Jan Oeltjen: Ich Bin Kein Krieger Und Will Keiner Werden
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Jan Oeltjen: Ich bin kein Krieger und will keiner werden. Kriegstagebücher und Briefe an Elsa Oeltjen-Kasimir Veröffentlichungen des Künstlerhauses Jan Oeltjen e. V., Band 35 Herausgegeben aus Anlass der Ausstellung: Jan Oeltjen (1880-1968): „Ich bin kein Krieger und will keiner werden.“ Bilder und Tagebücher aus dem I. Weltkrieg. Künstlerhaus Jan Oeltjen e. V., Jaderberg, 8. Juli bis 11. September 2005 Ausstellungskonzept und –realisierung: Volker Maeusel, Luise und Lür Steffens Ausstellung und Edition des Tagebuches wurden ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung seitens der Stiftung Kunst und Kultur der Landessparkasse zu Oldenburg. Jan Oeltjen: Ich bin kein Krieger und will keiner werden. Kriegstagebücher und Briefe an Elsa Oeltjen-Kasimir. Hg. von Volker Maeusel. Jaderberg 2005 (= Veröffentlichungen des Künstlerhauses Jan Oeltjen e. V. 35). Alle Rechte vorbehalten. Herstellung: Ad. Allmers, Varel Volker Maeusel Vorwort Seit geraumer Zeit bestand seitens des Künstlerhauses Jan Oeltjen e. V. die Absicht, Jan Oeltjens Tagebücher zu erschließen und zu veröffentlichen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Tagebücher erstrecken sich über Jahrzehnte eines Künstlerlebens und stellen in ihrer Geschlossenheit eine wichtige Quelle zur Kunst-, Sozial- und Alltagsgeschichte des 20. Jahrhunderts dar. Als „Tagebuch Jan Oeltjen“ werden dabei diejenigen Hefte verstanden, die Oeltjen zeitnah mit mehr oder minder regelmäßigen Aufzeichnungen seiner Tagesverläufe füllte. Die vornehmlich in Duodez-Formaten gehaltenen Hefte liegen leicht zugänglich vor: Ein Großteil, der - wenngleich mit Lücken - die Jahre 1909-1942 umfasst, ruht im Nachlass Jan Oeltjens im Archiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg und steht somit der Öffentlichkeit zur Verfügung.1 Für die Zeit ab 1917 existieren Kopien im Archiv des Künstlerhauses Jan Oeltjen in Jaderberg; darüber hinaus liegen hier die Originale des Zeitraums 1952-1964 zur Einsicht bereit. Desweiteren brachte die Arbeit der letzten Jahre eine Reihe von Erkenntnissen, die bei der Abfassung der bislang einzigen biographischen Studie über Oeltjen noch nicht zur Verfügung standen. Krimhild Stövers Biographie2 wird jedoch ihre Gültigkeit behalten und um so wertvoller sein, als die von ihr genutzten Quellen nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Die von ihr zitierten Tagebücher der Jahre 1915 und 1916 etwa haben in die Nürnberger Findbücher nie Eingang gefunden. Allein von diesem Befund ausgehend schien die geplante Edition der Tagebücher von vornherein aussichtslos. Drei Umstände waren es, die das Vorhaben in neue Bahnen lenkten und nun zu einem ersten Abschluss kommen ließen. Zunächst fand sich in Privatbesitz ein mehrseitiges Manuskript Oeltjens auf, das sich auf einen Teil der fehlenden Jahre bezieht. Dabei handelt es sich um lose Blätter, die mutmaßlich aus einem entsprechenden Einband entfernt wurden. „Tagebuch 2 Jan Oeltjen“, wie es hier genannt wird, umfasst den Zeitraum vom 16.12.1914-13.8.1915. Es deckt ungefähr den Zeitraum ab zwischen dem letzten erhaltenen Tagebuch bis zur Frontverwendung Oeltjens im zweiten