Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 1

Sara Tazbir

Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre

Das Anknüpfen an den Reformstädtebau um 1900. Demonstriert am städtebaulichen Wettbewerb Dessaus.

Einleitung genbewegung das Konzept des künstlerischen Städte- Der vorliegende Artikel hat zum Ziel, an ausgewählten baus. Der Stadtraum sollte als solcher wieder erlebbar Beispielen die Rezeption städtebaulicher Reform- gemacht und künstlerisch bewusst gestaltet werden bei gedanken der Jahrhundertwende im DDR-Städtebau gleichzeitiger Berücksichtigung der zeitgenössischen, der frühen 50er Jahre aufzuzeigen.1 Die Umstände und städtischen Lebenswirklichkeit. Der künstlerische Vorgänge in Städtebau und Architektur der 50er Jahre Städtebau differenzierte sich facettenreich aus: Seine in der DDR sind komplexer und differenzierter, als sie Bandbreite reichte von Camillo Sitte, 4 als einem Initia- bisher in der Forschung dargestellt worden sind.2 Die tor auf dem Feld der Stadtbaukunst und Vertreter einer einseitige Bewertung und Diskussion der sowjetischen praktischen Ästhetik, über Karl Henrici, 5 Anhänger Sit- Einflussnahme hat andere Ansätze und Gesichtspunkte tes, und dem Pragmatiker Theodor Fischer6 bis zur gänzlich ausgeblendet und vernachlässigt, was hiermit kunsthistorischen Reflexion über Stadtbaukunst eines nachgeholt, ergänzt und erweitert werden soll. Der Ver- Albert Erich Brinckmann.7 gleich städtebaulicher Theorien der Deutschen Bauakademie, vornehmlich am Institut für Theorie und Stadtbaukunst in der DDR: eine deutsche Tradition Geschichte der Baukunst erarbeitet, mit den Ausarbei- Nach 1945 stand man in der Stadtplanung in Deutsch- tungen von Albert Erich Brinckmann weist eine ver- land vor anderen Voraussetzungen. Die steinerne Stadt blüffende geistige Nähe auf, bei der zur Recht von einer lag in Trümmern. Fragen des Wieder- oder Neuaufbaus Wiederaufnahme bzw. Fortführung stadtbaukünst- standen neben den praktischen Belangen der lerischen Theorien im sozialistischen Gewand gespro- Wohnraumbeschaffung auf der Tagesordnung. Gleich- chen werden kann. zeitig wurden aber Stadtplanungsansätze und im ver- stärkten Maße die Architektur selbst – mit der Teilung Städtebau um 1900 Deutschlands 1949 endgültig – zu ideologischen Frage- Im Zuge der gravierenden sozialpolitischen und stellungen. Im Geplanten und Gebauten sollten sich der wirtschaftlichen Umwälzungen im 19. Jahrhundert in neue Staat und vor allem die neue Gesellschaftsform Europa wandelten sich das Gesicht und vor allem die widerspiegeln. Anzahl der Städte. Das schnelle Wachstum und der In dem sich 1949 neu konstituierenden Staat der enorme Menschenzustrom erforderten eine effiziente DDR war man schnell bemüht, für die neue sozialisti- Stadtplanung, um nicht im gänzlichen Chaos zu enden. sche Gesellschaft ein adäquates Stadtbild mit dazu In diesem Zusammenhang formierte sich der moderne gehörender Städtebautheorie zu formulieren. Bereits im Städtebau als neue, eigene Disziplin. Zuerst waren es Aufbaugesetz von 1950 ist die Wiedereinführung der die Ingenieure, die eine Stadtplanung vordergründig Kunst in den Städtebau dezidiert formuliert. So heißt es nach technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunk- unter §12, Punkt 1 des Aufbaugesetzes: «Für den Auf- ten vollzogen und der Stadt, aufgrund von fehlenden bau der Städte nach den fortschrittlichen Erkenntnissen staatlichen Eingriffsmöglichkeiten, mit dem Bebau- der Wissenschaft, Technik und Kunst sind die besten ungsplan nur ein grobes Gitternetz zugrunde legen Fachkräfte des Städtebaus und der Architektur heran- konnten. Der Grund und Boden der Stadt verkam zum zuziehen.»8 Spekulationsobjekt, die «Stadt als Kunstwerk» wurde Die Aufgaben und Ziele des Städtebaus und seiner zur «Stadt als Geschäft».3 Von dieser Situation ausge- stadtbaukünstlerischen Komponenten sind ausführli- hend formierte sich im städtebaulichen Diskurs als Ge- cher in den 16 Grundsätzen des Städtebaus als allge- Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 2

meingültige Richtlinien für den Aufbau der kriegszer- mischte. Edmund Collein18 konstatierte dazu: «Bei der störten Städte definiert worden.9 Mit diesen bekannte Anlage dieser Mietskasernenviertel trat an die Stelle man sich zur kompakten, geschlossenen Stadt mit ei- städtebaukünstlerischer Erwägungen die nackte Profit- nem hierarchisch gegliederten und künstlerisch be- gier der Bodenspekulation.»19 Zudem wurden speziell wusst gestalteten Stadtraum. Zwar sind die Grundsätze moderne Städtebautheorien, die wie die Konzepte der auf der Reise nach Moskau10 entstanden, sie können Gartenstadt oder des Zeilenbaus ebenso als Antworten aber inhaltlich nicht als reiner sowjetischer Import ange- auf die Situation um 1900 erarbeitet worden waren, ver- sehen werden. Dass es in der stadtbaukünstlerischen worfen und als «formalistisch», in ihrer Form schema- Auseinandersetzung sehr wohl andere Bezugspunkte tisch und allgemeingültig deklassiert.20 gab, verdeutlicht exemplarisch eine Aussage Gerhard Das aggressive Gebaren der Bodenspekulation ist 11 Strauss‘, von 1953 bis 1958 Direktor des Instituts für um 1900 ebenso vehement kritisiert worden, verbunden Theorie und Geschichte der Baukunst an der Deut- mit dem Wunschgedanken einer allumfassenden schen Bauakademie. In seiner Rezension zu Brinck- Planungshoheit zugunsten einer einheitlichen Stadt- manns Baukunst bezeichnet er «A. E. Brinckmann und gestalt.21 Aufgrund fehlender Eingriffsmöglichkeiten in damit ein[en] Deutsche[n]» als den «Bahnbrecher» der die Privatparzelle wurde ein Kompromiss zwischen Stadtbaukunst und folgert, «daß man in der sozialisti- öffentlichen und privaten Interessen angestrebt, indem schen Sowjet-Union die Einheit von Architektur und Stadtbaukunst vor allem auf öffentlichen Plätzen prakti- Städtebau bereits seit langem in ihrer Bedeutung er- ziert werden sollte.22 Brinckmann reißt in Platz und Mo- kannt und deshalb schon frühzeitig Arbeiten von A. E. nument den Gedanken einer ordnenden Macht noch Brinckmann übersetzt hat.»12 zaghaft an,23 wohingegen er in den folgenden Publika- tionen klarere Worte findet. Im letzten Absatz zur eng- Der Antiliberalismus im Städtebau lischen Stadt des 18. Jahrhunderts schreibt er: «Aber Gemeinsames städtebauliches Feindbild, sowohl in der suchen nicht auch wir statt Zersplitterung wieder aus- DDR als auch im Reformstädtebau um 1900, war der gleichende Zusammenfassung in jeder Hinsicht? Und liberale Städtebau mit seiner fragmentierten Stadt- hat nicht der Sozialismus hier eine seiner wichtigsten gestalt und Beliebigkeit an Formen in der Architektur- Aufgaben zu suchen? Wie nun, wenn damit auch die sprache, der zu einem Niedergang der Stadtbaukunst neue architektonische Form gewonnen würde?»24 geführt habe. Die zeitgenössische Kritik der Akteure um Mehrfach betont er, dass die einheitliche Gestaltung 1900 an der Stadtgestalt lässt sich mit den Schlag- früherer Zeiten nur durch eine «zentrale Kraft» möglich worten «Langeweile» und «Motivenarmut»,13 «Herz- gewesen sei, die zudem einen schöpferischen Geist losigkeit»,14 «Begradigungswahn»15 und dem Vorwurf besaß: «Etwas aber war nötig, damit diese natürlichen des Schematischen16 wiedergeben. Bezeichnender- und künstlerischen Veranlagungen zu solchen Leis- weise charakterisierten beide, die Theoretiker der Deut- tungen sich umformen konnten, wie wir sie in Rom be- schen Bauakademie wie auch die Reformstädtebauer, wundern: eine einheitliche Lenkung aller Kräfte durch das ausgehende 19. Jahrhundert in Bezug auf Architek- eine zentrale Kraft, die selbst schöpferisch veranlagt tur und Städtebau mit dem Wort «Verfall».17 Die ver- war. Die unbedingte Notwendigkeit einer solchen Zen- heerenden Fehlleistungen des kapitalistischen Städte- tralisierung für alle künstlerischen Leistungen im Städ- baus bzw. dessen vorliegendes Erbe in der DDR galt es tebau beweist das 18. Jahrhundert, den Gegenbeweis zu überwinden und, auf Grundlage eines antiliberalen erbringt gleich darauf im neunzehnten die vielköpfige Städtebaus, wieder Stadtbaukunst zu praktizieren. Dies Zusammensetzung der städtischen Magistrate. Und im bedeutete, zu einer künstlerischen Gestaltung des 20. Jahrhundert sehen wir nur dort gute Leistungen ent- Stadtraumes zu gelangen und diesen einheitlich als stehen, wo es gelingt, eine ähnliche schöpferisch Gesamtkunstwerk auf- und zusammenzufassen. begabte, nicht einmal notwendig schöpferisch tätige 25 Die Kritik in der DDR bezog sich generell auf den als Zentralgewalt zu schaffen.» kunst- und inhaltslos empfundenen kapitalistischen, Dieser um 1900 zaghaft, teilweise mit Fragezeichen liberalen Städtebau, der die Mietskaserne hervorge- als Lösung angedachte Antiliberalismus wurde in der bracht hatte, in die sich – gemäß ihrem sozialistischen DDR dagegen verwirklicht. Unter Punkt III, §14, Punkt Staatsverständnis – eine generelle Kapitalismuskritik (2) des Aufbaugesetzes ist die Grundlage zur «Inan- Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 3

