Pegida & Co. – Aufstieg Und Fall Eines Populistischen Unternehmens1
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betrifft: Bürgergesellschaft 41 März 2015 Pegida & Co. – Aufstieg und Fall eines 1 populistischen Unternehmens Dieter Rucht Scheinbar aus dem Nichts hat sich seit dem 13. Europa“ (DDfE). Vieles deutet darauf hin, dass Oktober 2014 in Dresden eine Protestbewegung Pegida & Co. bald vom politischen Markt ver- mit dem Kürzel Pegida („Patriotische Europäer schwinden wird. Viel Lärm also um nichts? gegen die Islamisierung des Abendlandes“) ge- Nein, Pegida & Co. verdienen politische wie ana- bildet. Sie fand bald Nachahmer in etlichen lytische Aufmerksamkeit – unabhängig davon, Städten der Bundesrepublik und auch im Aus- dass es sich wahrscheinlich nur um eine Episo- land. Die Bewegung wuchs von Woche zu Wo- de handelt. che und stieß auf ein überbordendes mediales Im ersten Teil dieses Beitrags soll das Erschei- Interesse. Mit ihrer 12. Montagsdemonstration nungsbild von Pegida samt seiner taktisch kal- am 12. Januar 2015 erreichte sie ihren quantita- kulierten Mehrdeutigkeit näher betrachtet wer- tiven Höhepunkt mit – laut überhöhten Anga- den. Im zweiten Teil stehen die öffentlichen Re- ben der Polizei – 25.000 Demonstrierenden. aktionen auf Pegida im Mittelpunkt. Der dritte Von da an ging es bergab. Der Zerfall von Pegida Teil wendet sich den Tiefenströmungen zu, aus offenbarte sich am rapiden Rückgang der Teil- denen sich Pegida speist. Zuletzt geht es um die nehmerzahlen, am Streit der Dresdener Veran- Frage: Was tun? stalter mit Organisatoren von Pegida-Ablegern Der hier vorgelegte Beitrag kann empirisch we- in anderen Orten um die richtige Linie und die nig Neues bieten. Er verfolgt vielmehr den Zweck, Erlaubnis, den Namen Pegida zu nutzen, schließ- die verstreuten Informationen zu bündeln und lich am internen Zerwürfnis des Dresdener eine vorläufige politische Einschätzung des Phä- „Orga-Teams“. Dieser Streit führte zum Austritt nomens Pegida zu bieten. Dies geschieht primär von fünf Mitgliedern des Leitungsgremiums und aus der Beobachterposition eines Forschers, der zur Gründung einer konkurrierenden Organi- sich jahrzehntelang mit politischem Protest und sation, des Bündnisses „Direkte Demokratie für sozialen Bewegungen im In- und Ausland be- fasst und auch eine Studie2 zu Pegida initiiert 1 Beitrag für die Schriftenreihe „betrifft: Bürgergesell - schaft“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, abgeschlossen am hat. 15. Februar 2015. Ich danke Roland Roth für hilfreiche Hinweise, die sich insbesondere auf den Schlussteil die- 2 https://protestinstitut.files.wordpress.com/2015/01/ ses Beitrags beziehen. protestforschung-am-limit_pegida-studie.pdf. Arbeitskreis www.fes.de/buergergesellschaft – Der Arbeitskreis wird gefördert von der Erich-Brost-Stifung. Bürgergesellschaft Leitung: Dr. Michael Bürsch. Koordination: Bettina Luise Rürup, Forum Politik und Gesellschaft, und Aktivierender Friedrich-Ebert-Stiftung, 10785 Berlin, E-Mail: [email protected] Staat betrifft: Bürgergesellschaft Pegida & Co. – Aufstieg und Fall eines populistischen Unternehmens 1. Das Erscheinungsbild von Pegida & Co. Die von außen sichtbare Seite von Pegida, also und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Pegida als Oberflächenphänomen, ist gut doku- Menschenpflicht!“ mentiert. Aufgrund einer Fülle von O-Tönen, Über das Innenleben von Pegida ist dagegen Medienberichten und Kommentaren kann man wenig bekannt. Den Anfang bildete eine Face- sich ein Bild machen. Bis dato wurden zudem book-Kommunikation von Lutz Bachmann, Ini- vier Befragungen von Pegida-Anhängern vor- tiator und bis dato wichtigste Figur von Pegida. gelegt3, die jedoch nur einen kleinen, mit Si- Als Verein wurde Pegida am 14. November in cherheit nicht repräsentativen Ausschnitt erfas- Dresden gegründet und am 19. Dezember 2014 sen und insofern auch, entgegen manchen Be- in das amtliche Register eingetragen. Zwölf Per- hauptungen, kein Bild des typischen Pegida- sonen, die fortan – und weitgehend ohne nament- An hängers zeichnen können. Weiterhin liegen liche Nennung – als „Orga-Team“ auftraten, sind Analysen der Facebook-Freunde von Pegida Gründungsmitglieder. Lutz Bachmann wurde vor. Am 20. Februar 2015 wurden dort knapp zum ersten Vorsitzenden, René Jahn zu seinem 160.000 „Likes“ (gefällt mir) verzeichnet.4 Diese Stellvertreter und Kathrin Oertel als Kassiererin Analysen zeigen in aller Deutlichkeit, dass sich gewählt. Später hatte sich das Team stillschwei- Pegida keineswegs als Bewegung harmloser Nor- gend auf zehn Köpfe reduziert. Abgesehen von malbürger_innen verstehen lässt.5 Insgesamt bie- Bachmann und Oertel, die seit Dezember 2014 tet sich ein schillerndes, teilweise widersprüch- auch als Pressesprecherin firmierte, aber zu- liches Bild, dessen rechtspopulistische, auslän- nächst kaum zu Interviews bereit war, blieben derfeindliche und in Teilen auch rassistische die Mitglieder des Orga-Teams völlig im Hinter- Grundierung immer deutlicher hervortrat, auch grund. Interne Zuständigkeiten, Entscheidungs- wenn daneben, und insbesondere im 19-Punkte- prozesse wie auch das Zustandekommen und Programm, teilweise moderate Töne angeschla- die Autorenschaft der inzwischen drei Positions- gen werden. Unter Punkt 1 heißt es: „PEGIDA bzw. Forderungskataloge6 sind bis heute im ist FÜR die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen Dunkeln geblieben. 