DAV Panorama 6/2010

Skitouren in den Urner Alpen Vorwiegend sonnig Sobald die Pässe rund um die Urner Alpen im späten Frühjahr wieder befahrbar sind, beginnt die Skitouren-Hochsaison. Wer früher kommt und eine spannende Skitourenrunde um die Modegipfel Sustenhorn und Galenstock legt, wird mit unvergleichlichen Eindrücken in einer weitge- hend einsamen, atemberaubend schönen Hochgebirgslandschaft belohnt.

Text und Fotos von Stefan Herbke

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Vorwiegend sonnig

Sustenhorn und Tierbergli- hütte bleiben zurück, vor den Skibergsteigern liegt der spannende Abschnitt zur Trifthütte.

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Nur bei wenig Schnee zu empfehlen: der steile und teilweise mit Ketten gesicherte Sommeranstieg zur Chelenalphütte (o.). Der makellose 400-Meter-Hang des Sustenhorns zieht die Blicke auf sich, da vergisst man fast, auf der Sustenlimi zurück zum Winterhorn zu schauen (u.).

erzen auf dem Tisch, die bau auf einem Geländeabsatz in den lich aufsteigen, weiß allerdings keiner: Stirnlampe auf dem Kopf. steilen Hängen über dem gleichna- „Vor zwei Wochen hatten wir 67 An- Man könnte die Lichtver- migen Tal liegt vis-à-vis des Winter- meldungen – gekommen sind sieben.“ hältnisse romantisch nen- bergs. Dammastock, Eggstock und Auf uns ist Verlass, wir sind da, trotz nen oder einfach sagen, wie Hinter Tierberg heißen nur drei der dichtem Schneefall, der uns beim An- es ist: dunkel. Denn die einzige Lam- vielen Dreitausender, die mit wilden stieg vom Göscheneralpsee die Sicht Kpe in der Gaststube bringt nur wenig Wänden und spaltigen Gletschern ins genommen hat. Zum Glück war be- Licht in die Düsternis. „Tut mir leid“, Chelenalptal abbrechen und eine un- reits die Straße freigeräumt, so dass ruft Rusina aus der Küche, „mehr Lam- verwechselbare Kulisse schaffen. wir von Abfrutt bei Göschenen mit pen kann ich gerade nicht anmachen. dem Taxi bis zur Staumauer fahren Der Geschirrspüler läuft.“ Kein Pro- konnten. Der Wasserspiegel des Stau- blem, wir drei sind die einzigen Gäste Seiteneinstieg ins Touren- sees war zum Winterende bedenklich bei Rusina Hilfiker und Roman Decur- paradies gesunken, auch die Eisdecke machte tins, die für uns einen Tag früher auf Die Hütte wird vor allem im Som- keinen zuverlässigen Eindruck, so die Hütte gekommen sind. Allerdings mer gut besucht, im Winter kommen dass wir den sicheren Zustieg auf dem nur, weil sich für den nächsten Tag ei- nur wenige in das einsame und lawi- Sommerweg wählten. Der 1960 fertig- ne größere Gruppe angemeldet hat. nengefährdete Tal. „Im Winter 2008 gestellte Stausee verlängert den An- Ob die tatsächlich kommen wird, steht hatten wir mal 200 Gäste, da waren stieg zur Chelenalphütte um rund ei- in den Sternen, momentan schneit es wir drei Wochen auf der Hütte, aber ne Stunde, doch das ist nichts gegen stark und die Sicht vor der Hütte ist meist sind es weniger als 50“, sagt Ru- den Verlust für die Menschen, die einst kaum besser als in der Gaststube. sina und ergänzt: „Wir gehen nur bei hier lebten. Denn in den Fluten des Seit fünf Jahren bewartet Rusina Anmeldungen größerer Gruppen auf Stausees versank ein kleines Dorf, die die Chelenalphütte. Der kleine Stein- die Hütte.“ Ob die dann auch wirk- Bewohner wurden nach Gwüest um-