spruchnahme» der im Aufbaugebiet liegenden Flächen, derer Stelle bezog sich Strauss hinsichtlich des Ein- ohne eine eindeutige Klärung der Entschädigung, ver- flusses der Gesellschaft auf das Bauschaffen auf ankert worden.26 Damit war die rechtliche Grundlage Grundgedanken Brinckmanns. In seiner Rezension zu für die staatliche, auf Einheit bedachte Planungshoheit Brinckmanns Buch Baukunst ergänzte er den Aus- gesetzt. Der Antiliberalismus als Grundlage der Stadt- spruch Brinckmanns, «man baut so, wie man sich baukunst konnte nun, unter den veränderten gesell- selbst empfindet» um die Bedeutung der gesellschaft- schaftlichen Vorzeichen, eingesetzt und mit einem lichen Wirklichkeit und der Widerspiegelung dieser in sozialistischen Inhalt erweitert werden. Die neue Gesell- Architektur und Städtebau: «Das Sich-Selbstempfinden schaftsordnung brachte diesen Inhalt in die Stadtbau- des Menschen und auch die allgemeinen Merkmale der kunst: «Der Kapitalismus mit all seinen Widersprüchen architektonischen Form sind von den gesellschaftlichen ist nicht mehr fähig, die Aufgabe der künstlerischen Bedingungen abhängig, deren Bedeutung in den Darle- Komposition der Stadt zu stellen. Der Sozialismus gibt gungen von A. E. Brinckmann gleichsam latent wirksam der Stadt wieder eine Idee und damit die Voraussetzung ist, ohne ausdrücklich formuliert zu sein.»32 der künstlerischen Gestaltung.»27 Auf der Basis der Neben der steten inhaltlichen Auseinandersetzung sozialistischen Gesellschaft ist nun Stadtbaukunst als mit Brinckmanns Schriften standen die beiden auch in Einheit von Inhalt und Form möglich: «Eine Stadt ist so einem persönlichen Briefkontakt, aus dem zu Fragen zu gestalten, daß die neue Gesellschaftsordnung in ihr des Städtebaus und der Architektur tiefe fachliche Ver- vollständig und einprägsam zum Ausdruck kommt.»28 bundenheit und gegenseitige Zustimmungen herauszu- Strauss sah in der Bestimmung einer neuen Grundge- lesen sind.33 So schreibt Brinckmann im Februar 1958 sinnung eine Analogie zu Brinckmann und fasste dies an Strauss: «Es ist bedauerlich, dass unsere, und ich 1956 auf der Erfurter Konferenz zum Städtebau in meine hier ganz speziell Sie und mich, Kontakte durch sozialistischen Ländern in seinem Referat Über den Zeit und Distanz so gering sind, denn ‹die Annäherung Aufbau historischer Städte in Deutschland seit 1945 des Geistigen hinter den sichtbaren Formen› ist doch und einige damit verbundene historische und gestalteri- wohl beträchtlich [...].»34 Inhaltlich trafen sich Brinck- sche Probleme folgendermaßen zusammen: «Große mann und Strauss, der selbst bei Brinckmann in Köln Gestaltung bedarf entsprechender gesellschaftlicher studiert35 hatte, in ihrer Kritik an der Architektur der Mo- Voraussetzungen und aus ihnen resultierende große derne des Westens,36 an den «Behausungshülsen»37 Ideen, die jedes Detail durchdringen und alle Teile zu ei- und «Menschenstapelhäusern»38 eines Le Corbusiers nem Ganzen zusammenzuschließen vermögen. Beim und der «Dekomposition [...] in der Gangsterkultur des Städtebau sind solche umfassenden Ideen fast noch Westens».39 Für seine Heimatstadt Köln konstatierte wichtiger als beim Einzelbau, da die Stadt eine ausge- Brinckmann den Verlust an Stadtraum und den Verfall sprochene gesellschaftliche Erscheinung ist. A. E. ins Chaotische.40 Zu Brinckmanns 50jährigem Doktor- Brinckmann hat davon gesprochen, daß eine neue jubiläum im Jahr 1956 veranstaltete die Humboldt Uni- Grundgesinnung die Vorbedingung für neue Werke von versität zu einen Festakt. In dem Glückwunschte- bleibendem Wert ist.»29 legramm an Brinckmann würdigte Strauss ihn als «de[n] Wegbereiter der neueren deutschen Kunstwissen- Stadtbaukunst im sozialistischen Gewand – Brinck- schaft», der «den Grundstein zur Geschichte der Stadt- mann und die Deutsche Bauakademie baukunst, die sich seither von Ihren Werken ausgehend, Strauss bezog sich mit dem eben erwähntem Zitat auf im In- und Ausland zu einer speziellen Disziplin entwik- die Einleitung in Brinckmanns Buch Deutsche Stadt- kelte» gelegt habe.41 Strauss bemühte sich auch um baukunst in der Vergangenheit, in der es um die Me- die Verleihung der Ehrendoktorwürde für Brinckmann, thode der Gestaltung geht: «Eine neue Grundgesinnung die anlässlich seines 75. Geburtstages stattfinden soll- ist Führerin zu neuen Einzelwerten einer neuen Zeit.»30 te, letztlich aber nicht zustande kam.42 Diese «menschenwürdige Grundidee» manifestiert sich Unter den Methoden des DDR-Städtebaus galt «der nach Strauss in einer Stadt, in der Ordnung und Gestal- Verwendung der fortschrittlichen Elemente des Kultur- tung dem Gemeininteresse untergeordnet sind und erbes des Volkes»43 ein besonderes Augenmerk. diesem entsprechend für die jeweilige Stadt die städte- Strauss führte in diesem Zusammenhang den Begriff bildenden Faktoren festgelegt werden.31 Auch an an- der «Regeneration» ein, als dritte Möglichkeit nach Re- Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 4

