DEFGH Nr. 174, Montag, 30. Juli 2012 FEUILLETON 13 Zeit Reaktoren für das Auge Eine Retrospektive in Liechtenstein zeigt, wie Günter Fruhtrunk Figur und Grund eisern gegeneinander antreten lässt der Spießer den liegenden Leinwand fuhr, um sich vornüber ins Bild zu beugen. „Präzision und Geduld“ waren die Leitmotive eines Rumäniens neue Regierung zwingt dem Land Schaffens, das jeden Quadratzentimeter eine engstirnige Kulturpolitik auf des Bildes unter Spannung setzte. Davon künden auch architekturbezogene Arbei- ten wie die Ausmalung des „Quiet Room“ VON KLAUS BRILL für den internationalen Austausch geöff- im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen net. Alle drei Einrichtungen sollen unter in New York, den die Bundesrepublik 1978 anstelle sich das einmal vor: Ange- neuer Leitung neu ausgerichtet werden, der UNO schenkte: Es ist, als ob die Wände la Merkel wird des Plagiats be- was vor allem im Falle des Kulturinstitutes des Raums gesprengt würden. M schuldigt, sie soll vor Jahren ihre auch internationale Folgen hätte. Solche Unerbittlichkeit prägt das gesam- Doktorarbeit in weiten Teilen abgeschrie- Der Filmregisseur Cristian Mungiu te Œuvre Fruhtrunks, der seinen Anfän- ben haben. Wie reagiert sie? „Das ist doch sprach von „einer Säuberung der übelsten gen in den Fünfzigerjahren mit Erinnerun- alles nur eine politische Intrige von Herrn Art“. Und die rumäniendeutsche Literatur- gen an Malewitsch und an die konstrukti- Gauck!“, erklärt sie und tut, als sei nichts Nobelpreisträgerin Herta Müller erklärte vistischen Avantgarden des frühen 20. vorgefallen. Sie fährt nach Brüssel, gibt In- in Schweden zusammen mit dem Kollegen Jahrhunderts in den Sechzigern seine wahl- terviews, weiht eine Autobahn ein. Das Le- Tomas Tranströmer und 200 weiteren weise klaren und metrischen, dann wieder- ben geht weiter. skandinavischen Kulturschaffenden ihre um komplizierten und verschachtelten For- Dummerweise gibt es da einen akademi- „tiefe Besorgnis“. Horia-Roman Patapievi- men-Rhythmen folgen ließ. Er selbst hass- schen Kontrollausschuss für die Zertifikati- ci, Präsident des Kultur-Instituts, nahm te übrigens die banalisierende Vokabel on von Universitätsabschlüssen, der dem die Unterstützung dankbar auf und freut „Streifen“. Vorwurf des geistigen Diebstahls nach- sich, dass sein sechsjähriges Wirken jeden- Die Bilder sind Reaktoren für das Auge. geht. Einmütig kommt er zu dem Schluss, falls in der Kulturszene eine starke, positi- Sie forcieren alle Kontraste, sind grell und die Kanzlerin habe tatsächlich 85 der 307 ve Resonanz gefunden hat. Der 55-jährige doch subtil, extrem formalistisch und Seiten ihrer Promotionsarbeit aus anderen Autor sieht das Institut „als Mittler und doch von unbändiger Leidenschaft durch- Werken kopiert, ohne die Quellen anzuge- nicht als Propagandist gewisser Botschaf- drungen. Strömender Drive konkurriert ben. Das Gremium plädiert für die Aber- ten“, wie er beim Gespräch in seinem Büro mit Stakkato und Skansion. Figur und kennung des Doktortitels, doch als es sich in einem Bukarester Villenviertel sagt. In Grund werden in einen Wettbewerb ge- zur abschließenden Sitzung trifft, erfährt den 17 Außenstellen, von denen 15 in Euro- schickt, in dem beide Seiten sich ohne Aus- es, dass