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3 Sänger des Jahres

Er ist seit 24 Jahren im festen En- gagement. Trotzdem hat ihn der Theateralltag weder mit Zynismus noch mit Hochmut gegerbt. Johannes Martin Kränzle kann noch immer sonnig lächeln. Er kann an Inhalte und Figuren glauben – und an die sinnliche Kraft der Musik. Er ist bescheiden geblieben. Ein Ausnahmesänger schon deshalb, weil er seine Stim- me über so lange Zeit und viel - fältige Aufgaben hinweg frisch ge- halten hat. Vor drei, vier Jahren erst veränderte eine Koinzidenz von Zufällen sein Leben. Jetzt ist er auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn angekommen. An der Mailänder Scala und der Berliner Staatsoper singt er unter der Leitung von Daniel Barenboim den Alberich. Bei den Salzburger Festspielen fei- erte er in der Uraufführung von Wolfgang Rihms «Dionysos» einen persönlichen Triumph. Für diese Partien vor allem wurde er zum «Sänger des Jahres» gewählt.

Johannes Martin Kränzle als Don Alfonso in Mozarts «Così fan tutte» an seinem Stammhaus, der (großes Bild), als Bartóks Blaubart an der Oper Köln und als Alberich im neuen «Ring» der Mailänder Scala und der Berliner Staatsoper © Monika Rittershaus, Detlef Kurth, DRAMA/Bresadola

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3 Sänger des Jahres

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suchen Eine Begegnung mit dem Bariton Johannes Martin Kränzle