Abb.1: Plan von bis 1890. (Riehl 1956, Die städtebauliche Abb.2: Dessau Wettbewerb 1952, Zentraler Bezirk, 2. Preis Kollektiv Entwicklung und Planung, S. 12). Hinkefuss, Becker, Kunz, Neumann – Planungsgruppe DBA (Wiss. Slg. IRS, Ordner 1 Dessau, Bl. 8/3). konstruktion und Restauration, der die materielle Ver- nichten um eine Wiederherstellung oder gar exakte Ko- besserung und die Lösung gestalterischer Probleme pie des Vergangenen. Am differenziertesten äußerte beinhaltete.44 Für die Baukunst stellte sich folgende sich Brinckmann zum Umgang mit historischen For- Frage: Wo hört ein Historismus auf und fängt eine Neu- men. «Der Gewinn der Historie besteht in der Erkennt- schöpfung an? Gemäß dem propagierten sozialis- nis der Prinzipien künstlerischer Tätigkeit, die ein bedin- tischen Realismus ging es um eine schöpferische und gungsloses ‹Neues in entwickelter Form schaffen!› der kritische Weiterentwicklung des nationalen, als progres- Gegenwart zuruft»,48 schrieb er 1908 in Platz und Mo- siv eingestuften Kulturerbes.45 Strauss führte dazu bei- nument. Auf die Problematik eines drohenden Historis- spielsweise die bürgerliche Stadterweiterung Karlsru- mus’ bzw. des leeren Kopierens alter Formen kam er hes von Weinbrenner als gelungene «Methode der auch in späteren Werken zu sprechen. Brinckmann schöpferischen Aneignung der nationalen Tradition» stellte den Versuch «den stadtbaukünstlerischen Ge- an.46 In der künstlerischen Behandlung des Stadtrau- staltungsgesetzen beizukommen, die ewig gültig sind» mes, von der Straße bis zum Platz und den Gebäuden, in den Vordergrund und lehnte das «Kopieren von Moti- sollte die Stadtbaukunst der Vergangenheit nicht wie- ven» entschieden ab.49 Diese Gestaltungsgesetze wür- derholt werden, sondern «die neue Kultur des Städte- den auf ihre Wirkungsmechanismen hin und, dank der baus das Große und Schöne des nationalen Erbes künstlerischen Gesinnung, auf die Integrierbarkeit in deutscher Städte in sich aufnehmen und weiterentwik- das Gesamtgebilde untersucht, was dann in der End- 47 keln». Die Lesbarkeit und damit die Vertrautheit zur fassung ein «Nachfühlen» ermögliche.50 «Dies Nach- nationalen Kulturtradition sollten auf der einen Seite fühlenkönnen aber ist die Grundbedingung für eine ar- den Bezug zur eigenen Vergangenheit und auf der an- chitektonische Kultur, an der das Volk in seiner deren Seite das Fundament für eine neue Sprache zu Gesamtheit teilnehmen muß. Diese wird es dann mög- einem neuen Inhalt bringen. lich machen, in der architektonischen Form den Cha- Den Reformstädtebauern der Jahrhundertwende rakter unserer gesamten Kultur, Gesinnung und Bestre- ging es mit ihrer Rückkehr zur Stadtbaukunst auch mit- bungen der Bürger darzustellen, die spezielle Form für Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 5

Abb.3: Dessau Wettbewerb 1952, Zentraler Platz, 2. Preis Kollektiv Hinkefuss, Becker, Kunz, Neumann – Planungsgruppe DBA (Wiss. Slg. IRS, Ordner 1 Dessau, Bl. 8/2). einen neuen Geist selbständig zu gestalten.»51 Diese und architektonischer Schwerpunkte», die «Schaffung Worte Brinckmanns umschreiben eigentlich die in den von Kontrastwirkungen [...] der verschiedenen Stadttei- 50er Jahren in der DDR verfolgte baukünstlerische In- le, Straßen, Plätze und Einzelbauwerke» und eine «Zu- tention, nämlich die Verdeutlichung der neuen Idee des sammenfassung einzelner Elemente des Stadtaufbaues Sozialismus auf den Fundamenten der eigenen histori- zum Gesamtkunstwerk durch vom Kleinen zum Großen schen Tradition. fortschreitende Ensemblebildung»53 aufgeführt. In der theoretischen Aufbereitung von Stadtbaukunst Die übergeordnete Stellung des Zentrums mit sei- in der DDR spielten die Schlüsselbegriffe Raum, Platz nem Zentralen Platz als Versammlungs- und Demon- und Stadtsilhouette eine entscheidende Rolle. Bereits strationsort, der die gesellschaftliche und politische im 9. Grundsatz der 16 Grundsätze des Städtebaus Mitte der sozialistischen Gemeinschaft versinnbild- heißt es richtungsweisend: «Das Antlitz der Stadt, ihre lichen sollte, sollte sich auch dezidiert im Stadtbild nie- individuelle künstlerische Gestalt wird von Plätzen, derschlagen: «Das Zentrum der Stadt wird mit den Hauptstraßen und den beherrschenden Gebäuden im wichtigsten und monumentalsten Gebäuden bebaut, Zentrum der Stadt bestimmt (in den größten Städten beherrscht die architektonische Komposition des von Hochhäusern). Die Plätze sind die strukturelle Stadtplanes und bestimmt die architektonische Silhou- Grundlage der Planung der Stadt und ihrer architektoni- ette der Stadt.»54 Das Handbuch für Architekten unter- schen Gesamtkomposition.»52 streicht, dass der Zentrale Platz «Ausgangspunkt für die Auf die einzusetzenden künstlerischen Gestaltungs- Entwicklung des Straßen- und Platzsystems» sei und prinzipien für eine sozialistische Stadtgestalt wird aus- «der vorbereitenden Wirkung von vorgeschalteten Plät- führlich im Handbuch für Architekten aus dem Jahr zen und entsprechend gestalteten Zuführungsstraßen» 1954 eingegangen. Aus den angeführten Gestaltungs- bedürfe.55 «Die räumliche Ordnung dieser Plätze und prinzipien lässt sich eine Reflexion über den Reform- ihre Abstimmung aufeinander hinsichtlich Größe und städtebau herauslesen. Als die fünf grundsätzlichen architektonischer Gestaltung ist eines der wichtigsten Gestaltungsmerkmale sind die «Klarheit des Stadtauf- Elemente der Schönheit einer Stadt.»56 Der Stadtraum baues und besonders der Raumbeziehungen», die «Un- werde als solcher erlebbar gemacht; Plätze und Stra- terscheidung des gesellschaftlich Hauptsächlichen ßen sind nicht mehr Zufallsprodukt privatwirtschaftli- vom Nachgeordneten durch Entwicklung räumlicher cher Bodenspekulation, sondern geplante künstleri- Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 6

