Die Kulturagenda Westfalen. Kulturentwicklungsplanung fÜr Westfalen-Lippe

herausgegeben von der LWL-Kulturabteilung

Yasmine Freigang und Barbara Rüschoff-Thale

Ardey-Verlag GmbH, Münster Die Kulturagenda Westfalen. Kulturentwicklungsplanung fÜr Westfalen-Lippe

Herausgeber: LWL-Kulturabteilung Fürstenbergstr. 15 48133 Münster Yasmine Freigang und Barbara Rüschoff-Thale

Redaktion: Yasmine Freigang, Melanie Peschek Gestaltung: Alexandra Engelberts, Münster Druck: DruckVerlag Kettler GmbH, Bönen

Ardey-Verlag GmbH, Münster

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© LWL-Kulturabteilung, Münster 2014

ISBN 978-3-87023-373-0 Inhalt

8 Einleitung 41 Neun Pilotplanungsprozesse Yasmine Freigang 42 Freudenberg 20 Kommunikation, Kooperation und Jens Benner Vernetzung vorantreiben Interview mit Landesrätin 50 Lippstadt Dr. Barbara Rüschoff-Thale Wolfgang Streblow

24 Das Konzept 58 Hattingen Vorschlag fÜr den Kultur- Petra Kamburg und Beate Schiffer planungsprozess. Kurzfassung, 16.4.2012 64 Witten Reinhart Richter Hans-Werner Tata

30 Die Steuerungsgruppe 72 Beate Hauck 31 Welche gesellschaftlichen Entwicklungstrends werden die 82 Ahlen und Beckum Rahmenbedingungen fÜr Kultur Christina Loi und Gaby Trampe in Westfalen-Lippe beeinflussen? Zusammenfassung der Ergebnisse des 90 Oben an der Volme Weltcafés bei der Westfälischen Gisela Weiland Kulturkonferenz 2012 98 Kreis Olpe Ulrike Beckmann

106 Kreis Höxter Andreas Niggemeyer 113 Anmerkung eines Beobachters 138 Akzeptanz der Kulturagenda Christian Grube Westfalen Ergebnisse einer Umfrage 114 Aus Sicht einer Beobachterin Katharina Wekenborg Kristina Dröge 150 Methodenleitfaden fÜr 115 Kultur gewinnt durch Mitmachkultur Kulturplanungsprozesse Bernd Brandemann Reinhart Richter

117 Erfolgreich im Standortwettbewerb 162 Die Autorinnen und Autoren Sicherung und Entwicklung einer attraktiven kulturellen Infrastruktur und qualifizierter 163 Bildnachweis Bildungsangebote in ländlichen Regionen am Beispiel Kreis Höxter Andreas Niggemeyer und Reinhart Richter

120 Eine Gesamtbetrachtung der Planungsprozesse - ein Blick von auSSen Markus Morr Eine Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse - ein Blick von auSSen * / Markus Morr

1 / EINFÜHRUNG UND ALLGEMEINE RAHMEN- Und im Kulturplanungsbereich soll es alle Freiheiten BEDINGUNGEN FÜR KULTURELLE PLANUNGEN IN geben, Planungen ohne Vorgaben durchführen zu dürfen? DEUTSCHLAND Das mag man ungläubig fragen. Aber es ist so! Und es ist ...... gut so! Kultur gehört zwar in fast allen Bundesländern zu den freiwilligen Leistungen. Aber es ist im Rahmen der Die Bundesregierung hat mit dem Bericht der Enquete- kommunalen Selbstverwaltung auch ein sehr hohes Gut, kommission „Kultur in Deutschland“1 nach einem gewis- das es zu schützen gilt! sen Zeitverzug etwas auf Länderebene und kommunaler Die kommunale Selbstverwaltung ist heute in den meisten Ebene in Gang gesetzt, das im Bereich der kulturellen Städten und Gemeinden stark eingeschränkt, nicht selten Planungen mehr als ein Impuls ist, nämlich eine Auf - ausgehöhlt. Oft sehen sich Städte, Gemeinden und Kreise forderung kulturelle Planungen auf allen Ebenen zu for- in fremdbestimmten Aufgabenstellungen, die meistens cieren. So wundert es nicht, wenn viele Kommunen, aber „top down“ organisiert sind, das heißt über den Bund, das auch Bundesländer das Instrument „Kulturelle Planung“, Land, die Bezirksregierungen oder gegebenenfalls die meistens unter dem Topos „Kulturentwicklungsplanung“ Kreise an die jeweils unterste Ebene delegiert werden. bekannt, aufgreifen und jeweils für ihre Zwecke passend Kommt dann noch eine defizitäre Haushaltssituation umsetzen. hinzu, wie sie ebenfalls auf allen kommunalen Ebenen anzutreffen ist, so werden die Möglichkeiten nochmals Geht das überhaupt in Deutschland, dem Land, in dem drastisch durch die jeweilige Aufsicht eingeschränkt. scheinbar alles geregelt und normiert ist? Als Beispiel mag die Tatsache dienen, dass es in Hessen bereits die Und unter diesen Rahmenbedingungen sollen kulturelle zweite Veränderungsordnung der Pfirsichbaumrodungs- Planungen durchgeführt werden und sinnvoll sein? Ja, verordnung gibt. Mir ist zwar nicht bekannt, wie viele Pfir - auch diese Frage ist erst einmal generell positiv zu beant- sichbäume in Hessen vorhanden sind und wie viele jährlich worten. Gerade weil diese Planungen nicht normiert und gerodet werden, aber es zeigt die „Regelungswut“, alles in in allen Schritten festgelegt sind, weil sie entsprechend Verordnungen und Bestimmungen festzuhalten. den jeweiligen Aufgabenstellungen umfangreicher oder

* Der Beitrag ist die schriftliche Fassung des Vortrags, den der Verfasser bei der Fachtagung „Evaluation der Pilotplanungsprozesse“ am 7. Februar 2014 in Hagen gehalten hat. Die Aussagen fußen auf den Analysen des Materials von der Projektleitung und aus den Pilotkommunen, auf schriftlichen Interviews mit Vertretern der Pilotkommunen (bis auf die Stadt Witten haben sich alle Kom- munen daran beteiligt). Außerdem fußen sie auf telefonischen und persönlichen Gesprächen und Interviews mit weiteren Beteiligten sowie mit dem Berater und der Projektleitung.

1 Deutscher Bundestag (2007): Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages, Bundestags-Drucksache 16/7000, Berlin.

120 Die Kulturagenda Westfalen kürzer sein können und bestimmte Fragen enthalten Kulturförderung. Wichtig ist eine zielgerichtete politische können oder auch nicht. Das heißt, entsprechend der Diskussion über die kulturellen Ziele einer Kommune kommunalen Selbstverwaltung kann jede Kommune hier aber so oder so. Nur: Dazu gehört Mut! Mut zur Verän - frei und individuell entscheiden, wie eine solche Planung derung und manchmal auch Mut zu unliebsamen Ent- für sie aussehen soll. Das ist definitiv ein immens großer scheidungen. Vorteil! Restkategorie Kultur? Anzusprechen ist allerdings auch das Faktum, dass Kultur ist in den Städten, Gemeinden und Kreisen nicht im Rahmen einer Verwaltungsmodernisierung und im selten in der politischen Gewichtung eine Restkategorie, Zusammenhang mit immer knapperen Finanzmitteln das die noch irgendwo hinzugeschlagen werden kann, je nach ein oder andere ganz neu überdacht werden muss. Dezernatverteilung oder wenn ein Dezernent gerade noch Sehr häufig ist es zum Beispiel so, dass Vereine, Verbände einen Bereich dazu benötigt. Natürlich gibt es hier eine oder Veranstalter, die einmal in den Genuss einer kom- ganze Reihe löblicher Ausnahmen, aber Kultur wird munalen Förderung gekommen sind, das oftmals wieder häufig als nebensächlich erachtet und führt hier und da in Anspruch nehmen können und dann ein gewisser ein von anderen eher als exotisch betrachtetes Dasein in Automatismus entstehen kann. Die geringer werdenden Verwaltungen. finanziellen Mittel sind dadurch meist schon so sehr ver- Sicherlich hat sich oft die Regelung durchgesetzt, im Rah- plant, dass kaum noch Platz für Neues oder Schwer- men der Verwaltungsmodernisierung Fachbereiche wie punktsetzungen bleibt. etwa „Bildung, Sport und Kultur“ zu schaffen, bei dem die Kaum jemand traut sich jedoch, bisherige Förderungs- Kultur nahezu immer das „letzte Rad am Wagen“ ist. praktiken grundsätzlich neu zu überdenken. Denn darin Allerdings kommt es auch gar nicht so selten vor, dass steckt auch die Frage, ob alle Kommunen immer das sich die Verwaltungsspitze selbst die Verantwortung gleiche Angebot vorhalten müssen oder ob man nicht für die Kultur zuweist. Dann schlagen sozusagen „zwei bestimmte Aufgaben gemeinsam übernehmen oder Herzen in einer Brust“, nämlich das der Verantwortung jeweilige Schwerpunktsetzungen vornehmen kann. Das für die Finanzen und das für die Kultur, was ebenfalls sehr ist ein „heißes Thema“, aber auch eines, das früher oder spannend ist. später auf der Agenda steht. Muss man weiterhin das Es gibt aber auch geradezu unglaubliche Zuordnungen fördern, was man bereits seit 20 Jahren fördert? Gibt der Kulturarbeit wie beispielsweise in das Ordnungsamt es nicht heute andere Rahmenbedingungen und andere in einer kleineren Kommune. Auf Nachfrage erfährt man Anforderungen? Muss nicht etwa mehr in Qualität und dann, dass der Leiter des Ordnungsamtes in vielen Kul- Nachwuchsförderung investiert werden? Und schon ist turvereinen Mitglied ist und deswegen die Kultur- und man mit diesen Fragen mitten in einer Diskussion um Vereinsarbeit mit übernimmt. Also doch: Restkategorie Förderrichtlinien und um das, was einer Kommune als Kultur? Die Frage ist nur, ob dieser der Kulturarbeit förderungswürdig erscheint. Man kommt schließlich zur zugemessene Stellenwert gerechtfertigt ist. Ist er das? Frage: Was ist uns wichtig im Kulturbereich? Erst jetzt wird die Diskussion richtig interessant, denn es geht Wenn man sich von den rein kulturpolitischen Sichtweisen darum, Ziele zu benennen, Ausblicke und Visionen zu löst und auf die jeweils aktuellen Belange der Kommunen erarbeiten und eine ganz neue Qualität einer zielgerich- schaut, so scheinen erst einmal andere Probleme vorran- teten kulturpolitischen Diskussion zu erreichen. gig zu sein. Dazu zählen (in nicht prioritärer Reihenfolge) das Eindämmen der Ausgaben im Sozialbereich, das Diese Art der grundsätzlichen Fragen nimmt (leider) Angebot an Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer zahlenden heute bundesweit eher den Weg aus dem Einspardruck Betrieben, die gesamte Verkehrsinfrastruktur, die Kanal- heraus als über den Weg des erwünschten Ausbaus der sanierung, die Versorgung mit schnellem Internet, der