es gar nicht mehr amtiert. Über pa liegen, hat er zielstrebig die Einbettung sicht auf Dominanz steigern. Nacht hat die Regierung den Ausschuss der rumänischen in die europäische Kul- Schon bald wurden diese das Auge her- per Eilverordnung aufgelöst. Die Zahl sei- tur ins Licht gerückt und eine fruchtbare ausfordernden Werke in den Vereinigten ner Mitglieder wird von 20 auf 45 erhöht, Zusammenarbeit mit dortigen Vermittlern Staaten wahrgenommen. Doch die Teilnah- berufen werden sie von der Regierung. angestoßen. 330 Bücher wurden seit 2005 me an der prominenten Op-Art-Schau Bei der nächsten Sitzung befindet die herausgebracht, zahllose Veranstaltungen „The Responsive Eye“ 1965 im Museum of neue Mehrheit, mit Frau Merkels Doktorar- abgehalten, Freundschaften begründet. Modern Art in New York verhalf nicht zum beit sei alles in Ordnung. Gegen Gauck, „Das ist eine große Erfahrung, und ich bin erhofften Durchbruch in Übersee, obwohl den Bösewicht, der die Sache an die Aus- sehr stolz darauf“, sagt Patapievici. Fruhtrunks Œuvre zu der in New York da- landspresse durchgestochen hat, wird so- mals vergötterten Malerei von Hard-Edge wieso, aus anderen Gründen, ein Verfah- Herta Müller erklärt ihre und Color-Field eine unverwechselbare ren zur Amtsenthebung in Gang gesetzt, „tiefe Besorgnis“ (aber eben europäische) Variante beisteuer- das Volk hat darüber abzustimmen. te. Ohnehin beruhte es auf einem Missver- Undenkbar, unvorstellbar? In Deutsch- Nur ist ihm auch bewusst, dass gerade ständnis, die unkontrollierbaren visuellen land sicher, in Rumänien nicht. Dort ist Mi- der kosmopolitische Ansatz ihn den natio- Erscheinungen seiner Malerei mit den reti- nisterpräsident , ein Sozialde- nalistisch gesinnten Politikern eher ver- nalen Effekten der Optical Art zu verwech- mokrat, exakt mit diesen Vorwürfen kon- hasst macht. Künftig soll wohl wieder seln. Sein Werk müsste heute endlich ein- frontiert worden und exakt in der beschrie- mehr rumänische Nationalkultur propa- mal im Kontext von Malern wie Kenneth benen Weise vorgegangen. Ponta hatte, als giert werden, so wie es sich die Spießer der Noland, Brice Marden, Al Held oder auch ei- er vor drei Monaten sein Amt übernahm, neuen Mehrheit vorstellen. Dem internati- nes Peter Halley diskutiert werden, um „die ehrlichste und kompetenteste Regie- onalen Austausch wird das abträglich sein, ihm den passenden internationalen Be- rung“ angekündigt, die das Land je gehabt meint Patapievici, den Nutzen haben „die zugsrahmen zu geben. Stattdessen wird es habe. Dann legte er die Kabinettsliste vor, Einflussvektoren, die aus dem Osten kom- Gefangen in der Sparte „deutsche Malerei nach 1945“ dürfen Fruhtrunks Bilder wie „Umkehrende Reihe“ von 1962-63 noch noch immer in nationalen Kategorien ei- und die Experten stutzten. Außenminister men“. immer nicht in dem Kontext stehen, den sie international verdienen. FOTO: STÄDTISCHE GALERIE LENBACHHAUS, MÜNCHEN-63/ VG BILD-KUNST, BONN 2012 ner „deutschen Malerei nach 1945“ behei- Andrei Marga, ein Liberaler, früher Bil- Patapievici wird gewiss auch deshalb ab- matet oder aus den Zusammenhängen sei- dungsminister und Uni-Rektor in Klausen- gestraft, weil er sich in früheren Bataillen nes Pariser Frühwerks hergeleitet. burg, hat in