3 Befragt wurden Pegida-Anhänger von einer Gruppe um den Dresdener Politikwissenschaftler Hans Vor- länder, einer Gruppe von Berliner und Chemnitzer So- 6 Das knapp gehaltene „Positionspapier der Pegida“ wur- zialwissenschaftler um den Berliner Soziologen Dieter de am 10. Dezember 2014 veröffentlicht. Es beinhaltet Rucht, Mitarbeiter_innen des Göttinger Instituts für De- eine partielle Abkehr von vormals offensiveren Forde- mokratieforschung um den Politikwissenschaftler Franz rungen, zumal der Begriff „Islamisierung“ in diesem Walter und schließlich eine Gruppe unter Leitung des Papier nicht erwähnt wird. Am 12. Januar 2015 wurde Dresdener Politikwissenschaftlers Werner Patzelt. das Programm durch sechs Punkte ergänzt, die Bach- 4 Zur Zusammensetzung der Facebook-Freunde von mann als einer der Redner verkündete. Schließlich pu- Pegida siehe: http://www.pegida-mag-dich.de/ sowie blizierte Pegida im Februar die „Dresdener Thesen“, ZEIT-online vom 5. Februar 2015: http://www.zeit.de/ deren zehn Punkte teilweise bisherige Forderungen in gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/wer-ist-pegida- ähnlichem Wortlaut wiederholen, teilweise aber auch facebook-daten. neue Anliegen formulieren, darunter die „Reformation 5 Dies ist die immer wiederkehrende Selbststilisierung der Familienpolitik sowie des Bildungs-, Renten- und der Protagonisten von Pegida. Zum Beispiel meinte Steuersystems“ sowie die „Ablehnung von TTIP, CETA Kathrin Oertel in ihrer Rede am 12. Januar 2015: „Wir und TISA und ähnlichen Freihandelsabkommen“. Die- sind weder radikal oder fanatisch; wir sind eine Bür- se Thesen wurden, in Anlehnung an Martin Luthers gerbewegung, die montäglich ihr Recht in Anspruch historischen Akt, von Bachmann an die Tür der Dres- nimmt und ihre Meinung mit einem friedlichen Spa- dener Kreuzkirche geklebt, auf Veranlassung des zu- ziergang durch unser schönes Dresden demonstriert.“ ständigen Pfarrers jedoch umgehend wieder entfernt. 2 betrifft: Bürgergesellschaft Pegida & Co. – Aufstieg und Fall eines populistischen Unternehmens Auch wissen wir nur wenig über Zusammenset- aus intensiver kennenzulernen, als dies bei an- zung und Haltungen der Mehrzahl der De- deren Protestbewegungen vergleichbarer Grö ße monstrierenden. Vieles bleibt bislang Spekula- der Fall ist. tion oder beruht auf fragwürdigen Verallgemei- Die Auftritte von Pegida kennzeichneten eine nerungen öffentlicher Aussagen aus den Reihen teils kalkulierte, teils den Umständen geschulde- von Pegida oder Ergebnissen der vier bislang te Mischung von Unprofessionalität und Impro- vorliegenden Befragungen. visation auf der einen Seite und einer sorgsamen Pegida & Co. treten öffentlich auf, laden zu ihren Lenkung, Orchestrierung und Effekthascherei sog. „Spaziergängen“ und Kundgebungen ein, auf der anderen Seite. Ankündigungen von Pro- halten Reden vor ihrer Anhängerschaft, begrü- testveranstaltungen erfolgten fast ausschließlich ßen mit jovialem Hallo die Bürger von Dresden über das Internet. Die Treffen begannen am frü- (viel Beifall), Deutschland (viel Beifall) und Eu- hen Abend und vollzogen sich – jahreszeitlich ropa (sehr dünner Beifall), wollen offenkundig bedingt – in der Dunkelheit. Die logistischen Sichtbarkeit und Medienresonanz. Andererseits Mittel waren bescheiden. Ein relativ kleiner Laut- bestand ein Alleinstellungsmerkmal der Orga- sprecherwagen diente als Bühne für die Red- nisatoren von Pegida darin, sich gegenüber den ner_innen. Einige von ihnen verkörperten die etablierten Medien zu verweigern, diese pau- lokale Verankerung und figurierten als einfache schal als „Lügenpresse“ zu beschimpfen, zunächst Leute, die mit schlichten und zuweilen unbehol- alle Anfragen nach Interviews zurückzuweisen fenen Worten die Dinge auf den Punkt zu brin- und auch die Teilnehmer_innen der „Spazier- gen suchten. Zugleich aber waren ihre Reden gänge“ aufzufordern, den Kontakt mit Medien- durchzogen von Andeutungen und Ambivalen- vertretern zu meiden. Gerade diese ostentative zen, in denen das Publikum das zu Ende den- Verweigerung hat das mediale Interesse enorm ken konnte, was man nicht offen auszusprechen beflügelt und dazu geführt, möglichst viel von wagte. Daneben traten gelegentlich Gastredner8 Pegida zu zeigen, die Biografien ihrer Organisa- auf, die an Diskurse jenseits der Stammtische toren zu recherchieren und