121 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse öffentliche Personennahverkehr, die Anstrengungen Men- Kulturelle Projekte machen ganz oft Spaß, sind bunt, schen in die jeweilige kommunale Einheit zu holen oder weiterbildend, abwechslungsreich, kreativ, unterhaltend, doch wenigstens in ihr zu halten und das heißt auch der Identität stiftend, Gemeinschaft bildend und mitreißend. meist negativen demografischen Entwicklung entgegen- In einer immer mehr digitalisierten Welt setzen kulturelle zuwirken. Damit sind nur die bekanntesten Probleme Projekte oft die notwendigen Kontrapunkte, die die Men- genannt, die bundesweit, landesweit und regional noch- schen durchaus in ihren Bann ziehen! mals sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können. Das alles kommt bei den Einwohnern sehr häufig gut an. Die demografischen Entwicklungen werden oft als wich- Und nicht nur bei diesen, sondern sie haben erwiesener- tigste Probleme angesehen. Auf einen einfachen Nenner maßen etwa für den Tourismus sowie bei den Firmen und gebracht, könnte man folgendes postulieren: „Der Kampf Betrieben positive Wirkungen. Letztere besitzen ebenfalls der Regionen um die Menschen hat nicht nur begonnen, ein Interesse daran, dass ihre Region eine positive Aus- sondern er ist im vollen Gange. Wer diesen verschläft, strahlung hat oder bekommt. wird abgehängt!“ Obwohl es auf der einen Seite immer Auch wenn man die Wirkung im Rahmen der Gesamt- mehr Verpflichtungen gibt, überregional und interkom- betrachtung der kommunalen Bedeutung vernünftiger- munal zu denken, um etwa an EU-Fördergelder zu gelan- weise relativeren muss, so hat Kultur doch eine deutlich gen, kämpft dann doch jede Region auch für sich! Wie ein höhere Bedeutung als vielfach gesehen wird. Ihr sind viel- Damoklesschwert stehen über vielen Kommunen die fältige positive Ansätze inhärent. Es gilt, diese heraus- Aussagen zum demografischen Abwärtstrend. Kommen zuarbeiten und unter den aktuellen Erfordernissen der Firmenschließungen, Schulschließungen und Investi - Gegenwart neu zu beurteilen. Ein kleines Beispiel dazu tionsstaus an öffentlichen Gebäuden und Institutionen aus der Praxis: Nach einer Beratung eines Bürgermeis- hinzu und schlägt die öffentliche Meinung und Bericht - ters einer Kleinstadt, deren Kernstadt sehr markant ist, erstattung dann noch komplett in eine negative um, so und in der erstmals ein erfolgreiches Kulturfestival durch- kann eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden, die geführt wurde, sagte dieser begeistert aufgrund der sehr nicht so leicht aufzuhalten ist. „Verschlafen“ darf diese positiven medialen Resonanz: „Man kann tatsächlich mit Entwicklung deshalb sicherlich keine Kommune. Kultur punkten!“ So einfach lässt es sich manchmal auf den Punkt bringen! Können auch die Mitwirkenden an den Und unter diesen vielfach schwierigen Rahmenbedingun- Pilotplanungsprozessen in Westfalen-Lippe mit ihren Kul- gen soll man mit Kulturplanung etwas erreichen können? turplanungen punkten? Darauf wird später eingegangen. „Kann man mehr als einen Blumentopf damit gewinnen?“ So könnte eine berechtigte, wenn auch überspitzt for- mulierte Frage lauten. Auch hier muss die Antwort ein- 2 / deutig „ja“ heißen. Natürlich kann nicht alleine mit kultu- ZUM KULTURENTWICKLUNGSPROZESS rellen Maßnahmen, Highlights und Events etwas gegen INNERHALB DES LANDSCHAFTSVERBANDES die Negativspirale gemacht werden. Aber gemeinsam, im WESTFALEN-LIPPE Verbund mit anderen Maßnahmen, Projekten, positiven ...... und Mut machenden Aktionen in anderen Bereichen kann die Kultur ganz enorm dabei helfen, vor allem das Profil Wenn man in Nordrhein-Westfalen lebt, vergisst man einer Stadt, einer Gemeinde oder eines Kreises aufzubes- schnell schon einmal die Dimension der Einwohnerzahlen sern und positiv zu verändern. Im Verbund mit einer guten im Bundesvergleich. Die 8,2 Millionen Einwohner von und effizienten Öffentlichkeitsarbeit und unter Einbezie- Westfalen-Lippe entsprechen der Einwohnerzahl von hung der Bevölkerung können schon einzelne größere Hessen (6 Millionen) und des Stadtstaates Hamburg (über Projekte profil bildend wirken. 1,7 Millionen Einwohner) und dann ist immer noch „Platz“ für eine Stadt in etwa der Größe von Hannover oder

122 Die Kulturagenda Westfalen 9000000 Vergleich der Fläche von Westfalen Lippe mit…

8000000 Hannover

7000000 West - Hamburg falen- 6000000 Lippe Westfalen-Lippe: Fläche: 21.427 m2 Hessen 5000000 Rheinland (Nordrhein): 12.655 km2 Hessen: 21.115 km2 4000000 Slowenien: 20.253 km2 Jamaika und Libanon 3000000 zusammen: 21.343 km2

2000000

1000000 MM 2014 0

Einwohnerzahlen im Vergleich

Nürnberg! Die Einwohnerzahl Westfalen-Lippes würde im Forschung sowie spezifische Kulturdienste. Die Kultur- bundesweiten Ländervergleich hinter Bayern, Baden-Würt- ab teilung des LWL bündelt und koordiniert die Belange temberg und dem Teilbundesland „Nordrhein“ bereits an dieser Kultureinrichtungen und nimmt eine wichtige Rolle vierter Stelle noch vor Niedersachsen auftauchen. Aus der im Bereich Kulturförderungen und Kulturpartnerschaften Sicht von außerhalb Nordrhein-Westfalens sind das immens ein“, so ist es auf der Homepage zu lesen. 18 Kreise und viele Menschen. Aber das nur zur Einordnung, die es zu neun kreisfreie Städte als Mitglieder bilden den LWL, den beachten gilt. sie durch eine Umlage auch finanzieren. Gleiches gilt für die Fläche, die sich „locker“ in die Größe Der LWL übernimmt einerseits viele Aufgaben für die von Bundesländern und Staaten einreiht. Deutlich wird Kommunen, aber natürlich wird andererseits von den auch, dass Westfalen-Lippe erheblich größer ist als der Kommunen sehr darauf geachtet, was der LWL mit den Landesteil Nordrhein; ein Fakt, der für die Westfalen nicht Geldern macht. Die Kulturagenda Westfalen soll allen unwichtig ist. Hier ist Westfalen-Lippe folglich ebenfalls ein- Kreisen, Städten und Gemeinden dabei helfen, im Kultur- drucksvoll und kann sehr selbstbewusst auf Fläche und Ein- bereich neue Akzente zu setzen und dabei auch zeigen, wohnerzahl schauen. dass das in den LWL gegebene Geld für den Kulturbereich gut angelegt ist. Für die Kommunen übernimmt der Landschaftsverband In der LWL-Kulturabteilung ist auch das Projekt „Kultur Westfalen-Lippe (LWL) ganz unterschiedliche Aufgaben. in Westfalen“ angesiedelt, unter dessen Federführung die Dazu zählt auch der Kulturbereich. Mit dem Anspruch „Wir Kulturagenda Westfalen stattfindet. Der LWL übernimmt machen Kultur in und für Westfalen“ hat der LWL hier vor allem moderierende und organisierende Funktio- ein Kulturnetz in Westfalen-Lippe aufgebaut. Zu diesem nen. Maßgeblich gefördert wird die Kulturagenda von der zählen unter anderem insgesamt „17 Museen, sechs LWL-Kulturstiftung, der Kulturstiftung der Westfälischen wissenschaftliche Kommissionen zur landeskundlichen Provinzial-Versicherung und der Sparda-Bank.

123 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse Karte der Pilotplanungsprozesse in Westfalen-Lippe, Quelle: Geographische Kommission für Westfalen.

Die Kulturagenda Westfalen 50.000 Einwohner) und vier mittlere Städte (50.–100.000 Die Kulturagenda Westfalen wird als ein Kommuni ka - Einwohner) sowie eine Großstadt beteiligt sind. tionsprozess bezeichnet, in dem möglichst viele Kultur- Die Kreise Höxter (circa 96.000 Einwohner) und Olpe (circa akteure, Künstler, Kulturschaffende und Kulturanbieter, 135.000 Einwohner), die Kleinstadt Freudenberg (rund Vereine, Verbände und Netzwerke, Verantwortliche in 18.000 Einwohner) und die Mittelstädte Lippstadt (circa Politik und Verwaltung, Kulturförderer und -partner und 66.000 Einwohner), Hattingen (circa 54.000 Einwohner) und Kulturinteressierte in ganz Westfalen-Lippe gemeinsam Witten (circa 96.000 Einwohner), die Großstadt Hagen eine Vision und konkrete Ziele für die Entwicklung von (circa 186.000 Einwohner) sowie die kooperierenden Kunst und Kultur in der Region erarbeiten (s. S. 8ff.). Mittelstädte Ahlen (circa 51.000 Einwohner) und Beckum (circa 36.000 Einwohner) und das Kooperationsprojekt Eine zentrale Maßnahme dieser Agenda ist die Erstellung „Oben an der Volme" mit den Kleinstädten , , von Kulturplanungen in Kommunen. Initiiert vom Projekt Schalksmühle, (circa 16.500, 16.000, 10.000, „Kultur in Westfalen“, wurde die Idee einer Kulturentwick- 20.000 Einwohner) sind die Pilotkommunen und haben lungsplanung für Westfalen-Lippe auf der Westfälischen Kulturplanungsprozesse durchgeführt beziehungsweise Kulturkonferenz 2011 erstmals thematisiert. Die Über - begonnen (s. S. 41ff.). legung im Rahmen der Kulturagenda in Städten, Gemein- Hinzu kommt, dass nicht neun exakt gleiche Planungen den und Kreisen exemplarisch Kulturplanungen zu för- entstehen, sondern sie sollten – trotz der Berücksichti- dern, führte zu einer groß angelegten Aktion, durch die gung der jeweiligen Rahmenbedingungen vor Ort – einen neun Kulturplanungen in Westfalen-Lippe entstehen, gewissen Modellcharakter aufweisen und anderen Kom- an denen insgesamt zwei Kreise, sechs kleinere (bis munen ein Beispiel sein können. So gibt es zwei Planun-