der Außenpolitik null Erfah- auf die Seite des konservativen Präsiden- Andere Künstler hätten den Auftrag als sche Gegenwart der Siebzigerjahre: streng, „Wunsch, der Mittelmäßigkeit und Banali- In seltener Souveränität und wie sonst rung. Victor Alistar, Minister ohne Porte- ten Traian Basescu geschlagen hat, der ihn Coup gefeiert und ein höheres Honorar für unnachgiebig, technizistisch, metallen im tät zu entkommen“. Die Tätigkeit an der nur wenige andere europäische Maler nä- feuille, durfte wegen eines alten Gerichts- ins Amt brachte. Es ist kein Einzelfall. Der sich rausgeschlagen. Doch Günter Fruh- Klangbild. Eine Karikatur im Magazin Akademie empfand er als Belastung, wahr- hert sich Fruhtrunk um 1980 der amerika- urteils gar kein solches Amt übernehmen. Geist steht in Rumänien und anderen Län- trunk nannte die Geschichte mit der Aldi- Stern vom Dezember 1981 zeigt Helmut genommen wurde er aber als „Anreger von nischen Farbfeldmalerei – vergleichbar in Ähnlich der Schauspieler , dern des postkommunistischen Kosmos Tüte seinen „Sündenfall“, und er bereute Schmidt, der sich auf der Couch fläzt und Format“, als „bohrender und philoso- seiner Unabhängigkeit etwa mit Blinky Pa- der also auf die Übernahme des Kulturmi- nicht links, wie man das aus Westeuropa ihn nachhaltig. Tatsächlich ließ sich die mit dem vor ihm stehenden Willy Brandt phisch verbohrter, diskussionsbereiter Au- lermo. Das Stakkato beruhigt sich, die nisteriums verzichten musste. Bildungsmi- vielfach kennt. Der Intelligenzija in Mittel- Dienstleistung für die Lebensmittel-Kette die Ostpolitik erörtert. Überm Sofa ßenseiter“ (Laszlo Glozer). Der Liebhaber Farbflächen werden stattlicher, massiver, nisterin sollte Corina Dumitrescu werden, und Osteuropa hat der erlebte Kommunis- mit seinem künstlerischen Ethos nur schmückt eine klassische Komposition hoher Geschwindigkeiten am Volant eines wuchtiger, aber keineswegs friedlicher, doch auch sie wurde fallen gelassen. In ih- mus alle linken Utopien gründlich ausge- schwer vereinbaren, möchte man sich von Fruhtrunk die Wand – als Attribut Alfa Romeo Giulia war in den späteren Jah- sondern vielmehr giftiger, fremder, verstö- rem Lebenslauf hatte sie behauptet, an der trieben. Nach 1989 fand man deshalb hoch- ernsthaft vorstellen, ein Barnett Newman pragmatischer Geistesschärfe und moder- ren seines Lebens, dem er 1982 in der Aka- render. Eine „Toxische Nymphea“ arbei- Stanford University internationales Recht angesehene Freiheitskämpfer wie Vaclav hätte das Woolworth-Logo entworfen? Als ner (wiederum bundesdeutscher) Zeitge- demie ein Ende setzte, geplagt von immer tet, wie es im Untertitel heißt, „für und ge- studiert zu haben, was die Universität de- Havel, Adam Michnik oder Designer für einen Discounter tätig gewor- nossenschaft. Tatsächlich hing im Bonner heftigeren Schmerzen einer Kopfverlet- gen Monet“, nicht minder arbeitet sie für mentierte. Der neue Kandidat für das Amt, eher auf der liberalkonservativen Seite des den zu sein – dafür schämte sich der Kanzlerbungalow seit den Tagen des Kanz- zung aus dem Zweiten Weltkrieg. und gegen Barnett Newman und das Erha- , Professor für Elektrotechnik, politischen Spektrums wieder. Münchner Maler schließlich so sehr vor lers Ludwig Erhard ein Bild