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Dreigroschenheft Informationen zu

24. Jahrgang Heft 2/2017

Eine Nische für das Brechtfestival in Augsburg (Foto) Brecht-Tage in , Thema Oktoberrevolution Dieter Henning über Brechts Trotzki-lektüre Schulwettbewerb des Brechtkreises brechtige Bildbände

aus dem Wißner-Verlag

 Seiten | über  farbige Abbildungen ISBN ---- | , 

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Anzeige_3GH_Jugendstil-Historismus_170228.indd 1 01.03.2017 15:06:08 Inhalt

Editorial . 2 Der Augsburger Impressum. 2 Sonderausstellung im Augsburger Brechthaus (mf) . 33 Brecht-Festival Augsburg Zweiter Augsburger Schulwettbewerb des Die Maßnahme: Parteinahme gegen die Brechtkreises (mf). 34 „Partei“. 3 Mit Bi bei Kaffee und Kuchen. 36 Andreas Hauff Eine Begegnung mit Frau Paula Gross, geb. Banholzer 25 Jahre Brecht-Forschungsstätte. 8 Wolfgang Leeb Michael Friedrichs Neuauflage: Die Erinnerungen von Paula Neunmalgut (mf). 10 Banholzer („Bi“). 38 Michael Friedrichs „Der gute Mensch von Downtown“ (mf) . 11 Eine spannende Kombi: „Hollywooder Musik Liederbuch“ deutsch-afrikanisch (mf) . 12 Bei Lotte Lenya zu Besuch . 39 Werkstatttag Bertolt Brecht und Walter Ernst Scherzer Benjamin:Laboratorium Vielseitigkeit (mf). . 13 Benjamin und Brecht heute begegnen. . . . . 14 Hegel Milena Massalongo Minima Hegeliana Zu Brechts Denkbildern (6) Das unheimliche Werk . 40 Brecht-Tage Berlin Frank Wagner Brecht-Tage 2017: 100 Jahre nach der Oktoberrevolution. 16 Bertolt-Brecht-Archiv Christian Hippe Kotzlandschaft. Ein unbekannter Brief Brechts Ochs und Paradox (mf). 21 an Helene Weigel. 42 Rätselhaftes Zeichen Lenin, Stalin Erdmut Wizisla Die Massen, der Aufstand, die Führung . 22 Neu in der Bibliothek des Bertolt-Brecht- Brechts Trotzki-Lektüre auf der Grundlage der Archivs. 45 Nachlassbibliothek Zusammenstellung: Helgrid Streidt Dieter Henning Leserbrief zu Heft 1/2017. 30 Nachruf Werner Hecht gestorben. 52 Rezension Michael Friedrichs Eine schmerzhafte Lektüre: Brechts Star Carola Neher im Kräftefeld der Sowjetunion. . . . . 31 Michael Friedrichs

Dreigroschenheft 2/2017  Editorial Impressum

Das Motto des ersten Brecht-Festivals unter Dreigroschenheft Leitung von Patrick Wengenroth in Augs- Informationen zu Bertolt Brecht burg war „Ändere die Welt, sie braucht Gegründet 1994 es“. Weniger Starglanz, mehr Werkstatt, so Herausgeber 1994-2009: Kurt Idrizovic kann man es wohl zusammenfassen. Wir www.dreigroschenheft.de berichten ausführlich über einige Auffüh- rungen, v. a. Die Maßnahme. Der Kultur- Erscheint vierteljährlich zu Quartalsbeginn Einzelpreis: 7,50 € auschuss des Augsburger Stadtrats hat eine Jahresabonnement: 30,- € Verlängerung des Vertrags mit Wengenroth befürwortet. Anschrift: Wißner-Verlag GmbH & Co. KG Weitere Schwerpunkte dieses Heftes: Im Tal 12, 86179 Augsburg Telefon: 0821-25989-0 • Brecht-Tage in Berlin mit dem Thema www.wissner.com 100 Jahre Oktoberrevolution (Bericht [email protected] von Christian Hippe). [email protected] • Dieter Henning über Brechts Lektüre Bankverbindung: Wißner-Verlag GmbH & Co. KG marxistischer Schriften auf Grundlage Stadtsparkasse Augsburg der Nachlassbibliothek; nach Lenin ist Swift-Code: AUGSDE77 diesmal Trotzki dran. IBAN: DE15 7205 0000 0000 0282 41 • Schulwettbewerb des Augsburger Brecht- Kreises zum Thema Erste Liebe, dazu Redaktionsleitung: Michael Friedrichs (mf) persönliche Erinnerungen an Brechts Wissenschaftlicher Beirat:Dirk Heißerer, Tom Kuhn, erste Liebe Bi Banholzer. Joachim Lucchesi, Werner Wüthrich Lesen Sie wohl! Autoren in dieser Ausgabe: Michael Friedrichs, Andreas Hauff, Dieter Henning, Christian Hippe, Wolfgang Leeb, Mea Culpa Milena Massalongo, Ernst Scherzer, Helgrid Streidt, Frank Wagner, Erdmut Wizisla Im letzten Heft ist mir in der letzten Phase vor dem Druck ein ärgerlicher Layoutfehler Titelbild: Eine Nische unterhalb des Liliom-Kinos in Augs- unterlaufen, und ausgerechnet den sorgfäl- burg, eingerichtet vom benachbarten Grandhotel Cosmopolis für die Dauer des Brecht-Festivals (Foto: mf) tigen Autor Volkmar Häußler hat er betrof- fen: In seinem Beitrag „Noch eine Brecht- Druck: WirmachenDruck GmbH, Backnang Karikatur“ fehlen die letzten beiden Zeilen auf Seite 42. Der Absatz lautet vollständig: ISSN: 0949-8028 „Als Marxen seine Plagiatoren Einzug halten lässt, da ist Brecht schon zwei Jah- re einer der Gladiatoren der deutschen Gefördert durch die Literatur.“ Stadt Augsburg In der pdf-Version auf unserer Homepage wurde der Fehler frühzeitig korrigiert. ¶ Gefördert durch den Michael Friedrichs Bert Brecht Kreis

 Dreigroschenheft 2/2017 F estival

Maschinen des Gaswerks Augsburg-Oberhausen bilden das Ambiente der Inszenierung (Foto: Christian Menkel)

Die Massnahme: Parteinahme gegen die „Partei“ Andreas Hauff

Wer als Zuschauer das Brecht-Festival mit „Er hat nicht an das große Ganze gedacht“, der Produktion Der gute Mensch von Down- beschreibt eine ältere Dame ihrer Nach- town eröffnen wollte, bewegte sich zumin- barin das Grundproblem des „jungen dest räumlich auf gewohnten Wegen: Diese Genossen“, der von seinen Mitkämpfern Aufführung fand auf der Brecht-Bühne des getötet und die Kalkgrube geworfen wird, Augsburger Theaters statt. Die zweite Pre- nachdem er durch seine Spontaneität den miere, Brechts Lehrstück Die Maßnahme, Erfolg des kommunistischen Undercover- musste wegen der vorzeitigen Schließung Unternehmens in China gefährdet hat, auf des Großen Hauses auf das alte Gaswerkge- das er sich so enthusiastisch eingelassen hat. lände im Stadtteil Oberhausen verlegt wer- Das Szenario war und ist umstritten; man den; und ein Bus-Shuttle der Stadtwerke hat Brecht sogar Sympathien für die stali- brachte die Zuschauer vom Theater dorthin nistischen Schauprozesse vorgeworfen, ob- und wieder zurück. wohl das Stück – wie auch die Augsburger Aufführung von 2011 schon zeigte – eher Dass es nach der Vorstellung zu lebhaften als Versuchsanordnung und Denkmodell Gesprächen kommt, darf man als Verdienst zu verstehen ist. von Regisseur und Ausstatter Selcuk Cara werten: Der türkischstämmige Sänger und 2017 formuliert die Vorschau im Festival- Filmregisseur hat mit seiner ersten Theater­ programm spürbare Sympathie für den arbeit eine diskussionswürdige Inszenie- mutmaßlichen Versager. „Hier steht ein Pro- rung vorgelegt, und ich finde mich im Bus tagonist im Vordergrund,“ lesen wir, „der ein zwischen gleich drei lebhaften und sehr System mit all seiner Kraft, selbst unter Le- verschiedenen Nachgesprächen wieder, die bensgefahr, zu unterstützen versucht. Doch sich leider akustisch überlagern. etwas hindert diesen jungen, idealistischen

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Flüchtlingsszenario als Vorspiel: Auch das Publikum in bedrängter Situation (Foto: Christian Menkel)

Menschen daran, sich völlig dem Diktat des delns aufzukommen und nicht nur den Systems zu unterwerfen: Es ist sein ‚eigenes eigenen moralischen Maßstäben gerecht Gesicht‘, seine Individualität, sein Wesen.“ zu werden. Verlangt denn nicht jedes poli- Und dann überträgt der Ankündigungstext tische Handeln in der Welt, so wie sie ist, diese Konstellation auf die aktuelle Politik ein Mindestmaß an Taktik und Strategie? In von Bundesregierung und Europäischer einem der in der Maßnahme geschilderten Union in der sogenannten Flüchtlingskri- Fälle weigert sich der junge Genosse aus se. Bundesinnenminister Thomas de Mai- moralischer Abscheu, mit dem öligen und zière wird mit den Worten zitiert: „Auch ausbeuterischen Reishändler zu essen, der wenn wir jetzt einige Wochen ein paar harte die chinesischen Kulis für den Kampf be- Bilder aushalten müssen, unser Ansatz ist waffnen soll. Damit platzen die Verhand- richtig.“ EU und Innenminister werden mit lungen. Hier kommt in der Augsburger dem „Kontrollchor“ und den Agitatoren in Aufführung auf die Frage: „Was hätte der Brechts Stück verglichen: „Sie wollen, dass junge Genosse tun sollen?“ tatsächlich eine ich für das große Ganze, für das System, für Antwort aus dem Publikum: „Essen!“ In der die EU meinen Begriff der Mitmenschlichkeit Tat: Wer etwas erreichen will, kann sich den und des Mitleids auf bürokratische Art neu Gesprächspartner nicht immer aussuchen; definiere.“ Es komme aber gerade darauf an, ein Problem, das die Diskussion über die „Gesicht zu zeigen“, wie der junge Genosse. deutsche Außenpolitik in den letzten Wo- chen immer wieder in Vibration versetzt. Letzteres ist nun ein Standpunkt, gegen den in politischen Diskussionen seit Jahr- Ein anderer Aspekt dieser Frage allerdings zehnten immer wieder Max Webers Un- ist die nach der Qualität des politischen terscheidung zwischen Gesinnungs- und Ziels. Wo der eine Thomas de Maizières Zitat Verantwortungsethik bemüht wird. Ver- für den Ausdruck staatstragender Vernunft antwortungsethik heiße eben, auch für die hält, sieht der andere Stimmungsabfuhr, vorhersehbaren Folgen des eigenen Han- Stimmungsmache und politische Kurz-

 Dreigroschenheft 2/2017 F estival

Beschwingter Tanz zum Song von der Ware: „Weiß ich, was ein Mensch ist?“ (Foto: Christian Menkel) sicht. Denn kann europäische Abschottung hauses. Ab und an wird eine Gruppe einge- wirklich das große Ziel sein, oder ist nicht lassen, dann heißt es wieder warten. Einige eigentlich die globale Verantwortung „das Zuschauer werden privilegiert, indem sie große Ganze“? Und umgekehrt auf Brechts an der zweiten Station eine Taschenlampe „Maßnahme“ bezogen – war der wieder erhalten. Im Sauger- und Kühlhaus drängt und wieder beschworene Kommunismus sich schließlich das gesamte Publikum ste- zumindest in dieser Form nicht eigentlich hend zusammen. Auf der linken Seite ist ein mächtiger, folgenreicher Irrtum einer hinter einem Maschendrahtzaun eine Art entschlossenen Minderheit? Strand aufgeschüttet; dort finden sich einige junge Darsteller beiderlei Geschlechts, die Der Regisseur setzt zunächst einmal auf das immer wieder aus Brechts Stück abgeleitete Flüchtlings-Szenario. Geschickt nutzt er die Parolen rufen: „Bist du ein Mensch?“ und Architektur des Geländes, um das Publikum „Sind bei dir Gefühl und Verstand getrennt?“ auf die Situation des Wartens und Ausge- oder dergleichen. Später wird man mir von liefertseins einzustimmen. Erst bilden sich einem Schlauchboot auf dem Strand-Ab- lange Schlangen am weißen Einlass-Zelt, schnitt berichten; ich bekomme es gar nicht dann am Tor des kleinen Sauger- und Kühl- zu sehen, dafür allerdings eine Gruppe von

Dreigroschenheft 2/2017  Fotografen, die einen jungen Mann in ver- Jesus vor, den Menschen die Freiheit des schiedene besonders fotogene Elendspositi- Gewissens gegeben zu haben. Dagegen leh-

F estival onen bringen. Das lange Warten – am Ende re die Amtskirche die Menschen nun, „dass fast 45 Minuten – ist „grenzwertig“, wie nicht der freie Entschluss ihrer Herzen und man so sagt, auch wenn die winterlichen nicht die Liebe das Entscheidende ist, son- Temperaturen nachgelassen haben. Im- dern jenes Geheimnis, dem sie sich blind un- merhin hat das Publikum das Brecht-Stück terordnen müssen, selbst gegen ihr Gewissen. gebucht und nicht einen Platz in der War- Das haben wir denn auch getan. Wir haben teschlange; und nicht jeder ist der Anstren- deine Tat verbessert und sie auf das Wunder, gung des unerwarteten Demütigungsrituals das Geheimnis und die Autorität gegründet. gewachsen. Doch letzteres ist tatsächlich Und die Menschen freuten sich, dass sie wie- nur ein Prolog. der wie eine Herde geleitet wurden und dass endlich das furchtbare Geschenk, das ihnen Als wir nach langem Eingesperrtsein so viel Qual bereitet hatte, von ihren Herzen schließlich ins Apparatehaus eingelassen genommen war.“ werden, finden wir eine neue Situation vor. Das Licht ist dämmerig, es riecht stark nach Hier finden wir schon den Kern von Caras Weihrauch; der hintere Teil der Halle ist ab- Lesart der Maßnahme. Der Kommunismus getrennt durch einen schwarzen Vorhang; erscheint ihm als politische Religion, de- davor befindet sich ein Podium, das an einen ren ursprüngliche, mitfühlende Variante Altarraum erinnert, auf ihm – madonnen- der junge Genosse vertritt. Doch anders als artig – eine junge Frau (Katharina Rivilis) Dostojewskis Jesus, der am Ende schwei- im weißen Kleid. Näher am Eingang stehen gend den Großinquisitor küsst und wieder links einige Kirchenbänke und rechts ein verschwindet, unterwirft sich der junge weiteres Podium mit einer älteren, laut le- Genosse dem menschenverachtenden Dik- senden Frau (Dagmar von Kurmin); dazwi- tat der Amtskirche bzw. Partei. Cara lässt schen finden wir Maschinen und Rohre – sichtbar nur drei Agitatoren zugleich auf- ein Rest der alten technischen Ausrüstung, treten, und auch sie in weißer Kleidung; jetzt geeignet, sich ein wenig anzulehnen und schon ihre Befragung an der Grenze, oder hinzusetzen, falls man einen der vie- die sie jeweils mit einem resoluten „Nein“ len Stehplätze hat. Die Sicht auf das, was beantworten, hat etwas Rituelles. Die Sym- sich unterhalb des Podiums abspielt, ist je bolik der Zahl Drei führt zurück aufs Alte nach Platz wirklich schlecht. (Das ominöse Testament: Gottes Besuch bei Abraham Schlauchboot sei wiederverwendet worden, (1. Buch Mose, Kap. 18) vollzieht sich im wird man mir später erzählen.) Erscheinen von drei Männern. Das Be- kenntnis zum Kommunismus wird nach Vorerst aber geht es nur ums Hören, denn Art des kirchlichen Glaubensbekenntnisses Cara stellt der eigentlichen Aufführung gesprochen, die Aussendung erfolgt nach noch einen zweiten Prolog voran: Dagmar einer liturgischen Formel; Volker Zack klet- von Kurmin liest das Kapitel Der Großin- tert als Leiter des Parteihauses hoch auf ein quisitor aus Fjodor Dostojewskis Roman dickes Rohr der Apparatehalle, wedelt mit Die Brüder Karamasow. Darin wird von dem Weihrauchfass und singt im Gestus der Rückkehr des Jesus von Nazareth auf eines nicht mehr ganz nüchternen Dorf- die Erde zur Zeit der spanischen Inquisiti- geistlichen. Er ist, nebenbei bemerkt, ein on berichtet. Der Großinquisitor lässt den markanter, dabei sehr wandlungsfähiger Erlöser, nach dem sich die Kirche benannt Darsteller. Ein Tenor ist er hingegen nicht: hat, verhaften und bekennt sich zu Satan als Fürs Lied des Reishändlers „Weiß ich, was dem eigentlichen Herrn der Kirche; er wirft ein Mensch ist?“ trägt die Stimme zu wenig.

 Dreigroschenheft 2/2017 Die weiteren Rollen, auch die des 4. und so nicht gewollte) Erklingen der Musik aus 5. Agitators, werden innerhalb des sehr be- dem Off von starker symbolischer Bedeu- weglichen Schauspieler-Ensembles verteilt, tung. Die von Hanns Eisler komponierten F estival das durch Luise Wolfram und Florian Ma- Klänge kommen wie von einer nicht ein- nia überzeugend abgerundet wird. sehbaren Kirchenempore oder wie aus dem „mystischen Abgrund“ des verdeckten Eindimensional wirkt die kommunistische Orchestergrabens in Richard Wagners „Amtskirche“ durchaus nicht. Der Sprech- Bayreuther Festspielhaus; sie klingen auch stil ändert sich, manche Textstellen werden oft nach protestantischem Posaunenchor auch zweimal und unterschiedlich gespro- oder italienischen Instrumentalcanzonen chen, und nur einige werden durch eine fei- der Renaissance, ganz zu schweigen von den erlich wirkende Choreographie überhöht. bewussten Anklängen an Bachs „Matthä- Komisch wirken die Szenen, in denen das us“-Passion. Hinter dem Vorhang erscheint Fehlverhalten des jungen Genossen thema- die Musik wie eine unverfügbare und hö- tisiert werden soll. „Diskussion!“ heißt es da here Instanz, und als einmal ein Männer- auf einmal, und die Schauspieler stehen vor quartett vor den Vorhang tritt, wirkt es wie dem Publikum wie wohlmeinende Lehr- Boten aus einer jenseitigen Welt. kräfte, die beim Unterrichtsbesuch des Vor- gesetzten plötzlich und unerwartet von ih- Dass Eislers Musik in ihrer Position zu ren Schüler eine eigene Meinung erwarten, Brechts Szenario ambivalent ist, bringt an die vorher gar nicht zu denken war. Und Geoffrey Abbott als musikalischer Leiter tatsächlich wird in der Maßnahme ja bloß deutlich heraus: Harte, gnadenlose Pauken- pro forma, um des guten Eindrucks willen schläge auf der einen, und weicher, mitfüh- oder als Bluff gefragt. Sonst müsste man ja lender A-Cappella-Gesang auf der anderen auch die Frage anders formulieren. Nicht: Seite markieren bewusst die gegensätzliche „Was hätte der junge Genosse tun sollen?“ Extreme. Wenn wir aber Eislers Verweis etwa, sondern „Wie hätte sich diese Situati- auf das von Johann Sebastian Bach erzählte on vermeiden lassen?“ – was die Agitatoren Sterben des Jesus von Nazareth ernst neh- und die Partei mit in die Verantwortung men, so ist das abgenötigte Selbstopfer des nähme, anstatt das schwächste Glied der jungen Genossen zwar nicht mehr rückgän- Gruppe zum Sündenbock zu machen. gig zu machen; aber er ist dann für die Mit- menschlichkeit gestorben und nicht für das Dass Chor und Orchester hinter dem gnadenlose System, das ihn gerichtet hat. schwarzen Vorhang musizieren, verleiht Zum kirchen- und institutionskritischen Hanns Eislers Musik einen gedämpften, et- Setting der Inszenierung finde ich da keinen was dumpfen Klang, wie man ihn in Rund- ernstlichen Widerspruch, und auch nicht funkaufnahmen der 20-er und frühen 30- zum biblisch grundierten Bild und Wunsch er Jahre hören kann. Mit Blick auf die alten des künstlerischen Festivalleiters Patrick Industrieanlagen lässt sich hier ein Gefühl Wengenroth, dass „die Münze, mit der wir von historischer Klangauthentizität emp- bis zum Ende der Lebenszeit auf diesem Pla- finden. Für die Textverständlichkeit des für neten bezahlen, permanent umgedreht wird“ die Aufführung zusammengestellten Pro- und „wir diese Münze umdrehen und wieder jektchors ist diese Anordnung ungünstig; es umdrehen und nochmal umdrehen und im- dürfte an der musikalischen Satzdichte ei- mer schauen, ob sich nicht zu viele absolute nerseits, an der Akustik andererseits liegen, Gewissheiten unter unserem Stein der weisen dass man manche Passagen recht deutlich, Erkenntnis breit gemacht haben.“ ¶ viele andere hingegen kaum versteht. Über die Akustik hinaus ist aber das (von Brecht

Dreigroschenheft 2/2017  25 Jahre Brecht-Forschungsstätte

F estival Kongress im Augsburger Brechthaus Michael Friedrichs

Aus kurzsichtig-ökologischer Perspektive könnte man bedauern, dass Jürgen Hillesheim so vielseitig erfolgreich publiziert – einige Bäume haben dafür das Papier geliefert. Andererseits leben sie ja weiter in diesem Papier, und das ist doch besser als heizend durch den Schornstein gejagt zu werden. Vor 25 Jahren war es Helmut Gier als damaligem Leiter der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg ge- lungen, den Stadtrat dazu zu bewegen, eine Brecht-Forschungs- und -Gedenkstätte einzurichten. Hillesheim bewarb sich mit Erfolg, und aus Anlass seines Silberjubiläums konnte er nun einen Kongress im Brechthaus ausrichten. Hier referierten Wissenschaftler*innen, mit denen er besonders eng zusammengearbeitet hat. Alle Vorträge der zweitägigen Veranstaltung waren bestens besucht.

Den Anfang machte Helmut Koopmann. Sein Ausgangspunkt war der Begriff des „Flaneurs“, und er ging mit dem von ihm so meister- haft beherrschten weiten Blick daran, abzugleichen, inwiefern Brecht Züge eines Flaneurs hatte und wie er sich unterschied, im Frühwerk und dann in den Journalen. In diesen habe er den Faschismus in einer Art „Tunnelblick“ mit dem Monopolkapitalismus gleichgesetzt, zugleich sehend und blind.

Jürgen Hillesheim konnte überzeugend darlegen, dass Brechts „Lied vom Geierbaum“ nicht, wie in der Werkausgabe behauptet, auf 1917 zu datieren ist, sondern Brechts Datierung auf 1912 zuverlässig ist; es ist somit das Werk eines Vierzehnjährigen und so gesehen von beachtlicher Qualität. Warum derartig viele Geier bei Brecht im Um- feld von Bäumen auftauchen, konnte auch in der Diskussion nicht eindeutig geklärt werden.

Die deutsche Ausgabe der monumentalen Brecht-Biografie von Stephen Parker wird im Herbst erscheinen, er sitzt gerade an den Korrekturen, wie er gesprächsweise mitteilte. Sein Vortrag galt der Intertextualität in Brechts Baal, und er konnte zeigen, was es mit den Verweisen auf die Schädel von Socrates und Verlaine auf sich hat.

Eine Caspar-Neher-Grafik stand im Mittelpunkt des Vortrags vonH el- mut Gier: der „Wasserfeuermensch“, veröffentlicht als Beilage in der „Hauspostille“. Die lateinische Inschrift, die .u a. Horaz zitiert und so auf Brechts Lateinunterricht verweist, wurde in der Werkausgabe nicht als Brecht-Text akzeptiert, nicht korrekt übersetzt, die Grafik nicht ab- gebildet; Augsburg besitzt ein Exemplar in der „Taschenpostille“.

 Dreigroschenheft 2/2017 Mathias Mayer wählte einen gattungsgeschichtlichen Ansatz: Er fokussierte auf Brechts Balladen, in denen der Autor die Möglich- keiten des Änderbaren erprobe, Prozesse der Macht abbilde, pa- F estival ckende Szenarien des eingreifenden Denkens schreibe. Die „Bal- lade vom Wasserrad“ mit ihren später geschriebenen Varianten der dritten Strophe enthalte die Utopie von der Aufhebung jeder Macht, könne die Widersprüche aber nicht befriedigend lösen.

Der Musikwissenschaftler Joachim Lucchesi schilderte die Ver- änderungen in der Musik von Kurt Weill durch die Zusammenar- beit mit Brecht und ging auch anhand von Tonbeispielen auf die Bedeutung der Stimme von Lotte Lenya für Weill ein, die übri- gens in den 50er Jahren eine Quart tiefer geworden sei.