124 Die Kulturagenda Westfalen gen, die den Bereich Kinder- und Jugendkulturentwick- Pilotcharakter lung fokussieren. Eine davon ist eine Zusammenarbeit Seit den 1990er-Jahren gab es immer wieder größer zweier Kommunen (Ahlen und Beckum), die andere wird angelegte Projekte zur zeitgleichen Erstellung mehrerer auf Kreisebene erstellt (Olpe). Eine weitere Planung kultureller Planungen. In der Herangehensweise ist der (Höxter) zielt auf die etwas anderen Erfordernisse bei Ansatz in Westfalen-Lippe jedoch ein Novum. einer umfassenden Planung in einem Kreis ab. Dann gibt Es gab Mitte bis Ende der 1990er-Jahre in Brandenburg es vier kleinere Städte, die eine Planung im Verbund er - ein Projekt „KEP – Kultur erhält Priorität“, in dessen Zu- stel len (Schalksmühle, Kierspe, Meinerzhagen und Hal- sammenhang noch weit mehr Planungen in Kommunen ver). Einzelplanungen erstellen die Mittelstädte Lippstadt, und Verbänden zeitgleich erstellt wurden und auf denen Witten, Hattingen sowie die Kleinstadt Freudenberg und eine Landeskulturentwicklungskonzeption aufbaute. Auch die Großstadt Hagen. Dadurch entsteht eine Vielfalt an un- im Rahmen der Einführung des Kulturraumgesetzes in terschiedlichen Planungen entsprechend der spezifischen Sachsen wurden Planungen Pflicht, die allerdings mehr Rahmenbedingungen. den finanziellen Aspekt im Fokus hatten. Im Land Thü- Derzeit sind bereits Ergebnisse von fünf Prozessen zur ringen gibt es nunmehr ebenfalls einen Auftrag, in zwei Beratung und Beschlussfassung in die Politik eingebracht Modellregionen kulturelle Planungen zu erstellen. Dieser worden. Mit der Umsetzung wurde in einigen Kommunen Prozess soll bis zum Herbst 2014 abgeschlossen sein. schon begonnen, andere wie die Großstadt Hagen sind Auch in Sachsen-Anhalt läuft derzeit ein entsprechender noch ziemlich am Anfang des Planungsprozesses. Planungsprozess. Zudem sind auf Bundeslandebene zum Beispiel Niedersachsen oder die Stadtstaaten zu nennen. Diese Planungen sind ein essenzieller Teil der Kultur- Aber eine solche Form der nahezu zeitgleichen Erstellung agenda Westfalen. Es geht dabei nicht nur, aber auch um in Verbindung mit einem gleichen Ansatz hat es noch nicht die Vernetzung von Kulturschaffenden, Kulturvereinen gegeben. und -verbänden, Künstlerinnen und Künstlern sowie För- Es gab und gibt zudem eine Vielzahl von kulturellen derern. Die Kulturarbeit der Region soll verbessert und Planungen von Großstädten, Mittel- und Kleinstädten neu positioniert werden können. Man erwartet wichtige sowie Landkreisen. Kulturplanungen sind derzeit wieder Impulse für die Kulturarbeit, mehr Aufmerksamkeit und einmal „in“. Die Kulturagenda Westfalen ist also auf der eine bessere Außendarstellung der Region insgesamt. Höhe der Zeit.

Natürlich stehen Kooperationen und Synergien im Fokus. Das, was derzeit in Westfalen-Lippe durchgeführt wird, ist Die Planungen gehören zum Entwicklungsstrang „Kultur- in Teilen neuartig und gerade methodisch sehr interes- planung“ der Kulturagenda Westfalen. Dieser hat zum Ziel sant. Nämlich zum einen deswegen, weil die von Kultur- möglichst viele Kulturplanungen und kulturpolitische berater Reinhart Richter konzipierte Vorgehensweise Diskurse in Kommunen, Einrichtungen und Organisa - auch auf andere Bereiche übertragbar ist. Es werden zwar tionen zu initiieren und zu fördern sowie Synergien her - wahrscheinlich keine Kulturentwicklungspläne im her- zustellen beziehungsweise zu nutzen. Neben der kon - kömmlichen Sinne mit dezidierten Angaben herauskom- kreten Hilfe in den Pilotkommunen und der Chance sich men, aber die eigentliche Aufgabe, nämlich die Verbes - als Beobachter einbinden zu lassen, werden im Internet serung der kulturellen Infrastruktur, wird sehr gut umge- unter „www.kulturkontakt-westfalen.de“ Informationen setzt. Es liegen zwar noch nicht alle Planungen schriftlich unter „Hilfe für Kulturplanung“ bereitgehalten, die es fixiert vor und die Umsetzung hat kaum begonnen, aber auch anderen Interessierten leichter ermöglichen sollen, was angestoßen wurde und angegangen wird, ist ins - selbst eine Planung zu initiieren und durchzuführen. gesamt sehr beeindruckend.

125 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse Zum anderen gibt es in den Pilotkommunen im Vergleich ders zu nennen. Gemeinsame Kulturadressverzeichnisse zu anderen Planungen dieser Art in Deutschland eine ins- oder programmatische Schwerpunktsetzungen sind hier gesamt hohe, aktive Bürgerbeteiligung. Dazu gehört auch sehr hilfreich und zukunftsweisend. die große Offenheit im Prozess, denn schließlich konnten und können alle Interessierten mitwirken – alle Konfe- renzen sind grundsätzlich öffentlich – und vieles aus den 3 / Prozessen heraus wird im Internet veröffentlicht. METHODIK ...... Und schließlich hat die Einführung von einem Beobach- terwesen echten Pilotcharakter und sie ist damit auch Die Methode, die der Kulturberater Reinhart Richter kon- für die Methodik insgesamt sehr interessant. Die rund zipierte (s. S. 150ff.), ist in dieser Form neu und im Kultur- 20 Beobachterinnen und Beobachter (s. S. 18) sind Inte- planungsbereich in so großem Maßstab auch noch nicht ressierte aus anderen Kommunen oder von Verbänden angewandt worden. Es ging darum, in kurzer Zeit unter und Vereinen. Es werden sicherlich Folgeprozesse durch Mitwirkung möglichst vieler Akteure Ergebnisse zu erzie- diese Beobachter entstehen oder deren Teilnahme war len, die in den Pilotkommunen Westfalen-Lippe und zur hilfreich bei eigenen aktuellen Planungen. Aus Sicht des Profilbildung durch Kultur und Stärkung der Kultur einen Kulturberaters war deren Mitwirkung sehr erfolgreich, großen Beitrag leisten können. Eine sehr diffizile und an- besonders dann, wenn sie Moderationsaufgaben in den spruchsvolle Aufgabe, die auf eine sehr interessante Art beobachteten Prozessen übernommen haben. Die dem und Weise umgesetzt wurde. Verfasser vorliegenden Rückmeldungen von Beobachtern sind ebenfalls positiv. Folgende fünf Arbeitsschritte wurden überall angegangen: Wie muss man sich das mit der Beobachterfunktion vor- 1. Weltcafé: stellen? Die Beobachter erhalten vertiefte Einblicke in die Bestimmung der gesellschaftlichen Entwicklungen, gewählte Methodik und nehmen an den Veranstal tungen die in Zukunft die Rahmenbedingungen für Kultur- zum Planungsprozess teil, teils sogar mit Aufgaben. In politik beeinflussen können. Bad Oeynhausen etwa wurde parallel ein Kulturentwick- 2. SWOT-Analyse: lungsplan erstellt, wofür die Teilnahme am Pilotprozess Bestimmung der Stärken, Schwächen, Chancen, in Lippstadt hilfreich war. „Die Beobachterfunktion hat viel Risiken gebracht“, sagte Dr. Marion Jacob2, die für die dortige Kul- 3. Visionskonferenz: turplanung zuständige Fachbereichsleiterin. Sie konnte Erarbeiten einer Vision feststellen, dass die Probleme in anderen Kommunen 4. Zielkonferenz: ähnlich gelagert sind: „Ich habe dadurch die Sicherheit Ableitung von Leitlinien, strategischen Zielen für unsere laufende Planung erhalten, auf dem richtigen 5. Offene Werkstatt: Weg zu sein.“ Erarbeiten von Prioritäten, operativen Zielen, Maßnahmen und Projekten Eine weitere Pilotfunktion nimmt der Gesamtprozess hin- sichtlich überörtlicher Vernetzung und Kooperation ein. Die Ergebnisse werden in den Kulturverwaltungen vertie- Die Beispiele der vier zusammen arbeitenden Kleinstädte fend bearbeitet und aufbereitet. Diese erarbeiten auch die „Oben an der Volme“ oder etwa von Ahlen und Beckum in Dokumentation des Prozesses, zum Beispiel als Vorlage einer Jugendkulturentwicklungsplanung sind hier beson- für den jeweiligen Kulturausschuss.

