung von Waffen und sprechende Infrastruktur vor allem in den demErdoğan-Regimes ihm zugespielten war Video-Stickgrundlegend enthalte für das- militärischer Ausrüstung nach Syrien an ter- Betrieben, im Gesundheits- und Pflegebe- nen Informationen … Sein aktives Handeln roristische Dschihadisten durch den Geheim- reich, in Forschungseinrichtungen, in Ver- war letztlich entscheidend dafür, daß die bri- dienst des NATO-Mitgliedsstaates Türkei. waltungen sowie bei Polizei und Militär. santen Informationen nicht länger vom auto- Mit dem Whistleblower-Preis drücken wir In der Begründung der Jury für die Preisver- unsere ganz besondere Wertschätzung für ein gabe an die diesjährigen Preisträger heißt es konnten, sondern an die Öffentlichkeit gelang- Verhalten aus, das am Gemeinwohl orientiert, unter anderem: tenritären und Erdoğan-Regime weltweit im Hinblick unterdrückt auf notwendige werden primär von gemeinnützigen Motiven und von „Die Preisträger Martin Porwoll und Maria- Konsequenzen diskutiert werden konnten.“ Gemeinsinn geprägt ist und das in einer für Elisabeth Klein haben aufgrund ihres Insi- Berlin, den 28. Oktober 2017 unser Zusammenleben bedeutsamen Frage der-Wissens mit ihrem Whistleblowing ein großes Maß an Zivilcourage dadurch wesentlich dazu beigetragen, daß die zustän- Prof. Dr. Hartmut Graßl offenbart hat, daß unter Inkaufnahme gra- dige Staatsanwaltschaft dem Verdacht schwe- und Maria Reinisch (VDW) vierender beruflicher und persönlicher rer Straftaten eines Cyto-Apothekers, die RA Otto Jäckel und Lucas Wirl (IALANA) RotFuchs / Januar 2018 Seite 9

Festveranstaltung in Havanna zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution Eines der wichtigsten Ereignisse des 20. Jahrhunderts

n der politisch-kulturellen Gala, mit der „Lenin war ein wirklich außergewöhnlicher Prozesse wie die Entkolonialisierung, den Aam 7. November vergangenen Jahres der Mann, der fähig war, die ganze Tiefe und Beginn der politisch-wirtschaftlichen Struk- 100. Jahrestag der Großen Sozialistischen Essenz der marxistischen Theorie zu inter- turierung eines neuen Systems, des Sozialis- Oktoberrevolution begangen wurde, nahm mus, und die drastische Veränderung der auch Präsident Raúl Castro teil. globalen Machtverhältnisse. Zu Beginn der Gala interpretierte der Pia- „Die Grundsätze der Gleichheit, Solidarität, nist Frank Fernández das Werk „Neshnost“ Internationalität, sozialen Gerechtigkeit, des (Zärtlichkeit) von Alexandra Pachmutowa, Rechts der Völker auf Selbstbestimmung, und der Schauspieler Julio César Ramírez Unabhängigkeit und Souveränität waren die rezitierte das Poem „Wladimir Iljitsch Lenin“ Grundlage der Oktoberrevolution und sie sind von Majakowski. Tanzschüler der Nationalen auch weiterhin unsere“, schloß er. Kunstschule interpretierten, begleitet vom An der Veranstaltung nahmen auch Mitglieder Nationalen Symphonieorchester, das „Fort- des Politbüros der Kommunistischen Partei geschrittene Ballett“. Kubas, der Botschafter der Russischen Föde- Der zweite Sekretär des Zentralkomitees der ration in Havanna Michail L. Kamynin und Partei und Vizepräsident des Staats- und des Politbüromitglied Machado Ventura bei Vertreter des in Kuba akkreditierten diplo- Ministerrats, José Ramón Machado Ventura, seiner Rede anläßlich des 100. Jahrestags matischen Corps sowie Vertreter der Revolu- sagte in seiner Ansprache, daß die Oktober- der Oktoberrevolution tionären Streitkräfte, des Innenministeriums revolution eines der bedeutsamsten Ereig- und der Jugend- und Massenorganisationen nisse des 20. Jahrhunderts sei. Mit ihr habe pretieren. Er hatte das größte Verständnis für teil. eine neue Ära für die Menschheit begonnen. die Armen, die Arbeiter; er war sich dessen In Moskau legte eine kubanische Delegation „Es gibt jetzt eine Tendenz, die Bedeutung der bewußt, daß die Ergreifung der politischen Blumen am Grab des unbekannten Soldaten Revolution zu verringern, die zur Gründung Macht der einzige Weg war, sie zu ihrer Eman- sowie am Lenin-Mausoleum nieder. „In der des ersten sozialistischen Staates der Welt zipation zu führen“, sagte Machado Ventura. Welt, die wir wollen, und die es geben wird, geführt und einen Weg der Hoffnung geöff- Einhundert Jahre später ist es nicht möglich, müssen wir an diese Zeit der Revolution erin- net hat, indem sie eine neue soziale Ordnung den immensen Beitrag und das Vermächtnis nern“, sagte José Ramón Balaguer, Mitglied einführte, die beweisen würde, daß eine Welt der Sozialistischen Oktoberrevolution zu ver- des Sekretariats des ZK der Kommunistischen ohne Ausbeuter und Ausgebeutete möglich leugnen. Sie ermöglichte weitere große sozi- Partei Kubas (PCC) und Leiter seiner Abtei- ist“, fügte er hinzu. ale Revolutionen des 20. Jahrhunderts, die lung für internationale Beziehungen, auf der Auf den Führer der Bolschewiki, Wladimir sich wenige Jahre nach dem Sieg gegen den Konferenz Kommunistischer und Arbeiter- Iljitsch Lenin, eingehend, betonte er seine Faschismus ereigneten, wie zum Beispiel die parteien in St. Petersburg. Führungskraft, seine Fähigkeit, einen Moment kubanische Revolution. Ventura erwähnte (Siehe Bericht auf Seite 5) der Krise des Imperialismus auszunutzen. den Einfluß dieses großen Ereignisses auf Gestützt auf „Granma“

Tamara Bunke (Tania la guerrillera) zum 80.

n der Zeit von 1952 bis 1954 hatte ich guten Im ersten DDR-Zeitzeugenbuch der unabhän- Sybille einen Teil IKontakt zur Familie Bunke, die nach sieb- gigen Autorengemeinschaft „So habe ich das ihres Freundeskrei- zehn Jahre dauernder Emigration in Argen- erlebt“ (Spurensicherung – Zeitzeugen zum ses versammelt, um tinien in den Osten Deutschlands gekommen 17. Juni 1953) habe ich 1999 meine Erlebnisse anläßlich ihres 80. war. 1935 flüchteten der Berliner kommu- mit Tamara Bunke bei den damaligen kon- Geburtstags der am nistische Lehrer Erich Bunke und seine aus terrevolutionären Ereignissen aufgeschrie- 31. August 1967 Rußland/Ukraine stammende jüdische Frau ben. Bereits als Sechzehnjährige hat Tamara getöteten legen- Nadja mit ihrem wenige Monate jungen Sohn sich aktiv für den Sozialismus und gegen den dären Genossin zu Olaf wegen der rassistischen und politischen Imperialismus eingesetzt. gedenken. Viele Verfolgung durch die deutschen Faschisten Tamara war eine herausragende Persönlich- Freunde kamen aus nach Lateinamerika. keit. An ihr scheiden sich die Geister. Kommu- Deutschland, aus An der EOS „Clara Zetkin“ in Eisenhüttenstadt nisten, Sozialisten aller Länder achten sie und Kuba und aus Argentinien. Besonders gefie- (damals Stalinstadt) wurde Erich Bunke mein nennen sie in engem Zusammenhang mit Che len die von argentinischen Musikern mit Lehrer, Olaf Bunke mein Klassenkamerad und Guevara. Beide wurden in Argentinien gebo- klarer Stimme und Gitarre vorgetragenen Freund. So kam ich auch zu Besuchen zu der ren und haben ihr Leben für die Befreiung lateinamerikanischen Lieder, zum Beispiel Familie Bunke in der Straße der Jugend 44 in der Menschheit von Ausbeutung und Unter- „Hombre llama fuego“. Das wäre ganz nach Eisenhüttenstadt. Dort lernte ich die lebhafte drückung gegeben. Die Lakaien der kapitali- dem „Geschmack“ von Tamarita gewesen, die Nadja Bunke und die Musik und Sport lie- stischen Banken und Monopole betrachten solche Lieder liebte. bende Tochter „ita Tamarita“, Tamara Bunke, sie als Feindin und versuchen ununterbro- Elisabeth Dietze ehrte mit Medaille und kennen. Diese Familie beeindruckte mich chen, sie zu verleumden und ihr Andenken Urkunde kubanische und deutsche Freunde, sehr wegen ihrer kulturellen Bildung und in den Schmutz zu treten. Aber die Wahr- die ihr bei ihrer langjährigen, unermüdli- politischen Einstellung, ihrer Sprachkennt- heit ist stärker und wird triumphieren. In chen Arbeit zur Wahrung der Erinnerung an nisse (Deutsch, Spanisch, Russisch, Englisch), Kuba und auf dem Hochland von Bolivien Tamara aktiv und uneigennützig geholfen ihrer Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit. geben Frauen bis heute ihren neugebore- haben. Schließlich sahen wir uns gemeinsam Später wurde mir klar, daß ich dieser kom- nen Töchtern den Namen Tania. Sie bezeu- den 1992 entstandenen Dokumentarfilm von munistischen Familie in hohem Maße meine gen, daß Tanias Wirken nicht vergessen ist. Heidi Specogna über Tamara Bunke an, in dem politische Einstellung verdanke. Erich und Tamara hatte viele Freundinnen und Freunde. uns diese, ihre Eltern, Che und viele Kämpfer Nadja Bunke betrachte ich als meine politi- Eine von ihnen, Elisabeth Oietze, hat am für die Befreiung Lateinamerikas begegneten. schen „Eltern“. 19. November 2017 im Berliner Café Horst Jäkel, Potsdam Seite 10 RotFuchs / Januar 2018

El Salvador: Lebendiges Andenken an Oscar Romero

37 Jahre nach seinem Tod ist Erzbischof Oscar Martyrium auseinander. Escobar bezieht sich Wie sieht die soziale Situation der Jugendlichen Romero weltweit als Anwalt der Armen und auf Aussagen Romeros und fordert die Gesell- aus, mit denen ihr arbeitet? Welchen Herausfor- Stimme der Unterdrückten bekannt. Doch am schaft auf, nach dessen Vorbild Lösungen für derungen müssen sie sich stellen? stärksten ist seine Vorbildfunktion in seiner Hei- die aktuelle Krise des Landes zu suchen. Egal, ob die Jugendlichen auf dem Land oder in mat El Salvador, wo er im Stadtbild und in den All das zeigt, daß die Bedeutung Romeros in der Stadt leben, gemein ist ihnen ein Leben in Köpfen noch immer präsent ist. Das ist auch der El Salvador wie auch weltweit eher zu- als Armut und gesellschaftlicher Isolation. Zwar Arbeit von Armando Márquez und haben die beiden letzten Regie- seiner Organisation „Fundahmer“ zu rungen Programme zur Verbes- verdanken, die sein Andenken leben- serung der Lebensbedingungen dig halten. Zu Romeros 100. Geburts- der einfachen Leute entwickelt, tag am 15. August 2017 haben wir aber der Zugang zu Bildung und mit ihm über den „Heiligen des Vol- Gesundheit ist noch immer einge- kes“ gesprochen. schränkt. Zudem ist die Arbeitslo- sigkeit unter jungen Menschen sehr Armando, vor 37 Jahren wurde Erz- hoch. Kombiniert mit der in El Sal- bischof Romero ermordet. Welche vador sehr ausgeprägten sozialen Bedeutung hat Romero heute für El Gewalt stellen die hohe Krimi- Salvador und weltweit? nalität anderer Jugendlicher und Romero machte sich zum Gegner die Existenz äußerst gewalttäti- der damaligen Militärregierung, ger Jugendbanden, den sogenann- weil er für die Rechte der Unter- ten Maras, eine ernsthafte Gefahr drückten, für Gerechtigkeit, für für unsere Jugendlichen dar. Und die Einhaltung der Menschenrechte obwohl innerhalb der christlichen sowie politische Reformen in El Basisgemeinden die sozialen Netze Salvador eintrat. Darum wurde er Aktivisten des „Fundamehr“-Teams sehr eng und intakt sind, ist diese am 24. März 1980 von einem Auf- Gefahr für die Jugendlichen, ihre tragsmörder am Altar ermordet. Dieses Ereig- abnimmt. Ein großer Segen, der mich sehr Familien und Gemeinden eine alltägliche Her- nis löste einen Bürgerkrieg aus. erfreut. Gleichzeitig ist es eine immense Her- ausforderung. Ich finde es beachtenswert, daß die Verein- ausforderung, diesen Auftrag mit Leben zu Wir von „Fundahmer“ sehen aktuell im ten Nationen 2010 den 24. März zum „Inter- füllen. Romero ist wie jeder gute Prophet ein öffentlichen Leben El Salvadors keine Per- nationalen Tag für das Recht auf Wahrheit „anstrengender Heiliger“. sönlichkeit, die Jugendlichen als Vorbild über schwere Menschenrechtsverletzungen und Orientierung dienen könnte. Und weil und für die Würde der Opfer“ erklärten. Die- wir glauben, daß Romero auch den heuti- ser Tag soll an die Ermordung Romeros und gen Jugendlichen Freund, Hirte und Prophet die vielen unbekannten Opfer des Bürger- sein kann, haben wir die Feierlichkeiten zum kriegs erinnern. Zugleich wird aber auch der 100. Geburtstag Romeros sowie die Vorberei- aktuellen Opfern von Menschenrechtsverlet- tungen auf seine hoffentlich baldige Heilig- zungen gedacht und all jener, die sich für die sprechung genutzt, nicht nur die historische Einhaltung der Menschenrechte einsetzen. Figur Romero zu betrachten. Wir haben die Auch heute noch bezahlen nicht wenige die- Jugendlichen angeleitet, für sich herauszu- sen Einsatz mit dem Leben. finden, was Romero ihnen heute für Antwor- Am Portal der Westminster Abbey in London ten geben würde. wurde 1998 eine Statue von Oscar Romero Ich möchte wiederholen, was ich bereits installiert. Damit wird er neben Martin zu Beginn sagte. Die „Christliche Initiative Luther King, Maximilian Kolbe, Dietrich Romero“ fühlt sich in ihrer Kampagnenarbeit Bonhoeffer und anderen als einer der zehn dem Erbe Romeros noch immer verpflichtet. Märtyrer des 20. Jahrhunderts, als eine ein- Und gleichzeitig habt ihr die Unterstützung drückliche Gestalt von ökumenischer Bedeu- der Basisgemeinden und anderer Organisatio- tung geehrt. Wie beeinflußt Romero die Arbeit Deiner Orga- nen in El Salvador nicht vernachlässigt. Heute, Es gibt zahlreiche Filme, Theaterstücke, Lie- nisation „Fundahmer“? wie in all den Jahren, stärkt uns eure Solida- der, Gedichte und Gemälde, die an Romero Romeros Beistand war den Basisgemein- rität den Rücken. erinnern. Immer wieder bin ich erstaunt den in den Jahren der Verfolgung Quelle der Interview mit Armando Márquez: über die vielen Universitäten, Bibliotheken, Kraft. „Ich bin erfüllt von Freude, inmit- Anne Nibbenhagen Straßen und Institutionen weltweit, die den ten meiner Brüder und Schwestern zu ste- Aus „presente“, 3/2017 Namen Romero tragen. Eine der ersten war hen und die Zuneigung derer zu spüren, die eure „Christliche Initiative Romero“. durch ihren Bischof Hoffnung in der Kirche finden.“ Diese Freude, die Romero 1977 zum Wenn ich den Armen Essen gebe, Die katholische Kirche hat sich in der Vergan- Ausdruck brachte, tragen wir auf immer in nennen sie mich einen Heiligen. Wenn genheit mit Romero schwergetan. Hat sich das unseren Herzen. Romero konnte die Zeichen ich frage, warum sie arm sind, nennen unter Papst Franziskus geändert? der Zeit äußerst scharfsinnig interpretieren, sie mich einen Kommunisten. Die Bedeutung Romeros für die katholische hatte eine prophetische Begabung, war tap- Kirche brachte Papst Franziskus deutlich zum fer und füllte das Evangelium bis zur letzten Wenn einer allein träumt, ist es nur Ausdruck, als er an Pfingsten 2015, also quasi Konsequenz mit Leben. Dieses Erbe wollen ein Traum. Wenn viele gemeinsam am „Geburtstag“ der Kirche, Romero selig- wir ehren und bewahren. träumen, ist das der Anfang einer sprach. Ich interpretiere das als Aufforde- Gerade heute versuchen wir im Sinne Rome- rung, die Kirche im Sinne Romeros zu einer ros unsere Arbeit konsequent an einer Option neuen Wirklichkeit. armen Kirche der Armen zu reorganisieren. für die Armen, am Kampf für Gerechtigkeit Dom Hélder Câmara In verschiedenen Hirtenbriefen setzt sich und der Verteidigung der Menschenrechte (1909–1999; Erzbischof und Vertreter der aktuelle Erzbischof El Salvadors, José auszurichten. Unser Schwerpunkt liegt in der der Befreiungstheologie) Luis Escobar, mit den Themen Gewalt und Arbeit mit Frauen und Jugendlichen. RotFuchs / Januar 2018 Seite 11

Die Westerplatte – Mahnung für Polen und die Welt

m 3. Oktober vergangenen Jahres weil- die Sowjetunion; Stalingrad und die Wende ganz Europa „unterjochen“ wollen. Schule, Kir- A ten 38 Touristen einer ostdeutschen Rei- im 2. Weltkrieg; Befreiungsfeldzug der Roten che und Medien haben bei ihren Bemühungen, segruppe an der Mündung der Wisla, einem Armee bis an die Elbe; die Niederlage des der Bevölkerung die Wahrheit über das Jahr historisch bedeutsamen Ort in Polen. Ruinen faschistischen Deutschlands; die Teilung des 1917 vorzuenthalten, offensichtlich ganze eines ehemaligen Bunkers, die Gräber von deutschen Territoriums in Besatzungszonen Arbeit geleistet. Die siegreichen „Bolschewi- 13 polnischen Soldaten und ein 1966 errichte- und die Spaltung Nachkriegs-Deutschlands sten“ hatten nicht den „Feldzug“ gegen Europa tes Denkmal erinnerten sie an den Geschichts- durch die Gründung der BRD und der darauf begonnen. Dagegen unterstützte die europä- unterricht in DDR-Schulen. Dort hat man ihnen folgenden der DDR. ische Reaktion all jene Kräfte, die das junge wahrheitsgemäß vermittelt, daß hier am Just zu der Zeit, als die Touristengruppe auf Sowjetrußland im Inneren und von außen 1. September 1939 der verheerende zweite der Westerplatte weilte, wurde in der Bundes- erdrosseln wollten. Und Polen war mit seinen Weltkrieg begonnen wurde. republik der „Tag der Einheit“ bejubelt. Den Regierungstruppen dabei. Was war geschehen? Das als deutsches Schul- Reiseteilnehmern allerdings gingen andere Der deutsche Überfall am 1. September 1939 schiff dienende Linienschiff „Schleswig-Hol- Gedanken durch den Kopf: Was bedeutet der auf die Westerplatte galt auch nicht vorrangig stein“ hatte sich Tage vorher als harmloser 3. Oktober für die Westerplatte, für Polen, des- dem polnischen Korridor, der mit dem Versail- Besucher des Hafens der „Freien Stadt Danzig“ sen östliche Nachbarn, Europa und die ganze, ler Vertrag nach dem 1. Weltkrieg dem polni- offiziell selbst „eingeladen“. Es hatte allerdings sich nach Frieden sehnende Welt? Steht nicht schen Staat zugesprochen und dem deutschen schwere Schiffsgeschütze und eine Marine- zu befürchten, daß sich die von der Wester- Reich entzogen worden war. Die Westerplatte stoßtrupp-Kompanie an Bord. Um 4.45 Uhr platte ausgehende Geschichte wiederholt? Die war der Startschuß für den von Hitler geplan- erhielt ihr Kapitän den Befehl Hitlers, Polen nationalistische, wenn nicht neofaschistische ten Überfall auf die Sowjetunion. Der Plan militärisch anzugreifen. Das war der Beginn AfD hatte sich als drittstärkste politische Kraft „Barbarossa“ war am 1. September 1939 von des 2. Weltkriegs. in den Bundestag katapultieren lassen. Diese Hitler, seinem Generalstab und der dahinter Die auf der Westerplatte zum Schutz des Tatsache erinnert an die Situation in der „Wei- stehende deutschen Rüstungsindustrie von Hafens stationierte Einheit der polnischen marer Republik“ vor der Machtübertragung an Krupp und Konsorten bereits konzipiert. Es Armee widersetzte sich zwar tapfer dem Hitler und die NSDAP. Befindet sich Deutsch- bedurfte nur noch einer Lunte, das Kriegs- heimtückischen Überfall durch die deutschen land auf dem Weg von 1933 und 1939? feuer zu entfachen. Und diese „Lunte“ wurde Faschisten, war aber der Übermacht der auf Eine „Schleswig-Holstein“ braucht es nicht die Westerplatte. der „Schleswig-Holstein“ eingeschleusten mehr. Die in Polen Herrschenden haben sich Der polnische Reisebegleiter war eigentlich Waffen und Soldaten des deutschen Angrei- das „Trojanische Pferd“ in Gestalt der NATO ein kluger Kopf, der die Gruppe kenntnisreich fers unterlegen. selbst in ihr Land geholt und tun alles, um eine und engagiert durch Nordostpolen führte. In Ein ursprünglich ziviler Hochseedampfer antirussische Stimmung zu schüren. Damit lei- historisch und politisch entscheidenden Fra- hatte für das faschistische Deutschland das sten sie ihren „Bündnisbeitrag“ zur Forcierung gen aber vertrat er wie so viele ausschließ- „Tor“ nach Osten ohne großen Widerstand der Kriegsgefahr. lich von Antikommunismus und Russophobie „freigeschossen“. Zunächst wurde Polen und Für die Reisegruppe war es unerträglich zu geprägte Ansichten. Für ihn war die Wester- seine „Freie Stadt Danzig“ Opfer des bruta- hören, wie ihr polnischer Reisebegleiter fort- platte lediglich ein touristisches „Highlight“ in len Überfalls Hitler-Deutschlands. Aber das während die deutsch-polnische und russisch- seiner „Guide-Konzeption“. Daß sie jedoch in war nur der Anfang einer Schreckenszeit polnische Geschichte auf den Kopf stellte. Der erster Linie Mahnung für Polen und die ganze für ganz Europa und die Welt. Was danach Gipfel seiner Geschichtsfälschungen war die Menschheit sein müßte, schien ihm nicht folgte, ist der politisch und historisch inter- Behauptung, die „Bolschewisten“ hätten nach bewußt zu sein. essierten Menschheit bekannt: Überfall auf dem Sieg der Oktoberrevolution in Rußland Manfred Wild, Berlin

Zur gegenwärtigen Situation in Polen

olen wurde nach der Zerstörung des euro- eine „Lumpenbourgeoisie“ entwickeln, welche Der Beitritt Polens in die NATO erfolgte vor Ppäischen sozialistischen Lagers 1989/91 vor allem auf die Zusammenarbeit mit dem aus- allem auf Druck der USA, welche von den schnell zur Halbkolonie der westlichen Staaten. ländischen Kapital angewiesen war. Diese kam reaktionärsten Kreisen Polens begierig unter- Man unterwarf sich vor allem der Weltbank, dadurch in die komfortable Lage, jegliche mög- stützt wurden – stellt die Mitgliedschaft in der dem Internationalen Währungsfonds, der liche Konkurrenz durch Aufkauf zu geringen NATO für sie doch eine Art Lebensversiche- Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bezie- Preisen der Liquidierung zuzuführen. rung zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft hungsweise der späteren Europäischen Union Die Regierungen seit 1989 unterstützten auch in Krisenzeiten dar. und ganz besonders dessen Zentralbank. Im sämtliche imperialistischen und neokoloni- Des weiteren festigte man damit auch den politischen Kontext ist Polen ein Vasall der EU, alen Kriege der Vereinigten Staaten und der bereits seit Beginn der 90er Jahre eingeschla- vor allem der Bundesrepublik, während man NATO. Ob in Irak, Afghanistan, Libyen oder genen antirussischen Konfrontations- und militärisch vor allem den Vereinigten Staa- auch in Afrika. Überallhin wurden Waffen Provokationskurs. Dies alles vollzog sich im ten und dem von diesen gelenkten Nordatlan- oder auch Truppenkontingente aus Polen ent- Rahmen der allmählichen Entfachung eines tikpakt (NATO) untertan ist. Allen polnischen sandt. Dies alles lief der Intention der neuen Prozesses, der zu einem weiteren nicht nur kal- Verfassung als auch der fortschrittlichen Tra- ten Krieg führen sollte und dabei weite Teile Lager oder von den Linken beeinflußt, haben dition des polnischen Freiheitskampfes („Für der ehemals sozialistischen Staaten Europas dieRegierungen Machtergreifung seit 1989, des ob Kapitals vom Solidarność- unterstützt unsere und eure Freiheit“) zuwider. Im März in die NATO drängte. und somit die Errungenschaften des Sozialis- 1999 trat Polen in die NATO ein, einzig die Es ist mittlerweile offensichtlich, daß das Ziel mus liquidiert. Regierung und das Parlament entschieden dieser Politik auch schon damals die Schwä- Die Generallinie ihrer Wirtschaftspolitik war über diese bedeutende Frage. Zu einer Volks- chung, Umkreisung und Zerteilung der Rus- die Privatisierung eines riesigen Teils des Volks- befragung konnten sich die neuen Herrscher sischen Föderation (und darüber hinaus der vermögens, das in Volkspolen nur unten großen nicht durchringen. Geschah dies alles doch Volksrepublik China) war. Unter den in die Anstrengungen und Opfern der Werktätigen weitestgehend zeitnah zur Bombardierung NATO eingetretenen Staaten ist Polen aufgrund erschaffen werden konnte. Und das alles zu Belgrads und der darauf folgenden endgülti- seiner geopolitischen Lage und Bedeutung in symbolischen Preisen. Dadurch konnte sich gen Zerstückelung Restjugoslawiens. der Region eines der wichtigsten Länder für Seite 12 RotFuchs / Januar 2018

diese Zwecke. Es ist gewissermaßen das Zen- Begrenzung der bürgerlichen und sozialen Es ist das Szenario zur Einkreisung der Rus- trum der östlichen Flanke der NATO. Infolge- Rechte zusammenstehen. sischen Föderation wie auch der Volksrepublik dessen wurde die polnische Armee de facto zu Polen wurde in den letzten Jahren Übungplatz China durch den westeuropäischen Imperialis- einer Polizei- und Sondereinsatzgruppe der für fremde Armeen, insbesondere der ameri- mus und die USA. Vereinigten Staaten und der NATO im Osten kanischen und der NATO-Staaten. Jedes Jahr Der NATO-Gipfel in Warschau beschloß, auch Europas umgerüstet. im Sommer finden an der polnischen Ost- in Polen und im Baltikum dauerhaft amerika- Doch diese Umrüstung verschlingt Unsum- grenze und im Ostseegebiet große militäri- nische, kanadische, deutsche und britische men von Geld. Gegenwärtig sind es 2 Pro- sche Übungen unter der Tarnbezeichnung „Wir Basen und Streitkräfte zu stationieren. In Red- zent des BIP, in naher Zukunft sollen es sogar verteidigen uns vor dem Ostfeind“ statt, so - 3 Prozent werden. Das offizielle Jahresbud- das NATO-Manöver im Frühjahr und Sommer nische Antiraketen-Basis, was eklatant gegen get der polnischen Armee beträgt gegenwär- 2016, bei dem die neueste Technik erstmals diezikowo Rüstungsbegrenzungsverträge am Słupsk entstand die neue im amerika Grenz- unter konkreten Übungsbedingungen einge- bereich Polen – Rußland verstößt. Nicht über- 9 Milliarden Euro). Geplant ist, mindestens setzt wurde. Polen und das Baltikum waren sehen werden darf, daß seit zwanzig Jahren tig 35 Milliarden Złoty (etwas weniger als der Schauplatz für eine mit etwa 30 000 NATO- in Szczecin das Nordöstliche Korps der NATO zu investieren, um diese Armee „zukunftsfä- Soldaten inszenierte Provokation der Russi- stationiert ist, welches von den polnischen, hig“200 Milliardenzu machen. Złoty Dagegen in den fehlen nächsten permanent Jahren schen Föderation, bekanntgeworden unter der dänischen und deutschen Streitkräfte getra- die Gelder im Gesundheits- und Bildungs- Bezeichnung „Anaconda-16“. Ähnliches demon- gen wird. wesen, in der öffentlichen Sicherheit, ja in strierte man auch in diesem Jahr. Das ist nichts anderes als die Vorbereitung allen Bereichen des öffentlichen Lebens, was Diese Aggressionspolitik stellt eine Bedrohung eines Krieges und der permanenten Provoka- immer häufiger zu Massenstreiks von Arbei- des Friedens nicht nur an der Ostflanke der tion gegen unseren östlichen Nachbarn. tern, sogar Lehrern, Ärzten oder Kranken- NATO dar, sie schadet den gutnachbarlichen Prof. Dr. Zbigniew Wiktor schwestern führt, die im Kampf gegen die Beziehungen zwischen Polen und Rußland.