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gesiedelt. Die Göscheneralp wurde be- nächsten Tage soll sich das Wetter von reits im 17. Jahrhundert besiedelt und seiner sonnigen Seite zeigen. Vier Ta- galt als höchstgelegene Dauersiedlung ge mit guter Sicht brauchen wir, denn des Kantons Uri; ein abgelegener Pos- die geplante Runde in den Urner Al- ten, der nur im Sommer zu erreichen pen führt durch eine abgeschiedene und im Winter monatelang von der Gletscherwelt, in der man bei Nebel Außenwelt abgeschnitten war. und Schneefall keine Orientierungs- Im dichten Nebel folgten wir den möglichkeit hat. Dabei berühren wir Spuren von Rusina und Roman, die zwischen Göscheneralpsee und Tier- einige Stunden vor uns aufgestiegen berglihütte kurz die kaum begangene waren, und fanden so problemlos den „Urner Haute Route“, die von Re- Einstieg in den Sommerweg, der steil alp bis nach Engelberg führt, und fol- durch die Felsen zur Hütte führt. Ei- gen zwischen Sustenlimi und Rhone- ne Hütte inmitten der Berge ist etwas gletscher der „Franzosen-Rundtour“, Wunderbares, vor allem bei so unwirt- die noch am ehesten mit unserer ge- lichem Wetter. Draußen schneit’s, planten Tour übereinstimmt. drinnen ist es dank Heizstrahler und Der heutige Tag hält sich schon ein- Kerzenlicht angenehm warm, wenn mal an die Vorhersage und verspricht einen wunderbaren Tourentag und viel Sonne für die Stromgewinnung auf der Chelenalphütte. Aus der Kü- Einsame Täler, che duftet bereits der Kaffee, wobei Roman mit der ersten Tasse gleich ver- unberührte Hänge schwindet. „Für Rusina, dann steht sie besser auf und hat den ganzen Tag gu- und Gipfel, die erst te Laune.“ Überprüfen können wir im späten Frühjahr das nicht, denn gleich nach dem Früh- stück geht es los. Der Schnee ist hart, Hochsaison haben das Gelände steil, so dass wir erst ein- mal zu Fuß aufsteigen, bis wir auf rund 2600 Meter Höhe weite, sonnenüber- flutete Hänge erreichen. Beim An- stieg gibt es viel zu schauen: Der Win- terberg bildet eine imposante Kulisse, vor uns tauchen immer wieder neue Berge, Grate und unberührte Schnee- flächen auf, und schließlich erblicken wir über der Einsattelung der Susten- limi das Sustenhorn mit seinem mar- kanten, gleichmäßig geneigten Gip- felhang. Sieht harmlos aus, hat es aber in sich, denn bis zum Gipfelkreuz sind es noch über 400 Höhenmeter. Keine Spur ist zu sehen, außer uns kein Mensch unterwegs. Erst als wir auf der Sustenlimi stehen und das rie- sige Gletscherplateau überblicken, tau- auch recht dunkel – der erst 2008 bei chen von links her die ersten Touren- der Küchenrenovierung eingebaute geher über den Steingletscher auf, ei- Geschirrspüler braucht einfach zu viel ner nach dem anderen, unterwegs auf Strom. Und der wird über die Foto- dem klassischen Anstieg vom Hotel voltaikanlage gewonnen, für die heu- Steingletscher. Im Frühjahr, sobald die te kein guter Tag war. Sustenpass-Straße bis zum Hotel ge- Der nächste Morgen beginnt kalt öffnet hat, werden es Hunderte sein. und wolkenlos, so wie der Wetterbe- Platz wäre reichlich vorhanden auf den richt es gemeldet hat. Und auch die weiten Gletscherhängen und auf dem