des 1923 in Die schneidende Schärfe seiner Bilder bene wie auch Bilder mit den bezeichnen- wurde beschuldigt, eine wissenschaftliche In Rumänien führte zudem die Mutati- sich selbst, dass er sich ein Bußgeld von München geborenen Künstlers: die „Diago- führt jetzt noch einmal eine sehenswerte den Titeln wie „Vergegenwärtigung“. Nun Arbeit weitgehend abgeschrieben zu ha- on der Kommunistischen zur Sozialdemo- 400 Mark auferlegte und in die Klassenkas- nale Progression“ von 1964, die akribisch Retrospektive unter dem Titel „Farbe stellt der skeptische Maler gar die Prinzipi- ben; binnen Tagen dankte auch er wieder kratischen Partei (PSD) vor Augen, wie se an der Kunstakademie München ein- nachzuahmen der Karikaturist sich zur Rhythmus Existenz“ im Kunstmuseum en der strengen Geometrie infrage und da- ab. Im Ganzen also ein großartiger Start man die echte Abkehr von der Vergangen- zahlte. Mehr als ein paar tausend Mark hat- Pflicht gemacht hatte. Liechtenstein vor Augen. Sie konfrontiert mit sein gesamtes Œuvre, gestattet sich po- für die ehrlichste und kompetenteste Re- heit vermeidet. Haarsträubende Korrupti- te der Auftrag dem Künstler 1970 nicht ein- ihre Besucher mit einer ungewöhnlichen röse Konturen, wird malerisch. gierung der rumänischen Geschichte. onsskandale, in die der Ex-Premier Adrian getragen, wohl aber ein ungewöhnliches Der Maler selbst hasste die Dynamik und Emphase in der damaligen Sich auf diese Malerei einzulassen be- Doch ist dem Publikum das Lachen bald Nastase oder der PSD-Europaabgeordnete Multiple in einer bis zum heutigen Tag banalisierende Vokabel „Streifen“ Malerei, einer Abstraktion, die das Licht deutet sich fortreißen zu lassen – in pure vergangen. Die Regierungsmehrheit, gebil- verwickelt sind, belegen, wachsenden Auflage: Besagte Einkaufstü- nach den Worten Fruhtrunks lieber „vergif- Gegenwart, helleWachheit, souveränes Be- det von Sozialdemokraten und Liberalen dass aus dieser Ecke die Erneuerung nie- te wird noch immer am Ladentresen von Fruhtrunk war aber alles andere als ein ten“ wollte, anstatt es dem „trivialen wusstsein. Mit Fruhtrunk gesprochen ins sowie einer konservativen Splitterpartei mals kommen wird. Der Schriftsteller Mir- Aldi-Nord verkauft. Staatskünstler, vielmehr eine singuläre Er- Zweck der Bewunderung“ auszuliefern – „jetztfeld des sichtbaren“, das, wie bei je- nebst Überläufern aus dem bürgerlichen ceaCartarescu fürchtet weißrussische Ver- Der Teilnehmer der Biennale in Venedig scheinung als Maler und als Person eine wi- womit er vielleicht die Zero-Kunst meinte. der aufgeklärten Malerei, niemals Selbst- Lager, änderte erst einmal das Wahlgesetz hältnisse. Auf der anderen Seite hat auch 1967 und der vierten Documenta 1968 war dersprüchliche Figur. Kompromisslos und Fruhtrunks Werk verdankt sich einer unbe- zweck sein kann. GEORG IMDAHL so ab, dass ihr beim nächsten Urnengang der konservative Basescu sich durch bizar- damals populär, doch fiel die Wertschät- konsequent, wie er das Formenrepertoire dingten, nachgerade manischen Exakt- im Herbst eine starke Mehrheit sicher ist. re Geisterfahrten die Gunst vieler Intellek- zung so zwiespältig aus wie seine eigene seiner scharfkantigen Abstraktion entwi- heit. Um die langen, dünnen Farbflächen, Dann