CIA tarnte Viren als Kaspersky-Programme

er amerikanische Auslandsgeheim- ​Dabei sollen die Authentifizierungszertifi- States Department of Homeland Security – Ddienst Central Intelligence Agency (CIA) kate der CIA Codes, die von anderen Organi- DHS) hatte am 13. September mitgeteilt, daß hat einen Code entwickelt, um seine eigenen sationen und Unternehmen genutzt werden, alle Staatsbehörden der USA sich innerhalb Viren so zu tarnen, daß diese wie Produkte imitieren. Unter anderem meldet WikiLeaks von drei Monaten darauf vorbereiten sollen, Software-Produkte der russischen Cyber- sicherheitsfirma Kaspersky Lab aus ihrer Nutzung zu entfernen. Begründet wurde die Entscheidung mit dem Verdacht, daß der Software-Hersteller eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darstelle. Das Unternehmen wies die Anschuldigungen als „haltlos“ zurück und forderte Beweise für die angebliche Unterstützung der russischen Regierung bei der Suche nach amerikanischen Geheimdokumenten. Gestützt auf „Sputnik news“

Am 27. Januar wird anderer Firmen und Organisationen aussehen drei Fälle, wo das CIA-Instrument eindeu- Dr. Hans Modrow wie etwa solche der russischen IT-Firma „Kas- tig Zertifikate der Kaspersky Lab imitiert Vorsitzender des Ältestenrates der persky Lab“, schreibt die Investigativ- und hatte. WikiLeaks hatte zuvor ein neues Pro- Partei Die Linke, 90 Jahre alt. Enthüllungsplattform WikiLeaks. Nach Anga- jekt unter dem Namen Vault 8 gestartet. Die Wir übermitteln dem in führenden Posi- ben der Plattform trug das Hacking-Instru- Veröffentlichungen der Plattform beinhalten ment die Bezeichnung Hive. Seine Aufgabe unter anderem den Quellcode der CIA sowie tionen des Jugendverbandes und der soll darin bestanden haben, die CIA-Viren die Analyse der Programme des US-Geheim- SED die gesellschaftliche Entwicklung und Hacking-Programme effektiv zu tarnen. dienstes. der DDR mit prägenden Politiker, Selbst wenn diese beispielsweise durch Anti- Einige dieser Programme wurden bereits u. a. als früherer 1. Sekretär der SED- virenprogramme aufflogen, konnten sie früher auch in dem Vorgängerprojekt, Bezirksleitung Dresden, Vorsitzender nicht als CIA-Produkte identifiziert werden. dem Vault 7, erwähnt. Vault 7 wurde am des Ministerrats der DDR bis 1990, Laut WikiLeaks erlaubt es Hive, Virenpro- 7. März gestartet. In seinem Rahmen wur- später als Ehrenvorsitzender der PDS, gramme unter verschiedenen öffentlich den mehr als 8700 geheime CIA-Dokumente engagierten Kämpfer für Frieden und zugänglichen Domänen anzeigen zu las- aus einem Hochsicherheits-Netzwerk ver- soziale Gerechtigkeit die herzlichsten sen, so daß dies zunächst keinen Verdacht öffentlicht. Die Unterlagen enthielten einen Glückwünsche zu seinem Jubiläum. erweckt. Überblick über das geheime Hacking-Arse- Später würden Informationen, die durch nal der CIA, welches das gezielte Ausnutzen Vorstand und Redaktion wünschen Dir, die CIA-Programme ergattert worden seien, von Schwachstellen in Systemen (soge- lieber Hans, Gesundheit und Kraft im allerdings weiter an die Datenbanken des nannte Zero-Day-Exploits) ermöglichte. Das Ringen um unsere gemeinsame Sache. Geheimdienstes weitergeleitet. US-Ministerium für „Heimatschutz“ (United RotFuchs / Januar 2018 Seite 13

Anmerkungen zu einem aktuellen Streit Die SPD als Opposition?

as für die SPD katastrophale Wahler- Bundesregierung sich die Mehrheiten für Die Rede Kurt Schumachers von 1949 pro- Dgebnis veranlaßte die Parteioberen, ihre Gesetze aus den Reihen der Regie- voziert Fragen: unmittelbar nach der Stimmauszählung rungsparteien zu schaffen hat. Man kann • Galten seine Erkenntnisse nur für die anzukündigen, sie werde im neuen Bundes- also als Opposition nicht die Ersatzpar- SPD in der spezifischen Situation von tag die Rolle der Opposition übernehmen. In tei für die Regierung sein und die Verant- 1949, oder haben sie generelle und aktu- dieser Rolle hat sie Erfahrung und der Bour- wortung für etwas übernehmen, wofür die elle Bedeutung? geoisie dabei bereits unschätzbare Dienste Verantwortung zu übernehmen sich man- • Wie ist die SPD in den Jahren der Ade- geleistet. Der politische Schwenk der Sozi- che Regierungsparteien gegebenenfalls nauer-Regierung den Empfehlungen Schu- aldemokratie sollte im Lichte historischer scheuen werden. machers gefolgt? Erfahrungen geprüft werden. Wo könnten Die Opposition ist ein Bestandteil des • Welche Erfahrungen der letzten Jahre wir besser beginnen als mit Kurt Schuma- Staatslebens und nicht eine zweitran- führen dazu, daß der SPD (nicht nur durch chers erster Rede im Bundestag am 21. Sep- gige Hilfsstellung für die Regierung. Die die eigene Führung) wieder die Rolle der tember 1949 zum Thema „Das Wesen der Opposition ist die Begrenzung der Regie- Opposition zugewiesen wird? Opposition“. rungsmacht und die Verhütung der Total- Für die fünfziger Jahre läßt sich feststel- Am Vortag hielt Konrad Adenauer, der mit herrschaft. Ihre Eindeutigkeit zwingt alle len, daß Sozialdemokraten (vor allem in einer Stimme (seiner eigenen) Mehrheit Parteien, die der Opposition wie die der den Gewerkschaften) im Kampf gegen die Bundeskanzler geworden war, seine erste Regierung, ihr innerstes Wesen an ihren Remilitarisierung und die atomare Aufrü- Regierungserklärung, worauf Schumacher Taten zu offenbaren. (...) Aber ebenso rich- stung der Bundeswehr wie auch bei vielen antwortete: „Nun, wir sind die Opposi- tig ist, daß die Opposition sich nicht in der sozialen Auseinandersetzungen eine aktive tion, und was Opposition ist, darüber hat bloßen Verneinung der Regierungsvor- Rolle gespielt haben. Das hinderte die Poli- sich eine unglaublich naive Diskussion schläge erschöpfen kann. tiker um Schumacher nicht, die Regierung in der deutschen Öffentlichkeit erhoben. Das Wesen der Opposition ist der perma- an Antikommunismus und DDR-Feindlich- (...) Die vorbehaltlose Überbewertung der nente Versuch, an konkreten Tatbeständen keit noch zu übertreffen, wie die Geschichte Regierungsfunktion und die ebenso vorbe- mit konkreten Vorschlägen der Regierung des „Ostbüros“ beweist. Mit dem Godesber- haltlose Unterbewertung der Oppositions- und ihren Parteien den positiven Gestal- ger Programm von 1959 wurde die SPD, die funktion stammt aus dem Obrigkeitsstaat, tungswillen der Opposition aufzuzwingen. bis dahin gelegentlich noch die Fahne des und die Begriffe des Obrigkeitsstaates (...) „demokratischen Sozialismus“ geschwenkt scheinen noch in vielen Köpfen auch in die- Wir haben heute einen Staat, den wir Sozi- hatte, unverhüllt Teil des imperialistischen sem Haus sehr lebendig zu sein. (...) aldemokraten als einen Staat der überwie- Machtsystems. Die „Ära“ Brandt vollzog Eine Opposition ist nicht dann staatserhal- genden sozialen Restauration ansehen. Wir den Schulterschluß mit Kennedys „peaceful tend, wenn sie eine wohlwollende Beur- haben einen Staat, von dem wir befürch- change“. Die von Brandt/Bahr praktizierte teilung durch die Bundesregierung oder ten, daß seine Führung (...) gar zu leicht Strategie des „Wandels durch Annäherung“ durch ihre Parteien findet. Wir haben eine in Versuchung kommt, die Volksmassen war keine Oppositionspolitik, sondern die in Sachen Besitzverteidigung sehr unsenti- als Objekte zu behandeln. Demgegenüber für die Bourgeoisie effektivere Variante mentale Regierung, und es wird die Aufgabe haben wir unseren positiven sozialdemo- des Kampfes gegen die DDR. Angesichts der der Opposition sein, bei der Interessen- kratischen Gestaltungswillen auf allen Gefahr, daß der „Ost-West-Konflikt“ zu einer vertretung der arbeitenden Bevölkerung Gebieten der Politik zu setzen. (...) atomaren Auseinandersetzung eskalierte, ebenso unsentimental zu sein. Der Egois- Wir sind nicht die bloße Negationserschei- war die Entspannung zugleich eine Notwen- mus liebt es, an die Gemeinschaftsgefühle nung dieser Regierung. Wir sind etwas digkeit für beide Seiten. zu appellieren. Selbständiges. So wollen wir unsere Oppo- Ob und inwieweit die Politik der SPD Die Regierung und die Opposition wer- sition führen, mit dem Ziel, für die Politik 1989/90 Hilfsdienste für die Konterrevolu- den ihre Qualität durch ihre Leistungen der sozialistischen Demokratie einmal in tion geleistet hat, bedarf einer umfassenden bestimmen. Aber, werte Abgeordnete, der diesem Hause die parlamentarische Mehr- Analyse. Zu unterstreichen ist, daß die nam- Grundsatz gilt für die Opposition, daß die heit zu finden.“ haftesten Sozialdemokraten Manfred Stolpe, Karikatur: Gertrud Zucker Karikatur: Seite 14 RotFuchs / Januar 2018

Markus Meckel und Wolfgang Thierse objek- Erkenntnisse des „Dialogpapiers“ SED–SPD daß Zusammenarbeit das Schlüsselwort des tiv Sterbehilfe beim Ende der DDR leisteten. vom August 1987 enthalten. In dem 56seiti- Jahrhunderts wird.“ „Zusammenarbeit“ – mit Es sei die Frage erlaubt: Hätten Kohl und gen „Grundsatzprogramm“ von 1989 gibt es wem und mit welchem Ziel? seine Auftraggeber so rücksichtslos in der keinen Satz, in dem die Politik der DDR kri- Mit den Grünen, um beim Krieg gegen DDR vorgehen können, wenn die SPD Oppo- tisiert wurde. Es dürfte kaum einen besse- Jugoslawien 1999 den völkerrechtswid- sition und Widerspruch gewagt hätte? ren Beweis für das Versagen der SPD nach rigen Angriffskrieg wieder zur deutschen Die Kurzsichtigkeit der SPD läßt sich auch 1990 geben als den Vergleich des Programm- „Gewohnheit“ zu machen? Hätte das die CDU an den zwei Programmen prüfen, die sich textes mit der politischen Praxis jener Jahre. 1999 auch geschafft? die Sozialdemokratie seit 1989 gegeben hat. Am 28. Oktober 2007 ersetzte die Sozialde- Es blieb nicht beim Krieg gegen Jugosla- Das (West-)Berliner „Grundsatzprogramm“ mokratie das Berliner durch das Hambur- wien unter SPD-Kanzler Gerhard Schröder. ist am 20. Dezember 1989 angenommen wor- ger Programm. Dieses Programm ist (noch) In der Koalition unter Angela Merkel wächst den. Über die in Deutschland entstandene gültig. In ihm gibt es schöne Sätze: „Die die Zahl der Einsätze der Bundeswehr „out Situation wurde nichts gesagt. Die Dele- internationale Politik der deutschen Sozi- of area“ auf fast zwanzig – von Afghanistan gierten erklärten zum Ziel: „Wir wollen eine aldemokratie dient dem Ziel, Konflikte zu bis Mali. Die Sozialdemokratie forderte im Weltgesellschaft, die durch eine neue Form verhindern und Frieden zu schaffen ... Die Hamburger Programm: „Wir treten ein für des Wirtschaftens das Leben von Mensch Menschheit kann zum ersten Mal in ihrer den Abzug sämtlicher Atomsprengköpfe, die und Natur auf unserem Planeten dauerhaft Geschichte die existentiellen Probleme nur auf deutschem Boden lagern.“ Diese Forde- bewahrt ... Es ist eine historische Grunder- noch gemeinsam lösen. Umfassende Sicher- rung schaffte es auch in den Koalitionsver- fahrung, daß Reparaturen am Kapitalis- heit läßt sich nur gemeinsam erreichen.“ trag mit der CDU. Was ist aus der Forderung mus nicht genügen. Eine neue Ordnung von Wer genau hinschaut, sieht – ähnlich wie im geworden? Gesellschaft und Wirtschaft ist nötig.“ Berliner Programm –, daß es sich um Sätze Sollte hier die SPD nicht als Opposition Im Programm von 1989 sind (im Ab- aus dem Dialog-Papier SED–SPD handelt. Die ansetzen? schnitt III) zustimmend die wichtigsten SPD verkündete 2007: „Die SPD steht dafür, Prof. Dr. Horst Schneider

BEI ANDEREN GELESEN Über eine SPD, die ihre Chance auch diesmal nicht nützen wird

Als der Kanzlerkandidat Schulz im Februar Bedenkenträger weisen darauf hin, daß die kleiner Leute zu vertreten vorgibt, durchaus 2017 andeutete, er wolle den Schröder-Bal- SPD-Kasse leer ist, so daß ein Wahlkampf ihr angemessen. Dann sollte man ihnen aber auch last der SPD abwerfen, ging ein Aufatmen finanzielle Schwierigkeiten machen werde. keine falschen Hoffnungen machen, nicht nicht nur durch seine Partei: Plötzlich mel- Auch habe man keinen geeigneten Kanzler- große Sprüche klopfen, hinter denen nichts deten sich junge Leute und wollten Mitglied kandidaten, Schulz sei verbrannt. Aber es gibt steht. werden. Dann redete Schulz vor Spitzenver- doch Andrea Nahles. Springt sie ihren radi- Die Zaghaftigkeit von Schulz und Nahles ist tretern der Wirtschaft, sagte nichts, was verständlich, wenn man ermißt, wie schwer ihnen hätte Angst machen können, und doch es wäre, wenn sie ihren flotten Sprüchen tat- rührte sich keine Hand zum Beifall. Er hatte sächlich gerecht werden wollten. Sie müß- verstanden, sprach nicht über eine Vermö- ten sich mit dem Kapital anlegen. Das würde gensteuer und Umverteilung von oben nach bedeuten: zunächst wahrscheinlich neue unten, sondern schwadronierte nur allgemein Wahlniederlagen, auf Bundesebene eine lange von sozialer Gerechtigkeit. Die Quittung kam Zeit der Opposition, gründlicher Bruch mit am 24. September. einer Vergangenheit, deren Vertreterinnen Im Moment der Niederlage gab Schulz und Vertreter noch immer in der Partei stark bekannt, die SPD werde in die Opposition sind. gehen. Andrea Nahles sprach etwas von Gern läßt sich die SPD an ihre „staatspoli- „in die Fresse hauen“. Dann scheiterte die tische Verantwortung“ erinnern, deretwe- „Schwampel“. Noch einmal redeten Nahles gen sie wieder in die große Koalition müsse. und Schulz darüber, aus einer neuen großen Der wird sie aber dann nicht gerecht, falls sie Koalition werde nichts. Das hätte bedeutet: aufgrund einer solchen Entscheidung noch entweder ein Minderheitskabinett Merkel kalen Phrasen hinterher, könnte sie als Spit- kleiner wird und als sogenannte Volkspartei oder Neuwahlen. zenkandidatin einen resoluten Wahlkampf ausfällt. Bis vor einiger Zeit hat ihre Führung Die erste Variante wäre günstig für die SPD führen. Wäre sie glaubwürdig, könnte das den Begriff der staatspolitischen Verantwor- gewesen. Sie hätte die Minderheitsregierung mobilisieren. Gewiß werden die Mainstream- tung anders ausgelegt: Man dürfe der AfD im vor sich hertreiben können. Vielleicht wäre Medien gegen die SPD hetzen, und die Union Bundestag nicht die Oppositionsführerschaft die Kanzlerin gezwungen gewesen, Deals bekommt, worauf diese verzichten muß: rie- überlassen. Das gilt jetzt wohl nicht mehr. zu machen, bei denen sie auch sozialdemo- sige Spenden – ein ungleicher Kampf. Den Für den Fall, daß die Führung wieder mit- kratische Forderungen hätte berücksichti- aber wird zunächst immer führen müssen, regieren will, hat sie angekündigt, daß eine gen müssen. Da das keine bequeme Lösung wer gründlich etwas ändern will. Mitgliederabstimmung darüber entscheiden für sie wäre, wirbt sie weiter für eine große Hier liegt das Problem. Seine nähere Betrach- wird. Ausweislich von Umfragen ist gegen- Koalition. Manche meinen, sie habe ein Druck- tung zeigt, weshalb die vorstehend referier- wärtig noch eine Mehrheit dagegen. Gelingt mittel in der Hand: Neuwahlen, bei denen die ten Hoffnungen leere Phantasterei waren. es schließlich, sie umzudrehen, würde die SPD vielleicht noch weiter abstürzen werde. Man könnte Karl Valentin zitieren: „Mögen SPD vollends eine Partei mit gebrochenen Das wäre allerdings die Drohung mit einem täten wir schon wollen, aber dürfen haben Flügeln. Papierschwert: dieselbe Gefahr besteht ja wir uns nicht getraut.“ Vorsicht ist keine Feig- Georg Fülberth auch für die Union. heit, sondern einer Partei, die die Interessen (aus UZ, 30. 11. 2017) RotFuchs / Januar 2018 Seite 15

WISSENSCHAFTLICHE WELTANSCHAUUNG Über Lenins Broschüre „Die große Initiative“

Vor vielen Jahren hat der damalige „Deutschlandsender“ (später umbenannt in „Stimme der DDR“) eine auch in Westdeutschland gehörte und beach- tete Sendereihe mit Vorträgen zu Fragen unserer wissenschaftlichen Weltanschauung ausgestrahlt, deren Manuskripte sich erhalten haben und die wir den Lesern des „RotFuchs“ in einer Auswahl zur Verfügung stellen – inhaltlich wurde nichts verändert, von unumgänglichen Kürzungen abgesehen. Man kann diese Vorträge lesen als Kapitel eines Geschichtsbuchs (dazu auch immer die Angabe des seinerzeitigen Sendetermins) und zugleich als Einführung in die Grundlagen marxistisch-leninistischen Denkens. Viele auch in den Vorträgen zum Ausdruck kommenden Hoffnun- gen haben sich mit und nach der Konterrevolution von 1989/90 zerschlagen, manche Prognosen haben den Praxistest nicht bestanden – wesent- liche Erkenntnisse von Marx, Engels, Lenin und anderen unserer Theoretiker aber haben nach wie vor Bestand, an ihnen halten wir (gelegentlich deswegen als Ewiggestrige beschimpft) fest, sie wollen wir – auch mit dieser Serie – vermitteln. RF

11. April 1974 folgenden Antrag zum Beschluß erhob: „In Einzel­leistung. Er entdeckte in ihnen den Anbetracht der schwierigen inneren und Ausdruck einer geschicht­lichen Gesetzmä- Die erste Hälfte des Jahres 1919, in der Lenin auswärtigen Lage müssen sich die Kommu- ßigkeit, den Beginn einer Entwicklung von seine Broschüre „Die große Initiative“ schrieb, nisten und Sympathisierenden,­ um das Über- weltverändernder­ Bedeutung. stellte die junge Sowjetmacht erneut vor eine gewicht über den Klassenfeind zu erlangen, Lenin analysierte in seiner Schrift die neuen Bewährungsprobe auf Leben und Tod. Die erneut aufraffen und von ihrer Ruhezeit eine Aspekte, die sich nach dem Sieg der proletari- Entente-Mächte hatten nach der Niederlage weitere Arbeits­stunde abknapsen, d. h. ihren schen Revolution für die welt­historische Mis- Deutschlands und Österreichs ihre bewaff- Arbeitstag um eine Stunde ver­längern, diese sion der Arbeiterklasse ergeben. Er erklärte, nete Intervention, d. h. den erbarmungslosen Stunden zusammenlegen und am Sonnabend daß die Diktatur des Proletariats nicht allein, Kampf gegen Sowjetrußland, aufs ja nicht ein­mal hauptsächlich in der äußerste verstärkt. Sie verhängten Gewaltanwendung gegenüber den die Blockade über die Verbindun- gestürz­ten Ausbeutern besteht, gen des Landes zur Außenwelt. Sie sondern sich vielmehr darauf grün- lieferten den konterrevolutionären det, daß die Arbeiterklasse einen im Banden im Innern Waf­fen und Aus- Vergleich zum Kapitalismus höheren rüstungen. Admiral Koltschak, der Typ der gesellschaftlichen Organisa- im November 1913 von den engli- tion der Arbeit repräsentiert und tat- schen Interventen zum „Obersten sächlich verwirklicht. Regenten“ Rußlands deklariert wor- Die Organisation der Arbeit in den war, rückte im Frühjahr 1919 mit allen Ausbeuterordnungen beruht­ einer ge­waltigen Armee aus Sibi- auf einer erzwungenen, von der rien fast bis an die Wolga vor. Am jeweils herrschenden Klasse mit 17. April kündigte Clemenceau in den ihr gemäßen Mitteln der Gewalt Paris den Vorstoß der Weiß­gardisten herbeigeführ­ten Disziplin: auf der auf Moskau an. Die Rote Armee des Stocks unter der Leibeigen- mußte gleichzeitig an sechs Fron- schaft, auf der des Hungers und der ten mit einer Gesamtlänge von 8000 Einschüchterung unter dem Kapi­ Kilometern gegen den Ansturm der talismus. Die befreite Arbeiterklasse Reaktion kämpfen. aber bringt erstmals eine Disziplin Um die Schwere der Situation zu hervor, die auf Freiwilligkeit und begreifen, muß man sich vor Augen Bewußtheit beruht. halten, daß das Land durch drei Um zu siegen, um die neue Gesell- harte Kriegsjahre und infolge der schaftsordnung herbeizufüh­ren, muß Ausplünderung durch die ausländi- das Proletariat – wie Lenin bereits ein schen Truppen wirt­schaftlich völlig zerrüt- sechs Stunden auf einmal körperliche Arbeit Jahr zuvor, 1918, in dem Artikel „Die näch- tet war. Es fehlte an Roh- und Brenn­stoffen. leisten, mit dem Ziel, sofort einen realen Wert sten Aufgaben der Sowjetmacht“ (siehe RF 236, Das Volk hungerte. In Moskau und Petrograd zu erzeugen. Davon ausgehend, daß die Kom- S. 17) formuliert hatte – eine zweieinige Auf- erhielten die Arbeiter ein Achtelpfund Brot munisten, wenn es um die Errungenschaften gabe lösen: die ganze Masse der Werktätigen für zwei Tage. Viele Men­schen starben an der Revolu­tion geht, ihre Gesundheit und ihr mitreißen zum Kampf für die Niederwer­fung Flecktyphus. Agenten der Interventen organi­ Leben nicht schonen dürfen, ist die Arbeit der Bourgeoisie und sie auf den Weg einer sierten überall im Land Meutereien, Diversio- unentgeltlich zu leisten. Der kommunistische neuen Arbeits­organisation führen, die das nen, Verschwörun­gen gegen die Sowjetmacht. Sonnabend ist im gesamten Unterbezirk bis letzte Wort der Wissenschaft und Technik In dieser schier ausweglosen Lage trat die zum völligen Sieg über Koltschak einzufüh- vereinigt mit dem Massenzusammenschluß Rote Armee, zu der die besten Kräfte der ren.“1 bewußt arbei­tender Menschen. Diese zweite Bolschewiki und des Kommunistischen Am 10. Mai führten die Moskau-Kasaner Seite ist ohne Zweifel die schwie­rigere, weil Ju­gendverbandes geströmt waren, zum Eisenbahner getreu die­sem Beschluß den sie nicht durch einen einzigen heroischen Gegenangriff gegen Koltschak an und brachte ersten „Subbotnik“ durch (Subbota ist das Ansturm verwirklicht werden kann, sondern ihm im April 1919 eine entscheidende Nie- russische Wort für Sonnabend). Sie reparier- den andauernden, hartnäckigen, zähen Hero- derlage bei. Zur Unterstützung der kämpfen- ten ohne Bezahlung vier Lokomotiven und 16 ismus der alltäglichen Massenarbeit erfordert. den Rotarmisten mußte die Kommu­nistische Waggons, erhöhten dabei ihre Arbeitsproduk- Diese zweite Seite ist aber die wesentliche. Partei von den Arbeitern abermals die größ- tivität freiwillig um mehr als das Doppelte Gerade deswegen maß die Partei der Bolsche- ten An­strengungen verlangen. Ein strategisch ge­genüber der regulären Arbeitszeit. Diese wiki den Subbotniks als Keimen der neuen, der wichtiger Punkt war dabei das Transportwe- Tat und der Wider­hall, den sie unter den kommunistischen Einstellung zur Arbeit, der sen, von dem in hohem Maße die Lebensfähig- sowjetischen Arbeitern fand, waren Gegen- bewußten,­ freiwilligen Arbeitsdisziplin eine keit des erbittert kämpfenden Sowjetlandes stand der Leninschen Arbeit „Die große Initia- so große Bedeutung bei. Lenin schrieb: „Es ist abhing. Dies war die Situation, in der Anfang tive“. das der Anfang einer Umwälzung, die schwieri- Mai die allgemeine Ver­sammlung der Kommu- Lenin erkannte in den Subbotniks mehr ger, wesentlicher, radikaler, entscheidender ist nisten und Sympathisierenden des Unterbe­ als eine aus der Not und dem Herois- als der Sturz der Bourgeoisie, denn das ist ein zirks der Moskau-Kasaner Eisenbahnlinie mus der historischen Situation geborene Sieg über die eigene Trägheit, über die eigene Seite 16 RotFuchs / Januar 2018

