Raumforschung und Raumordnung | Spatial Research and Planning, 2020; 78(1): 1–17

Beitrag / Article Open Access

Lena Greinke*, Nicola Hilti Temporär genutzte Räume von berufsbedingt multilokal Lebenden. Herausforderungen und Potenziale für betriebliche und regionale Entwicklungen in ländlichen Räumen Niedersachsens Temporarily used places of multi-local living employees. Challenges and potentials for operational and regional developments in rural areas of https://doi.org/10.2478/rara-2019-0045 Eingegangen: 28. September 2018; Angenommen: 1. Juli 2019

Kurzfassung: Aufgrund von Globalisierungsprozessen in Zusammenhang mit zunehmender Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen sowie flexibilisierten Arbeitswelten nimmt räumliche Mobilität zu. Dabei werden mul- tilokale Lebensweisen, also Lebensführungen an mehreren Orten und über mehrere Orte hinweg, immer bedeutsa- mer. In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse einer Analyse berufsbedingt multilokaler Lebensweisen in ländli- chen Räumen vorgestellt. Ziel des Beitrages ist es, Herausforderungen und Potenziale multilokaler Lebensweisen für betriebliche und regionale Entwicklungen aufzuzeigen sowie damit zusammenhängende mögliche Handlungsfelder für die politisch-planerische und unternehmerische Praxis zu formulieren. Mithilfe von qualitativen Forschungsme- thoden wurde eine Fallstudienanalyse im niedersächsischen Landkreis durchgeführt. Der Beitrag diskutiert zunächst die Beweggründe und Umstände, die dazu führen, dass Beschäftigte an mehreren Orten leben (müssen). Danach wird die Gestaltung des Alltags- und Berufslebens der mehrörtig lebenden Personen in temporären, das heißt zeitweise bewohnten Räumen, erläutert. Des Weiteren wird gezeigt, welche betrieblichen und regionalen Rah- menbedingungen und Strukturen diese Lebensweisen beeinflussen und welche Bedeutung berufsbedingte Multilo- kalität für betriebliche und regionale Entwicklungen haben kann.

Schlüsselwörter: Multilokalität, ländliche Räume, alltägliche Lebensführung, Betriebe, Regionalentwicklung, Nie- dersachsen, Diepholz

Abstract: Due to globalization processes in connection with increasing individualization and pluralization of lifestyles as well as flexible working environments, spatial mobility is increasing. A multi-local way of life, thus living in several places, is becoming more and more important. This paper presents the first results of an analysis of occupational

*Corresponding author: Lena Greinke, Leibniz Universität Hannover, Institut für Umweltplanung, Herrenhäuser Straße 2, 30419 Han- nover, Deutschland, E-mail: [email protected] Dr. Nicola Hilti, Fachhochschule St. Gallen, Institut für Soziale Arbeit und Räume, Rosenbergstraße 59, 9001 St. Gallen, Schweiz

Open Access. © 2020 Lena Greinke, Nicola Hilti, published by Sciendo. This work is licensed under the Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 License.

Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC 2 Lena Greinke, Nicola Hilti multi-local lifestyles in rural areas. This contribution aims to identify challenges and potentials of multi-local lifestyles for operational and regional developments and to formulate associated possible fields of action for political-planning practice and entrepreneurial practice. With the help of qualitative methods, a case study analysis was carried out in the district Diepholz in Lower Saxony (). The article first discusses the motives and circumstances that ensure that employees (have to) live in several places. Afterwards, the organization of everyday life and working life of the persons living in temporarily used places is explained. Furthermore, it will be shown which operational and regional framework conditions and structures influence these lifestyles, as well as the significance of job-related multi-locality for operational and regional developments.

Keywords: Mutli-locality, Rural areas, Everyday life, Companies, Regional development, Lower Saxony, Diepholz

1 Berufsbedingte Multilokalität arbeitsverhältnisses“ (Sturm/Meyer 2009: 22) führt zu erhöhten Mobilitätsanforderungen. und seine Bedeutung Vor dem Hintergrund des skizzierten gesellschaftli- chen Wandels multilokalisieren sich Menschen zuneh- Räumliche Mobilität spielt in der heutigen Zeit eine zen- mend (Petzold 2013). In ihren Praktiken der Lebensfüh- trale Rolle. Eine zunehmend bedeutsame Ausprägung rung konstituieren sie stets aufs Neue Räume, die sie mobiler Lebensführungen aufgrund individualisierter und jeweils in spezifischen raum-zeitlichen Mustern nutzen. pluralisierter Lebensstile sowie flexibilisierter Arbeits- Das ‚Herstellen‘ dieser temporär genutzten Räume welten ist Multilokalität (Dittrich-Wesbuer/Föbker 2013: erfolgt über die physische (aber auch virtuelle) Mobili- 391; ARL 2016: 1), das heißt das Wohnen und Leben an tät der Menschen, aber ebenso über die Verankerung mehreren Orten in einem mehr oder weniger regelmä- an den jeweiligen Orten. Ausschlaggebend für die ßigen Rhythmus. Die Motive, Beweggründe und Aus- Lebensführung und aus der Perspektive der multilokal prägungsformen sind dabei äußerst vielfältig (Hilti 2013: Lebenden sind demnach nicht die territorialen Grenzen, 32; Seebacher 2013: 12). Multilokale Lebensweisen sind sondern die ‚gemachten‘ Räume. historisch betrachtet nichts Neues. Im Zuge zunehmen- In diesem Beitrag wird von einem breiten Verständ- der globaler und zugleich räumlicher Arbeitsteilung (vgl. nis des multilokalen Wohnens1 ausgegangen, sodass Hesse/Scheiner 2007: 138) verstärken sie sich jedoch, auch Personen, die nicht an allen ihren Wohnorten mel- differenzieren sich aus und sind in allen gesellschaftli- derechtlich erfasst sind, mit eingeschlossen sind (vgl. chen Schichten und Milieus verankert (Rolshoven 2007: Lange 2018). Dadurch ist es möglich, auch „verdeckte 160 ff.; Hilti 2009: 77; Schier 2009: 57; Weiske/Petzold/ Multilokalität“ oder „Kryptomultilokalität“ (Weichhart/ Zierold 2009: 67). Rumpolt 2015: 17 f.) (z. B. regelmäßige Übernachtungen In diesem Beitrag steht die berufsbedingte Multilo- bei Freunden oder in Hotels) zu erfassen. Nicht berück- kalität in ländlichen Räumen Niedersachsens im Mittel- sichtigt hingegen wird die Palette an eher freizeitbe- punkt. Ländliche Räume sind oft komplexer als in der zogenen und partnerschaftlich bedingten multilokalen räumlichen Planung angenommen (Altrock/Güntner/ Lebensführungen. Die Forschung hat sich bislang eher Huning et al. 2005: 7), denn sie sind von komplexen auf städtische Gebiete konzentriert (Dannenberg/Lang/ Wandel- und Veränderungsprozessen betroffen: Neben Lehmann 2010: 55), mit wenigen Ausnahmen (z. B. Lange dem demographischen Wandel zählen auch klimati- 2018). Allerdings befinden sich temporäre Wohnorte sche sowie wirtschaftsstrukturelle Prozesse dazu, die sowohl in städtischen wie auch in ländlichen Gebieten unmittelbar auch Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Frei- (Greinke/Lange/Othengrafen 2017). Ländliche Gebiete zeit- und Mobilitätsverhalten der Menschen beeinflus- sind in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung, sen (NHB/ALR 2014: 3). Restrukturierungsprozesse am übernehmen sie doch – entgegen der Zuschreibungen Arbeitsmarkt (vgl. Reuschke 2010: 287) und neue Unter- als Orte der Agrarproduktion, der ökologischen und nehmensstrukturen begünstigen zudem multilokale Erholungsfunktionen – zunehmend auch Funktionen Lebensformen, beispielsweise unternehmensinterne als Standorte beispielsweise für Gewerbe und Dienst- Delegationen (internationaler) Mehrbetriebsunterneh- men an verschiedenen Standorten, häufig wechselnde Arbeitsorte oder Arbeitnehmerüberlassungen in Form 1 Multilokalität und multilokales Wohnen werden in diesem Beitrag von temporärer Leiharbeit. Diese „Erosion des Normal- synonym verwendet.

Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC Temporär genutzte Räume von berufsbedingt multilokal Lebenden. Herausforderungen 3 und Potenziale für betriebliche und regionale Entwicklungen in ländlichen Räumen Niedersachsens leistungen (Dannenberg/Lang/Lehmann 2010: 56), und stellt und die Bedeutung dieser berufsbedingten Multi- unterscheiden sich in ihren sozioökonomischen Struktu- lokalität für betriebliche und regionale Entwicklungen ren von urbanen Räumen (BMVBS/BBSR 2009: 4). In erläutert (Kapitel 4). Abschließend werden erste Hand- zahlreichen ländlichen Gebieten haben sich Unterneh- lungsfelder für betriebliche und regionale Entwicklungen men angesiedelt (vgl. BMEL 2016), von denen aufgrund in ländlichen Räumen Niedersachsens aufgezeigt und ihrer Betriebsstrukturen mit z. B. unternehmensinternen ein Ausblick auf weitere mögliche Entwicklungen und Delegationen der Beschäftigten an verschiedene Stand- Forschungsthemen gegeben (Kapitel 5). orte Ballungen von mehrörtig lebenden Beschäftigten zu erwarten sind. Vor diesem Hintergrund stellen sich fol- gende Fragen: –– Welche Beweggründe und Umstände führen 2 Forschungsstand zu dazu, dass Beschäftigte an mehreren Orten leben berufsbedingter Multilokalität (müssen) und wie gestalten diese Personen ihr Alltags- und Berufsleben in den von ihnen temporär Die jüngere Multilokalitätsforschung hat ihre Anfänge genutzten Räumen? in den 2000er-Jahren. Ihre kulturwissenschaftlichen –– Welche betrieblichen und regionalen Wurzeln gehen jedoch bis in die 1970er-Jahre zurück. Rahmenbedingungen und Strukturen beeinflussen Das Phänomen wurde bislang breit und interdisziplinär multilokale Lebensweisen in ländlichen Gebieten? erforscht. Daher lässt sich die Multilokalitätsforschung –– Welche Bedeutung kann diese berufsbedingte am besten entlang verschiedener interdisziplinärer For- Multilokalität für betriebliche und regionale schungsfelder darstellen. Entwicklungen in ländlichen Gebieten haben und welche Handlungsfelder für die politisch-planerische und unternehmerische Praxis lassen sich daraus 2.1 Mobilitätsforschung ableiten? Die Mobilitätsforschung befasst sich mit vielen Facetten Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach mit von Mobilität und dabei mitunter – meist implizit – auch dem Ziel, die Herausforderungen und Chancen auf- mit Multilokalität, die als hybride Querschnittsmaterie zuzeigen, die sich aufgrund der mehrörtig lebenden zu den drei großen Mobilitätsthemen der globalisierten Beschäftigten für die Betriebe und die Regionalentwick- Spätmoderne betrachtet wird: „… the phenomenon of lung in ländlichen Räumen Niedersachsens ergeben. dual residency straddles the areas of residential mobility, Der Beitrag stellt Zwischenergebnisse eines Disser- travel and daily mobility“ (Kaufmann 2002: 36). tationsprojektes zur Diskussion, welches im Rahmen In der Erforschung des Phänomens interessie- des Forschungsprojekts TempALand2 durchgeführt ren spezifische Aspekte oder Typen, etwa die Beweg- wird. Dazu werden zunächst der Forschungsstand zu gründe und Ausprägungen berufsbedingten multilokalen (berufsbedingter) Multilokalität (Kapitel 2) und danach Wohnens (Collmer/Kümmel 2005) sowie dessen Folgen das methodische Vorgehen im Rahmen einer Fallstu- für verschiedene Lebensbereiche, wie das Familienle- dienanalyse im niedersächsischen Untersuchungsge- ben (Schier 2009), soziale Netzwerke (Larsen/Axhau- biet, dem Landkreis Diepholz in Deutschland (Kapitel sen/Urry 2006), die psychische Gesundheit (Schneider/ 3), vorgestellt. Anschließend werden die Ergebnisse der Limmer/Ruckdeschel 2002) oder die Motilität im Sinne Analyse der mehrörtig lebenden Beschäftigten darge- des (ungleich verteilten) Potenzials zur Mobilität (Viry/ Kaufmann/Widmer 2008). Aber auch bestimmte Berufs- gruppen wie z. B. Piloten (Huchler 2013), Beschäftigte in 2 Das dreijährige Forschungsprojekt „Temporäre An- und der Erdgas- und Erdölindustrie (Saxinger 2016) oder der Abwesenheiten und deren Auswirkungen auf Land und Gesellschaft“ (www.tempaland.de) wird mit Mitteln des Bundesministeriums Kreativwirtschaft (Nadler 2014) stehen im Fokus einiger für Bildung und Forschung innerhalb der Fördermaßnahme Untersuchungen. „Kommunen innovativ“ von 2016 bis 2019 gefördert. Projektpartner Ein Strang der jüngeren Mobilitätsforschung – die und -beteiligte sind das Institut für Umweltplanung der Leibniz Mobilities Studies – befasst sich mit der Bewegung und Universität Hannover (Projektleitung), der Landkreis Diepholz Beweglichkeit von Menschen, Gütern, Informationen (Fachdienst Kreisentwicklung), fünf kommunale Praxispartner im Landkreis und die beiden Planungsbüros Gertz Gutsche Rümenapp und Ideen als konstitutive Elemente der spätmodernen – Stadtentwicklung und Mobilität sowie proloco – Stadt und Region, Gesellschaft (Urry 2007) und richtet dabei die Perspek- Planung und Entwicklung. tive zunehmend weg von der einseitigen Betonung des

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Mobilen und hin zum Spannungsfeld von Mobilität und riert sich auf ländliche bzw. alpine Regionen. Eine frühe Verankerung (Sheller 2011; Meier/Frank 2016). Ausnahme hierzu bildet eine Untersuchung zu berufs- bedingten Zweitwohnsitzen in fünf Schweizer Städten (Odermatt 1990). 2.2 Migrations-, Transnationalismus- Darüber hinaus wird in der subjektorientierten Mul- und Entwicklungsforschung tilokalitätsforschung die Hierarchisierung der Wohnsitze über Bezeichnungen wie Erst- und Zweit- oder Haupt- Die Forschung zu Migration und Transnationalismus und Nebenwohnsitz kritisch reflektiert, da sich diese untersucht unter anderem spezifische Formen von Hierarchien häufig nicht in den Praktiken und Bedeutun- Multilokalität, insbesondere im Bereich Transmigration gen der Wohnsitze widerspiegeln (Hilti 2013). Auch die (Pendeln zwischen Wohnorten in kulturell unterschiedli- oftmals implizierte funktionale Trennung etwa zwischen chen Zusammenhängen) und Amenity Migration (Wohl- dem Ort der Arbeit und dem Ort der Freizeit wird hin- standsmigration, vorwiegend freizeitorientiert). Auch hier terfragt, da diese häufig nicht den Lebensrealitäten ent- werden seit einiger Zeit vermehrt die sozialen, kulturel- spricht (Wood/Hilti/Kramer et al. 2015). len und ökonomischen Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Aufenthaltsorten als konstitutiv für Migrationsprozesse in den Mittelpunkt gerückt (Albrow 2.4 Wohn-, Haushalts- und 1997; Pries 1998). Konzepte mit einem Fokus auf trans- Familienforschung nationale oder multilokale Haushalte ermöglichen ein besseres Verständnis etwa von Verstädterungsprozes- Die Wohn-, Haushalts- und Familienforschung ist lange sen und familialen Dynamiken im Kontext von Migration Zeit einer eher wenig mobilen Vorstellung ihrer Unter- (Schmidt-Kallert 2009; Steinbrink 2009). suchungsgegenstände gefolgt: Das Wohnen wurde Auch in der Entwicklungsforschung kommt den als statisch und an einem Ort stattfindend konzipiert Wechselbeziehungen und der Multilokalität wachsende (Weiske/Petzold/Zierold 2009; Schier/Hilti/Schad et al. Aufmerksamkeit zu (de Haan/Zoomers 2003): Die Siche- 2015). Demgegenüber steht ein Verständnis von Prak- rung der Existenz hängt in vielen Haushalten in Ländern tiken dynamischer, sich über mehrere Orte hinweg des globalen Südens von der Mobilität einzelner Famili- erstreckender Haushalte und Familien (Dittrich-Wes- enmitglieder ab. Die Ausprägungen und Folgen solcher buer/Föbker/Sturm 2015). Multilokale Haushalte werden Lebensführungen werden anhand von Konzepten wie dann zu zentralen gesellschaftlichen Akteuren (Schmidt- livelihood (Sicherstellung der Existenzgrundlagen einer Kallert 2009; Steinbrink 2009; Weiske/Petzold/Zierold Gesellschaft) und vulnerability (Verwundbarkeit von 2009). Personen und Gruppen im Kontext der Entwicklungs- In der Familienforschung steht seit Längerem das forschung) beschrieben (Schmidt-Kallert 2009; Dick/ „Leitbild der Normalfamilie“ (Beck 2008: 305), dem unter Reuschke 2012). Die Multilokalitätsforschung hat hieran anderem eine monolokale Familie entspricht, in der Kritik. angeknüpft und ihre Protagonistinnen/Protagonisten Stattdessen widmet sie sich vermehrt dem strukturellen schlugen vor, diese Konzepte auf sämtliche Formen Wandel von Familien, zu welchem auch multilokale Ver- multilokalen Daseins anzuwenden (Weichhart 2015). flechtungen von Menschen und Orten zählen. Im For- schungsinteresse stehen dann etwa multilokal lebende Kinder aus sogenannten Nachtrennungsfamilien oder 2.3 Tourismus- und von berufsbedingt temporär abwesenden Elternteilen Zweitwohnsitzforschung (Schier 2009; Schier 2010) sowie erwerbstätige Mütter und Väter der Film- und Fernsehproduktion und aus dem Zweitwohnsitze sind ein Teilphänomen der Multilokalität, Einzelhandel (Jurczyk/Schier/Szymenderski et al. 2009). welche hauptsächlich in Zusammenhang mit Tourismus sowie seinen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkun- gen erforscht werden (Gallent/Tewdwr-Jones 2000; Hall/ 2.5 Raumwissenschaftliche Forschung Müller 2004), wie auch die Freizeitmobilität und Ver- kehrsverhalten (Fuhrer/Kaiser 1994). Die Betrachtung Die räumlichen und zeitlichen Dimensionen von Multilo- touristischer Praktiken fokussiert vornehmlich den Ort kalität wurden bislang mehr oder weniger explizit stets des zweiten Wohnsitzes, den touristischen Zielort. Die berücksichtigt (Weichhart 2009; Wood/Hilti/Kramer et al. große Mehrheit der Zweitwohnsitzforschung konzent- 2015). Eine wichtige und bislang kaum geklärte Frage

Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC Temporär genutzte Räume von berufsbedingt multilokal Lebenden. Herausforderungen 5 und Potenziale für betriebliche und regionale Entwicklungen in ländlichen Räumen Niedersachsens ist jedoch diejenige nach den räumlichen und raum- ten und der Stadt Osnabrück im Südwesten. Der Land- planerischen Auswirkungen dieser spezifischen Art der kreis ist im Norden aufgrund der Nähe zur Stadt Bremen Lebensführung. Dabei geht es unter anderem darum, durch wirtschaftlich eher starke (urbane) Räume (z. B. was das Phänomen der Multilokalität für den Wohnungs- die Gemeinden und Wehye und die Stadt ) markt, für die Stadtentwicklung, die Stadtpolitik und das gekennzeichnet. Aus diesem Grund wird der Fokus in bürgerschaftliche Engagement bedeuten kann (Leubert dieser Untersuchung auf den ländlich geprägten süd- 2013; Dittrich-Wesbuer/Plöger 2013; Nadler 2014; ARL lichen Teil des Landkreises mit der Stadt und 2016; Dittrich-Wesbuer 2016; Greinke/Lange/Othengra- der Stadt Diepholz, der Gemeinde und den fen 2018; Lange 2018). Samtgemeinden Altes Amt Lemförde, , Bruch- Ein Teil dieser explizit raumwissenschaftlich ausge- hausen-Vilsen, Kirchdorf und gelegt. richteten Forschung, darunter insbesondere auch die Ähnlich wie andere ländlich geprägte Räume in diesem Beitrag auszugsweise vorgestellte laufende Deutschlands ist der Landkreis Diepholz mit vielfältigen Studie, nimmt wichtige Facetten auf, die bisher unter- Herausforderungen des demographischen Wandels belichtet geblieben sind. Bislang wurde das Wohnen an konfrontiert. Dazu zählen beispielsweise eine geringe mehreren Orten vor allem im städtischen Kontext oder Geburtenrate und Bevölkerungsrückgang mit hohem ohne spezifische Sortierung von Raumtypen untersucht, Anteil an älteren Menschen, aber auch eine hohe Bil- wohingegen hier nun ländliche Räume im Mittelpunkt dungsabwanderung.3 Im Zeitraum von 2010 bis 2014 stehen. Die bisherige Forschung hat sich großteils auf profitierten die Städte und Gemeinden des Landkreises die Subjektperspektive konzentriert, auf die lebenswelt- von (Aus-)Bil­dungs­zuwan­derung, wenn sie in der Nähe liche Bedeutung einer solchen multilokalen Lebensfüh- von Arbeitsplatz- und Ausbildungszentren liegen. Dazu rung. Inzwischen werden auch andere wichtige Perspek- zählen etwa die Gemeinden Stuhr und , aber tiven einbezogen, etwa aus Politik und Wirtschaft. auch die Kreisstadt Diepholz mit einer privaten Hoch- schule und die Samtgemeinde Wagenfeld (Landkreis Diepholz 2016: 15). Auch machen die Samtgemeinde Rehden mit regionaler und überregionaler Bedeutung 3 Methodisches Vorgehen für Erdgas und die Samtgemeinde Altes Amt Lemförde mit den großen Arbeitgebern wie BASF Polyurethanes In diesem Beitrag werden mehrörtige Lebensweisen von GmbH und ZF Lemförder Fahrwerktechnik die Bedeu- Beschäftigten in ländlichen Räumen und deren Auswir- tung der Kommunen für den Arbeitsmarkt deutlich. kungen auf betriebliche und regionale Entwicklungen Aufgrund der guten Arbeitsmarktsituation im Landkreis mithilfe von quantitativen Methoden untersucht. Auf Diepholz ist demnach davon auszugehen, dass der der Basis einer Grundlagenrecherche zur Thematik der Landkreis wochentags durch temporäre Anwesenheiten Multilokalität wurde eine Fallstudienanalyse im Unter- von multilokal lebenden „Incomings“ (Lange 2018: 176), suchungsgebiet, dem niedersächsischen Landkreis also solchen, die zeitweise berufsbedingt in den Land- Diepholz, durchgeführt. Vor allem der südliche Teil des kreis kommen, betroffen ist. Landkreises wurde anhand einer zweistufigen sozio- Eine Haushaltsbefragung von Bewohnerinnen/ räumlichen Analyse auf Kreisebene in Niedersachsen Bewohnern des südlichen Teils des Landkreises im nach Lange (2018) als ländlich geprägter Raum mit dort Rahmen des Forschungsprojektes „TempALand“ ergab, ansässigen, zumeist international tätigen Unternehmen dass es eine nicht unwesentliche Anzahl multilokal identifiziert. Dort ist mit berufsbedingten phasenweisen lebender Menschen im Landkreis Diepholz gibt (Greinke/ An- und Abwesenheiten der Bewohnerinnen/Bewohner Lange/Othengrafen 2017: 18 ff.; Greinke/Lange/Othen- zu rechnen (Lange 2018: 60, 176). grafen 2018: 45). Im Rahmen des Projektes wurden 362 multilokal Lebende schriftlich befragt. Zudem wurden 65 qualitative Interviews geführt. Aufgrund von „verdeck- 3.1 Der Landkreis Diepholz als ter Multilokalität“ oder „Kryptomultilokalität“ (Weichhart/ Untersuchungsgebiet Rumpolt 2015: 17 f.) ist davon auszugehen, dass die Anzahl der Multilokalen noch größer ist. Der niedersächsische Landkreis Diepholz, bestehend aus acht Einheitsgemeinden und sieben Samtgemein- den, liegt im Dreieck zwischen der Hansestadt Bremen im Norden, der Landeshauptstadt Hannover im Südos- 3 https://www.wegweiser-kommune.de (26.04.2019).