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großen Gipfel mit Kreuz. Der Ausblick sie schlecht, dann kommen die Leu- auf die Gipfelwelt der Urner Alpen ist te nicht, sagen sie gut, dann kommen einmalig und dahinter sind sogar die alle – selbst wenn das Wetter dann Viertausender der Berner Alpen zu se- schlecht ist.“ hen. Stundenlang könnte man schau- en, der Rest des Tages ist schließlich ein Kinderspiel, bis auf den kurzen Hinein in die Mausefalle Gegenanstieg zur Tierberglihütte geht Der Wetterbericht ist jedoch un- es nur bergab. Oder man unternimmt verändert gut, das bestätigt uns Hei- noch einen Abstecher auf das Gwäch- ri am nächsten Morgen noch einmal: tenhorn, das so verlockend gegenüber- „Ihr habt Glück, denn bei Schlechtwet- steht und in dessen steiler Nordflanke ter ist die Trift eine Mausefalle.“ Vol- einige Spuren zu entdecken sind. ler Vorfreude queren wir von der Hüt- Wie auch immer, der Tag klingt in te hinüber zur Tierberglücke, schauen der Tierberglihütte aus, wo wir faszi- begeistert auf die schon näher gekom- niert den imposanten Gletscherbruch menen Berner Alpen und legen los: zwischen Vorder Tierberg und Hüt- Wie ein Kanonenrohr zieht das Tal Zwi- te betrachten und in Gedanken be- schen Tierbergen über 1200 Höhenme- reits unsere Spur oberhalb der Spalten ter hinunter auf den Triftgletscher, ein Richtung Tierberglücke legen. Mor- traumhafter Schlauch mit einer Folge gen früh! Jetzt erst einmal hinein in noch schönerer Hänge und einer stei- den Steinbau, den Heiri Büchler und len, schmalen Einfahrt. Das sollte ein seine Frau Helen seit vier Jahren be- Höhepunkt der Runde durch die Ur- warten. Sie haben den Schritt kei- ner Alpen werden. Soweit die Theo- ne Minute bereut. „Es macht einfach rie. Die Praxis beschert uns bockharten Spaß, mit den Leuten in den Bergen Schnee, auf dem die Kanten verzweifelt zu arbeiten“, erzählt Heiri, „die Arbeit Halt suchen, dann wieder Bruchharsch ist sehr vielseitig: Wir kochen, putzen, der übelsten Sorte, hart gefrorene La- helfen, retten, flicken, wir machen im- winenboller und ein steiniges Fina- mer was Neues – aber es ist ein kno- le, bei dem es nur darum geht, sturz- chenharter Job.“ Der Beginn war gut, frei auf den letzten Schneeresten die gleich der erste Winter 2007 brach- te dank des schönen Wetters so viele Übernachtungen wie noch nie, und es geht weiter aufwärts. 2009 war das beste Jahr in der Hüttengeschichte. Natürlich müssen sie hier oben, auf der Felsinsel am Rand des Gletschers, auf einige Annehmlichkeiten verzich- ten: „Unser Kühlschrank ist vor dem Fenster und im Vorratsraum“, erzählt Helen, und auch das Wasser ist ein Pro- blem, da die Leitungen oft eingefroren sind und dann nur das Außen-WC be- nutzt werden kann – laut Homepage „romantisch, mit schönster Aussicht auf das Sustenhorn“. Doch die schö- nen Augenblicke wiegen alles auf. „Die Gletscherzunge des arg geschrumpften cken wir auf eine steile Rinne, die den Ruhe nach dem Sturm, wenn alle auf- Triftgletschers zu erreichen. einzigen Ausweg aus diesem Kes- gebrochen sind, oder wenn wir alleine Etwas unterhalb sieht man die Eis- sel ermöglicht. Die Strecke dorthin vor der Hütte sitzen und Zeit zum Ge- decke des durch den Gletscherrück- hat es allerdings in sich: Ohne Pause nießen haben, das sind einfach unver- gang entstandenen Sees, über uns sausen aus der Flanke über uns kleine gleichliche Momente.“ Nur eines ist hängt ein bedrohlicher Gletscherab- und große Steine über die hart gefro- mühsam, meint Heiri: „Für den Hüt- bruch, unter dem frische Eislawinen rene Schneefläche, ändern abrupt ih- tenwart ist nicht das Wetter entschei- daran erinnern, dass der Gletscher re Richtung und zischen knapp an uns dend, sondern die Prognosen. Sagen keinen Winterschlaf hält. Vor uns bli- vorbei. Immer mit Blick auf die Stein-

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Die letzten Meter auf das Sustenhorn, im Hintergrund warten bereits mit Gwächtenhorn und – in den Wolken – Dammastock die nächsten Gipfelziele (o.). Besser geht’s nicht: Pulverschnee in der Nordflanke des Gwächtenhorns, danach die gastliche Einkehr in der Tierberglihütte (u.).