begann sie, in zahlreichen Institutio- tueller verschätzt. Mircea Dinescu gehört Wahrnehmung der Episode des blau-wei- ckelte, benannte er bei aller „Begeiste- deren Kanten mit dem Teppichmesser ge- Günter Fruhtrunk: Farbe Rhythmus Existenz, Kunst- nen die Leiter auszutauschen – das ist in zu ihnen, er trat vor dem Referendum so- ßen Streifen-Emblems. Sie grenzte hart rung“ die „tief darunter wabernden Ängs- zogen scheinen, akkurat ausmalen zu kön- museum Liechtenstein bis 2. September. Der Kata- Rumänien nach einem Machtwechsel so gar bei Wahlveranstaltungen der neuen ans Klischee: Fruhtrunks Malerei galt als te samt Furcht vor Unfreiheit“. Seinem per- nen, hockte er mit den Knien auf einem log (Hatje Cantz) kostet 39,80 Euro. Infos unter üblich. Die neuen Herrscher aber agierten Mehrheit auf. sinnbildlich für die bundesrepublikani- manenten Selbstzweifel entsprach der Schlitten, mit dem er über der auf dem Bo- www.kunstmuseum.li so rasch und so skrupellos, dass ein Auf- Vor allem aber empfinden die Kultur- schrei der Empörung sich erhob, zumal in schaffenden schmerzlich ihre Machtlosig- der Kulturszene. keit. Im Kommunismus waren sie, sofern Der bekannte Journalist Cristian Tudor sie nicht als Dissidenten auffielen, Persön- Popescu fühlte sich an die Machtergrei- lichkeiten von gesellschaftlichem Rang. „Ich lebe mal auf Bäumen“ fung der Nazis 1933 in Deutschland erin- Nun aber geht ihre Stimme in der Kakopho- nert. Der Philosoph und Kunsthistoriker nie des großen Geschwätzes der unzähli- Maike Rosa Vogels drittes Album „Fünf Minuten“ besticht durch seine Naivität und einen ansteckenden Hippie-Refrain Andrei Plesu erklärte gemeinsam mit wei- gen Fernsehprogramme unter. Die Rolle teren Intellektuellen wie dem Philosophen als Präzeptoren und Aufrüttler der Nation Berlin spielt wieder einmal seine Paraderol- Frau“ so ein stabil wiederkehrendes Motiv etwas wie ihr Ausweispapier geworden ist denn nicht spätestens seit der britischen Gabriel Liiceanu oder dem Theaterdirek- mussten sie an die Gastgeber von Talk- le als einer dieser gutherzigen Trottel aus der europäischen Kulturgeschichte ist, als lyrische Anwältin sozialer Wahrheiten. Öko-Puppenband The Wombles als piefigs- tor Andrei Serban in einem offenen Brief shows abgeben. Einer der Hosts, Dan Dia- einem Roman von Alfred Döblin oder Hans weil sie etwas repräsentiert, das dem er- In dem Song geht es um ein Musikerpaar, te und sozial wie ästhetisch marginalste an die Regierungschefs der EU: „Wir wol- conescu, hat eine Partei gegründet und Fallada: Überträgt man der Stadt eine grö- wachsenen Mann im Zuge seiner Maskuli- das bis an den Rand der Belastbarkeit Subkultur, die sich überhaupt denken len nicht in einem Land leben, in dem kor- könnte bei der nächsten Präsidentenwahl ßere, aber durchaus zumutbare Aufgabe nisierung gehörig ausgetrieben wurde. jobbt und auftritt und sich trotzdem keine lässt? Einerseits schon, andererseits rupte, demagogische und autoritäre Politi- achtbar abschneiden. (Flughafen, Gemäldegalerie), verstolpert Eben: naïveté. Krankenversicherung für sich und das ge- kommt das Hippietum durch Maike Rosa ker mit Mitteln, die unverschämter Weise Einen Doktortitel, ob echt, ob nachge- sie sich so sagenhaft, dass all die Schaffer Die Gesellschaft ist rein grammatika- meinsame Kind leisten kann, weswegen es Vogel heute tatsächlich noch zu einer Art und wiederholt die Gesetze brechen, über macht, braucht er dafür nicht. In Bukarest im Rest der Republik ihren Augen nicht lisch erst einmal nicht maskulin, der Kapi- Hartz IV beziehen muss. Der Song fragt, wo- posthumer Ehrenrettung: Die Berlinerin unser Schicksal entscheiden.