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3.2 Das Forschungsdesign tenden vertauscht werden (Dirksmeier 2009: 168; Brake 2009: 384 f.). Dadurch treten die Interviewten als Exper- Das Untersuchungsgebiet wurde mittels Ortsbege- tinnen/Experten für ihre Fotografien und ihre Lebenswel- hungen und Dokumentationen charakterisiert. Danach ten auf, berichten von ihren Intentionen und Interpretati- wurden eine Online-Befragung und problemzentrierte onen und wählen eigenständig und subjektiv Motive aus leitfadengestützte Interviews (nach Meuser/Nagel 2002; (Krisch 2002: 133). Sie werden zum bildlichen Nachden- Helfferich 2011; Mayer 2013) unter Einbezug von Ele- ken angeregt und machen reflektierte Angaben über ihre menten der reflexiven Fotografie (nach Dirksmeier 2009: Aufnahmen (Dirksmeier 2009: 168). 164) mit multilokal lebenden Beschäftigten durchgeführt, Im weiteren Gesprächsverlauf wurden Anforderun- ergänzt durch problemzentrierte Interviews mit Perso- gen an die Wohnung und das Wohnumfeld wie Ausstat- nen aus der Führungsebene der Unternehmen (z. B. tung, Lage und Größe der Wohnungen sowie Merkmale Abteilungsleiter oder Personalabteilung) sowie Perso- der Lebensweise wie Distanzen und Nutzungsdauer nen aus Planung, Politik und Verwaltung, zumeist aus thematisiert. Außerdem wurden die mehrörtigen Lebens- der Wirtschaftsförderung und Bürgermeistern. Diese weisen vor Ort erläutert (z. B. Arbeits- und Alltagsleben, Akteure sind in Bezug auf Multilokalität im Untersu- Infrastrukturnutzungen, bürgerschaftliches Engage- chungsgebiet relevant, weil sie entweder selbst multi- ment). Des Weiteren wurde über Multilokalität in den lokal leben, Multilokale im Unternehmen beschäftigen Unternehmen gesprochen (z. B. Verbreitung, Wahrneh- oder von mehrörtigen Lebensweisen berührt sind. Im mung, zukünftige Entwicklungen). Rahmen des Dissertationsvorhabens wurden qualitative Themen in den Interviews mit den Bürgermeistern Interviews geführt mit 14 multilokal lebenden Personen waren Informationen zu den Kommunen (z. B. aktuelle und acht politisch-planerischen Akteuren. Sie wurden Handlungsfelder, Infrastrukturausstattung, Wohnungs- jeweils zu ihrer mehrörtigen Lebensweise als auch zu marktsituation, Ortsgemeinschaften) sowie Multilokalität betrieblichen und kommunalen Strukturen befragt. Im in den Kommunen (z. B. Motive, Vorkommen, Wahr- vorliegenden Beitrag werden ein Zwischenfazit gezogen nehmung, Chancen und Risiken) sowie Handlungs- und erste Tendenzen aufgezeigt. spielräume. Ausgewertet wurden alle Interviews mittels Die multilokal lebenden interviewten Personen qualitativer computergestützter Inhaltsanalyse (Software wurden mittels einer Online-Befragung oder über Poster MAXQDA) (nach Meuser/Nagel 2002; Mayring 2010). und Flyer, die postalisch an die Unternehmen gesendet und beispielsweise in Eingangsbereichen, Kantinen und stark frequentierten Orten in den Unternehmen aus- gehängt und ausgelegt wurden, angeworben. Weitere 4 Berufsbedingte Multilokalität interviewte Personen wurden mittels Schneeballverfah- im Landkreis Diepholz ren gewonnen. Die multilokalen Interviewten haben sich freiwillig aufgrund des Aufrufs durch die Poster und Flyer Nachfolgend werden die (Zwischen-)Ergebnisse aus gemeldet. Als politisch-planerische Akteure wurden die den Interviews mit den multilokal lebenden Beschäftig- Bürgermeister der Untersuchungskommunen ausge- ten sowie den Bürgermeistern vorgestellt. Insgesamt wählt. wurden 12 männliche und zwei weibliche berufsbedingt Vor dem Gespräch wurden die multilokal leben- multilokal lebende Personen sowie acht männliche Bür- den Befragten in einem telefonischen Initialinterview germeister interviewt. Das Durchschnittsalter der inter- gebeten, zu ihrem Alltagsleben an den verschiedenen viewten Multilokalen liegt bei rund 50 Jahren. Neun Orten jeweils drei Fotoaufnahmen anzufertigen und interviewte Personen haben jeweils ein, zwei oder drei reflektierende Notizen zu den Fotos zu machen (Dirks- Kinder, von denen nur vereinzelt Kinder im Teenageral- meier 2007: 87). In den anschließenden Interviews ter oder der Phase des Berufseinstieges am Neben- wurden die Fotos als eine Art „starting mechanism“ oder ort sporadisch (z. B. in den Ferien) anwesend sind. Erzählimpuls (Dirksmeier 2007: 88; Brake 2009: 379) Beruflich sind die Interviewten in Industrieunternehmen genutzt. Die Methode der reflexiven Fotografie der qua- (Automobilzulieferer, Getränke, Gastronomie, Rohstoff) litativen Sozialraumforschung stammt aus den Cross tätig, in denen 12 Personen leitende Tätigkeiten und Cultural Studies und kombiniert Interview- und Fotogra- drei ausführende (gehobene) Tätigkeiten ausüben. Die fieverfahren zu einer kohärenten Methodik (Dirksmeier Wohnorte der interviewten Multilokalen liegen überwie- 2007: 87; Brake 2009: 378), in der die Rollen der inter- gend in Deutschland (vgl. Abbildung 1). Sie benennen viewten Personen und der wissenschaftlich Beobach- ihren Wohnort im Landkreis Diepholz als Nebenort, der

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Abbildung 1: Wohnorte der befragten Personen Kartengrundlage verändert nach GeoBasis-DE/BKG 2014

Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC 8 Lena Greinke, Nicola Hilti zumeist Arbeitsort ist. Lediglich ein freizeitbedingter sie regelmäßig bei ihrem Partner oder ihrer Partnerin Nebenort und zwei beruflich bedingte Nebenorte befin- wohnen und dadurch zu ihrem Arbeitsort weitere Entfer- den sich außerhalb des Landkreises Diepholz. Ein Aus- nungen zurücklegen müssen, gibt es sieben Personen, gangsort, also der von den Multilokalen ersterschlos- die die Lebensweise aus primär beruflichen Anlässen sene Ort, befindet sich in den Niederlanden. Anders als gewählt haben, z. B. weil sie von ihren Arbeitgebern andere Untersuchungen zeigen (z. B. Peer 2013), liegen delegiert worden sind, um an einem anderen Betriebs- in diesem Beitrag die Ausgangsorte der Interviewten ent- standort z. B. Projekte zu initiieren oder zu leiten. Wollen weder in Klein-, Mittel- oder Großstädten und die Neben- die Beschäftigten andere, oft höhere Positionen in den orte in einer Landgemeinde oder (kleineren) Kleinstadt.4 Unternehmen besetzen, so sind sie in einer gewis- Dementsprechend sind die Wohnorte in Bezug auf sen Form dazu gezwungen, Erfahrungen an anderen Größe und Zentralität divergent. Die Arbeitsorte liegen Betriebsstandorten zu sammeln und dadurch phasen- in eher ländlich geprägten Kommunen. 12 der befragten weise multilokal zu leben. Personen mieten am Nebenort eine Zweitwohnung und Solche Fälle von Multilokalen finden sich auch im zwei übernachten regelmäßig im zumeist gleichen Hotel. Landkreis Diepholz: Aufgrund der guten Arbeitsmarkt- Fünf Interviewte leben weniger als vier Jahre multilokal situation mit attraktiven Unternehmen entscheiden sich im Landkreis Diepholz, sechs Multilokale leben fünf bis einige Beschäftigte, dort einen weiteren Wohnsitz anzu- neun Jahre und drei interviewte Personen leben mehr nehmen. Zusätzlich sind vier der interviewten Personen als zehn Jahre mehrörtig. Zwischen den Orten wechseln aufgrund ihrer leitenden Tätigkeit auf Dienstreisen inner- die Multilokalen zumeist an den Wochenenden, sodass halb Deutschlands und weltweit unterwegs, wodurch sich sie in der Regel innerhalb der Woche im Landkreis Diep- ihre ohnehin sehr mobile Lebensweise noch verstärkt. holz anwesend sind und an den Wochenenden an ihren Insgesamt sind die Arbeitsweisen in den Betrieben der anderen Ort zurückkehren. interviewten Multilokalen durch zeitweise Projektarbei- ten und Delegationen sowie zusätzliche Dienstreisen geprägt und somit fördern die Unternehmen multilokale 4.1 Temporär genutzte Räume aus der Lebensweisen. Sicht der multilokal Lebenden Hinter der mehrörtigen Lebensweise stehen zwar einerseits häufig Zwänge, andererseits wird den Die Ansprüche und Bedürfnisse multilokal lebender Per- Beschäftigten diese Lebensweise oft auch erst durch sonen in ländlichen Räumen sind sehr divers (vgl. Lange betriebliche Rahmenbedingungen und Strukturen 2018). Daher stellen sich die Fragen: Welche Beweg- ermöglicht. Denn durch flexible Arbeitszeiten, etwa in gründe und Umstände sorgen dafür, dass Menschen an Form von Gleitzeit, die bei vielen Betrieben im Landkreis mehreren Orten leben (müssen)? Wie gestalten mehrör- Diepholz gewährt wird, können die Beschäftigten ihre tig lebende Personen ihr Alltags- und Berufsleben sowie Arbeitsstunden zu einem gewissen Grad frei verteilen. ihr soziales Leben, das heißt auch, wie stellen sie ihre Zudem wird diese Flexibilität durch Unterstützungsleis- temporär genutzten Räume immer wieder aufs Neue tungen, wie beispielsweise eine Bahncard, die ein Unter- her? Und welche betrieblichen Rahmenbedingungen nehmen im Landkreis Diepholz Multilokalen zur Verfü- und Strukturen beeinflussen diese Lebensweisen? gung stellt, positiv beeinflusst. Des Weiteren kann der Einsatz digitaler Informations- und Kommunikationstech- nologien zukünftig die Standortunabhängigkeit erhöhen. 4.1.1 Beweggründe und betriebliche Durch Heimarbeitsregelungen und Telefon- oder Video- Rahmenbedingungen konferenzen wird die Kommunikation möglicherweise erleichtert und weniger physische Mobilität, z. B.in Form Die Beweggründe der Multilokalen sind alle zunächst von Dienstreisen, notwendig. Dies kann vor allem für berufsbedingt, wobei es darüber hinaus deutliche indi- ländliche Räume sowohl Risiko als auch Chance sein: viduelle Unterschiede gibt. Während bei acht Personen Einerseits sind Multilokale, die in diese Räume eigent- diese Lebensweise primär privat motiviert ist, etwa weil lich berufsbedingt kommen würden, länger nicht vor Ort und andererseits können Multilokale, die berufsbe- dingt innerhalb der Woche ländliche Räume verlassen 4 Gemäß Stadt- und Gemeindetypen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung; vgl. https://www.bbsr.bund.de/BBSR/ würden, länger vor Ort bleiben und damit auch die dorti- DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/StadtGemeindetyp/ gen Infrastrukturen und Dienstleistungen nutzen. StadtGemeindetyp_node.html (26.04.2019).

Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC Temporär genutzte Räume von berufsbedingt multilokal Lebenden. Herausforderungen 9 und Potenziale für betriebliche und regionale Entwicklungen in ländlichen Räumen Niedersachsens

4.1.2 Raum-zeitliche Gestaltung von temporärer liche Räume vorteilhaft sein, weil sie Multilokale (und Nähe Zuziehende) anziehen können. Obwohl die Gemeinden des Landkreises Diepholz vereinzelt durch Bahnhöfe In der Anfangsphase der Anwesenheit im Landkreis erschlossen sind, fehlt es in etlichen an einem geeig- Diepholz, z. B. während der Probezeit, wohnen die inter- neten öffentlichen Verkehrsangebot. Aus diesem Grund viewten Beschäftigten zunächst in Hotels, Boardinghäu- reisen nahezu alle Befragten mit dem privaten oder sern oder zur Untermiete, oft im näheren Umfeld der betrieblichen Personenkraftwagen an. Lediglich eine Betriebe. Danach suchen sich die meisten eine andere Person reist ausschließlich mit der Bahn und benutzt vor Unterkunft, mit Ausnahme von zwei Personen, die dau- Ort ein Fahrrad zur Fortbewegung. erhaft im selben Hotel im Landkreis Diepholz leben. Raum-zeitlich betrachtet reisen die Multilokalen Dabei bevorzugen sie Wohnungen, die in unmittelbarer oft am Montagmorgen oder sogar erst gegen Mittag Nähe zu ihrer Arbeitsstelle und zu Einkaufsmöglichkei- an und bereits am Donnerstagabend oder spätestens ten liegen: „Ich habe natürlich schon etwas gesucht, was Freitagmittag wieder ab. Teilweise unterscheidet sich direkt neben der Firma ist. Weil ich jetzt hier nicht auch aber der Wochenrhythmus in dieser Stichprobe stark noch viel fahren kann“ (48-jähriger männlicher Multilo- (vgl. Leubert 2013: 98) und wird oft durch soziale oder kaler mit berufsbedingtem Nebenort im Landkreis Diep- betriebliche Rahmenbedingungen (wie Kinderbetreu- holz). Der (phasenweise) Bezug der Unterkünfte kann ung, Pflege von Angehörigen oder Dienstreisen) beein- möglicherweise besonders für ländliche Räume vorteil- flusst. Die Interviewten versuchen zwar, einen festen haft sein, weil somit zumindest (phasenweise) Wohn- Reiserhythmus aufzubauen, allerdings gelingt dies oft raum belegt wird, der ansonsten gegebenenfalls leer nicht. Gründe hierfür sind beispielsweise die Krankheit steht. eines Familienangehörigen, aber auch berufliche Re- Die favorisierten Unterkünfte sind zumeist eher klein striktionen wie Dienstreisen: „Ich wollte eigentlich immer und werden häufig gerne möbliert angemietet. Die von Dienstag, Mittwoch, Donnerstag hier sein, aber ehrlich den Beschäftigten als Nebenort klassifizierte Unterkunft gesagt ist das meistens nicht der Fall, weil ich dann doch wird zudem oft funktional, schlicht und einfach eingerich- irgendwo anders bin. Aber es war eigentlich das Ziel tet, sodass lediglich eine spartanische Ausstattung mit [lacht]“ (48-jähriger männlicher Multilokaler mit berufs- den nötigsten Möbeln und Haushaltsgeräten vorhanden bedingtem Nebenort im Landkreis Diepholz). ist und sie für die Zeiten der Anwesenheit ihre persön- lichen Gegenstände, wie beispielsweise Kleidung und vereinzelt auch Lebensmittel, mitbringen. Dieser Aspekt 4.1.3 Zusammenleben bei temporärer Nähe kann für ländliche Räume nachteilig sein, da die Multilo- kalen durch die Mitnahme der Lebensmittel nicht vor Ort Innerhalb der Woche sind die Multilokalen in diesem einkaufen und dadurch der Einzelhandel in ländlichen Sample oft einer hohen Arbeitsbelastung ausge- Räumen keine (zusätzlichen) Einnahmen gewinnt. setzt, weil sie zumeist leitende Tätigkeiten haben (vgl. Da die mehrörtig lebenden Beschäftigten am Jurczyk/Schier/Szymenderski et al. 2009; Leubert 2013) Nebenort in unregelmäßigen Rhythmen anwesend sind, und sie ihre Arbeitszeit auf wenige Tage in der Woche unterscheiden sich auch die Nutzungen der Infrastruk- verteilen (vgl. Leubert 2013: 103). Zudem konzentriert turen und Dienstleistungen stark. Zumeist nutzen sie sich deshalb das Sozialleben derjenigen untersuchten am Nebenort lediglich die Einkaufsmöglichkeiten für Multilokalen, die Familie haben, nahezu ausschließlich Lebensmittel und vereinzelt den Bahnhof für die An- auf die Wochenenden (vgl. Leubert 2013: 150). In der und Abreise. Dienstleistungen werden am Nebenort Woche der Anwesenheit im Landkreis Diepholz planen eher selten in Anspruch genommen. Auch Arztbesuche die Beschäftigten gelegentlich Unternehmungen mit machen die mehrörtig Lebenden zumeist am Ausgangs- ihren Kolleginnen/Kollegen. Diese finden zumeist in ort und nehmen diese Leistungen nur in Notfällen im den Abendstunden statt und beschränken sich auf Res- Landkreis Diepholz in Anspruch. Allerdings gibt es auch taurantbesuche oder Betriebssportangebote wie Fahr- vereinzelt Multilokale, die das Angebot am Nebenort im radgruppen. Somit stellen die mehrörtig Lebenden für Landkreis Diepholz schätzen gelernt haben und deshalb ländliche Räume durchaus ein Potenzial dar, weil sie in einige Dienstleistungen, wie beispielsweise Kosmetik- den Zeiten der Anwesenheit die lokale Wirtschaft nutzen behandlungen, aufgrund des guten Preis-Leistungs- (Restaurantbesuche und anderes), allerdings sind sie Verhältnisses ausschließlich dort in Anspruch nehmen. aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und damit gerin- Attraktive Dienstleistungen können demnach für länd- geren Freizeit eine eher kleine Zielgruppe. Über die

Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC 10 Lena Greinke, Nicola Hilti sozialen Interaktionen finden sich die Multilokalen gut in 4.2.1 Soziale Interaktionen die Kollegenschaft ein. Als Freundschaft bezeichnen die Personen die Kontakte jedoch nicht, wodurch deutlich Einige mehrörtig lebende Beschäftigte pflegen diese wird, dass sie im Bereich des sozialen Lebens eine klare Lebensweise im Landkreis Diepholz bereits über lange Trennung zwischen den Orten vornehmen. Oft passiert Zeiträume (10 bis 15 Jahre), wohingegen andere erst dies bewusst, denn bedauert wird diese Tatsache eher kürzer an mehreren Orten leben (1 bis 5 Jahre). Zumeist selten. In Bezug auf die Funktionen der Wohnungen haben die Beschäftigten jedoch auch zuvor mehrörtig ist dieses Auseinanderhalten weniger deutlich: Obwohl gelebt und sich somit an diese Lebensweise gewöhnt die meisten Wohnungen der Beschäftigten am Neben- oder mindestens angepasst. Auch die Familie und Ange- ort eher funktional eingerichtet sind, werden sie an den hörige sowie Freunde und Bekannte haben sich oftmals Wochenenden und im Urlaub von der Familie oder den bereits auf die Lebensweise eingestellt und wissen, Partnerinnen/Partnern mitbenutzt: „Wir haben auch dass die multilokal Lebenden nur an den Wochenenden Freunde hier im Norden. Also so Bremen und Hamburg, an ihrem Ausgangsort anwesend sind. Die temporäre und dann verbringen wir auch schon mal Wochenenden Abwesenheit führt jedoch dazu, dass sie zum Teil aus hier. Und dann kommt sie [seine Frau] halt hier vorbei dem Sozialleben ausgeschlossen werden. Beispiels- und dann ist es natürlich praktisch, wenn man hier eine weise äußern sie in den Interviews, dass sie zu Geburts- Wohnung hat“ (53-jähriger männlicher Multilokaler mit tagen oder anderen Feierlichkeiten gar nicht erst einge- berufsbedingtem Nebenort im Landkreis Diepholz). In laden werden, weil sie ohnehin nicht da wären. der Freizeit kommen folglich des Öfteren Familienan- Die Interviewten können sich diese Lebensweise gehörige in den Landkreis Diepholz und verbringen nicht als eine dauerhafte Lösung vorstellen und wollen dort Wochenendtrips oder ihre Ferien. Zwei mehrörtig später (wieder) beruflich monolokal leben. Dann wollen lebende Personen haben sich aus diesem Grund bereits sie, falls es sich ergibt, lediglich freizeitbedingt an meh- eine größere Unterkunft gesucht, um Gäste zu empfan- reren Orten leben. Ein Ort im Landkreis Diepholz kommt gen oder die Freizeit dort zu verbringen. Darin liegt vor dafür jedoch zumeist nicht in Frage. Sie definieren in der allem für ländliche Räume eine Chance, das Leben für Regel ihren Ausgangsort als Heimatort und identifizieren die phasenweise Anwesenden angenehm und attraktiv sich auch mit der dortigen Gemeinschaft: „Das [Bild] mit zu gestalten und sie dadurch gegebenenfalls zum Zuzug der Feuerschale war das Osterfeuer bei uns. Da waren zu bewegen und damit an Bevölkerung zu gewinnen. alle Freunde und die Familie da. Das ist mir wichtig und deswegen wäre für mich die Entscheidung auch immer klar, dass ich mein Leben nicht hier [im Landkreis Diep- 4.2 Die Bedeutung berufsbedingter holz] verbringen möchte. Sondern mein Hauptstandort, Multilokalität für das Zusammenleben wo ich immer wohne, eigentlich bei mir zu Hause ist. sowie betriebliche und regionale Da wo ich auch aufgewachsen bin. Mein Zuhause ist in Entwicklungen in ländlichen Räumen [am Ausgangsort außerhalb des Landkreises Diepholz]“ (32-jährige weibliche Multilokale mit berufsbedingtem Die subjektorientierte Erforschung multilokaler Lebens- Nebenort im Landkreis Diepholz). Hier gilt es für länd- weisen im Landkreis Diepholz zeigt eine Bandbreite an liche Kommunen, attraktiv zu sein und die Multilokalen Beweggründen, Ausprägungsformen und Lebensführun- zum Zuzug zu gewinnen, um beispielsweise im Bereich gen, die mit diesem mehrörtigen Dasein einhergehen. des Einzelhandels oder auch durch kommunale Finanz- Ein Wechsel der Perspektive führt nun zu den Fragen: zuweisungen zu profitieren. Welche Bedeutung kann diese berufsbedingte Multiloka- Dennoch bemerken die Befragten, dass der Arbeits- lität für betriebliche und regionale Entwicklungen haben? markt es derzeit und zukünftig vermutlich nicht zulassen Auf welche Herausforderungen müssen sich Betriebe wird, dass sie nahe dem Ausgangsort eine Arbeitsstelle und Akteure der Regionalentwicklung voraussichtlich finden. Aus diesem Grund befürchten sie, noch lange einstellen? Und welche Chancen und Risiken ergeben an mehreren Orten leben zu müssen und damit weiter- sich durch die mehrörtig lebenden Beschäftigten aus der hin nur eingeschränkt am Sozialleben am Ausgangsort Sicht der Betriebe und der Regionalentwicklung? teilhaben zu können. Es kann vermutet werden, dass zusätzliche Wechsel der Multilokalen aufgrund von zeit- lich begrenzter Projektarbeit, Dienstreisen oder Delega- tionen diese Situation zunehmend verschärfen. Denn dann fehlen neben den Kontakten am Ausgangsort auch

Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC Temporär genutzte Räume von berufsbedingt multilokal Lebenden. Herausforderungen 11 und Potenziale für betriebliche und regionale Entwicklungen in ländlichen Räumen Niedersachsens zusätzlich noch Interaktionen an den Nebenorten, weil Mehrörtigkeit voran, weil die Multilokalen sich häufig ein diese aufgrund kurzer Verweildauer und häufig wech- Lebensumfeld an einem Ausgangsort aufgebaut haben, selnder An- und Abwesenheiten gar nicht erst entstehen welches sie für befristete Delegationen oder Projektarbei- oder nur schwer aufrechterhalten werden können. Auf ten nicht aufgeben wollen. Eine multilokale Lebensweise der anderen Seite jedoch, so zeigen die Analysen, kann kann dann eine Möglichkeit sein, mit den betrieblichen sich dieser Aspekt auch positiv auf das soziale Leben Entsendungen umzugehen. Betriebliche Entsendungen der Multilokalen auswirken, denn durch die vielen tem- können demnach voraussichtlich eine Zunahme mehrör- porären Aufenthalte können sie beispielsweise vermehrt tiger Lebensweisen implizieren. Zusätzliche Dienstreisen neue Bekanntschaften machen und ihr Netzwerk aus- (an wiederkehrende Orte) können diese Mehrörtigkeit bauen. Auf dieses können sie dann zurückgreifen. verstärken. Im ersten Schritt steht für die Beschäftigten Trotz starker zeitlicher Restriktionen sind einige die Wahl der beruflichen Tätigkeit im Vordergrund und Beschäftigte schon seit Längerem an ihrem Ausgangsort nicht etwa eine Standortwahl von Arbeits- und Wohnort. engagiert und nehmen für das Engagement sogar häu- Dies kann eine Chance für die Betriebe bedeuten, denn figere Reisen in Kauf. Wenn beispielsweise ein Fußball- wenn sie (beruflich) attraktiv genug für die multilokalen spiel innerhalb der Woche am Ausgangsort angesetzt ist, Beschäftigten sind, bekommen sie immerhin phasen- so reisen die Interviewten teilweise für wenige Stunden weise Zulauf und müssen sich unter Umständen weniger zurück, um als Spielende aktiv daran teilzunehmen, und Sorgen um Nachwuchskräfte machen. Denkbar ist auch, kehren nach dem Spiel wieder zurück an ihren Neben- dass die zunächst mehrörtig lebenden Beschäftigten ort. Eine Rückkehr ist oft auch aus familiären Gründen ihre Lebensweise nach einer Zeit aufgeben und vollstän- phasenweise und spontan nötig. Beispielsweise pflegen dig an den Nebenort ziehen. Die Bürgermeister einiger einzelne Multilokale ihre Angehörige. Am Nebenort hin- Gemeinden haben dies bereits beobachtet. Zumeist gegen beschränkt sich ihr Engagement nahezu aus- erfolgte ein Komplettumzug zwar erst nach Aufgabe schließlich auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit der der beruflichen Tätigkeit, um den Ruhestand in ländlich Arbeitsstelle, wie etwa die Leitung einer Firmensport- attraktiven Gebieten zu verbringen, aber es besteht ver- gruppe. Oft bleibt jedoch kaum Zeit für ein Engagement mutlich durchaus Potenzial, dass dies bereits früher im am Nebenort, sodass hier keine Interaktionen zwischen Lebenslauf geschehen kann. Dadurch könnten vor allem der Kollegenschaft oder der übrigen örtlichen Bevölke- ländliche Räume mit attraktivem landschaftlichem oder rung stattfinden. Somit bleiben intensive Interaktionen kulturellem Angebot von Zuzug profitieren. am Nebenort aus und am Ausgangsort können Kontakte Es lässt sich außerdem annehmen, dass sich die nur erschwert aufrechterhalten werden. Diese Nachteile Betriebe auch der Herausforderung stellen müssen, nehmen Multilokale oftmals nur in Kauf, weil sie finanzi- dass die Beschäftigten sich aufgrund der mehrörtigen ell durch eine bessere Beschäftigung profitieren. Lebensweise (noch) weniger an die Betriebe binden beziehungsweise gebunden werden. Sind die Multiloka- len beispielsweise über Projekte beschäftigt oder sind die 4.2.2 Betriebliche Strukturen Auftragslagen in den Unternehmen ungewiss, so binden die Betriebe die Beschäftigten über befristete Arbeitsver- Die Multilokalen erklären, dass die Betriebe im Land- hältnisse nicht langfristig. Anders herum binden sich die kreis Diepholz zumeist mehrere Standorte haben und Multilokalen durch befristete Beschäftigungen weniger zusätzlich noch vermehrt Projektarbeiten, Dienstreisen stark und halten sich so offen, ihre mehrörtige Lebens- und Delegationen veranlassen. Durch die Delegationen weise schneller wieder aufzugeben. Die Befristungen und befristeten Arbeitsverhältnisse können die Betriebe können somit dazu führen, dass die Beschäftigten die als eine Art Treibkraft für multilokale Lebensweisen berufliche Tätigkeit aufgeben beziehungsweise eine identifiziert werden, weil sie Beschäftigte phasenweise andere Tätigkeit aufnehmen, und zwar noch rascher an andere Standorte der Unternehmen entsenden. Ver- als es monolokal wohnende, befristet Beschäftigte muten lässt sich, dass die Multilokalen aufgrund attrak- tun würden. Daraus entsteht ein hohes Risiko für die tiver Arbeitsbedingungen oder lohnenswerter Vergütung Betriebe, die bei personellen Wechseln zeitnah für eine durchaus gewillt sind, befristete Delegationen oder Pro- Nachbesetzung sorgen müssen und bei denen sogar jektarbeiten an zusätzlichen anderen Orten anzuneh- ganze Projekte an Rekrutierungsschwierigkeiten schei- men und demnach ihrem Unternehmen ‚treu bleiben‘ tern können. Für Betriebe in ländlichen Regionen, die anstatt ihr Beschäftigungsverhältnis aufzugeben. Durch ohnehin oft mit ‚Nachwuchssorgen‘ konfrontiert sind, diese Delegationen treiben jedoch die Unternehmen die stellt sich diese Herausforderung zugespitzt dar.