Von Stephan Mösch

s klingt ehrlich. Als Johannes Martin einzigen, aber damals sehr einflussreichen Per- von einer kurzen Zusammenarbeit. Trotzdem E Kränzle erfährt, dass er zum «Sänger des son bekam ich plötzlich Gegenwind und wurde der Anruf: Hier ist der Spielplan, such dir aus, Jahres» gewählt wurde, platzt es aus ihm dadurch verunsichert. So etwas geht ganz was du machen willst. Kränzle sucht sich Bar- heraus: «Das kann aber gar nicht sein!» Was für schnell. Die Irritation ist da, und schon werden tóks Blaubart aus und Wagners Beckmesser – ein typischer, bescheidener Satz. Er klingt wie: die Leistungen instabil. Die psychische Kompo- und wird damit prompt für den «»-Preis Es gibt doch so viele gute und berühmtere nente macht 70 Prozent aus in diesem Beruf.» nominiert. Sänger, warum kommen Sie gerade auf mich? Kränzle zieht Konsequenzen, verlässt Hannover Er bleibt trotzdem am Boden. Wo andere Stimmt: Es gibt viele gute und berühmtere Sän- und hat als Lescaut in Henzes «Boulevard Soli- Sänger ihre Vita sorgfältig von vorne kürzen ger. Und trotzdem hat der Bariton bei unserer tude» (inszeniert von Nicolas Brieger, einem würden, bekennt er sich zu seinem Weg. Unum- Kritikerumfrage mehr Voten auf sich vereinigt frühen Förderer, mit dem er gerade Prokofjews wunden gibt er zu, wie wichtig es war, den Don als Anna Netrebko oder Cecilia Bartoli. Mehr «Krieg und Frieden» in Köln erarbeitet hat) Giovanni in Koblenz auszuprobieren: die Chan- auch als sein Fachkollege Christian Gerhaher, einen guten Start in Frankfurt. Neues Selbstver- ce, sich heranzutasten an eine Partie, die umso der ebenfalls eine starke Saison hinter sich hat trauen wächst. «Niederlagen sind schmerzhaft, heikler wird, je mehr man sich auf sie einlässt. Er (und 2010 «Sänger des Jahres» war). Nun also aber wichtig», sagt er heute. «Durch ihre Bewäl- macht auch kein Geheimnis daraus, dass Danilo Kränzle. Wieder ein deutscher Bariton. Wieder tigung entsteht neue Kraft.» In Frankfurt ist er und Eisenstein eine Zeitlang, vor rund zehn Jah- einer aus Bayern. Wieder ein Sänger, der sich nun seit 14 Jahren im Engagement. Intendant ren, seine «hauptsächlichen Einkommensgeber» durch Genauigkeit, Stilsicherheit und künstle- Bernd Loebe lässt ihm viel Raum, und zusam- waren: «Es gibt mindestens zwanzig Häuser, an risches Verantwortungsgefühl auszeichnet. Und men mit GMD Sebastian Weigle und den erst- denen ich mit diesen Rollen etliche Abende ver- doch ein völlig anderer Weg als bei Gerhaher. klassigen Ensemblekollegen arbeitet er an die- brochen habe.» Nicht immer war das künstleri- Johannes Martin Kränzle ist seit 24 Jahren sem Haus sehr gern. Den Gunther im neuen sche Level dabei so, dass er sich wohlfühlte, wo- im festen Engagement. Und er hat fast zwei «Ring» von Vera Nemirova und den Jaroslav bei er sich selbstkritisch einschließt. Guter Hu- Jahrzehnte warten müssen, bis vor drei, vier Prus in Janáceks «Die Sache Makropulos» wird mor sei eben auf der Bühne schwer herzustellen: Jahren der große Durchbruch kam. Späte Ge- er diese Spielzeit dort singen. «‹La Boheme› oder ‹› klappen auch, wenn nugtuung? Nein, sagt er, und wieder klingt die Zu seinen Förderern rechnet Johannes Mar- der Regisseur nicht gut ist. Sogar ‹›, ein- Bescheidenheit ehrlich: «Beim Sänger kommt tin Kränzle auch Pamela Rosenberg, die ihn fach weil das Stück so stark ist. Aber wenn bei ei- es darauf an, welche Aufgaben er hat. Und dann mehrfach nach San Francisco einlud. Dort sang ner Operette das Timing nicht stimmt, versackt erst darauf, wo er sie umsetzt. Ich hatte immer er unter anderem eine kleine, aber schwere Rol- der ganze Abend.» Wobei es nicht einmal um die schöne Aufgaben.» Bei Martin Gründler, sei- le, die viel in seinem Leben verändert hat: des Ästhetik geht. Auch konventionelle Operetten- nem Gesangslehrer an der Frankfurter Musik- Mädchens Bruder in Busonis «». abende können gut sein, sagt Kränzle, wenn das hochschule, hat er sich die wichtigste Voraus- Damit springt er 2008 an der Berliner Staats- Stilgefühl sitzt, das Handwerk. So, wie er es mit setzung für den Langstreckenlauf erarbeitet: oper ein. Daniel Barenboim dirigiert und will dem Wiener Regisseur Robert Herzl einmal er- «Möglichst schlank singen, mit vielen Obertö- ihn sofort nach der Vorstellung sprechen. Drei lebt hat beim Danilo. nen – das war seine Devise. Den Klang nicht Tage darauf dann ein ausgiebiges Vorsingen – Diesen grisettenerfahrenen Lebemann aus aufreißen, sondern fokussieren. Das hält die und das Angebot für den Alberich im neuen der «Lustigen Witwe» hat er im Dezember 2010 Stimme frisch. Auf solchen grundsätzlichen «Ring», einer Koproduktion mit der Mailänder in Genf wieder einmal gespielt. Annette Dasch Dingen hat er unerbittlich bestanden.» Scala. Fast gleichzeitig tun sich andere Türen war die Hanna Glawari, und ihr Vilja-Lied fand Erste Station: Dortmund, 1987 bis 1991. auf. Kränzle arbeitet in Frankfurt bei «Simon nicht wie üblich als längliche Ball-Nummer Dann Hannover. Immerhin: 1995 taucht Kränz- Boccanegra» und «Così fan tutte» mit Christof statt, sondern im letzten Akt. Da wuchs die an- le schon an der Bayerischen Staatsoper auf. Eine Loy, und der lädt ihn ein nach Salzburg, zu geblich so lustige Witwe zur tragischen Figur: Neuinszenierung von Henzes «Der junge Lord». Händels «Theodora». In einer «Theodora»- Einsam-melancholisch konnte sie kaum noch Der Komponist reist an; Günter Krämer insze- Probe wird dann 2009 zufällig das Team sitzen, an die Liebe glauben, wirkte schutzlos und warf niert. Der Sekretär ist keine kleine Partie. Neben das Wolfgang Rihms «Dionysos» 2010 heraus- sich eine Decke über. Eine Szene irgendwo zwi- ihm erfahrene Bühnentiere wie Trudeliese bringen soll und dem gerade der Protagonist schen Mozart und Beckett. Es war dieselbe Schmidt, June Card und Theo Adam. Kränzle, abgesagt hat. Nach der ersten Arie von Kränzles Decke, in die sich zu Beginn der ausgebrannte der Youngster, behauptet sich. Er hat Erfolg. Valens sind sich Ingo Metzmacher und Pierre Danilo gekrümmt hatte. Optische Leitmotive, Dennoch folgt danach nur der Weg zurück nach Audi einig: Das ist unser Mann. Schließlich die behutsam verdeutlichen, Querbezüge her- Niedersachsen. Dort dann doch 1997 eine große noch ein dritter Zufall. Uwe Eric Laufenberg stellen, mehr sagen, als die Figuren wissen. Krise. Kränzle denkt ans Aufhören: «Von einer wird Intendant in Köln. Man kennt sich nur Christof Loy hatte das inszeniert. Und Kränzle

