Neue Gattungseinteilung Der Mittelamerikanischen Cichliden
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DCG_Info_07_2016_HR_20160621_DCG_Info 21.06.2016 06:51 Seite 146 Neue Gattungseinteilung der mittelamerikanischen Cichliden Rico Morgenstern Foto: Juan Miguel Artigas Azas Theraps irregularis verbleibt als einzige Art in der Gattung Theraps. Die Aufnahme entstand im Rio Lacanja im südlichen Chiapas, Mexiko. Inzwischen ist es fast 33 Jahre her, wenigstens Versuche, einzelne Gat- schien die Abhandlung „Diversity and dass KULLANDER (1983) die Gattung tungen neu zu definieren – aber eine evolution of the Middle American cich- Cichlasoma auf zwölf südamerikani- umfassende Gesamtbearbeitung er- lid fishes (Teleostei: Cichlidae) with re- sche, nahe mit der Typusart C. bima- folgte bisher nicht. Vielfach wurden vised classification“ (ŘIČAN et al. culatum verwandte Arten beschränkte. Zuordnungen vorgenommen, ohne 2016). Seither durfte der Name streng ge- dass man sich um eine wirkliche Be- nommen für die Mehrzahl der bis gründung bemühte. Die Arbeit berücksichtigt alle Cichliden dahin in dieser ehemaligen Sammel- Nord- und Mittelamerikas und der An- gattung untergebrachten, überwie- Bei der Gattungseinteilung der mittel- tillen sowie einige eng verwandte süd- gend mittelamerikanischen Arten amerikanischen Cichliden herrschte amerikanische Gattungen (Australoheros, nicht mehr verwendet werden. Man- somit bis vor kurzem ein ziemliches Caquetaia, Heroina, Mesoheros). gels geeigneter Alternativen ist das Chaos. Nun ist jedoch das Ende der An- Diese Fische gehören zu den „heroinen aber dennoch geschehen, wobei der führungszeichen (mit einer Ausnahme) Cichliden“, für die KULLANDER (1998) Gattungsname meist in Anführungs- und der willkürlichen Gattungszuord- die Gattungsgruppe (Tribus) Heroini zeichen gesetzt wurde. In der Folge nungen gekommen: Ein Team von aufstellte. Es steht jedoch mit Therap- gab es zwar sowohl von Seiten der tschechischen Wissenschaftlern unter sini ALLGAYER, 1989 ein älterer Name Wissenschaft als auch in der aquaris- Federführung von Oldrich ŘIČAN hat für diese Gruppe zur Verfügung, der tischen Literatur mehr oder weniger nach jahrelanger Vorarbeit Abhilfe ge- nach den Nomenklaturregeln (ICZN überzeugende Teilrevisionen oder schaffen. Im April dieses Jahres er- 1999) Vorrang hat. KULLANDER (1998) 146 DCG-Informationen 47 (7): 146-160 DCG_Info_07_2016_HR_20160621_DCG_Info 21.06.2016 06:51 Seite 147 hatte ihn wohl übersehen, weil er von merkwürdige Verteilung der Cryptohe- Aufwuchsfresser treten nur in Kombi- ALLGAYER (1989) nicht besonders her- ros- und Amatitlania-Arten innerhalb nation mit lotischem Körperbau auf. In- vorgehoben und lediglich mehr oder der Amphilophinen. nerhalb dieser ökomorphologischen weniger beiläufig aufgestellt wurde. Gruppierungen gibt es natürlich noch Alle anderen der Gattungskategorie Das zweite Standbein der Arbeit bildet weitere Spezialisierungen, so dass übergeordneten Gruppenbezeichnun- eine umfassende vergleichende Be- durchaus für die Gattungsdiagnosen ge- gen, die von ŘIČAN et al. (2016) ge- trachtung morphologischer (oder bes- eignete abgeleitete Merkmale identifi- braucht werden, wie „Amphilophines“, ser: phänotypischer) Merkmale. Auch