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Aus den Interviews mit den Bürgermeistern wird Dadurch können Multilokale für Kaufkrafttransfer sorgen deutlich, dass es für die Unternehmen im ländlich (Peer 2013: 2; ARL 2016: 15). geprägten Landkreis Diepholz zunehmend schwieriger Zudem sind die mehrörtig lebenden Beschäftigten ist, geeignete Fachkräfte und junge Menschen zu gewin- trotz einer funktionalen Ausstattung an einer eher hoch- nen. Vor allem letztere verlassen den Landkreis, um in wertigen und attraktiven Gestaltung ihrer Wohnorte in- einer größeren Stadt zu studieren oder eine Ausbildung teressiert. Dabei unterscheiden sich die Definitionen zu absolvieren. Für ländliche Räume ist die Abwande- einer attraktiven Wohnung: Einige bevorzugen eine rung (hochqualifizierter) Arbeitskräfte oft mit negativen schlichte und einfache Ausstattung der Wohnung, Folgen verbunden (Peer 2013: 2). Multilokale Beschäf- wohingegen andere beispielsweise Wert auf histori- tigte können hier eine Chance sein, den Fachkräfteman- sche Bausubstanzen legen. Nichtsdestotrotz ist für Mul- gel abzumildern (Greinke/Lange/Othengrafen 2018: 46). tilokale der Landkreis Diepholz so attraktiv, dass zwei Können die Betriebe beispielsweise Beschäftigte zumin- Befragte sogar Eigentum am Nebenort besitzen. Dies ist dest phasenweise gewinnen, werden diese gegebenen- zum einen durch die preisgünstigen Anschaffungskos- falls sogar zu Zuziehenden oder sie decken immerhin für ten, zum anderen aber auch durch die Attraktivität der kürzere Zeiträume Personalengpässe ab. Die Betriebe Region mit hohem Freizeitwert begründet. Die Multiloka- müssen dann aber attraktiv für ihre Beschäftigten len sind folglich durchaus bereit, sich im Landkreis Die- sein, was manche etwa über Sonderleistungen bereits pholz ‘fester’ niederzulassen, wodurch die Kommunen umsetzen: Einige stellen beispielsweise Dienstwagen durch (phasenweisen) Zuzug profitieren. oder Diensthandy zur Verfügung, andere ermöglichen Allerdings ist es den mehrörtig lebenden Beschäf- Betriebssport und wieder andere haben individuelle tigten oft nicht leichtgefallen, passenden Wohnraum Unterstützungsleistungen, die sie zum Teil direkt auf die zu finden (vgl. Greinke/Lange/Othengrafen 2018). Auf- einzelnen Beschäftigten zuschneiden. Für die Multiloka- grund der attraktiven Lage mit touristischen Zielen im len mit Kindern kann das Freihalten von Kinderbetreu- Landkreis Diepholz überlegen einige Multilokale, ihre ungsplätzen oder Heimarbeitsregelungen attraktiv sein, Wohnungen während ihrer Abwesenheit zur Zwischen- da ihnen dies die Betreuung der Kinder während der miete anzubieten. Dies birgt ein großes Risiko für die Arbeitszeit erleichtert. Auch wenn die Stichprobe keine ansässigen Beherbergungsbetriebe, weil dadurch Kon- Fälle hergibt, in denen zu betreuende Kinder in den kurrenzen entstehen können. Erste Ansätze in Bezug Landkreis Diepholz mitkommen, haben die Interviews auf die Wohnungsmarktentwicklungen im Landkreis mit den Bürgermeistern ergeben, dass es bereits Multi- Diepholz werden darin deutlich, dass bereits zwei Boar- lokale gab, die freigehaltene Kinderbetreuungsplätze in dinghäuser errichtet wurden, die auf die Bedürfnisse der Anspruch genommen haben. Die multilokalen Lebens- phasenweise Anwesenden abgestimmt sind. Boarding- weisen können die Unternehmen also auch anregen, häuser bieten flexible Mietdauern und eingerichteten neue betriebliche Angebote zu schaffen oder für eine Wohnraum, der auch für wenige Wochen oder Monate bessere Auslastung bisheriger betrieblicher oder kom- vermietet wird. munaler Angebote zu sorgen. In Bezug auf die Freizeitinfrastrukturen können mul- tilokale Lebensweisen voraussichtlich belebend wirken. Einige Multilokale schaffen sich im Landkreis Diepholz 4.2.3 Regionale Entwicklungen explizit kleine Freiräume nach Dienstschluss an den oft recht vollen Arbeitstagen, um ihrem Hobby oder einer In Bezug auf die regionale Entwicklung lässt sich weiters Freizeitbeschäftigung nachzugehen, z. B. Fahrradfahr- vermuten, dass es eine Chance für die Gemeinden ten oder Restaurantbesuche mit Kolleginnen/Kollegen. des Landkreises Diepholz sein kann, wenn multilokal Diese Freizeitgestaltung üben sie normalerweise nicht Lebende ihr Arbeits- und Privatleben nicht räumlich oder nur sehr selten am Ausgangsort aus. Die Multilo- trennen. Dadurch, dass die Interviewten teilweise ihre kalen können also allemal ein Potenzial für Vereine und Unterkunft gemeinsam mit ihrer Familie oder Freunden Institutionen sein, weil sie durchaus gewillt sind, ihre nutzen, die zu Besuch kommen, können die Kommunen knappe Zeit für Freizeitbeschäftigungen am Nebenort zu profitieren. Sowohl an den Wochenenden als auch in investieren. Hierzu bedarf es aber auch eines Umden- den Schulferien sind Familienangehörige im Landkreis kens hin zu flexiblen Angeboten hinsichtlich Vereins- Diepholz anwesend und verbringen ihre Freizeit in Nah- strukturen, die mancherorts noch sehr starr sind und die erholungsgebieten, beispielsweise am Dümmer See, Mitwirkung temporär Anwesender kaum ermöglichen. oder beleben den Einzelhandel durch ihre Einkäufe.

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4.3 Handlungsfelder für betriebliche und 4.3.2 Betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten regionale Entwicklungen Ursache für ein Leben an mehreren Orten sind zumeist Multilokale Lebensführungen sind in soziale, betriebli- Projektarbeiten, Dienstreisen und Delegationen. Die che und regionale Zusammenhänge eingebunden und Interviews mit den mehrörtig lebenden Beschäftigten bergen für diese sowohl Chancen als auch Risiken. machen deutlich, dass ihre Lebensweise in den meisten Hieraus lassen sich für alle drei Ebenen – das Zusam- Fällen nur möglich ist, weil die Betriebe entsprechende menleben, die Betriebe und die Regionen – exempla- Strukturen und Rahmenbedingungen, wie beispiels- risch erste Handlungsfelder aufzeigen. weise flexible Arbeitszeiten oder Unterstützungsleis- tungen wie Dienstwagen etc., schaffen. Diese oft frei- willigen (Zusatz-)Leistungen der Unternehmen können 4.3.1 Gestaltung des Zusammenlebens ausschlaggebend für Zuziehende, Multilokale und junge Menschen sein, um phasenweise in die Region zu Da einige Multilokale ihre Lebensweise bereits seit kommen oder auch komplett dorthin zu ziehen. Wenn einigen Jahren führen, nehmen sie nicht mehr so aktiv folglich die Betriebe interessante Unterstützungsange- am Sozialleben am Ausgangsort teil. Hier ist es von bote etablieren und ausweiten, können Fachkräfteman- Vorteil, wenn am Nebenort für Interaktionen geeignete gel oder die Landflucht junger Menschen teilweise kom- (physische) Räume zur Verfügung gestellt werden, in pensiert werden. Nichtsdestotrotz lassen sich nicht alle denen sich multilokal Lebende mit ihrer Kollegenschaft Berufe flexibilisieren. Einige Multilokale haben stark spe- (regelmäßig) austauschen können. Die Interviews mit zialisierte Tätigkeiten, die beispielsweise in Heimarbeit den Multilokalen haben gezeigt, dass sie am Neben- nicht verrichtet werden können, weil sie an Maschinen ort ein soziales Netzwerk innerhalb der Kollegenschaft stattfinden müssen. aufbauen. Für den Austausch untereinander können Obwohl die Interviewpartnerinnen/Interviewpart- zunächst der Bedarf geprüft und danach geeignete ner häufig trotz Projektarbeiten und kurzen, befristeten Zeiten und Räume auch außerhalb der Normalarbeits- Vertragslaufzeiten über längere Zeiträume an mehreren zeit – vielleicht über ein betriebliches Freizeitangebot – Orten leben, kann es für die Betriebe eine Herausfor- geschaffen werden. Hier besteht die Möglichkeit, an die derung sein, weil die Beschäftigten eher einen Beschäf- bestehenden Angebote der Unternehmen im Landkreis tigungswechsel anstreben, z. B. aufgrund familiärer Diepholz, z. B. im Sportbereich, anzuknüpfen. Für die Verpflichtungen (z. B. Kindererziehung oder Pflege von Zielgruppe der Multilokalen wäre ein zeitlich und räum- Angehörigen). Hier können die Betriebe in einigen Fällen lich flexibles Angebot nötig. Eine Idee eines Multiloka- reagieren und befristete Arbeitsverhältnisse verringern len ist die Etablierung kurzfristiger Trainingszeiten für oder gar abschaffen, um ihre multilokalen Beschäftig- Betriebssport, vor allem in den Sommermonaten, auf ten zu Zuziehenden beziehungsweise monolokalen beziehungsweise in öffentlichen, kommunalen Sport- Beschäftigten zu machen. Unbefristete Arbeitsverhält- stätten. Flexible und thematisch offene oder wechselnde nisse können vermutlich die mehrörtigen Lebensweisen Angebote tragen zudem zu einer Erweiterung der (bis- verringern, weil die Menschen dann eher bereit sind, herigen) Angebote bei, die gegebenenfalls auch von der sich räumlich umzuorientieren. Aus wirtschaftlicher Sicht monolokalen Bevölkerung genutzt werden könnten. birgt dies ein Risiko, allerdings können so personelle Trotz eines engen Zeitbudgets haben die Multiloka- Sicherheiten geschaffen werden. Sollten Entfristungen len Bekanntschaften an mehreren Orten und somit neue jedoch nicht möglich sein, könnten die Unternehmen Netzwerke geschaffen, die sie teilweise auch nach der ausreichend attraktive andere Optionen für die Beschäf- Aufgabe ihrer beruflichen Tätigkeit an den Orten nutzen. tigten schaffen. Dazu zählen aus der Sicht der Beschäf- Hiervon können nicht nur die einzelnen Personen selbst, tigten an erster Stelle finanzielle Anreize, aber auch sondern auch die ländlich geprägten Kommunen profi- Unterstützungsleistungen, z. B. in Form von Beratungs- tieren. Denn sollte es den Kommunen gelingen, durch angeboten für die Wohnungssuche oder Freizeitange- Angebote, etwa im Freizeitbereich, attraktiv genug für bote. Besonders in ländlich geprägten Räumen kann die Multilokalen zu sein, kommen diese öfter zu Besuch auch die Bereitstellung von temporärem Wohnraum und verbringen ihre Freizeit oder ihren Urlaub an den seitens der Unternehmen für Multilokale sinnvoll sein, Orten, wodurch der Einzelhandel und Tourismus (zumin- weil diese oft nicht schnell genug passenden Wohnraum dest) profitieren können. finden (Greinke/Lange/Othengrafen 2018: 16).