Ana Kugli sprach sich daür aus, biografische Bezüge bei der Untersuchung von Brechts Darstellung der Geschlechterbezie- hungen in der Lyrik auszublenden, und zeigte anhand einiger Gedichte, wie Brecht das bürgerliche Rollenschema vom sexuell erfahrenen Mann und der entweder unberührten oder unheirat- baren Frau in vielen Facetten decouvriert.

Frank D. Wagner nahm den Austausch von Brecht und Benja- min über Kafka unter die Lupe, insbesondere anhand ihrer Dis- kussion über „Das nächste Dorf“.

Erdmut Wizisla ermöglichte einen Blick auf eine bisher unbe- kannte Quelle zu dem Verhältnis Brecht-Benjamin, die ab Ok- tober in der Benjamin-Ausstellung der Berliner Akademie der Künste zu sehen sein wird.

Mykola Lipisivitskyi schilderte den Stand der Übersetzung der Werke von Brecht und Walter Benjamin in der Ukraine. Die Befassung mit Brecht werde durch die Zusammenarbeit mit der Brecht-Forschungsstätte stark unterstützt, und Benjamin habe gerade eine Art von Konjunktur.

Andrea Bartl mode- rierte die anregenden, unkontroversen Dis- kussionen. – Und eine Buchvorstellung gab es auch noch: 25 Stu- dien von Jürgen Hil- lesheim aus 25 Jahren Brechtforschung, he- rausgegeben von Helmut Koopmann und erschienen in der Reihe „Brecht – Werk und Kontext“ bei Königshausen & Neumann. ¶

Dreigroschenheft 2/2017  F estival

Neunmalgut

Wenn Michel Abdollahi beim Brecht-Festi- anzureichern. Nun führt sie in einem phi- val zum Kampf der Künste „Dead or Alive“ losophischen Diskurs das Spiel mit einem ins Augsburger Parktheater lädt, sind die Kleinkind, „Wo ist denn der Tobi?“, ad ab- Karten schnell weg. Fast nur u30 im Publi- surdum. Abgestimmt wird nun mit allge- kum, aber auch ü60. Über fünf Runden geht meinem Publikumsbeifall, Kirsten gewinnt der Wettstreit von Poetry Slam gegen Tot- knapp vor Brecht, der ein Medley aus den dichterdarstellung m/w – diesmal wurden „Svendborger Gedichten“ bietet. zum Leben erweckt Lisa Christ, Forough Alle Punkte der beiden Lager werden dann Farrokhzad, Freddie Mercury, Kurt Tu- aufaddiert, die „Toten“ liegen hoffnungslos cholsky und Bertolt Brecht. In jeder Runde zurück, aber das ausgeklügelte Reglement erhalten die Slammer diesmal mehr Punkte gibt ihnen dennoch eine Chance – der Sieger von der spontan zusammengestellten Pu- im Stechen erhält für sein Lager 30 Punkte blikumsjury; am relativ besten schneidet extra. Schade, hätte klappen können. Der unter den „Toten“ der Brecht-Darsteller nächste Versuch, Festival 2018, wird bereits ab. Es ist Leif Eric Young, der am nächsten der 10. sein. (Text + Fotos mf) ¶ Abend bei der in Svendborg entwickelten Aufführung der „Svendborger Gedichte“ (Bluespots Productions) ebenfalls zu sehen ist. Im Stechen tritt er gegen die Slammerin Kirsten Fuchs an, die hochamüsant über ihre Versuche berichtet hatte, die abstump- fende Arbeit der Supermarktkassiererin durch sehr spezielle Einkäufe und damit verbundene kleine Geschichten gedanklich

10 Dreigroschenheft 2/2017 „Der gute Mensch von Downtown“ – eine bewegende

Erfahrung F estival

Während das Publikum sich noch auf die Plätze begibt, regnet es bereits auf der Bühne. Es schüttet geradezu. Rundum an alle drei Bühnenwände wird Regen proji- ziert, richtig gut gemacht. Brechts „Guter Mensch von Sezuan“ bot die Spielvorlage, die hier kreativ und einfühlsam umgesetzt wurde. Die meisten Schauspieler*innen in dieser Produktion haben das sog. Down- Syndrom. Vor einem Jahr hatte das Stück des Theaters RambaZamba in Berlin Pre- miere, das vielgelobte Inklusionstheater existiert bereits seit 1990.

Es ist ausverkauft. Eva Mattes spielt mit, legendäre Fassbinder-Schauspielerin, und das mag für manche Zuschauer den Ausschlag gegeben haben, sich das anzu- schauen. Aber vielen anderen dürfte der Name des Stars nicht viel sagen, es ist ein sehr altersgemischtes Publikum, darun- ter Kinder mit Downsyndrom. Eva Mat- tes spielt einen von zwei Erzengeln auf der Suche nach drei guten Menschen in „Downtown“, einem Ort, der offenbar ein bisschen in China liegt. Auch hier treten wie in Brechts „Sezuan“ die harten Sei- ten menschlichen Umgangs hervor, so- bald es ums Geld geht. Hier sind es drei gute Mädchen, die sich zeitweise in harte Burschen verkleiden müssen, um nicht ausgenommen zu werden. Manchmal versteht man erst mit Verzögerung den Foto: Melanie Bühnemann kreativen Bezug zum Original: Brechts arbeitsloser Pilot wurde hier zum Mu- siker ohne Instrument; die Ausbeutung in (Zora Schemm, siehe Foto), der eine neue der Tabakfabrik wurde verwandelt zur Aus- Sintflut für nötig hält. Und nach der Pause beutung durch Tanz in Reizwäsche. die Liebesszene zwischen Besche Zo (Zora Schemm) und dem Musiker Lan (Moritz Zwei Höhepunkte aus meiner Sicht: Der Höhne), von einer ergreifenden Zartheit, Anfang mit einem Buddha-ähnlichen Gott die noch lange nachwirkt. (mf) ¶

Dreigroschenheft 2/2017 11 Eine spannende Kombi: „Hollywooder Liederbuch“

F estival deutsch-afrikanisch

Der Bariton Franz Schlecht (früher Augsburg, jetzt Berlin) und der Pia- nist Bernd Haselmann präsentieren während der „Langen Brechtnacht“ Hanns Eislers „Hollywooder Lieder- buch“, unterstützt von Njamy Sitson (früher Kamerun, jetzt Augsburg). Die Kresslesmühle ist gut gefüllt. Und es ist ein bisschen ein Schock, als Franz Schlecht den Abend be- ginnt mit „Über den Selbstmord“: Da zählt Brecht auf, was es alles „in unserem Lande“ nicht geben dürfte, zum Beispiel trübe Abende, damit nicht ein Verzweifelter auf die Idee kommt, das „unerträgliche Leben“ fortzuwerfen. Diese Zeilen kennt man aus dem „Guten Menschen von Sezuan“, die anderen Texte stammen vor allem aus der „Stef- finschen Sammlung“ (Brechts Exil von Dänemark bis Finnland) und den „Hollywood-Elegien“. Es sind Konzentrate von Exilerfahrung, Entfremdung und Ängsten – beun- ruhigend aktuell. Einer davon be- singt den „kleinen Radioapparat“, aus dem „meine Feinde weiter zu mir sprechen“. Da ist alles drin, die Franz Schlecht und Njamy Sitson (Foto: Nina Hortig) Flucht, das Heimweh, die Hoffnung auf ein Ende von Krieg und Unterdrü- Veranstaltung zusätzliches Gewicht mit ei- ckung. Eisler hat dafür eine Melodie gefun- ner musikalisch untermalten Rezitation der den, die sich im Ohr lange festsetzt. Gesang Rede Brechts beim Internationalen Schrift- und Klavier sind klar und einfühlsam, be- stellerkongress in Paris 1935 (GBA 22, wegend ohne Sentimentalität. S. 141–146), in der Brecht dazu aufforderte, das Elend nicht nur zu beschreiben, sondern Njamy Sitson schaltet sich in einige Lieder seine Ursachen zu bekämpfen. – Anschlie- ein, darunter dieses. Er legt afrikanische ßend viele Gespräche mit den Künstlern, Rhythmen und seine helle, klare Stimme auch mit der Regisseurin Rike Reiniger, die hinein, er vertritt in dieser Aufführung die den Abend hervorragend strukturiert hat. Geflüchteten von heute. Und er gibt der (mf) ¶

12 Dreigroschenheft 2/2017 Werkstatttag Bertolt Brecht und Walter Benjamin:

Laboratorium Vielseitigkeit F estival

Die spannungsreiche und verhältnismäßig poulou lud zu einer politischen Lektüre der ausführlich dokumentierte Freundschaft Gespräche in Svendborg über den großen zwischen Walter Benjamin und Bertolt Terror; (III) der Theaterwissenschaftler und Brecht, vieldiskutiert in der Sekundärlite- Germanist Hans-Thies Lehmann offerierte ratur und ein Fokus der Kunstdiskussion eine Debatte über Brechts wenig bekanntes über das 20. Jahrhundert hinaus, war The- proletarisches Kindertheater in seiner Rela- ma eines neuen Formats des Brechtfestivals: tion zum Lehrstück. Werkstatttag! Er fand in den (dafür bestens geeigneten) Räumen des Sensemble-Thea- Ausgangspunkt der Diskussion in Arbeits- ters statt. Etwa dreißig Teilnehmer nahmen gruppe I war Benjamins Einleitungsab- sich Zeit dafür, darunter viele bekannte Ge- schnitt „Zur Form des Kommentars“, mit sichter der Augsburger Universitäts- und den überraschenden Begriffen „archaisch“ Kulturszene. und dem „Vorurteil“ einer „Klassizität“ dieser Texte. Das erste Gedicht, das in Ver- Erdmut Wizisla eröffnete mit einem Im- bindung mit Benjamins Kommentar be- pulsreferat und reflektierte Begriffe von sprochen wurde, war „Gegen Verführung“; Notizen Benjamins für einen Brecht-Vor- ursprünglicher Titel „Luzifers Abendlied“. trag im Frankfurter Rundfunk 1930, etwa Die Diskussion biss sich fest an der Frage, „Augsburg – die Fugger“, „gotisches Wie- ob es richtigerweise „Das Leben wenig ist“ dertäufergesicht“ oder auch „gnostisches oder „Daß Leben wenig ist“ heißen müsse; Element“ – sicherlich wichtige Begriffe für intertextuelle Bezüge fand man zu Gryphi- Benjamins sich entwickelnde Auffassung us, Bach, Nietzsche und Goethe. von den besonderen Prägungen und Qua- litäten Brechts. „Vom armen B.B.“ war als nächstes dran, und eine Frage war, ob es hier der Wind sei, Anschließend ein Gespräch mit der Regis- der das Haus leert, oder der Esser. seurin Friederike Heller: Sie erläuterte Idee und Zustandekommen ihres Theaterpro- Nach der Mittagspause ging es um die „An- jekts über die Zeitschrift „Krise und Kritik“, sprache des Bauern an seinen Ochsen“, von ein gescheitertes Vorhaben, an dem sich ja Benjamin in einer Gesprächsnotiz vom u. a. Brecht und Benjamin intensiv beteiligt 25. Juli 1938 kommentiert, mit der listigen hatten. Das Stück hatte am gleichen Abend Camouflage des Stalin-Bezugs und den auf der Probebühne Premiere. Heller wand- Lesarten „Schriftmacher“ oder „Schrittma- te sich gegen eine „vermeintliche Sicherheit cher“. Zum Abschluss die „Legende von der des Blicks von heute auf damals“. Entstehung des Buches Taoteking“. – Wizis- la wies darauf hin, dass wir keine klaren Äu- In drei Arbeitsgruppen wurde dann inten- ßerungen von Brecht zu Benjamins Kom- siv diskutiert: (I) mit Erdmut Wizisla über mentaren haben: Hatte er Vorbehalte, wenn Benjamins „Kommentare zu Gedichten ja welche? Andererseits konnte er ihre Lek- von Brecht“; (II) die griechische Theater- türe auch niemandem empfehlen, weil sie kritikerin und Übersetzerin Helene Varo­ zu lange ungedruckt blieben. (mf) ¶

Dreigroschenheft 2/2017 13 Benjamin und Brecht heute begegnen Milena Massalongo R ezension

Heute passiert es immer seltener, dass eine wissenschaftliche Darstel- Abdullah Sinirlioglu, Benjamin und Brecht. Eine politische Begegnung lung sich durch ihren Gegenstand (Würzburg: Königshausen & Neu- auf die Probe stellen lässt. Jedoch mann 2016, 28 €) kann sie desto mehr gelingen, je mehr ihre Wissenschaftlichkeit sich durch So könnten die Fragen lauten, vor deren ihren Gegenstand in Frage stellen lässt. Erst Hintergrund diese Arbeit verfasst ist. Dazu da wird sie wissenschaftlich in einem prak- kommt der in der Rezeptionsgeschichte tischen, nicht nur in einem legalistischen weniger vertretene Versuch, Differenzen Sinne. Benjamins und Brechts Arbeit und und Eigenständigkeiten von Denk- und die Fragenkonstellation, die sich in ihrem Schreibweisen dieser beiden tatsächlich ein­ Verhältnis aufspannt, gehören zu den Ge- ander „begegnen“ zu lassen, anstatt fertige genständen, die diese Probe aufzwingen. Ähnlichkeiten und Korrespondenzen nach- Beide haben jeder nach seiner Weise nicht zuzeichnen. Benjamins und Brechts Positi- nur die Möglichkeit, sondern den Erkennt- onen werden hier als Stellungnahmen und niswert selbst der „Rekonstruktion“ kriti- Antworten auf konkrete Zusammenhänge siert. Und beide haben jeder nach seiner dargestellt. Ihr Gespräch bei allen Diffe- Weise in der eingreifenden Erkenntnis der renzen kann eben auf diesem gemeinsamen eigenen Zeit (der zeitgenössischen Denk- praktischen Boden erfolgen: Ihre Produk- haltungen) im Grunde den einzig mög- tion kommt erst dadurch zustande, dass lichen Gegenstand jeder künstlerischen sie ihre Geschichtlichkeit zu verantworten oder wissenschaftlichen Tätigkeit gesehen. versucht, indem sie nämlich das allgemeine Umso mehr stellt sich vor ihnen die echte Verhängnis bekämpft, harmloser Ausdruck Frage der Aktualität, wie Adorno sie ein- des zeitlosen, reinen Geistes oder bloßes mal gestellt hat. Sie lautet nicht „dilettan- Symptom der Zeit zu sein. tisch“ (so wird sie einmal von Benjamin Gegenstand und Vorsatz dieser Arbeit for- definiert): Was haben uns diese beide noch derten also eine nicht monolithische/mo- zu sagen, sondern: Was haben wir ihnen zu notonale Darstellung, die eher dem Aufbau sagen, wo befinden wir uns, wo stecken wir von experimentellen Zusammenhängen als ihnen gegenüber. der linearen, homogenen Behandlung nä- Eines der Verdienste von Sinirlioglus Ben- her kommt. Der Autor kommt dieser For- jamin und Brecht. Eine politische Begeg- derung entgegen, indem er versucht, sich nung liegt darin, dass es über diese Grund- fließend zwischen Exposition, Analyse und schwierigkeiten, in denen der eigentliche Kritik hin- und herzubewegen. Das erfor- Spieleinsatz liegt, nicht unbefangen hinaus dert einen Mut, der auch in den Wissen- tritt. Die Fragenkonstellation, die in diesem schaften „irreduzibler Bestandteil“ bleibt: intellektuellen Verhältnis zur Reife kommt, den Mut „zum subjektiven Sich-Einschalten wird hier vom Standpunkt der Gegenwart in die Texte“, wie Sinirlioglu schreibt (S. 13). aus geschildert. Inwiefern sind ihre Fra- Dies Moment der Stellungnahme, das in gen noch unsere Fragen und inwieweit den Wissenschaften auf jeden Fall wenn unsere Vorschläge ‚besser‘ als die ihrigen: auch oft verantwortungslos passiert, liegt

14 Dreigroschenheft 2/2017 im Zentrum der Schreib- und Denkpraxis Der falschen Alternative zwischen Begeiste- sowohl von Benjamin wie von Brecht: Der rung oder Pessimismus der Technik gegen­ Mut (die Not) Stellung zu nehmen, damit über, schreibt Sinirlioglu, entgeht man nur, in- der Gegenstand (das eigene Erkennen) jetzt dem „man das Problem der Technik mit Marx R ezension erkennbar wird. Man kann nur erkennen, im Spannungsfeld von Produktionskräften indem man den Gegenstand verändert, no- und Produktionsverhältnissen situiert“. Eben. tiert Brecht einmal. Und indem man durch Darin liegt das Interesse an Marx: Dass er die den Gegenstand verändert wird, fügt er hin- Spannung zwischen Produktionskräften und zu. Entweder projiziert man sich selbst und -verhältnissen noch adressiert. Dass es bei erlebt immer wieder nur Glanz und Elend ihm nicht bloß um eine bessere Verteilung der eigenen Denkweise inkognito (die über- des Wohlstands geht, sondern auch um das all waltende Einfühlung, die sowohl Brecht Problem der „fehlgeleiteten Produktivität“ wie Benjamin in eine Krise stürzen möch- (S. 52). Es geht nämlich um die immer wieder ten), oder man kehrt die Perspektive um verschüttete, verdrängte, verneinte Grundfra- und verfremdet die eigenen und der Zeit ge: Was soll man produzieren, nicht weniger eigenen Denkhaltungen durch ad hoc ge- als wie – Brechts „grobes“ Denken, seine un- wählte Gegenstände. So hört das Politische übersehbaren Testfragen: „Wozu, wem nützt auf, eine äußerliche, erst nachträgliche Fra- das?“, die immer wieder übersehen werden, ge zu sein, um plötzlich in den Mittelpunkt weil das Produzieren über alles weiter gehen der Erkenntnisfrage zu rücken. und möglichst wachsen muss. Zu den in diesem Sinne fruchtbarsten Ver- Das Politische sowohl bei Benjamin wie bei fremdungstechniken der modernen Denk- Brecht hat gerade mit dieser Konkretheit weisen und Lebensform, auf die beide zu- zu tun, mit der jeweilige Konflikte benannt rückgreifen, gehört der Marxismus. Ein und ausgestellt werden müssen, indem man Verdienst der Arbeit von Sinirlioglu besteht ihnen ausgesetzt wird. In diesem Sinn kann in dem ausdrücklich unternommenen Ver- das Bedenken Sinirlioglus, eine „politisch such, der praktischen, ja technischen Funk- klar Standpunkt beziehende Literatur“ dro- tion der marxistischen Lehre bei Benjamin he das Literarische an sich „auszutrocknen“, und Brecht gerecht zu werden. Mit Recht nur da vorhanden sein, wo das gewöhnliche bemerkt der Autor, dass die Auseinanderset- Verständnis von Politischem als Inhaltsfra- zung der beiden mit dem Marxismus nicht ge sich einschleicht. So kann hier manch- immer und nicht wirklich ernst genommen mal der Eindruck entstehen, dass das Poli- wurde und wird. Das geschieht nicht nur, tische bei Brecht und Benjamin dem Lite- wenn man sie bloß als zeitliche Reaktion rarischen allzu leicht entgegengesetzt wird, auf den Faschismus versteht und heute als als handelte es sich dabei um eine Frage der abgestumpfte Waffe voreilig erledigt. So was Eindeutigkeit versus „Mehrdeutigkeit und passiert auch, wenn das marxistische Ver- Widersprüchlichkeit“ (S. 186). Jedoch sind bum im allgemeinen wohl ernst genom- Brechts politisch nüchternere und selbst- men wird, aber nicht in dem besonderen bewusste Texte nicht weniger literarisch Gebrauch, der hier davon gemacht wird auch im gewohnten Sinne, d.h. keineswegs (als Marxismus „Tendenz-Brecht“, nach der weniger widersprüchlich. Seine politisch glücklichen Formel von Roland Barthes). mehr „kompromittierten“ Texte brüten ei- Die marxistische Lehre ist aber genau das, nen inneren Druck aus, der die Einfachheit was beiden ermöglicht, in jene „grauenvolle und Glätte ihrer Oberfläche von hinten Synthese von Technik und Mythos“ (S. 50) schmerzhaft verdreht. Wobei diese Ober- einzugreifen, die Benjamin im Faschismus fläche keine Verschleierung, sondern eine erkannt hat und die damals wie heute nicht weitere widersprechende Stellung ist, die nur im auffälligen Faschismus wuchert. den Spielboden noch komplexer macht. ¶

Dreigroschenheft 2/2017 15 Brecht-Tage 2017: 100 Jahre nach der Oktoberrevolution agung T Christian Hippe

Brechts Beziehung zur Sowjetunion war „Lob des Lernens“ in freundlich-sanftem Thema der diesjährigen Brecht-Tage im Li­ Duktus als träumerisch-erbauliche Päda- teraturforum im Brecht-Haus in Berlin. Den gogik erscheinen ließ, trug Felix Kamme- Anlass bildete der bevorstehende 100. Jah­ rer Brechts in Verse gefasste Ratlosigkeit restag der Oktoberrevolution. „O großer mit gefestigter Stimme vor. Eindrucksvoll Oktober der Arbeiterklasse!“, so lautete dann war auch Tabitha Frehner, die Brechts „Die auch die literarisch-musikalische Revue zur Teppichweber von Kujan-Bulak“ in einem Eröffnung, die Kerstin Hensel und Holger Ton großer Einfalt anstimmte und dem Ge- Teschke mit Studierenden der Hochschule dicht dadurch – seiner Argumentation fol- für Schauspielkunst „Ernst Busch“ einstu- gend – jegliche Monumentalität nahm. Die diert hatten. Der Chronologie einzelner zwischengeschalteten „Journal“-Passagen Gedichte und „Journal“-Einträge folgend, las Teschke, der im Hintergrund saß und kam die ganze Bandbreite von Brechts Ver- derart das für Brecht bezeichnende Span- hältnis zur Sowjetunion zu Gehör: seine ur- nungsfeld aus poetischer Rede und privater sprüngliche Distanz (Ablehnung von Kon- Reflexion, öffentlicher Verlautbarung und trolle, Ordnung), seine dann einsetzende stiller Notiz markierte. Im anschließenden Faszination an Lenin (funktionärshafte Un- Gespräch mit den jungen Schauspielstudie- scheinbarkeit als eigentliche Größe) bis hin renden gab Frehner zu, Brechts Texte zu- zur euphorischen Feier der Sowjetunion in nächst nicht verstanden und auch nur we- Texten wie „Lob der UdSSR“. Schließlich nig Berührungspunkte gesehen zu haben. dann – dramaturgisch eingeleitet über die Vom Kommunismus hatte sie zwar gehört, „Ballade vom Wasserrad“ – Brechts zuneh- vieles aber habe sie recherchieren müssen, mende Skepsis, die einsetzt, als Brecht vom wobei die faktische Grundlage der Texte Ausmaß der Repressionen und der Verhaf- (bspw. bei „Die Teppichweber …“) es ihr tung von Freunden und Bekannten erfährt, einfach gemacht hätte. Senghas sprach von bis hin zu offen kritisch gegenüber dem einer großen politischen Naivität der Texte, Stalinismus zu lesenden Texten wie „Tod die ihn dazu veranlasst habe, sie romanti- eines Genossen“. Den Abschluss bildete das siert vorzutragen. Für Kammerer hatten die um Nachsicht bittende Gedicht „An die Brecht-Texte, die sich auf diese Weise selbst Nachgeborenen“, das – über den üblichen kommentieren würden, etwas immanent Kontext von Exil und Faschismus hinaus – Widersprüchliches, das Brecht allerdings angesichts der insgesamt zurückhaltenden nicht habe wahrhaben wollen: eine große Stellungnahmen Brechts gegenüber den Idee an der Kippe des Nicht-Möglichen. stalinistischen Verbrechen hohe Brisanz ge- Dieses konterkarierende Moment bestätigte wann, auch wenn es in seiner Schutzrheto- Jürgen Beyer, der die in hoher Qualität in- rik unhinterfragt blieb – und für die Revue tonierten Lieder am Klavier begleitete, auch den bewussten Verzicht auf eine abschlie- im Hinblick auf die Vertonungen durch ßende Provokation bedeutete. Die Rezita- Hanns Eisler: ein Lied wie „Lob des Kom- tion der drei Jahrzehnte umspannenden munismus“ sei rührend-naiv, doch einzelne Texte setzte unterschiedliche Kontrapunkte. Töne würden diese Naivität punktuell in Während Leander Senghas ein Gedicht wie Frage stellen.