2 Telefonische Antwort am 15.1.2014.

126 Die Kulturagenda Westfalen Einer der bedeutungsvollsten Schritte für eine zukunfts- 4 / gerichtete Planung liegt in der Analyse der kulturellen STÄRKEN UND SCHWÄCHEN Stärken und Schwächen einer Stadt, Gemeinde, Region IM GESAMTPROZESS oder eines Landesteils. Das hört sich so simpel an, ist ...... aber von wesentlicher Bedeutung. Sehr, sehr häufig kommt es vor, dass das, was man vor Ort hat, als selbst- Schwächen verständlich empfunden wird, schon wenige Kilometer „Es gibt keinen perfekten Prozess!“, sagte ein beteiligter weiter aber vielleicht gar nicht mehr bekannt ist. Erst eine Künstler in einem Telefoninterview. Das trifft natürlich zu. Beschäftigung damit lässt Rückschlüsse und Analysen zu. Je größer die Gesamtprozesse, desto vielschichtiger sind Die überall angewandte SWOT-Methode steht für die eng- Schwächen, die auch in diesem Prozess vorhanden waren. lischen Begriffe strengths, weaknesses, opportunities and Nachfolgend können jedoch nicht einzelne Schwächen in threats, also Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken, den jeweiligen Pilotplanungskommunen hervorgehoben die es herauszuarbeiten gilt. Diese oft in der Wirtschaft werden, sondern es geht vielmehr insgesamt um die eingesetzte Methode zielt auch darauf ab, sich mit den übergeordneten Schwachstellen. eigenen Aktivitäten und Besonderheiten im Wettbewerb zu positionieren. Als größter Schwachpunkt ist vor allem zu nennen, dass In einer Visionskonferenz geht es darum, sich erst einmal die Beteiligung der Politik oft hinter den Erwartungen zu- ohne „Schere im Kopf“ über einen Wunschzustand im rückblieb, teils sogar sehr vermisst wurde. Es wurden Klaren zu werden. „Wie wünschen wir uns die Zukunft moderne Arbeitsmethoden angewandt, um gemeinsam der Kultur in der Stadt xy?“ Es geht aber auch darum, zu mit Bürgerinnen und Bürgern und möglichst allen Inter - klären und deutlich zu machen, was gemeinsam erreicht essenvertretern Ziele für eine Stadt, mehrere Städte oder werden kann. Ein entsprechendes Leitbild wird jeweils einen Kreis zu erarbeiten. Warum die Beteiligung seitens schriftlich erstellt. der Politik insgesamt dann doch gering war (zum Teil Die Zielkonferenz hat, wie der Name schon sagt, die auch anders als schriftlich vereinbart) müsste noch re- Aufgabe, strategische Ziele zu postulieren. Diese geht in cherchiert werden. der Regel von der zuvor erstellten Vision aus. Sicherlich sind Landräte und Bürgermeister terminlich Die „offene Werkstatt“ stellt den letzten gemeinsamen anders getaktet, als dass sie so intensive Prozesse kom- Arbeitsschritt dar. Bei diesem werden Vorschläge für die plett begleiten könnten. Aber das gilt nicht für die anderen Verwirklichung der Ziele gesammelt, diskutiert und be - Politikerinnen und Politiker, die dem Prozess oft fern- arbeitet. blieben oder diesem nur temporär beiwohnten bezie- hungsweise ihn nicht durchgängig begleiteten. Politik und Was sich hier in der verkürzten Form so leicht anhören Bürgerschaft hätte hier gemeinsam noch mehr erreichen mag, bedarf viel Arbeit und Vorbereitung für alle Beteilig- können! ten. Das war schon auch ein Kraftakt! Hier kann man festhalten, dass damit teilweise große Chancen vertan wurden. Ein ehrenamtlich im Kulturbe- reich Tätiger sagte, dass man selbst ja auch ehrenamtlich und auf eigene Kosten an dem Prozess teilgenommen habe. Könne man das dann nicht auch von den Politikerin- nen und Politikern erwarten? Allerdings soll hier nicht der Eindruck entstehen, die Politik wäre ganz außen vor gewesen. Das wäre eine fal- sche Interpretation, aber der Anteil der mitwirkenden Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker war, von

127 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse Ausnahmen abgesehen, insgesamt eher gering und dem Ganz interessant ist die Beurteilung der Planungsdauer. großen Prozess nicht an gemessen. Von vielen Beteiligten War für einige der Planungszeitraum zu kurz, so wurde er wurde genau das entsprechend dargestellt, wie folgende von anderen als zu lang empfunden und von wieder ande- Beispiele zeigen: ren als genau richtig. Aus der Erfahrung früherer Kultur- „Schwachstelle ist der Umstand, dass die Politik im planungen, die nicht selten zwei Jahre und länger dauer- Rahmen des Planungsprozesses fast vollständig außen ten, wird man aus heutiger Sicht die Dauer des Planungs- vor geblieben ist. Dies kann selbstverständlich auch um- prozesses von sechs bis zwölf Monaten als sehr sinnvoll gekehrt als Positivum gewertet werden.“ erachten. Früher scheiterten viele Planungen am Wechsel „Die Parteien waren sehr engagiert, aber der Bürgermeis- von Entscheidungsträgern während des Prozesses oder die ter ist nur einmal kurz zu einem Alibibesuch gekommen!“ Mitwirkenden hatten nicht den notwendigen langen Atem. „Die Beteiligung der Kulturausschussmitglieder war nicht so intensiv wie vereinbart.“ Ein ganz anderes Problem, mit dem insbesondere noch „Es waren zu wenige Politiker beteiligt, oft je Fraktion sehr viele Verwaltungen „zu kämpfen“ haben, ist die feh- „nur“ eine Person und das auch nicht regelmäßig!“ lende Einbeziehung von Social Media. Das wird vor allem da offenkundig, wo es darum geht, in Kinder- und Jugend- Häufig kam es im Rahmen des mehrstufigen Planungs- kulturentwicklungsplanungen diese Zielgruppe einzu - prozesses zu einer Reduzierung der Mitwirkenden. Das beziehen. Mit Zeitungsaufrufen ist da nichts zu wollen. ist jedoch nicht so ungewöhnlich, denn viele wollen erst Es konnten nicht alle Zielgruppen so erreicht werden, wie einmal nur hören und mitbekommen, um was es über- man sich das gewünscht hatte; das gilt etwa auch für das haupt geht. Wenn der Arbeitsaufwand dann deutlich wird, Erreichen von Menschen mit Migrationshintergrund. schätzen einige Menschen die Art ihrer Beteiligung wieder anders ein und bleiben dem weiteren Verlauf fern. Ein Als weiterer Punkt ist aufzuführen, dass die meisten be- aktives Sich-Einbringen erfordert einfach einen erhebli- ziehungsweise bislang vorgelegten Planungen keine um- chen persönlichen Aufwand und eine entsprechende fassenden Kulturentwicklungsplanungen im herkömm- Selbstmotivation. Auch wenn aus Sicht mancher Beteilig- lichen Sinn sind, sondern eher Masterpläne darstellen ter die Zahl der Mitwirkenden selbst als zu niedrig ein - beziehungsweise den Planungsverlauf dokumentieren. gestuft wurde, so darf man doch – vor allem im Vergleich zu anderen größer angelegten Kulturplanungsprozessen Hagen und Witten sollten ursprünglich eine gemeinsame – hier insgesamt von einer regen Beteiligung sprechen. Planung erstellen, nicht zuletzt weil beide Städte bereits zusammenarbeiten. Das funktionierte jedoch aus mehre- Eine weitere Schwäche aus Sicht der Beteiligten war das ren Gründen nicht. Die Folge war die „Halbierung“ der große Engagement, das nötig war. Das gilt nicht nur für Beratung und damit eine fehlende Kontinuität. Auch wenn die Ehrenamtlichen, sondern auch für die Mitarbeiterin- interkommunale Zusammenarbeit ein zeitgemäßes „Zau- nen und Mitarbeiter der Verwaltungen, die die Zusatzauf- bermittel“ für viele anstehende Probleme zu sein scheint gaben sozusagen nebenbei leisten mussten und von und wahrscheinlich auch ist, so müssen die Partner doch denen ebenfalls ein außerordentlicher Einsatz erwartet freiwillig zusammenkommen. wurde. Die eine oder andere Pilotkommune hatte viel- leicht auch insgeheim erwartet, einen kostenlosen und Ein ganz generelles Problem stellt die Personal- und ohne Aufwand zu erstellenden Kulturentwicklungsplan Finanzknappheit bei den Kommunen dar, die, selbst wenn von einem Dritten erstellt zu bekommen und dann den sie im Kulturbereich investieren wollen, das nicht so eigenen Arbeitsaufwand unterschätzt. Einer ganzen Reihe ohne weiteres können (Schuldendruck, Auflagen der von Beteiligten war schlicht der Zeitaufwand zu groß, zu- jeweiligen Aufsicht etc.) und auch beim Personal an mindest im Nachhinein wird das von einigen so postuliert. Grenzen kommen.

128 Die Kulturagenda Westfalen Schließlich gibt es noch ein ganz allgemeines Problem: lichen bei den einzelnen Planungsschritten einzuplanen generelle Verteilungskämpfe. Man kann in Deutschland war, wird als Schwachpunkt gesehen. Dies trifft insbe - schnell den Eindruck gewinnen, dass, wer zwei Mal von sondere auf Veranstaltungen an einem Samstag, wie zum der öffentlichen Hand für ein Projekt gefördert wurde, Beispiel die Visionskonferenz, zu, für die ein Zeitrahmen davon ausgeht immer wieder gefördert zu werden. von sechs Stunden einzuplanen war.“ (Oben an der Volme) Der zur Verfügung stehende Etat, insbesondere die so - In dieser Vier-Städte-Kooperation wird auf noch ein ande- genannte „freie Spitze“, ist auf diese Weise schnell auf- res Problem hingewiesen: die Kommunikation. „Eingebun- gebraucht. Allerdings ertappen sich auch manche Kultur- den sein in den Prozess sollten neben den Kulturschaffen- verwaltungen dabei, nach gleichen Denkschemata vor- den und Kulturakteuren der Region auch die Jugendlichen zugehen, um demjenigen, der schon einmal gefördert und Migranten. Hier hat sich gezeigt, dass zu jeder Veran- wurde, immer wieder zu fördern. staltung eine persönliche Ansprache sinnvoll war“. Das Förderverfahren insgesamt zu verändern und etwa „Ich hätte mir eine stärkere Beteiligung junger Menschen Qualitätsansprüche als Voraussetzung zu stellen oder die als Zielgruppe und mehr Unterstützung beziehungsweise Förderung jährlich neu zu entscheiden und auch noch zu Interesse der Schulen gewünscht. Eine Schwachstelle war differenzieren nach Einrichtungen sowie entsprechend möglicherweise dabei die Kommunikation im Planungs- der primären Ziele, stellt eine echte Herausforderung dar. prozess beziehungsweise die Öffentlichkeitsarbeit. Fest- Diese sollte man aber nicht als Schwäche, sondern letzt- zustellen war, dass junge Leute heute nicht (mehr) über lich als Stärkung sehen. Die Verteilungskämpfe, manch- Printmedien erreicht werden, sondern verstärkt soziale mal sind es auch „Grabenkämpfe“, spielen sich immer Netzwerke für Information und Kommunikation bevorzu- dann ab, wenn sich vermeintlich Arrivierte neuen Zielen gen. In dem Zusammenhang war auch der Begriff „Kin- und „Konkurrenten“ stellen müssen. der- und Jugend-Kulturentwicklungsplan“ nicht anspre- chend genug, um Kinder und Jugendliche zur Mit wirkung Insgesamt spiegeln die eher zurückhaltend formulierten zu gewinnen. Dennoch haben einige engagierte junge Schwächen aus Sicht der Befragten einen Teil der Leute an den Veranstaltungen teilgenommen.“ (Kreis Olpe) Schwächen wider: Auch in Lippstadt wurde das Problem zwar erkannt, aber Im Kreis Höxter hieß es beispielweise: „Wesentliche man konnte es nicht wie gewünscht lösen: „Wir haben Schwachstellen konnten wir nicht aus machen. Für un- uns vorgenommen die Social Media zu nutzen, das hätte sere Politiker im Kreistag und im Fachausschuss Kultur tatsächlich noch intensiver und regelmäßiger passieren war es natürlich etwas Neuland, dass Entscheidungen können, scheiterte aber an Personalkapazitäten.“ im Wege einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung durch- geführt wurden und ihre Beteiligung in mehreren Work- Unabhängig von diesem Fall gibt es auch generell nicht shops erforderlich wurde.“ immer die gleichen Voraussetzungen für eine Planung. Ähnlich liest sich das in Lippstadt: „Von einem ernsthaft Die Akteure vor Ort und deren jeweiliges Miteinander spie- negativen Moment können wir nicht berichten. Der offene len grundsätzlich eine entscheidende Rolle dafür, ob man und öffentliche Prozess hat bei einigen wenigen Betei- gut und effektiv zusammenarbeitet oder nicht. ligten zu Ängsten und Vorbehalten gegenüber dem Als problematisch wurde hier und da auch eine Schwie- Planungsprozess geführt, die in Ansätzen auch öffentlich rigkeit bezüglich der Terminierung geäußert, wie etwa diskutiert wurden. Das hat die Wahrnehmung des Prozes- Termine in den Ferien oder nach Brückentagen sowie zu ses durch die Öffentlichkeit zeitweilig verzerrt. Ich denke viele Termine zum Ende des Planungsprozesses. allerdings, dass dies nicht vermeidbar war und so aus Einzelnennungen zu Schwachpunkten erfolgten zudem Sicht der Vorbereitenden keine Schwachstelle war, die zum Thema „Feedback der Teilnehmenden/Öffentlichkeit hätte durch gute Vorbereitung vermieden werden können.“ auf die Veröffentlichungen“ und der Hinweis auf zu wenige „Der große Zeitaufwand, der auch von den Ehrenamt - Teilnehmende ohne Partikularinteressen.