Nach der heißen Rinne bietet das Die von Renate Brun liebevoll ge- gemütliche Trifttälli eine kurze Ver- führte Hütte überrascht positiv. Zwar schnaufpause und der nordseitige An- gibt es auch hier Probleme mit dem Weite Gletscher, stieg zur Sacklimi eine willkommene Wasser, so dass die 36-Jährige viel steile Flanken und Abkühlung. Voller Erwartung stei- Schnee schmelzen muss, dennoch gen wir über die Hänge auf, denn oben funktioniert alles reibungslos. Für die Schutzhütten, bietet sich ein erster Blick auf die ein- Katzenwäsche gibt es im Waschraum drucksvolle Gletscherwelt zwischen eine kleine Schüssel mit dem kost- die wie Oasen im Hinter Tierberg, Wysse Nollen und baren Nass, und die Trocken-Toilet- Gwächtenhorn. Ein Abstecher rechts ten funktionieren auch ohne Wasser ewigen Eis stehen auf das Steinhüshorn mit seinen wun- bestens. Zwölf große Batterien garan- derbaren Skihängen entschädigt für das tieren, dass es genug Strom und damit morgendliche Rumgekratze in Zwi- Licht gibt. In der Küche bereitet Renate schen Tierbergen und begeistert mit bereits die Lasagne für das Abendessen schleuder geht es an die Querung, großartigen Ausblicken – über 2000 vor, während wir uns mit Apfelstrudel dann stehen wir in der Rinne und wer- Meter tiefer liegt Guttanenen, gegen- und Haslikuchen stärken – frisch ge- den regelrecht gebraten. Erbarmungs- über ragen die Berner Alpen auf, und backen. Seit vier Jahren ist Renate auf los knallt die Sonne in den Hohlspie- über dem Triftgletscher erkennt man der Trift, die im Winter bei Schlecht- gel, unter der dünnen Schneedecke den leuchtend weißen Dammastock wetter schnell zur Sackgasse wird. „Es gluckst verdächtig laut der Bach, wäh- mit seinen Nachbargipfeln –, dann que- ist natürlich schön, wenn das Wetter rend im Hintergrund ein Rumpeln ren wir oberhalb des Gletscherabbruchs mitspielt“, erzählt sie, „aber Schlecht- anzeigt, dass der Triftgletscher wieder und unterhalb beeindruckender Eis- wetter ist für mich auch kein Problem eine Ladung Eis losgeworden ist. türme hinüber zur kleinen Trifthütte. – ich hab ja alles, was ich brauche.“

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Das gemütliche Steinhüshorn ist eine lohnende Fleißaufgabe mit Pluspunk- ten für Aussicht und Abfahrt (l.). Felle abziehen in der Tierberglücke am Beginn der ersten Abfahrt des Tages (M.) und ein Radler als Belohnung auf der Trift- hütte – Auftakt des gemütlichen Teils des langen Tourentages (r.).

Einsamkeit ist die einst jüngste lange Zustiege hat. „Je weiter weg, desto ne einmal ins Tal absteigt und Freunde Hüttenwartin der Schweiz gewohnt, schöner ist es“, meint Renate. Die Trift besucht. „Im Winter arbeite ich an ei- schließlich kümmerte sie sich zuvor sie- entspricht genau ihren Vorstellungen, ner Schneebar und freue mich jeden Tag ben Jahre um die Mittellegihütte am Ei- der kürzeste Zustieg im Sommer be- auf die Hütte, auf eine tolle lange Sai- ger. Eine schöne Zeit, aber auch lange trägt viereinhalb Stunden ab der Trift- son und auf Leute, die es schätzen, eine genug. Sie wollte etwas Neues sehen bahn, im Winter sind es Minimum fünf bewartete Hütte anzutreffen und dort und eine Hütte haben, von der aus man Stunden – von der Tierberglihütte. Die Halbpension zu bekommen.“ auch Skitouren machen kann. Und ei- Trift ist ihr Wahlzuhause, auch wenn sie Und die sich beim Frühstück über ne, die weit weg ist vom Tal, bei der man nach mehreren Wochen am Berg ger- im Holzofen gebackenes Brot und