16 Dreigroschenheft 2/2017 Nachdem am zweiten Abend ausgewählte

Brecht-Gedichte mit teils deutlich kritischen agung Anspielungen auf Stalin diskutiert wurden T (vgl. nachfolgenden Bericht von Michael Friedrichs), folgte am dritten Abend ein Vor- trag von Reinhard Müller, der Brechts Posi- tion zur Sowjetunion und zu Stalin nah an den Quellen (v.a. Schriften, Briefe, Journal- Einträge, Gedichte Brechts) rekonstruierte – kontrastiert mit (zumeist vieldeutigen) Passagen aus dem „Buch der Wendungen“. Als Weichenstellung galt Müller das Jahr 1933. Während Brecht zuvor Distanz zur Kommunistischen Partei und deren lite- rarischen Plattformen (BPRS, „Linkskur- ve“) gewahrt habe (anders als bspw. Georg Lukács und Ernst Ottwalt), habe er sich 1934 zunächst kritisch gegenüber der Fehl- einschätzung und dem Versagen der Partei angesichts der NS-Machtübernahme geäu- Briefmarke 1953 ßert, dann aber kurze Zeit später – auch aufgrund der neuen Volksfront-Politik der den folgenden Jahren. Wie viele Intellektu- Komintern – zu einer starken Verbunden- elle (Walter Benjamin, Theodor . W Ador- heit mit der sowjetischen Politik gefunden. no, …) habe Brecht zwar mit Bestürzung Zwar bleibe Brechts private Einschätzung reagiert, öffentlich aber aus strategischen von Ambivalenzen geprägt. In öffentlichen Gesichtspunkten geschwiegen. Wenn man Stellungnahmen aber habe er sich ab die- Brechts existentielle Lage und Ängste be- sem Zeitpunkt eindeutig zugunsten der rücksichtige, so Müller, sei dieses Schwei- Sowjetunion geäußert, bspw. im 1934 ent- gen realpolitisch von hoher Plausibilität, standenen „Hammer- und Sichel-Lied“ könne allerdings keine moralisch-ethische mit seiner an Formulierungen Stalins an- Qualität für sich beanspruchen. So sprach gelehnten Sprache und martialisch zu deu- Müller von einer „Loyalitätsfalle“, in die tenden Metaphorik (Vorstellung des Staats Brecht immer mehr getappt sei und die sich als Gärtner, der Unkraut jätet, d. h. Abwei- bspw. in Äußerungen zeige, in denen Brecht chungen und Ambivalenzen auslöscht). den Schauprozessen, zumindest ansatzwei- Im Hinblick auf Brechts Rolle bei seiner se, eine politische Plausibilität zuerkannt zweiten Moskau-Reise sprach Müller von habe, insofern sich die Sowjetunion gegen einem „embedded writer“, der gegenüber politische Verschwörer wehren müsse. Im den politischen Missständen blind gewesen letzten Drittel seines Vortrag ging Müller sei. Eine spürbare Verschärfung würden die dem Schweigen Brechts angesichts der Ver- – unveröffentlicht gebliebenen – gegen An- haftungen von Freunden und Bekannten dré Gides Reisebericht „Retour d’U.R.S.S.“ nach und wiederholte seine im Band „Caro- gerichteten Texte Brechts dokumentieren. la Neher, gefeiert auf der Bühne, gestorben Brechts Affirmation der Sowjetunion- er im Gulag“ bereits publiziert vorliegenden klärte Müller aus der von Brecht strategisch Ausführungen, innerhalb derer auch die zuerkannten Bedeutung der Sowjetunion ursprünglich im Programm angekündigten im Kampf gegen den Faschismus. Das gelte unbekannten Dokumente schon zitiert auch angesichts der Moskauer Prozesse in sind.

Dreigroschenheft 2/2017 17 In ihrer Respondenz wies Sabine Kebir eben diesen, inzwischen sechzehn Jahre

agung u. a. auf die Transkriptionen der Gespräche zurückliegenden Vortrag. Abschließend T Hans Bunges mit Ruth Berlau hin, die da- diskutierte Rohrwasser drei Beispiele po- rin ausgeführt habe, dass Brecht immer litischer Gebrauchslyrik Brechts. Dessen wieder versuchte, sich für Carola Neher Gedicht „Der Ammiflieger“, das die Kar- einzusetzen. Darüber hinaus versuchte sie toffelkäfer-Legende des Kalten Krieges Verständnis dafür zu wecken, dass Brecht, ernst nehme, der zufolge die USA für die statt das Wort gegen Stalin zu ergreifen, Missernten der DDR verantwortlich seien, sich selbst am Leben und unbeschadet habe verglich Rohrwasser mit der Propaganda halten müssen. Ohnehin sei die Frage der der Nationalsozialisten, die gleiches über Moral insofern problematisch, als eine sol- die Juden behauptete. Zum „Herrnburger che Frage beispielsweise US-Autoren auch Bericht“ bemerkte Rohrwasser knapp, dass nicht gestellt werde im Hinblick auf Hiro- es für die einfältig gereimten Verse dieser shima oder den Genozid an der indigenen Dichtung keines Brecht gebraucht hätte. Bevölkerung der USA. Letzteres verstand Besondere Aufmerksamkeit lenkte er auf Hans Christoph Buch, der im Publikum das Langgedicht „Die Erziehung der Hirse“, saß und Sabine Kebir scharf angriff, als in dem Stalin zum großen Ernteleiter er- eine unzulässige moralische Relativierung nannt werde und es offensichtlich sei, dass Brechts. Ihm galt die Rolle Brechts als Bei- die Gesellschaft umerzogen werden solle. spiel für ein seiner Meinung nach generelles Das Gedicht sei eine stalinistische Lobprei- Versagen der deutschen Linken und Intel- sung aus der Feder von Brecht, das kaum lektuellen gegenüber der Sowjetunion und verschlüsselt die Ausrottung von Menschen dem Stalinismus – im Vergleich zu André lobpreise, um den Neuen Menschen zu er- Gide, der in seinem Moskau-Reisebericht schaffen. Rohrwassers Fazit lautete, dass das klare Worte gefunden habe. In die gleiche Bild des taktisch zurückhaltenden, schwei- Richtung zielte auch Wolfgang Thierse, der genden Brecht korrigiert werden müsse, da ebenfalls im Publikum anwesend war: Da er sich in den DDR-Jahren laut und deut- Brecht selbst voller Moral gewesen sei, wäre lich auf die Seite Stalins gestellt habe, un- es irritierend, dass Frau Kebir ihn einer geachtet dessen, dass er im „Journal“ und moralischen Beurteilung entziehen wolle. für die Schublade weiterhin seiner Abscheu Gerade auch bezogen auf die späteren Jah- Ausdruck gegeben habe. re in der DDR müsse bei Brecht, so Thierse weiter, von einem „intellektuellen Versa- Dieter Henning sah sich in seiner Respon- gen“ gesprochen werden: Brecht sei schlicht denz vor das Problem gestellt, dass er die feige gewesen. von Rohrwasser aufgerufenen lyrischen Gebrauchstexte nicht mit der Komplexität Michael Rohrwasser eröffnete seinen Vor- anderer Gedichte Brechts vergleichbar fand, trag am vierten Abend mit einem Zitat die ein weit ambivalenteres Bild Brechts Hermann Kestens, der Brecht Anfang der zeigen würden. In diesem Zusammenhang 1960er Jahre polemisch als einen „Diener verwies er auf die von ihm diskutierten Ge- der Diktatur“ verunglimpft hatte, und - er dichte am zweiten Abend der Brecht-Tage. innerte an den Aufschrei, den sein eigener Das abfällige Urteil über Brechts „Erzie- Vortrag bei den Brecht-Tagen im Jahre 2000 hung der Hirse“ hingegen teilte Henning. zum Thema „Rot gleich braun?“ ausgelöst hatte, als er Brechts Verhältnis zum Stali- Der abermals im Publikum anwesende nismus mit dem von Gottfried Benn zum Hans Christoph Buch reagierte geradezu Nationalsozialismus verglich. Gut die Hälf- euphorisch auf die Demontage Brechts, te seines weiteren Vortrags zitierte dann wie er sie an diesem Abend auch ange-

18 Dreigroschenheft 2/2017 sichts des Vortrags von Rohrwasser im tischen Avantgarde beleuchtete. Eingangs

Brecht-Haus erleben würde, selbst wenn sprach Annett Gröschner über Sergej Tret- agung sie seiner Meinung nach Jahrzehnte zu spät jakow, seine Poetik des Faktischen und zeit- T komme. Darüber hinaus problematisierte genössische Ansätze, daran anzuknüpfen. er Brechts Bezugnahme auf den Terminus Brecht habe Tretjakow anerkennend (wie der „Produktion“, ein Begriff, den Buch übrigens auch Ezra Pound) seinen „Lehrer“ alleine schon deshalb für problematisch genannt. Selbst wenn man Brechts Stellung- hielt, da er aus der Ökonomie auf die Li- nahmen und sein Gedicht zum Tod Tret- teratur übertragen worden sei. Überhaupt jakows in politischer Hinsicht als zurück- sei die ‚Brechtsche List‘, so Buch, als Intel- haltend werten müsse, habe es nicht viele lektuellen-Modell für die DDR verheerend Intellektuelle gegeben, die seiner überhaupt gewesen, denn sie stehe für Schweigen und gedachten. Tretjakow sei Vertreter einer Li- Nichts-an-die-große-Glocke-Hängen. B. K. teratur des Faktischen gewesen, gegenüber Tragelehn, der ebenfalls im Publikum saß, der sich dann jedoch der Sozialistische Rea- sah sich durch die Äußerungen und Vor- lismus durchgesetzt habe. Unter zeitgenös- würfe Hans Christoph Buchs persönlich sischen Autoren könne man bspw. Swetlana angegriffen. Er problematisierte eine vor- Alexijewitsch, Literaturnobelpreisträgerin schnelle moralische Bewertung des Ver- des Jahres 2015, in seine Tradition einrei- haltens von Brecht und hielt dagegen, dass hen, denn ihr gehe es gleichfalls darum, die größeren historischen Zusammenhänge eine Epoche der Kollektivität zu zeichnen und Bewegungen nicht aus dem Blick ge- und den Punkt auszuloten, wo Leben zu raten dürften, also Stalin als politische Ge- Literatur wird. Ebenfalls der Ästhetik Tret- genkraft zu Hitler. In bestimmten Verhält- jakows verbunden seien Alexander Kluge, nissen, so Tragelehn, müsse auf bestimmte W. G. Sebald und Gabriele Goettle. Auch Art agiert werden, was auch Buch noch ler- für sie selbst, so Gröschner, sei Tretjakows nen müsse. Das umstrittene Gedicht „Die Methode kollektiven Erzählens eine wich- Erziehung der Hirse“ verbuchte Tragelehn tige Referenz, d. h. Stimmen zum Sprechen unter dem Motto „Kleine Geschenke er- zu bringen, die sonst kein Gehör finden. halten die Freundschaft“. Weitere Stimmen Trotz dieser zeitgenössischen Versuche, im Publikum wiesen darauf hin, dass Hitler Tretjakow in die Gegenwart zu transportie- das für Brecht allem anderen übergeord- ren, habe sich seine Romanpoetik, die Welt nete Problem gewesen sei, so dass er Stalin anhand einer Biografie der Dinge zu erklä- und den Stalinismus verdrängt habe – was ren, jedoch nicht durchgesetzt. Anders sähe später zum Problem in der DDR geworden es bei den Sachbüchern aus. Als Beispiele sei. Darüber hinaus wurde angemerkt, dass zählte sie Bücher wie den „Reisebericht die Passage des „Hirse“-Gedichts, in der es eines T-Shirts“ oder auch die Reihe Stoff- um die Ausrottung des Unkrauts geht, hi- geschichten des oekom-Verlags auf. Ferner storisch im Hinblick auf die Ausrottung des nannte Gröschner Ansätze der Objekt-Ge- Faschismus in Deutschland nach 1945 kon- schichte, bekannt etwa „Eine Geschichte textualisiert werden müsse, also nicht auf der Welt in 100 Objekten“. Den Abschluss die massenhafte Ermordung von Menschen bildete der Ausblick auf ein eigenes, in Ar- durch stalinistischen Terror verengt werden beit befindliches Projekt Gröschners: ein könne, sondern größeren metaphorischen Roman über die bereits aus ihrem Roman Spielraum biete. „Walpurgistag“ bekannte Trude Menzinger, erzählt anhand der stofflichen Hinterlas- Der letzte Tag der Brecht-Tage war für einen senschaften dieser Figur. Workshop reserviert, der Brechts Verhältnis zu den Literaten und Künstlern der sowje- Nach einer kurzen Hörprobe aus dem

Dreigroschenheft 2/2017 19 Stück „Ich will ein Kind haben“, vorgetra- einem direkten Kontakt Brechts zu Meyer-

agung gen von Absolventen der Hochschule für hold erst spät ausgegangen werden könne. T Schauspielkunst „Ernst Busch“ zusammen Annegret Hahn berichtete von ihren dra- mit Holger Teschke, der den Text mit den maturgischen Ansätzen, das Stück „Ich will Akteuren einstudiert hatte, verfolgte Tat- ein Kind haben“ auf die Bühne zu bringen, jana Hofmann die Kontakte und die äs- und legte besonders auf die komischen Sze- thetische Nähe zwischen Tretjakow und nen des Stücks wert. Nicht zuletzt führte sie Brecht. Wichtiger Ausgangspunkt dafür aus, dass die Namen Tretjakow und Meyer- sei Tretjakows Stück „Brülle China“ gewe- hold an den Schauspielschulen der DDR sen, das Brecht in Berlin sah. Eben dieses noch Mitte der 70er Jahre nicht hätten in Thema, China, sei fortan wichtig für beide den Mund genommen werden dürfen. Autoren geblieben. So könne der China- Hype Brechts mitunter direkt auf Tretja- Der Workshop erinnerte zugleich daran, kow zurückgeführt werden. Den Einfluss dass Brechts Verhältnis zur Sowjetunion den östlichen Theaters, wie durch das Stück sich nicht in der Diskussion von Brechts „Brülle China“ initiiert, verfolgte Hoffmann Haltung zu den stalinistischen Verbrechen über Brecht hinaus beispielsweise auch bei erschöpft, auch wenn diese Ausrichtung Meyerhold und Piscator. Aber auch ande- für die diesjährigen Brecht-Tage, kuratiert re Stücke Tretjakows seien in ihrem Vor- von Annette Leo, die Hauptblickrichtung bildcharakter für Brecht zu diskutieren. So war. Aspekten wie Brechts Leninismus oder etwa könne „Ich will ein Kind haben“ als einer affirmativen Perspektive wie derjeni- Anregung für Brechts Lehrstücke angese- gen Slavoj Žižeks – ein Name, der nur am hen werden – Brecht selbst zeichnete um Rande fiel – wäre ebenfalls näher nachzu- 1930 als Bearbeiter der deutschen Überset- gehen. So bleibt als stärkster Eindruck der zung des Stücks von Ernst Hube. Zudem Veranstaltungswoche die hitzige Debatte erinnerte Hoffmann daran, dass Brechts im Anschluss an die Vorträge von Reinhard zentraler Terminus der Verfremdung eine Müller und Michael Rohrwasser: Obwohl konzeptionell ähnliche Entsprechung im keine grundsätzlich neuen Sachverhalte russischen Strukturalismus habe. zur Sprache kamen, wurde die Frage nach der Bewertung von Brechts Beziehung zur In der abschließenden Diskussion des Sowjetunion als hoch emotional, die eige- Workshops wurden außer Tretjakow auch ne politische oder intellektuelle Biografie die anderen großen Namen der sowjetischen betreffende Diskussion wahrgenommen. Avantgarde in die Diskussion eingebunden, Wobei hinzuzufügen ist, dass das Publikum insbesondere Meyerhold und Eisenstein. an jenen Abenden, an denen es um die Pro- Sabine Zolchow verwies auf die zentrale blematik des Stalinismus ging, ausnahmslos Bedeutung von Asja Lācis, die Brecht bei deutlich fortgeschrittenen Alters war. Für der Inszenierung von „Eduard II.“ kennen- eine jüngere Generation von Brecht-Inte- gelernt habe, als seine Informantin über das ressierten war die Frage, wie distanziert Theater der Sowjetunion. Ein Gedanke, den Brecht sich gegenüber dem Stalinismus Brecht von Meyerhold übernommen haben positionierte, offenbar nicht von vergleich- könnte, sei die Idee, dass es schön wäre, ein barer Brisanz. ¶ geschlossenes Experimentiertheater zu ha- ben, statt immer gleich für die Bühne ar- Dr. Christian Hippe ist Mitarbeiter am beiten zu müssen. Auch Wladimir Koljazin Literaturforum im Brecht-Haus bekräftigte die große Bedeutung von Asja Lācis, wies zugleich auf ihre ambivalente politische Rolle hin und betonte, dass von

20 Dreigroschenheft 2/2017 Ochs und Paradox: agung Brecht tarnt und T wägt ab Am zweiten Abend der Berliner Brecht-Tage 2017 ging es unter dem Motto „Wozu darauf zurück- kommen?“ um eine kontroverse Deutung ausgewählter Brecht- Texte rund um das Stalin-Thema. Drei Experten – B. K. Tragelehn, Erdmut Wizisla und Dieter Hen- Diskussion nach geistreichen Vorträgen: Tragelehn, ning – waren eingeladen, in einem Impuls- Vaßen, Wizisla, Henning. Foto: © Selene Mariani/LfB referat ihre Position zu skizzieren, anschlie- ßend Diskussion. Florian Vaßen – der vier- te Experte – moderierte. Die Akkumulation Dieter Henning, der an einer größeren Ar- von Wissen und Erfahrung hat sich gelohnt, beit über Brecht und Stalin sitzt, knöpfte hinterher war man um einiges schlauer. sich vier einschlägige Gedichte von 1956 vor (GBA 15, S. 300-302). Er schlug vor, zu B. K. Tragelehn, ab 1955 Meisterschüler bei unterscheiden zwischen Trennung von der Brecht, betonte, dass der Begriff „Sowjet­ und Unterordnung unter die Sowjetunion. union“ bereits ab 1921 „ein Witz“ war, denn In diesen Texten wird der Name Stalin es habe keine Räte mehr gegeben – die za- nicht genannt, sondern assoziiert durch ristischen Strukturen seien übernommen Umschreibungen wie „Der größte Gelehrte worden. der Welt“, „Der genialste Schüler Lenins“ – vermutlich Zitate. Zu der provokanten und Erdmut Wizisla, seit 1993 Leiter des Brecht- einprägsamen Formulierung „Der verdien- Archivs, sprach über das Gedicht „Anspra- te Mörder des Volkes“ wies Henning darauf che des Bauern an seinen Ochsen“ und die hin, dass dieser Genitiv auf zweierlei Weise von Walter Benjamin wiedergegebene Dis- verstanden werden kann, objektiv und sub- kussion darüber. Er fand ein „halbes Selbst- jektiv. zitat“ in der ersten Zeile – aus „O großer Oktober der Arbeiterklasse“ wurde nun „O Florian Vaßen, Emeritus aus Hannover, großer Ochse“. (Und er machte klar, dass bemerkte, „der verdiente Mörder“ sei aber das merkwürdige Wort „Schriftmacher“ ein kein Abwägen mehr, das sei „paradox“. Es Fehler der Herausgeber für „Schrittmacher“ habe keine einfache Lösung mehr gegeben, ist – die Korrektur in der Vorlage sei eindeu- die erheblichen Verdienste der Sowjetunion tig.) Brecht „bemüht sich um eine Haltung um Antikolonialismus und Antifaschismus zu den Ereignissen“, sagte Wizisla, „Brecht waren zu berücksichtigen. Tragelehn be- spielt, lauert, man spürt eine klammheim- zeichnete das Verhältnis von Verdiensten liche Freude“. Nachdem ein kritischer Kopf und Verbrechen als „unaufrechenbar“. Die wie Benjamin nicht sofort den Stalin-Be- Frage von Wizisla, warum wohl Walter zug witterte, war Brecht offenbar beruhigt Benjamin zu Brechts Begriff von der „Ar- und konnte den sorgfältig getarnten Text beitermonarchie“ groteske „Ungeheuer aus „ohne Gefahr in die Svendborger Gedichte der Tiefsee“ (Tagebuchnotizen, Anfang Au- aufnehmen“. Eine der Schwierigkeiten beim gust 1938) einfielen, konnte nicht ganz ge- Schreiben der Wahrheit hatte er gelöst. klärt werden. (mf) ¶

Dreigroschenheft 2/2017 21 Die Massen, der Aufstand, die Führung

, S talin , Brechts Trotzki-Lektüre auf der Grundlage der Nachlassbibliothek l ENIN Dieter Henning

1 Die Fundsituation in Brechts damit sie die Aufmerksamkeit nicht auf sich Nachlassbibliothek ziehen sollten.“

Es wird noch ein paar mehr Bücher und Aus Brechts Werk ist zu ermitteln, dass Fernsehsendungen als bislang zum hun- entweder Bücher Trotzkis verloren gegan- dertsten Jahrestag der russischen Revoluti- gen sind oder Brecht sie gelesen hat, aber on von 1917 geben als bislang schon und nicht in seiner Bibliothek besaß. Sowohl zu keine Darstellung wird auf die Figur von Trotzkis Autobiographie „Mein Leben“ wie Leo Trotzki, dem neben Lenin wichtigen zu dessen 1924 erschienener Studie „Über Organisator des Aufstands und des Gelin- Lenin“ gibt es kennzeichnende Fundstellen. gens der Revolution, verzichten können. Im Frühjahr 1933 erscheint in der letzten Brecht hat gegenüber Benjamin zum Aus- ausgelieferten Nummer, der Nummer 7, druck gebracht, dass er Trotzki als großen von Brechts unter dem Titel „Versuche“ he- europäischen Schriftsteller schätze und rausgegebenen Werken unter dem Sammel- gesagt, der „russischen Entwicklung folge titel „Geschichten aus der Revolution“ ein er; und den Schriften von Trotzki ebenso.“ Gedicht, das sogar zwei (davon eines mit In Brechts Nachlassbibliothek sind heute, Anführungszeichen versehen) Trotzki-Zi- Zweitexemplare mitgerechnet, zehn Bän- tate enthält (die aber nicht als solche kennt- de der Werke Trotzkis aus Brechts Besitz lich gemacht sind, weil Trotzkis Name nicht einsehbar. Dazu Isaac Deutschers Trotzki- fällt). Das wird stalinistischen Schnüfflern Biographie, genauer, ein Band davon: The nicht gefallen haben. Beide Zitate sind aus Prophet Armed. Trotzky 1879-1921, New Trotzkis Buch „Mein Leben“, das Brecht also York, London 1954, und das Buch von Max zumindest für den Zweck des Zitierens in Seydewitz, Stalin oder Trotzki. Die UdSSR der Hand gehabt haben muss. Der lange Ti- und der Trotzkismus. Eine zeitgeschicht- tel des Gedichts enthält schon, was Brecht, liche Untersuchung, London 1938. Die bei- soweit das heute in der Nachlassbibliothek den Bücher enthalten keine Eintragungen einzusehen ist, in seiner Trotzki-Lektüre oder Anstreichungen Brechts. Die Trotz- interessiert hat, die Stellung der politischen ki-Werke schon. Brecht hat gelesen und Führung zu den Massen, das Verhältnis war informiert. Dass der Umgang mit dem zwischen Partei, hier den Bolschewiki, und Werk Trotzkis und der Versuch eines eige- dem Volk. Es war generell ein Hauptthema nen Blicks auf die Oktoberrevolution nicht seines eigenen literarischen Werks. Das einfach und sogar gefährlich war (auch Gedicht heißt: „Die Bolschewiki entdecken nach dem stalinistischen Terror gegen alle im Sommer 1917 im Smolny, wo das Volk allgemein des Trotzkismus Verdächtigten), vertreten war: in der Küche“. Es verarbeitet erfährt man, wenn man die Information von Peter Voigt liest, die Bücher Trotzkis  Die Bibliothek Bertolt Brechts. Ein kommentiertes hätten in Brechts Bibliothek zur Zeit der Verzeichnis. Herausgegen vom Bertolt-Brecht-Ar- DDR „mit dem Rücken zur Wand gestanden, chiv, Frankfurt/Main 2007 (nachfolgend zitiert als NBB), Erdmut Wizisla, Brecht – Ein Leser und seine  Walter Benjamin, Versuche über Brecht, Frankfurt/ Bibliothek, S. 26. Main 1971, S. 131.  Zitiert nach Versuche Heft 7, Reprint Frankfurt/