129 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse Auch aus Sicht der Projektleitung gibt es im Nachhinein anderen Kommunen echte Stärken auf, die man dann erkannte Schwächen oder Verbesserungsmöglichkeiten. auch selbstbewusst darstellen kann. So hätte man dort den Prozess lieber noch länger ge- streckt und Prozesse zeitversetzt in Gang gesetzt. Die Aus - Die Bürgerbeteiligung ist eine große Stärke! Wie zuvor sage „Wir konnten nicht alle erreichen“ ist ein ergän- bereits dargestellt, ist diese im Vergleich zu anderen zender Hinweis. Auch der aus heutiger Sicht als sinnvoll Planungsprozessen im Kulturbereich als insgesamt gut erachtete Wunsch, dem Projekt ein Jahr Vorlaufzeit einzustufen! zu geben, alleine um es in noch mehr Gremien mit Multiplikatorenfunktion vorzustellen und durch weitere Ein großes Lob gab es von sehr vielen Beteiligten für die Maßnahmen im Vorfeld noch mehr bekanntzumachen, Atmosphäre bei den Konferenzen! Hier ist es gelungen, geht in diese Richtung. Eventuell wäre auch ein noch grö- eine kreative Stimmung zu erzeugen und die Teilnehmen- ßeres Beraterteam sinnvoll gewesen. Schließlich wurde den einzubinden sowie zu Ergebnissen zu kommen. der Bereich Kommunikation genannt, der sowohl intern wie auch extern als verbesserungsfähig angesehen wird. Die Dynamik des Prozesses ist ein weiteres Plus. Einige Man hätte sich insbesondere mehr Zeit für die Pflege des Teilnehmende haben bestimmte Ideen aus dem Prozess Internetauftrittes gewünscht, was aber im Rahmen der aufgegriffen und arbeiten mit kleinen Untergruppen personellen Ressourcen nicht möglich war. daran, teilweise völlig unabhängig vom Gesamtprozess. Menschen mit unterschiedlichen Stärken kommen zur Die aufgezeigten Schwächen müssen ernst genommen Erreichung eines Zieles zusammen oder forcieren Vernet- werden und da, wo man derzeit noch ansetzen kann, sollte zungen zum gegenseitigen Vorteil. man das auch tun. Viele der genannten Probleme gehen jedoch nicht von dem Kulturplanungsprozess selbst, son- Insgesamt kommen Kooperationen und Vernetzungen in dern eher von allgemeinen Rahmenbedingungen oder einem bisher so nicht gekannten Ausmaß zustande be - fehlenden personellen Ressourcen aus. ziehungsweise entwickeln sich. Um das zu verdeutlichen, sei auf ein Beispiel aus Hessen geschaut. Eine Sammlung Für einen so groß angelegten Planungsprozess sind die im Internet aller bisher gespielten Stücke der Amateur- genannten Schwachpunkte insgesamt eher überschaubar. theatergruppen in einer Region bietet Theatergruppen die Chance, sich bei anderen Gruppen über diese Stücke zu informieren. Sie können wichtige Fragen stellen: „Wo habt Stärken ihr gekürzt? Welche Requisiten habt ihr genutzt? Könnt Wenn es einerseits Schwächen gibt, dann gibt es ande- ihr uns noch Requisiten zur Verfügung stellen? Welcher rerseits meist auch Positives zu berichten. So ist das auch Theaterverlag bietet sich an? Könnte jemand von euch für in diesem Fall. eine zweite Besetzung zur Verfügung stehen? Wie viele Aufführungen habt ihr gemacht? Wie war die Publikums- Wenn man in einer Kommune lange lebt oder dort sogar resonanz? Wo kann ich eine Rokoko-Perücke ausleihen?“ groß geworden ist, besteht immer die Gefahr, dass man und vieles andere mehr. Diese einfachen Fragen in nur Scheuklappen bekommt, Scheuklappen im Hinblick auf einem einzigen Teilbereich zeigen bereits auf, wie wertvoll die Stärken und Schwächen vor Ort. Wenn etwa das eine Vernetzung für Kulturakteure sein kann, die überört- Museum schon immer da war und auch schon immer gut lich, auf Kreisebene oder auf Westfalenebene implemen- war, fällt es schwerer die Qualität richtig einzustufen als tiert wird. Das ist zwar überhaupt nichts Weltbewegendes! wenn man es das erste Mal aufsucht. Die Selbsterkennt- Aber es ist für die Akteure eine sehr sinnvolle und deutlich nis über Schwächen und Stärken schärft den Blick, macht effektivere Hilfe als etwa ein einmaliger Zuschuss in Höhe Defizite deutlich, zeigt aber zum Beispiel im Vergleich mit von 200 Euro!

130 Die Kulturagenda Westfalen Weitere Stärken sind, dass interkommunales Denken im „Die Zusammenarbeit war sehr konstruktiv und durch die Bereich der Kultur vorankommt und die Kultur zudem in Hilfestellung des LWL und des Planers zielfördernd.“ andere Bereiche eingebunden wird, zum Beispiel Wirt- (Oben an der Volme) schaft, Demografie, Tourismus, Stadtentwicklung. „Wir können uns für diese Zusammenarbeit nur wirklich Nicht nur die kulturpolitische Diskussion nimmt in West- mehr als bedanken“, schrieb eine Mitwirkende aus Lipp- falen-Lippe und besonders in den Pilotkommunen zu, stadt in Bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Projekt- sondern auch die Qualität der Diskussion. team und dem Berater. Und eine andere Mitwirkende aus Auch außerhalb der Großstädte wird die Kulturarbeit der gleiche Stadt betonte, dass Richter das alles sehr, durch diesen Prozess ernst genommen! sehr gut gemacht habe und er mit Herzblut dabei ge- Und schließlich gab es bei den Pilotkommunen eine Reihe wesen sei! „Mein stärkster Eindruck zur Kulturentwick- positiver Signale. Begriffe wie „Aufbruchstimmung“ und lungsplanung in Lippstadt im Nachhinein ist die Atmo- „Identifikation“ sind in diesem Zusammenhang zu hören. sphäre während der Konferenzen. Schon da hat sich vieles Das ist gerade im Hinblick auf das bereits erwähnte entwickelt – in den Köpfen der Teilnehmer, in der eigenen „Damoklesschwert demografische Entwicklung“ von sehr Einstellung und der Einstellung zu den anderen Teilneh- großem Wert. mern. Man hat die Kulturszene innerhalb der eigenen Stadt in kürzester Zeit vor sich auferstehen sehen, hat Ge- Durch die Pilotplanungsprozesse und die weiteren Hilfe- sichter zu bekannten Institutionen kennengelernt und un- stellungen gab und gibt es in Westfalen-Lippe Vorteile bekannte Kultureckpunkte Lippstadts bewusst wahrge- für viele Kommunen. Auch wenn ein paar Städte, die zeit- nommen. Schon da fing die Vernetzung an. Beeindruckt gleich und unabhängig von der Kulturagenda Westfalen hat mich die Of fenheit, Ehrlichkeit und Arbeitsbereitschaft kulturelle Planungen erstellen, den Einfluss des Gesamt- der Anwesenden. Ebenso war ich überrascht von der prozesses als eher gering ansahen, haben andere das Ebenbürtigkeit der unterschiedlichen Instanzen wie Stadt- sehr positiv beurteilt. Vor allem aus der Gruppe der verwaltung, Politik, Kultureinrichtungen sowie der Privat- Beobachter werden vielfältige Chancen gesehen. personen. Die Veranstaltungen waren von einer angeneh- Die Übernahme eines hohen Kostenanteils durch den men, kreativen Dynamik durchzogen, von der ich mir in LWL beziehungsweise die LWL-Kulturstiftung, die Sparda- Zukunft wünsche, dass sie weiterhin treibende Kraft Bank und die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial- bleibt!“ (Vereinsvertreterin und Künstlerin, die am Prozess Versicherung hat es vielen Kommunen überhaupt erst in Lippstadt mitwirkte). Sie habe an sechs Konferenzen möglich gemacht, an diesem Prozess teilzunehmen. teilgenommen, auf denen man ernst genommen wurde, Diese Investition ist insbesondere ein Vorteil für die Pi- egal ob man mit Dreadlocks oder im Anzug erschien. Das loten, strahlt aber auch ins Land beziehungsweise alle Schöne und Positive an diesem Zitat sind nicht allein die Interessierten in Westfalen-Lippe haben die Chance, Aussagen, die auf den Ablauf positive Rückschlüsse zu- daran zu partizipieren. lassen, sondern vielmehr die Tatsache, dass es sich hier um jemanden handelt, die sich ehrenamtlich engagiert Unter den Positiva wird auch von so gut wie von allen die hat. So wie hier ist es an ganz vielen Stellen gelungen, besondere Rolle des Beraters Reinhart Richter und die Barrieren zwischen Politik, Verwaltung und Kulturakteu- Zusammenarbeit mit dem Projektteam beim LWL hervor- ren abzubauen. Allein das ist schon ein sehr großes Plus gehoben. Hoch gelobt wird Richter vor allem für seine des Planungsprozesses. Zielstrebigkeit, sein Erfahrungswissen, seine Freundlich- keit und Effizienz sowie das Herstellen einer konstruk tiven Auch insgesamt wird das methodische Herangehen sehr Arbeitsatmosphäre. Damit hat er optimal zu dieser Art gelobt, wie etwa folgendes Beispiel zeigt: „Die Form der Prozess gepasst. Die nachfolgenden Zitate bestätigen Bürgerbeteiligung in einem Planungsprozess war für die ausschnittsweise die zuvor formulierten Aussagen. Beteiligten eine neue Erfahrung, die sehr positiv auf -