Eine vorbildhafte und gute Behandlung von Plätzen sah Brinckmann in den französischen Stadtplätzen des 17. und 18. Jahrhunderts, insbesondere in den Stern- plätzen.61 Diese verstünden es, die Raumverhältnisse richtig zu ordnen und Räume angemessen entstehen zu lassen. Für Brinckmann ist der Platz in der Geschichte der Stadtbaukunst seit jeher ein Sammelpunkt gestei- gerter Wirkungen und ästhetischer Kraft, aber auch des städtischen Lebens.62 «Auf dem Platz geht die Bewe- gung der Straßen in die Breite auseinander, kommt zum Stillstand. Hier ist der natürliche Sammelort der Bewoh- ner der Stadt beim täglichen Verkehr und Handel, ihr Beratungsplatz, Rüstplatz und Festplatz, die Stelle für Strafvollstreckungen. An dem Stadtplatz sammeln sich in natürlicher Weise die Baulichkeiten, die die Verwal- tung der Stadt, ihre Korporationen nötig haben, Rat- haus, Gildenhäuser, Zeughaus, Fest- und Tanzsaal.»63 Die unbedingte Geschlossenheit der Platzwände war in der Stadtbaukunst der DDR für die räumliche Wir- kung nicht Voraussetzung: «Je größer solche Öffnun- gen, umso wichtiger ist, daß die Architektur die raumbil- dende Funktion der Platzwand unterstützt.»64 Diese

Abb.4: Dessau Wettbewerb 1952, Diagonalstraße, 2. Preis Kollektiv Aussage gleicht der Brinckmanns, wenn er von der Hinkefuss, Becker, Kunz, Neumann – Planungsgruppe DBA (Wiss. Slg. 65 IRS, Ordner 1 Dessau, Bl. 8/4). «Behandlung der Wände» spricht: «Durch die Öffnun- gen der Wandungen aber wird die Raumwirkung eines sche Elemente des gesamten Ensembles Stadt, in dem Platzes nie und nimmer zerstört; denn, um es mit Ent- die Gesellschaftsordnung klar zum Vorschein komme. schiedenheit zu betonen: das Bleibende eines Raumes Die beabsichtigte künstlerische und planvolle Ge- beruht nicht in der lückenlosen Umbauung, sondern in staltung von Platz- und Straßenzügen und die artikulier- der Behandlung seiner Wände.»66 te Rhythmisierung und Komposition der Stadt bzw. des Stadtbaukünstlerisch waren in der DDR für den kon- Zentrums finden sich auch bei Brinckmann in seinem kreten Stadtraum und seine Raumwirkung «Differenzie- Absatz «Rhythmus des Raumes»57 wieder. Der gebaute rungen der Bauwerke nach Größe, Maßstab und Raum verlange nach einer Ordnung und Inbezie- architektonischer Behandlung»67 vorgesehen. Zur Dif- hungsetzung der Elemente untereinander, die sich in ei- ferenzierung würden die rechten «Verhältnisse von ner rhythmischen Gruppierung widerspiegeln könnten. Wand und Fensteröffnung», «gesteigerte Maßverhält- Denn die künstlerisch gestaltete Stadt sei ein «lebendi- nisse», «besondere farbige Behandlung, reichere archi- ger Organismus, plastischer und räumlicher Körper».58 tektonische Ausgestaltung», «bewegte Gliederung der «Straßen und Plätze als positive Gebilde aufzufassen, Baumasse und Vorziehen vor die Bauflucht» und eine sie als bestimmt begrenzte Baublöcke zu geben, sie in «stärkere Höhenentwicklung» führen.68 Auf einzelne gute Größenverhältnisse zueinander zu setzen, endlich dieser Gestaltungsmittel hatte bereits Brinckmann in sogar rhythmische Funktionen in ihrer Raummasse zum seinen Untersuchungen zur Stadtbaukunst hingewie- Ausdruck zu bringen, ist höchste architektonische Auf- sen; bezeichnenderweise wird zur Verdeutlichung der gabe im Stadtbau.»59 In Platz und Monument beschrieb aufgezählten Gestaltungsprinzipien das gleiche Bildma- er die «gerade breite Straße» und den «regelmäßige[n] terial herangezogen wie in den Publikationen Brinck- Architekturplatz» als das «Kern- und Rückgrat der manns.69 Brinckmann erläuterte, dass die Gegensätze Stadt, die monumentale Gestaltung des Raumes», die in räumlichen Volumen «in der Wirkung von Größenver- im Wechselspiel mit unregelmäßigen Quartieren «einer hältnissen die stärksten» wären.70 Dabei sei auch ent- Stadt Gliederung, Steigerung und Rhythmus» gäben.60 scheidend, «ob sie [die architektonische Qualitäts- Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 7

Abb.5: Dessau Wettbewerb 1952, Fassaden und Grundrisse, 2. Preis Kollektiv Hinkefuss, Becker, Kunz, Neumann – Planungsgruppe DBA (Wiss. Slg. IRS, Ordner 1 Dessau, Bl. 8/5). arbeit, S. T.] nach ihrer Einfügung in eine festgelegte aller Glieder eines Stadtorganismus bis hin zum Einzel- Straße, einen bestehenden Platz mit ihrer Umgebung bauwerk zu einem wirkungsvollen Gesamtkunstwerk. sich zusammenzuschließen vermag, Straße und Platz in Diese Forderung wird durch das Prinzip der Ensemble- ihrer Wirkung steigert und für sich selbst die notwen- bildung erfüllt.»78 digen Lebensenergien aus diesem Zusammenschluß 71 ziehen kann.» Um aber in dieser Geschlossenheit des Künstlerischer Städtebau in Dessau Ensembles Eintönigkeit und Schematismus zu vermei- Die voran gegangenen Abschnitte haben die hohe in- den, seien bewusste Akzente im Detail, Abwechslungen haltliche Nähe zwischen den städtebaulichen Theorien und Kontraste einzusetzen, auch um Monumentalbau- verdeutlicht. Inwieweit diese in der DDR umgesetzt ten einbinden zu können. Feinheiten würden herausge- werden konnte, will ich im Folgenden anhand des stellt und das Auge des Betrachters beruhigt.72 Die städtebaulichen Wettbewerbs zum Wiederaufbau Des- «aus mehreren Häusern gebildete kubische Einheit des saus aus dem Jahr 1952 darlegen. Exemplarisch soll Blocks aus ihren Proportionen heraus zu gliedern»73 sei ein Wettbewerbsbeitrag auf stadtbaukünstlerische As- ein Mittel der Differenzierung. Zur Kontrastierung eines pekte und Charakteristika hin untersucht werden, um Monumentalbaus, wie beispielsweise eines Rathauses, auf die Rezeptionspunkte zum Reformstädtebau um eigneten sich unterschiedliche Maßstabsverhältnisse in 79 Bezug auf Fassaden- und Baukörpergliederung, Einset- 1900 hinweisen zu können. Wie das Zusammenspiel zungen von Details wie Dachluken und eine besondere von Stadtbaukunst und sozialistischem Inhalt gelingt, Flächenbehandlung.74 In der Ausbildung des Bau- ist dabei die zentrale Frage. blocks werde nach Brinckmann aus der Vielheit eine Im Mai 1952 wurde vom Rat der Stadt in der Deut- höhere Einheit gebildet.75 Durch diesen zusammenge- schen Architektur ein Wettbewerbsaufruf an die Bevöl- fassten Baublock76 könnte die Zersplitterung des kerung Dessaus verkündet.80 Zudem erschien die klei- Stadtgrundrisses beseitigt und ein Zusammenhang her- ne Publikation Dessau und sein Wiederaufbau, die die gestellt werden: «Erst die Überwindung dieses zerfet- Grundlagen für die städtebauliche Gestaltung Dessaus zenden Individualismus im Hausbau wird der Erschei- nach Vorstellungen des Rates der Stadt und den 16 nung einer ganzen Stadt Zusammenhang geben Grundsätzen darlegte.81 Darin sind die Platzierung der können.»77 «wichtigsten und monumentalsten Gebäude[n]», die Diese von Brinckmann formulierten Gestaltungs- Beherrschung der Silhouette der Stadt durch die archi- mittel über die Ensemblebildung gleichen im Inhalt den tektonische Komposition und die Bedeutung des Platz- Forderungen des DDR-Städtebaus: «Die künstlerische bildes, das von «große[n] schöne[n] Gebäude[n], monu- Gestaltung einer Stadt erfordert die Zusammenfassung mentale[n] Gruppierungen»82 bestimmt werden soll, Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 8