“ sagt nicht nur bei der Fahrt zum Flughafen trauen. Legt aber eine idealistische Lieder- talismus schon, und da leuchtet auch für sich dieses Paar überhaupt schämt und aktualisiert diese siechende Bewegung, in- der Taxifahrer, was Ponta da gemacht ha- macherin mit geschulterter Akustik-Gitar- gleich eine weitere Ebene durch, die diese wieso es in der Bundesrepublik gesell- dem sie uns daran erinnert, dass es auf in- Die Nationalisten stören sich am be, sei nicht so schlimm, das machten alle re ein Album vor, das ein geldloses, natur- Lieder wichtig machen: Irgendwie ist es schaftlich akzeptabel ist, diesen „Leuten haltslogische Einzelheiten nicht unbe- kosmopolitischen Geist anderen genauso. Auch Innenminister Io- nahes und glückliches Leben besingt, zit- auch wieder der Kapitalismus, der Vogels wie mich“ die Schuld für alles Mögliche in dingt ankommt, wenn jemand eine Nelke an Rus, ein Sozialdemokrat, erklärte, seit tern der Stadt die Nasenflügel vor Begeiste- Folk einerseits ermöglicht und anderseits die Schuhe zu schieben. Und ob es nicht in einen Gewehrlauf steckt. Da kann der Zum Kristallisationspunkt des Auf- Platon und Aristoteles seien in Philoso- rung. als Projektionsfläche moralischer Läute- eher die Eliten sind, die „immer nur neh- Kulturkritik-Philister noch so oft auf argu- ruhrs wurdeder Handstreich gegen drei In- phie, Politik und Gesellschaftswissenschaf- Diese Sängerin heißt Maike Rosa Vogel, rung unbedingt benötigt. men, nehmen, nehmen und nichts geben“. mentative Unebenheiten verweisen, die stitutionen, die als Träger der gesellschaft- ten alle Dissertationen plagiiert worden. und sie ist in diesem Jahr so etwas wie die Der Hartz-IV-Song etwa, bei dem sie Oder der Hippie-Song: „Ich bin ein Hip- Autorität des Hippies ist von Anfang an lichen Erneuerung großes Ansehen genie- Warum also nun mit dem netten Herrn Pon- große Sommerliebe der Hauptstadt: Die erst lange gezögert, ihn dann aber in Büh- pie, und ich wollte immer einer sein“ heißt rein symbolisch und fußt auf der irrationa- ßen und gerade deshalb wohl den neuen ta so streng ins Gericht gehen? Presse feiert sie ergeben, Milan Peschel nenprogramm genommen habe und der so es da ernsthaft. Aber gilt das Hippietum len Sehnsucht nach einer ganzheitlicheren Machthabern missliebig sind. Das Natio- Es hat inzwischen ein „ethischer Aus- bucht sie für sein neues Stück – und dass Welt. In diesem Sinne handelt es sich weni- nalarchiv hatte den Zugang zu den Akten schuss“ der Universität Bukarest den Mut Sven Regner ihr mittlerweile drittes Al- ger um eine sachpolitische als um eine poe- über die kommunistische Vergangenheit gehabt, sich ebenfalls mit Pontas Doktorar- bum produziert hat, erstaunt insofern tische Bewegung, und dass das Hippietum erleichtert, das Institut für die Erfor- beit zu befassen und ebenfalls festzustel- nicht, als Maike Rosa Vogel im Grunde