Undiszipliniertheit, über den kleinbürgerli- der sozialistischen Staatengemeinschaft lei- So wurde zur Maxime des Handelns von Mil- chen Egoismus, über diese Gewohnheiten, die sten. Dabei wird die Aufgabe in der vor uns lionen Werktätigen in den Ländern der sozia- der fluchbeladene Kapitalismus dem Arbeiter liegenden Periode der entwickelten sozialisti- listischen Staatengemeinschaft auf drei und Bauern als Erbe hinterlassen hat.“2 schen Gesellschaft und – in der Sowjetunion – Kontinenten der Erde, was Lenin 1919 als die Tatsächlich haben die Erfahrungen aller Völker, der Schaffung der materiell-technischen innere Ge­setzmäßigkeit der Tat einiger hun- die seither den Aufbau des Sozialismus vor- Basis des Kommunismus darin bestehen, dert Kommunisten und Sympa­thisierenden anbrachten, Lenins Analyse vollauf bestätigt. die Arbeitsproduktivität auch der am weite- der Moskau-Kasaner Eisenbahn erkannte und Der Kampf um die neue, bewußte, freiwillige sten entwickelten kapitalistischen Industrie- theo­retisch verallgemeinerte. Arbeitsdisziplin ist und bleibt eine entschei- länder zu übertreffen. Das ergibt sich mit Auf der Abrechnung des ersten kommunisti- dende Aufgabe in der gesamten so­zialistischen zwingender Notwendigkeit daraus, daß die schen Subbotniks stand die Reparatur von Phase der kommunistischen Gesellschafts- sozialisti­sche Gesellschaft Probleme zu lösen vier Lokomotiven und 16 Waggons. Ein Ergeb- formation. Und sie gewinnt sogar ständig an hat, die für den Kapi­talismus nicht nur unlös- nis, das führende Politiker imperialistischer Bedeutung, weil mit der Ent­wicklung der sozia- bar waren und sind, sondern die er sich nicht Länder sei­nerzeit vermutlich mit einem mit- listischen Großproduktion, mit zunehmender einmal ernsthaft gestellt hat und stellen kann. leidigen Lächeln registriert haben, das sie ver- Spezialisierung und Kooperation innerhalb Die Befriedigung der materiellen und kultu- mutlich einordneten in ihre Wunschträume jeder sozialisti­schen Volkswirtschaft und im rellen Lebensbedürf­nisse ausnahmslos aller vom baldigen Zusammenbruch des jungen weiteren Rahmen der sozialisti­schen ökono- Mitglieder der Gesellschaft, die um­fassende Sowjetstaates. Aber dies war der Ausgangs- punkt einer Entwicklung, welche die Länder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe zur mächtigsten und dynamischsten Wirt- schaftsregion der Welt heranwachsen ließ, die mehr produziert und stabiler wächst als jede der imperialistischen Mächtegruppierun- gen, deren ökonomisches und militärisches Gewicht, deren politische und moralische Stärke die Politiker der imperialistischen Hauptmächte an den Ver­handlungstisch mit den sozialistischen Ländern bringt, sie veran- laßt, ihre Unterschriften unter Verträge der friedlichen Koexistenz zu setzen, geschäftli- che und wissenschaftlich-technische Abma- chungen mit der Sowjetunion und den anderen Bei einem der ersten Subbotniks an der Eisenbahnstrecke Moskau–Kasan Bruder­ländern zu suchen und sie erkennen läßt, daß dem Sozialismus heute mit Gewalt mischen Integration die Verantwortung jedes Entwicklung der Persönlichkeit der Werk- nicht mehr beizukommen ist. Werk­tätigen, jedes Arbeitskollektivs für die tätigen, Bil­dungsmöglichkeiten für alle, die W. I. Lenin maß dem „Heldentum der Arbeiter Qualität der Erzeug­nisse, für termingerechte Überwindung der wesentlichen Unterschiede im Hinterland“ – so bezeichnete er die Initia- Lieferung, für sparsamen Umgang mit Mate- zwischen körperlicher und geistiger Arbeit, tive der Eisenbahner von der Kasaner Strecke rial immer größer wird. zwi­schen Stadt und Land – das alles erfordert – gigantische Bedeutung für die Perspektive Besonderes Augenmerk legte Lenin auf die Tat- bedeutend höhere materielle Aufwendungen der neuen Gesellschaft zu. Und in der Tat: Auf sache, daß die kommunistischen Subbotniks zu pro Kopf der Bevölkerung, als sie selbst in den einem Drittel der Erde ringen tagtäglich Mil- einer Erhöhung der Arbeitspro­duktivität führ- am weitesten entwickelten kapitalistischen lionen Werktätige um die Ver­wirklichung jener ten; denn – so schrieb er – „die Arbeitsproduk­ In­dustrieländern möglich und – gemessen Leninschen Worte, die in der Broschüre „Die tivität ist in letzter Instanz das allerwichtigste, an den gesellschaftlichen Zielen der Ausbeu- große Initiative“ formuliert sind. „Der Kommu- das aus­schlaggebende für den Sieg der neuen terklassen – erwünscht sind. Daraus ergibt nismus beginnt dort“, schrieb Lenin, „wo einfa- Gesellschaftsordnung. Der Kapitalismus hat sich aber zwangsläufig, daß die Produktivität che Arbeiter in selbstloser Weise, harte Arbeit eine Arbeitsproduktivität geschaffen, wie sie der Arbeit im Sozialismus bedeutend höher bewältigend, sich Sorgen machen um die Erhö- unter dem Feudalismus unbekannt war. Der sein muß als im Kapitalismus. Den Weg dort- hung der Arbeitsproduktivität, um den Schutz Kapitalismus kann endgültig besiegt werden hin bezeichnete Lenin schon 1919 in seiner eines jeden Puds Getreide, Kohle, Eisen und und wird dadurch endgültig be­siegt werden, Arbeit „Die große Initiative“ sehr präzise, anderer Produkte, die nicht den Arbeitenden daß der Sozialismus eine neue, weit höhere wenn er schrieb, der Kom­munismus bedeute persönlich und nicht den ihnen ,Nahestehen­ Ar­beitsproduktivität schafft. Das ist ein sehr „eine höhere Arbeitsproduktivität freiwillig, den‘ zugute kommen, sondern ,Fernstehenden‘, schwieriges und sehr langwieriges Werk, aber bewußt, vereint schaffender Menschen, die d. h. der gan­zen Gesellschaft in ihrer Gesamt- man hat damit begonnen, und das eben ist das sich der fortge­schrittenen Technik bedienen“4. heit ...“5 allerwichtigste.“3 Entsprechend den heutigen historischen Man muß zugeben, daß es sicher nicht für jeden Seit den ersten Subbotniks hat sich in der Bedingungen ist es un­erläßlich, die Errun- Beobachter der Szenerie des Jahres 1919 ein- sozialistischen Welt eine gewaltige Stei- genschaften der wissenschaftlich-techni­schen fach war, in der Art und Wei­se der Reparatur gerung der Produktivität vollzogen. Die Revolution organisch mit den Vorzügen der von vier Lokomotiven während eines freiwil- Pro-Kopf-Produktion in den Ländern der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu ver- ligen Arbeitseinsatzes an einem Mai-Sonn- sozialistischen Staatengemeinschaft liegt binden. Erinnern wir uns der Haupt­aufgabe, abend den Keim einer solchen grundlegenden um ein Mehrfaches über der in den nichtso- die der VIII. Parteitag der SED gestellt hat, Verwandlung des historischen Kräfteverhält- zialistischen Ländern der Welt. Ohne eine sol- so heißt das, die neuesten Erkenntnisse und nisses zu erkennen. Dazu war nur die fortge- che Ent­wicklung hätte der real existierende Ergebnisse von Wis­senschaft und Technik schrittenste Gesellschaftstheorie in der Lage, Sozialismus weder den hohen Lebensstan- entsprechend den sozialistischen Produk­ der Marxismus-Leninismus, dazu bedurfte es dard der sozialistischen Nationen noch seine tionsverhältnissen in den Dienst der Hebung eines Lenin. militärische Überlegenheit über den Impe- des materiellen und kulturellen Lebensni- rialismus hervorbringen können, ohne diese veaus der Menschen zu stellen. Auf diesem Quellen: Entwicklung hätte er nicht den bestimmen- Wege ist die sozialistische Staatengemein- 1) W. I. Lenin: „Die große Initiative“, in: Werke, den Einfluß auf den welthistorischen Pro- schaft in den letzten Jahren ein beachtliches Band 29, Berlin 1965, S. 400 zeß ge­wonnen. Deshalb wollen wir in der Stück vorangekommen. Auf die­sem Wege hat 2) Ebenda, S. 399 DDR durch die zielgerichtete Intensivierung sich die bewußte Initiative der Arbeiterklasse 3) Ebenda, S. 416 der gesellschaftlichen Produktion auch künf- und ihrer Verbündeten in einem Maße entfal- 4) Ebenda, S. 417 tig unseren Beitrag für die weitere Stärkung tet wie nie zuvor. 5) Ebenda, S. 416 RotFuchs / Januar 2018 Seite 17

150 Jahre „Das Kapital“ Otto Carl Meissner, der Karl-Marx-Verleger

or 150 Jahren wurde „Das Kapital“, und sozial vorantreiben, eine demokrati- das Hamburger Bürgermilitär von 1814 ver- VErster Band, ausgeliefert von der Buch- schere Verfassung für die Republik Ham- teidigen, das im Gegensatz zum stehenden druckerei Otto Wigand in Leipzig, die das burg durchsetzen, die bisher durch das Heer Preußens nicht von adligen Offizieren Werk im Auftrag des Verlages Otto Meis- befehligt wurde, die Bauernsöhne in den sner gesetzt und gedruckt hatte. Otto Krieg und gegen die eigene Bevölkerung Carl Meissner (28. 7. 1819 in Quedlin- führen konnten, sondern Offiziere aus burg/Harz bis 4. 6. 1902 in Hamburg) den eigenen Reihen bestimmte. war 1842 nach Hamburg gekommen, Wegen des geschäftlichen Erfolgs konnte weil der Verleger Julius Campe (1792– Meissner 1861 in St. Georg ein eigenes 1867) nach dem Großen Brand von Haus in der Gurlittstraße 13 kaufen, in Hamburg wieder drucken durfte. Der dem er bis zu seinem Tod 1902 wohnte. Musikalienhändler Wilhelm Heinrichs- Mit einem Teilhaber bezogen Verlag und hofen in Magdeburg schickte zur Entla- Buchhandlung 1865 größere Geschäfts- stung beim Buchhandel seinen Lehrling räume in der Bergstraße 26, wo Karl und Mitarbeiter Meissner, der mit 22 Marx ihn bei seinen drei Besuchen antraf. Jahren nach Hamburg kam und im Stärker in die Hamburger Gesellschaft Buchladen Gänsemarkt 60 (heute Jung- integriert konnte man nicht sein als Otto fernstieg) arbeitete. Ab 1845 stand er Meissner, als er „Das Kapital“ herausgab. in der „weltbekannten Oppositions- Zur Wanderversammlung der Architek- buchhandlung“ Schauenburgerstraße ten in Hamburg 1868 veröffentlichte 59 direkt neben der Börse und schaute Meissner „Hamburg. Historisch-Topo- über den noch nicht bebauten Platz für graphische Mittheilungen“, in dem auch das neue Rathaus Hamburgs auf die eine Verlagsanzeige für „Das Kapital“ Kleine Alster. zwischen Schriften von Feuerbach und Bei „Hoffmann & Campe“ wurde revolu- Proudhon erschien. „Hamburg und seine tionäre und sozialistische Literatur aller Bauten“, die Nachfolgerin dieser Schrift, Richtungen verlegt, auch der „Telegraph“ kam 1890 ebenfalls im Verlag Otto für Deutschland, dem Marx und Engels Meissner heraus. aus Paris und Brüssel Artikel zusandten. Otto Carl Meissner Die „Rathausbaumeister“ unter Mar- Im Sommer 1848 gründete Otto Meissner tin Haller wollten ein Rathaus für Ham- mit Georg Schirges (1811–1879), Mit- burg, in dem sich Senat und Bürgerschaft glied des „Bundes der Gerechten“ und auch räumlich gleichberechtigt gegen- des „Bundes der Kommunisten“, seit überstanden, und Otto Meissner war von 1844 Seele des fast 1000köpfigen „Bil- 1871 bis 1876 für diese Gruppe Mitglied dungsvereins für Arbeiter in Hamburg“ der Hamburgischen Bürgerschaft. Allein und Chefredakteur des „Telegraph“ den dreimal hätte Otto Meissner Karl Marx Verlag „Meissner & Schirges“. Als Schir- fragen können, was er von diesen Rat- ges nach Frankfurt ging, Gewerbekon- hausplänen im Stile der Neo-Renaissance gresse und die daraus hervorgehende hielte: 1867, als Karl Marx nach Hamburg „Arbeiterverbrüderung“ organisierte, kam, um das Manuskript des „Kapitals“ eröffnete Otto Meissner eine Buchhand- abzuliefern, 1869, als er auf der Rück- lung in der Kleinen Johannisstraße 2, wo kehr von einer Kur seine Schrift „Der 18. er auch mit seiner Frau wohnte. 1857, Brumaire des Louis Bonaparte“ erhielt, als er in seinem Verlag die bedeutende die sein Verleger als erstes in Europa sozialistische Wochenzeitung „Das Jahr- veröffentlicht hatte, und 1874, als er die hundert“ verlegte, zog er nach St. Georg, zweite Auflage des Ersten Bandes des erst in die Kirchenstraße 6 (1899 wurde „Kapitals“ mitnehmen konnte. die Kirchenstraße in Rautenbergstraße 1889 konnte Otto Meissner ein Grund- umbenannt), 1859 dann in die Lange stück in der Hermannstraße 44 erwer- Reihe 80. ben, auf dem bis zur Zerstörung 1943 Das Jahr 1859 war für Otto Meissner das Buchhaus Otto Meissner stand. Erst der Durchbruch zu politischer Bedeut- 1897 wurde das Hamburger Rathaus ein- samkeit in Hamburg. Als Mitorganisator geweiht, allerdings in einem sich indu- und Propagandist des Schillerfestzuges strialisierenden Deutschen Reich, das in Hamburg, als am 13. November 1859 durch Kriege als Vereinigung von Mon- mehr als 10 000 Festzugsteilnehmer von archien entstanden war. Die Hamburger 200 000 Hamburgern unter schwarzrot- Bürger begannen schon da ihre republi- goldenen Fahnen für Presse- und Gedan- kanischen Jugendträume von Presse- kenfreiheit und eine republikanische freiheit und Demokratie zu vergessen, Staatsverfassung durch die Stadt zogen, angesichts des Aufschwungs, den Ham- kam er in Kontakt mit vielen republika- burg als der Überseehafen des Deutschen nischen Reformern. 1860 gründete er Reiches erlebte, und auch angesichts der den „Hamburg-Altonaer Buchhändler- Tatsache, daß hier im September 1867 Verein“, war am neuen Architektenverein die gründlichste und kritischste Analyse beteiligt und gewann reformorientierte Titelseite der Erstausgabe dieses Prozesses erschienen ist – „Das und sozialistische Autoren für seinen Kapital“ von Karl Marx. Verlag. Sie wollten u. a. die Schulbildung Besitzwahlrecht nur von einer kleinen Min- Jürgen Bönig, verändern, Stadtentwicklung systematisch derheit politisch bestimmt worden war, und Hamburg Seite 18 RotFuchs / Januar 2018

Das Ende der Antihitlerkoalition und wachsende Kriegsgefahren Die Bilanz des Jahres 1947

ie Wochen vor dem Jahreswechsel der Arbeitsminister und der für die Rüstungs- (Armin Wertz: Die Weltbeherrscher. Militäri- D1947/48 markierten eine tiefgehende industrie verantwortliche Minister Mit- sche und geheimdienstliche Operationen der Zäsur in der Geschichte des 20. Jahrhunderts glieder der FKP. 1945/46 erfolgte unter USA, Frankfurt a. M. 2017, S. 105) und in den internationalen Beziehungen. anderem die Verstaatlichung der vier größ- Zweitens wurden sogenannte verdeckte Aktio- Welche Ursachen lagen dieser Entwicklung ten Privatbanken und von insgesamt nen durchgeführt mit dem Ziel, den Einfluß zugrunde? 42 Versicherungsgesellschaften. Bei den Par- der Kommunisten und anderer Linkskräfte, Bereits nach der Befreiung vom deutschen lamentswahlen im November 1946 konnte die besonders in Frankreich und Italien, zurück- Faschismus hatte es erste Anzeichen einer Kommunistische Partei mit 28,2 Prozent der zudrängen und die antikommunistischen aggressiver werdenden Haltung von seiten der Wählerstimmen ein herausragendes Ergebnis Kräfte finanziell massiv zu unterstützen. Für US-Regierung gegenüber der UdSSR gegeben. erzielen. In Großbritannien waren von der seit diese Zwecke wurden die Geldtöpfe der 1947 Nicht nur hinter verschlossenen Türen, son- Juli 1945 regierenden Labour Party, sehr zum gegründeten CIA auch von Großkonzernen mit dern immer häufiger in öffentlichen Verlautba- Mißfallen der USA, wichtige Industriezweige Millionen Dollar gefüllt. Sogar Gelder aus dem rungen wurden in Washington gegenüber dem verstaatlicht bzw. ihre Verstaatlichung vor- Marshallplan wurden zweckentfremdet. Dabei Weltkriegs-Alliierten Töne angeschlagen, die bereitet worden (u. a. Zivilluftfahrt, Kohlen- ging es nicht nur um Wahlkampfhilfen für nur als feindselig interpretiert werden konn- bergbau, Transportwesen, Stromversorger, antikommunistische Parteien, sondern auch ten. Einige Kostproben: Am 23. Oktober 1945 Eisen- und Stahlindustrie). Allerdings fehlten um die Initiierung von gewalttätigen Aktio- erklärte Präsident Harry S. Truman vor dem dem Land ausreichend Devisen für den Import nen gegen kommunistische Veranstaltungen Kongreß, es „müßten die Vereinigten Staaten von dringend benötigten Lebensmitteln und und Parteibüros, für die kriminelle Existen- ihre Überlegenheit in der Luft, auf dem Lande Rohstoffen. Deshalb wurden im Juni 1946 Brot zen angeworben und bezahlt wurden. In Ita- und zur See aufrechterhalten“ (Keesings Archiv und Mehl rationiert, die in Kriegszeiten frei lien wurde mit großem medialem Aufwand die der Gegenwart, XV. Jg., 1945, S. 493 C). Am verkäuflich waren. Wegen der Kohleknapp- Furcht vor einer von Kommunisten geführten 12. November 1945 beschließt das Repräsen- heit mußte ab dem 10. Februar 1946 der Strom Regierung der „Gottlosen“ angestachelt. Hier tantenhaus der USA, eine etwaige Finanzhilfe stundenweise, auch für die Industriebetriebe, waren es vor allem der Vatikan und der katho- für die UdSSR unter anderem an folgende abgeschaltet werden. Um Abhilfe zu schaffen, lische Klerus sowie die bürgerlichen Medien, Bedingungen zu knüpfen: regelmäßige Über- konnten nur die USA mit den notwendigen Dol- die – finanziert und gesteuert von den Agen- mittlung der Produktionsstatistiken an die larkrediten in die Bresche springen, um einen ten der CIA – ein wahres Trommelfeuer des USA, ständige Informationen über Ausmaß drohenden Kollaps der britischen Volkswirt- Antikommunismus entfachten. und Art der Rüstungsproduktion sowie Über- schaft zu verhindern. Drittens sollten in Deutschland mit der Verei- flugrechte für US-amerikanische Flugzeuge. Und die Lage in den Besatzungszonen West- nigung von US-amerikanischer und britischer Am 5. Dezember 1945 wird im gleichen Par- deutschlands? Größere Teile der Bevölkerung Zone zur Bizone vollendete Tatsachen hinsicht- lament beschlossen, die Stärke der U.S. Navy litten an Hunger und unter der ungenügenden lich der möglichst raschen Konstituierung auf mehr als das Doppelte ihres Vorkriegsstan- Versorgung mit Brennmaterialien. Zum Leid- eines westdeutschen Separatstaates geschaf- des zu erhöhen. Vor allem: Seit November 1945 wesen der von General Lucius D. Clay geführten fen werden, der in der Perspektive remilita- wurden insgeheim von den Stabschefs der US-amerikanischen Militärregierung wurde risiert und als unverzichtbares Mitglied in Streitkräfte Atomkriegspläne, die sich gegen die Forderung nach einer Verstaatlichung der ein antisowjetisches Bündnis, den „Atlantik- die UdSSR richteten, ausgearbeitet. Der briti- Schlüsselindustrien und des Bergbaus nicht pakt“, integriert werden sollte. Zunächst ging sche Botschafter in Washington Lord Halifax nur bei den Arbeitern und ihren Gewerkschaf- es darum, sein großes industrielles Poten- teilte am 10. März 1946 seinem Außenmini- ten immer populärer. Am 1. Dezember 1946 tial zugunsten des Imperialismus nutzbar zu ster Ernest Bevin in einem Telegramm mit: votierten fast 63 Prozent der Abstimmenden in machen. „Hartgesottene Konservative im Kriegs- und Hessen (US-Besatzungszone) bei einer Volks- Wie reagierte die Sowjetunion auf diese Marineministerium sprechen von der Unver- abstimmung für die Aufnahme eines Artikels Handlungen der USA? In Moskau bestand meidlichkeit einer Machtprobe (,showdown‘) in die Landesverfassung, der eine Verstaat- ungeachtet aller feindlichen Aussagen und mit der Sowjetunion und deuten an, daß sie lichung von in privatem Eigentum befind- Handlungen die ehrliche Bereitschaft, die besser jetzt als später stattfinden sollte.“ lichen Industriebetrieben und -branchen gute Zusammenarbeit mit den USA auch nach (Documents on British Policy Overseas, Series ermöglichte. Was konnte der US-Imperialis- dem Kriegsende fortzusetzen. Doch die Tru- I, Vol. IV, London 1987, S. 153) mus angesichts dieser Zustände, die seinen man-Administration, die nach dem Tode von Zeitgleich wurden in Londoner Regierungs- Vorstellungen von einem „USA-kompatiblen“ Präsident Franklin D. Roosevelt am 12. April kreisen, allerdings hinter verschlossenen Nachkriegseuropa zuwiderliefen, unterneh- 1945 den politischen Kurs im Weißen Haus Türen, die Stimmen lauter, die der Sowjet- men, um seine Interessen wirksam durchzu- bestimmte, war der Repräsentant aggressiver union Weltherrschaftspläne, ja die Pla- setzen? und unversöhnlich antisowjetischer Kreise nung eines gegen Westeuropa gerichteten Die Antworten lauteten: der US-Monopolbourgeoisie, die mit dem Angriffskriegs unterstellten. Nachdem am Erstens die Gewährung von vielen Milliarden Atombombenmonopol in der Hinterhand ein 5. März 1946 der britische Kriegspremier Dollars an die Staaten Westeuropas, mit denen „amerikanisches Jahrhundert“ proklamier- Winston S. Churchill in Fulton/Missouri vorzugsweise Rohstoffe, Nahrungsmittel und ten. Ihr strategischer Alliierter Großbritan- seine „Eiserne Vorhangs“-Rede gehalten und Industriewaren in den USA eingekauft wer- nien sollte fortan lediglich die Rolle eines die Schaffung einer politischen und mili- den mußten. In Gestalt des „Marshallplans“, „Juniorpartners“ spielen. Der UdSSR sprach tärischen Allianz der „englischsprachigen benannt nach dem Außenminister General man das Recht ab, ihre Sicherheitsinteressen Völker“ vorgeschlagen sowie Truman am George C. Marshall, wurde dieser Gedanke seit selbst zu formulieren. Eine Teilhabe an der 12. März 1947 vor dem Kongreß die „Eindäm- dem Sommer 1947 zur Realität. Die Truman- Kontrolle der Meerenge zwischen Mittelmeer mung“ des sowjetischen Einflusses überall auf Administration erwartete als Gegenleistung und Schwarzem Meer (Dardanellen) oder die der Welt angekündigt hatte, standen die Zei- die Bereitschaft der von den Marshallplan- Möglichkeit, an der Förderung der Erdölreser- chen auf Sturm. Milliarden profitierenden Länder, sich den ven des Nahen und Mittleren Ostens zu parti- Allerdings stellte sich die Lage für den US- politischen Zielen des US-Imperialismus unter- zipieren? – „völlig undenkbar“, ein Ausdruck Imperialismus in Europa als außerordentlich zuordnen. Mit den Worten des französischen des „sowjetischen Imperialismus“, so schallte kompliziert dar: In Frankreich und Italien Premierministers Paul Ramadier (Januar es von Washington nach Moskau. Daß sich die amtierten Kommunisten als Minister in den bis November 1947) vom 20. Mai 1947: „Mit Erdölförderung in jenen Regionen in exklu- nationalen Regierungen. So waren zum Bei- jedem Kredit, den wir bekommen, verlieren siver Weise durch US-amerikanische, briti- spiel in Frankreich der Wirtschaftsminister, wir ein wenig von unserer Unabhängigkeit.“ sche und französische Mineralölgesellschaften RotFuchs / Januar 2018 Seite 19

vollzog, daß der Panama- und der Suez-Kanal Während in der im April 1945 in Kraft getre- Bestreben charakterisiert, die Bizone, die ab dem unter der alleinigen Kontrolle der USA bzw. tenen Direktive JCS-1067 ausdrücklich auf die 1. Januar 1949 um die französische Zone zur Großbritanniens standen und dort zahlreiche Beseitigung des Faschismus Bezug genommen „Trizone“ erweitert wurde, als unverzichtba- Militärstützpunkte beider Länder existierten? und in diesem Zusammenhang die Bestra- ren Baustein in ihre antisowjetische Strategie In einem weltweit vielbeachteten Interview fung der Kriegsverbrecher, die Eliminierung zu integrieren und dabei in möglichst schnel- mit dem US-amerikanischen Politiker Harold der Nazi-Ideologie und des deutschen Mili- ler Frist einen abhängigen Separatstaat zu Stassen, der als Gouverneur des Bundesstaates tarismus gefordert worden war, zugleich die schaffen, dessen ökonomisches Potential von Minnesota amtiert hatte, formulierte Josef Sta- Transformation der Volkswirtschaft auf die entscheidender Bedeutung im kalten Krieg lin am 4. Mai 1947 die folgenden bedenkens- Bedingungen einer Friedenswirtschaft sowie werden sollte. werten Sätze. Auf die Frage Stassens, ob die die konsequente Demilitarisierung im Mittel- Daß in Washington eine Remilitarisierung und Sowjetunion mit ihrem Kollektivstaat und punkt standen, atmete die Direktive JCS-1779 die Aufstellung einer Hunderttausende Solda- die Vereinigten Staaten mit ihrer freien Wirt- den Ungeist des eskalierenden kalten Krieges. ten zählenden Armee, kommandiert von Gene- schaft in Harmonie zusammenleben könnten, Sie kodifizierte und legitimierte die bereits seit rälen der Nazi-Wehrmacht, perspektivisch ins antworte Stalin: „Selbstverständlich ist das einiger Zeit von der US-Militärregierung prak- Kalkül gezogen wurde, kam hinzu. Ein Plan, möglich! Der Unterschied zwischen den bei- tizierte Okkupationspolitik, die den Beschlüs- der allerdings für die Bevölkerung vor allem den Nationen ist nicht so bedeutend, daß er sen von Potsdam nicht mehr entsprach. Um in Großbritannien und Frankreich, aber auch einer Zusammenarbeit im Wege stehen würde. nur einige Beispiele zu nennen: Schon im Mai in der jungen BRD, zunächst auf Ablehnung (…) Wenn wir aber damit anfangen, uns gegen- 1946 beendeten die US-Autoritäten die verein- stieß und erst in einem weiter anzustacheln- seitig als Monopolisten und Totalitaristen zu barten Reparationslieferungen bzw. Demon- den Klima eines militanten Antikommunismus beschimpfen, dann wird dies kaum zur Zusam- tagen aus ihrer Besatzungszone in die UdSSR. und Antisowjetismus Realität werden konnte. menarbeit führen. Wir müssen mit der histori- Ein „Industrieplan“, der auf eine Restituierung Die Bilanz des Jahres 1947 war somit ernüch- schen Tatsache beginnen, daß es zwei Systeme kapitalistischer Verhältnisse in der Bizone ori- ternd: Die Antihitlerkoalition, die sich als gibt, die von den betreffenden Völkern gutge- entierte und die Güterproduktion auf das Vor- handlungsfähig im Kampf gegen den Faschis- heißen werden. Nur auf dieser Basis ist eine kriegsniveau ansteigen lassen sollte, wurde am mus erwiesen hatte, war endgültig auf dem Zusammenarbeit möglich.“ (Keesings Archiv 29. August 1947 in Kraft gesetzt. Altar der politischen, militärstrategischen der Gegenwart, XVII. Jg., 1947, S. 1084 G) Doch Die Entnazifizierung geriet immer mehr ins und ökonomischen Interessen des US-Impe- die herrschenden Kreise in Washington waren Stocken und wurde schließlich zur Neben- rialismus geopfert worden. In Deutschland galt für derartige, von Realismus geprägte Aussa- sache. Mit den Worten des Historikers und für Washington das (Konrad Adenauer zuge- gen mittlerweile nicht mehr ansprechbar. Das ehemaligen Mitarbeiters der US-Militärre- schriebene) Motto: „Lieber das halbe Deutsch- verdeutlichte die Situation in Deutschland. gierung John H. Backer: „Der Kampf um ein land ganz als das ganze Deutschland halb!“ Am 11. Juli 1947 empfing der US-amerika- starkes Westdeutschland als Bollwerk gegen In den kommenden Jahren wuchs die Gefahr nische Militärgouverneur in Deutschland den Kommunismus war für Clay jetzt in den eines atomar geführten Weltkriegs, dessen überaus wichtige Post aus Washington. Die Vordergrund getreten und hatte das Ringen Ausgangspunkt bzw. erstes Opfer das Terri- Generalstabschefs der Streitkräfte übersand- um die Einheit Deutschlands abgelöst.“ (John torium der beiden deutschen Staaten und die ten General Clay ihre Direktive JCS-1779, die H. Backer: Die deutschen Jahre des Gene- hier lebenden Menschen gewesen wären. einen wesentlichen Wandel in der Besatzungs- rals Clay. Der Weg zur Bundesrepublik 1945– Die Entwicklungen des Jahres 1947 sollten für politik beinhaltete. Kurz darauf präzisierte das 1949, München 1983, S. 234) Um es deutlich alle eine Lehre und eine Warnung darstellen, Außenministerium diese Weisungen. Worum zu formulieren: Die Politik des US-Imperia- denen die Bewahrung des Friedens am Herzen ging es dabei? lismus in Deutschland war primär von dem liegt. Dr. Reiner Zilkenat

Atomwaffen endlich international ächten!