Abb.6: Dessau Wettbewerb 1952, Bahnhofsvorplatz, 2. Preis Kollektiv Hinkefuss, Becker, Kunz, Neumann - Planungsgruppe BDA (Wiss. Slg. IRS, Ordner 1 Dessau, Bl. 8/6). festgelegt. Im dritten Heft der Deutsche Architektur aus auch der 9. Grundsatz der 16 Grundsätze des Städte- dem Jahr 1952 erschien dann die offizielle Ausschrei- baus,85 in dem die künstlerische Gestalt einer Stadt bung eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs83 von von Plätzen, Hauptstraßen und beherrschenden Ge- Seiten des Ministeriums für Aufbau und dem Rat der bäuden im Zentrum bestimmt würde, widerspiegeln. Stadt, aus dem kein erster Platz hervorging: Als Folie liegt dem Entwurf der historische, aus dem Zweiter Preis: Kollektiv Hinkefuss, Becker, Kunz, späten 18. Jahrhundert stammende Straßengrundriss Neumann – Planungsgruppe DBA. zugrunde (Abb. 1). Diese Orientierung an der «historisch Dritte Preise: Kollektiv Müller, Sprung, Gebhardt – entstandene[n] Struktur der Stadt»86 entspricht ganz Dessau, Kollektiv Reuter, Halle, Sonderbüro Bonitz, dem 5. Grundsatz der 16 Grundsätze des Städtebaus. Montag, Mörchen, Nickerl, Ferner, Schulz, Gloger. Dominierende Magistralen im Stadtbild bleiben die Ka- Ankäufe: Dipl. Ing. Berger – Halle, Kollektiv Stamm, valierstraße (Abb. 2, Nr. 4) in nordsüdlicher Ausrichtung, Pompl, Dienst – Dessau, Kollektiv Wagner, Klotz, Frank, die Antoinettenstraße (Abb. 2, Nr. 5) als Entrée zum Hoffmann – Weimar I, Kollektiv Wagner, Klotz, Frank, Zentralen Bezirk vom Bahnhof aus und die Askanische Hoffmann – Weimar II, Kollektiv Hartmann, Wohlmann – Straße (Abb. 2, Nr. 6) in ostwestlicher Ausrichtung. Das Weimar . historische Rondell (Abb. 2, Nr. 7) im Süden wird über- Schaut man sich die zweitplatzierte Einreichung des nommen und durch eine fast geschlossene Platzrand- Kollektivs Hinkefuss, Becker, Kunz, Neumann aus der bebauung samt repräsentativem Gebäude an der west- Planungsgruppe der Deutschen Bauakademie (Abb. 2) lichen Seite gefasst und gibt den Blick zum Fluss Mulde an, ist erkennbar, dass diese sich im Großen und Gan- frei. Durch die Erschließung des südlichen Uferab- zen an die formalen Grundlagen des städtebaulichen schnitts wird versucht, die Mulde in das Stadtbild zu in- Erläuterungsberichts hält. Betont werden die städte- tegrieren. baulichen Schwerpunkte wie Bahnhofsvorplatz (Abb. 2, Welche bereits erarbeiteten stadtbaukünstlerischen Nr. 1), Diagonalstraße (Abb. 2, Nr. 2) und der Zentrale Gestaltungsprinzipien und weitere Forderungen der 16 Platz (Abb. 2, Nr. 3), worin sich wiederum der 6. Grund- Grundsätze lassen sich ferner in dem Wettbewerbsbei- satz, «die wichtigsten politischen, administrativen und trag wiedererkennen? Wird das Prinzip des stadtbau- kulturellen Stätten»84 im Zentrum zu gruppieren, als künstlerischen Ensembles sichtbar? Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 9

In dem Entwurf fällt die kleinteilige Blockrandbebau- konvexen Krümmung in die Diagonalstraße über. Am Al- ung mit begrünten Wohnhöfen87 (Abb. 2, Nr. 8) auf. Die brechtsplatz (Abb. 4, Nr. 2), mit seinen unregelmäßigen Verbindung zwischen Bahnhof und Zentrum erscheint Straßeneinmündungen, springen die Eckbauten betont aufgrund der teilweise fehlenden Bebauung, aber be- hervor. Der Aufrissentwurf (Abb. 5) verdeutlicht, wie grünten Freifläche zwischen der Fritz-Hesse-Straße Architektur unter der Prämisse von «der Verwendung und der Antoinettenstraße als eine ein wenig zu breit der fortschrittlichen Elemente des Kulturerbes des angelegte Magistrale, die aber durch die wechselnde Volkes»88 auszusehen hat. Die schlichte Lochfassade Abfolge von begrünten Platzsituationen und differen- rekurriert mit den Pilastern und bekrönenden Dreiecks- ziert gestalteten Straßenwandungen zu einem ensem- giebeln an den Kopfbauten auf den anhaltinischen blehaften Straßenraum komponiert wird. (Abb. 2, Nr. 5) Frühklassizismus Dessaus. Der nördliche bebaute Abschnitt dient dem südlichen Der Bahnhofsvorplatz (Abb. 6) wird hier nach Norden Abschluss des Bahnhofsvorplatzes; zudem ist an der hin durch einen Seitenflügel des Bahnhofsgebäudes südlichen Seite des Friedensplatzes ein weiteres Ge- abgeschlossen, wodurch der an sich sehr unregelmäßi- bäude (Abb. 2, Nr. 5) eingezeichnet, das den Raum vor ge Platz gefasst wird und gleichzeitig ein Ehrenhofmotiv dem Theater abschließt. Aufgefangen wird der Straßen- entsteht. Der Eingang zum Zentralen Bezirk wird an der zug von einem exedrenförmigen Bau mit Seitenflügeln. Antoinettenstraße durch sowohl zurückspringende als Die künstlerische Planlegung wird auch in weiteren auch risalitartig hervorstechende Kopfbauten markiert, Details sichtbar. (Abb. 2) Im Nordosten fallen kleinere, an der Fritz-Hesse-Straße sind es schlichtere risalitför- kompakte Platzsituationen auf, die mit geschlossener mige Vorsprünge. Beide Straßenverläufe vollziehen an Blockrandbebauung gefasst sind. Die Straßenzüge und besagter Stelle eine leichte Krümmung nach. Kreuzungspunkte sind im Detail sehr differenziert ge- Der einheitliche, ensemblehaft durchkomponierte staltet. Sie erweitern bzw. verengen sich und vollziehen und zusammengefasste Stadtraum mit seiner ge- mit ihren Wandungen den konkaven bzw. konvexen schlossenen Blockrandbebauung erstarrt nicht zum Straßenverlauf nach. Zusammengefasste Blockfronten Schema, sondern wird durch den abwechslungsreichen werden durch Vor- und Rücksprünge, Auslassungen Einsatz der künstlerischen Gestaltungsmittel rhyth- und betonte Kopfbauten insbesondere an Ecken und misch variiert. Die gradlinigen Hauptmagistralen sind Kreuzungen variiert. repräsentativ, die Wohnareale kleinteiliger, mit begrün- Der weiträumige, die übrigen Dimensionen des ten Wohnhöfen gestaltet. Hinsichtlich einer Ensemble- Stadtgrundrisses sprengende Zentrale Platz (Abb. 3) ist bildung wird versucht, sowohl im Kleinen das Einzel- trapezförmig westlich des Rathauses (Abb. 3, Nr. 1) an- bauwerk einer Gebäudegruppe – wie dem Wohnblock – gelegt, der südlich von der Magistrale geschnitten wird. oder einem ganzen Straßenzug, als auch im Großen Das Kulturhaus (Abb. 3, Nr. 2) ist an der westlichen den Stadtaufbau dem bestimmenden Moment des Schmalseite eingezeichnet, dessen Eingang ein Giebel- Stadtzentrums samt (möglicher) Stadtsilhouette unter- portikus bildet, sich in der Höhe aber nicht entschieden zuordnen. Das Nebeneinander einzelner stadträumli- von den anderen Bauten abhebt. Höhenakzente am cher Ensembles erzeugt eine bewusste Kontrastierung Zentralen Platz sind der Kirchturm der Marienkirche im gesamten städtischen Ensemble, die sich aber zu ei- (Abb. 3, Nr. 3) und der Rathausturm. Trotz der Weite des nem einheitlichen Stadtorganismus zusammenfügen. Platzes wird dennoch an einer differenzierten Gestal- Das Stadtzentrum mit dem Zentralen Platz ist tung der Baublöcke festgehalten, wie es die leichte schließlich die Schlüsselstelle Dessaus, aber auch die Krümmung an der südlichen Magistrale oder die trapez- Schlüsselstelle einer sozialistischen Stadtgestaltung förmig ausschwingende Nordseite andeuten. überhaupt, das die «individuelle künstlerische Die Pläne zur Diagonalstraße, Grund- wie Aufriss, Gestalt»89 der Stadt mitbestimmt und Mittelpunkt des (Abb. 4 und 5) zeigen einen beispielhaft komponierten politischen Lebens90 sein sollte. Dort wird die Gemein- ensemblehaften Straßenraum, der durch vorspringende schaft repräsentiert, dort spielen sich die politischen Kopfbauten an den jeweiligen Enden eingefasst wird. und kulturellen Aktivitäten dieser ab. Dieser Platz selbst Die Blockfront selbst wird durch vorspringende Mittelri- bleibt aber in einer bisweilen eigentümlichen Gestalt. salite variiert. Die Bauflucht am östlichen Neumarkt Dort weicht der Stadtplan von der historischen Folie ab, (Abb. 4, Nr. 1) ist leicht zurückgesetzt, leitet aber in ihrer schafft im Gegensatz zur Umgebung und zur Größe der Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 10