bei Maike Rosa Vogel jetzt wieder plausibel schung der Verbrechen des kommunisti- len, dass weite Teile abgeschrieben seien – eben jene Frau ist, die Regeners literari- erscheint, erzählt durchaus einiges über schen Regimes nahm seine Aufgabe wirk- auf 115 von 297 Seiten. Dr. Ponta reagierte sches Alter-Ego Frank Lehmann nie hatte. den Zustand unserer Gegenwart. Fundier- lichernst, und das Rumänische Kulturinsti- darauf mit der Bemerkung, die Entschei- Das hat alles auch damit zu tun, dass ter sind Festivalslogans à la „Atomkraft tut, dem deutschen Goethe-Institut ver- dung sei „politisch motiviert“. Folgen hat man lange nicht so viel Naivität gesehen wegbassen“ ja auch nicht und trotzdem gleichbar, hat die Kulturarbeit im Ausland sie bisher nicht. Das Leben geht weiter. hat wie auf Maike Rosa Vogels jüngstem Al- noch immer im Einsatz. bum „Fünf Minuten“. Die gegenwärtigen „Während die anderen Mädchen von Frauenfiguren des Pop von Dillon bis Ri- Hochzeit träumen, denke ich: Ich leb mal hanna geben sich ja eher fatal. Gemeint ist auf Bäumen“, singt Vogel. Friedrich Schil- Junge Litauerin Patrick Modiano hier aber keinesfalls eine Naivität im Sinne ler schrieb, als würde er ihr Album rezensie- gewinnt in Salzburg ausgezeichnet von Unbelecktheit, sondern im Sinne Schil- ren: „Da sich dieses Interesse für die Natur lers: Eine naïveté, die eben jener lebens- auf eine Idee gründet, so kann es sich nur Die 26-jährige Dirigentin Mirga Grazinyte- Der französische Romancier Patrick Mo- blinden Kultiviertheit zu Leibe rückt, die in Gemütern zeigen, welche für Ideen emp- Tyla aus Litauen hat den diesjährigen diano ist neuer Träger des Österreichi- stumpf das gesellschaftlich Vereinbarte re- fänglich sind, d. h. in moralischen.“ Und Young Conductors Award der Salzburger schen Staatspreises für Europäische Litera- petiert und die heute am besten auf inner- moralische Gemüter, so war zuletzt zu le- Festspiele gewonnen. Sie habe eine interna- tur. Der Preis ist mit 25 000 Euro dotiert. städtischen Biomärkten zu beobachten ist. sen, sind ja heute schwerer zu bekommen tionale Jury unter dem Vorsitz von Ingo Bei einem Festakt in Salzburg bezeichnete Wenn man über Maike Rosa Vogels Nai- als Seltene Erden. Wenn sich jetzt also je- Metzmacher überzeugen können, teilten Laudatorin Ina Hartwig Mondiano als ei- vität nachdenkt, kommt einem auch eine mand dabei erwischt, wie er auf dem Fahr- die Festspiele am Samstagabend mit. „Es nen der bedeutendsten französischen Ge- Bemerkung des schottischen Autors John rad den Maike Rosa Vogels Hippie-Refrain war eine ganz knappe Entscheidung“, er- genwartsautoren, der sich sehr mit der Ok- Burnside in den Sinn: Bei einer Lesung in mitschmettert: keine Sorge, das ist gerade klärte Metzmacher. DAPD kupationszeit beschäftige. DPA Berlin hat Burnside gesagt, dass „die junge Maike Rosa Vogel während eines Konzerts in Dresden. FOTO: IMAGO/STAR-MEDIA genau richtig. FELIX STEPHAN DIZdigital: Alle Alle Rechte Rechte vorbehaltenvorbehalten – - SüddeutscheSüddeutsche ZeitungZeitung GmbH,GmbH, MünchenMünchen svra006 JeglicheJegliche VeröffentlichungVeröffentlichung und und nicht-private nicht-private Nutzung Nutzung exklusiv exklusiv über über www.sz-content.de www.sz-content.de SZ20120730S1604753