Sommer des Ersten Weltkrieges.3 In teils großen zeitlichen Sprüngen schrieb Oeltjen Episoden aus seinem Familienleben nieder, die ganz erstaunlich helfen, die später so verworrenen seelischen Abgründe zu verstehen, die sich zwischen den Eheleuten auftaten. Kaum von einer Abtreibung nach einer Fehlgeburt genesen, erfuhr seine Frau, dass er sie mit ihrer Schwester Sylvia betrogen hatte. Ihre mutmaßlich psychosomatischen Magenbeschwerden, die im unmittelbaren zeitlichen Anschluss erstmals erwähnt werden, bleiben fortan vertraute Begleiter. Weiterer Schwerpunkt dieses Manuskripts ist die allem Anschein nach unerwartete Einberufung Oeltjens in den Krieg. Während der 1 Tagebuch 7.6.1913-8.12.1914. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (GNM), Archiv für Bildende Kunst. Nachlass Jan Oeltjen I, B – 4; Tagebuch 7.3.1917 – 15.8.1917. Ebda. I, B – 3; Tagebuch 15.8.1917-23.6.1917. Ebda. I, B – 3; Tagebuch 23.6.1918-25.8.1918. Ebda. I, B – 3; Tagebuch 28.8.1918-26.5.1919. Ebda. I, B – 3. 2 Krimhild Stöver: Jan Oeltjen 1880-1968. Ein Malerleben zwischen Oldenburg und Slowenien. Bremen, Hauschild 1992. 3 Es ist nach Ausweis der Zitate definitiv nicht identisch mit dem von Stöver genutzten Tagebuch des Jahres 1915. Rekrutenausbildung im niederbayerischen Landshut begann er, seine Notizen systematischer niederzuschreiben. Die unfreiwillige Trennung der Eheleute wurde zu einem bestimmenden Element des Tagebuches und blieb konstituierend für die weitere Zeit des Krieges. Offenbar hielt Oeltjen ungeachtet mehrerer Äußerungen den Tod an der Front durchaus für möglich: „Tagebuch 2 Jan Oeltjen“ geriet zu einem an Elsa Oeltjen-Kasimir gerichteten Rechenschaftsbericht. Zwei Ableger, „Tagebuch 2 A Jan Oeltjen“ (13.5.1915) und „Tagebuch 2 B Jan Oeltjen“ (12.6.1915) definierten dabei sein Verhältnis zu seiner ersten Frau, Johanna Feuereisen. Die erwähnte Trennung der Eheleute ließ einen Briefwechsel zwischen ihnen entstehen, der in seiner ganzen Bedeutung noch gar nicht abgeschätzt werden kann. Im Laufe der Kriegsjahre schrieben sie Hunderte von Briefen und Karten, die zwar nicht alle erhalten blieben, aber in ihrem Umfang dennoch ihresgleichen suchen. Der Umstand, die vorhandenen Tagebücher aus den Jahren 1914-1918 durch einen Teil dieser Korrespondenz ergänzen zu können,4 bot die geeignete Basis für die vorliegende Ausgabe, die sich allein auf die Jahre des Ersten Weltkrieges beschränkt und der weitere Veröffentlichungen folgen sollen. Es wurde im übrigen bewusst auf eine Einbeziehung von Elsa Oeltjen-Kasimirs Anteil an diesem Briefwechsel verzichtet: Dies hätte die Grenzen des Möglichen und Machbaren schlicht überschritten. Nachdem aber der geschlossene Charakter der Tagebücher ohnehin geöffnet war, bot es sich an, weitere kurzgefasste Quellen in diese Textcollage aufzunehmen. Die hier erstmals verwendete Personalakte Oeltjens aus dem bayerischen Kriegsministerium5 beleuchtet nämlich die militärischen Facetten, die Oeltjen nur zu gerne aus seinem Tagebuch aussparte. Um den militärhistorischen Kontext nicht zu vernachlässigen, wurden außerdem geringe Abschnitte aus der offiziösen Regimentsgeschichte6 herangezogen. Die dritte außergewöhnliche Umstand, der zu dieser Ausgabe in ganz entscheidendem Maß beigetragen hat, steht