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Bohnenkaffee freuen. Mit einem gu- schneefall nutzen wir für die Um- ten Frühstück fängt der Tag doch gleich kehr zur Trifthütte, wo wir an Heiri viel besser an. Die Stimmung ist daher von der Tierberglihütte denken („Sa- gut, auch wenn das Wetter nicht mit- gen sie gut, dann kommen alle – selbst spielt – es schneit. Aber wohl nur hier, wenn das Wetter dann schlecht ist.“) denn der Wetterbericht meldet immer und mit dem neuesten Meteo versorgt noch „überwiegend sonnig“ und da- werden – für morgen ist „vorwiegend mit unverändert gut. Das wird schon, sonnig“ gemeldet. Was das heißt, se- also los Richtung Triftgletscher und hen wir anderntags beim Blick aus hinein in die Wolken. Der Schneefall dem Fenster – es schneit immer noch. wird stärker, die Sicht immer schlech- Doch es hilft nichts, wir wollen wei- ter, von dem versprochenen Schön- ter, probieren es erneut und haben wetter keine Spur. Die alten Skispuren Glück. Die Sicht ist geringfügig bes- sind längst zugeschneit, ringsum ver- ser, so dass wir die Undri Triftlimi schwindet alles in konturlosem Weiß. finden und auf den Rhonegletscher Wir müssen warten, auf bessere wechseln, wo wir nach einem kurzen Sicht oder, noch besser, auf die ver- Stück Blindflug bald die ersten Licht- sprochene Sonne. Eigentlich sollte die blicke entdecken – und nach einer ki- Etappe der Höhepunkt unserer Runde lometerlangen Abfahrt auf Belvédère werden, mit Wysse Nollen, Eggstock, mit blauem Himmel und strahlendem Schneestock und Dammastock hätte Sonnenschein begrüßt werden. Ein man vier Dreitausender einsammeln kurzer Gegenanstieg zum Furkapass, können, darunter den höchsten Gip- dann lassen wir es laufen, kilometer- fel der Urner Alpen, doch daraus wird weit gleiten wir erleichtert über die nichts, so viel ist jetzt schon klar. Passstraße zum schon lange sicht- Das neue Ziel heißt Undri Triftlimi, baren Hotel Tiefenbach. ein leichter Übergang auf den Rhone- gletscher und bei diesem Wetter der einzige Ausweg aus der Mausefalle Wechsel auf die Sonnenseite Trift – falls die Sicht besser wird. Fehl- Dort werden wir von Madeleine anzeige. Eine kurze Pause im Dauer- und Hansruedi Tresch erwartet, die sich mit dem Hotel einen Lebens- traum erfüllt haben und sich darüber freuen, dass wir da sind – wenn auch mit einem Tag Verspätung. „Diesen Winter hatten wir bereits 235 Absa- gen, obwohl das Wetter dann doch gut war“, erzählt Madeleine, „auch ges- tern war es sonnig.“ Kaum zu glau- ben. Und wir mussten wenige Kilo- meter entfernt im Schneefall umdre- hen. Doch das ist Schnee von gestern, glücklich sitzen wir auf der Terrasse, probieren den Brotzeitteller und trin- ken Bier. Und verstehen, warum die

Dreitausender zum Sammeln, atem- beraubende Logen- plätze und kilome- terlange Abfahrten

41 Durch die Urner Alpen

Anreise Bergführer n Mit der Bahn nach Göschenen, mit dem ALPIN SPORT TS, Thomas Stephan, Eckberg- Taxi zum Göscheneralpsee. str. 15, D-76534 Baden-Baden, Tel.: 07221/728 n Mit dem Auto über Bregenz und den 31, www.alpinsport-ts.de Walensee zur Ausfahrt Schindellegi am Zürich- see, ab hier der Beschilderung Gotthard Literatur folgen über Sattel, Schwyz und Altdorf nach Martin Maier: Skitouren Zentralschweizer Göschenen. Zufahrt ins Göschener Tal meist Voralpen und Alpen – Einsiedeln bis Gott- nur bis Abfrutt möglich, weiter mit dem Taxi hard, Verlag des SAC, 2010. (Alpentaxi Mattli, Tel.: 0041/(0)41/885 10 86) zum Göscheneralpsee. Karte Schweizer Landeskarte, Blatt 255 S Susten- Unterkunft pass mit eingezeichneten Skitouren, Maß- Falls die Chelenalphütte nicht bewartet ist, stab 1:50.000. empfiehlt sich eine Übernachtung im Berg- gasthaus Göscheneralp (Tel.: 0041/(0)41/885 11 Etappen 74) in Gwüest, einem ganzjährig bewohnten 1. Tag: Abfrutt (1167 m) – mit dem Taxi zum Weiler kurz unterhalb des Göscheneralpsees. Göscheneralpsee (1797 m) – Berg (1949 m) – Chelenalptal – Chelenalphütte (2350 m); Zeit: Hütten 3-3 1/2 Std. n Chelenalphütte (2350 m, SAC), im Frühjahr 2. Tag: Chelenalphütte – Sustenlimi (3089 gelegentlich bewartet, www.chelenalp.ch m) – Sustenhorn (3503 m) – Steingletscher – n Tierberglihütte (2795 m, SAC), im Früh- Tierberglihütte (2795 m); Zeit: 5-6 Std. jahr bei gutem Wetter durchgehend bewar- 3. Tag: Tierberglihütte – Tierberglücke (2986 Vorbei an markanten Felszacken führt das fotogene, aber steile Finale auf tet, sonst an den Wochenenden oder auf An- m) – Zwischen Tierbergen – Triftgletscher – den Lochberg (o.). Gemütlicher Anstieg frage, www.tierbergli.ch Trifttälli – Sacklimi (2660 m) – Triftgletscher – am Galenstock vorbei zum Brotzeitplatz n Trifthütte (2520 m, SAC), ab Mitte März Trifthütte (2520 m); Zeit: 5-5 1/2 Std. in der Winterlücke (u.). bis Ende Mai bei guten Verhältnissen bewar- 4. Tag: Trifthütte – Triftgletscher – Eggstock tet, www.trifthuette.ch (3556 m) – Dammastock (3630 m) – Rhone- n Hotel Tiefenbach (2106 m, privat), im gletscher – Belvédère (2272 m) – Furkapass Frühjahr in der Regel durchgehend offen, (2431 m) – Hotel Tiefenbach (2106 m); Zeit: www.hotel-tiefenbach.ch 7-9 Std.; Variante: Übergang vom Trift- auf den Rhonegletscher über die Undri Triftlimi Anforderung (3081 m) Anspruchsvolle und konditionell anstren- 5. Tag: Hotel Tiefenbach – Älpetli – Sattel gende Durchquerung, für die man unbedingt westlich der Albert-Heim-Hütte – Winter- gute Wetter- und Sichtverhältnisse benötigt. lücke (2854 m) – Lochberg (3074 m) – Bei Schlechtwetter ist die Trifthütte eine Göscheneralpsee – mit dem Taxi zurück zum Mausefalle und eine Rückkehr ins Tal kaum Parkplatz; Zeit: 4 1/2-5 Std. möglich. Komplette Gletscherausrüstung und Harscheisen erforderlich, bei ganz hartem Schnee sind für die Hänge oberhalb der Che- lenalphütte und den Schlussanstieg auf den Lochberg Steigeisen hilfreich. Beste Zeit Ende März bis Mitte Mai.