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war alles andere als ein Operetten-Strahle- mann. Aber doch ein ganzes Mannsbild. Nur halt eines, das Schutzbedürftigkeit zuließ, Ver- letzlichkeit, Ehrlichkeit jenseits des Macho- Gehabes. Ehrlichkeit, Menschlichkeit: Das sind Worte, die immer wieder auftauchen, wenn es um Johannes Martin Kränzle geht. Er versuche mit den Figuren zu leben, sagt er, und so Facetten herauszufinden, die abseits der Klischees lie- gen. Macht das den Beruf nicht schwerer, oft fast unaushaltbar: dieses Einbringen persön- licher Substanz? «Es macht ihn dankbarer», ruft er spontan: «Man spürt an den Reaktionen sehr genau, ob die Menschen erreicht wurden oder ob jemand seine Show abgezogen hat oder auch nur schön gesungen. Das ist vielleicht das Wichtigste in diesem Beruf: dass man nach Inhalten sucht und nach einer Art, sie persönlich zu erzählen. Man muss sich einen eigenen Weg suchen, statt sich auf Vorbilder zu berufen. Das heißt auch: nach dem eigenen Klang suchen. Es kann dabei vorkommen, dass diesen eigenen Klang man- che Leute nicht mögen, eben weil er eigen ist. Trotzdem kann man mit ihm mehr erzählen als mit quasi genormtem Gesang, der letztlich aus- tauschbar ist. Das betrifft sowohl die Interpre- tation als auch die Technik. Es gibt ja Schulen, die genau festlegen: Ein Bariton hat so und so zu klingen. Was für ein Quatsch! Jeder Mensch ist unverwechselbar und sollte das nutzen. Des- halb ist ja auch ein Christian Gerhaher so groß- artig, oder ein Michael Volle: Man hört nach drei Takten, wer da singt. Zu schweigen von großen Baritonen der Vergangenheit.» Da ist sie wieder, diese Bescheidenheit, die in keiner Weise aufgesetzt klingt. Wie schafft er dieses «Eigene» bei Partien, die ganz anders angelegt sind, als das Stimmfach des deutschen, genuin lyrischen Baritons es mitbringt? Beim Alberich zum Beispiel, oder beim Blaubart? «Ich versuche, das Nachvollziehbare bei solchen Figuren herauszuholen. Alberich ist ja ein Johannes Martin Kränzle als Beckmesser durchaus verständlicher Charakter. Er wird erst beim Glyndebourne Festival 2011 durch Verletzungen zum Dämon. Blaubart ist ©Theater/Alastair Muir ein Mensch, der Schwierigkeiten hat, sich zu