ziert werden konnten, die aber als „Herichthyines“ oder „Astatheroines“ hier werden verschiedene Schwierig- Autapomorphien nicht für die Bezie- sind informell und sollten daher nicht keiten und potentielle Fehlerquellen hungen der Gattungen untereinander mit der Endung „-ini“ versehen wer- aufgezeigt. ŘIČAN et al (2016) kommen erhellend sind. den. zu dem Schluss, dass sehr viele Merk- malsausprägungen mehrfach unabhän- Die Zeichnungsmuster sind weniger Einen ersten wesentlichen Bestandteil gig in Anpassung an ähnliche Lebens- durch ökologische Faktoren beein- bilden umfassende molekulargeneti- räume, Nahrungsquellen und so weiter flusst. Allerdings vermuten die Autoren sche Analysen, wobei besonders positiv entstanden sind. Außerdem stehen oft einen Zusammenhang zwischen kon- hervorzuheben ist, dass die Autoren die mehrere solcher Ausprägungen in di- trastreicher (meist schwarz-weißer) mit Hilfe verschiedener Datensätze und rektem Zusammenhang miteinander, so Brutpflegefärbung und Anpassung an Methoden erzielten Resultate einander dass sie einzeln berücksichtigt die Er- schnell fließendes Wasser. Hier gibt es kritisch gegenüberstellen und auf mög- gebnisse verzerren würden. Aus diesem jedoch einige Ausnahmen, und es be- liche Fehlerquellen eingehen. Auch hat Grunde stehen nur wenige informative steht noch erheblicher Untersuchungs- man versucht, Sequenzen die von (ge- Merkmale für die Rekonstruktion der bedarf. So zeigt beispielsweise Theraps netisch) kontaminierten Proben oder Verwandtschaftsverhältnisse zur Verfü- irregularis, der wohl am besten an eine von falsch bestimmten Arten stammen gung, und kladistische Analysen, die rheophile Lebensweise angepasste mit- und so die Resultate früherer Analysen auf der Morphologie basierten, führten telamerikanische Cichlide, keine be- verfälscht haben, zu identifizieren und bisher nicht oder nur teilweise zu über- sonders ausgeprägte Kontrastfärbung. auszuschließen. Dennoch wurden ei- zeugenden Resultaten. Deshalb be- nige Widersprüche zwischen den auf trachten ŘIČAN et al. (2016) alle Merk- Im Gegensatz zu bisherigen Ansätzen, Untersuchungen mitochondrialer und male unter Berücksichtigung dieser bei denen Farb- und Zeichnungsmuster nuklearer DNS (kurz mtDNS und Faktoren, wobei sich die Vielfalt in ei- lediglich nach ihrer Ausprägung bei er- nDNS) basierenden Ergebnissen gefun- nige wenige ökomorphologische Grund- wachsenen Exemplaren interpretiert den, die nicht durch solche fehlerhaften typen gliedern ließ. Bezüglich der wurden (wobei oft nicht einmal die Daten entstanden sind, sondern auf na- Kopfmorphologie und -anatomie, ins- stimmungsabhängige Veränderlichkeit türliche Prozesse, etwa Hybridisierung, besondere des Nahrungsaufnahmeap- berücksichtigt wurde), haben die Auto- zurückgeführt werden. Durch solche parates, wurden fünf solcher Kategorien ren in langjähriger Arbeit (siehe zum Konflikte können Analysen, die auf (kraniale Ökomorphen) identifiziert: Beispiel ŘIČAN et al. 2005) die Ontoge- verketteten Datensätzen beruhen, ver- (1) Picker/Generalisten; (2) Fischfres- nese des Zeichnungsmusters etlicher fälscht werden. Ein weiteres Problem ser; (3) Substratsieber; (4) Detritusfres- Arten untersucht. Nur so kann man ver- ist