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Graphik, Graphik, Du musst wandern ... Zur Einführung Die 1982 am Fach Kunstgeschichte So beheimatet die Graphische Sammlung der Universität Trier gegründete des Fachs Kunstgeschichte der Universität Graphische Sammlung begeht im Jahre Trier heute nicht nur bedeutende Blätter der 2012 ihr dreißigjähriges Bestehen. Renaissance aus dem ehemaligen Besitz von Damit ist sie im Vergleich mit Sammlungen wie dem ehemals Königlichen anderen Universitätssammlungen eine Kupferstichkabinett Dresden oder solche vergleichsweise junge Institution, die des frühen 16. Jahrhunderts aus dem sich auch hinsichtlich ihrer Bestände und ehemals Königlichen Kupferstichkabinett deren Herkunft vielfach von anderen Berlin, dem Kupferstichkabinett Bern oder Einrichtungen ihrer Art in Deutschland den Nürnberger Museen, sondern vielfach unterscheidet. Geht etwa die Graphische auch Einzelblätter oder ganze Konvolute Sammlung am Fach Kunstgeschichte der aus bedeutenden Privatsammlungen des 18. Eberhard-Karls-Universität Tübingen bis 20. Jahrhunderts, etwa der der Brüder auf den Doublettenbestand des ehemals Goncourt oder der Sammlung Spatzier. Königlichen Kupferstichkabinetts in Sammlungen entstehen, wachsen teils Stuttgart, der heutigen Graphischen beachtlich und lösen sich vielfach wieder auf. Sammlung der Staatsgalerie, zurück, so Selbst aus den als nicht mehr veräußerlich speisen sich die mittlerweile knapp 5.300 geltenden Beständen der öffentlichen Blätter umfassenden Bestände an der Graphikkabinette werden von Zeit zu Zeit Universität Trier aus unterschiedlichen Doubletten ausgeschieden und wieder auf Quellen. Teils sind es Schenkungen ganzer die Wanderschaft durch die Portefeuilles Konvolute, sowohl thematischer als auch der aktiven Sammler geschickt. Graphik, künstlermonographischer Ausrichtungen, Graphik, Du musst wandern … Und einige teils Einzelblattstiftungen oder auf dieser Blätter haben in den letzten dreißig verschiedene Projekte gezielt bezogene Jahren ihren Weg nach Trier gefunden, Ankäufe im Kunsthandel gewesen, die zum wo sie nun in verschiedenen Ausstellungs- Zustandekommen der heutigen Sammlung und Publikationsprojekten Studierenden beigetragen haben. vielfach einen ersten direkten – und in Idee des Ausstellungsprojekts ist die Tatsache, den betreffenden Projekten mehrheitlich dass viele der in der Sammlung verwahrten auch einen konzeptionellen – Kontakt mit Meisterwerke über Sammlermarken druckgraphischen Originalen ermöglichen. oder Sammlerstempel, handschriftliche Beschriftungen oder Signaturen als Teile Stephan Brakensiek älterer Sammlungen dokumentierbar sind. Daniel Nicolaus Chodowiecki (1726-1801) Cäsars Zug über die Pyrenäen 1773 Radierung Provenienz: nicht identifizierte Sammlung „Caesar hatte nach Spanien vorausgeschickt Chodowieckis (1726-1801). Zwar fertigte sechs Legionen [...]. Er war informiert er hauptsächlich Buchillustrationen an, worden, dass Pompeius durch Mauretanien doch widmeten sich diese aber meist dem mit seinen Legionen nach Spanien ziehe.“ bürgerlichen Leben des 18. Jahrhunderts. So berichtete Gaius Julius Cäsar um 49 v. Zeitgenossen charakterisierten Chodowiecki Chr. über seinen Feldzug gegen Pompeius als jemanden, der „alle Kupferstecher die im „Kommentar über den Bürgerkrieg“. jemals gelebt haben“ übertreffe und der Die Radierung zeigt den römischen als „Stifter einer neuen Kunstgattung in Feldherrn bei der Überquerung der Deutschland“ gelten mag. Begründet wird Pyrenäen. Auf der linken Seite des Bildes dies mit seinen lebensnahen Abbildungen, befehligt er mit großer Geste sein Heer, das die nahezu alle Bereiche der damaligen sich im Hintergrund lindwurmartig durch Gesellschaft durchdrangen. Zudem die felsige Gebirgslandschaft zieht. Hinter vermittelt nach Ernst Hinrichs kaum ein dem bewaffneten Reiter zur Linken Cäsars anderes Werk dieser Zeit so anschaulich befindet sich eine römische Standarte, die Werte und Prinzipien der Aufklärung. das so genannte Signum. In ersten, sehr In der Literatur werden Chodowieckis seltenen Abdrücken der Radierung wurde Darstellungen deshalb auch häufig als es durch ein weiteres Feldzeichen ergänzt, „Quellen und Bilddokumente behandelt, dessen Umrisse sich auch auf dem gezeigten die in zeit- und sittengeschichtlichen Blatt zwischen dem Soldaten und dem Betrachtungen als Belege und Illustrationen Heerführer noch schemenhaft erkennen dienen“ können. lassen. Die Radierung diente als Illustration einer Denkschrift zum Militär der Antike, Elisabeth Sgraja die der preußische Offizier Karl Theophil Guischard 1774 veröffentlicht hatte. Diese Art der Historiendarstellung ist jedoch nicht repräsentativ für das Werk des Berliner Kupferstechers Daniel Nikolaus François-Bernard Lépicié (1698-1755) nach Jean Siméon Chardin (1699-1779) Die Kinderfrau (La Gouvernante) 1739 Kupferstich Provenienz: Sammlung Edmond u. Jules de Goncourt, Paris [L. 1089] „Trotz des scheinheiligen Gesichtchens on, somit um eine Wiedergabe von Inhalt und der unterwürfigen Miene des Kindes und Gehalt des Werks eines anderen durch möchte ich wetten, dass es sich überlegt, den reproduzierenden Künstler. zu seinem Federballspiel zurückzukehren.