22 Dreigroschenheft 2/2017 eine von Trotzki in der Autobiographie er- Datum des 10.12.42: „Lese Trotzkis kleines, zählte Anekdote, dass er in der Kantine des 24 herausgegebenes Buch über Lenin mit Smolny, ein Palastgebäude, in dem damals großem Vergnügen.“ Erstens ist hier doku- S talin ,

die Exekutive des Petersburger Sowjets mentiert, dass Brecht ein Trotzki-Buch ge- l ENIN tagte, zum Essen geht und jemand ihm – so lesen hat, das sich nicht im Nachlass findet die zitierende Nachschrift Brechts - „hei- (und man mutmaßen kann, er habe andere ßeren Tee gab und besser belegte Brote/ als Trotzki-Werke ebenfalls gekannt (bei dem allen andern“ (S. 243). Brecht vollzieht die attestierten „Vergnügen“), zweitens jeden- Schlussfolgerung Trotzkis im wörtlichen falls keine Abneigungen gegenüber dem Zitat aus Trotzkis Darstellung nach, „‚Un- Autor ausdrückt, sondern die von Trotzki sere Sache ist zur Hälfte gewonnen.‘“ Das ge- berichtete Begegnung zwischen ihm und samte Personal des Smolny entwickele eine Lenin (auch noch in London) mit einer Neigung zu den Bolschewiki. Brechts Wort- Freude zitiert, als flanierten Marx und En- wahl im Titel: „vertreten“, spielt ironisch gels gemeinsam durch die Straßen. mit der Redeweise von der Volksvertretung und weist darauf hin, dass die Bolschewiki Brecht zitiert, wie er schreibt, die „tragische im Zuge der Revolution eine andere Positi- Stelle“ eines Berichts von Trotzki. Lenin on des Volks als die in der Küche anstrebten wird, wie Trotzki wiedergibt, „in einer be- und diese im Kontakt und in der Zusam- sonders schwierigen Stunde des Jahres 1918“ menarbeit mit dem Volk erreichen wollten. Zu der so voller Hoffnungsschimmer bei  BFA 27, S. 144. Nachfolgende „Journal“-Zitate dort. Trotzki und Brecht bekundeten Solidarität Hervorhebung Brecht. von Partei und Volk ist es nicht gekommen  Am 20. Juli 1937 fragt Margarete Steffin z.B. bei oder nicht dabei geblieben. Die Sowjetuni- Walter Benjamin nach, ob er „den neuen Trotzki hierher ausleihen“ würde (Briefe an berühmte Män- on wie all ihre Anrainerstaaten wie die DDR ner, Hamburg 1999, S. 248). Trotzkis Buch „Stalins zerbrechen an der mangelnden Basis bei Verbrechen“ war 1937 soeben in Zürich erschienen den Massen, sie sind darin „failing states“ und Steffins Anfrage lässt nicht auf ein Desinteresse gewesen, dass ihnen die Anhängerschaft Brechts an Trotzkis Buch schließen. Ob Brecht das Buch von Benjamin erhalten und gelesen hat, ist des Volkes, um in der Nomenklatur von nicht nachzuweisen. Brechts Gedicht-Titel zu bleiben, misslang.  Brecht und Trotzki sind sich nicht begegnet, aber immerhin hat Trotzki sich bis 1937 in Norwegen Die zweite Anmerkung einer Trotzki-Lek- aufgehalten und Brecht war ab 1933 gleichzeitig in türe Brechts, wieder eines Buchs, das in der Dänemark nicht so sehr weit entfernt. Trotzki war 1932 in Kopenhagen und sein damaliger Aufenthalt Nachlassbibliothek nicht (mehr) vorhan- dort ein wichtiges Moment der Konstruktion einer den ist, führt auf denselben Sachverhalt. trotzkistischen Verschwörung der Anklagebehörden Im „Journal“ berichtet Brecht unter dem der stalinistischen Schauprozesse. Sowohl in Trotz- kis Buch „Die Verbrechen Stalins“, wie im „Rotbuch“ Main, 1959, S. 243/244. Vgl. BFA 11, S. 357; dort wird seines Sohnes Sedow zu den Prozessen (das sich in von den Herausgebern (Jan und Gabriele Knopf) im Brechts Nachlassbibliothek findet) gibt es unter der Herausgabejahr 1988 ausdrücklich beim Hinweis Kapitelüberschrift „Kopenhagen“ eine Darstellung, auf den Trotzki-Bezug von Brechts Gedicht gesagt, die Stalins Anklage lächerlich macht. Jetzt könnte dass Trotzki im Juli 1917, als die Smolny-Geschichte Brecht, kannte er den Zusammenhang, Vorsicht spielt, „zu diesem Zeitpunkt noch nicht Mitglied der haben walten lassen, weil er als in Dänemark Woh- Partei ist“. Im Brockhaus (München, 1970) steht un- nender fürchtete, leicht in eine Konstruktion von ter Trotzkis Namen, dass er „wie kein zweiter neben Verschwörung hineingezogen zu werden. Er hätte Lenin geschaffen schien, die Revolution nicht nur aber auch nach Lektüre der beiden genannten Bü- zu organisieren, sondern auch ihre Kontinuität zu cher von seiner einigermaßen den Prozessen gegen- sichern“ (Bd. 19, S. 16). Die beiden Brecht-Heraus- über apologetischen Darstellung, dem Versuch, eine geber scheinen damals noch zu Lebzeiten der DDR politische Konstruktion der Angeklagten „begreif- Wert darauf zu legen, dass Trotzki nicht zu den alten lich“ (BFA 22, S. 367) zu machen, absehen können. Kämpfern zählt. Oder beides machen.

Dreigroschenheft 2/2017 23 von einer Arbeiterdelegation besucht und vom Stalinismus Geprägtes. Die drei Bü- ein Arbeiter sagt ihm: „Man sieht, auch Sie, cher sind (in der Reihenfolge, in der sie im , S talin , Genosse Lenin, stellen sich auf die Seite der Verzeichnis der Nachlassbibliothek genannt 

l ENIN Kapitalisten.“ Lenin ist Trotzkis Bericht sind ): Leon Trotzky, The suppressed Testa- zufolge, den Brecht anführt, verwirrt und ment of Lenin. The Complete Original Text, hält die Begegnung für ein „beunruhigendes New York 1935,10 Leo Trotzki, Die 4. Inter- Symptom“. Wieder belegt der unmittelbare nationale und die USSR (Die Klassennatur Bezug auf einen Trotzki-Text Brechts hohe des Sowjetstaats), Prag 1933,11 Leo Trotzki, Aufmerksamkeit für die Situation der Ar- Die wirkliche Lage in Russland, Hellerau bei beiter, der Masse, des Volks, derer in der Dresden 1930. „Tiefe“ oder wie immer verschieden Brecht in seinem Werk diese Zuwendung benannt Anmerkungen und Anstreichungen in hat. Sie prägt sein Werk spätestens seit er Trotzki-Bücher aus Brechts Nachlassbiblio- 1930 in der ersten Nummer der „Versuche“ thek finden sich in drei Büchern,12 Trotzkis im von Heiner Müller so gelobten Text Studie „Stalinism and Bolshevism. Concer- „Fatzer, Komm“ einem vielschichtigen Du ning the historical and theoretical roots of empfiehlt: Werde „ teilhaftig des unschätz- the Fourth International“, New York 1937, baren/ Unterrichts der Masse:/ Bezieh den in der Brecht zwei Anstreichungen hat (auf neuen Posten“ bis zu den Hinweisen auf die am Ende dieses Textes verwiesen wird) die „Weisheit“ der Massen oder des Volks, und Fragestellungen Trotzkis aufgreift, die wie sie 1953 in den Buckower Elegien oder durchaus heute noch Gültigkeit haben oder 1956 in einem Beitrag über Stalin erfolgen, denen zumindest weiterhin nachgegan- für ein Vierteljahrhundert. gen werden sollte, falls man nicht mit dem Ende der Sowjetunion für am Ende und für Unter den Büchern aus Brechts Nachlass- besiegelt hält, was die Marxsche Kritik des bibliothek sind mindestens drei, die aller- kapitalistischer Ökonomie beinhaltet. dings keinerlei Anmerkungen und Anstrei- chungen Brechts enthalten, die ihm, wenn er Die umfangreichsten und zu analysierenden wenigstens einen Blick hineingeworfen hat, Anmerkungen und Anstreichungen Brechts einiges über Trotzkis Urteil über die Situa- sind den beiden Bänden von Trotzkis Ge- tion der Arbeiterklasse im Stalinismus mit- schichte der russischen Revolution zu ent- geteilt hätten. Selbst wenn Brecht sich hier nehmen, die Brecht in der Erstauflage der informiert hat, hat das wie seine sonstige Lektüre Trotzkis, auch die im Folgenden  Vgl. NBB, S. 410. genauer zu berichtende, nicht zu einem 10 Wenn Brecht in diesem Buch nicht gelesen hat, so klaren und deutlichen Bruch mit dem Stali- kannte er Lenins sogenanntes Testament (es sind nismus geführt, er hat an der Solidarität mit eine Reihe von Briefen zusammengefasst) aus der Darstellung bei Boris Souvarine, Stalin. Anmer- der Sowjetunion wie mit der DDR bis zum kungen zur Geschichte des Bolschewismus, zu dem Ende seines Lebens festgehalten. Trotz, je er im „Journal“ vom 19.7.43 berichtet: „Souvarines nach Betrachtungslage, einiger oder sogar niederdrückendes Buch über Stalin gelesen“ (BFA vieler Unterschiede und Trennendem ver- 27, S. 158). Lenin warnt vor Stalin und empfiehlt blieb er im Stand der Unterordnung unter eine kollektive Führungsarbeit. 11 Das ist das einzige Buch Trotzkis, das in einem Zweit­ exemplar in Brechts Nachlassbibliothek liegt.  Versuche, Reprint S. 41. Die Fatzer-Figur nimmt in 12 Die anderen Bücher Trotzkis in der Nachlassbibli- mancher Hinsicht Momente der Charakteristik der othek seien hier nicht eigens aufgeführt, sie sind Baal-Figur, also von spezifischer Asozialität auf, es NBB, S. 409f nachzulesen, es geht in drei weiteren gibt hier weitere Zusammenhänge, auf die nur ver- Büchern, die von Brecht unkommentiert sind, um wiesen werden kann. Trotzkis Flucht aus Sibirien, dessen Analyse des Fa-  BFA 12, S. 311 und BFA 23, S.418. schismus und der Revolution von 1905 in Russland.

24 Dreigroschenheft 2/2017 Erscheinungsjahre besaß,13 „Geschichte der Dass Leser heutzutage zum Thema Volk russischen Revolution. Februarrevolution“, sowohl Reserven (wenn von dessen „Weis- Berlin, 1931 und „Geschichte der russischen heit“ gesprochen wird) wie Neugierde S talin ,

Revolution. Oktoberrevolution“, Berlin 1933. besitzen und entfalten, liegt daran, dass l ENIN Zählt man die Anmerkungen, ergibt sich manchem in der Betonung des Volks ein- eine Bevorzugung des ersten Bandes durch gedenk der beim deutschen Volk so heftig Brecht. Das entspricht seinem Interesse an vorhandenen Zustimmung zum National- dem Thema des Verhältnisses der Massen sozialismus der Atem stockt, sowie (u. a. im zur Führung während des Aufstands, ei- Anschluss an die so untertanenstolze DDR- gentlich gibt er sogar der Aufmerksamkeit Parole „Wir sind das Volk“) sich volkstüm- für das Auftreten und die politische Ent- liche Bewegungen in Deutschland wie sonst wicklung in der Bevölkerung gegenüber in Europa und der Welt tummeln, die ganz dem Blick auf Führungsinstanzen den Vor- beschränkt auf ein erklärt national Eigenes zug. Nimmt man zum schon angegebenen schauen und eine staatliche Politik anleiten Verehren der „Weisheit“ der Masse durch wollen, die ganz und gar auf diesem beharrt Brecht sein Anraten einer „großen Aus- und ein Vorgehen gegen als Gefahr und sprache“14 anlässlich des Aufstands des 17. Bedrohung gesehenes Fremdes, das man Juni 1953 in der DDR hinzu, ist deutlich durchaus auch als inneren Feind ausmacht, zu belegen, dass, selbst wenn nicht sämt- zum Vollzug anmeldet. liche Trotzki-Lektüre Brechts anhand der verbliebenen Bücher in der Nachlassbiblio- 2 Massen und Aufstand im Februar 1917 thek nachgezeichnet und analysiert werden kann, durch das Beschäftigen mit Brechts Es können nachfolgend nicht sämtliche An- Anmerkungen und Anstreichungen, wie es streichungen Brechts in Trotzkis Darstel- im Vorwort des Buchs zur Nachlassbibli- lung der Februarrevolution wiedergegeben othek heißt, ein Beitrag zum „Spiegel der werden, allerdings vollständig die notierten intellektuellen Physiognomie Brechts“15 er- Anmerkungen. Die Anstreichungen geben bracht werden kann. Brechts Anmerkungen eine konsequente und vermutlich vollstän- und Anstreichungen zeichnen nach, was dige Lektüre zu erkennen;16 Brecht entgeht während der Revolution in Russland an kaum ein wichtiger Punkt zur Entwicklung bemerkenswerten Aktionen der Massen der „Massen“ und den Reaktionen der Füh- bei Trotzki aufgeführt ist, das hat ihn als rung. Bereits im Vorwort Trotzkis unter- Vorgehensweisen im Volk und zum The- streicht er (im Buch zur Februarrevolution ma des Kontakts der Partei mit dem Volk ist mit Bleistift, im anderen Buch mit rotem interessiert. Es verweist darauf, was er sich Farbstift gearbeitet) die Aussage: „Die Mas- als nichtstalinistische sozialistische Politik sen gehen in die Revolution nicht mit einem erhofft hat. fertigen Plan der gesellschaftlichen Neuord- 13 Vgl. genauere Angaben NBB, S. 409. Falsch ist dort nung hinein, sondern mit dem scharfen Ge- die Seitenzahl 19, rechte Spalte oben, es ist die Sei- fühl der Unmöglichkeit, die alte Gesellschaft te 10 in Brechts Trotzki-Buch und die angegebene länger zu dulden.“ (10)17 Unterstreichung in Brechts Anmerkung auf Seite 339 im Buch zur Februarrevolution stimmt nicht, es 16 Eine bei Brecht nicht unbedingt häufig beobacht- heißt, unterstrichen wäre „Möglich-/keit sichtbar!“. bare Lektüreweise. So verzeichnet NBB (S. 409) Das ist sowieso wegen der Worttrennung komisch. zu beiden Büchern Trotzkis „Besonderheiten des Brecht hat vielmehr seine Anmerkung am Anfang Exemplars: Zerlesen“. Das muss jedoch nicht von und am Ende mit einem Strich zusammengefasst, Brechts Anstrengung herrühren. Im zweiten Band gewissermaßen gerahmt, daher die fälschlich no- findet sich z.B. eine fremde Leserspur. tierte Unterstreichung. 17 Nachfolgend ist in der Regel nach den Ausgaben 14 BFA 23, S. 250. Brechts (NBB 2884 und 2885) zitiert, er besaß die 15 NBB, S. 27, Hervorhebung dort. vollständige Ausgabe, beide Bände Trotzkis zusam-

Dreigroschenheft 2/2017 25 Danach interessiert Brecht besonders das Stelle dreifach, er unterstreicht, zieht einen Kapitel „Fünf Tage“, die ersten Tage der Re- Strich am Rande und fügt noch ein Ausru- , S talin , volution (23. bis 27. Februar 1917). Es gibt fezeichen hinzu: „Eine Leitung der Massen

l ENIN zahlreiche Anstreichungen von ihm hierzu. gab es fast nicht. Die Zeitungen schwiegen, Er nimmt zur Kenntnis, dass die Februar- denn es war Streik. Ohne sich umzuschauen, revolution von unten begann, als z. B. die machten die Massen selbst ihre Geschichte.“ Bolschewiki am 25.2. in einem Flugblatt (123) Der Anmerkung Trotzkis: dass „die zum Streik aufrufen wollen, gibt es den aufständische Masse zu einem Kollektiv- längst und nach Trotzki bestand bereits die wesen mit unzähligen Augen, Ohren und Notwendigkeit, zum bewaffneten Aufstand Fühlern“ (ebd.) wird, verleiht er zwei Bal- überzugehen. Brecht hebt heraus: „Die kenstriche am Rand. Er verfolgt die Dar- Führung schaut von oben zu, schwankt und stellung der Führung und goutiert Trotzkis bleibt zurück, das heißt führt nicht. Sie trot- Bemerkung, die „Kunst der revolutionären tet hinter der Bewegung her.“ (117) Auf die Führung“ bestünde in der „Fähigkeit, die Aufständischen wird geschossen. Aber es Massen zu belauschen“ (124). Die ausge- laufen immer mehr Soldaten zu ihnen über. rückten Ordnungstruppen gehen, schreibt Auch dieser Entwicklung gönnt Brecht ei- Trotzki, im Aufstand unter, und Brecht hebt nen langen Anmerkungsstrich: es „hat sich für sich heraus, die Massen „ließen sie nicht im Volk der Glaube festgesetzt, die Revoluti- anders vorwärts als zusammen mit der gro­ on habe begonnen, der Erfolg sei den Massen ßen, unübersehbaren Menge. Gegen diese fest sicher, die Regierung ohnmächtig, die Bewe- an ihnen klebende, nichts mehr fürchtende, gung zu unterdrücken, da die Truppen auf unerschöpfliche, alles durchdringende Masse Seiten des Volks ständen, der entscheidende zu kämpfen, war ebenso wenig möglich wie Sieg sei nahe“ (120). im Teig zu fechten.“ (133)

Wer als Brecht-Leser all die Hoffnungen Nach der Darstellung des Februars gilt Brechts auf Aktionen von unten kennt, Brecht Neugierde dem Monat April 1917, vor allem auf richtige,18 wird nicht umhin Lenin war in Petersburg eingetroffen können, festzustellen, dass sich viel davon (Trotzkis kam erst im Mai, hat aber im aus seiner Kenntnis der Darstellung zur März aus den USA Briefe geschickt, die russischen Revolution speist. Es treten re- ähnlich wie Lenins Eingreifen interpretiert volutionäre Massen in Bestform auf. Trotz- werden können) und setzte sich schnell für ki hebt das hervor (es ist wohl tatsächlich ein Weitertreiben der Revolution zu einer so gewesen) und Brecht reagiert an dieser sozialistischen ein. Im Kapitel „Apriltage“ gibt es die einzige schriftliche Anmerkung men, fast 1500 Seiten. Ich habe eine auf die Hälfte Brechts im Buch zur Februarrevolution. gekürzte Ausgabe von Trotzkis beiden Büchern, in Zur Aussage Trotzkis (die er anstreicht), einem Band zusammengefasst aus dem Jahr 1967, Fi- scherverlag Berlin, Übersetzung Alexandra Ramm; das „Eingreifen der Arbeiter und Soldaten in das sind Verlag wie Übersetzerin der Ausgabe, die die politischen Ereignisse verändert die po- Brecht hatte. Manchmal ist aus arbeitstechnischen litische Situation, gibt der Gesamtbewegung Gründen auf die eigene Ausgabe zurückgegriffen und der Revolution einen Anstoß“ (339), worden. Kleine Unterschiede in der Übersetzung notiert er am Rand mit Bleistift und unter- sind auf Eingriffe des Verlags zurückzuführen, die dieser auch in der Ausgabe von 1967 (S. 11) an- streicht die Wörter „die Macht zu besitzen“ zeigt. und „Ziel“ zusätzlich: „Gewöhnen an/ den 18 Im „Journal“ (BFA 27, S. 219, 221) notiert er z.B. am Gedanken/ ‚die Macht zu besitzen‘!/ Das Ziel 28.1.45 „Immer noch nichts aus Oberschlesien über wird/ in der Möglich-/ keit sichtbar!“ (ebd.) die Haltung der Arbeiter.“ Und am 10.3.45 über Be- richte aus Deutschland: „Ruinen und kein Lebens- Die Zitatangabe Brechts findet sich nicht bei zeichen von den Arbeitern.“ Trotzki, es ist eher eine Zusammenfassung

26 Dreigroschenheft 2/2017 der Aussagen Lenins, auch in den „April- Ramon Mercader, ein Agent thesen“, an die Brecht anscheinend bei sei- Stalins, schlug am 20.8.1940 ner Notiz an dieser Stelle denkt. Brecht ist Trotzki einen Eispickel in den S talin , Schädel. Er war unter dem

in seiner Anmerkung dazu übergegangen, l ENIN sich den Aufgaben der Führung der Revo- Vorwand einer Schreibarbeit lution zuzuwenden. zu ihm vorgedrungen. Bei der Beerdigung in Mexiko waren mehrere 100 000 Menschen Seine weiteren Anstreichungen gelten ganz im Trauerzug. der bei Trotzki dargestellten Problematik, mit welchen Argumenten und Parolen die Bolschewiki in die Bewegung der Mas- […] Unter diesen durch die Gesetzmäßigkeit sen eingreifen sollen, z. B. wann, d. h. ab ihrer Rhythmen verblüffenden Ereignissen wann, die „Losung“: „Nieder mit der Provi- vollzogen sich tiefe molekulare Prozesse, die sorischen Regierung“ angebracht ist. Brecht die verschiedenartigen Teile der Arbeiterklas- verzeichnet Aussagen über die Sowjets, se in ein politisches Ganzes verschmolzen“ deren erneuernde Besetzung Trotzki par- (400). Die Rede von der „Gesetzmäßigkeit“ allel zur Entwicklung der Aufstandsbewe- und von den „molekularen Prozessen“ kann gung empfiehlt, damit sie nicht „zu einem als Verweis Trotzkis auf Kenntnisse der The- konservativen Hindernis“ werden (338), orie des historischen Materialismus gelesen Schwankungen innerhalb der Masse wird werden, aber das ist ihm nicht wichtig in es geben, zitiert Trotzki Lenin, und nennt seiner Darstellung, und Brecht nicht wich- als Aufgabe „Kritik, Propaganda“ und, als tig in seiner Lektüre. Die Massen agieren. Voraussetzung der Machtübernahme, „Er- Und sie entwickeln sich zu dem, was Trotz- oberung der Mehrheit in den Sowjets“; jetzt ki festhält und Brecht mit Ausrufezeichen gewaltsam vorzugehen, sei verfrüht (alles und Unterstreichung versieht. im Einzelnen sozusagen Schritt für Schritt von Brecht angestrichen (339-341)). Unter ihnen gibt es bewusste Revolutio- näre: „Die fortgeschrittenen Arbeiter kamen Brecht steigt mit Anstreichungen wieder immer mehr zu der Einsicht, daß ökono- ein, kurz bevor Trotzki mit der Darstel- mische Teilstreiks unter den Bedingungen lung des Monats Juni die Geschichte der von Krieg, Wirtschaftszerfall und Inflation Februarrevolution abbricht, um mit dem keine ernstliche Besserung bringen kön- Juli 1927 im zweiten Buch die Darstellung nen, daß irgendwelche Veränderungen der der Oktoberrevolution zu beginnen. Was Grundlagen notwendig sind.“ (401) Eine Trotzki an Urteilen fällt, mag stimmen oder Reform hilft nicht mehr; Veränderung der nicht, das soll hier nicht überprüft werden; „Grundlagen“ bedeutet Revolution und was Trotzki wichtig ist, bekommt Brecht je- zwar nach Trotzki für die Arbeiter die Ab- denfalls mit, streicht es an und versieht es schaffung der kapitalistischen Verhältnisse, zusätzlich mit einem Ausrufezeichen (die keine der „Gesetzmäßigkeit“ zufolge anlie- vier Ausrufezeichen Brechts im gesamten gende historische Aufgabe. Trotzki ist wie Buch Trotzkis geben bereits so etwas wie Lenin und anscheinend sein Leser Brecht, eine Übersicht an, wie sehr ihn die Darstel- trotz des Widerspruchs zu den Lehrsätzen, lung der Massen in ihrer Entwicklung of- für das Angehen der Aufgabe der Macht­ fensichtlich erfreut). Trotzki schreibt (und übernahme. Was zählt schon Weltanschau- Brecht markiert es): „Eine Revolution lehrt ung, scheinen sich die drei zu sagen, jetzt, und zwar schnell. Darin besteht ihre Kraft. da die Aktionen der Massen die historische Jede Woche brachte den Massen etwas Neues. Tagesordnung bestimmen. Jede zwei Monate schufen eine neue Epoche.

Dreigroschenheft 2/2017 27 3 Masse und Führung im Oktober 1917 fen. Beides sei angemerkt und vor allem das Letztere dem Leser zur weiteren Begutach- , S talin , Zur Darstellung der Oktoberrevolution tung überlassen. In schwarzer Tinte verziert 19

l ENIN sind die Anstreichungen Brechts etwas Brecht das Buch mit einer Art Motto aus weniger zahlreich, dafür finden sich zwei Trotzkis Werk: „in historischer perspektive Anmerkungen von seiner Hand, auf die gesehen, erscheint/ die Oktoberrevolution als gleich zu kommen sein wird. Die bei Trotz- weit mehr geplant,/ als sie in wirklichkeit war, ki vorliegende Verehrung Lenins (wie die in wirklichkeit/ schwankte man, suchte nach durch Anstreichen dokumentierte Brechts) etwaigen aus-/ wegen und faßte impulsive sei nicht ausführlich betrachtet. Gelobt beschlüsse, die/ zu nichts führten.“ Es führt wird z.B. Lenins lässiger Umgang mit dem sicher nicht zu weit, Brechts Hervorhebung Vorwurf, er sei ein Spion (die „Deutschen“ als Mut zu Schwankungen und dazu zu Ver- haben ihn nach Russland gebracht), Lenin suchen oder sogar zu ganzen Versuchsrei- geht so wenig darauf ein und macht einfach hen zu lesen (und anders als die sowjetmar- eine Politik, dass niemand mehr den Vor- xistisch an Leitsätzen orientierten), nicht wurf glaubt. Gelobt wird seine Art, sich von sich vor Fehlschlägen zu fürchten und einer Sachverhalten durch eigenen Augenschein Orientierung an der Wirklichkeit, der Pra- zu überzeugen (88, 672). xis zu obliegen.

