Skitouren in Den Urner Alpen Vorwiegend Sonnig Sobald Die Pässe Rund Um Die Urner Alpen Im Späten Frühjahr Wieder Befahrbar Sind, Beginnt Die Skitouren-Hochsaison
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DAV Panorama 6/2010 Skitouren in den Urner Alpen Vorwiegend sonnig Sobald die Pässe rund um die Urner Alpen im späten Frühjahr wieder befahrbar sind, beginnt die Skitouren-Hochsaison. Wer früher kommt und eine spannende Skitourenrunde um die Modegipfel Sustenhorn und Galenstock legt, wird mit unvergleichlichen Eindrücken in einer weitge- hend einsamen, atemberaubend schönen Hochgebirgslandschaft belohnt. Text und Fotos von Stefan Herbke 34 DAV Panorama 6/2010 Urner Alpen | Unterwegs Vorwiegend sonnig Sustenhorn und Tierbergli- hütte bleiben zurück, vor den Skibergsteigern liegt der spannende Abschnitt zur Trifthütte. 35 DAV Panorama 6/2010 Nur bei wenig Schnee zu empfehlen: der steile und teilweise mit Ketten gesicherte Sommeranstieg zur Chelenalphütte (o.). Der makellose 400-Meter-Hang des Sustenhorns zieht die Blicke auf sich, da vergisst man fast, auf der Sustenlimi zurück zum Winterhorn zu schauen (u.). erzen auf dem Tisch, die bau auf einem Geländeabsatz in den lich aufsteigen, weiß allerdings keiner: Stirnlampe auf dem Kopf. steilen Hängen über dem gleichna- „Vor zwei Wochen hatten wir 67 An- Man könnte die Lichtver- migen Tal liegt vis-à-vis des Winter- meldungen – gekommen sind sieben.“ hältnisse romantisch nen- bergs. Dammastock, Eggstock und Auf uns ist Verlass, wir sind da, trotz nen oder einfach sagen, wie Hinter Tierberg heißen nur drei der dichtem Schneefall, der uns beim An- es ist: dunkel. Denn die einzige Lam- vielen Dreitausender, die mit wilden stieg vom Göscheneralpsee die Sicht Kpe in der Gaststube bringt nur wenig Wänden und spaltigen Gletschern ins genommen hat. Zum Glück war be- Licht in die Düsternis. „Tut mir leid“, Chelenalptal abbrechen und eine un- reits die Straße freigeräumt, so dass ruft Rusina aus der Küche, „mehr Lam- verwechselbare Kulisse schaffen. wir von Abfrutt bei Göschenen mit pen kann ich gerade nicht anmachen. dem Taxi bis zur Staumauer fahren Der Geschirrspüler läuft.“ Kein Pro- konnten. Der Wasserspiegel des Stau- blem, wir drei sind die einzigen Gäste Seiteneinstieg ins Touren- sees war zum Winterende bedenklich bei Rusina Hilfiker und Roman Decur- paradies gesunken, auch die Eisdecke machte tins, die für uns einen Tag früher auf Die Hütte wird vor allem im Som- keinen zuverlässigen Eindruck, so die Hütte gekommen sind. Allerdings mer gut besucht, im Winter kommen dass wir den sicheren Zustieg auf dem nur, weil sich für den nächsten Tag ei- nur wenige in das einsame und lawi- Sommerweg wählten. Der 1960 fertig- ne größere Gruppe angemeldet hat. nengefährdete Tal. „Im Winter 2008 gestellte Stausee verlängert den An- Ob die tatsächlich kommen wird, steht hatten wir mal 200 Gäste, da waren stieg zur Chelenalphütte um rund ei- in den Sternen, momentan schneit es wir drei Wochen auf der Hütte, aber ne Stunde, doch das ist nichts gegen stark und die Sicht vor der Hütte ist meist sind es weniger als 50“, sagt Ru- den Verlust für die Menschen, die einst kaum besser als in der Gaststube. sina und ergänzt: „Wir gehen nur bei hier lebten. Denn in den Fluten des Seit fünf Jahren bewartet Rusina Anmeldungen größerer Gruppen auf Stausees versank ein kleines Dorf, die die Chelenalphütte. Der kleine Stein- die Hütte.