131 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse genommen wurde. Die Veranstaltungen hatten eine an- Dieser Ansatz diente natürlich insgesamt sehr dem Ver- genehme und von gegenseitiger Wertschätzung geprägte netzungsaspekt, so durfte man speziell in diesem Bereich Atmosphäre, die Teilnehmer/-innen haben sich inter - entsprechende Rückmeldungen erwarten. essiert, aktiv und konstruktiv eingebracht. Das Kennen - lernen und der Erfahrungsaustausch untereinander Interessant wird es dann noch, wenn es sich um einen wurden von vielen besonders begrüßt.“ (Kreis Olpe) interkommunalen Ansatz wie „Oben an der Volme“ han- „Außerordentlich gut gelaufen ist der Umstand, dass delt: „Dieser Pilotplanungsprozess hat die Entwicklung sich zu den Workshops eine erhebliche Anzahl (50 bis der gemeinsamen Kulturszene, das Kennenlernen der 60 Personen) einfanden, was auch dazu geführt hat, dass Kulturakteure sowie den Aufbau eines Netzwerkes in in der Politik eine gewisse Aufmerksamkeit erzeugt den vier Kommunen entscheidend nach vorne gebracht wurde“, so die Erfahrungen in Freudenberg. und den Weg für einen noch zu erstellenden Kulturent- Aus dem Kreis Höxter gibt es ebenfalls Positives zu be- wicklungsplan für die Region geebnet. Ein gemeinsamer richten: „Es ist insbesondere sehr gut angekommen, dass Veranstaltungskalender konnte bereits installiert werden der Prozess für alle Interessierten offen war und jeder über die Homepage www.oben-an-der-volme.de.“ gleichberechtigt seine Position einbringen konnte. Zudem „Super Sache! Insgesamt ein positiver Prozess mit ganz haben sich im Rahmen der Workshops viele Kulturschaf- kleinen Abstrichen!“ (Udo Tschorn, Künstler) fende im Kreis Höxter erst richtig kennengelernt und „Ich bin sehr froh, dass der Prozess nicht nur auf große sorgten für einen regen Austausch unter den Beteiligten.“ Städte beschränkt ist“ (Dr. Wolfgang Daum, Steinbild- Aus Hattingen werden stichpunktartig positive Erfahrun- hauer im Kreis Höxter) gen vermittelt: „Gut gelaufen ist die Kooperation mit dem LWL-Industriemuseum Henrichshütte vor Ort (Technik, Der Berater Reinhart Richter selbst stellte fest, dass gesamte Organisation, gemeinsame Pressearbeit), der ein solches Vorhaben „der Wunschtraum eines Kultur- Teilnehmerzuspruch (es haben sich viele Vereine und entwicklungsplaners“ sei. „Ich bin überzeugt davon, dass Gruppierungen beteiligt), einige Bürgerinnen und Bürger es heute besonders notwendig ist, die Kompetenzen, sind zu allen Terminen erschienen. Ferner die offene und Erfahrungen und Potenziale möglichst vieler Menschen, kooperative Atmosphäre zwischen allen Beteiligten (Poli- gesellschaftlicher Gruppen und Unternehmen in die tik, Verwaltung, Bürgerinnen und Bürger, Kulturaktive) Zukunftsentwicklung der Kultur verantwortlich einzu- und als größter Nutzen wird die Kommunikationsbereit- beziehen. Daher sind die für die Kulturagenda konzipier- schaft gesehen, wodurch neue und spannende Kenntnisse ten offenen Kulturplanungsprozesse eine wichtige Mög- und Ideen im Rahmen der Visionskonferenz und der lichkeit, den gesellschaftlichen Stellenwert der Kultur SWOT-Analyse gewonnen werden konnten, zum Beispiel zu stärken, neue Potenziale zu erschließen, die kultur - durch die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger.“ politische Kommunikation und Kooperation zwischen Ebenso werden die Prozessbeteiligung und die Beglei- Kulturakteuren, Verwaltungen und Politik zu verbessern. tung vor allem durch die Politik gesehen: „Die Politik war In einem Zeitraum von zwei Jahren für unterschiedliche immer mit im Kultur-Boot“, so die Sicht aus Hattingen. kommunale Situationen und Planungsformen so zahl - Erstaunlich viele Ergebnisse sind in Lippstadt erarbeitet reiche Erfahrung zu sammeln und sich darüber auszu- worden; es wundert also nicht, dass das bisherige tauschen war eine besondere Chance.“ Resümee dort positiv ausfällt: „Die ‚Kulturszene‘ in Lipp- Auch sein Konzept sieht er gut umgesetzt: „Der gesell- stadt ist durch die fünf Veranstaltungen deutlich inten- schaftliche Stellenwert der Kultur hat sich überall siver vernetzt und es ist eine Aufbruchsstimmung zu gesteigert. Viele Menschen übernehmen auf der Grund- spüren. Die Konferenzen haben in über 150, 160 Punkten lage der gemeinsamen Planung Verantwortung. Viele zu ‚Aufträgen an die Verwaltung‘ geführt, die in den Menschen haben sich im Planungsprozess erst kennen- nächsten Jahren beraten werden.“ ge lernt. In den Verwaltungen sind neue Kooperationen

132 Die Kulturagenda Westfalen zwischen den Fachbereichen entstanden. Die Erfahrungen „Der Prozess hat konkrete Handlungsempfehlungen und Kenntnisse aus dem Kulturplanungsprozess lassen gebracht. Hervorzuheben ist die empfohlene Gründung sich auch auf andere Planungsverfahren übertragen.“ eines Kulturrats, der nicht mit Personen aus der Politik besetzt werden sollte, und die Notwendigkeit eines Küm- Interessant ist auch die Beantwortung folgender Frage: merers.“ (Stadt Freudenberg) „Würden Sie mit dem Wissen von heute nochmals einen „Die erarbeiteten, priorisierten Maßnahmen (Verantwor- solchen Planungsprozess in Gang setzen?“ Die Antworten tungsgemeinschaft, Gesamtkonzept kulturelle Bildung, darf man auch als eine klare Aussage für die Stärke des Kulturforum, Bürgerstiftung, Kulturbericht, Kulturkatas- Prozesses werten: ter, neue Marketingstrategien unter Beteiligung des FB42 „Ja!“ (Kreis Olpe) Weiterbildung und Kultur.“ (Stadt Hattingen) „Auch aufgrund der guten Ergebnisse und Erfahrungen „Bei den Workshops kristallisierte sich schnell heraus, im Prozess würde ich ein vergleichbares Pilotverfahren dass die Kulturschaffenden eine Koordinierung auf Kreis- immer wieder durchlaufen wollen.“ (Kreis Höxter) ebene und einen regelmäßigen Austausch unter den „Unbedingt!“ (Stadt Lippstadt) kulturell Aktiven wünschen. Darüber hinaus wurde ein „Ja, auf jeden Fall!“ (Stadt Beckum) einheitliches Kulturmarketing an gemahnt und eine fach - „Ja, denn ohne diesen Planungsprozess wäre die liche Unterstützung der zumeist ehrenamtlichen Initia - Kulturplanung in unseren vier Orten noch nicht so weit tiven für wünschenswert gehalten.“ (Kreis Höxter) vorangebracht worden.“ (Oben an der Volme) „Von 160 ‚Aufträgen’ wurden zwölf sofort im Schul- und „Nur unter besseren personellen und zeitlichen Kulturausschuss verabschiedet. Die Abarbeitung aller Rahmenbedingungen.“ (Stadt Hattingen) Punkte, darunter wichtige Themen wie Teilhabe, Vernet- „Auf jeden Fall, mehr denn je!“ (Stadt Ahlen) zung und die Schaffung eines Kulturzentrums, wird die „Ich würde es wieder so machen!“ (Stadt Bad Oeyn - Politik in den kommenden Jahren beschäftigen und zu hausen, Beobachterrolle) einem intensiveren Bewusstsein für kulturelle Prozesse in der Stadt führen. Viele Aufträge befassen sich mit sogenannten Querschnittsaufgaben, sodass die Wahr- 5 / nehmung von Kulturpositionen beispielsweise im ERGEBNISSE Sozialbereich oder in der Bauverwaltung schon jetzt ...... gestiegen ist.“ (Stadt Lippstadt) „Das wichtigste Ergebnis ist aus meiner Sicht, dass die Diese Pilotplanungsprozesse haben insgesamt eine Viel- vielen beteiligten Personen und Institutionen in Beckum zahl von Ergebnissen evoziert. Die nachfolgenden Zitate durch den Kulturplanungsprozess angeregt worden sind, stellen erst einmal die wichtigsten Ergebnisse aus Sicht neu darüber nachzudenken, wie Kinder und Jugendliche der Beteiligten dar: die Rahmenbedingungen haben, die für eine angemes- „Der zusammen (und nicht über deren Köpfe hinweg) mit sene Ausübung ihrer kulturellen Aktivitäten notwendig den ‚Betroffenen’, also mit Jugendlichen und der großen sind und wie man diese Rahmenbedingungen verbessern Bandbreite aller Akteure im Kinder- und Jugendbereich kann.“ (Stadt Beckum) tätigen Profis und Laien erarbeitete, strategisch zukunfts- „Die Umsetzungsvorschläge des Kulturkonzeptes wurden weisende und praktisch umsetzbare Maßnahmenplan.“ von der Politik im November 2013 zur Kenntnis genom- (Stadt Ahlen) men und werden in den zu erstellenden Kulturentwick- „Die Bereitschaft der Kulturverantwortlichen (Politik), lungsplan einfließen. Diese Ergebnisse lägen ohne diesen die Kinder- und Jugendkultur über die Bereitstellung Prozess noch nicht vor beziehungsweise nicht unter zusätzlicher Personal- und Finanzressourcen zu unter- Einbeziehung der Kulturakteure und der interessierten stützen.“ (Kreis Olpe) Bürgerschaft.“ („Oben an der Volme“)