Trotzki hat aus Gründen seines eigenen po- Auf der letzten Seite des Buchs, dessen litischen Nimbus nichts dagegen, die Rolle Rückseite, hat Brecht mit Bleistift (obwohl Lenins herauszuheben, sie war zudem real sonst im Buch mit roten Farbstift gearbeitet gegeben, Brecht macht sich das kenntlich worden ist) oben rechts und schräg hinge- – es ist die wichtigste Anstreichung im schrieben: „lob und schändung/ des großen zweiten Band von Trotzkis Werk – und X/ und ließ er einen furz/ so war es ihm zu so führt er das Orientieren seines anmer- kurz“ (677). Man wird als Leser, außer zu kenden und anstreichenden Kommentars lachen, nicht darüber hinweg kommen, am Thema Masse und Führung fort. Trotz- sich zur Anmerkung Gedanken zu machen. ki zitiert Lenin (und Brecht streicht an und Es verbleiben einige Lesarten. Die nahelie- notiert oben auf der Seite: „mehrheit“), Le- gende ist wohl, hinter dem „großen X“ Sta- nin habe gesagt: „wir dürfen nur auf dem lin zu vermuten, dafür spricht die Aussage Bewußtsein der Massen basieren. Und sollte „lob und schändung“, das ist das, was sich in es auch heißen in der Minderheit zu bleiben Trotzkis Buch wie anderen seiner Darstel- […]. Wir leisten die Arbeit der Kritik, um die lungen, grob gesprochen, bezüglich Stalin Massen vor Betrug zu bewahren … [Auslas- findet, es ist aber vor allem Brechts eigene sung bei Trotzki] Unsere Linie wird sich als Sicht der Abwägung von Stalins Nützlich- die richtige erweisen.“ (283/284) Diesem keit20, noch in den letzten Gedichten über Doppelten, Basieren auf dem Bewusstsein Stalin von 1956 stellt er Nutzen und Scha- der Massen, aber zugleich die Kritik auch den Stalins gegenüber. an ihnen nicht zu scheuen (selbst wenn zu sagen ist, dass es um mehr ging, als, wie Le- Der Furzende wäre also Stalin, seine Maß- nin schreibt, um „Betrug“), gilt Brechts letz- nahmen wären gekennzeichnet, sie würden te Anstreichung zum Verhältnis der Massen ihm selbst als zu „kurz“ erscheinen (das und der Parteiführung. Wort „es“ aus dem Text ist zu beachten,

Im Band zur Oktoberrevolution gibt es eine 19 Erdmut Wizisla weist im Vorwort NBB, S. 28/29 ei- gens auf diese Besonderheit innerhalb der Bücher Schönschrift-Anmerkung Brechts und ein aus Brechts Nachlassbibliothek hin. hingerotztes schülerzeitungshaftes Schimp- 20 BFA 18, S.108.

28 Dreigroschenheft 2/2017 auch das Wort „so“), zu schnell verpufft; er als der Furzende gesehen werden, aber er- steigert sich in der Maßlosigkeit des Terrors. stens erschiene diesem seine Kritik an Sta- Es wird aber eher anders sein. Im zweiten lin, nimmt man sie als Furz, sicher nicht zu S talin ,

Satzteil ist derjenige, der die Aussage trifft, kurz (weder im vorliegenden Buch noch l ENIN der Urteilende, da kann Trotzki gemeint insgesamt), und Brechts eher doch positive sein, aber was dasteht, hat Brecht notiert Nachzeichnungen in Trotzkis Buch spre- (u. U. von der Trotzki-Lektüre angeregt); chen nicht dafür, Trotzki als Furzenden zu er sagt über Stalin, was dieser politisch tut, sehen. gerät ihm falsch und greift zu „kurz“ etc. Es hält nicht vor und nicht an, ist weitgehend Bleibt wirklich nur, Brechts Satz als Beitrag wirkungslos (zumindest angesichts der zum Thema Flatulenz und Kommunismus Aufgaben der Revolution), da ist mehr oder zu nehmen und Stalin von ihm als flatu- weniger der ungeeignete falsche Mann mit lierend Gekennzeichneten und leidlichen den ungeeigneten Mitteln tätig. Das Hilfs- Versager. Für einen, der auch Lobenswertes verb „war“, das semantisch aufgepeppt wer- an Stalin festgehalten hat, ist das allerhand. den kann und als Kennzeichen von Geraten Nachgetragener Glückwunsch, dass nicht oder Gelingen gelesen werden kann – und einmal einer der Stalin-Schergen im Buch verneint, ein Gebrechen und Nichtgedeihen geblättert hat. Und zur Despektierlichkeit. ist –, steht in der Vergangenheit; die Politik, die Stalin bislang betrieben hat, ist mit dem 4 Mutmaßungen über Lektüre-Zeitpunkte Adjektiv „kurz“ als falsche angeprangert. Die Flatulenz-Notiz lässt vielleicht Rück- Argumentiert man herkommend von schlüsse zu auf den Zeitpunkt von Brechts Brechts Anmerkungen und Anstreichungen Lektüre. Traut man ihm zu – was nicht und hat diese im Kopf, wird man sagen gesichert gesagt werden kann –, dass er können, Stalin hat das, was über das Ver- nach den Opfern der stalinistischen Ver- hältnis zu den Massen, den Arbeitern oder folgungen und des Terrors, sowie nach dem dem Volk Trotzkis Text zu entnehmen ist, Beginn des Kriegs, nicht mehr so einfach nicht in der Grundlage seiner Politik, es von Stalins Fürzen geschrieben hätte, liegt überhaupt nicht entscheidend berücksich­ die mutmaßliche Lektüre spätestens im tigt. Sein Bezug war ein anderer: Terror. Jahr 1937, vielleicht aber schon früher. Ein Das Partikelwort „so“ kann eine Folge- zusätzliches Indiz, mehr aber auch nicht, rung meinen oder andeuten, im Sinne von ist, dass dem ersten Band, allerdings die- „demzufolge“ oder „eben darum“, jemand sem, nicht dem, der mit dem Furz-Spruch sieht ein, dass, was er oder einer gemacht verziert ist, zwei Briefe von Benjamin bei- hat, „so“, also auch tatsächlich und in echt, liegen, beide vom 26.4.1937, einer an Stef- das war nichts. Vielleicht würde das Wort fin, der andere an Bredel. Benjamin geht „fürwahr“ am besten passen. Ein konjunk- es beide Male zentral um sein Manuskript tionaler Gebrauch des Wortes „so“ ist auf „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Repro- jeden Fall zu konstatieren. duzierbarkeit“, das er der Zeitschrift Das „ Wort“ angeboten hatte, deren Redaktion Weitere Möglichkeit; Stalin ist der Fur- neben Bredel auch Brecht leitet. Nun weiß zende, aber Trotzki wäre der, der in Brechts man von Steffins Klage an Benjamin, Brecht Urteil als zu kurz empfindet, was Stalin ge- lese immer zuerst dessen Briefe an sie und tan hat, Trotzkis Buch ist 1933 erschienen. oft bekomme sie diese gar nicht zu Gesicht, Brecht hat es wohl später gelesen. Er fasst und kann sich also vorstellen, Brecht habe einfach Trotzkis Aussage über Stalin zu- die Briefe ins Buch gelegt (er hätte ja an sammen. Kann sein. Auch Trotzki könnte Bredel schreiben können, das tut er aber

Dreigroschenheft 2/2017 29 nicht, es ist kein solcher Brief bekannt, an Internationals to the First International? But Benjamin schreibt er Ende Mai 1937, dass it too broke down in its time. Thus in the last vielleicht „Helli“ nach Paris kommen will, analysis it is a question of returning to the L eser b rief und bezieht sich nicht auf die Bredel-Ge- complete works of Marx and Engels.” ¶ schichte).

Das Buch muss also vermutlich im April 1937 leicht greifbar wie zur Lektüre (ca. Leserbrief zu Heft 1/2017 1500 Seiten liest auch Brecht nicht schnell) bei Brecht parat gelegen haben. Das ist Eine kleine Fundstelle zum Titel und selbstverständlich nicht philologisch genau abzusichern. Aber nach Kriegsbeginn 1939 zum Artikel ist eine so relativ ausführliche Trotzki-Lek- türe Brechts eher unwahrscheinlich. Man Trotzki schreibt in „Die verratene Revo- wird sich also an die Vorstellung zu gewöh- lution“ von 1936: „Für viele Kleinbürger, nen haben, dass Brecht, als er sich in den die weder Feder noch Pinsel führen, ist die Jahren 1937 und 1938 nicht eindeutig ge- amtlich eingetragene ‚Freundschaft‘ mit der gen die Stalinschen Prozesse stellt und aus- USSR gleichsam eine Bescheinigung hö- spricht und nicht gegen die stalinistische herer geistiger Interessen. Die Zugehörig- Politik insgesamt, nicht nur hohe Kennt- keit zu Freimaurerlogen oder pazifistischen nisse des Werks von Lenin besaß, sondern Klubs hat mit der Mitgliedschaft zur Gesell- zudem erhebliche des Werks von Trotzki. schaft der ‚Freunde der Sowjetunion‘ vieles gemein, denn sie gestattet, gleichzeitig zwei NB Leben zu führen: ein Werktagsleben in- mitten der alltäglichen Interessen, und ein In Trotzkis Buch „Stalinism and Bolshe- sonntägliches zur Erhebung der Seele. Von vism“ von 1937 (NBB S. 410) hat Brecht an- Zeit zu Zeit besuchen die ‚Freunde‘ Mos- gestrichen, wie schwierig die Verhältnisse in kau. Ihrer Erinnerung prägen sich Trak- Russland insgesamt Trotzki zufolge waren: toren, Kinderkrippen, Pioniere, Paraden, „And aside from the working class there exist Fallschirmspringer ein, mit einem Wort al- in the a hundred million peas- les ausser der neuen Aristokratie.“ (Zürich ants, various nationalities, and a heritage of 1957, S. 297) oppression, misery and ignorance. The state built up by the Bolsheviks reflects not only the thought and will of Bolshevism but also the cultural level of the country, the social composition of the population, the pressure of a barbaric past and no less barbaric world imperialism.”

Zusätzlich vermerkt er zwei Striche am Rand des Textes bei der Aussage: “There are oth- ers […], who say [...]: ‘We must return from Bolshevism to Marxism.’ To what (Trotzki) Marxism? Before Marxism became ‘bank- rupt’ in the form of Social Democracy. Does Das Fallschirmspringen scheint also zu den the slogan ‘Back to Marxism’ then mean a Vorführgeschichten gehört zu haben. leap over the periods of the Second and Third Dieter Henning

30 Dreigroschenheft 2/2017 Eine schmerzhafte Lektüre: Brechts Star Carola Neher im R ezension Kräftefeld der Sowjetunion Michael Friedrichs

Selten habe ich eine so schmerzhafte Lek- türe hinter mich bringen müssen wie diese. Es tut weh, aber man liest weiter wie unter Zwang. Carola Neher war einer der Stars der Brechtbühne. Ihre „heilige Johanna der Schlachthöfe“, von der wir nur die Ton- aufnahme der Funkstunde vom 11. April 1932 haben, leuchtet mit klarer, unpathe- tischer Diktion bis in die Gegenwart. Die umfangreiche Würdigung des qualvollen Todes einer so bekannten Person mag ein ISBN 978-3-86732-243-0, 24,90 € Element Ungerechtigkeit enthalten gegen­ über den vielen, deren Qualen unbekannt Wladimir Koljasin, Anne Hartmann, Chri- bleiben, aber nur bei Prominenten gibt es stoph Hesse, Peter Diezel und Bettina Nir- eine Chance, die einzelnen Schritte ins Ver- Vered analysieren die Entwicklung der derben rekonstruieren zu können, von den sowjetischen Theaterkunst in den 1920er vielen, die hieran mitgetan haben, wenig- Jahren; ferner die Schicksale von Brechts stens einige herauszufinden und zu benen- Freund Tretjakow und Wsewolod Meyer- nen. Schwer genug war es auch hier. hold; es geht um die sehr unterschiedlichen Lebensläufe deutscher Schriftsteller und Der Band wurde herausgegeben von Betti- Künstler, die sich ins antifaschistische Exil na Nir-Vered, Reinhard Müller, Irina Scher- in der Sowjetunion begeben haben; um Ca- bakowa und Olga Reznikova, er umfasst elf rola Nehers vergebliche Bemühungen, dort Aufsätze. Die Drucklegung wurde von der im Film Fuß zu fassen; und – ein erstaun- Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED- licher Fund – um eine Artikelserie von Diktatur gefördert. Entstanden ist ein un- Carola Neher über deutsche Künstler wie gewöhnlich sorgfältig redigiertes Werk mit Max Pallenberg, Alexander Granach oder hervorragender Wiedergabe von Fotos und Erwin Piscator in der sowjetischen Zeitung Dokumenten, sorgfältigen bibliografischen Ogonjok 1935–36; Granach hat seinerseits Angaben und einem enormen Personenre- im gleichen Blatt einen Artikel über Carola gister, das den Reichtum an Informationen Neher geschrieben. in dem gewichtigen Band veranschaulicht. Der Prozess gegen Carola Neher und ihre Klaus Völker zeichnet in staunenswertem Leiden in der Haft (sie starb am 26. Juni Kenntnisreichtum ihre erfolgreiche Büh- 1942 an Typhus) werden erhellt durch ein nen- und Film-Laufbahn nach, ebenso ihr ausführliches Gespräch von Peter Diezel mit privates Leben, und fügt ein Rollenver- der Überlebenden Hilda Dutý und einen zeichnis an. Karin Wieland geht detailliert Beitrag von Reinhard Müller über Carola auf die turbulente und durch die tödliche Neher und Zenzl Mühsam, die Witwe von Erkrankung des Dichters belastete Bezie- Erich Mühsam. Und schließlich untersucht hung zu ein. Valeriy Zolotukhin, Reinhard Müller noch das „gesammelte

Dreigroschenheft 2/2017 31 Schweigen“ von Brecht in Sachen Carola 1934 aberkannt worden war. Zudem habe Neher, und Irina Sherbakova skizziert das sie sich in der Sowjetunion „staatsfeindlich Leben ihres Sohnes Georg Becker. gegen das Reich betätigt“ (S. 299). Wäre sie R ezension nach Deutschland ausgewiesen worden, Das hauptsächlich Schmerzhafte an diesem dann hätte das mit großer Wahrscheinlich- Buch ist die unentrinnbare Verkehrung des keit KZ bedeutet. hoffnungsfrohen sozialistischen Aufbruchs in die polizeistaatliche Denunziation und Brechts Notizen, Gedichte und Briefe aus Vernichtung mutmaßlicher Abweichler diesen Jahren zu Carola Neher sind be- (Vorwurf des Trotzkismus). Wenn es ge- kannt; nicht in jedem Fall weiß man aber, gen die Angeklagten keine Beweise gibt, ob die Briefe auch abgeschickt wurden belegt das erst recht, mit welcher Heimtü- und den Adressaten erreichten. Brechts cke die Verschwörer vorgingen. Fast noch NKWD-Akte ist, wie Müller notiert, noch schmerzhafter zur Kenntnis zu nehmen ist immer nicht zugänglich; in der Akte von es, wie die deutsche KP-Führung im Mos- Maria Osten werde Brecht als „Trotzkist“ kauer Exil, in Sorge um die jeweils eigene stigmatisiert (S. 314). Er war gefährdet und Haut, keinen anderen Weg sieht als mitzu- dürfte sich darüber kaum Illusionen ge- spielen im Denunziantenpoker. Das waren macht haben. Im Dezember 1934 hatte er Leute mit Verdiensten im antifaschistischen den Aufsatz „Fünf Schwierigkeiten beim Kampf, die in der politischen Praxis in Schreiben der Wahrheit“ fertiggestellt, und Deutschland unermüdlich Solidarität ge- er operierte gegenüber den vielfältigen Be- predigt hatten. spitzelungs- und Verfolgungsmaßnahmen, die er ab 1933 überall erlebte, mit bemer- Reinhard Müller hat schon 1991 mit dem kenswertem Geschick. „Stenogramm einer geschlossenen Partei- versammlung“ in Moskau im September Reinhard Müller hebt andererseits Brechts 1936 (Die Säuberung) tiefe Einblicke in hartnäckige Verteidigung der Sowjetunion diese makabre Gruppendynamik ermög­ in vielen Schriften hervor. Ist er dabei im- licht und das Bild seither durch zahlreiche mer ganz fair? Das Typoskript „Kraft und Publikationen ergänzt. Man ist nun ge- Schwäche der Union“ (GBA 22.1, S. 286- spannt darauf, wie Müller vor diesem Hin- 289), eine Polemik gegen den Reisebericht tergrund, mit umfangreichem Wissen und von André Gide, ist 1937/38 geschrieben historischem Abstand, Brecht beurteilt, der, und von Brecht nicht veröffentlicht. Daraus teils ahnend, teils wissend, die Entwick- zitiert Müller den Satz „Aber die General- lung in der Sowjetunion hauptsächlich von linie der Partei steht jenseits der Kritik“, Svendborg aus beobachtet, aber ja auch von und den bezeichnet Müller als „apodik- Mitte März bis Mitte Mai 1935 eine eigene tisch“ (S. 307). Das ist aber eine Zustands- Russland-Reise unternommen hat. beschreibung, nicht Brechts Meinung, und Brechts Dialektik prägt schon im nächsten Was wusste er? Was unternahm er? Hätte Satz: „Aber vielleicht nur jenseits einer Kri- er mehr tun können, womöglich eine Aus- tik, die eben ihrerseits jenseits steht?“ Und reisegenehmigung für Carola Neher erwir- kurz drauf, noch deutlicher: „Allerdings ken? kritisiert das Leben selber sie.“ Die prak- tische Kritik ist es, die Brecht für wesentlich Sie wurde am 25. Juli 1936 verhaftet. 1939 hält – und er hofft, dass es sie gebe. ¶ hätte man sie ausweisen wollen, aber die Deutsche Botschaft in Moskau wies darauf  „Volkskommissariat für innere Angelegenheiten“, hin, dass ihr die deutsche Staatsbürgerschaft dem auch die Geheimpolizei unterstand.

32 Dreigroschenheft 2/2017 Brechthaus

Sonderausstellung im Brecht-Lebendmasken, 1930 von Paul Hamann mit großer Detailgenauigkeit abgenommen (Fotos: mf) Augsburger Brechthaus

Man merkt Thomas Weitzel die Freude • ein Entwurf von Caspar Neher für ein an, als er an Brechts 119. Geburtstag die unbekanntes Stück, betitelt „Ich will ES Sonderausstellung im Brechthaus eröffnet. WISSEN“ (Wasserfarbe auf Holz); Nach mehreren Jahren ist wieder ein sub- • fünf aquarellierte Szenenbilder von stantieller Ankauf von Werken aus Brechts Caspar Neher zu Brechts Fragment „Der Nachlass durch die Stadt Augsburg gelun- Wagen des Ares“ (1948). gen. Die Töchter von Barbara Brecht-Schall Die Neher-Aquarelle waren Barbara Brecht- haben diese Stücke zuerst der Stadt Augs- Schall offenbar besonders wichtig – es gibt burg angeboten, und diese hat zugegriffen, ein Foto, auch in der Ausstellung zu sehen, mit freundlicher Unterstützung der Wil- das sie bei ihrem 80. Geburtstag vor diesen helm-Carl-Nagel-Stiftung. Zu sehen sind im Bildern zeigt. Sie sind sehr lebendig und de- Augsburger Brechthaus noch bis 23. April: tailreich. Sarah Klein (Kunstsammlungen) teilt mit, dass in München und Wien wei- • Zwei Brecht-Lebendmasken aus Gips tere Szenenbilder zu diesem Stückentwurf und eine in Bronze, 1930 von Paul Ha- liegen. Von Brecht gibt es hierzu nur Frag- mann abgenommen; dazu gibt es ein mente im Umfang von 16 Druckseiten, be- bekanntes Foto, das Brecht mit einer sol- gonnen 1947 in den USA mit Blick auf seine chen Lebendmaske zeigt; Rückkehr in das vom Krieg zerstörte Euro- • die Original-Totenmaske, 1956 von Ger- pa. Es geht um das Verhältnis von Kriegs- hard Thieme abgenommen; gott Ares und der Göttin des Handels, die

Dreigroschenheft 2/2017 33 im Stück tatsächlich ein Verhältnis haben. Mit Caspar Neher hat Brecht im April 1948 in Zürich daran gearbeitet. Es wäre pracht-

Brechthaus voll, einmal alle zugehörigen Neher-Ent- würfe zusammenzuführen und mit Brechts Text szenisch-experimentell umzusetzen. Wie wär’s, Patrick Wengenroth?

Die Masken sind sehr detailreich gearbeitet, nach einem von Paul Hamann eigens ent- wickelten Verfahren. Man meint fast einen Lebenden vor sich zu sehen. Hamann hat insgesamt 160 Lebendmasken von zeitge- nössischen Künstlern und Schauspielern abgenommen. Bereits 1930 zählte er Brecht offenbar zu den Wichtigen. (mf) ¶

Vorabdruck in: a3kultur, März 2017 http://a3kultur.de/positionen/maskenball

Zweiter Augsburger Schulwettbewerb des Brechtkreises

34 Dreigroschenheft 2/2017 Brechtkreis

Im letzten Jahr hat der Bert Brecht Kreis mir nicht ins Haus; Schwanger? Von wem?; Augsburg e.V. zu einem Schulwettbewerb Familienschande; Eifersucht. Hintergrund- zum Thema „Horaz-Aufsatz“ eingeladen, informationen zu Brecht + Bi können an- die besten Arbeiten haben wir im Drei- gefordert werden; die Einreichungen gehen groschenheft 1/2017 abgedruckt. Für 2017 per Mail an [email protected]. Der lautet das Thema „Erste Liebe“, es erinnert Wettbewerb wird von der Stadt Augsburg an die intensive Beziehung Brechts zu Paula und der Stadtsparkasse unterstützt. „Bi“ Banholzer. Da sie Schülerin der Maria- Theresia-Schule war, fand dort am 10. Fe- Die Preisverleihung findet am 13. Oktober bruar (Brechts Geburtstag) die Auftaktver- in Brechts alter Schule, dem Peutinger- anstaltung statt. Wie im Vorjahr sind alle Gymnasium statt, dessen Lehrer er sei- literarischen und künstlerischen Formen nerzeit angeblich nicht wesentlich fördern willkommen. Die Themenvorschläge lau- konnte. Das hat sich inzwischen grundle- ten: Erster Kuss; Bittersweet, Der Kerl kommt gend geändert. (mf) ¶

Dreigroschenheft 2/2017 35 Mit Bi bei Kaffee und Kuchen Eine Begegnung mit Frau Paula Gross, geb. Banholzer A ugs b urger Wolfgang Leeb Der

Ein Eintrag in unserem alten Gästebuch erinnert uns an eine ganz besondere, un- vergessliche Begegnung. Am 14. April 1987 hatten wir Frau Paula Gross zu Besuch und plauderten einen Nachmittag lang bei Kaf- fee und Kuchen über die längst vergangenen Zeiten, als sie den Kosenamen „Bi“ trug und die große Liebe des jungen Dichters Eintrag ins Gästebuch am 14. April 1987 Bert Brecht war. einer älteren Tante im Memmingen, die in Zum ersten Mal begegnet war mir der Name Augsburg aufgewachsen war und sich im- Banholzer fast 20 Jahre früher. Mein dama- mer für Bücher mit lokalhistorischem Be- liger Lehrer Erich Maiberger, der sich als zug interessierte. Sie schrieb mir begeistert einer der Ersten sehr intensiv mit Brechts zurück, dass Paula ja ihre Klassenkameradin Augsburger Jahren befasste und später auch sei und sie beide ihren Schulabschluss in der den Brechtkreis mit ins Leben rief, verfasste damaligen „höheren Mädchenschule“, dem zum 70. Geburtstag des Dichters einen Bei- heutigen Maria-Theresia-Gymnasium, ge- trag für den Bayerischen Rundfunk, der am macht hätten. Sie nahm sofort Kontakt zu 6. Januar 1968 unter dem Titel „Der junge Frau Gross auf, und die beiden Damen sa- B. B. – Ein Dichter und seine Stadt“ gesendet hen sich nach Jahrzehnten in Memmingen wurde. Maiberger hatte Paula Gross besucht wieder und plauderten stundenlang über und die Gespräche mit ihr auf Tonband auf- alte Zeiten. gezeichnet. So konnte man sie in diesem Rundfunkbeitrag wohl erstmals erzählen Obwohl meine Tante mir wiederholt nahe­ hören. Bei ihrem Besuch erinnerte sie sich legte, Paula Gross doch zu einer Schulveran­ noch gut an Herrn Maiberger, den sie als staltung ins Peutinger-Gymnasium einzula- höflichen, angenehmen Gesprächspartner den, zögerte ich lange. Aber als die Schule empfunden hatte, der sich ernsthaft und am 8. April 1987 unter der Leitung von Frau persönlich für ihr Schicksal interessierte. Dr. Else Rapp, die der Fachschaft Deutsch vorstand, erstmals einen groß aufgezogenen Schon 1966 hatte sie auch Werner Frisch ein Brechtabend veranstaltete, schien mir ein persönliches Interview gegeben, dessen Stan- sinnvoller und angemessener Anlass für eine dardwerk „Brecht in Augsburg“ jedoch erst Einladung gekommen. An diesem Abend 1975 erschien. Nachdem auch das Fernse- wurde unter dem Titel „Vom falschen und hen die „Bi“ in einer längeren Sendung vor- richtigen Lernen“ eine vielseitige Revue von gestellt hatte, brachte sie ihre Erinnerungen Szenen, Gedichten und Liedern vorgestellt. schließlich zu Papier und veröffentlichte sie Deutsch-, Musik- und Kunstlehrer hatten 1981 zusammen mit anderen Beiträgen in zusammengearbeitet, und so beteiligten dem Band „So viel wie eine Liebe. Der un- sich schließlich über 60 Mitwirkende an der bekannte Brecht“ (hg. von Axel Poldner und Gestaltung des Abends. Als ich Frau Gross Willibald Eser). Dieses Buch schenkte ich anrief und sie als Ehrengast dazu einladen

36 Dreigroschenheft 2/2017 war. Welches Trauma, welchen „lebenslan- gen Kummer“ (Jürgen Hillesheim in der AZ vom 27.8.2010) dieses uneheliche und

von ihrem späteren Mann ungeliebte Kind A ugs b urger zeitlebens für sie bedeutete, wurde erst Der richtig klar, als ein Manuskript unter dem Titel „Frank“ auftauchte, das sie wohl kurz vor ihrem Tod begonnen und nicht mehr abgeschlossen hatte.