“ Vielleicht spricht gerade diese Annahme Lé- picié eine besondere Rolle zu, da er nicht So lautet die Übersetzung des kleinen Verses nur durch kleine Verse, sondern auch durch unterhalb des Kupferstichs. Lépiciés freie handwerkliche Feinheit wusste, jene inter- Interpretation des Gemäldes von Chardin pretierenden Aspekte besonders hervorzu- scheint hier, wenn auch nicht bestimmend, heben. Denn während Chardins Gemälde in klaren Worten wiedergegeben. Während durch weiche Umrisse und milde Farbigkeit sich von Chardins Gemälde wohl ansatz- eine Form von Unschuld und Sanftmut ver- weise nur das von Lépicié exakt übernom- mittelt, besticht Lépiciés Darstellung dem- mene Hauptmotiv, die Tadelung des unge- gegenüber durch scharfe Linien und Kontu- zogenen Jungen durch seine Gouvernante, ren und verleiht ihr dadurch eine gewollte ablesen lässt, so bleibt das eigentlich tiefere Härte. Der Junge wirkt trotzig, vielleicht so- Verständnis der Darstellung hier verbor- gar sicherer in seinem Wollen, widerspens- gen. Erst die von Lépicié dem Bild in seiner tig und selbstgefälliger in seiner Haltung. druckgraphischen Reproduktion beigefüg- In jenem Zusammenspiel von Vers und sub- ten Worte dienten so dann als Schlüssel zur tiler klarer Linienführung bot Lépicié einen Interpretation des Werks und fordern den Zugang zum Bild und schuf eine Geschich- Betrachter geradezu auf, dem unschuldigen, te, die „es den Käufern der Stiche […]“ er- reuevollen Blick des Jungen zu widerstehen laubte, „ihre eigenen, oft nicht ästhetischen, und seine eigentliche Absicht, die Rückkehr »volkstümlichen« Sehweisen auf die Bilder zum Spiel, zu erkennen. Anhand dieses Bei- zu beziehen.“ spiels lässt sich der Begriff der ‚Reprodukti- on‘ in neuem Licht betrachten, geht es hier Anna Katharina Leis doch nicht mehr um die möglichst genaue Wiedergabe eines Kunstwerks in einem an- deren Medium, sondern vielmehr um eine – auch inhaltlich zu lesende – Interpretati- Ferdinand Kobell (1740-1799) Der Weg am Abgrund 1779 Radierung Provenienz: Sammlung Josef Heilmair (20. Jahrhundert), [nicht bei Lugt] Der „Weg am Abgrund“ vergegenwärtigt ters entlang der abfallenden Felsen in den die Begeisterung Ferdinand Kobells für die Bildhintergrund gelenkt, wo man eine abre- Rheinlandschaft um seine Heimatstädte viaturhaft geschilderte Landschaft mit Bäu- Mannheim und Heidelberg. Das radierte men, Haus und Hügeln sieht. Die Tatsache, Werk dieses Künstlers besteht aus insge- dass der Blick hier nicht durch die – im samt 242 Blättern, die fast ausschließlich Vergleich zum Bildvordergrund – schemen- der Landschaft gewidmet sind. Das vorlie- hafte Schilderung festgehalten wird, erlaubt gende Blatt ist eine von vier Radierungen es dem Betrachter, beim Anschauen des einer Reihe und zeigt einen Weg am Ab- Blattes den Blick von der Figurengruppe grund. Fast unbedeutend, im Vergleich zu über die Naturlandschaft zum Hintergrund der sie umgebenen Landschaft, ist in der und wieder zurück wandern zu lassen. linken Bildhälfte eine Gruppe von Figuren Die von seinen Zeitgenossen viel gelobte platziert. Eine junge Frau unterhält sich Naturtreue und Detailgenauigkeit Kobells mit einem Mann, der auf einem Felsen ist an diesem Blatt überaus deutlich ables- sitzt. An der Hand hält sie einen kleinen bar. Jede mögliche Fläche ist durch feine Jungen, der sich einem Hund zuwendet. Linien gestaltet und ausgefüllt. Selbst im Diese Menschen bilden ein kompositori- Himmel hat Kobell die von den Wind- sches Gegengewicht zu dem Abgrund auf strömungen getriebenen Wolkenforma- der rechten Bildhälfte, auf den alle ande- tionen durch feine Linien ausgebildet. ren Bildelemente kompositorisch bezogen sind. Geleitet über die Äste der Bäume am Caroline Remy linken Bildrand wird der Blick des Betrach- Jonas Umbach (um 1624-1700) Ruinenlandschaft mit Denkmal 1678 Radierung Provenienz: Sammlung Justinus Kerner (19. Jhdt.), Budapest [L. 1567b] Ein Künstler setzt sich scheinbar selbst ein der Radierung um ein Architekturcapriccio, Denkmal, in dem er sich auf dem die Kom- dessen Charakteristikum die additive Kom- position beherrschenden, wuchtigen Figu- bination vorhandener oder imaginärer Bau- rensockel im Zentrum einer „ruinierten“ denkmäler ist. Landschaft mit seinem Namen in großen In Augsburg, der Heimatstadt Umbachs, Lettern selbst verewigt. Obendrein fehlt der die er offenbar mehrmals zu Studienzwe- letzte Buchstabe seines Nachnamens: Nach- cken in die Niederlande und nach