Eigentum Ver- Pflichtet. the Obligation of Ownership
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EIGENTUM VER- PFLICHTET. Eine Kunstsammlung auf dem Prüfstand THE OBLIGATION O F OW N ER S H I P. An art collection under scrutiny GUIDE PROVENIENZ- FORSCHUNG AM ZEPPELIN MUSEUM Die Kunstsammlung des Zeppelin Museums ist erst 72 Jahre jung. Bei Luftangriffen im Jahr 1944 ging CLAUDIA EMMERT / INA NEDDERMEYER der gesamte Bestand des dama- ligen Bodensee-Museums unter. Aus diesem Grund musste man nach dem Krieg von vorn beginnen. Noch im selben Jahr Bereits im Dezember 1946 wurde dachte man darüber ein Kulturbeirat gegründet, 1950 nach, ein neues Museum zu errichten. ein Kulturausschuss gebildet. VORWORT Dr. Herbert Hoffmann und Dr. Adolf Rieth, beide für das Landes- amt für Denkmalpflege Herausragende Werkbestände von in Tübingen tätig, halfen in der Otto Dix, Max Ackermann und Folgezeit der Stadt Friedrichshafen Andreas Feininger bilden die Beson- entscheidend beim Aufbau der derheit dieser Sammlung. Kunstsammlung. Das neue Städ tische Bodensee-Museum, Vorgänger Als Museen in aller Welt im Jahr des Zeppelin Museums, wurde als 2016 den 125. Geburtstag von Otto Bestandteil des Rathausneubaus am Dix feierten, wollte die Tate in 11. Oktober 1957 eröffnet. Liverpool vier Werke aus der Samm- lung des Zeppelin Museums in ihrer Heute umfasst die hochwertige Dix-Ausstellung zeigen. Bei einem Sammlung 3.882 Werke, darunter Aquarell, der Negerin, zog die Tate 265 Gemälde, rund 1.000 Arbeiten die Leihanfrage zurück: Die Pro- auf Papier, etwa 600 Fotografien, venienz sei problematisch und damit 60 Skulpturen und Plastiken, die Eigentumsverhältnisse nicht 20 Installationen und 26 Werke der ge klärt. Der Verdacht auf Raubkunst 3 zeitbasierten Medienkunst. konnte bei diesem Werk zwar zwei- / 2 felsfrei ausgeräumt werden, doch ABB — Die archäologisch- heimatkundliche Sammlung ver- blieb während des Krieges im Museumsgebäude und wurde zerstört. Ruine des Städtischen Museums 1944, Ecke Karlstraße. © Zeppelin Museum FIG — During the war, the archaeo- logical, local historical collection remained inside the museum building and was destroyed in 1944. Ruin of the Municipal Museum 1944, at the corner of Karlstraße. © Zeppelin Museum der Vorfall zeigte, dass bei der Erfor- frühen Ankäufe erhebliche Eingriffe schung der Provenienzen der Werke an den Rückseiten. Die Ausstellung dringender Handlungsbedarf bestand. beleuchtet daher die Netzwerke der Händler und zeigt, dass es weder Anlässlich des zwanzigsten Jahres- im Kunsthandel noch in den Museen tags der Washingtoner Erklärung eine »Stunde Null« gab. setzt sich das Zeppelin Museum da- her wissenschaftlich mit der Her- Für viele der untersuchten Werke kunftsgeschichte seiner Kunstwerke lässt sich die Frage nach Raubkunst auseinander. Die Ausstellung bildet nicht eindeutig beantworten. Doch den Abschluss eines zweijährigen die Ausstellung soll Transparenz schaf- Forschungsprojekts, das großzügig fen, auf die Notwendigkeit einer vom Deutschen Zentrum Kulturgut- kontinuierlichen Forschung hinweisen verluste in Magdeburg gefördert und für das Museum möglichst weit- wurde. gehend ausschließen, dass Kunst- werke in seinem Besitz sind, die einst Das Besondere dieser Ausstellung geraubt oder enteignet wurden. ist, dass Ankäufe nach 1945 in den Blick genommen wurden, also Pro- venienzforschung unter erschwerten Bedingungen erfolgen musste. Einer- seits gibt es für den wiederaufblü- henden Kunstmarkt nach 1945 noch zu wenig Grundlagenarbeiten, an- dererseits zeigen gerade unsere PROVENANCE RESEARCH AT THE ZEPPELIN MUSEUM The Zeppelin Museum’s art col- lection is only 72 years old. During air raids in 1944, the entire inven- CLAUDIA EMMERT / INA NEDDERMEYER tory of the Bodensee Museum was destroyed. After the war, this meant starting from scratch. A cultural — advisory council was founded as In the same year the early as December 1946, followed idea to build a new mu- by a cultural committee in 1950. seum took shape. Sub- sequently Dr Herbert PREFACE Hoffmann and Dr Adolf Rieth, both employed at the Landes- amt für Denkmalpflege in Tübingen (State Office for the Preservation of Historical Monuments), played a deciding role in helping the city of Friedrichshafen to establish a new collection. The new municipal Boden- see Museum, the Zeppelin Museum’s predecessor, was inaugurated on October, 11, 1957 as part of the new townhall. Today the first-rate collection com- prises 3882 works including 265 paintings, about 1000 works on paper, around 600 photographs, 60 sculp- tures, 20 installations, and 26 works 5 from the field of time-based media / 4 art. The impressive store of works by Otto Dix, Max Ackermann, and generously supported by the Deut- Andreas Feininger makes this collec- sches Zentrum Kulturgutverluste tion unique. (German Lost Art