Anläßlich der Verleihung des Friedensnobel- Im Juli dieses Jahres haben 122 Staaten bei anerkannt und mit einem völkerrechtlich bin- preises an die Internationale Kampagne zur den Vereinten Nationen einen Vertrag zum denden Verbotsvertrag reagiert.“ Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) erklärte Verbot aller Atomwaffen beschlossen. ICAN Auch die deutsche Bevölkerung möchte die die deutsche Sektion der „Internationalen Ärzte kämpft seit der Gründung vor etwa zehn Ächtung dieser grausamen Waffen und den für die Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW) Jahren für ein solches Abkommen und wird Beitritt Deutschlands zum Verbotsvertrag. am 10. 12. 2017 in einer Pressemitteilung: für diese Bemühungen nun mit dem Frie- Das zeigen repräsentative Umfragen. Xan- densnobelpreis geehrt. Seit dem 20. Septem- the Hall von ICAN Deutschland sagt: „Offizi- „Diese Auszeichnung kommt genau im rich- ber 2017 liegt der Vertrag in New York zur ell bekennt sich die Bundesregierung zu einer tigen Moment und ermutigt uns, Widerstand Unterzeichnung aus, 56 Länder haben bereits Welt ohne Atomwaffen. Doch wenn es konkret zu leisten und Atomwaffen sofort zu ächten“, unterschrieben. Die Atommächte sowie alle wird – beim Beitritt zum Verbotsvertrag und sagt Sascha Hach aus dem Vorstand von ICAN NATO-Staaten boykottieren dieses Abkom- beim Abzug der Bomben aus Deutschland – Deutschland. „Das internationale Atomwaf- men bislang. knickt sie vor dem Druck der US-Regierung fenverbot ist das Gegengewicht zu Donald „Durch die Existenz von Atomwaffen droht ein und versteckt sich hinter der NATO-Mit- Trump und Kim Jong-un. Es muß daher von uns jeden Tag eine humanitäre Katastrophe. gliedschaft. Wir wollen diese gefährliche Dop- möglichst vielen Staaten unterstützt werden. Selbst ein regionaler Atomkrieg würde die pelmoral beenden. Der Friedensnobelpreis Auch Deutschland muß endlich unterzeich- gesamte Menschheit massiv betreffen“, sagt hilft uns, für diesen dringenden Politikwech- nen. Es ist eine Schande, daß die Bundesre- Dr. med. Alex Rosen, Vorsitzender der deut- sel endlich die öffentliche Aufmerksamkeit zu gierung diesen wegweisenden UN-Vertrag schen Sektion der Internationalen Ärzte für bekommen, die das Thema verdient.“ boykottiert und sich an die fatale Nuklear- die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), die In Büchel (Rheinland-Pfalz) sind etwa 20 US- allianz mit den USA klammert. Sie muß sich ICAN mitgegründet haben und 1985 selbst Atombomben stationiert, die in den kommen- – auch im Sicherheitsinteresse Deutschlands – den Friedensnobelpreis erhielten. „Daher ist den Jahren modernisiert werden sollen. Damit endlich von der Abschreckung und der gefähr- nicht nur der Einsatz dieser Massenvernich- steckt Deutschland mitten in der weltwei- lichen Eskalationspolitik Trumps lösen und tungswaffen absolut inakzeptabel, sondern ten nuklearen Aufrüstungsspirale. Bundes- die Atomwaffen aus Deutschland abziehen. auch die Androhung ihres Einsatzes, ihre Sta- wehrsoldaten üben regelmäßig den Einsatz Nur so kann sie glaubwürdig und wirksam tionierung und ihr Besitz. Die große Mehr- dieser Waffen. All dies wäre unter dem Ver- für Abrüstung und Deeskalation eintreten.“ heit der Staatengemeinschaft hat dies nun trag verboten. Seite 20 RotFuchs / Januar 2018

Eine Hommage an Manfred Schmitz

s wäre für mich ein Segen gewesen, so Chansonklasse übernahm und ihr zur Seite ein Demnach muß Manfred Schmitz bereits Ende Eeinen Musikpädagogen in der Familie junger Oberassistent gestellt wurde. der sechziger Jahre begonnen haben, sich gehabt zu haben, als ich sieben war, unter dem „Oberassistent mag ja gut klingen“, dürfte die unter der Bezeichnung „Manfred-Schmitz- Stutzflügel der Firma Blüthner saß, meine um künstlerisch verwöhnte Brecht-Kurt-Weill- Trio“ einen Namen zu machen. Dies mir gegen- acht Jahre ältere Schwester ärgerte, weil ich Hanns-Eisler-Paul-Hindemith-und-Paul-Des- über nie erwähnt zu haben, bestätigt die von „falsch“ rief an Stellen fehlerhaft gegriffe- sau-Interpretin Gisela May gedacht haben und Gisela May erwähnte Bescheidenheit des ner Akkorde und ihren Fuß vom Pianopedal gezittert vor diesem ihr unbekannten Schmitz, Tastenzauberers, wie ich ihn nannte, aller- wegschubste, was den Mißklang unüberhör- dem sie als Klavierbegleiter ausgeliefert sein dings auch mein Elfenbeinturm-Dasein jener bar machte. würde über die Dauer nervenaufreibender Jahre, die ich unter „Selbstbezogenheit eines Trotzdem blieb in unserer Wohnung die ver- Zusammenarbeit mit nicht minder nervlich Freischaffenden“ einzuordnen bitte. Denn schlankte Ausgabe eines Konzertflügels der aufreibenden Nachwuchsinterpretinnen und für mich gab es außer den monetär mage- Schwester vorbehalten, während mir eine -interpreten. ren Theaterjahren niemals die Verläßlichkeit Violine zugestanden wurde und mich eines sicheren Monatsgehalts, was später immerhin ein Akkordeon mit mich nötigte, mit eigenen Texten und achtzig Bässen trösten sollte. Daß umsetzbaren Ideen stets im Interes- mir diese Instrumente kriegsbedingt senkreis von Rundfunk, Schallplatte, abhanden kamen, wird wohl auf ewig Fernsehen und der Konzert- und Gast- zur Begründung herhalten müssen, spieldirektionenen der einzelnen weshalb aus mir weder ein Gilbert Bezirke zu bleiben. Bècaud noch ein Udo Jürgens werden So war mir in Weimar rechtzeitig konnte. Beide waren erstklassige Pia- vor Wintereinbruch ein Text einge- nisten. fallen, den ich Manfred Schmitz zu Als ich Manfred Schmitz in Weimar lesen gab. Ich textete damals noch an der Hochschule für Musik ken- unter Verwendung von Pseudonymen. nenlernte, war ich bereits zweiund- Unter dem Namen Hans Dampf hatte vierzig, erfolgreicher Pfeifkomponist ich begonnen und war über Franz und Gesangsinterpret mit einer Menge Felder bis zu Axel Colberg gelangt, melodischer Ideen im Kopf, denen ich aufzufinden in den Registern der metrisch korrekt Worte hinzufügen DDR-Musikverlage und verankert in konnte, die eine lustige Geschichte Manfred Schmitz (1939–2014) den Abrechnungsblättern der AWA ergaben, aber letztlich eines versier- (Anstalt zur Wahrung der Auffüh- ten Komponisten und Arrangeurs bedurften, Wie gut, daß es noch die Briefe gibt, die Gisela rungs- und Vervielfältigungsrechte auf dem um daraus eine spielbare Musiknummer zu May an Manfred Schmitz geschrieben hat, Gebiete der Musik), wo in DDR-Zeiten auch machen. besonders diesen einen, den sie in der Nacht Manfred Schmitz zu finden. Auf dem Titelblatt Meine Verpflichtung, auf freischaffender Basis vom 29. auf den 30. Oktober 1969 verfaßte, einer Beabeitung für Akkordeon und Klavier ein Jahr lang in Weimar lehrend tätig zu sein, auf einem Blatt des Interhotels Halle. Da des Harth-Musik-Verlags Leipzig-Berlin aus hatte ich dem Orchesterleiter, Komponisten hatte Gisela May die erste Runde des in den dem Jahr 1970 ist zu lesen: „Der Winter ist und Arrangeur Alo Koll zu verdanken, der vie- Semesterferien abgehaltenen Internationa- da! Walzerlied. Worte: Axel Colberg. Musik: len Erfolgstexten von mir das musikalisch krö- len Musikseminars 69 schon glücklich hin- Manfred Schmitz“. Und dank der verantwort- nende Klanggebilde verliehen hatte, und im ter sich, wußte demnach bereits, was sie an lich korrekten Führung des Nachlasses durch Alter Chef des neugegründeten Hochschul- Manfred Schmitz hatte. Wußte allerdings noch Sigrid Schmitz, der Ehefrau des Komponisten, bereichs Tanz- und Unterhaltungsmusik in nicht alles, wie aus dem Schreiben hervorgeht: fand sich noch ein zweiter Text von mir, des- Weimar geworden war. So gab auch ich mir sen Vertonungsnotierung bereits den groß- Mühe, den Studentinnen und Studenten der Lieber Manfred Schmitz! artig unverkennbaren Manfred-Schmitz-Stil Gesangsklasse Unterhaltungskunst Bühnen- Daß Sie gut sind, habe ich gewußt, aber daß Sie erkennen läßt. Hätte mein Text mehr hergege- präsenz beizubringen. „Ausdrucks- und Bewe- so glänzend sind, habe ich nicht gewußt. Zufäl- ben, wäre aus diesem Titel vielleicht auch eine gungslehre“ nannte ich das Fach. Und so war lig schaltete ich auf meiner Fahrt nach Halle Schallplattenaufnahme geworden. So blieb es es auch Alo Koll, der mich auf den glücklichen mein Autoradio ein und hörte Klavierjazz und nur bei dem Winterlied, gesungen von Dag- Umstand hinwies, in Schmitz einen erstklas- bin hingerissen und denke: Na ja, Errol Garner mar Frederic und Siegfried Uhlenbrock, das sigen Unterstützer gefunden zu haben. oder so einer, toll! Und dann traute ich meinen beinahe eine Wiederbelebung erfahren hätte, Der im Jahr 1939 in Erfurt geborene Manfred Ohren nicht: Ihre unverkennbar thüringisch ein- als die „Super-illu“ auf die Idee gekommen war, Schmitz, Sohn eines des Geige-, Orgel- und gefärbte Stimme wurde hörbar, und es folgte ein ihren Lesern zur Weihnacht eine Treue-CD Klavierspiels kundigen Dorfschullehrers, Interview mit Ihnen und Ihrer Truppe ... beizulegen, darunter auch jene mit der Man- fand in seinem Vater den ersten Förde- An dieser Stelle zeigt sich im Schriftbild Frau fred-Schmitz-Melodie, die unglücklicherweise rer und war immer noch Kind, als er an der Mays nächtliche Müdigkeit, es folgen sieben mit dieser Textzeile beginnt: Schaut aus dem Fachgrundschule Sondershausen zum Kla- Worte, die ich nicht lesen kann, worauf es Fenster und freut euch, es ist soweit, Schneefloc- vierunterricht eine gründliche Ausbildung dann so weitergeht: ken fallen und drehen sich wirbelnd im Kreise. in Musiktheorie erhielt und bereits all diese … mit einer kaum glaubhaften Bescheidenheit Väterchen Frost sitzt am Samowar, lächelt und Vorzüge mitbrachte, als er sich an der Franz- über Ihre Arbeit sprechen. Ich muß ein Band schickt seine Grüße an uns mit dem Wind auf Liszt-Hochschule in Weimar bewarb und dort haben mit Stücken von Ihnen solo und mit Band. die Reise ... von einer erstklassigen Vervollkommnung sei- Damit hatte Gisela May einen Umschnitt Samowar und Väterchen Frost – zwei Reiz- nes Klavierspiels profitierte, ihm auch Kam- gemeint und mit der zweiten Bezeichnung worte zuviel, obschon ich eidesstattlich hätte mermusik beigebracht wurde und die Kunst, „Band“ den Kontrabassisten Gerhard Stoll- versichern können, daß Putin bis zur allerletz- Sängerinnen und Sänger einfühlsam zu beglei- berg und Eberhard Neumeyer am Schlagzeug. ten Note nicht vorkommt in diesem Lied und ten. Mit seinem Leitspruch „Lernen heißt für Sie müssen eine Schallplatte produzieren. Ich Manfred und ich glühende Verehrer von Ella mich: machen!“, fanden wir uns mit meinem werde alles tun, damit das zustandekommt. Ich Fitzgerald, George Gershwin und Leonard „Learning by doing“ schnell zusammen. Es bin ein „Schmitz-Fan“ geworden und verlange, Bernstein bereits in DDR-Zeiten waren – es war noch im Jahr meiner Anwesenheit, als meinen Hunger zu stillen!! Spätestens am 25. 11. wäre, glaube ich, dennoch nutzlos geblieben. die Hochschule in Weimar das „Internationale [hier wieder Unleserliches] von Ihnen gespielt. Zu keiner Zeit nutzlos hingegen war das Musikseminar“ ins Leben rief, Gisela May die Ihre Gisela May zu allen Zeiten breitgefächerte Tun dieses RotFuchs / Januar 2018 Seite 21

einmaligen Pianisten, den ich immer als Bei- Und Eberhard Neumeyer, Schlagzeug, ebenso Entfaltung gelangen kann, die Herz und Seele spiel anführte, wenn es um die Schwierigkei- wie Schmitz Absolvent der Franz-Liszt-Musik- erreicht, bleibt mir, als „wende“bedingtem ten ging, als Musiker, egal ob beispielsweise hochschule, war als Musikerzieher und Chor- Spätentwickler auf dem Gebiet der Litera- in New York oder Hollywood, unter hundert leiter an der Goethe-Oberschule im Weimar tur, nur noch nachzudenken übrig, womit ich erstklassigen Bewerbern aufzufallen, daß verblieben. Beide Herren hauptberuflich Manfred Schmitz überraschen und gleich- Manfred Schmitz unangefochten jedesmal bestimmt schon im Ruhestand, doch musi- zeitig hätte eine Freude machen können, unter den Besten an der Spitze der Allerbe- kalisch wohl noch geistig frisch, galten wie säße er noch unter uns. Ich kenne sein stilles sten gestanden hätte. Schmitz als Vorzeigebeweise künstlerischen Schmunzeln, erinnere mich aber auch seines Volksschaffens in der DDR, was dann auch ent- Hinweises, bitte daran zu denken, daß ein in sprechend gewürdigt wurde. So gab es Silber metrischer Regelmäßigkeit dahinklappern- und Gold bei den Arbeiterfestspielen, Silber des Gedicht dem Entstehen einer lebendigen und Gold für Künstlerisches Volksschaffen, Melodie erschwerend im Wege stehen kann. und das Goldene Diplom des kommunistischen Aus diesem Grund wäre nur zu erbitten gewe- Jugendverbandes der Volksrepublik Ungarn sen, dem folgenden Reimkonstrukt einen für die Leistung beim Amateur-Jazzfestival rhythmischen, aber gleichzeitig auch harmo- 1969. Gewiß mehr als diese Leistungsprädi- nisch wohligen Klangteppich unterzulegen. kate galten den Musikern die über hundert Behutsam im Klang, sternenstaubgebettet, Rundfunkaufnahmen, die vorwiegend dem erinnernd, woher wir kamen und wohin wir kompositorischen Wirken Manfred Schmitz´ gehen. Dem Wunsch der Fernsehmacher, zuzuordnen sind. Darunter Chansons und anläßlich meines neunzigsten Geburtstags allein im Jahr 1970 drei Fernsehsendungen, im Jahr 2017, wäre Manfred Schmitz gern in denen das Manfred-Schmitz-Trio domi- gefolgt. Einen öffentlichen Hymnus auf sein nierte. Und wenn Gisela May befragt wurde, Wirken hätte ihm nicht behagt. Es hätte ihn weshalb sie ausgerechnet diesem Trio den Vor- verlegen gemacht. Daß ich so etwas durchzu- zug gab, gibt es eine Antwort von ihr, die ich stehen eher gebaut sei, wäre sein lächelnder einem Zeitungsbeitrag vom 4. Januar 1971 ent- Gedanke gewesen. Manfred Schmitz liebte nahm, den Bernhard Hönig verfaßt hatte: „Die wohlgesetzte Worte. Er war verwöhnt und Zur Vertonung wußte er sich klug der Texte Begegnung mit Manfred Schmitz und seinem liebte Schlußpointen. Also hatte ich mir Mühe berühmter Autoren anzunehmen: Heinrich Trio ist für mich in mehrfacher Hinsicht ein gegeben. Die Klavierperlen, von ihm einge- Heine, Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Ringel- Gewinn: Manfred ist ein hochbegabter junger gespielt, werden zu beschaffen sein. natz, Peter Hacks und Brecht natürlich, wenn Mann – als Pianist wie auch als Komponist. Gisela May auf der Bühne stand. Neue Chansons – welche Diseuse brauchte sie Die Zeit der kurzen Jahre hat begonnen. Und selbstverständlich ging an mir nicht die nicht? Und neu sind seine Chansons auch in Fest steht schon heute, wer gewinnen wird. Kenntnis vorbei, daß Gisela May nur noch stilistischer Hinsicht: Mit ihrer interessanten, Was war, ist zur Erinnerung geronnen. Manfred Schmitz auf ihren Auslandstourneen Es wärmt das Herz, sich kurz darin zu sonnen. dabeihaben wollte, was mich für beide freute. Wer seufzend mehr erwartet hat, der irrt. Entgangen waren mir allerdings seine ersten Ich hab gesungen, hab getanzt, geschrieben, Rundfunkerfolge, seine fruchtbare, bis in die Hab mich vor Ehebindung nie gescheut. Gegenwart wirkende Tätigkeit als Lehrbuch- Mein Publikum war mir stets treu geblieben. autor. Sein dreibändiges Werk „Jazz-Parnass“ Es war ein Geben, Nehmen, auch im Lieben. besticht bis heute, entstand in jenen zehn Jah- Ich blieb im Land und hab es nie bereut. ren, die mich, immer noch freischaffend, an meine Textarbeiten für die Fernsehreihe „Mit Nun bin ich neunzig, was mich schon sehr Lutz und Liebe“ banden sowie an die Tour- wundert. neereisen mit eigenen Programmen, wes- Nicht immer hab ich meiner Pflicht genügt. halb wir uns leider aus den Augen verloren. Es könnte sein, daß demnächst nichts mehr Ich hatte bereits 1970 meine Hochschultätig- zundert, keit in Weimar aufgegeben, als ich erfuhr, daß Sagte mein Doktor, der wird morgen hundert. es im Bereich Bühnenausbildung für werdende Da kann ich nur noch hoffen, daß er lügt. Opernsängerinnen und -sänger eine Zusam- menarbeit mit dem Theater in Weimar gibt, Lutz Jahoda weshalb ich Alo Koll empfahl, seine Gesangs- studentinnen und -studenten dort hospitieren zu lassen. Manfred Schmitz verließ Weimar abwechslungsreichen Rhythmik und Harmo- im Jahr 1984. Die Hochschule ließ ihn zie- nik verraten sie, daß ihr Komponist vom Jazz hen. Ich hätte ihn zum Professor ernannt und kommt. Und das Trio – bei allen dreien emp- zum Doktor honoris causa erhoben. Allein fand ich es als ungemein wohltuend, daß sie aufgrund der von ihm erarbeiteten musikali- Amateure sind: Sie nehmen ihre Musik ernst, schen Unterrichtsliteratur wäre dies eine ver- leisten dabei Erstaunliches, aber sie kennen diente Würdigung gewesen. Auch hinsichtlich eben nicht nur die Musik! Und: Musik bleibt der kurzweiligen Lehrhefte für Kinder, abruf- für sie immer Freude, wird nie saure Pflicht!“ bar über den AMA-Verlag in Brühl: „Erste Kla- Ja, das hat was! Auch wenn sich diese von vierstücke für Florian“ und „Ständchen mit Gisela May gegebene Amateurbestätigung sechs Händchen“. nicht nur im Zuge gegenwärtiger Empfindlich- So gab es reichlich nachzuholen für mich, keit wie eine staatsnahe Beigabe zum „Bitter- nachzulesen und zu erfahren: In DDR-Zeiten felder Weg“ anhören mag, steckt im letzten hatte das Manfred-Schmitz-Trio – obwohl Satz ein Kern, der auch mich umtreibt: Pflicht künstlerisch im musikalischen Spitzenbereich zur Freude werden zu lassen. – den Status einer Amateurgruppe, weil alle Daß Manfred Schmitz nicht mehr unter uns drei hauptberuflich anderweitig gebunden weilt, aber dennoch allgegenwärtig ist mit waren. Gerhard Stollberg, der Mann am Baß, jener Kunstform, die erst beginnt, wenn das Zehn Kanons auf Texte von Kindern, vertont der auch einen Violinpart hätte übernehmen Wort aufhört zu wirken, und bei hohem kom- von Manfred Schmitz. Edition Peters, können, ist Diplomingenieur und Architekt. positorischem Können zu dieser unglaublichen Leipzig 1987 Seite 22 RotFuchs / Januar 2018

Ein bis heute bewegender historisch-biographischer Film Solange Leben in mir ist

er Liebknecht-Film „Solange Leben in der Sozialdemokratie auf opportunistische, Diese Konzeption des Liebknecht-Bildes fin- Dmir ist“ ist bedeutsam durch das von sozialchauvini­stische Positionen begleitete, det eine ihr entsprechende Interpretation ihm gegebene Bild des Men­schen, Politikers schmerzlich evident. Das Lösen Liebknechts durch die schauspiele­rische Präzision und und Revolutionärs Karl Liebknecht. Das Bild und seiner Freunde von diesen historisch Virtuosität Horst Schulzes. Die angedeu- des revolutionären Menschen und mensch­ falschen verderblichen Standpunkten wird tete Vielschichtigkeit der Sicht Liebknechts lichen Revolutionärs ist einheitlich, es zer- nicht als einfacher geradliniger Prozeß kommt dem Bestreben Schulzes, eine Per- fällt nicht in verschiedene Komponenten, gezeigt, sondern in seiner Kompliziertheit, son differen­ziert zu produzieren, entgegen. die isoliert nebeneinanderstehen und erst in seinen differenzierten Weiterungen. Der Schulze gibt Entwick­lungsprozesse, wird einer mühsamen außerfilmischen Syn­these Film weist auf die Schwere und menschliche besonders dem intellektuellen Pro­fil Lieb- bedürfen. Wie kaum zuvor in einem Film- Problematik der Entscheidung Liebknechts knechts völlig gerecht. Eine schauspielerische werk dieses Genres gelang es, den privaten, Leistung, die vom Ungefähren und Irgendwie intimen Bereich und die „öffentliche“ Sphäre einer Rolleninterpretation weit entfernt ist, unschematisch zu einer geschlossenen Aus- die Maßstäbe im Erfassen des Wesens einer sage über die Persönlichkeit Lieb­knechts historischen Persönlichkeit durch den Schau- zu einen. Unaufdringlich wird die Wechsel­ spieler setzt. Dabei ist das Vergnügen am Wie wirkung und unauflösliche Verbindung der der Darstellung über das „Stimmende“ des unter­schiedlichen Lebensbereiche gezeigt. Typs hinaus stets erkennbar. Der Film beweist: Es ist nicht möglich, ohne Der Film „Solange Leben in mir ist“ bewegt Beeinträchtigung der Ganz­heit der Erzäh- dazu, Fragen der Erzählweise großer histo- lung die eine Sphäre zugunsten der ande- risch-biographischer Themen im Film zu ren zurückzudrängen. Die Schönheit des überdenken. Der Typ des histori­schen Films Menschen Liebknecht zeigt sich nicht nur erfordert zwangsläufig die Notwendigkeit in der historischen Ak­tion und Bewährung, der präzisen Darstellung der historischen sondern auch in den Beziehungen zu seiner Umstände, die eine Persönlichkeit hervor- Familie, zu seinen Freunden und Zeitgenos­ brachten und die durch das Wirken der Per- sen. Das Bild der Anfechtungen des Kämpfers sönlichkeit selbst verändert wurden. Lieb­knecht wäre so unvollständig ohne das Die Anerkennung dieses dem Filmtyp imma- Gespräch mit seiner Tochter über die Drang- nenten Zwangs zur historischen Information sale der Klassen­schule. Die Gestalt des Poli- steht außer Zweifel. Der Kinogänger des Jah- tikers verlöre an Profil ohne die Darstellung res 1965 benötigt auch das optische Erlebnis seiner Bindungen zur Arbeiterfamilie Schrei- der geschichtlichen Vorgänge um die Gestalt ner, die in ihrer schönen Selbstverständlich- Liebknechts. Doch hier muß nach dem Wie keit wiedergegeben werden, ohne die Züge Horst Schulze als Karl Liebknecht gefragt werden. Welchen Erzählstil fanden falscher Herab­lassung und ohne jeglichen die Schöpfer des Liebknecht-Films? kindlichen Popularismus. Wir bekommen hin (z. B. in dem stummen Dialog Karl Lieb- Sie bieten eigentlich mehrere Varianten an – wenigstens andeutungsweise – eine Vor- knechts mit seinem Vater, dem Mitbegründer und demon­strieren damit ein bestimmtes stellung vom intellektuellen Profil dieses der Sozialdemo­kratischen Arbeiterpartei; Übergangsstadium oder besser Diskussi- Mannes, von seiner Begabung zum Denker die Auseinandersetzung mit dem Problem onsstadium in der Verfilmung dieses The- und kühlen Analyti­ker, vom Format seiner der Fraktionsdisziplin, die menschliche Ent- mas sowie ähnlich gelagerter Stoffe. Dem politischen Publizistik, von seinem sarka- täuschung über das Versagen und die Feig- Schöpfer­kollektiv gelingen einerseits Sequen- stischen Witz, von seiner Fähigkeit zu zün- heit von Freunden). Es ist kein gering zu zen, die in ver­knappender, zum Teil stilisierter dender Polemik, die leidenschaftlich und schätzendes Ver­dienst, hier zu einem tiefe- Darstellung das Wesen eines gesellschaftli- zuchtvoll zugleich war. Wir erleben Lieb- ren Verhältnis zu historischen­ Entscheidun- chen Phänomens charakterisieren. Erinnert knechts rhetorisches Pathos wider die gen und Zäsuren gefunden zu haben. Dem sei an die filmische Reflexion des Begriffes „Händler des Todes“ – ein Pathos, das nie Zuschauer werden keine oberflächlichen und Vorganges „Krieg“. Dazu genügen wenige abstrakt verschwommen, sondern höchst „Quali­tätssprünge“ vorgeführt, die letzt- Ein­stellungen: im Vordergrund Kreuze, im kon­kret –, wir spüren zugleich die Freude lich einer Erziehung zum historischen Den- Hintergrund sich schemenhaft im Nebel an der Aus­einandersetzung, am Kampf für ken nur abträglich wären. abzeichnende Soldaten­konturen; Stachel- eine gerechte Sache, aber auch die Lust Ein weiterer Vorzug ist die Schlichtheit, mit draht, Grabenverhaue; ein Gas­angriff, das am Formulieren trefflicher und treffender der uns Persönlichkeit und Charakter Lieb- stumme Sterben des Hans Schreiner. Hier Bemerkungen (in der Tradition der Forster, knechts nahegebracht werden. Historische ist jeglicher Naturalismus zurückgenom- Lichtenberg, Heine und Weerth). Andere Sei- Größe erstarrt nicht in einem leb­losen Monu- men, man malt keinen Vorgang aus, sondern ten der Persönlichkeit Liebknechts werden ment, zu einer sterilen Apotheose. Ich sehe als gibt Andeutungen, visuelle Hilfsmittel zum zumindest berührt: die Liebe zu den kul- Ursache: Historische Entscheidungen werden Begreifen eines Prozesses. Einzelheiten sind turellen Traditionen des deutschen Volkes kom­plex gesehen, sie werden in ihren Kon- überflüssig, schaden nur. Der Zuschauer soll (im Film durch die Bindung zur klassischen sequenzen auf alle Lebensbereiche sichtbar. die gegebenen Anreize mit seinem eigenen Musik verdeutlicht), zum deutschen Vater- Die historische Persön­lichkeit wird des Muse- Erfahrungsmaterial­ assoziieren. F. G. land, zum Internationalismus. ums- und Ausstellungscharakters entkleidet, (gekürzt aus „Sonntag“, 41/1965) Das Liebknecht-Bild des Filmes wäre jedoch man führt sie auf die Ursprünge ihrer Entste- einseitig geraten, fänden nicht auch die tra- hung zurück. Die Gestalt Liebknechts wird gischen Akzente Be­rücksichtigung: die Ein- uns näher gerückt. Der Film regt an, sich noch samkeit und Isoliertheit des Mannes, der intensiver mit dem Wirken seines Helden zu Einer hat dennoch sein Antlitz über den Krieg im Dezember 1914 als einziger sich dem beschäftigen, er provoziert weiteres Studium. erhoben, und es Strom des Chauvinismus entgegenstellte. Man ist nicht „fertig“ mit dieser historischen wird einst leuchten in der Schönheit seines Die Ausein­andersetzungen Liebknechts Gestalt. Das größte Lob, was diesem Film zu Mutes: Liebknecht mit seiner Fraktion machen die Tragik, die zollen ist: Liebknecht ist nicht in diesem Film jeder Spaltung der deutschen Arbeiterbe- und zu einem Film konserviert, er wird uns in Henri Barbusse wegung anhaftet, die auch das Abgleiten seinen aktuellen Dimensionen bewußt. RotFuchs / Januar 2018 Seite 23