Paula Banholzer mit Sohn Gerhard und Gerhard Seidel Ein knappes Jahr nach ihrem Besuch bei vom Bertolt-Brecht-Archiv Berlin (Foto: Fred Schöllhorn) uns plante das Peutinger-Gymnasium zum 90. Geburtstag Brechts wieder eine Theater- veranstaltung unter dem Titel „Bert Brecht wollte, zeigte sie sich sehr interessiert und – Anfänge eines Schriftstellers“ (Auffüh- erfreut. Angesichts ihres hohen Alters wollte rung am 2. März 1988). Da es sich diesmal sie jedoch abends nicht mehr aus dem Haus um eine Matinee handelte, nahm Frau Gross gehen. Sie schlug stattdessen selbst einen die neuerliche Einladung an und wurde als Kaffeenachmittag vor, und so kam es zu dem Ehrengast an der Schule gefeiert. Weitere Besuch bei uns. Gäste waren Erich Maiberger und der da- malige Stadtschulrat Dr. Peter Menacher. Dieser Nachmittag, an dem auch Frau Dr. Rapp und eine Oberstufenschülerin, die Wir hatten großes Glück, dass wir Frau Gross eine Arbeit über die „Bi“ schreiben wollte, als Zeitzeugin noch erleben durften. Weni- teilnahmen, ist uns vor allem deshalb in so ger als ein Jahr später, am 25. Februar 1989, guter Erinnerung, weil die schon 85-jährige starb sie und wurde auf dem Katholischen Dame so lebhaft und voller Begeisterung Hermanfriedhof begraben. Seitdem habe von ihren Jugendtagen erzählte. Man sah ich ihr Grab immer wieder besucht (Feld 11 ihr immer noch an, dass sie sicher einmal Nr. 203). Oft war ich mit Schülern oder Stu- eine attraktive junge Frau gewesen war. dienreferendaren auf einem Rundgang durch Nachdem sie alles schon einmal schriftlich Augsburg auf den Spuren Brechts unterwegs, formuliert hatte, erfuhren wir kaum etwas, und es war immer ein besonders berüh- was wir nicht schon gelesen hatten, aber render Moment, wenn wir an Paulas Grab es war doch eine ganze andere Sache und Auszüge aus den Briefen lasen, die Brecht als besonders eindrucksvoll, sie so hautnah zu junger Mann an seine Freundin geschrieben erleben und so lebendig erzählen zu hören. hatte (Bertolt Brecht, „Liebste Bi“. Briefe an Helene Weigel wird immer wieder mit der Paula Banholzer. Hg. von Helmut Gier und Aussage zitiert, die „Bi“ sei Brechts einzige Jürgen Hillesheim. 1992). wahre Liebe gewesen. Davon war auch sie nach all den Jahren überzeugt, zeigte sich Der Spruch auf ihrem Sterbebildchen spiegelt allerdings auch froh darüber, dass ihr Wei- gut die heitere Stimmung wider, die wir an gels Schicksal erspart geblieben war. Für jenem längst vergangenen Nachmittag emp- uns auffällig war, dass sie ihren Sohn Frank fanden: „Nicht weinen, daß es vergangen, mit keinem Wort erwähnte. Schon damals sondern lächeln, daß es gewesen.“¶ hatten wir den Eindruck, dass die Erfah- rungen mit Brechts erstem Sohn, der nie Wolfgang Leeb ein rechtes Zuhause hatte und 1943 in Russ­ Lehrer am Peutinger-Gymnasium land fiel, ein wunder Punkt in ihrem Leben von 1981 bis 2015

Dreigroschenheft 2/2017 37 Neuauflage: Die Erinnerungen von Paula Banholzer („Bi“) R ezension Michael Friedrichs

So viel wie eine Liebe: Ungeordnetes 1981 ist die Erstauflage der Erinnerungen Verhältnis mit Bert von Paula Gross, geb. Banholzer, erschie- Brecht. Erinne- nen. Schön, dass sie wieder zu haben sind rungen und Ge- – allerdings ist die Freude nicht ganz un- spräche. München: getrübt. Der Band umfasste damals fünf Langen-Müller, 194 Texte: ihre eigenen Erinnerungen, ein In- Seiten, ISBN 978- terview mit den beiden Herausgebern Wil- 3784433950, 20 € libald Eser und Axel Poldner, ein Gespräch mit Marianne Zoff sowie Texte von Herbert Erstausgabe umgegangen wurde. Ein Text- Greuèl und Karl Lieffen über Brecht. In der vergleich ergibt, dass mehrere Details in der Neuauflage, im Februar 2016 erschienen, Tat stillschweigend nachgebessert wurden. sind die beiden letzten Texte weggelassen. So ist die Augsburger Frölichstraße ein Sie vermisse ich nicht. überschüssiges h losgeworden (S. 14), auch Marieluise Fleißer ist jetzt richtig geschrie- Was wurde sonst geändert? Einiges, meist ben (S. 116). Andere Wünsche blieben un- Kleinigkeiten. Der Untertitel wandelte sich erfüllt – die Gelegenheit, kleine Ungenauig- von „Der unbekannte Brecht“ zu „Unge- keiten, wie sie in Memoirentexten nun mal ordnetes Verhältnis mit Bert Brecht“. Dass vorkommen, stillschweigend zu korrigieren Brecht in Hinsicht auf die Liebe seiner Ju- oder durch redaktionelle Anmerkungen gend nicht mehr unbekannt ist, trifft sicher klarzustellen, wurde nur teilweise genutzt. zu, aber inwiefern war das ein „ungeord- Otto Müllereisert hieß nicht ursprünglich netes Verhältnis“? Die intensive Beziehung Müller-Eisert (S. 13). Georg Pfanzelt hieß Brecht-Bi abschätzig-altmodisch als „Ver- nicht „Pflanzelt“ (S. 25). Brecht studierte hältnis“ zu bezeichnen, kommt mir verhält- nicht Philosophie (S. 29). Ein Lektorat hat nismäßig unpassend vor. wohl stattgefunden, aber ohne viel Brecht- Kenntnis. Die nächste auffällige Änderung ist der Ab- druck von vier Seiten aus dem Wehrpass von Eine Frage aus dem damaligen Interview mit Frank Banholzer, dem Sohn von Brecht und Paula Banholzer fehlt merkwürdigerweise Bi, im Vor- und Nachspann. Man freut sich in der Neuauflage: ob es private Fotos von über die Ergänzung und sucht vergeblich den beiden gebe. Sie antwortete darauf: „Ja, nach einer Erklärung und Hintergrundin- eine ganze Reihe. Die besten will ich Ihnen formationen. Dieser Wehrpass stammt laut zur Verfügung stellen.“ Warum wurde ein Impressum aus dem „Archiv Axel Poldner“ so unverfänglicher Satz weggelassen? Das – wie mag er dort hineingelangt sein? Sollte führt wieder zur Frage nach dem Eigentum Paula Banholzer den hergeschenkt oder am Wehrpass. Vielleicht hat Paula Gross verkauft haben? Nicht vorstellbar. dem Herausgeber Dinge für die Buchver- öffentlichung zur Verfügung gestellt, in der Im Impressum wird das Buch als „überar- selbstverständlichen Erwartung, geliehene beitete Neuauflage“ bezeichnet. Man ist ge- Dinge zurückzuerhalten? Wem gehört übri- spannt, wie mit einigen kleinen Fehlern der gens das schöne Cover-Foto? ¶

38 Dreigroschenheft 2/2017 Bei Lotte Lenya zu Besuch und Fall der Stadt Mahagon- Ein feiner Kurt Weill-Abend im ny“ schönste Stadttheater Baden bei Wien Liebesgesang: „Speak low“, vom

Ernst Scherzer Komponisten Brecht un d M usik wohl eigens für Wie zahlreiche ganz ähnliche Theater- seine zwei Mal bauten in der ehemaligen Donaumo- geehelichte Gat- narchie entstand das Stadttheater Baden tin geschaffen. (bei Wien) anlässlich des Regierungsju- Weitere „Kost- biläums des seligen Kaisers Franz Joseph proben“ aus den I. Als die Operettenbühne des Landes hierzulande lei- ist das Haus weithin bekannt, doch be- der so gut wie schränkt sich das Programm längst nicht Monica Arnó interpretiert Lenya nicht gespielten mehr auf dieses Genre. Kurt Weill – im- (Foto: Franz Pfluegl) amerikanischen merhin der Begründer des hier ebenfalls Bühnenstücken gepflegten Musicals – hat man allerdings Weills, „Lady in noch nicht entdeckt. Vielleicht wäre der the dark“ oder „One touch of Venus“, aber hier besprochene Abend im dem Andenken auch die französischen Titel „Je ne t’aime des großen Theatermannes Max Reinhardt pas“ oder „Le Roi d’aquitaine“ (aus „Marie gewidmeten Foyer ein Anlass dazu … Galante“), auch das wenig bekannte „You- kali“ gerieten zu Höhepunkten dieses von Zweifellos wird man bei Monica Arnó eben- einem kleinen Liebhaberkreis besuchten so wenig auf ihre österreichische Heimat tip- Abends. pen wie bei Lotte Lenya. Der berühmteren Interpretin hat sie eine gründliche Ge- Vielleicht griff die Künstlerin ein bisschen sangsausbildung voraus, was sich freilich in zu viel nach der (fiktiven) Whiskey-Flasche den Liedern, die sozusagen eine „härtere“ und hustete zu unentwegt im Bemühen, Gangart erfordern, nicht unbedingt positiv die alternde Lotte Lenya für zwei Stun- auswirkt. Aber den Kanonensong aus der den lebendig zu machen. Doch insgesamt „Dreigroschenoper“ hat die als Karoline schlüpfte Monica Arnó gekonnt in Stimme Blamauer geborene Lenya nicht gesungen. und Darstellung in deren Rolle und in die Dagegen gewann das Lied der Seeräuber- ihrer Liebhaber, Mitstreiter, Widersacher. Jenny vielleicht gerade durch die scheinbar Und die Zuhörer erfuhren eine ganze Men- gefühlvollere Art des Vortrags; Ähnliches ge aus dem Leben der Legende. kann vom Surabaya-Johnny behauptet wer- den – um bei einem weiteren Text von Ber- Den zugegeben nicht gerade Brecht-nahen tolt Brecht zu bleiben, der freilich nicht das „Silbersee“ (Text Georg Kaiser) werden ein- ganze Programm geprägt hat. heimische Weill-Liebhaber in ein paar Mo- naten an der Grazer Kunstuniversität erle- Den Einstieg wählten Monica Arnó und ben können, Aufführungen des gesamten, Robert Lillinger, ihr vorzüglicher Begleiter hier mit drei Nummern vertretenen, „Hap- am Piano, nicht einmal von Kurt Weill, son- py End“ oder des „Mahagonny-Songspiels“ dern mit „What would you do?“ eine Num- – zu hören war der „Alabama Song“ – sind mer aus „Cabaret“ von John Kander. Darauf in Baden wünschenswert. Oder wenigstens aber folgte gleich der neben dem (beinahe) die „Sieben Todsünden“, auf die diesmal al- stückfremden Kranichduett in „Aufstieg lerdings „vergessen“ wurde. ¶

Dreigroschenheft 2/2017 39 Minima Hegeliana H egel Zu Brechts Denkbildern (6) Das unheimliche Werk Frank Wagner

„Die ‚Philosophie der Geschichte‘ dieses Hegel Machtkonstellationen. Die Methode, die- ist ein unheimliches Werk. Seine Methode ge- se Verhältnisse gedanklich nachzuvollzie- stattet ihm nicht nur, das Positive und Negative hen, bedarf dabei keiner Metaphysik. Das jeder geschichtlichen Erscheinung zu sehen, erkennt Brecht in der erwähnten Passage sondern auch diese Polarität zur causa der und anerkennt es uneingeschränkt. Der Entwicklung zu gestalten. Ungeheuer die Schil- Gegensatz Roms, der Kampf der plebe- derung des Formalismus der Verfassung unter jischen und patrizischen Parteien, ist nicht den Kaisern, wo der Reichtum ‚nicht die Frucht dargestellt als Ausdruck der Emanation des der Industrie‘ war. Wie großartig, auf ein paar Weltgeistes. Brecht liest von materiellen gedrängten Seiten, die Drehpunkte erscheinen. Verwerfungen, von Ausplünderungen, von Etwa, wie die Gracchen sich bemühen, ‚Italien, Sklavenverhältnissen und sozialen Schlach- statt mit Sklaven, mit Bürgern zu bevölkern‘. ten. Das Geld regiert, nicht der Geist. Und Unter den Caesaren ist es entvölkert! Und wie Dialektik findet in diesem Sumpf noch Ge- der innere Gegensatz unter Caesar nach außen setzlichkeiten. Brecht erblickt dabei Par- verlegt wird, das Reich gegründet wird, das allelen zu dem, was er als Gegensatz Ber- ‚dem Druck der Abgaben und der Plünderung lins vor Augen hat. Auch hier waltet kein erlag‘!“ (GBA 26, 330f.) unbeeinflussbares Schicksal. Der moderne Kampf der Klassen wütet ähnlich unerbitt- Das ist Brechts Eindruck seiner Lektüre aus- lich, und sollten etwa auch die politischen gewählter Passagen aus Hegels Vorlesungen Antworten vergleichbar sein? Könnte der über die Philosophie der Geschichte. Anlass Gegensatz Roms den Gegensatz und Auswahl dieser Hegellektüre Brechts vorgebildet haben? Brecht ist elektrisiert, sind bestimmt durch seine Arbeit am Cä- ausgerechnet bei Hegel ökonomische Über- sar-Roman, ein Unternehmen, das immer legungen vorzufinden. wieder ins Stocken gerät. Der Roman war zu diesem Zeitpunkt weder abgeschlossen, Brecht nennt Hegels Schilderung des For- noch in der Konzeption völlig ausgereift. malismus der römischen Verfassung wäh- Nur die ersten drei Bücher waren schon rend der Kaiserperiode „ungeheuer“. Der ausformuliert. Begriff Formalismus wird zu dieser Zeit für ihn eine zentrale Kategorie, mit der er glei- Brecht ist vom methodischen Verfahren der chermaßen eine verfehlte literaturtheore- Hegelschen Geschichtsanalyse sichtlich an- tische Position (Lukács) sowie einen volks- getan. Er hat vor sich eine realanalytische verdummenden Politikstil (Faschismus) Darstellung der Entwicklung Roms vom einer scharfen Kritik unterzieht. Zweiten Punischen Krieg bis zum Kaiser- tum. Brecht findet mustergültig demons- Cäsar ist für Hegel am Ende des römischen triert, wie geschichtliche Erscheinungen Niedergangs die notwendige historische positive wie negative Seiten aufweisen. Die Figur, die im Kampf gegen Pompejus den Gegensätze sind objektiv-historischer Na- Schein der Republik aufhebt. „Cäsar hat dem tur, also soziale Widersprüche, staatliche leeren Formalismus dieses Titels ein Ende Verfassungskrisen und personenbedingte gemacht, sich zum Herrn erhoben und den

40 Dreigroschenheft 2/2017 Zusammenhalt der römischen Welt durch Ordnungswahns hier vorgebildet und un-

die Gewalt gegen die Partikularität durch- terstreicht den Text Hegels oft mit Rotstift: H egel gesetzt.“ (PhG, tw 12, 379f.) Damit ist der Die Kurien in den Städten seien nur das Übergang zum Rom der Kaiserperiode her- Mittel, die Einzelnen „ordnungsgemäß“ gestellt. Hegel sieht ein „römisches Prinzip“ auszuplündern. Brecht unterstreicht das in Kraft, das sich durch Gewalt und Kälte „ordnungsgemäß“ doppelt. Die Einheit von oder die Abstraktion der Macht auszeich- Ordnungsliebe und Plünderungsmentalität net, also Momente, mit denen auch Brecht ist ihm kostbar. bei seinem Cäsar-Roman operiert, ohne diese Darstellung Hegels schon gekannt zu Hegels Theorie des Seelenführers, der Ge- haben. Das sittlich entleerte römische Prin- schäftsführer des Weltgeistes (Cäsar, Na- zip bedingt einen uferlosen Raubzug. Un- poleon), überträgt Brecht sehr direkt auf ermüdlich werden Provinzen erobert, wird den Führerglauben der Mittelschichten sei- Beute gemacht, werden Völker unterwor- ner Zeit. Diese seien orientierungslos und fen und neue Länder durch Abgaben aus- bräuchten Anleitung. Bis zu dieser For- gesaugt. Für Hegel ist das römische Prinzip malität scheint für Brecht Hegels Bild von in diesem Jahrhundert eines Cicero, Cato den Führern des Weltgeistes brauchbar. Es und Cäsar reiner Militarismus, im Innern bricht auseinander, wo der Seelenführer in wie nach außen, kalte Machttechnik ohne Wahrheit zum Volksverführer mutiert. Die höhere sittliche Idee. Reichtum auf dieser Mittelschicht braucht keine faschistische Basis ist Raub, so einfach formuliert Hegel, Führerschaft, wendet Brecht das Bild, sie nicht Frucht industriellen Fleißes. Folgende kann nur in einer anderen Gesellschaftsord- Zeilen sind Brecht ein Unterstreichen und nung Freiheit und Perspektive gewinnen. doppeltes Anstreichen am Rande wert: Hitlers Führertum erscheint folglich, auch wenn Brecht dies so nicht formuliert, eine „Der Reichtum wurde als Beute empfangen und Art regressiver Cäsarismus, eine personale war nicht Frucht der Industrie und rechtschaf- Herrschaft mit populären Stilzügen Zwi- fener Tätigkeit.“ (ebd., 374f.) schen-den-Klassen oder Über-den-Klassen, zumindest dem Schein nach. Theatralik ist Wo Hegel den Widerspruch von Ordnung dafür das eingebürgerte Wort. und Unrecht im römischen Reich thema- tisiert, schaut Brecht besonders genau hin. Gleichwohl mag Brecht am populären Poli- Die perverse Dialektik von Ordnung und tikstil Cäsars wie Hitlers eine gewisse Ähn- Unordnung ist ihm in der Epoche des Fa- lichkeit des Risikos gereizt haben. Der Auf- schismus von besonderem Interesse. In stieg eines Cäsar war immer aufhaltbar und den Konzentrationslagern, so diagnosti- gefährdet durch seine populären Manöver, ziert Brecht in den Flüchtlingsgesprächen, die oft wenig berechenbar waren und nicht herrscht die peinlichste Ordnung, um das selten des Wagemuts eines Hasardeurs größte Chaos zu bändigen. Ordnung dome- bedurften. Im Kampf der Optimaten mit stiziert und erzieht, zwingt also, wo Freiheit den Popularen war ein Durchbrechen der und Einsicht nicht gewollt oder möglich Fronten hochriskant. Gleichwohl konnte sind. Die römische Welt ist für Hegel derart gewinnen, wer starre Fronten nicht akzep- zerfallen, Verfall des Staatsorganismus auf tierte. Brechts Erstaunen über Hegels „un- der einen Seite und Atomisierung der Ge- heimliches Werk“ hatte gute Gründe. ¶ sellschaft in Privatpersonen auf der anderen Seite, dass nur noch gewaltsame Ordnungs- maßnahmen das Ganze zusammenhalten können. Brecht findet den Gedanken des

Dreigroschenheft 2/2017 41 Kotzlandschaft. Ein unbekannter Brief Brechts an Helene Weigel A rchiv Bertolt-Brecht- piccola marina di caprim es muß aber alles schnell gehen, pension Weber cito, prestissimo, liebe helle! liebe helle, nur ist es notwendig, daß du mir ich sitze auf Capri, langweile mich so schreibst, daß marianne, falls abscheulich mit dieser azurnen sie den brief läse, nicht zu tief kotzlandschaft die ein gigerl ist. erschrickt, nicht? sie ist krank. aber heute plötzlich werde ich verflucht wenn du also kommen kannst, dann unruhig, deinetwegen, der teufel schreibe in einem brief, der über die berliner weiß warum. verhältnisse erzählt nur etwa: geschrieben. a 27 fl bald fort, es ist schon viel besser mit und, wenn du das telegramm brauchst: ihr. ich will nicht daß du blöd bist, wie ich heut plötzlich glaube, wo ich unruhig alles sonstige französisch! ich möchte sehr, daß es dir gut geht, bin, perchè? es gibt keinen grund du mußt ein frisches gesicht haben. für dich. wenn du nicht kommen kannst, dann ich habe dich gut in mir, sympathi- bin ich in spätestens 2 wochen siere mit dir verry good, manch- in deutschland bei dir. ich freue mal un pocco furiozo! mich sehr. wie ist es mit peter? ? biddi jetzt höre! erkundige dich, ob du nach italien ich küsse dich aber auf den hals, zwischen hereinkommen kannst ohne 500 M zu schlüsselbein und kinn, du bezahlen, ich habe fast kein geld mehr. weißt es. liebe helle! vielleicht brauchst du eine depesche von mir dazu! schreibe es! ______dann würde ich dir drahten, wann rufe bitte kiepenh.[euer] an er soll mir ich in florenz sein kann! das geld schicken, wenns nicht schnell in lire geht, dann schnell in raten!

Bertolt Brecht an Helene Weigel, Brief, [2. Hälfte April 1924], 1 Bl./4 S., hs. (Blei/ Tinte), Akademie der Künste, Bertolt-Brecht- Archiv 4040 / Mit freundlicher Genehmi- gung der Bertolt-Brecht-Erben und des Suhr- kamp Verlages.