Foundation) in Magdeburg. In 2016, when museums all over the world were celebrating Otto Dix’ The show is defined by the fact that 125th birthday, the Tate in Liverpool the works under scrutiny were acqui- wanted to show four works from the red after 1945 which makes prove- Zeppelin Museum’s collection in their nance research especially challen- Dix exhibition. In one case the Tate ging. On the one hand, there is withdrew its request: the provenance not enough scientific groundwork of the aquarelle »Negerin« (Negress) available on the reviving art market seemed problematic and the owner- after 1945, and on the other hand, ship thus unclear. Although the many of our early acquisitions show suspicion of looted art could be ruled signs of severe tampering on their out with absolute certainty, the versos. The exploration of the incident revealed the urgent need to dealers’ networks shows that neither investigate the works’ provenance. the art trade nor the museums had started over with a clean slate. In celebration of the 20th anniversary of the Washington Principles, the In many of the examined cases the Zeppelin Museum has undertaken a question of looted art cannot be scientific examination of the history answered conclusively. However, the of its artworks. The exhibition con- aim of the exhibition is to create cludes a two-year project which was transparency, to draw attention to the necessity of ongoing research, and to rule out, as far as possible, that the museum is in possession of artworks derived from thefts or confiscations. ABB — Im Rijksmuseum in Amsterdam, Sichtung der von den Nationalsozialisten beschlag- nahmten und verschleppten Kunst- werke, 1950. © Collection Spaarnestad FIG — At the Rijksmuseum in Amsterdam, inspection of the Nazi- looted artworks, 1950. © Collection Spaarnestad EIGENTUM VERPFLICHTET. EINE KUNST- SAMMLUNG AUF DEM PRÜFSTAND SABINE MÜCKE / FANNY STOYE SABINE MÜCKE / FANNY Der Kunstraub der Nationalsozia- Weltkrieg getätigt wurden: Gab es listen im Deutschen Reich ab 1933 nicht, so ist oft zu hören, eine Restitu- bildet den Ausgangspunkt heutiger tions- und Wiedergutmachungspolitik Provenienzforschung. Diese ist eine mit finanzieller Entschädigung der moralische Selbstverpflichtung an- Opfer? Doch nicht alle Überlebenden gesichts von 6 Millionen ermordeten hatten die Kraft und die Ausdauer für europäischen Juden und solchen, eine solche juristische Auseinander- EINFÜHRUNG die zur Auswanderung gezwunge- setzung, die von kurzen Fristen und nen wurden. Ihr Vermögen und ihre oft von behördlicher Skepsis gegen Kunstgegenstände konnten sie nur in die Schilderung der Opfer geprägt geringem Umfang oder gegen Zah- war. Mitunter konnten Erben und Nach- lung von Steuern wie der »Reichs- fahren die geforderten Belege und fluchtsteuer« mitnehmen, während Beweismittel nicht mehr erbringen ihre Geschäfte in sogenannten oder den Verlust ihrer Eltern oder »Arisierungen« zu Schleuderpreisen Großeltern nicht rekonstruieren. an »reichsdeutsche« Geschäftsleute Zudem ›schlummerte‹ NS-Raubkunst verkauft wurden. häufig unerkannt in Privatbesitz. Dass Museen ihre Erwerbungen zwi- Vor diesem Hintergrund wurden in schen 1933 und 1945 also kritisch einem zweijährigen, vom Deutschen beleuchten und deren Herkunft prü- Zentrum Kulturgutverluste in Magde- fen, ist 20 Jahre nach der »Washing- burg geförderten Forschungsprojekt toner Erklärung« nicht nur Auftrag, am Zeppelin Museum Friedrichshafen sondern allgemeine Praxis. Noch die Kunstankäufe seiner Vorgänger- nicht ganz so selbstverständlich ist institution, dem 1957 neu eröffneten 7 diese Sensibilität dagegen für Er- Bodensee-Museum, geprüft. Alle / 6 werbungen, die nach dem Zweiten der fast 400 untersuchten Werke wurden nach 1945 angekauft und werden müssen: Kunstwerke, die das Projekt hatte mit speziellen Her- lediglich aufgrund der involvierten ausforderungen zu kämpfen. Anders Händler als verdächtig eingestuft als für die Jahre zwischen 1933 und wurden, haben sich einige Male doch 1945 liegen Kataloge zu Auktionen als unproblematisch herausgestellt. nach 1945 nicht digitalisiert vor und Gleichwohl war der Handel mit Kunst erschweren die Rekonstruktion des aus ehemaligem jüdischen Besitz und Wegs eines Werks. Oft sind lokale mit geraubten Werken in der Nach- wie regionale Sammlungen oder auch kriegszeit ungebrochen. Mitunter ließ Sammler-Biographien nicht im Ansatz sich das Wissen um eine problema- erforscht und die Recherchen durch tische Vorprovenienz belegen – eben- strenge Schutzfristen von neuerem so wie deren Inkaufnahme. Skepsis Archivgut mühsam. Schließlich liegen bleibt demzufolge dringend geboten. bislang wenig Grundlagenarbeiten vor zum wiederaufblühenden Kunst- Dieses Begleitheft will den interes- markt, zur Kontinuität wichtiger und sierten Besucherinnen und Besuchern aus der NS-Zeit bekannten