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4.3.3 Handlungsfelder für Regionen Entwicklungen haben kann. Zwar stehen die untersuch- ten Kommunen bisher noch nicht vor der Herausfor- Die interviewten Multilokalen haben oft erst spät pas- derung, mit einer großen Anzahl multilokal Lebender senden Wohnraum (klein, möbliert und zentral) finden umgehen zu müssen, aber dies kann sich aufgrund der können. Denkbar ist, dass neben Vermittlungen von spezifischen Entwicklungen in der Arbeitswelt (und) in Wohnraum durch Betriebe auch Kommunen diese ländlichen Räumen mit zunehmendem Fachkräfteman- Aufgabe übernehmen und Wohnungsangebote bündeln gel und abwandernder (junger) Bevölkerung verstärken. (vgl. Greinke/Lange/Othengrafen 2018). Zudem kennen Das Alltags- und Berufsleben in den temporär sich die Multilokalen untereinander nicht, obwohl sie genutzten Räumen gestaltet sich innerhalb der Gruppe teilweise ähnliche oder sogar dieselben Herkunftsorte der Befragten häufig divers. Beeinflusst werden die mul- haben. Hier könnten die Betriebe und die Kommunen tilokalen Lebensweisen zumeist durch betriebliche Rah- ansetzen und entsprechende Angebote beispielsweise menbedingungen und Strukturen, die sie zum einen in in Form von „Schwarzen Brettern“ zur Vermittlung von eine mehrörtige Lebensweise drängen und zum anderen Mitfahrgelegenheiten oder die Organisation von Ver- etwa aufgrund flexibler Arbeitszeiten erst ein Leben netzungsveranstaltungen für die Zielgruppe Multilokale an mehreren Orten ermöglichen. Die Unternehmens- schaffen. strukturen tragen folglich wesentlich dazu bei, wie die Durch diese Vernetzung könnten Regionen zudem Menschen ihr Leben gestalten können (oder müssen). im Bereich der Freizeitinfrastrukturen profitieren. Bislang Denkbar ist, dass sich für Betriebe und Kommunen vernetzen sich die mehrörtig Lebenden zwar innerhalb Potenziale ergeben, wie z. B. (phasenweiser) Zuzug des Unternehmens mit der Kollegenschaft, aber es fehlt von (Fach-)Arbeitskräften durch zielgruppenspezifische an einer übergreifenden Verknüpfung der Interessen. Wohnraumentwicklung, die durch die aufgezeigten Obwohl den Multilokalen häufig nicht viel Zeit neben Handlungsfelder für betriebliche und regionale Entwick- der Dienstzeit bleibt, sind sie an gemeinsamer Aktivität lungen ausgeschöpft werden können. interessiert, sodass bestehende Formate besser ausge- Es ist davon auszugehen, dass sich sowohl Arbeits- lastet oder neue Angebote geschaffen werden könnten. als auch Lebenswelten und damit in Zusammenhang Durch die aktive Teilnahme an diesen Freizeittätigkeiten auch Formen multilokalen Lebens weiter wandeln und besteht zudem die Chance, dass die mehrörtig Leben- ausdifferenzieren werden. Vor allem neue Medien und den sich in die Gemeinschaft integrieren und sogar ihre Digitalisierungsprozesse können zukünftige temporär Familie mit an den Arbeitsort bringen, wodurch Anreize (physisch) genutzte Räume verändern. Denkbar ist, geschaffen werden können, sogar monolokal im Land- dass Dienstreisen nicht mehr so häufig nötig sind, weil kreis Diepholz leben zu wollen. Kommunikation (teilweise) digital stattfindet. Dadurch Aufgrund bisheriger Befunde aus der Forschung werden dann gegebenenfalls auch (dauerhafte oder (Greinke/Lange/Othengrafen 2017), ist davon auszu- phasenweise) Nebenorte weniger genutzt beziehungs- gehen, dass es für ländliche Kommunen, die potenziell weise frequentiert, weil Pendelhäufigkeiten weniger von Multilokalität betroffen sind, vorteilhaft ist, wenn sie werden. sich frühzeitig mit diesem Phänomen auseinanderset- Desiderata ergeben sich hinsichtlich der (raumbe- zen und Ideen und Ansätze entwickeln, wie sie multilo- zogenen) Theoriebildung in der Multilokalitätsforschung kal Lebende in ihrer Kommune begegnen wollen. Wie sowie belastbarer Aussagen zu Raumbeziehungen und können sie phasenweise Anwesende in Gemeinschaften der Quantifizierung des Phänomens. Zudem bleibt offen, einbringen? Welche Infrastrukturen müssen zukünftig wie Betriebe und Kommunen zukünftig auf mehrörtige entwickelt werden? Welcher Wohnraum wird nachge- Lebensweisen reagieren können und wollen. Und nicht fragt? zuletzt stellt sich die Frage, welche ökonomischen Impli- kationen die Zunahme und Ausdifferenzierung (berufsbe- dingter) multilokaler Lebensführungen mit sich bringen. Denn die multilokal Wohnenden sind an den jeweiligen 5 Fazit und Ausblick Orten sowie unterwegs dazwischen auch Konsumentin- nen/Konsumenten mit teilweise spezifischen Bedürfnis- Dieser Beitrag macht deutlich, dass mehrörtige Lebens- sen nach Waren und Dienstleistungen. Daraus ergeben weisen in ländlichen Räumen ein bislang zu wenig sich schon heute spezielle marktorientierte Angebote, betrachtetes Phänomen sind, welches durchaus Auswir- insbesondere Infrastrukturangebote (z. B. Boarding- kungen sowohl auf die betrieblichen als auch regionalen häuser, persönliche Lagerräume für aktuell nicht benö-

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(2003): Development Geography at the elzyk, Prof. Dr. Ingo Mose und Prof. Dr. Frank Othengra- Crossroads of Livelihood and Globalisation. In: Tijdschrift fen für die Betreuung der dieser Arbeit zugrunde liegen- voor Economische en Sociale Geografie 94, 3, 350-362. doi: den Dissertation. Des Weiteren möchten wir uns beim 10.1111/1467-9663.00262 Dick, E.; Reuschke, D. (2012): Multilocational Households in the Landkreis Diepholz und den interviewten Personen für Global South and North: Relevance, Features and Spatial die Bereitschaft zum Interview und ihre wertvollen Aus- Implications. In: Die Erde 143, 2, 177-194. künfte bedanken. Dank gebührt außerdem der Akade- Dirksmeier, P. (2007): Mit Bourdieu gegen Bourdieu empirisch mie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), die denken: Habitusanalyse mittels reflexiver Fotografie. In: im Rahmen ihres Mentoring-Programms das gemein- ACME. An International Journal for Critical Geographies 6, 1, 73-97. same Verfassen dieses Beitrags ermöglicht hat. Dirksmeier, P. (2009): Urbanität als Habitus. Zur Sozialgeographie städtischen Lebens auf dem Land. Bielefeld. Funding information: Das Forschungsprojekt „Tempo- Dittrich-Wesbuer, A. (2016): Multi-locality – New Challenges for räre An- und Abwesenheiten und deren Auswirkungen Urban Development and Policies in Germany? In: TRIALOG auf Land und Gesellschaft“ (www.tempaland.de) wird – Zeitschrift für das Planen und Bauen im globalen Kontext mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und For- 116/117, 1-2, 10-16. Dittrich-Wesbuer, A.; Föbker, S. (2013): Multilokales Wohnen – schung innerhalb der Fördermaßnahme „Kommunen Verbreitung und Formen in Deutschland. In: Scheiner, J.; innovativ“ von 2016 bis 2019 gefördert. Blotevogel, H. H.; Frank, S.; Holz-Rau, C.; Schuster, N. 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Angeboten von Technische Informationsbibliothek Hannover | Heruntergeladen 11.02.20 07:14 UTC Temporär genutzte Räume von berufsbedingt multilokal Lebenden. Herausforderungen 17 und Potenziale für betriebliche und regionale Entwicklungen in ländlichen Räumen Niedersachsens

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