133 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse „Die Kraft, Energie und Kreativität, die die Prozesse aus- In den einzelnen Pilotkommunen ist man bezüglich der gelöst haben und die kulturpolitisch / gesellschaftlichen Fertigstellung und Umsetzung auf einem unterschied - Wirkungen, die dadurch entstehen.“ (Reinhart Richter) lichen Stand, sodass noch keine Gesamtbeurteilung deut- lich werden kann. Dennoch gibt es interessante Einzel- Abstrahiert man die individuellen Ergebnisse, kommt man ergebnisse: auf folgende Hauptergebnisse: Hervorzuheben ist hier die Einrichtung von Stellen für die Es wurden strategische Ziele und Leitbilder für die Kulturbüros wie im Kreis Höxter. Der Einrichtung von Kul- Kulturarbeit der Kommunen erarbeitet! Das ist ein sehr turbüros kommt eine große Bedeutung zu. Hier entstehen großer Vorteil gegenüber allen Kommunen, die das nicht Informationspools und Vernetzungsmöglichkeiten par haben, weil man sich gemeinsam erarbeiteten Zielen wid- excellence. men kann und sein kulturelles Profil stärkt. Hervorzuheben ist auch die Gründung von Kulturbeiräten wie in Freudenberg, Lippstadt und im Kreis Höxter. Die Das Wissen über die Stärken und Schwächen im Kultur- Beiräte sollen Gremien mit beratenden Funktionen sein. bereich mag man als selbstverständlich erachten, es ist Optimal angesiedelt im Überscheidungsbereich zwischen jedoch nur selten als Analyse wirklich vorhanden. In den der Politik, der Verwaltung, den Kulturinstitutionen und Pilotkommunen bietet es nun eine Entscheidungsgrund- der freien Kulturarbeit. lage für kulturpolitische Themen auf einer ganz anderen qualitativen Ebene. Die Projektleiterin Dr. Yasmine Freigang kann eine Viel- zahl unterschiedlichster positiver Ergebnisse feststellen. Dass Vernetzung wichtig ist, weiß man nicht erst seit der Das beginnt mit dem in Gang gekommenen umfang - Kulturagenda Westfalen. Es ändert aber nichts daran, reichen kulturpolitischen Dialog, der ja weit über die dass Vernetzung allen Beteiligten ganz erheblich Vorteile Pilotkommunen hinausgeht und in das ganze Land West- bietet, wie das Beispiel Theater oben gezeigt hat. Wenn falen-Lippe strahlt. Es sind viele Beschlüsse gefasst hier diese Aufgabe sogar überörtlich und regional gelingt, worden, die aus Sicht der LWL-Kulturabteilung angemes- dann ist das besonders wertvoll und für viele hilfreich. sen waren: „Das passt und ist schlüssig!“ Die Koope - ration innerhalb der Kommunen und von diesen zum LWL Das gilt auch für den Überblick über die kulturellen An- wird als Pluspunkt angesehen, genauso wie die Tatsache, gebote. Das ist etwas, von dem besonders die Anbieter dass insgesamt vieles auf den Weg gebracht werden und Nutzer profitieren, wie etwa bei dem gemeinsamen konnte! So wird der Aufbau von Kulturadressbüchern Prozess der vier Volme-Kommunen. Dazu gehört eben- sehr positiv gesehen. falls der ganze Komplex der Erstellung von Datenbanken Zwar benötigt die öffentliche Diskussion über ein „Leitbild oder etwa Kulturadressbüchern zum Nutzen aller. 2025“ für ganz Westfalen-Lippe noch Zeit, aber eine Stärkung des kulturellen Profils ist bereits feststellbar, In dem „Netzwerk Kulturplanung" wollen die Kommunen sodass die Projektträger eine positive Zwischenbilanz in Westfalen-Lippe nun ihre gemeinsamen Erfahrungen ziehen können. „Es ist ein Projekt für ganz Westfalen- einbringen und voneinander lernen. Lippe!“, betont Yasmine Freigang.

Zu den positiven Ergebnissen gehört zudem, dass in Ein besonderes Ergebnis lässt noch auf sich warten: Es vielen Orten mindestens ein Mal pro Jahr eine Kultur - geht um Verantwortungsgemeinschaften der Kultur mit konferenz abgehalten werden soll, um den Stand der der Wirtschaft. Kann der Ansatz von Richter gelingen? Ergebnisse zu diskutieren und gegebenenfalls zu for - Dieser ist sehr interessant und zielt vor allem darauf ab, cieren sowie die Beteiligten weiterhin einzubinden in den dass die Unternehmen ihre Verantwortung für das Wohl- Prozess, der nicht mit dem fertigen Plan enden darf. fühlen in der Region und damit „ihrer“ aktuellen und künf-

134 Die Kulturagenda Westfalen tigen Arbeitskräfte auch als ihre Aufgabe verstehen sol- nicht mehr zu denken wäre. Der Schaden dürfte so groß len. Das heißt, es geht darum, noch mehr von vereinzelter, sein, dass die (Kultur-)Politik jetzt auch in der Pflicht ist, projektorientierter zu systematischer, struktureller Un- etwas zu tun. terstützung und Zusammenarbeit zu kommen. Sollte das gelingen, so wären das große Meilensteine und wichtige Begeisterung und Enttäuschung liegen oftmals dicht bei- Investitionen in die Zukunft. Die Bereitschaft ist noch nicht einander. Viele Menschen wurden aktiviert und haben sich sehr entwickelt und bedarf sicherlich noch vieler Gesprä- in umfangreichen Planungsprozessen eingebracht. Es che. Wenn eingangs vom Kampf der Regionen um Men- liegt nunmehr an der Politik dafür Sorge zu tragen, dass schen gesprochen wurde, sollte das Interesse der Wirt- die Prozesse in Gang bleiben und Ergebnisse sichtbar schaft geweckt sein. Die Gründung eines solchen westfa- werden. Mit engagierten Menschen, die feststellen, dass lenweiten oder vieler lokaler und regionaler Kulturfonds Ziele auch umgesetzt werden, lässt sich auch künftig vie- wäre sinnvoll und wegweisend. les erreichen. Dazu zählt auch die Verbesserung des Images, von dessen großer Bedeutung am Anfang bereits die Rede war. 6 / SCHLUSSFOLGERUNGEN UND Die jährlichen Kulturkonferenzen und die Evaluation ERFOLGSAUSSICHTEN durch die lokalen Fachausschüsse sollten dringend ...... durchgeführt werden, um die Mitwirkenden weiter einzu- binden und um auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu Welche Schlussfolgerungen sollten aus den Pilotpla- können. Wenn es gelingt, den Prozess weiter am Leben nungsprozessen beziehungsweise aus dem Gesamt- zu erhalten, wird daraus ein sich verstetigender Prozess prozess gezogen werden? zur Verbesserung der kulturellen Infrastruktur.

Es gab eine große Zahl an Mitschöpfern. Deshalb gilt die Das durch den Prozess angehäufte Wissen von Kulturak- Aussage von Reinhart Richter: „Dieser Plan ist unser teuren, Kulturstandorten, Möglichkeiten und Visionen ist Plan!“ „Wir werden das sehr genau beobachten, was da von außerordentlichem Wert. Es kann zu ganz ungewöhn- passiert!“, mahnte eine Mitwirkende sehr nachdrücklich. lichen Kooperationen von Partnern führen, die sich unter Deswegen werden sich besonders die Entscheidungsträ- den bisherigen Umständen gar nicht kennengelernt hät- ger an der Umsetzung der erarbeiteten Ziele und Maß- ten. Die für die Praxistauglichkeit noch zu entwickelnde nahmen messen lassen müssen. Die Erwartungs haltung praktische Umsetzung der Kulturknotenpunkte bietet hier ist jetzt hoch! Es erscheint aus jetziger Sicht sehr folge- grundsätzliche wichtige Möglichkeiten. richtig, die Pilotkommunen und die weiteren Interessier- ten bei dem Prozess auch von übergeordneten Stellen Jetzt liegt es an den politischen Entscheidungsträgern (weiter) zu unterstützen. Es wäre höchst kontraproduktiv, und den politischen Gremien dafür zu sorgen, dass im wenn nach den intensiven gemeinsamen Bestrebungen, Prozess gemeinsam erarbeitete Ziele von Bürgerinnen neue Impulse für die Kulturarbeit und Kulturpolitik zu und Bürgern, Kulturschaffenden, Förderern, Verwaltung geben und Ziele zu erarbeiten, die Politik jetzt nicht zu und Politik auch umgesetzt werden. Selbst wenn es nicht entsprechenden Ergebnissen, Beschlüssen und Umset- gelingt, alle wichtigen Ziele sofort umzusetzen, so ist eine zungen käme. Die Enttäuschung bei den Mitwirkenden bei ehrliche Herangehensweise und die Umsetzung von so einem „Im-Sande-Verlaufen“ der Ziele wäre sicherlich so vielen gemeinsam erarbeiteten Zielen wie möglich eine groß, dass an eine erneute Einbindung dieser so wün- Selbstverpflichtung. schenswerten vielfältigen Einbeziehung von Personen aus unterschiedlichsten Bereichen bei anderen Projekten