42 Dreigroschenheft 2/2017 A rchiv Bertolt-Brecht-

Dreigroschenheft 2/2017 43 Rätselhaftes Zeichen Peter und Piètro genannt, kam im Novem- ber zur Welt. Bis zur Trennung von Marian- Erdmut Wizisla ne sollte es noch dreieinhalb Jahre dauern. Und erst im April 1929 heirateten Brecht Mitten im Brief erscheint ein seltsames und Weigel. Zeichen, eingerahmt. Es ist weder chine- Vermutlich hätte Brecht nie eine Zeile ge- sisch oder japanisch noch Bildtelegramm- schrieben, wenn ihm nicht so oft langweilig A rchiv Bertolt-Brecht- sprache, sondern ein Phantasiesymbol, er- gewesen wäre. Starke Langeweile kannte er, funden, damit die Empfängerin, es ist die krankhafte, absolute, ungeheure, aber eben Geliebte des Verfassers, antworten kann, auch: „Genügend Langeweile für Arbeit!“ Es ohne dass dessen Ehefrau Verdacht schöpft. hat den Missmut des Verfassers wohl noch Brecht war nicht unbedingt ein Meister verstärkt, dass er sich in einer Umgebung der Chiffrierkunst. Seiner Jugendliebe Bi aufhielt, die andere zum Schwärmen bringt, hatte er schon mal die Zeile „937 712 4937 ihn jedoch aggressiv machte. Die Insel im (11)952!“ gesandt; was sie nicht auszählen Tyrrhenischen Meer wird mit besonders konnte, wird sie gefühlt haben. Hier nun drastischen Etiketten bedacht. Eines davon ist die Konstellation prekär, und wir sehen scheint verbreitet gewesen zu sein; Otto Dix Brecht als Regisseur seiner verwickelten Be- nannte später seine Wahlheimat am Boden- ziehungen, besorgt und unruhig, zerrissen see die „zum Kotzen schöne Landschaft“. zwischen Fürsorge, Verrat und Sehnsucht. Aber „Gigerl“? So hieß der Hahn in Ober­ Dieses Schriftstück ergänzt die vor fünf österreich. Im Wien der Jahrhundertwende Jahren im Suhrkamp Verlag erschienene hatte man das auf einen Geck übertragen, Ausgabe der Briefe von Brecht und Helene einen Modenarren, Stutzer. Capri spreizte Weigel, „ich lerne: gläser + tassen spülen“. sich, meinte der Dichter. Kann das wun- Die glückliche Erwerbung des Brecht-Ar- dern bei einem, von dem die Zeile stammt: chivs verdankt sich Klaus Völker, der das „Und die Natur sah ich ohne Geduld“? Autograph von Ruth Berlau erhalten hat. Und das Zeichen? Ein möglichst unauffäl- Brecht-Briefe sind auf dem Markt an sich liges, willkürlich gewählt; der Buchstabe keine Seltenheit, frühe, persönliche und ‚t‘ für „Telegramm“ versteckt sich darin. handschriftliche aber schon. Dabei ist das Die Situation verlangte Improvisationsge- ein durchaus typisches Schreiben Brechts: schick. Helene Weigel sollte das Zeichen schnörkellos und voller Esprit, beginnend in ihre Antwort übernehmen, wenn es ihr mit einer Skizze der Situation des Absen- nicht gelingen würde, die finanziellen Hür- ders, dann die Konzentration auf das Ge- den der Einreise allein zu überwinden. Bis genüber und den Zweck der Mitteilung, 1928 bestand in Italien eine Visumspflicht; Witze, Zärtlichkeiten und allfällige Auf- zeitweise hatten Touristen 500 Mark vorzu- träge eingeschlossen. Die Zeilen sind rasch weisen. Ob Brecht der Geliebten das Einla- hingeworfen, nicht ohne ein paar orthogra- dungstelegramm schicken musste, ist nicht phische Eigenheiten, die hier unangetastet bekannt. Aber der Code wirkte. Helene bleiben. Weigel vernahm den Lockruf und machte Seit Anfang April 1924 war Brecht mit seiner sich, die Geheimhaltung wahrend, auf den Ehefrau Marianne und der gemeinsamen Weg nach Florenz, wo das Liebespaar sich Tochter Hanne auf Capri. Marianne litt an Ende April 1924 treffen konnte. ¶ einer Lungenkrankheit und brauchte Erho- lung. Brecht trommelte innerlich. In Berlin Der Erstdruck des Brecht-Briefs und des Arti- wartete Kiepenheuer auf Manuskripte. Und kels erschien in der Zeitschrift der Akademie es wartete Helene Weigel, schwanger von der Künste, Berlin: Journal der Künste. Heft 1, Brecht, der gemeinsame Sohn Stefan, hier Januar 2017, S. 34f.

44 Dreigroschenheft 2/2017 Neu in der Bibliothek des Bertolt-Brecht-Archivs Zeitraum: 1. September 2016 – 24. Februar 2017 Zusammenstellung: Helgrid Streidt A rchiv Bertolt-Brecht- Kontaktadresse: Prof. Dr. Erdmut Wizisla – Archivleiter ([email protected]) Akademie der Künste Iliane Thiemann – Handschriftenbereich, Helene-Weigel- Bertolt-Brecht-Archiv Archiv, Theaterdokumentation ([email protected]) Chausseestraße 125 Anett Schubotz – Sekretariat, audiovisuelle Medien, 10115 Berlin Fotoarchiv ([email protected]) Telefon . (030) 200 57 18 00 Helgrid Streidt – Bibliothek ([email protected]) Fax . (030) 200 57 18 33 Elke Pfeil – Brecht-Weigel-Gedenkstätte, Anna-Seghers- E-Mail . [email protected] Gedenkstätte, Benutzerservice Akademie der Künste Archiv ([email protected])

BBA A 4923 BBA A 4920 33 Lieder für Schauspieler : zum Vorsprechen, Studieren und Bang Nielsen, Sine: Kennenlernen / hrsg. und mit einer Einf. versehen von Frank Den grønne ø, Karin Michaëlis’ asyl / Sine Bang Nielsen. - An- Raschke. - Leipzig : Henschel, 2013. - 160 S. : Notenbeisp. den udgave. - [Købnhavn] : Karin Michaëlis Selskabet, 2016. - ISBN 978-3-89487-728-6 83 Seiten : Illustrationen, Karten: Beilage: Korrekturverzeich- nis (1 Bl.) BBA B 1174 (1) ISBN 978-87-995112-5-9 Akademie der Künste: Darin: Journal der Künste / Akademie der Künste. – Berlin : Akade- Bang Nielsen, Sine: Helene Weigel (Wien 1900-Berlin 1971), mie der Künste, Ausgabe 1 (Januar 2017). – 42 Seiten : Illustra- Seite 37-38 tionen: Beilage: Arnold Dreyblatt, Innocent Questions: Dark Bang Nielsen, Sine: Bertolt Brecht (Augsburg 1898-Berlin Numbers, 2016 1956), Seite 39-43

BBA B 1166 BBA A 4904 Akademie der Künste: Bard-Rosenberg, Jacob: Thinking need from California : the Uncertain States : künstlerisches Handeln in Ausnahmezu- 1942 seminars of the Frankfurt School and the Brecht circle / ständen = Uncertain States / Akademie der Künste ; Idee/Kon- Jacob Bard-Rosenberg (London) zept: Jeanine Meerapfel, Johannes Odenthal. - Berlin : Akade- In: „Um Abschied geht es ja nun.“ / hrsg. von Hermann Haar- mie der Künste, [2016]. - 39 Seiten mann … - Marburg, 2015. - Kommunikation & Kultur ; 7. - Darin: Seite 115-128 Brecht, Bertolt: über die bezeichnung emigranten / [Bertolt Brecht]. – Faksimiledruck, Seite 13 BBA A 4878 Begegnungen mit Walter Benjamin / herausgegeben von Erd- BBA A 4910 mut Wizisla. - Leipzig : Lehmstedt, [2015]. - 399 Seiten : Illus- An den Grenzen des Möglichen : Reclam-Leipzig 1945–1991 / tration Ingrid Sonntag (Hrsg.) ; Mitarbeit Dr. Kerstin Beyerlein und ISBN 978-3-95797-009-1 Carmen Laux. - 1. Auflage. - Berlin : Ch. Links Verlag, Novem- Wizisla, Erdmut: Einleitung / Erdmut Wizisla, Seite 5 - 17 ber 2016. – 544 Seiten : Illustrationen, 21 cm x 14.8 cm Brecht, Bertolt: Aus dem Journal, 1938 / Bertolt Brecht, Seite ISBN 978-3-86153-931-5 - ISBN 3-86153-931-4 253-254 Brecht, Bertolt: Aus dem Journal, August 1941 / Bertolt Brecht, BBA B 851 (62) Seite 375-376 Auer, Marte: Von der Skizze zur Partitur : Eislers Arbeit am Allegro für Orchester der Deutschen Symphonie / von Marte BBA A 4929 Auer Benattar-Bourgeay, Simon [Künstler]: La résistible ascension In: Eisler-Mitteilungen / hrsg. von der Internationalen Hanns- d’Arturo Ui / de Bertolt Brecht et Simon Benattar-Bourgeay ; Eisler-Gesellschaft. - Saarbrücken. - 62(Oktober 2016), S. 16 - texte français d’Armand Jacob. - Paris : L’Arche, 2017. – 95 21 : Ill. pages : illustrations, 24 cm ISBN 9782851819017 - ISBN 2851819011

Dreigroschenheft 2/2017 45 BBA A 4916 Brinkert, Katharina: Brecht und die Naturwissenschaften - Benedetto, Alberto: die Naturwissenschaften und Brecht : eine dialektische Be- Brecht e il Piccolo teatro : una questione di diritti / Alberto trachtung, Seite 251-263 Benedetto ; introduzione di Sergio Escobar ; postfazione di Özelt, Clemens: Prologkunst und Inzwischenzeit : das Stefano Massini. - Milano ; Udine : Mimesis, [2016]. - 192 Sei- Atomzeitalter im Spiegel unveröffentlichter Prologentwürfe ten : Illustrationen, 21 cm. - (Filosofie del teatro ; 21) zu Brechts „Leben des Galilei“ / Clemens Özelt, Seite 265- ISBN 978-88-575-3231-8 289 Chronologie: Brecht und Naturwissenschaften Seite 309- BBA A 4905.4 325 A rchiv Bertolt-Brecht- Biermann, Wolf: Warte nicht auf bessre Zeiten! : die Autobiographie / Wolf BBA A 821 (40) Biermann. - 4. Auflage. - Berlin : Propyläen, [2016]. - 543 Sei- The Brecht Yearbook = Das Brecht-Jahrbuch / Herausgeber: ten : Illustrationen, Notenbeispiele Theodore .F Rippey ; Mitherausgeber: Laura Bradley, Stephen ISBN 978-3-549-07473-2 - ISBN 3-549-07473-5 Brockmann, Joy Calico, Jürgen Hillesheim, Meg Mumford, Astrid Oesmann, Matthias Rothe, Marc Silberman, Vera Steg- BBA B 1173 mann, Antony Tatlow, Friedemann Weidauer. – First pub- Boßler, Kurt [Komponist]: lished. - Rochester, New York ; Woodbridge, Suffolk : Camden Drei Lieder nach Gedichten von Bertolt Brecht / Kurt Boßler. House ; Bowling Green, Ohio : The International Brecht Soci- - [Partitur]. - Taucha bei Leipzig : Edition Kurt Boßler, [2016]. ety, 2016. - XII, 252 Seiten : Illustrationen. - (The Brecht year- - 1 Partitur (2, [2], 2 Seiten) Text deutsch. - Gedruckt nach der book ; 40) Handschrift des Komponisten ISBN 978-0-9851956-3-2 Darin: BBA A 4928 Vargas-Salgado, Carlos: Sara Joffré, Soul of Peruvian theater Brecht und Naturwissenschaften / Christian Hippe und Vol- / Carlos Vargas-Salgado, Seite 1-2 : Illustration ker Ißbrücker im Auftrag des Literaturforums im Brecht-Haus Lehmann, Hans-Thies: Brechtbrief ; Letter to Brecht / Hans- (Hg.). - 1. Auflage. - Berlin : Verbrecher Verlag, 2017. – 333 Thies Lehmann und Helene Varopoulou, Seite 5-16 : Illustra­ Seiten. - (lfb texte ; 2) tion ISBN 978-3-95732-156-5 - ISBN 3-95732-156-5 Darin: Deufert, Kattrin: 24h DURCHEINANDER ; 24h MUDDLE / Kattrin Deufert und Thomas Plischke, Seite 19-24 : Illustra- Brechts „Galilei“: Schreckgespenst oder Ikone der Moderne? tion / Holger Teschke im Gespräch mit B.K. Tragelehn, Armin Petras und Michael v. zur Mühlen, Seite 13-40 Goltzsche, Dieter: Erinnerungen an das Brecht-Theater / Dieter Goltzsche, Seite 25-26 Herrmann, Hans-Christian von: Brechts „Theater des wis- senschaftlichen Zeitalters“ / Kurzvortrag von Hans-Chri- Goltzsche, Dieter: Set of images selected for publication en- stian von Herrmann, Seite 41-47 compasses fourteen works that range from the 1960s to 2015, Seite 27, 51, 67, 83, 99, 123, 127, 132, 143, 155, 169, Alexander Karschnia, Eva Meyer-Keller und Hans-Chri- 189, 199, 217 stian von Herrmann im Gespräch. Moderiert von Barbara Gronau, Seite 48-65 Rothe, Matthias: The temporality of critique : Bertolt Brecht’s fragment Jae Fleischhacker in Chikago (1924-1929) / Matthias Mairhofer, Lukas: Beobachtung in den Naturwissenschaften Rothe, Seite 29-50 und bei Brecht / Kurzvortrag von Lukas Mairhofer, Seite 67- 74 : Illustrationen Pekar, Thomas: Apparate und Körper : Überlegungen zu Bertolt Brechts Radiolehrstück Der Ozeanflug / Thomas Pe- Anne Dippel, Andreas Salzburger und Lukas Mairhofer im kar, Seite 53-66 Gespräch, Seite 75-98 Hillesheim, Jürgen: Wer ist Oscar? Ein unveröffentlichter Jirgl, Reinhard: Naturwissenschaften und Literatur - ein Ge- Brief an Brecht vom 12. Juni 1918 aus schottischer Kriegsge- gensatz? / Kurzvortrag von Reinhard Jirgl, Seite 99-112 fangenschaft / Jürgen Hillesheim, Seite 69-82 : Illustration Harald Lesch und Reinhard Jirgl im Gespräch. Moderiert Krabiel, Klaus-Dieter: „leg das buch nicht nieder, der du das von Florian Felix Weyh, Seite 113-136 liesest, mensch“ : Brechts Gedicht „Die Nachtlager“ / Klaus- Mairhofer, Lukas: „Mit der Feuerzange“ : Brechts „Kauka- Dieter Krabiel, Seite 85-98 sischer Kreidekreis“ und das Messproblem der Quantenphy- Pistiak, Arnold: Übersehen oder verdammt? : Hanns Eislers sik / Lukas Mairhofer, Seite 137-157 : Illustrationen Bilder aus der Kriegsfibel / Arnold Pistiak, Seite 101-122 : No- Danneberg, Lutz: Zu Brechts Philosophie und seiner Philo- tenbeispiele sophie eines „nichtaristotelischen“ Theaters / Lutz Danne- Berendse, Sabine: Framings two accompaniments to Brecht, berg /Andrea Albrecht, Seite 159-175 Music and culture : Hanns Eisler in conversation with Hans Bunge Becker, Florian N. T.: Zu Naturwissenschaft und Kritik in / Sabine Berendse, Seite 125-126 Marx‘ Theorie und Brechts Theater / Florian. N Becker, Sei- Knepler, Georg: introduction to Hanns Eisler Gespräche mit te 177-195 Hans Bunge: Fragen sie mehr über Brecht : Accompaniment 1 / Sugiera, Małgorzata: Nicht-/Menschliche Akteure in Brechts Georg Knepler; translated by John Knepler, Seite 129-131 Theaterlaboratorium / Małgorzata Sugiera, Seite 197-223 Bierwisch, Manfred: Memories of Hans Bunge: on the occa- Wüthrich, Werner: Bertolt Brecht und sein „Einstein/Gali- sion of his ninetieth birthday, 3 December 2009 : Accompa- lei“-Stoff / Werner Wüthrich, Seite 225-249 niment 2 / Manfred Bierwisch ; translated by Sabine Beren- dse and Paul Clements, Seite 133-142

46 Dreigroschenheft 2/2017 Cheng, Lin: Das „Wiedersehen“: Der chinesische Dichter Nauky Ukraïny, Žytomyrsʹkyj Deržavnyj Universytet Imeni und Germanist Feng Zhi und Bertolt Brecht / Lin Cheng, Ivana Franka, Navčalʹno-Naukovyj Instytut Inozemnoï Filolo- Seite 145-154 : Illustrationen hiï, NTK „Dramaturhija“, Brecht-Zentrum ; Akademija My- Vargas-Salgado, Carlos: Brechtian challenges to theater ar- stectv m. Berlin, Archiv Bertolʹta Brechta. - Žytomyr : Vyd. tists during the internal war in Peru / Carlos Vargas-Salgado, ŽDU Imeni Ivana Franka Seite 157-168 In kyrill. Schr. Ginters, Laura: “Good woman should have been done in one ISSN 2303-9612 of our big theaters long before this”: Brecht, the students, and the making of the new wave of Australian theater / Lau- BBA B 1163 (1) A rchiv Bertolt-Brecht- ra Ginters, Seite 171-188 2011, No. 1 Kluge, Cora Lee: Mark Twain’s „Magnanimous-Incident“ hero and Bertolt Brecht’s „Der gute Mensch von Sezuan“/ BBA B 1163 (2) Cora Lee Kluge, Seite 191-198 2012, No. 2 Stegmann, Vera Sonja: Navid Kermani’s literary reflections: on Kafka, Brecht, and the Koran / Vera Stegmann, Seite 201- BBA B 1163 (3) 216 2013, No. 3 Hermand, Jost: Karl Kraus und Bertolt Brecht: über die Ver- gleichbarkeit des Unvergleichlichen / Jost Hermand, Seite BBA B 1163 (4) 219-233 2014, No. 4

BBA A 4903 BBA A 4917 Brokoff, Jürgen: Engagement und Schreiben zwischen Litera- Brecht, Bertolt: tur und Politik : zur Schreibreflexion in der Essaykritik nach Ballata di chi approva questo mondo / di Bertolt Brecht ; Tra- 1945 - mit einem Ausblick auf die Literatur der Arbeitswelt / duttore: A. Raja ; Illustratore: H. Wagenbreth. - Roma : Else, Jürgen Brokoff 2016. - 30 Seiten In: Engagement / Jürgen Brokoff, Ursula Geitner, Kerstin (Ballade von der Billigung der Welt) Stüssel (Hg.). - Göttingen, [2016]. - Literatur- und Medien- ISBN 9788894105605 geschichte der Moderne ; Band 1. - Seite 227-248 BBA A 4893 BBA B 441 (2017/1) Brecht, Bertolt: Burckhardt, Barbara: Erinnerungen an die Revolution : im Bertolt Brecht‘s Me-ti : book of interventions in the flow of Deutschen Theater antworten Kuttner/Kühnel und Stefan Pu- things / Bertolt Brecht ; edited and translated by Antony Tat- cher auf die neuen Unwägbarkeiten mit Brecht, Peter Weiss low. - London ; Oxford ; New York ; New Delhi ; Sydney : und trotzigem Spaßtheater: „Fatzer“ und „Marat/Sade“ / von Bloomsbury Methuen Drama, 2016. - 193 Seiten : 22 cm. - Barbara Burkhardt (Drama & performance studies) In: Theater heute. - Berlin. - 58. Jahrgang, Nr. 1 (Januar 2017), ISBN 978-1-4725-7916-4 - ISBN 1-4725-7916-X – ISBN 978- Seite 14-16 : Illustrationen 1-4725-7917-1 - ISBN 1-4725-7917-8 - ISBN 978- 1-4725- 7919-5 - ISBN 1-4725-7919-4 - ISBN 978-1-4725-7918-8 - ISBN 1-4725-7918-6 BBA A 4881 Carola Neher : gefeiert auf der Bühne - gestorben im Gulag : Kontexte eines Jahrhundertschicksals / Bettina Nir-Vered, BBA A 4888 Reinhard Müller, Olga Reznikova, Irina Scherbakowa (Hg.). - Brecht, Bertolt: Erstausgabe, 1. Auflage. - Berlin : Lukas Verlag für Kunst- und Brecht to go : politische Gedichte / von Bertolt Brecht ; Aus- Geistesgeschichte, [2016]. - 346 Seiten : Illustrationen. - (Stu- wahl und Zusammenstellung: Matthias Oehme. - Berlin : dien und Dokumente zu Alltag, Verfolgung und Widerstand Neues Leben, 2016. - 104 Seiten : 16 cm im Nationalsozialismus ; Band 4) ISBN 978-3-355-01854-8 - ISBN 3-355-01854-6 ISBN 978-3-86732-243-0 - ISBN 3-86732-243-0 BBA A 4894 BBA A 4881 Brecht, Bertolt: Diezel, Peter: Die letzten Aufsätze von Carola Neher - ein be- Fatzer / Bertolt Brecht ; oversatt og rekonstruert av Tore Vagn sonderer Fund / Peter Diezel und Bettina Nir-Vered Lid. - Oslo : Spartacus, [2012]. - 120 Seiten : 21 cm In: Carola Neher / Bettina Nir-Vered, Reinhard Müller, Olga ISBN 978-82-430-0746-8 Reznikova, Irina Scherbakowa (Hg.). - Erstausgabe, 1. Auflage. - Berlin, [2016]. - Studien und Dokumente zu Alltag, Verfol- BBA A 4914 gung und Widerstand im Nationalsozialismus ; Band 4. - Seite Brecht, Bertolt: 203-226 Il romanzo dei Tui. - Roma : L‘orma editore, 2016. - 247 Sei- ten BBA B 1169 ISBN 978-88-99793-07-4 Endgame / Fundació Joan Miró ; Text Manuel Segade, Adina Kamien-Kazhdan. - Barcelona : Fundació Joan Miró, 2016. - BBA B 1163 155 Seiten : Illustrationen ʹ Brechtivs kyj časopys : statti, dopovidi, ese ; zbirnyk naukovych ISBN 978-84-16411-20-7 pracʹ (filolohični nauky) = Brecht-Heft / Ministerstvo Osvity i

Dreigroschenheft 2/2017 47 Impressum: “This publication is published to coincide with the BBA A 4891 exhibition ‘Endgame: Duchamp, Chess and the Avant-Gardes’, Ein Gedicht! : klassische Lyrik neu verfasst / Jutta Hoffritz und shown at the Fundació Joan Miró in Barcelona from 29 Octo- Wolfgang Lechner (Hg.). - [1. Aufl.]. - Freiburg ; Basel ; Wien : ber 2016 to 22 January 2017.” Herder, [2015]. - 207 Seiten : Illustrationen, 19 cm. - (Die Zeit) BBA A 4903 ISBN 978-3-451-34251-6 - ISBN 3-451-34251-0 Engagement : Konzepte von Gegenwart und Gegenwartslitera- Darin: tur / Jürgen Brokoff, Ursula Geitner, Kerstin Stüssel (Hg.). - Pfeffer, Paul: Begegnung : (Frei nach Texten von Bertolt Göttingen : V&R unipress, [2016]. - 463 Seiten. - (Literatur- Brecht, Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse und wohl noch A rchiv Bertolt-Brecht- und Mediengeschichte der Moderne ; Band 1) ein paar anderen) / Paul Pfeffer, Kelkheim, Seite 173 ISBN 978-3-8471-0256-4 - ISBN 3-8471-0256-7 Rink, Silvija: Fragen einer Goethe lesenden Frau : (nach Ber- tolt Brecht „Fragen eines lesenden Arbeiters“) / Silvija Rink, BBA A 4930 Uttenreuth, Mittelfranken, Seite 175 Esleben, Jörg: Stephan, Eberhard: Fragen eines korrigierenden Deutsch- Fritz Bennewitz in India : intercultural theatre with Brecht and lehrers : (nach Bertolt Brecht „Fragen eines lesenden Arbei- Shakespeare / Joerg Esleben ; with Rolf Rohmer and David G. ters“) / Eberhard Stephan, Weißenburg, Bayern, Seite 176 John. - Toronto ; Buffalo ; London : University of Toronto Müller, Dorothea: So nett : (nach Bertolt Brecht „Das sieben- Press, 2016 te Sonett“) / Dorothea Müller, Wuppertal, Seite 179 ISBN 978-1-4875-0038-2 Hagemeister, Heike: Ich kann nicht mehr : (nach Bertolt Brecht „Sonett Nr. 19“) / Heike Hagemeister, Heroldsbach, BBA A 4912 Oberfranken, Seite 181 Faber, Richard: „(K)Ein Grab neben “ oder „Friedhöfe sind aufgeschlagene Geschichtsbücher“ / Richard Faber BBA A 4889 In: Sprezzatura / herausgegeben von Lucas Burkart, Camilllo Geschichten vom Herrn B. : gesammelte Brecht- Anekdoten / von Müller und Johannes von Müller. - 1. Auflage. - Göttingen, André Müller sen., Gerd Semmer. - Berlin : Eulenspiegel Ver- 2016. - Seite [62]-70 lag, [2016]. - 127 Seiten : 19 cm Erscheint auch als [Online-Ausgabe]: André Müller sen.: Ge- BBA A 4900 schichten vom Herrn B. Fischer, Saskia: Selbstvergewisserung durch Traditionsbezug : ISBN 978-3-359-01714-1 - ISBN 3-359-01714-5 zur Hölderlin-Rezeption bei Bertolt Brecht / Saskia Fischer In: Wozu Dichter? / Éva Kocziszky (Hrsg.). - Berlin, [2016]. - BBA A 4922 Literaturwissenschaft ; Band 55. - Seite 217-229 Grüneberger, Ralph: Die Saison ist eröffnet : neue Gedichte / Ralph Grüneberger ; BBA A 4898 mit Zeichnungen von Karl Oppermann Forcht, Georg W.: und einem Nachwort von Norbert Schaffeld. - [1. Auflage]. - Frank Wedekind und die Volksstücktradition : Basis und Oschersleben : dr. ziethen verlag, [2016]. - 96 Seiten : Illustra- Nachhaltigkeit seines Werks / Georg W. Forcht. - Freiburg : tionen, 24 cm, 250 g Centaurus, 2012. - 199 S. : Ill., 210 mm x 148 mm. - (Reihe ISBN 978-3-86289-129-0 - ISBN 3-86289-129-1 Sprach- und Literaturwissenschaft ; 41) Darin: ISBN 978-3-86226-154-3 Augsburg 1956, Seite 52 Darin: Im Juni 1953, Seite 53 Forcht, Georg W.: Bertolt Brecht / Georg W. Forcht, Seite Berlin, Januar 1955, Seite 54 59-78 Dorotheenstädtischer Friedhof, Seite 55 Dieser eine Moment, Seite 56 BBA B 1096 (2016) Friedrichs, Michael: Brecht und Zhuangzi: Über die „Leiden BBA B 30 (2016/11) der Brauchbarkeit“ / Michael Friedrichs Hayner, Jakob: Die entleibende Wirkung des Geldes : Theater In: Zeitschrift für Qigong Yangsheng / Hrsg.: Medizinische Meiningen: „Mutter Courage und ihre Kinder“ von Bertolt Gesellschaft für Qigong Yangsheng .e V. - Kulmbach. - (2016). Brecht / Jakob Hayner - Seite 121-127 : Illustrationen In: Theater der Zeit. - Berlin. - 71. Jahrgang, Heft Nr. 11 (No- vember 2016), Seite 42-43 : Illustration BBA B 1162 Furtwängler, Felix Martin: Brechts Häuser / Felix Martin Furt­ BBA B 30 (2016/10) wängler Hayner, Jakob: Die Weltsicht des Herrn K. : Uwe Kolbe: In: Poeta wohin?. - Wiesbaden, 2002. - S. 86-87 „Brecht. Rollenmodell eines Dichters“, S. Fischer Verlag, Abb.: mehrfarbig bezogene Leinenschachtel mit Stülpdeckel. Frankfurt am Main 2016 / Jakob Hayner Extra Karton mit 16 Kartonhäusern, kaschiert mit Text und In: Theater der Zeit. - Berlin. - 71. Jahrgang, Heft 10 (Oktober Bildxerographien, aus: Bertolt Brecht, „Kriegsfibel“, eines von 2016), Seite 73 4 Exemplaren in den Varianten rot, blau, grün und ocker. 34x72 5 cm; Dietratried 2001