“ Ob die dann auch wirk- Bewohner wurden nach Gwüest um- 36 DAV Panorama 6/2010 Urner Alpen | Unterwegs gesiedelt. Die Göscheneralp wurde be- nächsten Tage soll sich das Wetter von reits im 17. Jahrhundert besiedelt und seiner sonnigen Seite zeigen. Vier Ta- galt als höchstgelegene Dauersiedlung ge mit guter Sicht brauchen wir, denn des Kantons Uri; ein abgelegener Pos- die geplante Runde in den Urner Al- ten, der nur im Sommer zu erreichen pen führt durch eine abgeschiedene und im Winter monatelang von der Gletscherwelt, in der man bei Nebel Außenwelt abgeschnitten war. und Schneefall keine Orientierungs- Im dichten Nebel folgten wir den möglichkeit hat. Dabei berühren wir Spuren von Rusina und Roman, die zwischen Göscheneralpsee und Tier- einige Stunden vor uns aufgestiegen berglihütte kurz die kaum begangene waren, und fanden so problemlos den „Urner Haute Route“, die von Re- Einstieg in den Sommerweg, der steil alp bis nach Engelberg führt, und fol- durch die Felsen zur Hütte führt. Ei- gen zwischen Sustenlimi und Rhone- ne Hütte inmitten der Berge ist etwas gletscher der „Franzosen-Rundtour“, Wunderbares, vor allem bei so unwirt- die noch am ehesten mit unserer ge- lichem Wetter. Draußen schneit’s, planten Tour übereinstimmt. drinnen ist es dank Heizstrahler und Der heutige Tag hält sich schon ein- Kerzenlicht angenehm warm, wenn mal an die Vorhersage und verspricht einen wunderbaren Tourentag und viel Sonne für die Stromgewinnung auf der Chelenalphütte. Aus der Kü- Einsame Täler, che duftet bereits der Kaffee, wobei Roman mit der ersten Tasse gleich ver- unberührte Hänge schwindet. „Für Rusina, dann steht sie besser auf und hat den ganzen Tag gu- und Gipfel, die erst te Laune.“ Überprüfen können wir im späten Frühjahr das nicht, denn gleich nach dem Früh- stück geht es los. Der Schnee ist hart, Hochsaison haben das Gelände steil, so dass wir erst ein- mal zu Fuß aufsteigen, bis wir auf rund 2600 Meter Höhe weite, sonnenüber- flutete Hänge erreichen. Beim An- stieg gibt es viel zu schauen: Der Win- terberg bildet eine imposante Kulisse, vor uns tauchen immer wieder neue Berge, Grate und unberührte Schnee- flächen auf, und schließlich erblicken wir über der Einsattelung der Susten- limi das Sustenhorn mit seinem mar- kanten, gleichmäßig geneigten Gip- felhang. Sieht harmlos aus, hat es aber in sich, denn bis zum Gipfelkreuz sind es noch über 400 Höhenmeter. Keine Spur ist zu sehen, außer uns kein Mensch unterwegs. Erst als wir auf der Sustenlimi stehen und das rie- sige Gletscherplateau überblicken, tau- auch recht dunkel – der erst 2008 bei chen von links her die ersten Touren- der Küchenrenovierung eingebaute geher über den Steingletscher auf, ei- Geschirrspüler braucht einfach zu viel ner nach dem anderen, unterwegs auf Strom. Und der wird über die Foto- dem klassischen Anstieg vom Hotel voltaikanlage gewonnen, für die heu- Steingletscher. Im Frühjahr, sobald die te kein guter Tag war. Sustenpass-Straße bis zum Hotel ge- Der nächste Morgen beginnt kalt öffnet hat, werden es Hunderte sein. und wolkenlos, so wie der Wetterbe- Platz wäre reichlich vorhanden auf den richt es gemeldet hat. Und auch die weiten Gletscherhängen und auf dem 37 DAV Panorama 6/2010 großen Gipfel mit Kreuz. Der Ausblick sie schlecht, dann kommen die Leu- auf die Gipfelwelt der Urner Alpen ist te nicht, sagen sie gut, dann kommen einmalig und dahinter sind sogar die alle – selbst wenn das Wetter dann Viertausender der Berner Alpen zu se- schlecht ist.