Versuchte Verunglimpfung eines Aufrechten

ntifaschismus in der alten Bundesrepu- Knapp 30 Jahre später wurde die Sache durch Schönborn wegen bewußt falscher Anschuldi- Ablik wird immer auch mit dem Namen den in der BRD lebenden Altnazi Erwin Schön- gung erstattete. Der Neonazi Schönborn hatte Emil Carlebach verbunden sein. Der 1914 born, der sich als „Führer“ des „Kampfbun- sich in jener Zeit auch erdreistet zu bestrei- in Frankfurt am Main Geborene fand schon des Deutscher Soldaten“ bezeichnete, wieder ten, daß jüdische Menschen, insbesondere im früh den Weg zum Kommunistischen Jugend- aufgewärmt. Er zeigte ihn kurzerhand wegen KZ Auschwitz, durch Gas ermordet wurden. verband und wurde 1932 Mitglied der KPD. Mordes an. So kam es zur Einleitung eines Er setzte sogar eine Belohnung von 10 000 Die Nazis verurteilten ihn zweimal zu einer Ermittlungsverfahrens gegen den damaligen DM für denjenigen aus, der ihm den Nachweis Gefängnisstrafe, zunächst wegen Flugblatt- Vizepräsidenten des Internationalen Buchen- für einen einzigen Fall einer solchen Tötung verteilung und dann im Januar 1934 wegen wald-Komitees. Nun wandte sich Emil Carle- jüdischer Menschen durch Gas liefere. Auf angeblichen Hochverrats zu drei Jahren Frei- bach, der zu dieser Zeit auch Chefredakteur diese Weise wurde er zu einem der Haupt- heitsentzug. Danach kam Emil Carlebach kei- der antifaschistischen Wochenzeitung „Die träger bei der Verbreitung der sogenannten neswegs frei, sondern wurde im April 1937 Tat“ war, im Juli 1977 an Rechtsanwalt Prof. Auschwitzlüge. Schönborn unterließ nichts, in das Konzentrationslager Dachau verbracht Dr. Kaul und bat um Rechtsbeistand. Beide um den Faschismus zu bagatellisieren und und von dort im September des Folgejahres kannten sich schon aus der finstersten Zeit den Massenmord an jüdischen Mitmenschen in das KZ Buchenwald. Als Blockältester des Faschismus, als sie zusammen 1937 im schlichtweg in Abrede zu stellen. des sogenannten Judenblocks setzte er sich Block 6 des KZ Dachau dem Naziterror aus- Geschichtsverfälschung beginnt im Kopf und für seine Kameraden ein und konnte ver- gesetzt waren. Später begegneten sie sich ist stets geprägt vom Geist der Unverbesser- hindern, daß jüdische Häftlinge der beab- in Karlsruhe wieder anläßlich des Verbots- lichen. „Eh’ sie verschwinden …, werden sie sichtigten Deportation und anschließenden verfahrens gegen die KPD und dann auch gemerkt haben, daß ihnen das alles nichts Vergasung kurz vor Befreiung des Lagers 1971 vor dem Flensburger Landgericht, wo mehr nützt.“ (Bertolt Brecht) entgehen konnten. Nach der Zerschlagung es um die Beschlagnahme einiger Tausend RA Ralph Dobrawa des Hitlerfaschismus kehrte er in seine hes- Exemplare des Entwurfs eines neuen Partei- sische Heimat zurück und erhielt dort von programms ging. So war es geradezu selbst- den Amerikanern die Lizenz zur Herausgabe verständlich, daß F. K. Kaul die Verteidigung der „Frankfurter Rundschau“. Auf Grund des Carlebachs übernahm und sich am 2. August Bücher von Emil Carlebach bereits kurze Zeit später einsetzenden Anti- 1977 bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt • Moskau mit westdeutschen Augen kommunismus im Rahmen des beginnenden am Main meldete. Dabei ging es darum, die gesehen. KPD, Düsseldorf 1954 kalten Krieges wird er bereits 1947 wieder ungeheuerlichen Vorwürfe so schnell wie • Von Brüning zu Hitler. Das Geheimnis aus dieser Funktion entfernt. Parallel hatte möglich zurückzuweisen und deren Unrich- faschistischer Machtergreifung. Emil sich bleibende Verdienste als Mitbe- tigkeit deutlich zu machen. Auf Grund des Röderberg-Verlag, Frankfurt a. M. 1971 gründer der Vereinigung der Verfolgten des nachhaltigen Wirkens von Prof. Kaul kam • Reise in den Bolschewismus. Verlag Naziregimes erworben. es am 3. Oktober 1977 bei dem zuständigen Marxistische Blätter, Frankfurt a. M. Nach dem Verbot der KPD durch das Bun- Oberstaatsanwalt in Frankfurt/Main zu einer 1981 desverfassungsgericht im Jahr 1956 mußte förmlichen Beschuldigtenvernehmung Car- • (Zusammen mit Fritz Noll) Die Meldung Emil Carlebach in die DDR emigrieren, da lebachs im Beisein von Kaul. Carlebach legte als Waffe. Verlag Marxistische Blätter, ihm Strafverfolgung wegen der Tätigkeit für zunächst seinen persönlichen Werdegang ab Frankfurt a. M. 1982 die Partei in der BRD drohte. Erst im Jahr 1933 bis zur Gegenwart dar. Zur Sache selbst • Hitler war kein Betriebsunfall. Hinter 1969 konnte er dorthin zurückkehren, als schilderte er den Inhalt des im „Harper’s den Kulissen der Weimarer Republik: Strafrechtsänderungen umgesetzt worden Magazine“ erschienenen Artikels aus dem Die programmierte Diktatur. Röderberg- waren. In den Folgejahren bis zu seinem Tod Jahr 1948 und den späterhin dazu veröffent- Verlag, Frankfurt a. M. 1982 im Jahr 2001 engagierte er sich intensiv für lichten Leserbrief, in dem kriminelle Vor- die VVN-BdA und die DKP. Mehrere Bücher würfe gegen ihn erhoben wurden. Auch seine von ihm, die sich dem Thema Antifaschis- Erwiderung hierauf, mit der er die Anschul- mus widmeten, erschienen in jenen Jahren. digungen nachhaltig als erlogen zurückwies, Darunter auch das Buch über das Konzen- erschien in dem Magazin. Gegenüber dem trationslager Buchenwald, dessen Lagerge- nunmehrigen Anzeigeerstatter Schönborn meinschaft Buchenwald-Dora er angehörte. hatte Carlebach bereits im Januar 1975 klar- Carlebach genoß großes Ansehen und Aner- gestellt, daß die Anwürfe jeglicher Grundlage kennung für seinen Kampf gegen Faschismus entbehren. Schönborn wollte daraufhin die und Krieg. Ich hatte Gelegenheit, mit ihm in Beschuldigungen auch nicht wieder erheben. Weimar über sein Leben zu sprechen. Das Entgegen dieser Zusicherung hat er später- wird mir immer in Erinnerung bleiben. hin dann doch Strafanzeige gegen Emil Carle- Mitte des Jahres 1948 erschien in „Harper’s bach erstattet. Dies, obgleich Carlebach dar- Magazine“ ein Artikel, in dem Emil Carle- auf verweisen konnte, daß er das Vertrauen bach für seinen Einsatz in Buchenwald vieler tausend Häftlinge hatte, welches auch gewürdigt wurde. Das rief einen ebenfalls nach der Zerschlagung des Nazismus stets für kurze Zeit in diesem KZ Inhaftierten, erhalten blieb und dafür sorgte, daß er dem der nach der Befreiung in die USA ausge- Präsidium des VVN-BdA und der Redaktion wandert war, auf den Plan. Er sah sich ver- der antifaschistischen Wochenzeitung „Die anlaßt, einen Gegenartikel zu schreiben, Tat“ angehörte. Die Gründe der Beschuldigung in dem er Carlebach verleumdete, er habe dienten ausschließlich dem Zweck, einen poli- „irgendwann“ einen türkischen Juden, dessen tischen Gegner moralisch zu diffamieren und • Buchenwald, ein Konzentrationslager. Name ihm nicht bekannt sei, brutal wegen sein Ansehen zu beschädigen. Bericht der ehemaligen KZ-Häftlinge ... einer Disziplinwidrigkeit geschlagen, und Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Dietz-Verlag, Berlin 1988 dieser sei dann einige Zeit später daran kam nunmehr nicht umhin, das Ermittlungs- • Am Anfang stand ein Doppelmord. Pahl- verstorben. Bereits damals war Emil Carle- verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustel- Rugenstein-Verlag, Köln 1988 bach mit einem Leserbrief dieser ungeheu- len, was nichts anderes bedeutete, als daß • Tote auf Urlaub. Kommunist in erlichen Behauptung entgegengetreten, und sich ein Straftatverdacht nicht bestätigt hatte. Deutschland. Dachau und Buchenwald die Angelegenheit erschien damit als geklärt Das führte zur Konsequenz, daß Prof. Kaul 1937–1945. Pahl-Rugenstein-Verlag und beendet. im Auftrag Carlebachs Strafanzeige gegen Nachf., Bonn 1995 Seite 24 RotFuchs / Januar 2018

Die Garnisonkirche – ein Ort der Unfreiheitsgeschichte

er „Tag von Potsdam“ (21. März 1933) Feierstunde zum „Tag des Staatsrates“ mit Dann hielt Reichsjugendführer Baldur von Dwar keine einmalige Entgleisung die- dem preußischen Ministerpräsidenten Her- Schirach eine Weiherede. Während der ser Kirche, auch wenn er als symbolträch- mann Göring; 19. November: Gedenkfeier anschließenden Weihehandlung berühr- tiger Markstein auf dem Weg ten – nach dem Muster eines in die Hitlerdiktatur schon magischen Nazi-Rituals – gravierend genug ist. Der 342 Fahnen der Hitlerjugend Potsdamer Garnisonkirche eine „Blutfahne“, die angeb- kommt das Alleinstellungs- lich der sterbende Hitler- merkmal zu, einzige Kirche junge Herbert Norkus in der des „Dritten Reiches“ gewe- Hand gehalten hatte. Nach sen zu sein, in der Hitler eine einer Schweigeminute zu Ansprache hielt. Der katholi- Ehren Friedrichs des Großen sche Reichskanzler pries darin hielt Reichsjugendführer von die mit einer Kirchenzeremo- Schirach eine Andacht in der nie bekräftigte „Vermählung“ Königsgruft. zwischen den Symbolen der Das Deutschlandlied been- (preußisch-deutschen) „alten dete den Festakt in der Gar- Größe“ und der „jungen Kraft“, nisonkirche. Weit radikaler womit er sich selbst und seine als bei den Deutschen Chris- politische Bewegung meinte. ... ten, die viele evangelische Jüngste Forschungen von Mat- Kirchen des „Dritten Reiches“ thias Grünzig (Für Deutschtum mit ihrer völkischen Theologie und Vaterland. Die Potsdamer beherrschten, hielt in der Gar- Garnisonkirche im 20. Jahr- nisonkirche ein anderer Geist hundert, Metropol-Verlag 2017) Einzug, die NS-Weltanschau- haben erwiesen, daß dieser ung ohne alle christlichen Staatsakt der Kirche nicht auf- Restbestände, eine Ideologie, gezwungen werden mußte. die Historiker heute als „poli- Hitler wollte die Zeremonie an tische Religion“ des National- den Gräbern der Preußenkö- sozialismus bezeichnen. nige, und der damalige Gene- Eine präzise Vergegenwär- ralsuperintendent Dibelius tigung der Geschichte der trug wesentlich zum endgülti- Garnisonkirche erscheint unab- gen Ablauf des Jubeltages bei. dingbar für jedes zukünftige Zwei Wochen zuvor schrieb er Bauvorhaben auf diesem histo- in einer Zeitungskolumne: „Der risch hochgradig kontaminier- Gedanke, den neuen Reichs- ten Boden. Die jüngere Historie tag in Potsdam, über dem Grab dieses verschwundenen Erin- Friedrichs des Großen, zu eröff- nerungso rtes gibt wenig Anlaß, nen, hat einen lauten Widerhall an dieser Stelle das vormalige gefunden. 1848 die Paulskir- Haus in alter Gestalt wieder zu che, 1919 das Theater in Wei- erbauen. Das wäre eine gedenk- mar, 1933 die Garnisonkirche in politisch nicht zu rechtferti- Potsdam – solche Symbole prä- NS-Propagandakarte, Kunstverlag Wentz & Co., Berlin 1933 gende posthume Belohnung gen sich dem Gedächtnis eines ihrer einstigen Akteure und Volkes tiefer ein als alle Reden. Sie stellen zu Luthers 450. Geburtstag mit Ansprachen zugleich eine schlimme nachträgliche Miß- einen neuen Abschnitt der Geschichte in ein Potsdamer Pfarrer und dem stellvertreten- achtung für deren Opfer. bestimmtes Zeichen.“ den Reichsleiter der Deutschen Christen Otto Dibelius brachte anläßlich des „Tags Seit Gründung der Weimarer Republik Propst Loerzer aus Berlin; 26. November: von Potsdam“ den Vergleich mit der Frank- diente die Garnisonkirche als politische Totenfeier der NSDAP zu Ehren der im Stra- furter Paulskirche ins Spiel. Nach Hitlers Bühne der Republikfeinde im Kampf gegen ßenkampf „gefallenen“ politischen „Märty- Krieg wurde die zerstörte Paulskirche die erste deutsche Demokratie: Deutschna- rer“ der NSDAP wie Horst Wessel, Herbert als Erinnerungsort deutscher Freiheits- tionale Volkspartei, „Stahlhelm. Bund der Norkus, Hans-Eberhard Maikowski; 20. und Demokratiegeschichte sofort wieder Frontsoldaten“, Deutscher Offiziersbund, Dezember: Weihnachtsfeier des Infanterie- instand gesetzt und bereits 1948 zur Hun- Alldeutscher Verband, Deutschvölkische regiments 9 mit Predigt des nationalsozi- dertjahrfeier der demokratischen Revo- Freiheitsbewegung, Vereinigte Vaterlän- alistischen Reichsbischofs Ludwig Müller. lution von 1848 neu eingeweiht. Sie war dische Verbände und andere Vereine und So oder ähnlich ging das jahraus und jahr- und ist ein Symbol deutscher Freiheitsge- Gruppen hielten hier ihre haßerfüllten ein in der Garnisonkirche bis zum bitte- schichte. Für die Potsdamer Garnisonkir- Kundgebungen. Und seit 1933 waren die ren Ende im April 1945. ... Anläßlich der che kann man das nicht sagen. Sie war im NSDAP und die ihr angeschlossenen Ver- „großen Bannerweihe der Hitlerjugend“ 19. und 20. Jahrhundert durchgängig ein bände Stammgast. Beispiele für 1933; am 24. Januar 1934 hatten SA-Chef Ernst prominenter Ort deutscher Unfreiheitsge- 1. Mai: Festgottesdienst zum „Tag der Nati- Röhm, Propagandaminister Joseph Goeb- schichte. Manfred Gailus onalen Arbeit“, auf den Kirchenbänken die bels, Hitlers Chefideologe Alfred Rosen- (Gekürzt aus „Der Tagesspiegel“, 27. 10. 2017) Parteigenossen der NS-Betriebszellen; berg und Reichsbischof Ludwig Müller auf 19. August: Fahnenweihe der NSDAP im den Kirchenbänken Platz genommen. Zum Der Autor ist Professor für Neuere Geschichte Gotteshaus mit Ansprache des Stand- Auftakt intonierte die Orgel das Reichsju- am Zentrum für Antisemitismusforschung der ortpfarrers Koblanck; 16. September: gendlied „Unsre Fahne flattert uns voran“. TU Berlin. RotFuchs / Januar 2018 Seite 25

Erinnerung an „Vater Zille“

or 160 Jahren, am 10. Januar 1858, wurde andere Stellung genommen für eine Welt, die VHeinrich Zille geboren, der Zeichner, der ihm wert und vertraut gewesen ist. auch „Vater der Straße“ oder einfach „Vater Heinrich Zilles künstlerische Aussagen sind Zille“ genannt wurde. Das dunkle Berlin war Dokumente aus seiner Zeit. Zille stellt den seine Welt. Hier lebten die Menschen, die er Hinterhof dar, die Straße, das Wohnungs- liebte – zusammengepfercht in hohen Miets- elend. Aus seinen Arbeiten glaubt man die kasernen mit schmalen, ungelüfteten Trep- feuchte Kellerluft oder den rauchgeschwän- pen. Elende Zufluchtsorte in nassen Kellern gerten Kaschemmendunst zu spüren. Die und über stinkenden Ställen, ohne Luft und Gesichter der Menschen aus seinem „Milljöh“ Sonne. Und alle, auch die Dirnen und Zuhäl- sind gekennzeichnet von Sorge und Armut. ter, die Kuppelmütter und Ganoven, die Kinder haben oft das Antlitz von Greisen. Schaubudenfiguren und die Budiker, waren Dem arbeitenden Volk, das nichts besitzt und seine „Kinder der Straße“. Hier prägte er das nichts bekommt, ein wenig zu helfen, das sah bittere Wort, daß man einen Menschen mit der Meister als seine selbstgestellte Aufgabe. einer Wohnung genauso erschlagen könne Er sagte: „Immer habe ich mit den kleinen wie mit einer Axt. Leuten gelebt, die für mich die Großen waren Immer und immer wieder hat Heinrich Zille – das Volk, die Armen, die den Besitz und die seine Vorwürfe den für die Zustände jener Wohlhabenheit einiger müssen erhalten und Zeit Verantwortlichen entgegengeschleudert. Selbstporträt (1922) vermehren und die sich selbst mit Brosamen Nichts hat er auf seinen Bildern fortgelas- sollen abfinden. Ich versuchte, mit Bild und sen, nichts um des Effektes willen hinzuge- er es in seinem Skizzenbuch festgehalten. Er Wort die Vergessenen zu bannen.“ fügt. So wie das Leben sich ihm darbot, hat hat ehrlich und rücksichtslos gegen sich und K. D.

Conrad Blenkle, der Mann mit den vielen Namen

enosse Blenkle wurde am 28. Dezember als Instrukteur in Oberschlesien. Von Sommer G1901 in Berlin geboren und vor 75 Jah- 1933 bis Februar 1934 war er in der illegalen ren, am 20. Januar 1943, in Berlin-Plötzen- Bezirksleitung Berlin-Brandenburg der KPD für see hingerichtet. Agitation und Propaganda verantwortlich und Der Sohn eines Schlossers besuchte von 1908 gab den Presse- und Informationsdienst her- bis 1916 die Volksschule und war nach einer aus. Im Frühjahr 1934 ging Conrad Blenkle auf Lehre bis 1922 Bäckergeselle. Blenkle trat Beschluß der Parteiführung nach Saarbrücken Anfang 1919 der KPD und der Freien Sozia- und im Sommer nach Amsterdam. Er wirkte listischen Jugend Deutschlands (FSJ) und im als Mitglied der Leitung der Organisation der Januar 1920 den freien Gewerkschaften bei. KPD in den Niederlanden. Seit Anfang 1936 Seit 1920 war er 2. Vorsitzender der FSJ bzw. organisierte er im Auftrag des ZK der KPD von der Kommunistischen Jugend Deutschlands Amsterdam aus den antifaschistischen Kampf (KJD) in Berlin-Neukölln bzw. in Berlin-Süd. im Bezirk Nordwest der KPD. Wiederholt fuhr 1921 wurde er Mitglied der Bezirksleitung er illegal nach Bremen, wo er vor allem die Berlin-Brandenburg der KJD und war von kommunistischen Organisationen der Werf- Ende 1922 bis Herbst 1923 deren Vorsit- ten unterstützte. Im Januar 1937 setzte die zender. Seit Sommer 1923 Mitglied des ZK Auf dem Reichskongreß der Werktätigen Parteiführung Genossen Blenkle als Leiter der KJD, wählte ihn der 8. Reichskongreß in Berlin (3.–5. Dezember 1926) wurde der Abschnittsleitung Süd des ZK der KPD ein. (27. April und 10.–12. Mai 1924) zum Vorsit- Blenkle in den Reichsausschuß der Werktä- Ende 1937 wurde er aus der Schweiz ausgewie- zenden der Zentrale der KJD. Er nahm 1924 tigen gewählt. 1928 bis 1930 gehörte er dem sen. Er begab sich nach Dänemark, wo er in der bzw. 1928 am IV. und V. Kongreß der Kom- Reichstag an. Er setzte sich auch dort für die Abschnittsleitung Nord des Zentralkomitees munistischen Jugendinternationale (KJI) in Interessen der gesamten Jugend ein. Genosse der KPD vor allem für die Anleitung der Partei- Moskau teil und gehörte 1924 bis 1935 dem Blenkle wandte sich gegen die Mißstände in organisationen in Lübeck, Stettin und Danzig Exekutivkomitee der KJI an. Als Jugendver- den Berufsschulen und in der Lehrlingsaus- sowie der kommunistischen Emigranten in den treter war Conrad Blenkle auf dem V. und VI. bildung und rief die deutsche Jugend zum skandinavischen Ländern verantwortlich war. Weltkongreß der Kommunistischen Inter- Kampf gegen Militarismus und Faschismus Am 16. Dezember 1941 verhaftete die däni- nationale (KI) anwesend. Er nahm als Dele- auf. Der VI. Weltkongreß der KI wählte ihn in sche Polizei Blenkle und lieferte ihn der gierter am 10. und 11. Parteitag sowie an der das Exekutivkomitee. Ende 1928 schied er aus Gestapo aus. Er wurde nach Hamburg in ersten Parteikonferenz der KPD teil. 1925 bis der Jugendarbeit aus. Seit April 1929 war er das Untersuchungsgefängnis Fuhlsbüttel, 1929 gehörte er dem ZK der KPD und seit 1925 Politischer Sekretär des Unterbezirks Berlin- dann nach Berlin-Moabit übergeführt. Der dessen Politbüro an. Er bekämpfte die sektie- Neukölln der KPD. Seit Ende 1929 arbeitete „Volksgerichtshof“ verurteilte Blenkle am rerischen Auffassungen der Ultralinken und Blenkle in Essen und Düsseldorf; er wurde 25. November 1942 zum Tode. E. Fölster trat für die Durchsetzung einer leninistischen Politischer Sekretär des Unterbezirks Krefeld Massenpolitik in der KPD ein. Der 9. Verbands- der KPD. Das Reichsgericht in Leipzig verur- kongreß des Kommunistischen Jugendverban- teilte ihn im Februar 1932 zu eineinhalb Jah- Buchtips: des Deutschlands (15./16. Okt. 1925) in Halle ren Festung. Bis Ende Dezember 1932 war er • Heinz Kruschel: Der Mann mit den vielen (Saale) wählte Blenkle zum Vorsitzenden des in der Festungshaftanstalt Groß-Strehlitz ein- Namen. Roman um Conrad Blenkle. Zentralkomitees. Er bezeichnete in seinem gekerkert. Neues Leben, Berlin 1975, 300 S. Referat die Schaffung von Betriebszellen als Nach Errichtung der faschistischen Diktatur • Heinz Kruschel: Sein letzter Tag. Neues vorrangige Aufgabe des Jugendverbands. arbeitete er von Januar bis April 1933 illegal Leben, Berlin 1981, 30 S. Seite 26 RotFuchs / Januar 2018

GEDANKEN ZUR ZEIT Können Literaten die Gesellschaft verändern?

o es um das Erreichen menschlicher Verführung, je nachdem, was jeweils auf dem mit aller Behutsamkeit und mit allen notwen- WDenk- und Verhaltensänderungen geht Spiel steht, wessen und welchen Interessen digen Einschränkungen wie folgt beantwor- – etwa nach dem Motto: „Wie bringe ich mein sie dient, welche Opfer sie fordert und wer ten möchte: Literatur in ihrer Gesamtheit kann Kind dazu zu tun, was ich will?“ – ist neben schließlich die Zeche zahlt oder die „Kollate- neben allen anderen sozialen Kräften dazu bei- Pädagogik, Seelsorge und Psychotherapie ralschäden“ erleidet. Der Wert aller Verände- tragen, in der Gesellschaft ein geistiges Klima (Verhaltenstherapie, Konditionierung und rung ist nicht weniger fragwürdig als der der zu erzeugen, das für positive Veränderungen Dekonditionierung, Moralpredigt usf.) als Mit- Bewahrung; beide Werte, Nomos und Anti- (man denke an die Durchsetzung der Men- tel zum Zweck immer auch Literatur gefragt, nomos, sind von Fall zu Fall dialektisch zu schenrechte) günstig ist. Die Französische die das jeweils politisch Gewünschte durch erörtern und jeweils sorgfältig gegeneinan- Revolution mit ihrem Ertrag an Liberté, Ega- Belehrung und emotionale Erschütterung der abzuwägen. So dies in allen Konflikt- und lité und Fraternité wurde ideologisch vorberei- bewirken oder auch durch Ausschaltung des Zweifeisfällen geschähe, würde so mancher tet von Rousseau und den Enzyklopädisten (so Denkens mittels geeigneter Liedtexte Hohl- soziale Unfug unterbleiben, könnte manches wie es, im negativen Sinn, später auch literari- räume bereitstellen soll, die sich sodann willig Glück bewahrt und manches Leid vermieden sche Wegbereiter des Faschismus gab). Verän- und kritiklos mit ideologischem Schund fül- werden. derungen entstehen im Kopf, einem Körperteil, len lassen. Bleibt – nach Klärung dieser eigentlich selbst- den man zum Denken benutzen kann ... „Man- Ganz im Gegensatz hierzu, nämlich im Geist verständlichen, aber im Eifer der Gefechte che Autoren“, meinte Schopenhauer, „denken humanistischer Aufklärung, kann Sprache immer wieder übersehenen Voraussetzung beim Schreiben.“ Manche Leser, meine ich, den- aber auch kritisches Bewußtsein und damit – die mir und meinen schreibenden Kollegen ken beim Lesen. Und manche Menschen, nach- die Bereitschaft wecken, hohe Werte wie Frie- immer wieder gestellte Frage, ob und, wenn dem sie beim Lesen gedacht haben, lassen sich den und soziale Gerechtigkeit oder die Idee überhaupt, in welchem Umfang speziell die beim Handeln, in ihrem Tun und Lassen, von einer ausbeutungs- und unterdrückungsfreien Literaten das politische Geschehen beeinflus- vernünftigen und klugen Überlegungen leiten. Gesellschaft zu realisieren. sen und die Welt nicht nur interpretieren, son- Jedenfalls – die Möglichkeit hierzu ist nicht völ- Veränderung – hier spätestens, hoffe ich, dern auch verändern können. lig von der Hand zu weisen. wird es deutlich – ist ein schillernder Begriff, Das ist eine semester- und lebenfüllende Frage, Auf diesen Umstand gründet sich die Hoffnung Wert und Unwert zugleich, Bekehrung oder die ich, weniger vollmundig, als sie gestellt ist, der Literaten. Theodor Weißenborn