48 Dreigroschenheft 2/2017 BBA A 4911 In: „Um Abschied geht es ja nun.“ / hrsg. von Hermann Haar- Hillesheim, Jürgen: mann … - Marburg, 2015. - Kommunikation & Kultur ; 7. – Žyttja i tvorčistʹ na počatku XX stolittja : augsburzʹkyj period Seite 41-63 Bertolʹta Brechta = Leben und Dichten zu Beginn des 20. Jahr- hunderts / Jurgen Hileshajm, pereklad z nimecʹkoï Mykoly BBA B 30 (2016/10) Lipisivicʹkoho. - Žytomyr : Vyd-vo Žytomyrsʹkij deržavnyj Kirsch, Sebastian: kirschs kontexte : vom Tanz der Atome. Universitet imeni Ivana Franka, Naukovo- doslidnyj instytut Beim Lesen des Lukrez / Sebastian Kirsch „Dramaturhija“, 2016. – 158 Seiten In: Theater der Zeit. - Berlin. - 71(2016)10, S. 63 Text ukrainisch. - Kyrillisch ISBN 978-966-485-215-6 BBA A 4892 A rchiv Bertolt-Brecht- Kittstein, Ulrich: BBA A 4924 Gestörte Ordnung : Erzählungen vom Verbrechen in der deut- Hoffmann, Hans Peter: Klabunds Nachdichtungen chine- schen Literatur / Ulrich Kittstein. - Heidelberg : Universitäts- sischer Lyrik - Tempelschädigung oder Gegenübersetzung? / verlag Winter, [2016]. - 309 Seiten : 21 cm x 13.5 cm. - (Beiträ- Hans Peter Hoffmann ge zur neueren Literaturgeschichte ; Band 359) In: Übersetzerforschung / Andreas F. Kelletat/ Aleksey ISBN 978-3-8253-6649-0 - ISBN 3-8253-6649-9 Tashinskiy/Julija Boguna (Hg.). - Berlin, [2016]. - TransÜD ; Darin: Band 85. - Seite 89-105 Kittstein, Ulrich: Verbrecherische Geschäfte : Bertolt Brecht: Dreigroschenroman, Seite [177]-204 BBA B 30 (2017/1) Irmer, Thomas: Es wechseln die Zeiten : zum Tod der Sängerin BBA B 30 (2017/2) und Schauspielerin Gisela May / Thomas Irmer Krumbholz, Martin: Der nächste Winter kommt bestimmt : In: Theater der Zeit - Berlin. - 72. Jahrgang, Heft1 (Januar Theater Dortmund: „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ 2017), Seite 95 : Illustration von Bertolt Brecht ; „Furcht und Hoffnung in Deutschland: Ich bin das Volk“ von Franz Xaver Kroetz / Martin Krumb- BBA B 30 (2017/1) holz Irmer, Thomas: Zwischen Bühne und Gulag. [Zu] Bettina Nir- In: Theater der Zeit. - Berlin. - 72. Jahrgang, Heft 2 (Februar Vered, Reinhard Müller, Irina Scherbakowa, Olga Reznikova 2017), Seite 43-44 : Illustration (Hg.) : Carola Neher - gefeiert auf der Bühne, gestorben im Gulag. Kontexte eines Jahrhundertschicksals. Lukas Verlag, BBA B 738 (2017/1) Berlin, 2016 / Thomas Irmer Laages, Michael: Ein neuer Ton im Theater : die niederlän- In: Theater der Zeit. - Berlin. - 72. Jahrgang, Heft1 (Januar dische Regisseurin Alize Zandwijk hat schon mehrfach an 2017), Seite 96 : Illustration deutschen Theatern gearbeitet. Seit Beginn dieser Spielzeit ist sie Leitende Regisseurin am Schauspiel des Theaters Bremen. BBA A 4877 Ihre Inszenierungen nehmen die Figuren am Rande des All- Jansen, Elmar: tags ins Visier und beschwören eine neue Mitmenschlichkeit / Ein Luftwechsel der Empfänglichkeit : Baal, Barlach, Benjamin Text Michael Laages und andere Essays / Elmar Jansen. - Göttingen : Wallstein Ver- In: Die deutsche Bühne. - Hamburg. - 88. Jahrgang, 1 (Januar lag, [2016]. - 516 Seiten : Illustrationen 2017), Seite 28-32 : Illustrationen ISBN 978-3-8353-1835-9 - ISBN 3-8353-1835-7 Darin: BBA B 441 (Jahrbuch 2016) Jansen, Elmar: Der blaue Boll, vormals Baal : Randbemer- Lehmann, Hans-Thies: Die Grenzen der Polis : von Sophokles kungen zur Genealogie des Dramas und seiner Hauptge- über Hölderlin zu Brecht zu Pollesch - Antigones Frage ans stalt, Seite 346-357 Gesetz und die Kategorien der Polis / von Hans-Thies Leh- mann BBA A 4906 In: Theater heute. - Berlin. - 57. Jahrgang, Sondernummer Johnston, Kirsty: 2016, Seite 36-38, 40-42, 44 : Illustrationen Disability theatre and modern drama : recasting modernism, critical companions / Kirsty Johnston. - London : Bloomsbury BBA A 4882 (14) Methuen Drama, 2016. - VIII, 228 Seiten. - (Critical compan- Literaturstraße : chinesisch-deutsches Jahrbuch für Sprache, ions) Literatur und Kultur = Wen xue zhi lu : Zhong de yu yan wen ISBN 978-1-4081-8478-3 - ISBN 978-1-4081-8449-3 xue wen hua yan jiu. - Würzburg : Königshausen & Neumann Darin: Abweichende Wortbildung d. Hauptsacht.: Literaturstraße. - Johnston, Kirsty: Access aesthetics and modern drama : an In lat. u. chines. Schr.; Text dt. u. engl. interview with Jenny Sealey on Graere Theatre Company’s ISSN 1616-4016 “” and “Blood wedding” / Kirsty John- 14.2013 ston … with Jenny Sealey, page [153]-161 ISBN 978-3-8260-5373-3

BBA A 4904 BBA A 4909.2 Khatib, Sami R.: Die Armut des Denkens : Anmerkungen zu Machado, Carlos Eduardo Jordão: Benjamin und Brecht / Sami Khatib. - 2015 Um capítulo da história da modernidade estética: debate sobre o expressionismo : análise e documentos (textos de Ernst

Dreigroschenheft 2/2017 49 Bloch, Hanns Eisler, Georg Lukács, Bertolt Brecht e Theodor ISBN 978-0-85989-997-0 - ISBN 0-85989-997-7 W. Adorno) / Carlos Eduardo Jordão Machado. - 2a edição. - São Paulo : Editora UNESP, 2016. - 360 Seiten : Illustrationen. BBA A 4901 - (Biblioteca Básica) Schmid, Björn: ISBN 978-85-393-0519-3 Erlösung in der Literatur : Untersuchungen zu Werken von Darin: Hartmann von Aue, Bertolt Brecht und Max Frisch und ihren Machado, Carlos Eduardo Jordão: A polêmica na revista biblischen Prätexten / Björn Schmid. - Marburg : Tectum Ver- „Das Wort“ / Carlos Eduardo Jordão Machado, Seite 135- lag, [2016]. – 526 Seiten : Diagramme Dissertation, Karlsruher 171 Institut für Technologie, 2016 A rchiv Bertolt-Brecht- Lukács, Georg: Discurso proferido por ocasião do funeral de ISBN 978-3-8288-3772-0 - ISBN 3-8288-3772-7 Bertolt Brecht. : Berlim, 18 de Agosto de 1956 / Georg Lukács, Seite 283-285 BBA B 1170 Brecht, Bertolt: O debate sobre e expressionism ; sobre o Schweppe, Joachim: caráterformalista da teoria do realism ; observações sobre An die Nachgeborenen [Musikdruck] : [(1968)] ; [Werkver- um ensaio ; notas sobre uma teoria formalista do realismo ; zeichnis V.97.3.] / Joachim Schweppe. [Text:] (Bert Brecht). - observações sobre o formalismo ; sobre o realismo ; o caráter [Partitur], 2. Fassung. - Hamburg : Joachim Schweppe Gesell- popular da arte e o realismo / Bertolt Brecht ; tradução de schaft .e V., 2016. - 29 S. Carlos Eduardo Jordão Machado, Seite 291-317 Text dt. und lat.

BBA B 441 (2016/11) BBA A 4903 Merschmeier, Michael: Der Zeitgenosse : zum Tod von Hilmar Siegel, Eva-Maria: „Keinen mehr schone der Konflikt der bei- Thate / Michael Merschmeier. - 2016 den Blöcke“ : Adorno, Brecht und die Folgen / Eva-Maria Sie- In: Theater heute. - Berlin. - 57. Jahrgang, Nr. 11 (November gel. - 2016 2016), Seite 70-71 In: Engagement / Jürgen Brokoff, Ursula Geitner, Kerstin Stüs- sel (Hg.). - Göttingen, [2016]. - Literatur- und Medienge- schichte der Moderne ; Band 1. - Seite 195-212 BBA A 4881 Müller, Reinhard: Carola Neher und das gesammelte Schwei- gen Bertolt Brechts / Reinhard Müller BBA A 4902 In: Carola Neher / Bettina Nir-Vered, Reinhard Müller, Olga Sodann, Peter: Reznikova, Irina Scherbakowa (Hg.). - Erstausgabe, 1. Auflage. Keine halben Sachen : Erinnerungen / Peter Sodann. - 1. Aufl. - Berlin, 2016. - Studien und Dokumente zu Alltag, Verfol- - Hohen Neuendorf bei Berlin : AAVAA- Verl., 2015. - 255 S. : gung und Widerstand im Nationalsozialismus ; Band 4. - Seite Ill., 21 cm, 290 g 297-318 : Illustrationen Online-Ausg. --->: Sodann, Peter: Keine halben Sachen ISBN 978-3-8459-1532-6 - ISBN 978-3-8459-1533-3 - ISBN 978-3-8459-1534-0 - ISBN 978-3-8459-1535-7 BBA A 4924 Neureuter, Hans Peter: Übersetzen im Exil : Bertolt Brecht / Hans Peter Neureuter BBA A 4912 In: Übersetzerforschung / Andreas F. Kelletat/ Aleksey Sprezzatura : Geschichte und Geschichtserzählung zwischen Tashinskiy/Julija Boguna (Hg.). - Berlin, [2016]. - TransÜD ; Fakt und Fiktion / herausgegeben von Lucas Burkart, Camilllo Band 85. - Seite 165-178 von Müller und Johannes von Müller. - 1. Auflage. - Göttin- gen : Wallstein Verlag, 2016. - 252 Seiten : Illustrationen ISBN 978-3-8353-1977-6 - ISBN 3-8353-1977-9 BBA A 4899 Petrick, Romy: „War ich gut?“ : der Dresdner Nachkriegsregisseur Erich Geiger BBA A 4896 / Romy Petrick. - Marburg : Tectum Verlag, [2015]. - 311 Sei- Stevens, Lara: ten : Illustrationen. - (Dresdner Schriften zur Musik ; Band 4) Anti-war theatre after Brecht : dialectical aesthetics in the ISBN 978-3-8288-3660-0 twenty-first century / Lara Stevens. - Basingstoke : Palgrave Macmillan, [2016]. - X, 224 Seiten : 21 cm ISBN 978-1-137-53887-1 - ISBN 1-137-53887-2 – ISBN BBA A 4925 9781349711659 - ISBN 1349711659 Ressel, Andrea: Bertolt Brecht in den USA : Studien über den künstlerischen und gesellschaftlichen Akkulturationsprozess in der Phase des BBA B 1168 amerikanischen Exils / Andrea Ressel. - 1. Auflage. - Göttin- Tworek, Elisabeth: gen : Cuvillier Verlag, 2016. - IX, 274 Seiten Literarisches München zur Zeit von Thomas Mann : von der Dissertation, Technische Universität , 2015 Boheme zum Exil ; Bilder, Dokumente, Kommentare / Elisa- ISBN 978-3-7369-9310-5 - ISBN 978-3-7369-4949-2 beth Tworek. - Regensburg : Verlag Friedrich Pustet, [2016]. - 255 Seiten : Illustrationen, 26 cm x 21 cm ISBN 978-3-7917-2761-5 - ISBN 3-7917-2761-3 BBA A 4915 Darin: Schechter, Joel [Verfasser]: Eighteenth-century Brechtians : theatrical satire in the age of Walpole / Joel Schechter. - Exeter : Tworek, Elisabeth: „Seit Wedekind das aufwühlendste Er- University of Exeter Press, 2016. - xii, 276 Seiten : Illustrati- lebnis“ - Bertolt Brecht / Elisabeth Tworek, Seite 112-116 onen. - (Exeter performance studies)

50 Dreigroschenheft 2/2017 BBA A 4924 BBA B 441 (2017/2) Übersetzerforschung : neue Beiträge zur Literatur- und Kul- Wahl, Christine: Süchtig nach dem Unmöglichen : der Schau- turgeschichte des Übersetzens / Andreas F. Kelletat/Aleksey spieler Andreas Döhler kann auf der Probe ganz schön ner- Tashinskiy/Julija Boguna (Hg.). - Berlin : Frank & Timme, ven, sagen Kollegen. Sie haben es aber noch nie bereut. Ein Verlag für wissenschaftliche Literatur, [2016]. - 356 Seiten : Il- Porträt / Christine Wahl lustrationen, Tabellen, 21 cm x 14.8 cm. - (TransÜD ; Band In: Theater heute. - Berlin. - 58. Jahrgang, Nr.2 (Februar 2017), 85) Seite 26-31 : Illustrationen ISBN 978-3-7329-0234-7 - ISBN 3-7329-0234-X BBA A 4897 BBA A 4904 Wenusch, Monica: A rchiv Bertolt-Brecht- „Um Abschied geht es ja nun.“ : Exil und kein Ende / hrsg. von „… ich bin eben dabei, mir Johannes V. Jensen zu entdecken Hermann Haarmann … - Marburg : Tectum, 2015. - 224 S. : …“ : die Rezeption von Johannes V. Jensen im deutschen 210 mm x 148 mm. - (Kommunikation & Kultur ; 7) Sprachraum / von Monica Wenusch. - Wien : Praesens-Verlag, ISBN 978-3-8288-3527-6 2016. – 331 Seiten. - (Wiener Studien zur Skandinavistik ; 23) ISBN 978-3-7069-0901-3 BBA A 4913 Darin: Uprisings / George Didi-Huberman ; with essays by Nicole Wenusch, Monica: Jensen und Bertolt Brecht / Monica We- Brenez, Judith Butler, Marie-José Mondzain, Antoine Negri, nusch, Seite [192]-233 Jacques Rancière. - Paris : Gallimard, [2016]. - 420 Seiten ISBN 978-2-07-269729-6 BBA A 4910 Impressum: “This book is published on the occasion of the Wizisla, Erdmut: Kalter Krieg um Walter Benjamin? : die Affä- exhibition Uprisings (Soulèvements) presented at the Jeu de Pau- re um die Schriftensammlung „Lesezeichen“. Mit einer Chro- me, Paris, from October 18, 2016 to January 15, 2017, at the nik von Ingrid Sonntag / Erdmut Wizisla ; Ingrid Sonntag Museu Nacional d’Art de Catalunya, Barcelona, from March to In: An den Grenzen des Möglichen. - Berlin, 2016. - S. 234- June , at the Museo de la Universidad Nacional de Tres de Fe- 258 brero, Buenos Aires, from August to October 2017, at the Mu- seo Universitario Arte Contemporáneo, Mexico, from Decem- BBA B 1174 (1) ber 2017 to May 2018 and at the Galerie de l’UQAM, Univer- Wizisla, Erdmut: Rätselhaftes Zeichen : Neues aus dem Archiv. sité de Québec, Montreal, from September to November Fundstücke / Erdmut Wizisla 2018” In: Journal der Künste / Akademie der Künste. - Berlin. - Aus- gabe 1 (Januar 2017), Seite 34-35 BBA A 4895 Enthält: Bertolt Brecht an Helene Weigel, Brief, [2. Hälfte April Vater Courage : Reinhold K. Olszewski und die Deutschen 1924], 1 Bl./4 S., hs. (Blei/Tinte) Faksimiledruck und Tran- Kammerspiele in Lateinamerika, 1949-1974 / Andreas Stuhl- skription mann ; mit Beiträgen von Nicola Lange, Andreas Löhrer, Car- lo Mor von Weber und Mirko Nottscheid. - München : Belle- BBA A 4900 ville, [2016]. - 271 Seiten : Illustrationen, 24 cm Wozu Dichter? : hundert Jahre Poetologien nach Hölderlin / ISBN 978-3-946875-00-0 - ISBN 3-946875-00-9 – ISBN 978- Éva Kocziszky (Hrsg.). - Berlin : Frank & Timme, [2016]. - 258 3-933510-20-4 Seiten. - (Literaturwissenschaft ; Band 55) ISBN 978-3-7329-0228-6 - ISBN 3-7329-0228-5 BBA A 4876 Vietor-Engländer, Deborah: BBA A 4882 (14) Alfred Kerr : die Biographie / Deborah Vietor- Engländer. - 1. Xue, Song: Der chinesische blaue Mann auf dem Rollbild zu Auflage. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, Oktober 2016. - Brechts Gedicht Der Zweifler / Xue Song (Chongqing). - © 717 Seiten, 16 ungezählte Seiten : Illustrationen 2014 ISBN 978-3-498-07066-3 - ISBN 3-498-07066-5 In: Literaturstraße. - Würzburg, 2014. - Band 14.2013 (2014), Seite 111-119 BBA A 4926 Voigt, Jutta: BBA B 1096 Stierblutjahre : die Boheme des Ostens / Jutta Voigt. - 1. Aufla- Zeitschrift für Qigong Yangsheng : Berichte aus Theorie und ge. - Berlin : aufbau, 2016. - 271 Seiten : Illustrationen Praxis Medizin, Psychologie, Kunst, Kultur, Bildung / Hrsg.: ISBN 978-3-351-03611-9 - ISBN 3-351-03611-6 Medizinische Gesellschaft für Qigong Yangsheng .e V. - Kulm- bach : ML-Verl., Mediengruppe Oberfranken, Buch- und BBA A 4919 Fachverl. – 28 cm von Soden, Kristine: ISSN 1430-4783 Zu Gast bei Malchen : Schiffchen, Kunst und Lebenslust / Kri- 2016 stine von Soden. - Wiesbaden : meeresedition, [2016]. - 68 Seiten : 28 m Illustrationen ISBN 978-3-9816818-1-9 - ISBN 3-9816818-1-9

Dreigroschenheft 2/2017 51 Werner Hecht gestorben

N achruf Michael Friedrichs

Werner Hecht war häu- fig, fast möchte man sa- gen: regelmäßig zu Gast in Augsburg. Typischer Anlass war eine neue Buchveröffentlichung, meist fand die Präsenta- tion im Brechthaus statt, auch mal im Theaterfo- yer. Foto: Aufbau-Verlag Meine Frau und ich lernten ihn 1997 bei der Vorstellung seiner berühmten „Brecht Chronik 1898–1956“ kennen. Es gab einen besonderen Bezugs- punkt, denn der Großvater meiner Frau, Georg August Koch, spielte noch zu Brechts auch dann noch gewisse Möglichkeiten“) Lebzeiten am Berliner Ensemble Theater, gab keine Ruhe, und Schluss mit den Er- und Werner Hecht kannte ihn natürlich und kenntnissen war ja nicht, noch lange nicht. hatte seinen Namen erwähnt (S. 1100). So musste/konnte ein Ergänzungsband zur „Chronik“ erscheinen (2007), dann noch Wer sich im deutschsprachigen Raum halb- eine Kurzfassung (2012), über die nicht alle wegs ernsthaft mit Brecht beschäftigt, hat ei- glücklich sind. Die „Chronik“ ist unverzicht- nen Meter oder mehr Hecht im Regal. Seine bar und in vielen Fällen das erste Werk, das Editionstätigkeit und Quellenforschungen man zum Nachlesen bei einer bestimmten empfahlen ihn als einen der Hauptheraus- Fragestellung in die Hand nimmt. Da es geber der großen Werkausgabe. Und zwei sich auf eine für Normalsterbliche unüber­ Jahre nach dem Jubiläum 100 Jahre Brecht sehbare Quellenfülle stützt, kam aber auch (1998) galt es das Jubiläum 100 Jahre Hele- der eine oder andere Fehler hinein. Leider ne Weigel zu würdigen. Und dann war da ist noch kein Weg gefunden, entsprechende das Kapitel Brecht und die DDR, das ihn Korrekturen zu sammeln und zugänglich umtrieb und zu einem weiteren wichtigen zu machen. Band führte, „Brechts Leben in schwierigen Zeiten“, 2007 bei Suhrkamp erschienen. Das Hecht war immer gern bereit, einen zu Ausmaß von Misstrauen in der DDR-Füh- unterstützen. Als ich allerdings 2010 die rung Brecht gegenüber hatte ihn wohl selbst Redaktion des „Dreigroschenhefts“ über- überrascht und geschmerzt. nommen hatte und ihn fragte, ob ich ge- legentlich auf einen Artikel hoffen könnte, Ich erinnere mich, dass Hecht nach der sagte er hörbar schmunzelnd nein: Helene „Brecht Chronik“ eigentlich Schluss hatte Weigel habe ihm beigebracht, fürs Schrei- machen wollen mit Brecht. Es gebe ja auch ben immer Geld zu verlangen. noch andere Dinge im Leben, er wollte z. B. für den Film schreiben. Aber der hartnä- Werner Hecht starb am 26. Februar im Al- ckige und nicht wirklich tote Autor („es gibt ter von 90 Jahren. ¶

52 Dreigroschenheft 2/2017 B R E C H T Das gesamte Programm jetzt unter www.buchhandlung-am-obstmarkt.de

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