hier zwar an letzter Stelle, stellt aber eigentlich die entscheidende Größe bei der Realisierung von Oeltjens Tagebuch dar. Die Stiftung Kunst und Kultur der Landessparkasse zu Oldenburg hat zum wiederholten Male das Künstlerhaus Jan Oeltjen e. V. finanziell unterstützt und in großzügigster Weise die Drucklegung überhaupt erst ermöglicht. Ohne die Förderung wäre die Arbeit in dieser Form kaum möglich gewesen, weshalb allen Entscheidungsträgern der Stiftung Kunst und Kultur der Landessparkasse zu Oldenburg der herzliche Dank aller Beteiligten an diesem Projekt gilt. Überblickt man die spärliche Literatur, die sich mit Oeltjens Kriegsjahren beschäftigt, dann fällt auf, dass diese Zeit vom künstlerischen Standpunkt her als verschwendet angesehen wird. Krimhild Stöver zeichnet das Bild des Individualisten, der sich nur mit Unbehagen in die Situation als Soldat hineinfinden konnte. Details des militärischen Alltags fehlen in ihrer Darstellung und sie beschränkt sich auf die singuläre Situation, als im Frühjahr 4 Jan Oeltjen an Elsa Oeltjen-Kasimir. Briefe und Postkarten 1915. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (GNM), Archiv für Bildende Kunst. Nachlass Jan Oeltjen I, C – 141 d; 1916. Ebda. I, C – 141 e; 1917. Ebda. I, C – 141 f; 1918. Ebda I, C – 141 g. 5 Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Kriegsarchiv München. OP 20849. 6 Das K. B. Landwehr-Infanterie-Regiment Nr. 2. Nach den amtlichen Kriegstagebüchern bearbeitet von Otto Ritter von Hübner. München, Selbstverlag des bayerischen Kriegsarchivs 1923 (= Erinnerungsblätter deutscher Regimenter. Bayerische Armee 19). 1917 die Eisschmelze auf der Düna einsetzte und Oeltjen samt anderen Soldaten mit einem Tod durch Ertrinken konfrontierte. Ruth Irmgard Dalinghaus sieht Oeltjens Tagebuchaufzeichnungen primär unter dem Gedanken, Oeltjen habe darin seine künstlerische Befindlichkeit ausdrücken wollen.7 Seine Zeichnungen und Aquarelle versteht sie als Versuch, eine geistige Schranke zu errichten gegen „die kulturelle Sprachlosigkeit unter den Soldaten und Offizieren.“8 Diesem Ansatz verpflichtet, sieht sie nach Kriegsende einen stilistischen und inhaltlichen Bruch in Oeltjens Werk, als er die Aquarellmalerei aufgeben und zur Ölmalerei zurückkehren konnte. Peter Reindl betont in seiner Untersuchung des Menschenbildes bei Jan Oeltjen, dieser habe bereits in den Kriegsjahren eine durchaus expressionistische Bildnisauffassung entwickelt, die der zeittypischen Veränderung des Menschenbildes entsprach. Seine Abkehr von „akademischer und auch von impressionistischer Porträtauffassung“9 sei aber weniger dem Kriegserlebnis, als vielmehr der „seelische[n] Qual der Absonderung von seiner Frau Elsa“10 geschuldet gewesen. Diese allesamt zwingend vorgetragenen Ansichten brauchen vorderhand nicht revidiert zu werden; es ist aber angemessen, die neu gewonnenen Erkenntnisse mit ihnen zu kombinieren und eine verfeinerte Sichtweise zu gewinnen. Als der Krieg im Sommer 1914 über ein ahnungsloses Europa hereinbrach, bildete sich in allen Nationen eine merkwürdige Zustimmung heraus.11 Getragen wurde sie von einer kleinen bürgerlichen Minderheit. Deren Meinungsmultiplikatoren, insbesondere die Presse, bewirkten eine scheinbare Einmütigkeit zwischen Regierenden