Stadt eine weiträumige, künstliche Freifläche und wird Endnoten damit in seiner Kohärenz gestört. Jegliche Begrünung oder feinere, differenzierende Platzgestaltungen fehlen, 1 Grundlage dieses Artikels ist meine in diesem Jahr fertig gestellte Magisterarbeit: es ist und bleibt ein reiner Kundgebungsplatz für Fließ- Tazbir 2009, Die Rezeption des künstlerischen Städtebaus. 2 Durth 1999, Architektur und Städtebau in der DDR. Ostkreuz. und Standdemonstrationen. Durth 2007, Architektur und Städtebau in der DDR. Die frühen Jahre. 3 Begriffe von Fehl: Fehl 1983, «Stadt als Kunstwerk», S. 135. Fazit 4 1843-1938. Sitte (1909) 2002, Städtebau. 5 1842-1927. Henrici 1904, Beiträge zur praktischen Ästhetik. Die Gestaltung und Platzierung des Zentralen Platzes 6 1862-1938. Fischer 1920, Stadtbaukunst. 7 1881-1958. Studium der Kunstgeschichte in München und Berlin. verdeutlicht die Schwierigkeiten eines stadtbaukünst- Promotion an der Friedrich-Wilhelms-Universität 1905, später 1931 - 35 Belegung der Professur. Nach 1945 in Köln lebend. lerischen Plans im sozialistischen Gewand innerhalb Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument. einer realen Stadtplanung. Die künstlerische Plan- 8 Aufbaugesetz (1950) 1951, S. 10. 9 Bolz 1951, Grundsätze des Städtebaus, S. 12-29. legung, die im übrigen Plan funktioniert, greift hier, bei 10 IRS 1995, Reise nach Moskau. 11 1908-1984. Studium der Kunstgeschichte in den späten 20er und der Betonung und Überhöhung der sozialistischen 30er Jahren in Wien, Köln und zuletzt Königsberg. Dort 1935 Pro- Gemeinschaft im Stadtbild, nicht mehr vollständig; motion bei Wilhelm Worringer über mittelalterliche Freiplastik in Ostpreußen. Ab 1958 Übernahme der Leitung des Kunstge- Theorie und Praxis klaffen bezüglich der Maßstäblich- schichtlichen Instituts an der Humboldt Universität zu Berlin. 12 Strauss 1957, Brinckmann, S. 3. keit zur Umgebung auseinander. Im übrigen Stadtbild Die russische Ausgabe von Platz und Monument erschien 1935. aber funktionieren die künstlerischen Gestaltungsprin- 13 Sitte (1909) 2002, Städtebau, S. 95ff. 14 Henrici (1894) 1981, Von welchem Gedanken, S. 133. zipien wiederum, gerade auf Grundlage der gegebenen, 15 Henrici (1891) 1904, Die künstlerischen Aufgaben im Städtebau, S. 15. antiliberalen Planungshoheit im sozialistischen Städte- 16 Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument, S. 154. bau. 17 Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, S. 74. Vgl.: Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument, S. 153. Die in der Theorie festgelegten stadtbaukünst- 18 1906-1992. 1925-1930 Architekturstudium an der TH und am in Dessau. 1950 Leitung des Stadtbauamtes. lerischen Gestaltungsprinzipien wie der Einsatz von 1951 Vizepräsident der Deutschen Bauakademie. 19 Collein 1952, Das Nationale Aufbauprogramm, S. 14. Kontrasten oder die differenzierte Behandlung von Stra- Vgl. dazu auch: Junghanns 1955, Das typisierte Wohnhaus, S. ßenwandungen finden sich mühelos im Plan wieder. 26. 20 Collein (1951) 1952, Fragen des deutschen Städtebaus, S. 75f. Die Gegenüberstellung der städtebaulichen Theorien Gegen Formalismus und Amerikanismus wurde eine ideologi- sierte Grundsatzdebatte ausgetragen. Trotz der vehementen Brinckmanns mit denen der Ausarbeitungen der Deut- ästhetischen Ablehnung der Moderne, ist es lohnenswert, auch schen Bauakademie haben gezeigt, wie weit die städte- über «versteckte» Einflüsse der Moderne in Städtebau und Architektur der DDR nachzuforschen. bauliche Reflexion und Rezeption des Gedankenguts 21 Vgl. Brinckmann 1914, Stadtbaukunst des achtzehnten Jahrhun- derts, S. 7. des Reformstädtebaus in die städtebaulichen Ausein- 22 Vgl. dazu Sittes «Möglichkeit eines Kompromisses»: Sitte (1909) andersetzung der frühen 50er Jahre in der DDR ging. 2002, Städtebau, S. 102. 23 Lobend wird der Eingriff der Stadt Lille in die störende Unordent- Das geistige Material, quasi der Rohstoff – das sollte im lichkeit der Häuserfassaden erwähnt. Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument, S. 137. vorliegende Artikel deutlich werden – ist nicht so sehr 24 Brinckmann 1920, Stadtbaukunst, S. 76. im sowjetischen Städtebau, sondern vielmehr in der 25 Brinckmann 1914, Stadtbaukunst des achtzehnten Jahrhunderts, S. 7. deutschen Kulturgeschichte selbst, im Reformstädte- 26 Aufbaugesetz (1950) 1951, S. 11. 27 Collein (1951) 1952, Fragen des deutschen Städtebaus, S. 68. bau um 1900, zu suchen. Auf dessen stadtbaukünstle- 28 Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, S. 223. rische Ideen und Ansätze bezog sich die DDR-Städte- 29 Strauss 1956, Über den Aufbau historischer Städte, S. 201. 30 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, bautheorie bei der Formulierung ihres städtebaulichen S. 3. Programms und ihrer Gestaltungsmittel, und sie erwei- 31 Strauss 1956, Über den Aufbau historischer Städte, S. 201. 32 Strauss 1957, Brinckmann, S. 7f. terte bzw. deutete diese inhaltlich in ihrem sozialisti- Strauss merkt darin an, dass in Brinckmanns Kritik am kapitalis- tischen Bauschaffen der nächste Schritt, der Vergleich zu sozial- schen Staatsverständnis um, verbunden mit dem An- istischen Ländern, fehlt. (Vgl. dazu Ebenda, S. 10) spruch, eine neue Stadt für eine neue Gesellschaft zu 33 Der Briefwechsel Strauss – Brinckmann ist vom Sommer 1956 bis Februar 1958 im Bundesarchiv dokumentiert: BArch, DH 2, errichten. 21206. Neben inhaltlichen Auseinandersetzungen und Überein- Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 11