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öffnen. Als er endlich die Möglichkeit dazu be- er als sinnlichen Klangmagier. Als die ersten sagt, der Dirigent auch. Von Barenboims kommt und es versucht, reicht seine innere Kraft Seiten der Partitur eintrafen, hatte er die Be- Begleitkünsten schwärmt er und hat überhaupt nicht, und die Frau überspannt den Bogen.» fürchtung, dass es auf eine zu hohe Tessitura mit Dirigenten eher gute Erfahrungen ge- Der Alberich an der Scala und in Berlin war, hinauslaufen könnte. Doch dann traf er sich macht. Das Urteil, nach dem die Zahl derjeni- das muss man hervorheben, ein persönlicher mit dem Komponisten in Karlsruhe: «Zwei gen, die von Stimmen etwas verstehen, radikal Erfolg von Johannes Martin Kränzle. Denn die Tage haben wir wunderbar zusammen gearbei- abnimmt, teilt er nicht: «Ich bin bei jeder Gene- Produktion dieses «Ring» ist szenisch schon tet, und er hat einiges für meine Stimme modi- ration Dirigenten begegnet, die Stimmen sehr nach der bislang gezeigten ersten Hälfte ge- fiziert. Oft geht es ja nur um eine einzige Note, sorgfältig behandeln und um den Gesang wis- scheitert. Im «Rheingold»-Programmheft wim- die eine ganze Phrase erleichtern oder besser: sen. Vladimir Jurowski jetzt bei den ‹Meister- melte es von Sprechblasen. «Guy Cassiers führt entspannen kann. Rihm war da total schöpfe- singern› in Glyndebourne war perfekt vorberei- ein völlig neues Paradigma ein», hieß es da. risch. Oft ist ihm sofort eine ganz andere Linie tet, er hatte sich vorab monatelang mit der Par- Oder: «Eine Schlüsselposition besteht (...) im eingefallen. Und zwar keine, die man als Alter- titur beschäftigt und zu jedem Takt Ideen ent- Verhältnis zwischen dem gegenwärtigen Mo- native erwartet hätte, sondern wirklich eine wickelt. Das Problem besteht nicht in der Kom- ment, der Geschichte und der Erinnerung.» ganz neue. Es war beeindruckend, wie schöpfe- petenz der Dirigenten, sondern darin, dass die Außerdem wurde man darüber aufgeklärt, dass risch und unkonventionell er anders wurde.» Zeit zur Vorbereitung immer knapper wird. das «spezifisch wagnersche Universum aus Musiker, auch wir Sänger, nehmen immer mehr Musik, Text und Bühne» bestehe. Ach so? Viel «Man muss sich einen eigenen Projekte an, und diese Projekte sind schnellle- hochtrabende Leere auch auf der Szene. Sie bot Weg suchen, das heißt auch: biger und kleinteiliger. Außerdem wollen man- schickes Design, Licht- und Videospielchen. nach dem eigenen Klang» che ihr Repertoire draufhaben, bis sie fünfund- Was sie nicht bot, war eine konzentrierte Arbeit dreißig sind, um dann damit Karriere machen mit Körpersprache und -ausdruck, war Perso- N. ist, wie Alberich und Blaubart, ein verstock- zu können. Es ist eine individuelle Entschei- nenregie, die den Namen verdient. Alberich tes, gehemmtes Wesen. Am Anfang kann er we- dung, wie viel Zeit sich jemand für die Vorbe- musste in 9000 Liter Wasser herumwaten und der singen noch sprechen, muss sich die Spra- reitung nimmt.» war von Tänzerinnen umrankt, die das Rhein- che erst qualvoll erarbeiten. Liegen sie Johannes Kränzle braucht bei Barockopern etwas mehr gold darstellen sollten. Und da war er dann Martin Kränzle, diese schwierigen Charaktere, Zeit, um sich dem Stilidiom anzunähern. An- trotzdem: der Moment, in dem das gelang- ihm, der so sonnig lächeln kann und den der sonsten lernt er schnell. Seine Mutter ist Schul- weilte Auditorium im Berliner Schillertheater Theateralltag auch nach einem Vierteljahrhun- musikerin. Vom achten bis zum zwanzigsten plötzlich ganz still wurde. Alberichs Fluch. Syn- dert nicht mit Zynismus und Hochmut gegerbt Lebensjahr hat er, neben vielen anderen Instru- kopen. Tremolo in der Pauke, ein verminderter hat? Der Beckmesser ist noch so eine Figur. menten, Geige trainiert, spielt heute noch Septakkord im Piano. Darüber die Stimme Beim Festival in Glyndebourne ersang er sich Kammermusik mit Mitgliedern des Frankfurter einer gequälten Kreatur. Sie schwebt frei, diese kürzlich damit einen Triumph. «Eine Lieblings- Museumsorchesters. Als Offenbachs Orpheus Stimme. Absolut unforciert im Ton. Verständ- partie», sagt Kränzle. «Er wird oft als Clown streicht er die Saiten selbst. Ein Musiker durch lich in jedem Wort. Druck kennt sie nur als gezeigt. Dabei geht es doch jedem von uns so: und durch. Schon als Gymnasiast hat er zwei Seelenschwingung, als Ausdruck eben. Im Ge- Es gibt peinliche Situationen und man merkt’s abendfüllende Opern komponiert, eine davon spräch will Kränzle die Produktion nicht kom- nicht; man überschätzt sich und wird nervös. auch dirigiert. Chor, Ballett, großes Sympho- mentieren. Es stünden ja noch die Premieren Ich möchte vermitteln, dass Beckmesser gar nieorchester – alles dabei, und alles auf die Mit- von «Siegfried» und «Götterdämmerung» an. nicht weit von uns weg ist, sondern wir alle mit schüler abgestimmt: «Der Oboe konnte man Was er dann doch sagt, und zwar ganz allge- ähnlichen Kalamitäten zu tun haben. Dann ein schweres Solo hineinschreiben, die Posaune mein, ist, dass Theater Geschichten über und wird die Figur reichhaltig und interessant, auch musste ganz einfach bleiben. Wir waren in durch Menschen erzählen sollte. Alles andere, für den Zuschauer. Das Lied auf der Festwiese Augsburg eine reine Jungenschule. Die Königs- wie Licht, Kostüme und Technik, hätten sich da versuche ich zu singen wie Wolfram im Sänger- tochter wurde von demjenigen gesungen, der dienend unterzuordnen. Nur eben: «Das kön- krieg auf der Wartburg. Beckmesser ist ja im das höchste Falsett hatte.» 1997 gewann Kränz- nen nicht alle Regisseure.» ersten Akt ein hoch angesehener Meister. Er le beim Kompositionswettbewerb der «Neu- Die Partie, die ihm neben Alberich die Voten wird ernst genommen. Warum sollte er wenig köllner Oper» den dritten Preis. Die Einsen- zum «Sänger des Jahres» eingebracht hat, ist später plötzlich wie eine Karikatur klingen?» dungen waren anonym, es ging um eine Kam- der N. in Wolfgang Rihms «Dionysos», einer Auf Kränzles Website sind seine Rollen sorg- meroper zum Thema Adam und Eva. Das Li- «Opernphantasie». N. ist Nietzsche ist Diony- fältig und realistisch nach «aktivem» und «pas- bretto hat er damals selbst geschrieben, das sos ist Marsyas, ist also mythische und reale Fi- sivem» Repertoire aufgeteilt. Er passt auf, Stück wurde auch aufgeführt. «Wahrscheinlich gur zugleich, die im apokalyptischen Finale von wann, wo und wie oft er eine Partie singt. habe ich diesen Preis bekommen, weil die Jury Mänaden umzingelt und gehäutet wird. Zual- Beethovens Pizarro, eine gefürchtete Brüllpar- gemerkt hat, dass ich aus der Theaterpraxis