135 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse „Der Austausch mit anderen Kommunen bei dem Termin Als Außenstehender darf man auch auf noch einen wei- in Hagen und die Weiterentwicklung sind uns wichtig“, teren Aspekt hinweisen: Wenn es immer mehr darum sagte ein Künstler und zeigt damit auf, wie es weitergehen geht, die Bürgerbeteiligung bei politischen Entschei- soll. Man will jetzt über den Tellerrand schauen und dungen und Prozessen zu verbessern, dann haben die sehen, was andere so machen und daran partizipieren. Kommunen in Westfalen-Lippe hier einen Weg aufgezeigt bekommen, der auch auf andere Bereiche übertragbar ist. Allen Kommunen in Westfalen-Lippe, die noch an einer Die hier gesammelten Erfahrungen dürften demnach Planung im kulturellen Bereich arbeiten oder eine solche auch aus kommunaler Gesamtsicht von Interesse sein. künftig beabsichtigen, sollte man die Möglichkeit bieten, sich intensiv informieren zu dürfen, sowohl bei den Pilot- Wenn es gelingt, die Wirtschaft mit ins Boot zu holen, um kommunen als auch beim Projekt „Kultur in Westfalen“. die kulturellen Angebote systematisch zu sichern oder zu Dort sind jetzt ein sehr großes Wissen und ein Erfah- ermöglichen, wäre ein sehr großer Schritt getan. Hier ist rungsschatz, auch im Umgang mit Problemen, vorhan- sicherlich noch weitere Überzeugungsarbeit nötig. Die den, der auch anderen Interessierten hilfreich sein sollte. meisten Kommunen werden es allein nicht schaffen Dann kann der Prozess auch nachhaltig „ins Land ge- können! Deshalb ist ein Kulturfonds ein Weg. Ein zweiter tragen“ werden. wäre die Unterstützung durch das Land und den LWL, zum Beispiel für die Fortführung des Prozesses und auch Vielleicht ist es sinnvoll, noch auf ein sehr wichtiges Fak- im Bereich passgenauer Qualifizierungs- und Fort - tum hinzuweisen: Es geht nicht darum, den schönsten bildungsangebote. Plan zu erstellen, auf den andere neidisch blicken. Es geht nicht um eine Hochglanzbroschüre mit den schönsten Zum Schluss eine Aussage von Reinhart Richter in einem Bildern. Nein, es geht vielmehr um den Prozess! Ein von Schreiben an den Verfasser: „Die Rahmenbedingungen den politischen Gremien verabschiedeter Plan ist selbst- für Kulturpolitik verändern sich schnell. Deswegen wird verständlich wichtig. Aber oft hat der eigentliche Plan nur es immer wichtiger, strategisch über die Kulturentwick- dokumentarischen Charakter. Insofern sollte nicht der lung nachzudenken, zu diskutieren und zu evaluieren. fertige Plan das eigentliche Ziel sein, sondern die Verbes- Die Beteiligung der Kulturschaffenden, gesellschaftlicher serung der kulturellen Rahmenbedingungen durch die Organisationen, Förderer und der Bürgerinnen und Bür- Umsetzung der gemeinsamen Ziele! ger ist unverzichtbar, um die notwendige Komplexität von Informationen, Einschätzungen und Lösungsvorschlägen „Die Schwierigkeiten der Umsetzung liegen im Wesent - zu gewinnen und die Engagement- und Umsetzungs - lichen in den knappen Budgets, obwohl auch viele potenziale zu erschließen.“ Vorschläge entstanden sind, die unabhängig von kommu- nalen Mitteln und politischen Entscheidungen umgesetzt Mit einem schönen Bild skizziert Dr. Freigang den Pro- werden können“, so Reinhart Richter. Die Umsetzung zess: „Wir haben einen Stein ins Wasser geworfen, von sollte nicht grundsätzlich an den knappen Budgets dem Wellen ausgehen und die Wellen reichen tatsächlich scheitern, denn viele Vorschläge können mit wenig Auf- bis ans Ufer. Wir wussten anfangs nicht, wie groß der Stein wand umgesetzt werden. Wird der Gegenwert der Kultur- tatsächlich war, ob groß oder klein!“, sagte sie bei einem arbeit in der Kommune erkannt, dürfte auch eine größere Gespräch im Dezember 2013 in Münster. Aus heutiger Bereitschaft dazu vorhanden sein, hier zu investieren. Sicht kann man – um bei diesem Bild zu bleiben – schon Kultur bietet so viel Potenzial im Kampf der Regionen sagen, dass es kein kleiner Stein war, der dort ins Wasser um Menschen, dass hier investiertes Geld eine echte geworfen wurde; vielmehr finden die Wellen westfalenweit Zukunftsinvestition darstellt! So haben es die Planungs- Beachtung, selbst in anderen Bundesländern werden sie prozesse in Westfalen-Lippe ja bereits gezeigt. noch gesehen.

136 Die Kulturagenda Westfalen 7 / Man kann diesem großen Vorhaben zum jetzigen Zeit- KURZE ZUSAMMENFASSUNG punkt insgesamt dennoch einen großen Erfolg attes tieren...... An der Umsetzung der erarbeiteten Ziele und Maßnahmen werden sich alle Mitwirkenden nochmals messen lassen Der durch das Projekt „Kultur in Westfalen“ angestoßene müssen. Es erscheint aus jetziger Sicht sehr sinnvoll, die Prozess zur Erstellung kultureller Planungen in Westfalen- Pilotkommunen und die weiteren Interessierten bei dem Lippe und einer gemeinsamen kulturpolitischen Orientie- Prozess auch von übergeord neten Stellen (weiter) zu rung für die ganze Region ist auf einem sehr erfolgreichen unterstützen. Es wäre höchst kontraproduktiv, wenn nach Weg. Die Konzeption ist schlüssig, nachvollziehbar, rea- den intensiven gemeinsamen Bestrebungen, Impulse für lisierbar und modern. Dabei wurden auch für kulturelle die Kulturarbeit und Kulturpolitik zu erarbeiten, die Politik Planungen neuartige Elemente mit aufgenommen, etwa jetzt nicht zu entsprechenden Ergebnissen, Beschlüssen die Beobachterfunktion, die sehr positiv zu beurteilen und Umsetzungen käme. Die Enttäuschung bei einem sind. Die Beteiligungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten der „Im-Sande-Verlaufen“ bei den Mitwirkenden wäre Bevölkerung waren in großem Umfang vorhanden und sicherlich so groß, dass an eine erneute Einbindung machen die Ergebnisse zu gemeinsamen Planungen, was dieser so wünschenswerten vielfältigen Einbeziehung von ein sehr großes Plus für den Umsetzungsprozess ist. Per sonen aus unterschiedlichsten Bereichen bei anderen Projekten nicht mehr zu denken wäre. Es ist für den Kulturbereich und darüber hinaus ein vielschichtiger Prozess entstanden, der in den nächsten Begeisterung und Enttäuschung liegen oftmals dicht bei- Jahren in Westfalen-Lippe noch nachwirken dürfte. einander. Jetzt wurden viele Menschen aktiviert und haben Kooperationen und Vernetzungen werden deutlich inten- sich in umfangreiche Planungen eingebracht. Es liegt siviert. Für die Auftraggeber und Förderer der Kultur- nunmehr an der Politik, dafür Sorge zu tragen, dass die agenda Westfalen ist im Hinblick auf deren jeweilige Ziele Prozesse in Gang bleiben und Ergebnisse sichtbar wer- der Prozess ebenfalls positiv zu bewerten, da die Förde- den. Mit engagierten Menschen, die feststellen, dass Ziele rung in das gesamte Gebiet Westfalen-Lippe ausstrahlt auch umgesetzt werden, lässt sich vieles erreichen. und durchaus eine positive Rückkoppelung im Sinne des Dazu zählt auch die Verbesserung des Images, von des- „Sich-Kümmerns“ und des „Sich-Einbringens“ in Fragen sen großer Bedeutung im Hinblick auf den demogra- zur Kultur und zur Verbesserung des Images in West - fischen Wandel am Anfang die Rede war. falen-Lippe vermuten lässt. Das Gesamtprojekt stellt eine neue Qualität in der gleich- Ohne die Rolle der Kultur im Ganzen und der Kulturpla- zeitigen Erstellung mehrer kultureller Planungen in nungen im Speziellen im Bedeutungskanon der wichtigen Deutschland dar und legt die Messlatte für andere Aufgabenbereiche der Kommunen überbewerten zu wol- Projekte dieser Art sehr hoch. len, so ist ihr doch ein großes Potenzial inhärent, um zu- kunftsgerichtet positive Wirkungen zu erzielen und viel- leicht auch ein „Testballon“ in Fragen der Bürgerbeteili- gung und moderner Zielfindungs prozesse für andere Bereiche zu sein.

Im Verhältnis zum gesamten Prozess sind die Schwach- punkte eher als insgesamt gering einzustufen, obwohl etwa die geringe Beteiligung der Politik ein echter Schwachpunkt war.

137 Gesamtbetrachtung der Pilotplanungsprozesse Die Autorinnen und Autoren

Ulrike Beckmann Andreas Niggemeyer Leiterin des Fachdienstes Schulen, Sport und Kultur Referent und Leiter des Gemeinschaftsbüros des Land- des Kreises Olpe rats des Kreises Höxter, Mitglied der Projektgruppe für den Pilotplanungsprozess und zuständig für die weitere Jens Benner Vorbereitung der politischen Gremienbeschlüsse Zentrale Dienste der Stadt Freudenberg, zuständig auch für Kulturangelegenheiten Reinhart Richter Kulturberater (Richter Beratung, Osnabrück), spezia - Bernd Brandemann lisiert auf Kulturplanungsprozesse. Reinhart Richter Mitwirkender am Kulturplanungsprozess in Freudenberg, hat den Kulturplanungsprozess für Westfalen-Lippe Mitglied des Kreistages Siegen-Wittgenstein konzipiert und in diesem Rahmen neun kommunale Kristina Dröge Pilotplanungsprozesse beraten und moderiert. Kulturmanagerin des Kreises Steinfurt und Beobachterin Dr. Barbara Rüschoff-Thale der Planungsprozesse, besonders im Kreis Höxter seit 2008 Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Dr. Yasmine Freigang Westfalen-Lippe (LWL). Leiterin des Projekts „Kultur in Westfalen“, federführend Beate Schiffer zuständig für die Konzeption und Organisation der Beigeordnete der Stadt Hattingen und Dezernentin Kulturagenda Westfalen für Weiterbildung und Kultur, Soziales und Wohnen Christian Grube sowie Jugend, Schule und Sport Kulturmanager in der Gemeinde Hiddenhausen sowie Wolfgang Streblow Pressesprecher und zuständig für die polnische Städte- Leiter der Conrad-Hansen-Musikschule und Leiter partnerschaft, Beobachter des Planungsprozesses in des Fachdienstes Kultur und Weiterbildung der Stadt Freudenberg Lippstadt Beate Hauck Hans-Werner Tata Stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Kultur und Kulturbüro im Kulturforum Witten Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Kulturarbeit Gaby Trampe Petra Kamburg Leiterin des Fachdienstes Presse und Kultur der Leiterin der Volkshochschule Hattingen, zuständig für Stadt Beckum die Organisation des Kulturplanungsprozesses Katharina Wekenborg Cristina Loi Dipl. Kulturmanagerin (FH) Leiterin der Gruppe Kultur im Fachbereich Schule, Weiterbildung, Kultur und Sport der Stadt Ahlen Gisela Weiland Sachgebietsleiterin im Fachbereich Schule, Dr. Markus Morr Kultur, Sport der Gemeinde Schalksmühle, dortige Kulturwissenschaftler und Dipl.-Geograph, arbeitet als Ansprechpartnerin für den Kulturplanungsprozess Presse- und Kulturreferent des Landkreises Marburg- der Kooperation „Oben an der Volme“ Biedenkopf. Seit 1991 beschäftigt er sich mit dem Themen- komplex kulturelle Planungen im deutschsprachigen Raum.

162 Die Kulturagenda Westfalen Bildnachweis

12, 19, 41, 149: LWL / Stefan Althaus 42–46, 113: Stadt Freudenberg 50–52, 55–57: Stadt Lippstadt 51 links, 53, 54: Trudi Focken 58, 60–62: Stadt Hattingen 59: LWL / Sonja Messling 64, 66–70, 114: Kulturforum Witten /Johanna Negowski 65: Andreas Secci 72–80: Stadt Hagen 82: Mark Gronnenberg 83–89: Stadt Ahlen, Stadt Beckum 90, 91 links und Mitte, 93, 94: Stadt Halver 91 rechts, S. 95: Gemeinde Schalksmühle 92: Stadt Kierspe 96: Stadt Meinerzhagen 99, 101: Kreis Olpe 98, 100, 102–104: Max Beckmann 106, 109, 110 oben: J.A. Smith und I. Jansen 107, 108, 110 unten, 111: Kreis Höxter 123: Markus Morr 124: Geographische Kommission für Westfalen 139–147: Katharina Wekenborg

Die Kulturagenda Westfalen wurde gefördert von:

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