stimmungen in der Kritik über z. B. Le Corbusiers Interbau-Haus S. 14. und Ronchamp, geht es u. a. um die Teilnahme Brinckmanns an 71 Ebenda, S. 15. der Erfurter Städtebau-Tagung im Oktober 1956, an der Brinck- 72 Ebenda, S. 32-62. mann letztlich, trotz aller Vorbereitungen, nicht teilnimmt. 73 Ebenda, S. 45. 34 Brief von Brinckmann an Strauss, 19.2.1958, in: BArch, DH 2, 74 Ebenda, S. 49. Vgl. dazu: Deutsche Bauakademie 1954, Hand- 21206. buch für Architekten, S. 231. 35 «[...] für mich, der in seinen jungen Jahren zu Ihren Hörern gezählt 75 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, hat [...]», Brief von Strauss an Brinckmann, 30.12.1957, in: BArch, S. 32. DH 2, 21206. 76 Verwiesen sei hier auf die Ausarbeitungen von Walther Curt 36 «Wenn ich dann Ihren referierenden Aufsatz lese, so unterstreiche Behrendt: Walter Curt Behrendt, Die einheitliche Blockfront als ich mit voller Zustimmung [...].» Raumelement im Stadtbau. Ein Beitrag zur Stadtbaukunst der Brief von Brinckmann an Strauss, 3.4.1957, in: BArch, DH 2, Gegenwart, Berlin 1911. 21206. 77 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, 37 Brief von Brinckmann an Strauss, 7.1.58, in: BArch, DH 2, 21206. S. 32. 38 Brief von Brinckmann an Strauss, 19.2.1958, in: BArch, DH 2, 78 Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, S. 232. 21206. 79 Die Wettbewerbsbeiträge, teilweise mit Detailplänen, sind – 39 Brief von Brinckmann an Strauss, 31.8.57, in: BArch, DH 2, soweit sie prämiert bzw. angekauft worden sind – in der Wissen- 21206. schaftlichen Sammlung des Instituts für Regionalentwicklung und 40 Brief von Brinckmann an Strauss, 3.4.1957, in: BArch, DH 2, Strukturplanung in Erkner in Form kleinerer Reproduktionen 21206. dokumentiert: Wiss. Slg. IRS, Ordner 1 Dessau, Bl. 8/1 - 8/26. 41 Glückwunschtelegramm vom 14.6.1956, in: BArch, DH 2, 21206. 80 Rat der Stadt Dessau ruft zum Aufbau-Wettbewerb 1952, S. 43. 42 Schreiben von Strauss an Englberger vom 13.6.1956, in: BArch, 81 Rat der Stadt Dessau 1952, Dessau und sein Wiederaufbau. DH 2, 21206. 82 Ebenda, S. 16. 43 Bolz 1951, Grundsätze des Städtebaus, S. 15. 83 Wettbewerb für die Gestaltung der Dessauer Innenstadt, 1952, S. Diese Fragestellung und Herleitungen der fortschrittlichen Ele- 141. mente in der Baukunst beschäftigte fortan die theoretische 84 6. Grundsatz: Bolz 1951, Grundsätze des Städtebaus, S. 20f. Auseinandersetzung innerhalb der Deutschen Bauakademie. 85 9. Grundsatz: Ebenda, S. 23. S.a.: Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, 86 5. Grundsatz: Ebenda, S. 20. S. 13-100. 87 Vgl. dazu den 10. und 11. Grundsatz: Ebenda, S. 24-26. 44 Strauss, Über den Aufbau historischer Städte in Deutschland seit 88 2. Grundsatz: Ebenda, S. 15. 1945 und einige damit verbundene historische und gestalterische Diese Fragestellung und Herleitungen der fortschrittlichen Probleme, in: Deutsche Bauakademie, Städtebau, 1956, S. 206. Elemente in der Baukunst beschäftigte fortan die theoretische 45 Vgl. dazu 2. und 5. Grundsatz der 16 Grundsätze. Mehrfach auch Auseinandersetzung innerhalb der Deutschen Bauakademie. in der Literatur aufgegriffen, insbesondere in Bezug auf die S. a.: Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, architektonische Gestaltung; explizit zum Städtebau s. dazu: S. 13-100. Collein (1951) 1952, Fragen des deutschen Städtebaus, S. 75f. 89 9. Grundsatz: Bolz 1951, Grundsätze des Städtebaus, S. 23. Strauss 1956, Über den Aufbau historischer Städte, S. 196-221. 90 6. Grundsatz: Ebenda, S. 20ff. 46 Strauss 1955, Nationales Erbe und Neuplanung, S. 160-166. 47 Collein (1951) 1952, Fragen des deutschen Städtebaus, S. 75. 48 Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument, S. 167. Vgl. auch hierzu: Brinckmann 1920, Stadtbaukunst, S. 106/07. Bibliographie 49 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, S. 4. Vgl. auch: Brinckmann 1920, Stadtbaukunst, S. 107. Aufbaugesetz (1950) 1951 50 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, Gesetz über den Aufbau der Städte in der Deutschen 1921, S. 3f. Demokratischen Republik und der Hauptstadt Deutschlands, 51 Ebenda, S. 4. Berlin (Aufbaugesetz). Vom 6. September 1950, in: Für einen 52 9. Grundsatz: Bolz 1951, Grundsätze des Städtebaus, S. 23. fortschrittlichen Städtebau, für eine neue deutsche Architektur. 53 Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, S. 223. Grundsätze und Beiträge zu einer Diskussion, hg. v. der Deut- 54 6. Grundsatz: Bolz 1951, Grundsätze des Städtebaus, S. 21. schen Bauakademie, Leipzig 1951, S. 7-11. 55 Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, S. 228. BArch, DH 2, 21206 56 Ebenda, S. 228. Bundesarchiv, DH 2, 21206 57 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, Bolz 1951, Grundsätze des Städtebaus S. 63-97. , Grundsätze des Städtebaus und ihre Erläuterung, in: 58 Ebenda, S. 64. Für einen fortschrittlichen Städtebau, für eine neue deutsche 59 Ebenda, S. 64. Architektur. Grundsätze und Beiträge zu einer Diskussion, hg. v. 60 Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument, S 169. der Deutschen Bauakademie, Leipzig 1951, S. 12-29. 61 Ebenda, S. 88-146. Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument 62 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, Albert Erich Brinckmann, Platz und Monument. Untersuchung S. 131. zur Geschichte und Ästhetik der Stadtbaukunst in neuerer Zeit. 63 Ebenda, S. 131. Mit einem Nachwort von Jochen Meyer, Nachdruck der 1. 64 Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, S. 243. Auflage, Berlin 1908, Berlin 2000. 65 Brinckmann (1908) 2000, Platz und Monument, S. 105. Brinckmann 1914, Stadtbaukunst des achtzehnten Jahrhunderts 66 Ebenda, S. 105. Albert Erich Brinckmann, Stadtbaukunst des achtzehnten Jahr- 67 Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architekten, S. 231. hunderts, (=Städtebauliche Vorträge aus dem Seminar für 68 Ebenda, S. 231. Städtebau an der Königlichen Technischen Hochschule zu Ber- 69 Vgl. dazu: Deutsche Bauakademie 1954, Handbuch für Architek- lin; Band VII, Heft 1), Berlin 1914. ten, S.223-258. Mit Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst Brinckmann 1920, Stadtbaukunst in der Vergangenheit. Und Brinckmann 1920, Stadtbaukunst. Albert Erich Brinckmann, Stadtbaukunst. Geschichtliche Quer- 70 Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit, schnitte und neuzeitliche Ziele, Berlin-Neubabelsberg 1920. Sara Tazbir Stadtbaukunst in der DDR der frühen 50er Jahre k 3/2009 - 12