lererst aber ist N. eine sauschwere Partie: hoch, tie, hat er nur in einer Aufführungsserie gesun- heraus geschrieben habe», meint er heute. Zum

musikalisch knifflig, kräftezehrend. Wie schwer gen, «mit meinen Möglichkeiten», wie er – wie- Komponieren hat er längst keine Zeit mehr, sie wirklich ist, konnte man in Salzburg aller- derum sehr ehrlich – hinzufügt. Ein Einsprin- jetzt, wo er am Höhepunkt seiner Laufbahn an- dings kaum hören, weil Kränzle die Schwierig- gen damit an einem prominenten Haus hat er gekommen ist, wo allein in der Spielzeit

keiten so brillant bewältigte. Erst ein Blick in dagegen kürzlich abgelehnt. Wie den Telra- 2011/12 vier neue Rollen auf ihn warten. Eine die Partitur lehrt, was er da geleistet hat. Er mund, der ihm wiederholt angeboten wurde: Wunschpartie? Wozzeck, sagt er. Der reize ihn

müsse von einem Projekt vorab überzeugt sein, «Meine Stimme hat immer noch mehr lyrische schon lange. «Und der kommt auch irgend-

sagt er, um die Energie dafür aufzubringen. Bei als dramatische Anteile. Sie wird größer und wann. Ich hatte das Glück, zum richtigen Zeit-

«Dionysos» sei das überhaupt kein Problem ge- vielleicht voller, aber ein Metternich wird sie punkt die richtigen und wichtigen Partner zu

wesen, er gleichwohl nach jeder Vorstellung nicht.» So viel Selbstbeschränkung ist selten ge- treffen. Dafür bin ich sehr dankbar. Vielen her- «gezeichnet». Viel Musik der Gegenwart hat er worden auf einem Markt, bei dem Taminos den vorragenden Leuten ist der Zufall nicht so gesungen: neben Henze etwa Haas, Eötvös, Pe- Stolzing bedienen und Stolzings den Tristan. hold.» Was für ein typischer, bescheidener Satz. ter Maxwell Davies und Reimann. Rihm schätzt Der Raum muss stimmen, damit Kränzle zu- Womit wir wieder am Anfang wären. l

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