Marxisten und Christen gegen Krieg und Ausbeutung

ach dem Abschluß meiner B-Dissertation, zusammen, mit dem mich seitdem eine jahr- Parteien in den sozialistischen Ländern Nin der ich mich schwerpunktmäßig mit zehntelange Freundschaft verbindet. Dick gelang es nicht, auf die neuen Bedingungen der Analyse und Kritik der bürgerlichen Frie- Boer – Christ und Kommunist – hat in seinem des weltweiten Klassenkampfes adäquat zu densforschung beschäftigt hatte, erkannte jüngst erschienenen Buch Antwort auf zwei reagieren. Dick Boer schreibt, daß in den 80er ich, daß für einen erfolgreichen Friedens- Fragen gesucht: Wo liegen die Ursachen unse- Jahren „das sozialistische Projekt immer mehr kampf vordringlich die Einheit von Marxi- rer Niederlage? Was kann und muß gesche- zur Routine wurde. Der Staat und seine Funk- sten und Christen organisiert werden muß. hen, damit die Kräfte wieder erstarken, die tionäre machten den Eindruck, nicht mehr an Dafür bestehen günstige Voraussetzungen: dem unmenschlichen System des zunächst die Sache zu glauben. Es schien ihnen gleich- Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland siegreichen Imperialismus wieder entgegen- gültig zu sein, was die Leute dachten, solange gehört einer der beiden christlichen Religi- treten können? sie sich nicht eindeutig als Gegner artiku- onsgemeinschaften an. In der DDR hat die Ich stimme dem Autor zu, wenn er schreibt: lierten. Die gewaltigen Probleme, die jeder evangelische Kirche ihre Loyalität gegenüber „Hier gilt es nüchtern zu bedenken, daß der sah – Konsumtion auf Kosten der technolo- der Formel „Kirche im Sozialismus“ erklärt. real existierende Sozialismus eine Weltmacht gischen Erneuerung, die damit verbundene Aber nur ein Teil von ihnen waren Streiter für bildet, aber daß auch der real existierende Umweltzerstörung, die wachsende Abhän- den Sozialismus. Kapitalismus in seiner imperialistischen gigkeit vom kapitalistischen Weltmarkt und Die Bibel bietet mit ihrem humanistischen Gestalt eine solche Weltmacht ist und ent- Bankwesen, die sinkende Arbeitsmoral usw. Kern und der gegen Sklaverei, Ausbeutung scheidend die Möglichkeiten des Sozialismus –, wurden durch Schönfärberei vertuscht, und Unterdrückung gerichteten Grundten- eingrenzt: ökonomisch, politisch und nicht statt diskutiert.“ Aber, so Dick Boer, „wir sind denz eine Basis mit der vom Marxismus zuletzt ideologisch.“ in der gemeinsamen Niederlage auch in der vertretenen Position, daß der Mensch das Dem norwegischen Friedensforscher Johann gemeinsamen Not, einen Ausweg zu finden. höchste Wesen für den Menschen sei. Es gilt Galtung verdanke ich die Einsicht, daß es für Das Ziel ist (noch) nicht zu beschreiben, wohl der kategorische Imperativ, alle Verhältnisse den Sozialismus existenzbedrohend ist, sich aber die Aspekte: zu schweigen, wo alle reden, umzuwerfen, in denen dem Menschen seine der aggressiven Aufrüstung des Imperialis- zu reden, wo alle schweigen, und zu schreien: Menschlichkeit vorenthalten wird. Marx mus mit dem Versuch entgegenzustellen, den Was ist, kann nicht wahr sein!“ und Engels haben um diese Gemeinsamkeit Rüstungswettlauf anzunehmen. Rüstungs- Dazu gilt es, die christliche Gemeinde, wel- gewußt. In der Befreiungstheologie Südame- produktion im Imperialismus erhöht den Pro- che die Bibel mehrheitlich als eine Gemeinde rikas demonstrieren Marxisten und Christen fit und stärkt damit das Gesellschaftssystem. der Sklaven, Ausgebeuteten und Entrechteten ihre Gemeinsamkeit gegen Armut, Unterdrüc- Rüstungsproduktion im Sozialismus geht auf beschreibt, so zu entwickeln, daß sie gemein- kung und Ausbeutung. Kosten der Sozialprogramme und schwächt sam mit Kommunisten und anderen progres- Mit diesem Wissen suchte ich Kontakt zu Chri- daher das Gesellschaftssystem! siven Kräften gegen Krieg, Ausbeutung und sten – zuerst an der Theologischen Fakultät Im Wettstreit der Systeme war der „real exi- Unterdrückung wirken will und kann. der Humboldt-Universität und in der Christli- stierende Sozialismus dem Vergleich mit dem Dr. sc. Fritz Welsch, Berlin chen Friedenskonferenz – und initiierte einen ... immer noch weiter entwickelten Kapita- Arbeitskreis, den Dialog zwischen Marxisten lismus wehrlos ausgeliefert ... Diesen Wett- Dick Boer: Theopolitische Existenz – von und Christen. Bei der Suche nach sachkun- streit mußte er verlieren – und er verlor ihn gestern für heute. Argument-Verlag, Berlin digen Partnern traf ich auch mit Dick Boer auch.“ Den Führungen der kommunistischen 2017. 384 S., 27 €, ISBN 978-3-86754-108-4 RotFuchs / Januar 2018 Seite 27

Unheilige Allianz im Luther-Jahr

um 500jährigen Reformations-Jubiläum menschenfeindliche Politik verdammt hatte, Friedrich Schorlemmer: „Gegen faule Kom- Z2017 investierten Staat und Evangeli- tönte jetzt im Angesicht Merkels, de Mai- promisse! Luther wollte die Macht der Argu- sche Kirche zu etwa gleichen Teilen 22 Mil- zières, Schäubles und von der Leyens, die mente, nicht die Argumente der Macht.“ Der lionen Euro in eine seit 2007 vorgeplante „große Resonanz“ sei „ein Mutmacher“ für dominante Starkult und die Idealisierung gewaltige Werbekampagne. Aufmerksam- die Kirche. Die müsse sich in einer zuneh- des Kirchengründers erdrückten allerdings keit verdient dies nicht nur aus theologischer mend säkular und multireligiös werdenden solche dünn gesäten Mahnungen. Daß die Perspektive: Religion ist nicht nur eine ver- Gesellschaft nicht wegdrücken oder in pri- Deutschen Evangelischen Kirchen bis 1919 kehrte Widerspiegelung der Natur, sondern vate Nischen abschieben lassen. Sie müsse dem landesherrschaftlichen Kirchenregi- auch sozialer, praktisch-historischer Verhält- „Wege suchen, wie sie auch künftig Menschen ment unterlagen und danach mittels ver- nisse der jeweiligen Gesellschaft im mensch- mit ihrer Sehnsucht nach Halt und Lebens- fassungsrechtlicher „Religionsfürsorge“, lichen Bewußtsein. In welchem Zustand sinn ansprechen kann“. „Es ist ja kein Gesetz, Kirchensteuer und Staatsleistungen an befindet sich die EKD nach dieser spektaku- daß man immer kleiner wird“, kommentierte die finanzielle Leine genommen wurden, lären „Glaubensoffensive“? Etwas weniger eine Superintendentin. Das Luther-Jahr sei ist jedoch aus Luthers eigener Strategie als die Hälfte der noch ca. 53 Millionen Mit- auch ein „Experimentierfeld für neue fri- abzuleiten: Seine Entscheidung für die glieder beider Großkirchen sind evangelisch, schere und zeitgemäßere Formate, die auch kurfürstliche Schutzmacht und deren In- vorwiegend im Westen. Viele besuchen Got- kirchenferne Bürger ansprechen“. So veran- strumentalisierung des Protestantismus für tesdienste nur noch zu Weihnachten und bei staltete die EKD, gesponsert von Bund, Län- eigene politische Zwecke, sicherte seinem Familienfeiern. Es herrscht Mangel an Geist- dern, Kommunen und den Medien, gefolgt Werk bleibenden Erfolg und rettete ihn vor lichen, Kirchen werden geschlossen, abgeris- vom geschäftstüchtigen Schwarm folkloris- dem Scheiterhaufen. Beständige Loyalität sen oder verkauft. Und das, obwohl in der BRD tischer Trittbrettfahrer, einen Event-Mara- gegenüber der Obrigkeit wurde sein Gebot. jeder Bürger von der Kita über Religionsun- thon bildender, musischer, unterhaltsamer, Dafür stellte er sich selbst gegen seine terricht in den Schulen und das Wirken kirch- esoterisch-meditativer Konsum- oder Mit- fortschrittlichen Glaubensmitstreiter der licher Einrichtungen in der Daseinsvorsorge, mach-Aktionen, aber auch innovativer Ideen frühbürgerlichen Revolution wie Thomas mittels staatlicher Förderung und Privilegien für eine „bunte bessere Welt“. Müntzer. Die berechtigten Interessen der religiös beeinflußt wird. Einerseits mindert In den hermetisch abgeriegelten Festgottes- geschundenen Bevölkerungsmehrheit der die anhaltende Säkularisierung der Lebens- diensten, zu denen auch AfD-Funktionäre Bauern und kleinen Handwerker widerspra- führung und persönlicher Wertvorstellun- und Militärs geladen waren, priesen scham- chen Luthers und der Fürsten „gottgewoll- gen den Einfluß kirchlicher Lehren auf das lose Machtpolitiker die „christlich-abendlän- ter Ordnung“ ebenso wie alle „Aufrührer“, Bewußtsein der Bevölkerung. Andererseits dischen Werte“. Angela Merkel interpretierte „Zigeuner“, Juden, Muslime oder „Hexen“. braucht der krisengeschüttelte Staat kirchli- Luthers Thesenanschlag recht eigenwillig: Luthers „Freiheit eines Christenmenschen“ che Weihen als Stabilitätsfaktor und propa- „Wer die Vielfalt bejaht, muß Meinungsviel- galt für eine persönliche „Verantwortung gandistisch-moralischen Rückhalt für seine falt und Toleranz üben, das ist die historische gegenüber Gott“. Glaubensfragen kana- neoliberale, militaristische und demokra- Erfahrung.“ Das sei „die Seele Europas und lisierte er alsbald mit seinen Katechis- tiefeindliche Politik. Der Unterschied zum das Grundprinzip jeder offenen Gesellschaft“. men und liturgischen Vorgaben in eine 33. Dresdner Kirchentag mit seiner fort- Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bed- staatstragende bürgerliche Sittlichkeit. schrittlichen Aufbruchstimmung zeigte sich ford-Strohm übergab dem Bundespräsiden- Mit ihrem tradierten opportunistischen 2017 auf dem 36. Berliner Kirchentag und ten ein Kreuz als „Versprechen der Christen, Untertanengeist ließen sich die lutheri- beim Festakt in Wittenberg: Ein vorrangi- für Friede, Versöhnung und Gerechtigkeit schen Amtskirchen stets leicht für Kriegs- ges Streben nach Substanzerhaltung mit einzutreten“. Diese unheilige Allianz sichert hetze, Nationalismus, Rassismus, den verstärkter Anlehnung an die Staatsmacht dem Staat ethische Legitimität und erhält Hitler-Faschismus oder die imperialisti- bestimmt nicht nur den Kurs der Amtskir- der Kirche, wie ein Zeitungsschreiber es for- sche NATO-Politik mißbrauchen. Gerade che, sondern beschränkt zunehmend auch die mulierte, „als „geistig-moralische Wurzel in deshalb müssen wir unsere Verbindungen Handlungsoptionen früher gesellschaftspoli- Europas Demokratien“ die komfortable Ver- zu religiös motivierten humanistischen tisch engagiert auftretender Kreise. ankerung im kapitalistischen Gesellschafts- und fortschrittlichen Kräften stärken und „Luther-Botschafterin“ Margot Käßmann, die system. diese als Bündnispartner gegen rechts 2010 noch mit dem Satz „Nichts ist gut in Am Rande gab es aber auch einen kriti- gewinnen. Afghanistan“ wie auch mit Sozialforderungen schen Gottesdienst, von Kathrin Oxen und Jobst-Heinrich Müller

Buchtips

 Bruno Mahlow: Ein Hoch auf die die Russenfeindlichkeit im Westen wieder Kolonie Großbritanniens, merkt er an, Russen und die Revolution einmal besonders groß. Bruno Mahlow, daß hier die „soziale Frage“ als „nationale Die Oktoberrevolution ist 100 und Bruno Mitglied des Ältestenrats der Partei Die Frage“ auftritt. Und nach Engels fällt Mahlow 80. Beide erblickten in Rußland Linke und „RotFuchs“-Lesern seit langem „die erste Klassenunterdrückung mit der das Licht der Welt. Beide Jahrestage als streitbarer und kenntnisreicher Autor des weiblichen Geschlechts durch das sind Anlaß, einen Blick in die Geschichte bekannt, wirbt um Verständnis und männliche“ zusammen. Es geht also um zu werfen. Bruno Mahlow tut dies versucht Brücken zu bauen. drei große Klassenkämpfe, dazu bestimmt, fortgesetzt. Er spricht auf Kundgebungen, Verlag am Park, Berlin 2017, 186 S., 14,99 € die Arbeitsteilung sowie die Ausbeutungs- reflektiert in Zeitschriften, meldet sich auf und Unterdrückungsverhältnisse – auf Zusammenkünften zu Wort. In diesem Band internationaler Ebene, in einem einzelnen Domenico Lossurdo: Der Klassen- enthalten sind Beiträge aus den letzten fünf  Land, innerhalb einer Familie – radikal kampf oder Die Wiederkehr des Jahren. in Frage zu stellen. Zur Erklärung der Verdrängten? Im Zentrum seines politischen Denkens kolossalen Umwälzungen im Übergang stehen Rußland und das Verhältnis der Eine politische und philosophische zum 21. Jahrhundert erweist sich nach Welt zu diesem Land und den Völkern, Geschichte Losurdo die Theorie des Klassenkampfs als die dort leben. Ihn stört die Russophobie, Klassenkampf ist nicht nur der Konflikt schlüssiger denn je. die seit 1917 umgeht. Diese Ablehnung zwischen Lohnarbeit und Kapital. Wenn PapyRossa-Verlag, Köln 2017, Neue Kleine bewegt sich in Wellen. Gegenwärtig ist Marx von Irland spricht, zu seiner Zeit eine Bibliothek, 424 S., 24,90 € Seite 28 RotFuchs / Januar 2018

Verdienstvoller Dienst hinter Gittern

ie Tageszeitung „neues deutschland“ vom für den Kreis der Leser, die ein ähnliches Neustart sowohl im beruflichen als auch im D15. 11. 2017 teilte ihren Lesern in Berlin Leben in der DDR lebten, zum anderen aber gesellschaftlichen Leben ermöglichen sollte – und Brandenburg mit, daß das „Menschen- auch für diejenigen, die Antworten auf Diffa- keineswegs unumstritten in der Bevölkerung, rechtszentrum“ (MRZ) in Cottbus am 10. 12. mierungen suchen, wie sie von Ausstellungen in einigen staatlichen Institutionen gleichfalls, eine neue Dauerausstellung mit der Doku- wie der eingangs erwähnten immer wieder doch zutiefst human und eben nur im sozia- mentation „Haft – Zwang – Arbeit im Zucht- verbreitet werden. Verständlicherweise war listischen deutschen Staat möglich gewesen. haus Cottbus 1933–1989 [!]“ eröffnen wird. vieles rund um den Strafvollzug in der DDR Durchgängig schildert Winderlich Beobach- Natürlich mit „Zeugen“interviews ... Diese seinerzeit nicht bekannt, um so hilfreicher tungen und Erlebnisse in seiner direkten Ausstellung verdeutliche den „Unterschied diese Bucherscheinung für alle Interessierten. Diensttätigkeit und in seiner gesellschaftli- zur Arbeitspflicht in den beiden deutschen Doch zurück zu Dieter Winderlichs Dienst- chen und Öffentlichkeitsarbeit, die er damals Diktaturen“, ließ die MRZ-Geschäftsführe- beginn „hinter Gittern“. Besonders anschau- schon kritisch hinterfragte, ohne daß dadurch rin wissen. Auch die ständige Wiederholung lich beschrieben ist zweierlei: die nützliche sein konkreter Arbeitsgegenstand oder seine der Gleichsetzung der DDR mit dem faschisti- Arbeit im Strafvollzug zum einen und die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft in schen Deutschland macht diese nicht zutref- gesellschaftliche Verantwortung für die Frage gestellt worden wäre. fender. Der sozialistische deutsche Staat soll „Resozialisierung“ der straffällig Geworde- Mit dem Verweis auf den letzten Buchab- delegitimiert werden – so der Regierungs- nen nach der Strafverbüßung zum anderen. schnitt schließt sich auch der Kreis zu der auftrag. In beiden Bereichen war die DDR der BRD anfangs erwähnten Zeitungsmeldung. Seine Dem muß widersprochen werden! Das war weit voraus! Seine ersten Schritte im Straf- Altersbezüge für die Zeit seiner Tätigkeit als offenbar auch die Motivation zum Verfassen vollzug tat Winderlich im Jugendhaus Des- Stellvertreter des Ministers und als Chef der einer weiteren Autobiographie eines DDR- sau (seit 1968 wurden Gefängnisse, in denen Volkspolizei wurden mit dem „Rentenüber- Zeitzeugen, die im November erschienen ist. Jugendliche einsaßen, so bezeichnet). All den- leitungsgesetz“ vom 25. Juli 1991 drastisch Dieter Winderlich, Generalmajor a. D. und jenigen, welche die „Zwangsarbeit im DDR- auf ein Prozent des Durchschnittsverdiensts letzter Chef der Volkspolizei, beschreibt in Knast“ anprangern, seien diese Darstellungen gekürzt. Man muß fragen, woher dieser unterhaltendem Stil sein Leben und seine besonders empfohlen. Nützliche körperliche „Rechtsstaat“ sich das Recht nimmt, einen berufliche Entwicklung bis hin zum letzten Arbeit war das Kernstück der Erziehung im solchen Eingriff ins Rentenrecht vorzuneh- Abschnitt des Buches „Nach der DDR – Demü- Strafvollzug der DDR. Bei den Jugendlichen men. Den Staatsbeamten des faschistischen tigungen und Enttäuschungen“. war außerdem noch ein eventueller Schulab- Deutschen Reiches widerfuhr seinerzeit Ver- Hinter Gittern (mit „Wieder hinter Gittern – schluß und eine Berufsausbildung einbezogen. gleichbares nicht, ganz im Gegenteil: Sie fan- die besten Jahre meines Berufslebens“ ist ein Mit dem Aufbau des Jugendhauses in Wriezen den sich in hohen und höchsten Funktionen Abschnitt des Buches überschrieben) beginnt und seiner Leitung sah Winderlich sich neuen, der Alt-BRD wieder, letztlich auch mit satten Winderlichs Diensttätigkeit, vom Strafvollzug größeren Anforderungen gegenüber. Altersbezügen. Dieser gravierende Unter- bis nach oben in die Führungshierarchie des Und hier mache ich aufmerksam auf all das, schied sollte zu denken geben! Ministeriums des Innern (MdI) der DDR. Die- was Winderlich im Zusammenhang mit dem Helmut Holfert, Berlin ser Entwicklungsweg ist immer wieder ein- 1968 erlassenen Strafvollzugs- und Wieder- gebettet in sein ganz persönliches Leben. Das eingliederungsgesetz (SVWG) beschreibt. Ein Dieter Winderlich: Vom Strafvollzug zum macht seine Schilderungen sehr persönlich, absolut deutsches Novum, das die Persön- letzten Chef der Volkspolizei. edition bero- glaubhaft und stets nachvollziehbar – einmal lichkeit des einzelnen achtet und ihm einen lina, Berlin 2017, 400 S., 19,99 €

LUTZ JAHODA: LUSTIG IST ANDERS ...

Vom Euro zum Teuro

Um die Finanzen, den Ursprung alles Bösen im gegenwärtigen Sy- stem, noch einmal erinnernd ins Gedächtnis zu rücken: War es Leicht- sinn, der Europäischen Gemeinschaft das Zahlungsmittel Euro derart vorschnell überzustülpen? Bereits ohne die innewohnende Proble- matik, wie Ökonomen sie inzwischen wissenschaftlich belegt haben, benennen zu können, entwerteten die Menschen die neue Monetenbe- zeichnung unter Voransetzung eines einzigen Buchstabens und ver- wandelten den Euro in den Teuro, der sich, wie vorausgesagt, nicht zu einem gesunden Bindemittel profilierte, sondern zu einer kräftig wachsenden Spaltwurzel entwickelte, die „das Haus Europa“ unter- wanderte und das stolz gedachte Gebäude zu einer instabilen Bröckel- bude rund um einen pseudo-soliden Großfinanzkern verkommen ließ.

Aus Lutz Jahoda / Reiner Schwalme: Lustig ist anders, Norderstedt 2017

Zeichnung: Reiner Schwalme RotFuchs / Januar 2018 Seite 29

Stimmen aus aller Welt über die DDR

Solange der sozialistische deutsche Staat, Hier habe ich viele Freunde Victors getrof- damit abzufinden, war historisch bedingt die DDR, existierte, haben sich immer wie- fen und konnte feststellen, daß die Solida- und menschlich be­greiflich. Daß dennoch der Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei rität mit dem Volk Chiles genauso fest ist das sozialistische Experiment durchge- oder nach Besuchen über die DDR geäußert. wie in den Tagen kurz vor dem Putsch. Mit führt wurde und im Herzen Europas große Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die der Zeit habe ich gelernt, Victor noch mehr Erfolge gezeitigt hat, verdient Aufmerksam- Auslandspresseagentur Panorama DDR über zu lieben. Täglich sehe und höre ich, daß er keit und An­erkennung. Dieses sozialistische hundert solcher Stellungnahmen in einem weiterlebt in den Herzen vieler Menschen Experi­ment verlangt von Christen und Kir- Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik auf der Erde ... chen, zu leben in einer radikal säkulari- persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, Zum erstenmal seit fünf Jahren bietet sich sierten Gesellschaft. Viele Privilegien und die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirk- mir hier, beim Internationalen Som­merkurs An­sprüche, die in der langen Periode des lichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die an der Dresdner Palucca-Schule, wieder „christlichen Europas“ für selbstverständ­lich anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Gelegenheit, mit jungen Tänzern zu arbei- gehalten werden konnten, sind auf­gehoben, Äußerungen – Älteren zur Erinnerung, Jünge- ten, Kontakte mit Fachkollegen aufzuneh- viele dadurch bedingte Lebens­normen und ren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR men und selbst Neues zu lernen. Für mich gesellschaftliche Bräuche in Verfall gera- für die Welt – und für uns – war. ist es immer wieder interessant, die Ent- ten. Damit ist nicht gesagt, daß christliche wicklung in Ihrem Land – vor allem im kul- Existenz nicht mehr möglich sei; wohl wird turellen Bereich – zu ver­folgen. Gerade auf sie auf den Kern der Sache zurückgeworfen meinem Gebiet, dem modernen Tanz, gibt es oder konzentriert. Es kann eine Klärung der in Ihrer Na­tionalkultur große Traditionen. Verhältnisse be­deuten, diejenigen, die es so Meine politischen Aufgaben – ich bin Vor- verstehen, können auf dem Wege der Kirche sitzende des „Britischen Komitees für Men- in der modernen Welt eine Vorhut bilden. schenrechte in Chile“ – lassen mir kaum Daß ich viele von denen, die in dieser Vor- Zeit, in meinem Beruf zu arbeiten. Deshalb hut gehen, kennengelernt habe, und einige bin ich besonders froh, bei diesem interna- von ihnen zu meinen guten Freunden­ tional anerkannten Dresdner Kurs unter- rechnen darf, ist mir eine Freude und ein richten zu dürfen. Die Atmosphäre hier, die Gewinn geworden. Es gibt sie nicht nur in Ernsthaftigkeit und Aufgeschlos­senheit der der DDR. Von ihnen habe ich – in der DDR Teilnehmer für meine Arbeit stimulieren und in anderen sozialistischen Staa­ten – mich. Sie helfen mir aber auch, über die mir gelernt, einzusehen, wie vieles im Sozialis- Joan Jara-Turner vom chilenischen Faschismus aufgezwun- mus in Übereinstimmung ist mit zentralen Tanzpädagogin,Witwe des chilenischen gene Pause in der Tätigkeit als Tanzpäd- Einsichten und Werten des Alten und des Volkssängers Victor Jara agogin leichter hinwegzukom­men. Denn ich Neuen Testaments. Der Kommunismus will unbedingt wieder mit meinem Beruf hat, wie Josef Hromádka und viele andere Jedesmal, wenn ich in die DDR komme, bin nach Chile zurückkeh­ren. oft gesagt haben, in seinem wesentlichen ich beeindruckt von der Haltung, die so Anliegen, sei es in atheistischer Gestalt, großzügig, so kämpferisch ist. Man spürt mehr Übereinstim­mung mit dem Evange- die Solidarität vom ersten Augenblick an, lium als manches, was im „real existieren- bei allen Bürgern. Bei den Ju­gendlichen den Christentum“ für selbstverständlich zum Beispiel und bei den älte­ren Bürgern, gegolten hat. die den Faschismus am ei­genen Leib ken- Darum ist es bemerkenswert, daß in der DDR eine echte Begegnung zwischen Christen und Marxisten sich als möglich erwiesen hat, ein echter Dialog in prakti­schem Sichverstehen, einander Wertschät­zen und Zusammenar- beiten. Eine wich­tige Etappe dazu wurde 1961 die ge­meinsame Erklärung des Ersten Sekretärs der SED und Staatschefs Walter Prof. Albert J. Rasker Ulbricht mit Professor Emil Fuchs, und neu- Theologe, Niederlande erdings, 17 Jahre später, die Begegnung des (1906–1990) heu­tigen Generalsekretärs und Staatschefs Erich Honecker mit Bischof Albrecht Schön- Während der ganzen 30jährigen Periode herr als Vertreter der Kirchenlei­tungen. Viel ihres Bestehens habe ich viele Beziehun­gen Wichtiges, damit Zusammenhängendes­ hat zur Deutschen Demokratischen Repu­blik auf dem langen Wege zwischen diesen bei- gehabt, ihre ökonomischen und kul­turellen den Begegnungen statt­gefunden – auf der Entwicklungen einigermaßen kennenge- Ebene der Partei, auf kirchlicher Ebene, auf lernt und mich im besonderen interessiert dem Gebiet der Friedensarbeit, in der Bemü- für das Leben der Christen und Kirchen in hung um theologisch-politische Besinnung diesem ersten sozialisti­schen deutschen und Praxis. Staat. Es hat mich be­sonders beeindruckt, Weil ich derartige Begegnungen manch­mal daß viele Theologen und Kirchenglieder habe miterleben dürfen, bin ich dank­bar sich bewußt sind, zu stehen in der Nach- für viele Freundschaften, die ich in der DDR folge der Bekennenden Kirche, ihrer „Bar- gefunden habe. Ich wünsche der Regierung mer Thesen“ von 1934, und des in Stuttgart und den Kirchen Ihres Landes alles Gute, von der EKD aus­gesprochenen Schuldbe- wirklich alles Gute auch für die kommenden nengelernt haben. Man fühlt sich unter Brü- kenntnisses nach dem Kriege. Jahre, in der Hoffnung, daß unsere, durch dern, als gemeinsame Kämpfer. Wir wissen Die DDR ist der erste deutsche Staat, der aus menschliche Torheit und Bosheit vielfach von all den Aktionen hier, auch von den klei- Revolution entstanden ist und sich selbst als gefährdete und bedrohte Welt noch Bestand nen, die oft einen bedeutenden Beitrag für Friedensstaat versteht. Daß es vielen Bür- haben wird und daß wir gemeinsam dazu die Gesamtheit leisten. gern und Kirchengliedern schwerfiel, sich beitragen mögen. Seite 30 RotFuchs / Januar 2018