der vergleichsweise geringe Infor- ser, (diese Gruppe umfasst als lässlich feststellen, ob miteinander zu mationsgehalt der bislang analysierten Spezialfälle auch Pflanzen- und Mol- vergleichende Merkmalsausprägungen nuklearen Sequenzen, wodurch nDNS- luskenfresser); (5) Aufwuchsfresser einander überhaupt entsprechen, also Analysen allein keine große Aussage- (diese Gruppe enthält ähnlich wie die homolog sind. kraft hatten und kombinierte Analysen Mbuna des Malawisees auch Formen, sehr stark von mtDNS-Merkmalen be- die überwiegend von tierischer Nah- Weitere Betrachtungen, etwa zur Evo- einflusst werden. Die Autoren umgin- rung leben). Der Körperbau erlaubte lution der Körpergröße und der Fort- gen diese Schwierigkeiten durch die ebenfalls die Unterscheidung dreier pflanzungsbiologie (Eigröße, Brutpflege- Anwendung einer neuen Methode Grundtypen (postkraniale Ökomor- form und so weiter), könnten sicher (ddRAD; siehe PETERSON et al. 2012 phen): einen ursprünglichen Typ sowie durch eingehende Beobachtungen noch und ŘIČAN et al. 2016) zur Sequenzie- die in gegensätzlicher Richtung davon vertieft werden. Hier sind auch interes- rung der nDNS, mit der man eine große abweichenden lentischen (an stehendes sierte Aquarianer gefragt. Verhaltens- Zahl informativer Merkmale erhält. Wasser angepassten) und lotischen (an merkmale wurden bis auf die unterschied- Dadurch konnte eine robuste phyloge- fließendes Wasser und/oder schnelles liche Beteiligung der Partner an der netische Hypothese erstellt werden, die Schwimmen angepassten) Formen. Von Brutpflege (Familienformen) nicht be- eine Reihe von unplausiblen Befunden 15 möglichen Kombinationen der kra- rücksichtigt, doch auch hier gilt, dass der herkömmlichen, mtDNS-lastigen nialen und postkranialen Ökomorphen der ökologische Zusammenhang zu be- Untersuchungen behebt, so etwa die wurden 13 vorgefunden, lediglich die achten ist. Ebenso muss man bedenken, DCG-Informationen 47 (7): 146-160 147 DCG_Info_07_2016_HR_20160621_DCG_Info 21.06.2016 06:51 Seite 148 148 DCG-Informationen 47 (7): 146-160 DCG_Info_07_2016_HR_20160621_DCG_Info 21.06.2016 06:51 Seite 149 Weibchen von Amatitlania sajica im natürlichen Lebensraum (Rio Olla 5, Bei den in der Gattung Cryptoheros verbleibenden Arten fehlt dieses Merk- Rio Sierpe-Einzug, Costa Rica). Zu den typischen Merkmalen der Gattung mal. Hier ein balzendes Paar von C. spilurus (Weibchen im Hintergrund) im Amatitlania gehört eine metallische, goldene oder kupferfarbene Glanzzone Lago Izabal, Guatemala. (Foto: J. M. Artigas Azas) an der Flanke balzaktiver Weibchen. (Foto: J. M. Artigas Azas) dass das Verhalten im Aquarium nicht Arten dieses Verwandtschaftskreises werden konnte, ist „Heros“ margariti- unbedingt eins zu eins auf die natürli- unter demselben Gattungsnamen füh- fer GÜNTHER, 1862. Zum einen konnte chen Verhältnisse zu übertragen ist. ren. Die Lösung, die ŘIČAN et al. (2016) sie bisher nicht in phylogenetische gefunden haben, nämlich die Gattungs- Analysen einbezogen werden, zum an- Den Abschluss der Arbeit bilden Über- grenzen entsprechend ökomorphologi- deren steht die Möglichkeit, dass es sich legungen zur Biogeographie, die eine scher Kriterien zu ziehen, ist für um einen Naturhybriden handelt,