Auskunft n Schweiz Tourismus, Tel.: 00800/10 02 00 30 (gebührenfrei), www.MySwitzerland.com n Tourist Info Uri, Tel.: 0041/(0)41/874 80 00, www.uri.info n Haslital Tourismus, Tel.: 0041/(0)33/972 50 50, www.haslital.ch

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frei wird auf die Abbrüche des Win- Sonnige Täler, terbergs und die Gipfel des Haupt- kamms, die immer noch von dichten kühne Felstürme Wolken eingehüllt sind. Das steile Fi- nale auf den Lochberg ist die Krönung und Hänge für eine der fünftägigen Runde durch die Ur- der schönsten Ab- ner Alpen – und die Abfahrt zum Gö- scheneralpsee die Kür. 1200 Höhen- fahrten der Alpen meter feinste Hänge, oben ein wun- derbar steiler Gletscher, dann Gräben, Rücken und nicht enden wollende Hänge mit Tiefblick auf den Stausee, beiden sich hier oben so wohlfühlen – nächste Morgen bietet einen traum- schließlich die steile Querung zur das Hotel Tiefenbach steht auf einem haften Sonnenaufgang. Auf dem gut Staumauer, wo uns das Taxi erwar- wirklich traumhaften Platz gleich ne- durchgefrorenen Schnee gewinnen tet und zurückbringt in ein Tal, das in ben der noch tief verschneiten Furka- wir beim Anstieg unter die Albert- den letzten fünf Tagen deutlich grüner passstraße und wird selbst an den kür- Heim-Hütte schnell an Höhe und ge- geworden ist – der Frühling ist nicht zesten Wintertagen mit fast sieben nießen den Bilderbuchblick auf den mehr aufzuhalten. o Stunden Sonne verwöhnt. Galenstock. Nach einer kurzen Ab- Auch morgen sollte das so sein. fahrt ändert sich die Kulisse, messer- Stefan Herbke (43) liebt Skitouren, besonders unbe- Wir sind Optimisten und vertrau- scharfe Grate, kühne Felsnadeln und kannte, skifahrerisch interessante Ziele abseits häufig begangener Klassiker sowie großzügige Skidurchque- en der Vorhersage, die diesmal „meist jähe Abbrüche begleiten uns beim rungen, bei denen immer wieder neue Landschafts- sonnig“ meldet. Und tatsächlich, der Anstieg zur Winterlücke, wo der Blick eindrücke zu gewinnen sind.

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