Zur 9. Mitgliederversammlung des Fördervereins

Am 18. November fand die 9. Mitgliederver- Die Befreiung vom Faschismus durch die Und wegen der Situation, in der wir den sammlung des „RotFuchs“-Fördervereins statt. Sowjetunion war die Voraussetzung für „RotFuchs“ herausbringen und in seinem Die Anwesenden gedachten des im April 2016 die Gründung der DDR. Das hat Klaus nie Förderverein arbeiten. Die Konterrevolution verstorbenen Gründers und langjährigen Chef- vergessen. Die DDR war ein Kind der deut- von 1989/90 war mit einem ideologischen redakteurs des „RotFuchs“, Dr. Klaus Steiniger. schen Arbeiterbewegung und des Inter- Generalangriff auf diese Ideale verbunden. Es wurde eine positive Bilanz der Entwicklung nationalismus. Sie erhielt im Kampf gegen Die vergangenen zwei Jahre haben ihm einen des Vereins sowie der Zeitschrift in den vergan- einen übermächtigen Feind die Unterstüt- neuen Schub gegen alle humanistischen, dem genen zwei Jahren gezogen. Die Versammlung zung der Kommunisten, der Sozialisten Frieden, der Demokratie und dem Sozialis- nahm nach sachlicher Diskussion den Bericht und Friedenskämpfer sozialistischer und mus verpflichteten Menschen gegeben. Sie des Vereinsvorstandes an und wählte einen kapitalistischer Länder, und gab im selben brachten einen neuen Tiefpunkt an Entso- neuen 18köpfigen Vorstand. Zum Vorsitzenden Geist vieles zurück. Sie half beim Aufbau in lidarisierung in diese Gesellschaft, wie das wurde erneut Dr. Arnold Schölzel gewählt, zum der von den US-Aggressoren furchtbar zer- selbst unter imperialistischen Verhältnissen stellvertretenden Vorsitzenden Wolfgang Dock- störten Koreanischen Volksdemokratischen ungewöhnlich ist. Entsolidarisierung herrscht horn. Der Vorstand berief die RF-Redaktion mit Republik, sie unterstützte den Kampf um stets in dieser Gesellschaft der Konkurrenz, Wolfgang Metzger als verantwortlichem Redak- Befreiung von kolonialer Unterdrückung in der jeder seines Nächsten Feind sein soll. teur sowie Bruni Steiniger und Arnold Schölzel. in Algerien, Libyen, Palästina, auf dem afri- Das ist ihr Fundament. Im Moment aber ist In seinem Rechenschaftsbericht sagte der Vor- kanischen, asiatischen und lateinamerika- von oben verordnete Entsolidarisierung wie- sitzende u. a.: nischen Kontinent, sie unterstützte nach der einmal zu einem der wichtigsten Instru-

ls wir vor zwei Jahren in diesem Saal zu Aunserer Mitgliederversammlung zusam- menkamen, konnte Klaus Steiniger noch einige Stunden an ihr teilnehmen. Seine Krankheit schwächte ihn stark, aber er ließ es sich nicht nehmen, uns seinen Dank und Respekt zu bezeugen. Am 9. April 2016, etwa ein halbes Jahr nach unserer Mitgliederver- sammlung, ist er in Berlin gestorben. Ich bitte Euch, daß wir seiner und vieler ande- rer Mitstreiter im „RotFuchs“-Förderverein, die in den vergangenen zwei Jahren von uns gegangen sind, gedenken und uns dafür von den Plätzen erheben. Der „RotFuchs“ hat mit Klaus nicht nur seinen Begründer, sondern auch einen hervorragen- Arbeiterlieder zum Zuhören und Mitsingen – präsentiert von der „RotFuchs“- den Publizisten und politischen Organisator Singegruppe der deutschen und der internationalen Arbei- terbewegung verloren. Er war oft dabeigewe- Kräften die kubanische Revolution, half dem mente im Klassenkampf von oben geworden, sen, wenn sich die Welt bewegte oder sogar ANC in seinem Kampf gegen das Apartheid- international wie national: Alt gegen jung, Ost veränderte, Klassenkämpfe sich zuspitzten regime, sie half dem vietnamesischen Volk, gegen West, Nation gegen Nation. Das berührt und das in historischen Ereignissen sichtbar das ein US-General in die Steinzeit zurück- uns unmittelbar, das bekommen wir auch im wurde. Seine Missionen zum Prozeß gegen bomben wollte, entsandte Helfer nach Afgha- „RotFuchs“ zu spüren. Dort, wo Ausgrenzung Angela Davis und ins revolutionäre Portu- nistan und in den Nahen Osten. Die Liste ist von Mitstreitern verlangt wird, wo nicht das gal waren dabei für ihn die wichtigsten. Er höchst unvollständig, und Ihr kennt sie alle. Kapital und seine politischen Organisationen war mit allen Fasern ein Internationalist, und In diesem Geist der Völkerverständigung, des der Hauptfeind sind, sondern andere Linke, die Frage, ob jemand ein mit dem Marxismus- Friedens und der Achtung von Menschen aller wo nicht das Gespräch über Meinungsunter- Leninismus eng verbundener Internationa- Hautfarben und Herkunft wuchsen Millionen schiede gesucht wird, sondern nur schnelle list ist, war für ihn entscheidendes Kriterium, Menschen in der DDR in größter Selbstver- Urteile gefällt werden, geschieht das vor die- um den Betreffenden als Kommunisten oder ständlichkeit auf. Jeder, der in der DDR gelebt sem Hintergrund. Wir erleben in diesen Tagen Sozialisten zu bezeichnen. Auch Parteien hat, aber auch viele in der alten BRD haben Spaltungstendenzen in der DKP, ernste Auflö- bewertete er nicht nach deren Etikett, son- die ersten Takte des Klavierkonzertes Num- sungserscheinungen in der SDAJ, die Ausein- dern danach, wie sie sich in dieser Frage ver- mer eins von Tschaikowsky im Ohr, mit denen andersetzungen in der Linkspartei um Posten hielten – solidarisch, kameradschaftlich, im in den Wochen bis zum Jahresende die Soli- und Mandate, die häufig von Schlammschlach- Sinne der internationalen kommunistischen daritätskonzerte des Deutschlandsenders ten in den Medien begleitet werden. Das alles und Arbeiterbewegung oder nicht. Diese Hal- bzw. von Stimme der DDR eingeleitet wur- bedeutet: Wir haben neue, schlechtere, gegen tung war ihm in der DDR in Fleisch und Blut den: „Dem Frieden die Freiheit“. Ungezählt Grundsätze unserer marxistisch-leninisti- übergegangen; Internationalismus und Inter- sind die Initiativen in Schulen, bei den Pionie- schen Überzeugung gerichtete Rahmenbe- nationalisten wie er gehören zu dem besten, ren und in der FDJ, in der SED, den anderen dingungen, die sich auf unsere Arbeit in den was uns die DDR hinterlassen hat. Parteien und in den Gewerkschaften, unter Regionalgruppen und in der Redaktion der In diesem Sinn gründete und entwickelte Handwerkern und kleinen Gewerbetreiben- Zeitschrift auswirken und sie erschweren. Klaus den „RotFuchs“ – als Forum von Kom- den, den bewaffneten Organen und anderen Es ist unwahrscheinlich, daß sich in nächster munisten und Sozialisten in Deutschland, ihn Einrichtungen, die konkrete Hilfe leisteten – Zeit unser Umfeld zu unseren Gunsten verän- aber stets als Teil einer weltweiten Bewegung von Albert Schweitzers Hospital bis zu Millio- dert, eher müssen wir vom Gegenteil ausge- begreifend. Die feste Basis dieser größten nen Rosen für Angela, vom Fernsprechamt in hen. Um so mehr sind wir dazu aufgerufen, marxistischen Monatszeitschrift Deutsch- Hanoi bis zu 20 Fischkuttern für vietnamesi- den „RotFuchs“ und die Regionalgruppen sei- lands waren für ihn Antifaschismus und der sche Fischer in den 50er Jahren. Ich nenne das nes Fördervereins nicht nur zu erhalten, son- sozialistische Aufbau in der DDR, die das alles deswegen, weil wir gerade dies, die Soli- dern zu stärken, unsere Kontakte ständig zu beste war, was die deutsche Arbeiterbewe- darität als Teil des DDR-Alltags, als gelebten erweitern, ohne an den marxistisch-lenini- gung bisher hervorgebracht hat, wie er oft Internationalismus, als Teil des Kampfes um stischen Grundlagen unserer Arbeit etwas geschrieben hat. Frieden lebendig halten müssen. zu ändern. RotFuchs / Januar 2018 Seite 31

Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Liebes altgewordnes Jahr am Feiertag aus dem Haus zu gehen, auf nicht Es gibt jenes Versprechen noch, nette Leute nun hast du eisgraues Haar immer bequemen Wegen, ausbrechend aus irgendwo weit weg zu besuchen, dort vielleicht ich nehme wie einen eignen dem Alltag einen Sammelpunkt zu erreichen sogar zu übernachten, ihnen alles zu erzäh- deinen Abschied wahr und schließlich laufend, singend oder zuhö- len und alles hören zu wollen. Aber wenn der rend von einem verabredeten Ort aus sich zu Tag nahe scheint, und wenn es in deinem Zim- das Jahr ist um äußern – gegen den Krieg und für den Frieden –, mer so schön dunkel ist, dann fällt dir ein, wie die Tage sind vergeben das hatte seine eigene Würde und Wichtigkeit. oft ihr euch schon alles gesagt habt, wie leider es war das blanke Leben Dieses Thema hat in unseren Gedanken und dort nie auf den Tisch kommt, was du eigent- ich will auf jeden Tag das Glas erheben unseren Herzen damals seinen wichtigen Platz lich gern essen würdest, und daß du dort so liebes nun vergangnes Jahr behalten. Wir kennen den Krieg und wollen ihn schlecht ein- und gar nicht ausschlafen kannst. in keiner Form je wieder in unser Leben las- Beides ist die ganze Wahrheit: Da hat es etwas wir waren in Gefahr sen. Deswegen haben wir dazu beigetragen, gegeben, was Nähe ermöglichte oder erzwang, den Kummer und alle Ängste daß sich die erlebte Kenntnis über ihn nicht was aber seinen Platz in deinem Leben nicht zahlt das Herz in bar behauptete. Es hat sich anderes ergeben, das ich will nur friedliche Feuer hat alte Plätze geräumt und neue Verabredun- für das neue Jahr gen nötig und möglich gemacht. Das leichte Schuldbewußtsein, das dich bei verblassen- Nun tragen wir die Zahl 2018 in unseren Kalen- den Erinnerungen befällt, kannst du ertragen der ein. In ihm steht noch wenig. Nur, wovon oder wegschieben. Es atmet sich im Leben von wir jetzt schon wissen, daß es zu sein hat, trotz selber aus. Glaube nicht, daß du der große Auf- allem sein wird oder hoffentlich noch einmal, halter oder Kaputtmacher bist. Die anderen wie sonst immer, jede Nüchternheit aufeinan- haben auch gelebt, sich vielleicht nicht bewußt der folgender Tage unterbrechen könnte. Das abgekehrt, aber eben doch verändert durch noch unbekannte Jahr wird uns wahrschein- Weiterleben. Dein schlechtes Gewissen mag lich wieder über Gebühr anstrengen. In die der einzige Nagel an der Wand sein, auf den schönen Momente werden sich graue Augen- überhaupt noch jemand seinen Mantel hängt. blicke drängeln, auch überfordernde Pflich- Das andere, das ganz andere, kennst du, weißt ten, ebenso wie langweilende Wiederholungen. du, begehrst es. Wenn du da Entfernungen Das sind übertriebene Ansprüche an unsere zurücklegst, dir ein Geschenk ausdenkst, dich vernünftigen Vorsätze. Auch an unsere Erfah- auf Wiederbegegnung und neue Nähe freust, rungen, die für solche „Gewohnheiten“ längst dann gerät alles zur Leichtigkeit: Es sind die nur noch ein mattes Gefühl aufbringen kön- Gesten, die wie von selber wiederkehren, es nen: Das merken wir immer dann, wenn wir ist das Gefühl von Dank für Gewesenes, das uns gegen endlich gefaßte Beschlüsse wieder ihr teilt, um aufmerksam neue Anlässe und einmal zum rechtzeitigen Erscheinen breit- abkühlen konnte, und wenn man uns vorge- neue gemeinsame Erinnerungen zu schaf- schlagen lassen! worfen hat, daß wir ständig über dieses Thema fen – etwas, das man unbedingt noch erleben Das neue Jahr wird von uns auch verlangen, reden, dann war das richtig, denn es war nicht möchte. was wir jetzt noch nicht können, vielleicht nie- nur unser Thema, sondern blieb auch unsere Zeit für Händedruck, Umarmung und Liebe mals können werden. Wie schön, daß uns oft Gefährdung. trag dir ein. Gib das neue Jahr frei für Erleben, unerwartete Erlebnisse einholen, manchmal Aber komm, laß uns mit dünnerer Kleidung Sehen und Sammeln. Ich wünsche dir, daß es sogar, während wir glauben, uns zu langweilen. rausgehen und sehen, was alles bis hierher an seinem Ende einen Grund gibt, dir selber Vier Jahreszeiten sind ein Geschenk im vor- friedlich überlebt hat, und uns also die Hoff- zu danken. aus. Es wird ein Frühjahr sein: Da zeigt uns nung weiten kann. Alles kehrt wieder der Winter seine Art von Loslassen, Baum Sommer? Da kriegen auch die Großstädter flin- im Garten der Flieder und Strauch ihr Wiedererwachen. Mittendrin kere Beine. Für die Erdbeeren auf dem Feld die Rosen am Tor begehen wir Feiertage, die mit dem Sterben oder die Kirschen, die prallroten oder die süße- alles kehrt wieder und Leben von Jesu zu tun haben und also mit ren schwarzen, begeben wir uns schon mal einer hohen Moral. näher heran an die Beete, Bäume und Buden bricht keimend hervor Es ist noch weithin bis zum Ende des Jahres, an den Straßenrändern. Ehe wir in die Früchte alles kehrt wieder wo wir die schönste Legende der Welt besin- beißen, seien wir für einen Moment übermütig ob Wasser gen: die von Mama und Papa im kalten Stall und schicken ein kleines Dankgebet an Sonne, ob Schnee und warmem Stroh, von gläubigen Hirten und Mond und Sterne. an Himmeln demütigen Königen. Vergiß nicht den Eintrag für jenen Geburtstag, auf Ästen Lange vorher flitzt uns der Hase durchs Gemüt jenen einen, den du unter keinen Umständen dreiblättriger Klee – mit all dem, was er dem Märchen nach kön- vergessen willst – was dir dann doch wieder nen soll, und was er dagegen wirklich schafft. passieren könnte, falls dich nicht jemand im alles kehrt wieder Eier legen kann er nicht. Das haben die Men- letzten Moment erinnert oder dir plötzlich ein- in Träumen schen dem Hasen vor langer Zeit untergescho- fällt, wie heilig dir diese Traditionen sind, die Bild und Gedicht ben. Aber er ist naseweis, hat seine Schläue, ein du selber in dein Leben genagelt hast. Nimm trennende Worte Tröpfchen Lebenserfahrung, und er gewinnt. andere Termine weniger ernst. Behalt nur sol- bittrer Verzicht Jedenfalls den wichtigen Wettlauf. che, die in dein Leben gehören, weil sie dich alles kehrt wieder Die Natur gibt uns immer wieder eine Chance, tragen, wie du sie trägst. Solche Anlässe für Tanz oder Lieder für alle Wetter, für das ganze Jahr. Wir sehen, Erinnern und Drandenken verändern sich am Morgen das Licht wie wenig sich für immer verabschiedet hat, im Laufe eines Lebens, sie wachsen dir völlig und wie alles Duftende, Blühende, sich Ver- natürlich als ein Teil von dir näher, oder sie alles kehrt wieder zweigende wiederkehrt. gehen irgendwann ohne Winken aus dem Kreis nie mehr mein junges Gesicht Pfingsten war für uns einmal die hohe Zeit um dich herum hinaus. Dann hat es auch seine Geh achtsam um mit dem Tag! Dreihundert- der Friedensbewegung, darüber gibt es Lieder, Richtigkeit. fünfundsechzigmal ist er alles, was man aus Anekdoten und bunte, eigene Erinnerungen. Gib deinem Kalender genügend freie Plätze für dem Leben machen kann. Deine Chance fängt Die werden bleiben, denn der kleine Aufwand, Unerwartetes. jeden Morgen neu an. Seite 32 RotFuchs / Januar 2018

„RotFuchs“-Veranstaltungen im Januar

■■ Regionalgruppe Güstrow ■■ Regionalgruppe Falkensee ■■ Regionalgruppe Dresden Am 11. Januar um 16 Uhr spricht Prof. Dr. Am 23. Januar um 19 Uhr: Aufführung des Am 27. Januar um 10 Uhr spricht der Ekkehard Lieberam zum Thema: Die Linke Films „Sie nannten mich Benjamin“ über deutsch-afghanische Politologe Dr. Matin nach den Bundestagswahlen – weiter so und mit Erhard Stenzel, den letzten noch Baraki zum Thema: Imperialismus – oder strategische Neuorientierung? lebenden deutschen Widerstandskämpfer Geburtshelfer des islamischen Terrors Ort: Haus der Generationen, der französischen Résistance. Ort: Dresdner Straße 26, „Drogenmühle“, Weinbergstraße 28, 18273 Güstrow Anschließend Gespräch mit Erhard Stenzel 01809 Heidenau Ort: Begegnungsstätte der Linken, ■ ■ ■ Regionalgruppe Suhl Bahnhofstraße 74, 14612 Falkensee ■ Regionalgruppe Königs Wusterhausen Am 11. Januar um 17 Uhr Diskussionsrunde ■ Am 27. Januar um 10 Uhr spricht zum Thema: Nieder mit dem Krieg! – ■ Regionalgruppe Berlin-Lichtenberg Dr. Peter Elz zum Thema: Plädoyer für Dem Erbe Karl Liebknechts und Rosa (Achtung: z. Zt. geänderter Volkseigentum als Bestimmungsfaktor Luxemburgs verpflichtet Veranstaltungsort) und einer Gesellschaft Regionalgruppe Berlin-Zentrum Ort: Gaststätte „Suhler Weiberwirtschaft“, Ort: Bürgertreff, Fontaneplatz 2, Bahnhofstraße 1, 98527 Suhl Am 24. Januar um 16 Uhr spricht „Täve“ 15711 Königs Wusterhausen Schur über: Die gesellschaftliche Stellung ■■ Regionalgruppe Berlin Marzahn- des Sports in der DDR und der BRD ■■ Regionalgruppe Rostock Hellersdorf Ort: Bürogebäude (ND), Franz-Mehring- Am 27. Januar um 10 Uhr spricht der Am 16. Januar um 18 Uhr spricht Uwe Platz 1, 10243 Berlin Journalist und Buchautor Volker Hermsdorf Hiksch, Sprecher des Marxistischen ■ zum Thema: Kuba macht es vor: Forums der Partei Die Linke, zum Thema: ■ Regionalgruppe Bautzen/Oberlausitz Solidarisch für das Recht auf Gesundheit Die außerparlamentarische Bewegung – Am 25. Januar um 15 Uhr spricht Admiral weltweit ein wirksamer Faktor zur Änderung der a. D. Theodor Hoffmann über das Weißbuch Ort: Mehrgenerationenhaus Evershagen, gesellschaftlichen Verhältnisse der Bundeswehr Maxim-Gorki-Straße 52, 18106 Rostock Ort: Stadtteilzentrum Marzahn-Mitte, Ort: Unabhängiger Seniorenverband, ■ Marzahner Promenade 38, 12679 Berlin Löhrstr. 33, 02625 Bautzen ■„RotFuchs“-Gruppe Zwickau ■ ■ Am 27. Januar um 10 Uhr: Diskussion ■ Regionalgruppe Neubrandenburg ■ Regionalgruppe Leipzig mit Dr. Klaus Petzold zum Thema: Am 20. Januar um 10 Uhr spricht Torsten Am 26. Januar um 18 Uhr spricht der Die Kriegspolitik der NATO und das Koplin, Vorsitzender des Landesverbandes Korrespondent von Sputnik/RIA-Novosti, Feindbild Rußland Die Linke Mecklenburg/Vorpommern zum Armin Siebert, zum Thema: Rußland und Ort: Seniorenbüro, Kopernikusstr. 7, Thema: Die Linke – ihre gegenwärtige seine Wahrnehmung in der westlichen 08056 Zwickau innere Situation und die Umsetzung des Welt Parteiprogramms in praktische Politik Ort: Liebknechthaus, Braustraße 15, Ort: Seniorenbüro, Poststraße 4, 04107 Leipzig 17033 Neubrandenburg ■■ Regionalgruppe Bernau ■ ■ Regionalgruppe Strausberg Am 27. Januar um 15 Uhr: Aufführung Am 20. Januar um 9.30 Uhr spricht eines Dokumentarfilms über Wilhelm Pieck. Joachim Zappe zum Thema: Die Gast des anschließenden Gesprächs ist unheimliche Macht der Lobbyisten Prof. Dr. Herbert Meißner. Ort: Familienzentrum, Mühlenweg 6, Ort: Treff 23, Breitscheidstraße 43 A, 15344 Strausberg 16231 Bernau

Wie die „RotFuchs“-Gruppe Torgau entstand

Seit 2004 sind wir Abonnenten des „RotFuchs“ und der „jun- DKP und Parteilose. Im Ergebnis einer lebendigen Diskussion gen Welt“. Im Jahr 2014 wurde ich Mitglied der DKP. Mit Inter- waren wir uns einig, dieses Gesprächsforum der Linken quar- esse las ich in jeder Ausgabe des „RotFuchs“ von den dort talsweise fortzusetzen. angebotenen Bildungsveranstaltungen in den verschiedenen Mir war bewußt: wer die Initiative ergreift, bekommt auch die Regionen. Wiederholt fuhren wir zu den Veranstaltungen Verantwortung übertragen. Ich stellte mich, trotz meiner beruf- der Regionalgruppe Dresden nach Heidenau. Dort wurden lichen Tätigkeit, dieser wichtigen Aufgabe. Heute habe ich Ge- Fragen zu unserer Weltanschauung in Verbindung mit den nossen und Freunde an meiner Seite. Im November 2017 aktuellen Geschehnissen erläutert und diskutiert. Dadurch berieten wir zum Beispiel mit einem Sprecher der Kommu- gewannen wir für den heutigen politischen Kampf ein besse- nistischen Plattform beim Landesvorstand Sachsen der PDL res Verständnis. In mir reifte der Gedanke, auch in unserer über Schlußfolgerungen aus der Bundestagswahl. Stadt Torgau einen Gesprächskreis von Linken ins Leben Wir sorgen dafür, daß die Einladungen zu den „RotFuchs“- zu rufen. Genossen des Vorstandes in Berlin halfen bei der Veranstaltungen auch in der „Torgauer Allgemeinen“ erschei- Umsetzung der Idee. Gemeinsam luden wir im Jahr 2015 die nen, weil wir möchten, daß jeder politisch Interessierte davon in der Region wohnenden „RotFuchs“-Abonnenten ein. erfährt. Heute können wir mit ein wenig Stolz sagen, daß sich Schon frühmorgens brachte ich „RotFuchs“-Wegweiser an der „RotFuchs“ auch in unserer schönen und geschichts- den Wegen zur abseits der Stadt liegenden Gaststätte an. Es trächtigen Stadt Torgau angesiedelt hat. erschienen 18 Genossen und Freunde – Mitglieder der PDL, der Gerd Brucks und Elke Rentzsch, Torgau RotFuchs / Januar 2018 Seite 33