“ hen. Stundenlang könnte man schau- en, der Rest des Tages ist schließlich ein Kinderspiel, bis auf den kurzen Hinein in die Mausefalle Gegenanstieg zur Tierberglihütte geht Der Wetterbericht ist jedoch un- es nur bergab. Oder man unternimmt verändert gut, das bestätigt uns Hei- noch einen Abstecher auf das Gwäch- ri am nächsten Morgen noch einmal: tenhorn, das so verlockend gegenüber- „Ihr habt Glück, denn bei Schlechtwet- steht und in dessen steiler Nordflanke ter ist die Trift eine Mausefalle.“ Vol- einige Spuren zu entdecken sind. ler Vorfreude queren wir von der Hüt- Wie auch immer, der Tag klingt in te hinüber zur Tierberglücke, schauen der Tierberglihütte aus, wo wir faszi- begeistert auf die schon näher gekom- niert den imposanten Gletscherbruch menen Berner Alpen und legen los: zwischen Vorder Tierberg und Hüt- Wie ein Kanonenrohr zieht das Tal Zwi- te betrachten und in Gedanken be- schen Tierbergen über 1200 Höhenme- reits unsere Spur oberhalb der Spalten ter hinunter auf den Triftgletscher, ein Richtung Tierberglücke legen. Mor- traumhafter Schlauch mit einer Folge gen früh! Jetzt erst einmal hinein in noch schönerer Hänge und einer stei- den Steinbau, den Heiri Büchler und len, schmalen Einfahrt. Das sollte ein seine Frau Helen seit vier Jahren be- Höhepunkt der Runde durch die Ur- warten. Sie haben den Schritt kei- ner Alpen werden. Soweit die Theo- ne Minute bereut. „Es macht einfach rie. Die Praxis beschert uns bockharten Spaß, mit den Leuten in den Bergen Schnee, auf dem die Kanten verzweifelt zu arbeiten“, erzählt Heiri, „die Arbeit Halt suchen, dann wieder Bruchharsch ist sehr vielseitig: Wir kochen, putzen, der übelsten Sorte, hart gefrorene La- helfen, retten, flicken, wir machen im- winenboller und ein steiniges Fina- mer was Neues – aber es ist ein kno- le, bei dem es nur darum geht, sturz- chenharter Job.“ Der Beginn war gut, frei auf den letzten Schneeresten die gleich der erste Winter 2007 brach- te dank des schönen Wetters so viele Übernachtungen wie noch nie, und es geht weiter aufwärts. 2009 war das beste Jahr in der Hüttengeschichte. Natürlich müssen sie hier oben, auf der Felsinsel am Rand des Gletschers, auf einige Annehmlichkeiten verzich- ten: „Unser Kühlschrank ist vor dem Fenster und im Vorratsraum“, erzählt Helen, und auch das Wasser ist ein Pro- blem, da die Leitungen oft eingefroren sind und dann nur das Außen-WC be- nutzt werden kann – laut Homepage „romantisch, mit schönster Aussicht auf das Sustenhorn“. Doch die schö- nen Augenblicke wiegen alles auf. „Die Gletscherzunge des arg geschrumpften cken wir auf eine steile Rinne, die den Ruhe nach dem Sturm, wenn alle auf- Triftgletschers zu erreichen. einzigen Ausweg aus diesem Kes- gebrochen sind, oder wenn wir alleine Etwas unterhalb sieht man die Eis- sel ermöglicht. Die Strecke dorthin vor der Hütte sitzen und Zeit zum Ge- decke des durch den Gletscherrück- hat es allerdings in sich: Ohne Pause nießen haben, das sind einfach unver- gang entstandenen Sees, über uns sausen aus der Flanke über uns kleine gleichliche Momente.“ Nur eines ist hängt ein bedrohlicher Gletscherab- und große Steine über die hart gefro- mühsam, meint Heiri: „Für den Hüt- bruch, unter dem frische Eislawinen rene Schneefläche, ändern abrupt ih- tenwart ist nicht das Wetter entschei- daran erinnern, dass der Gletscher re Richtung und zischen knapp an uns dend, sondern die Prognosen.