Brinckmann 1921, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit Riehl 1956, Die städtebauliche Entwicklung und Planung Albert Erich Brinckmann, Deutsche Stadtbaukunst in der Vergan- Felix Riehl, Die städtebauliche Entwicklung und Planung des genheit, 2. und erw. Auflage, Frankfurt/Main 1921. zentralen Bezirkes in Dessau, in: Deutsche Architektur, Heft 1, Collein (1951) 1952, Fragen des deutschen Städtebaus 1956, S. 10-16. Edmund Collein, Fragen des Deutschen Städtebaus. (Referat, Sitte (1909) 2002, Städtebau gehalten auf dem ersten Deutschen Architektenkongress in Ber- Camillo Sitte, Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grund- lin, Dezember 1951), in: Fragen der deutschen Architektur und sätzen. Vermehrt um «Grossstadtgrün», Reprint der 4. Auflage des Städtebaus, hg. v. der Deutschen Bauakademie, Berlin (Ost) von 1909, Basel 2002. 1952, S. 51-87. 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(Ost) 1954. Strauss 1955, Nationales Erbe und Neuplanung Durth 1999, Architektur und Städtebau in der DDR. Ostkreuz Gerhard Strauss, Nationales Erbe und Neuplanung im deutschen Werner Durth, Architektur und Städtebau der DDR, Bd. 2: Auf- Städtebau, in: Deutsche Architektur, Heft 4, 1955, S. 160-166. bau. Städte, Themen, Dokumente, 2. durchgeseh. und erweiterte Tazbir 2009, Die Rezeption des künstlerischen Städtebaus Auflage, Frankfurt/Main u. a. 1999. Sara Tazbir, Die Rezeption des künstlerischen Städtebaus um Durth 2007, Architektur und Städtebau in der DDR. Die frühen Jahre 1900 im Städtebau der DDR in den frühen 50er Jahren. Am Werner Durth, Architektur und Städtebau der DDR. Die frühen Beispiel der Stadt Dessau, Magisterschrift Humboldt Universität Jahre, (Unveränderte Neuauflage der Publikation: Werner Durth, zu Berlin, Berlin 2009. Architektur und Städtebau der DDR. Bd. 1: Ostkreuz. Personen, Wettbewerb für die Gestaltung der Dessauer Innenstadt, 1952 Pläne, Perspektiven, 2. durchgeseh. und erweiterte Auflage, Wettbewerb für die Gestaltung der Dessauer Innenstadt, in: Frankfurt/Main 1999.) Berlin 2007. Deutsche Architektur, Heft 3, 1952, S. 141. Fehl 1983, «Stadt als Kunstwerk» Wiss. Slg. IRS, Ordner 1 Dessau Gerhard Fehl, «Stadt als Kunstwerk», «Stadt als Geschäft». Der Wissenschaftliche Sammlung im Institut für Regionalentwicklung Übergang vom landesfürstlichen zum bürgerlichen Städtebau. und Strukturplanung (IRS), Ordner 1 Dessau, Standort R 4, 1952, Beobachtet am Beispiel Karlsruhe zwischen 1800 und 1875, in: Bl. 8/1 – 8/26. Stadterweiterungen 1800-1875. Von den Anfängen des mod- ernen Städtebaus in Deutschland, hg. v. Gerhard Fehl und Juan Rodriguez-Lores, Hamburg 1983, S. 135-184. Fischer 1920, Stadtbaukunst Theodor Fischer, Sechs Vorträge über Stadtbaukunst, München 1920. 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Zusammenfassung Autorin

Der gängigen Anschauung, dass der Städtebau in der Sara Tazbir, geb. 1981 in Gelsenkirchen, 2000- DDR in den 50er Jahren ein reiner Import sowjetischen 2009 Studium der Kunstgeschichte, Neueren Gedankenguts gewesen sei, möchte dieser Artikel eine Geschichte und Soziologie an der Humboldt- neue, innovative These entgegenstellen. Universität Berlin, der Technischen Universität Ich verfolge die These, dass im Städtebau der DDR Berlin und in Pisa/Italien. Derzeit Vorbereitung zur im Zeitraum von 1950 bis ca. 1957/58 vordergründig ei- Promotion. ne Theoriebildung innerhalb der deutschen Kulturge- schichte, nämlich eine Rezeption stadtbaukünstleri- scher Gedanken aus der Zeit um 1900 stattfand, und Titel dieser Städtebau demnach keineswegs eindimensional als Kopie des sowjetischen Städtebaus Stalins zu be- Sara Tazbir, Stadtbaukunst in der DDR der frühen werten ist, sondern vielmehr als Wiederaufnahme des 50er Jahre: Das Anknüpfen an den Reformstädte- Reformstädtebaus, im sozialistischen Gewand verstan- bau um 1900. Demonstriert am städtebaulichen den werden kann. In dem folgenden Artikel wird der Wettbewerb Dessaus, in: kunsttexte.de, Nr. 3, Vergleich zwischen dem DDR-Städtebau und dem 2009, (13 Seiten). www.kunsttexte.de. Reformstädtebau um 1900 auf das antiliberale und künstlerische Städtebauverständnis der DDR und ihren inhaltlichen Bezüge zu den theoretischen Städtebau- schriften Albert Erich Brinckmanns fokussiert. Anschlie- ßend wird exemplarisch an einem Wettbewerbsbeitrag zum städtebaulichen Wiederaufbauwettbewerb der Stadt Dessau gezeigt, wie die stadtbaukünstlerischen Gestaltungsprinzipien in einem sozialistischen Stadt- gebilde angewendet wurden. Mit der Gegenüberstel- lung der theoretischen Ausarbeitungen, als auch der Beweisführung anhand einer städtebaulichen Planle- gung, sollen die Rezeptionspunkte städtebaulicher Re- formgedanken der Jahrhundertwende im DDR-Städte- bau der frühen 50er Jahre deutlich werden.