unter den gleichen Phrasen wie damals nie aus kratischen und kommunistischen Bewegung. den Augen verloren. Und es ist ein Signal zur Welches Zerrbild vom Kommunismus vermittelt weiteren Konfrontation mit Rußland, letztlich für werden soll, wird auf 25 Tafeln präsentiert und gleich Krieg, wenn man sich Details der Vereinbarung in der ersten Tafel der Ausstellung klargemacht. näher ansieht. In Größenordnungen wird man Gezeigt wird die Entwurfsskizze für den „Palast uns über die Steuern weiter zur Kasse bitten. Die der Sowjets“, der obere Teil tiefschwarz – und am Rüstungsausgaben sollen auf 2 % des Bruttoin- unteren Bildrand quillt rotes Blut heraus. Weitere landsprodukts steigen, die NATO braucht deutsches schauerliche und diabolische bildliche Darstel- Geld für ihren verstärkten Konfrontationskurs, lungen belegen die visuelle Absicht der „Macher“. die Bundeswehr soll modernisiert werden, und Eine solche oberflächliche Sicht verstellt den deren Auslandseinsätze verschlingen ebenfalls Blick auf die weltweiten politischen, sozialen Millionen. Nicht zuletzt müssen Stationierung und und ideologischen Auseinandersetzungen des Lagerung der US-Atombomben in Deutschland 20. Jahrhunderts und reduziert sie auf einen finanziert werden. Von der Verlegung von US- und Kampf zwischen Totalitarismus und Antitotali- LESERBRIEFE NATO- Einheiten durch Deutschland ins Baltikum tarismus, ohne deren historische Ursachen und und in andere Grenzregionen zu Rußland ganz Konsequenzen überhaupt zu erfassen. zu schweigen. Die EU-Kommission stellte fest, Günter Guttsche, Erfurt Die NATO hat ihre Grenzen von der Oder bis kurz daß viele Straßen, Brücken und Gleisverbin- vor St. Petersburg und Kaliningrad geschoben dungen für die schnelle Verlegung schwerer Es verwundert nicht, daß die schwarz-gelben und spricht von russischer Aggression, frei nach Mordwerkzeuge nicht geeignet sind. Also wird Stadtoberen Plauens den 100. Jahrestag der dem Chefideologen Brzezinski, der ein Urvater auch hier Geld gefordert. In ihrer Gesamtheit Oktoberrevolution für eine antikommunistische ideologischer antirussischer Diversion war. Aus werden diese Tatsachen gern verschwiegen, Ausstellung der von Rainer Eppelmann geführ- westlicher Sicht ist legitim, was immer von den denn sie könnten ja zum Nachdenken anregen. ten unrühmlich bekannten „Bundesstiftung zur USA ideologisch, ökonomisch und militärisch Erinnern wir uns an die Geschichte! Hitler ließ Aufarbeitung der SED-Diktatur“ mißbrauchen, vorgegeben wird. Autobahnen bauen, um seine Panzer schnell für die sie bereitwillig Räume des Stadtarchivs Ein sehr wichtiger Akt sind die Kombination an die Kriegsschauplätze verlegen zu können. zur Verfügung stellen. Das entspricht ihrer Politik ökonomisch-finanzieller Boykotts sowie Akti- Und er faselte von der Gefahr aus dem Osten. seit der Annexion der DDR. Erinnert sei an die vitäten unter falscher Flagge vor allem durch Über die Medien wird Rußland heute bei allen Entfernung einer Gedenktafel am Plauener Alten NGOs, wie wir es in Venezuela sehen. Kuba, möglichen und unmöglichen Ereignissen „Ein- Rathaus, die jahrzehntelang eindrucksvoll an das Rußland und Iran sind betroffen. mischung“ und „Vorbereitung einer Aggression“ Auftreten Ernst Thälmanns am 15. Juni 1930 an Besonders der ökonomische Boykott gegenüber vorgeworfen, ohne daß je echte Beweise hierfür dieser Stätte erinnerte, während der er vor dem Rußland durch die EU – auf Anordnung der erbracht werden. Dietmar Hänel, Flöha aufkommenden Faschismus warnte. USA – ist ein Beispiel für die begrenzte Souve- Als ich die Ausstellung besuchte, war ich inter- ränität der EU gegenüber den USA. Hierbei sei In den letzten Wochen ist viel über die Bedeu- essiert, wie die Autoren damit umgehen, daß auch an die Präsenz der US-Truppen samt der tung der Oktoberevolution geschrieben worden, das UNESCO-Komitee bereits im Jahre 2013 Atomsprengkörper verwiesen. Im Würgegriff ist wobei die Tatsache, daß sie stattgefunden hat, das „Manifest der Kommunistischen Partei“ und zur Zeit Venezuela, wo die progressiven Kräfte in den Leitmedien angekommen zu sein scheint. das erste Kapitel des „Kapitals“ als Welterbe verteufelt werden und die reaktionäre Kräfte Allerdings nicht ohne entsprechende Begleit- anerkannten und würdigten. Nichts dergleichen! sogar noch mit dem Sacharow-Preis belohnt kommentare, in denen man sich einig war, daß Durchgängig wird das Ziel dieser Geschichtsver- werden. Die USA haben mit ihrem Irak- und die „russische Revolution“ 1917 lediglich ein fälschung deutlich: Der Kommunismus soll auf 25 Afghanistan-Krieg erreicht, daß Millionen Flücht- bereits mit den Geburtswehen zum Scheitern Tafeln als Feind der Menschheit gebrandmarkt linge aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Die verurteilter Versuch war, gegen den immerwäh- werden! Ihre Inhalte gleichen sich ausnahmslos. Türkei bekämpft die Kurden in Türkisch-Kurdistan, renden Kapitalismus aufzubegehren. Der Marxismus-Leninismus wird verunglimpft während in Irakisch-Kurdistan die Kurden vom Bis in die Gegenwart kennt die Leichenfledderei und verfälscht, die revolutionären weltverän- Westen unterstützt werden. Ihr Ruf nach Freiheit an der Idee des Kommunismus keine Grenzen. dernden Ereignisse seit der Oktoberrevolution wird nicht akzeptiert. Die mit dem Westen eng Jegliche Erinnerung an den emanzipatorischen werden herabgewürdigt. Die Geschichte des verbundenen Staaten Saudi-Arabien und Katar Charakter, an das der sozialistischen Idee inne- Sowjetstaates wird generell als Kette von Miß- sind die aktivsten Unterstützer des IS. wohnende Friedensprinzip soll für alle Zeit getilgt erfolgen dargestellt. Angst ist ein Hauptlenkungsmittel, womit man und am Wiederaufblühen gehindert werden. Der Vergeblich sucht man in der Ausstellung das die Menschen manipuliert, die sich nicht mit von den Bolschewiki unternommene Versuch auch gegenwärtig so bedeutsame Leninsche dem Grundwissen eines Karl Marx ausgerüstet einer sozialistischen Alternative zum Kapita- Dekret über den Frieden. Weder die ausländische haben, um zu erkennen, daß Profitstreben das lismus und das millionenfache Engagement in militärische Intervention von vierzehn imperiali- ureigenste Ziel dieser Gesellschaftsordnung der kommunistischen Weltbewegung des 20. stischen Mächten, darunter auch Deutschland, ist. Der Krieg ist untrennbar damit verbunden, Jahrhunderts sollen ein für alle Mal aus dem noch die innere weiße Konterrevolution werden wobei die psychologische Manipulation ein Gedächtnis der Menschen getilgt werden. als die Hauptursachen von zeitweiligem Hunger wesentlicher Bestandteil ist. Die Ausstellung „Der Kommunismus in seinem und Elend nach dem Roten Oktober benannt. Udo Hammelsbeck, Drübeck Zeitalter“ der „Bundesstiftung zur Aufarbeitung Somit findet man folgerichtig auch keinen der SED-Diktatur“, die gegenwärtig im Stadt- Abschnitt, der die weltgeschichtlichen Verdienste Am 13. 11. 2017 wurde die „Europäische Ver- museum Weimar gezeigt wird, gibt Auskunft: der Roten Armee und ihre Befreiungsmission teidigungsunion“ gegründet, wobei sich 23 Sie versteht unter „Kommunismus“ allein das im Zweiten Weltkrieg würdigt, die bekanntlich EU-Staaten zu einer „ständigen strukturierten utopisch-totalitäre Projekt kommunistischer die Hauptlast des Kampfes gegen den Hitler- Zusammenarbeit“ verpflichteten. Es wird also eine Parteikader in der Sowjetunion, den osteuropä- faschismus zu tragen hatte. Sie bewahrte die EU-Armee aufgebaut. Das bedeutet Beteiligung ischen Ländern und China, Kuba und Nordkorea, Menschheit vor der Barbarei – Auschwitz bleibt an gemeinsamen Rüstungsprojekten, Bereitstel- gekennzeichnet von Terror und Massenrepres- ein ewiges Mahnmal. lung von Soldaten für Interventionseinsätze und sionen, die sich angeblich ausschließlich aus Natürlich wird die aufrichtige Freundschaft von regelmäßige Erhöhung der Rüstungsausgaben. dem diktatorischen Machtwillen der Parteiführer zahlreichen DDR-Bürgern zu den Angehörigen Interessant erscheint in diesem Zusammenhang, erklären. Kein Wort zu den Bewegungen in den der Sowjetarmee seit der Zerschlagung des daß Bundeskanzler Konrad Adenauer bereits Ländern Westeuropas und Lateinamerikas, zur Faschismus totgeschwiegen. 1949 in einer Rede vor dem 1. Bundestag „eine Rolle der Kommunisten in den Gewerkschaften, Was mich betrifft, so habe ich als Dolmetscher gemeinsame europäische Armee unter deutscher zu den weltweiten Solidaritätsbewegungen bei sowjetischen Beratern in der ehemaligen Führung forderte, da die Bedrohung aus dem in den Jahren vor und nach dem 2. Weltkrieg. Deutschen Grenzpolizei und später an der Osten zur Vernichtung der abendländischen Sie werden einfach ignoriert. Kein Wort über Offiziershochschule „“ in Kultur führen würde“. Das Ziel wurde bis heute wissenschaftliche Quellen der sozialdemo- Plauen jahrzehntelang Sowjetoffiziere kennen Seite 34 RotFuchs / Januar 2018

und schätzen gelernt, die nicht nur Marx und tenmaterial, 5,50 €) kann per E-Mail bei Jochen Über diesen neuen Erlaß „Die Traditionen der Lenin studiert hatten, sondern mir auch Heinrich Traut ([email protected]) bestellt werden. Bundeswehr“ sollen die Bürger nun befinden. In Heine nahebrachten. Oberst a. D. J. S. ihm wird zugleich die Strategie der Diffamierung Die Ausstellung soll nun der „Aufarbeitung der und Verunglimpfung der DDR und damit auch SED-Diktatur“ dienen. Durchgängig suggeriert Zu Eugen Drewermann: Weg mit der US Air Base der NVA fortgesetzt. die Exposition, daß die Bürger der sozialistischen Ramstein! (RF 238, S. 4) Der „Verband zur Pflege der Traditionen der Länder ihrer „Freiheit beraubt“ wurden. Und Beim Lesen der eindrucksvollen Rede des Theo- NVA und der Grenztruppen der DDR“ hält es was ist mit den Tausenden Mitarbeitern der logen Drewermann, in der er das Heraufziehen für dringend notwendig, einige der im Entwurf Fluggesellschaft „Air Berlin“, die infolge der vor einer neuen Kriegskatastrophe durch die alte dieses Erlasses gegen die NVA verwendeten kurzem verkündeten Insolvenz „freigesetzt“ wur- Politik des Imperialismus nachweist, dachte Argumente entschieden zurückzuweisen. In unse- den, deren Zukunft nunmehr völlig ungewiß ist? ich an die 80er Jahre der DDR, als eine nicht rer Stellungnahme heißt es: „Die unter Punkt 2.3 Warum so viel Hetze und Verleumdung, wenn unbeträchtliche Zahl vor allem junger Leute die aufgeführte Behauptung: ,Traditionsverständnis es um unseren sozialistischen Staat geht? an sich sinnvolle Forderung der Bibel, Schwer- und Fahneneid der NVA leiteten sich aus ihrem Die DDR hat unter Führung einer marxistisch- ter zu Pflugscharen umzuschmieden, auf ihre Selbstverständnis als … Parteiarmee ab‘ ist leninistischen Partei vierzig Jahre lang dem NATO-Kutten genäht hatte. Aber sie trugen die grundfalsch und dient der Diskreditierung der deutschen Monopolkapital die politische Macht Losung am falschen Ort. Die DDR mußte nicht Armee als Ganzes und ihres Führungspersonals. und das ausbeuterische Eigentum entzogen. zur Friedenspolitik ermahnt werden, sie war Die in der Verfassung der DDR festgeschriebene Das ist des Pudels Kern. bei ihr Staatsräson. Der ostdeutsche Staat hat führende Rolle der Partei, die für alle Bereiche Heinz Behrendt, Plauen/Vogtland keine Soldaten in Auslandseinsätze geschickt, des gesellschaftlichen Lebens in der DDR galt, sondern unterstützte alle politischen Bemühun- wird für eine solche Behauptung unzulässig Zu Reiner Neubert: Geschichtsvergessenheit gen, in brisanten Situationen zu wirkungsvoller strapaziert. deutscher Politiker (RF 237, S. 26) Abrüstung und Entspannung zu kommen. Die Die NVA der DDR war eine echte Volksarmee, 1943/44 meinte der für die Spionage gegen Losung, daß nie wieder von deutschem Boden die sich dem Volke der Deutschen Demokra- die Rote Armee zuständige Generalmajor der Krieg ausgehen dürfe, war Grundlage zahlrei- tischen Republik verbunden fühlte und deren Hitlerwehrmacht Reinhard Gehlen, dieser Krieg cher Initiativen der DDR zur Sicherung eines Führungspersonal aus dem Volke stammte. Diese gehe verloren. Folgerichtig setzte er sich 1945 mit dauerhaften Weltfriedens. Es war ja auch nicht Verbundenheit mit dem Volke haben Führung und allen zur Verfügung stehenden Unterlagen und die reine Friedensliebe, die damals die Träger Truppe der NVA auch während der politischen einer ausgesuchten Mannschaft nach Bayern ab, der Aufnäher motivierte, sondern sie wollten Ereignisse in den Jahren 1989/90 bewiesen. meldete sich bei den Amerikanern und wurde damit ihre Opposition zum Staat ausdrücken. Aufgabe der Nationalen Volksarmee war es, von diesen in ein Speziallager in die USA ausge- Nun hat sich die internationale Lage in bedrüc- gemeinsam mit den anderen Armeen der Staa- flogen. Nachdem alle vorliegenden Materialien kender Weise verschärft, wie Drewermann ten des Warschauer Vertrages den Schutz der und Personen überprüft waren, wurden er und treffend charakterisierte. Die außerordentlich Grenzen dieser Staaten und des Friedens zu seine Mannschaft zurück nach Deutschland zurückhaltende Reaktion der Bundesregierung gewährleisten, nicht aber für die Stabilität im gebracht. In einem Militärobjekt bei München, auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an Innern der DDR Sorge zu tragen. in Pullach, baute der ehemalige Hitlergeneral die aus 318 Anwärtern ausgewählte Internatio- Auch der Punkt 3.4 kann nicht unwidersprochen die nach ihm benannte Organisation Gehlen nale Kampagne zur Abschaffung von Atom- bleiben. Unser Verband verwahrt sich ganz ent- auf. Aus dieser Organisation entstand der BND. waffen (ICAN) erklärt sich mit deren Billigung schieden dagegen, in einem Atemzug mit dem In seinen Memoiren bezieht sich Gehlen auf zur weiteren Lagerung atomarer Kampfmittel NS-Regime und der faschistischen Wehrmacht Regeln für die politisch-psychologische Sub- auf deutschem Boden – in Büchel nahe Köln genannt zu werden. version, die der Chinese Sun Tzu etwa 500 – und deren bevorstehende Modernisierung. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, v. Chr. aufgestellt hatte: „… Zersetzt alles, was Da muß schon die Frage erlaubt sein, warum daß NVA und Wehrmacht gleichgestellt werden im Lande des Gegners gut ist. Verwickelt die die sich tapfer dünkenden Träger der Aufnäher sollen. Damit werden Verbrechen der Wehrmacht Vertreter der herrschenden Schichten in ver- „Schwerter zu Pflugscharen“ nicht wieder zu verharmlost und die Lebensleistungen der Sol- brecherische Unternehmungen; unterhöhlt auch Nadel und Faden greifen und mit dieser heute daten der DDR, deren höchste Motivation die sonst ihre Stellung und ihr Ansehen, gebt sie durchaus angebrachten Losung Front machen Erhaltung des Friedens war, herabgewürdigt. der öffentlichen Schande vor ihren Mitbürgern gegen den gefährlichen Kurs der Bundesregie- Während ihrer Existenz hat die NVA weder Kriegs- preis. Nutzt die Mitarbeit auch der niedrigsten rung mit der deutschen Teilnahme an der Politik verbrechen begangen noch völkerrechtswidrige und abscheulichsten Menschen. Stört mit allen des „Hineingrabens in die Vakuumsländer der Kriege geführt! Im Gegenteil, durch ihr Wirken Mitteln die Tätigkeit der Regierungen. Verbreitet alten Sowjetunion“, wie Drewermann diesen im Verbund des Warschauer Vertrags hat sie zur Uneinigkeit und Streit unter den Bürgern des aggressiven NATO-Kurs treffend nennt. längsten Friedensperiode in der europäischen feindlichen Landes. Fördert die Jungen gegen die Wo sind die Aktivisten aus der Heldenstadt Leipzig, Geschichte beigetragen. Eine Zeit, die seit dem Alten. Zerstört mit allen Mitteln die Ausrüstungen, die Recken von der Berliner Gethsemane-Kirche völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien, die Versorgung und die Ordnung der feindlichen heute? Wo bleibt ihr Protest gegen die Politik des auch unter Mitwirkung der Bundeswehr, zu Grabe Streitkräfte. Entwertet alte Überlieferungen Anheizens politischer Krisen, der Einmischung getragen wurde.“ Vorstand und Ältestenrat und Götter. Seid großzügig mit Angeboten und in die Angelegenheiten anderer Staaten, der Geschenken, um Nachrichten und Komplicen Falschbeschuldigung der „anderen“ und fataler Die Wahl zum Deutschen Bundestag 2017 ist zu kaufen. Bringt überall geheime Kundschafter deutscher Waffenexporte in Spannungsgebiete? Geschichte. Daß es der AfD gelungen ist, ein so unter. Spart überhaupt weder mit Geld noch mit Fühlen sich die – oft als Friedenskämpfer mas- hohes Wahlergebnis einzufahren, wird mit großer Versprechungen, denn es bringt hohe Zinsen ein.“ kierten – Aktivisten der Anti-DDR-Bewegung Empörung zur Kenntnis genommen. Doch die Gehlens Nachfolger scheinen diese Richtlinien von damals heute wohl auf dem Pulverfaß, auf bürgerlichen Parteien mit ihrer volksfeindlichen und Leitsätze nicht vergessen zu haben. dem wir alle sitzen? Glauben sie wirklich, die Politik (die den Reichtum einer kleinen Mono- Hans-Jürgen Harzer, Gera Freiheit Deutschlands werde am Hindukusch polistengruppe immer stärker vermehrt und verteidigt? Können sie ertragen, daß Staaten- die Armen immer ärmer werden läßt, die einen Die Arbeitsgruppe von Verbänden des ostdeut- lenker heute über nukleare Waffen und ihren massiven Sozialabbau betreibt und über „Einspa- schen Kuratoriums beim Landesverband Die Linke möglichen Einsatz schwadronieren, als wäre rungen“ in alle Lebensbereiche der Menschen Thüringen hat eine umfangreiche Dokumentation von der harmlosen Armbrust Wilhelm Tells die massiv eingreift) haben selbst mit für diesen über den Tod des Grenzpolizisten Herbert Liebs Rede? Rudolf Krause, Berlin Rechtsruck gesorgt. Beim überwiegenden Teil herausgegeben. Bernd Dehn hat dieses Ereignis der AfD-Wähler handelt es sich um Menschen, erforscht und mit seiner Arbeit in den Archiven Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sah die mit der gegenwärtigen Politik höchst unzu- und der Befragung von Zeitzeugen die Wahrheit sich gezwungen, der Öffentlichkeit den Entwurf frieden sind. Sie wollten offensichtlich mit ihrem über die Tat von Angehörigen der US-Armee eines Dokuments über eine Reihe rechtsextre- Votum allen anderen Parteien einen Denkzettel belegt (siehe auch RF 229, Seite 11). mistischer Umtriebe in der Bundeswehr, die für deren unsoziale und arbeiterfeindliche Politik Die Broschüre (108 Seiten, umfangreiches Kar- deren Ansehen schaden würden, vorzulegen. verpassen. RotFuchs / Januar 2018 Seite 35

Warum aber haben diese „Protestwähler“ nicht werden könnte. Das scheint der Wirklichkeit am Menschen berufen kann. Es ist beschämend, d i e Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, nächsten zu kommen, denn vor allem bestimmte daß die BRD (und ihr SPD-Außenminister) am 7. die Partei Die Linke, gewählt? In Stellungnahmen Führungskräfte der PDL scheinen die klassenlose Juli in New York gefehlt haben. Wir Friedensbe- der PDL dazu habe ich noch keine schlüssige Gesellschaft als Ziel der Entwicklung gar nicht wegten fordern, daß Regierung und Bundestag Erklärung gefunden. Ich führe das schlechte mehr im Blick zu haben. Sie wollen – wie die SPD dieses Thema endlich aufgreifen, den Vertrag Wahlergebnis der Linken auf zwei grundlegende – einen Kapitalismus „mit menschlichem Antlitz“. unterzeichnen, die US-A-Waffen von Büchel Ursachen zurück: Nicht nachzuvollziehen ist, daß die PDL nichts verschrotten, die US-Army-Stützpunkte in der Zum einen hat sie nach meiner Auffassung den dafür tut, die Klasse der Lohnabhängigen mit BRD schließen und die Kriegsdrohungen von Anspruch, ihre Politik auf die Interessen der arbei- theoretischem Grundwissen der Klassiker für die Trump verurteilen. tenden Menschen auszurichten, offensichtlich Bildung ihres Klassenbewußtseins vertraut zu Von den Medien erwarten wir, daß sie dem Atom- aufgegeben. Es fällt schwer, in ihrem Agieren machen. Mitglieder der Partei selbst, vor allem waffenabrüstungsvertrag endlich die gebührende einen Unterschied zu den anderen Parteien die unter 40jährigen, verfügen in ihrer Mehrheit Beachtung schenken, fair darüber berichten und festzustellen. In Brandenburg, in Berlin und in über kein marxistisch-leninistisches Grundlagen- die Hetze gegen Rußland und China einstellen. Thüringen ist Die Linke in die Regierungsarbeit wissen. Vom Doppelcharakter der Ware, dem Rußland, China und Indien sind zur atomaren Abrü- dieser Länder eingebunden. Aber wo, so fragt Mehrwertgesetz, der historischen Mission der stung bereit, wenn der größte Atomwaffenbesitzer man sich, ist die „linke“ Handschrift spürbar? Arbeiterklasse u. a. haben sie bestimmt noch (der erste und bisher einzige, der Atombomben Wie unterscheidet sich die Politik dieser Bun- nichts oder nicht viel gehört. Aber, auch das auf Menschen warf – in Hiroshima und Nagasaki) desländer von den Bundesländern, die von CDU, wissen wir, Klarheit im Handeln setzt Klarheit ebenfalls seine Atomwaffen vernichtet. CSU, CDU/SPD und Grünen regiert werden? im Denken voraus. Vor Wochen habe ich bei Horst Jäkel, Potsdam Nach der Konterrevolution 1989/90 wurden wir der Linksjugend und dem Bereich politische als diktaturgeschädigte DDR-Bürger beschimpft, Bildung beim Parteivorstand der PDL nach Den folgenden Brief schrieb unsere Leserin und man glaubte, uns die Segnungen der kapi- Angeboten für Schulungen zu den Klassiker- an Gisela Steineckert. Sie stellte ihm ein Zitat talistischen Scheindemokratie nahebringen zu Werken gefragt. Es erfolgte keine Reaktion. Arthur Schopenhauers voran: „Meistens belehrt müssen, deren Wesensmerkmal der Kompromiß Auch auf der Internetseite wird an keiner Stelle uns erst der Verlust über den Wert der Dinge.“ sein sollte. Doch ich sehe keine Vorteile für den auf eine solche Option hingewiesen. Daß es Liebe Gisela Steineckert! arbeitenden Menschen in diesem System durch auch anders geht, beweist die DKP. Auf ihrer „Aber im Leben ist das meiste nicht so einfach, irgendwelche eingegangenen Kompromisse. Sie Internetseite werden Lehrveranstaltungen zur wie wir es uns machen.“ Das ist der letzte Satz dienten bisher lediglich dazu, Machtpositionen genannten Thematik angeboten. in Ihrem neuesten Buch, welches ich jetzt las von führenden Parteimitgliedern zu festigen, Wolfgang Reinhardt, Nordhausen und durchdachte, nachdenklich rückblickend, Besitzansprüche des Großkapitals zu wahren zustimmend, resignierend und doch hoffnungsvoll ... und Kritiker mit Scheinreformen, beispielsweise Zu Ekkehard Lieberam: Kommunistenverfolgung Ich bin 68 Jahre alt und seit 45 Jahren verheiratet. im sozialen Bereich, ruhigzustellen. in der BRD der 50er und 60er Jahre (RF 238, S. 6) Aufgewachsen bin ich in der hübschen Kleinstadt Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewe- Seit meinem 14. Lebensjahr war ich gesellschaftlich Bernburg an der Saale. Meine schöne Kindheit gung hat uns gelehrt, daß kein Zugeständnis aktiv. In meinem Ausbildungsbetrieb engagierte und Jugend strahlt noch in mein Rentnerleben der Bourgeoisie gegenüber den werktätigen ich mich in der FDJ, später als FDJ-Sekretär. 1962 hinein. Wir lebten unbekümmert, voller Neugier Massen das Ergebnis irgendwelcher Kompro- wurde ich auf die Jugendhochschule „Wilhelm auf das Kommende. Den Frieden nahmen wir als misse war, sondern daß es jeweils in harten Pieck“ am Bogensee bei Bernau delegiert. Dort gegeben hin und lernten, daß er zu schützen sei. Klassenkämpfen erkämpft werden mußte. Daran hatte ich Gelegenheit und das große Glück, Welch ein zerbrechliches Glück er war, wissen wir hat sich bis heute nichts geändert. Die Linke den aus dem Gefängnis der BRD geflohenen erst jetzt zu schätzen, da er wieder bedroht ist. hat, um mitregieren zu dürfen, ihre Prinzipien Genossen Jupp Angenfort begrüßen zu dürfen. 1973 zog ich zu meinem Mann nach Dresden. Er und ihre Vergangenheit geopfert. Das scheint Er sprach lange und ausführlich über die Politik war als Monteur des VEB Verpackungsmaschi- eine der Hauptursachen dafür zu sein, daß sie der BRD und den Kampf der fortschrittlichen nenbaus NAGEMA weltweit unterwegs. Schon von den Wählern so gnadenlos bestraft wurde. Menschen in diesem Land – ein Erlebnis, das damals lernte er zu unterscheiden zwischen der Letztens las ich in einem Kommentar einer bis heute in mir nachwirkt. Gastfreundschaft der oft armen Arbeiter und bürgerlichen Zeitung „es sei anerkennenswert, Annerose Thorhauer, Crimmitschau dem ausbeutenden kapitalistischen System. daß sich Die Linke immer mehr von ihrer kom- Wir ahnten nicht, daß dieses System bald auch munistischen Vergangenheit distanzieren“ würde, Zu Konstantin Brandt: Erinnerung an Kurt Bartel unsere Grundmauern erschüttern würde. damit sei sie „durchaus regierungsfähig“. (RF 238, S. 29) Liebe Frau Steineckert, seit drei Jahren lese ich Eine solche Feststellung muß einen ehemaligen 1949/50 lernte ich an der Schule der Volkspolizei den „RotFuchs“. Beiträge von Ihnen darin zu Bürger der DDR und Mitglied der SED ins Herz in Rostock, an der es auch einen Chor gab, des- finden, hat mich sehr erfreut, zumal ich schon als treffen. Warum soll ich mich meiner Vergangen- sen Mitglied ich war. Wir hatten die Möglichkeit, junge Frau manchen Rat aus Ihren Artikeln in der heit schämen? Am Ende meines Lebens bin ich mit unserem Ensemble an den Weltfestspielen „Für Dich“ entnehmen konnte. Später schenkte stolz darauf, daß wir aus einem unermeßlichen und dem 1. Deutschlandtreffen der Jugend mir mein Sohn Bücher von Ihnen. Trümmerhaufen, den uns ein faschistisches 1950 teilzunehmen. Da es für uns damals aber Die aktuelle politische Lage bereitet mir große Deutschland hinterlassen hat, einen in der Welt keine Liedertexte gab, kam Kurt Bartel zu uns, Sorge. Statt von Friedensbemühungen hören wir anerkannten, hochindustrialisierten sozialistischen um Lieder zu komponieren. Unser erster Auftritt, nur von Abschreckung, Bedrohung, Erhöhung von Staat schaffen konnten, bei dessen Aufbau ich dem noch viele weitere folgten, war in Berlin Militärausgaben, Aufstockung von NATO-Kräften, mitgeholfen habe. Trotz aller Fehler, die wir mach- im Admiralspalast vor der Regierung der DDR. Erpressung, Sanktionen gegen Rußland usw. ten, können wir stolz auf diese Aufbauleistung Anton Schwarz, Schwerin Menschen verirren sich im Überangebot von sein. Die SED hatte aus dem jahrzehntelangen Waren, Medienberichten, Ratschlägen und fal- Kampf der Arbeiterklasse gegen die Ausbeut- Zu: UN beschließen historisches Abkommen (RF schen Lehren. Es gehört viel Selbstbewußtsein ergesellschaft, gegen Krieg und Verderben die 236) und Nobelpreis stärkt Friedensbewegung und eigenständiges Denken dazu, den Wahnsinn einzig richtigen Lehren gezogen und auf dem (RF 238) zu durchschauen und ihm entgegenzutreten. Territorium der DDR entsprechend gehandelt. Am 7. Juli haben in New York 122 UN-Mitglied- Haben wir keine Lehren aus zwei verheerenden Die Linke ist aus dieser Partei hervorgegangen. staaten einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen Weltkriegen gezogen? Wohin driften wir? Ist Wenn sie weiterhin diese Wurzeln leugnet, wird (Verbot der Anwendung von A-Waffen, Verbot die in Gang gesetzte Kriegsmaschinerie noch sie als Partei der Ausgebeuteten keine Zukunft der Drohung mit A-Waffen) unterzeichnet. zu stoppen? haben. Peter Truppel, Cottbus Jetzt wurde die Friedensorganisation ICAN, die In all der politischen Trostlosigkeit müssen wir sich aktiv für einen solchen Vertrag engagiert trotz alledem für den Erhalt des Friedens kämpfen. Aus PDS und WASG entstand die Partei Die hat, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In diesem Sinn müssen sich alle friedliebenden Linke. Warum dieser Name? Heute meine ich, Beides ist eine gute Grundlage für die Weltfrie- Menschen in Europa vereinen und der NATO ein daß man diese Bezeichnung wählte, weil sie densbewegung, die sich so auf die Mehrheit millionenfaches Stop! zurufen. diffus ist und später unterschiedlich interpretiert der UNO-Mitglieder und auf die Mehrheit der Siglinda Funke, Dresden Seite 36 RotFuchs / Januar 2018

„Ich habe Euch jeden Montag gewarnt …“

■■ Regionalgruppe Berlin- ■■ Regionalgruppe Gera Hohenschönhausen Am 31. Januar um 18 Uhr spricht der ■ NEU ERSCHIENEN ■ Am 31. Januar um 18 Uhr spricht Rainer Journalist und Autor Volker Hermsdorf Perschewski, Bundessprecher der zum Thema: Kuba im Wandel – Aufbruch Das „RotFuchs“-Jahresinhalts- Betriebsgruppen der Eisenbahner- und oder Abbruch? verzeichnis 2017 kann ab sofort beim Der Verkehrsgewerkschaft, zum Thema: Ort: Stadtbibliothek Gera, Vertrieb unter gewerkschaftliche Kampf im Grundwiderspruch Puschkinplatz 7 A, 07545 Gera Tel. 030/53 02 76 64 oder per zwischen Kapital und Arbeit E-Mail an [email protected] Ort: Nachbarschaftshaus im Ostseeviertel, angefordert werden. Ribnitzer Straße 1 B, 13051 Berlin

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