Die Vernichtung Der Firma Herzog & Co. Und Die Erinnerungen Werner Kahns
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3 Die Vernichtung Eine Auswahl der autobiographischen Mitteilungen Werner Kahns schließt sich an. der Firma Herzog & Co. Ein vollständiges Exemplar dieses Briefwech - und die Erinnerungen sels habe ich mit dem Einverständnis von Werner Kahn dem Stadtarchiv Eschwege Werner Kahns übergeben. von Dietfrid Krause-Vilmar Die Vernichtung der Firma Herzog & Co. Die Anprangerung Im Rahmen meines Gutachtens zur politi - Am Anfang stand eine kleine Notiz. „Die schen Tätigkeit des Eschweger Bürgermeisters Firma Herzog & Co., Duftmittel Fabrik,“ – so Dr. Alexander Beuermann war ich auf einen notierte der Eschweger Bürgermeister am in den Akten nachweisbaren Vorgang einer so 3.Mai 1937 handschriftlich – „hat einen irre - genannten Arisierung eines Eschweger Unter - führenden Namen, weil der Anschein er - nehmens gestoßen. Die staatlichen Maßnah - weckt wird, als handele es sich um eine ari - men waren dabei gegen Friedrich (bzw. Fritz) sche Firma. So kommt es, dass dort fortge - Kahn gerichtet, den im Jahre 1937 alleinigen setzt Parteistellen kaufen, obgleich die Firma Inhaber der Firma Herzog & Co. rein jüdisch ist.“ 1 Die Sache sei mit Assessor Den Kontakt mit seinem Sohn Werner Kamlah, dem Registerrichter am Amtsgericht Kahn erhielt ich durch dessen Vetter Kurt Eschwege, besprochen worden. „Er wird die Pappenheim (Schmalkalden), mit dem ich Firma zur Änderung veranlassen.“ Auch no - seit Jahren in Verbindung stehe, da er uns tierte er, dass am 20. September 1927 bei wichtige Dokumente und Bilder zur Ge - der Eintragung der Firma in das Handels - schichte seines Vaters Ludwig Pappenheim register „Herzog sofort von der Vertretung zur Verfügung stellte. Ludwig Pappenheim ausgeschlossen“ war. Nicht ermittelbar war, war einer der ersten politischen Schutzhaft - auf welchem Weg der Stadtchef zu dieser gefangenen des Konzentrationslager Breite - Feststellung gekommen war bzw. wer ihn auf nau; über sein Schicksal hatte ich in meiner diesen zehn Jahre zurück liegenden Vorgang Monographie (Marburg, 2. Aufl. 2000) be - aufmerksam gemacht hat. Der Landrat und richtet. die Gestapo zogen in den folgenden Mona - Als mir im November 2009 Kurt Pappen - ten das Verfahren an sich und erreichten heim ein Familienbild zeigte, auf dem seine schließlich die Löschung der Firma Herzog Tante Luise Kahn, geb. Pappenheim, zu & Co. – und damit die Existenzgefährdung sehen war – die Ehefrau von Friedrich Kahn der Familie Kahn, die sich angesichts der be - – fragte ich nach und erhielt den Hinweis auf drohten und enteigneten Lage entschloss, den in Rio de Janeiro lebenden Sohn Werner über Frankfurt nach Brasilien auszuwandern. Kahn. Kurt Pappenheim rief ihn an und be - richtete von unseren Forschungen. So kam Zur Firmengründung im Jahre 1926 es Ende November 2009 zu einem Telefon - Der damals 30-jährige Dr. Walter Kahn, gespräch mit Herrn Kahn, an das sich eine der Bruder des 1937 beschuldigten Fritz intensive Korrespondenz anschloss. Diese Kahn, und der damals 28-jährige Ernst Her - Korrespondenz klärte gegenseitig die Vor - zog hatten im Februar 1926 die Firma Her - gänge der Enteignung der Firma Herzog & zog & Co. gegründet. Dr. Walter Kahn hatte Co. auf, die deshalb zunächst knapp darge - gerade sein Studium der Chemie abgeschlos - stellt werden soll. sen. Ernst Herzog war Werkmeister in der 4 Eschweger Geschichtsblätter 23/2012 Eschweger Spazierstockfabrik Schloss & Co. Für Ernst Herzog war es dem Vertrag nach gewesen. Der Teilhaber dieser Fabrik Isidor ein Weg, ohne eigenes Risiko möglicher - Schloss war ein Onkel von Walter Kahn. weise die entgangene Lohnzahlung zu erhal - Über die Motive und den Anlass der Firmen - ten. Als die erwarteten Gewinne ausblieben, gründung berichtete Friedrich Kahn im Mai verließ er die Firma im April 1928 und wid - 1937, als er vor dem Registerrichter in Esch - mete sich einer eigenen Stockfabrik unter wege vorgeladen war: seinem Namen. Von seiner Seite lag weder „Ich war früher Mitinhaber bei der Stock - zu diesem Zeitpunkt noch später eine Äuße - fabrik Schloß u. Co. (Inhaber waren weiter rung zum Firmennamen vor, die auf ein mein Vater und mein Onkel Schloß). Die mögliches Nicht-Einverständnis mit den Brü - Firma war verschuldet und musste einge - dern Kahn schließen lässt. Notariell willigte hen. Herzog war Werkmeister in der Fa. er in die Fortführung der Firma durch Dr. Schloß. Er hatte noch eine Gehaltsforde - Walter Kahn unter dem eingeführten Namen rung gegen die Firma Schloß, die nicht Herzog & Co. ausdrücklich ein. 4 beitreibbar war. Ich wollte dann eine neue Existenz gründen – durch meinen Bruder, Die Firma Herzog & Co. der Chemiker ist, verfiel ich auf die Her - Die Firma war im Februar oder im April stellung von Desinfektionsmitteln und der - 1926 gegründet worden und hatte ihre Ge - gleichen. Mein Bruder hat dafür Erspar - schäftsräume zunächst im Haus der Schwie - nisse in geringfügigem Umfange (viel - gereltern Friedrich Kahns, der Familie Julius leicht 500, – M.) zur Verfügung gestellt. Pappenheim, in der Schildgasse 8 in Esch - Später stellte die Familie auch noch Dar - wege. Zunächst kann es sich nur um eine lehen zur Verfügung, wie sie auch am An - kleine Firma mit drei bzw. höchstens vier fang durch Verfügungsstellen der Räume Angestellten gehandelt haben. Von den her - half. Mein Bruder wollte den Herzog für gestellten Artikeln „habe ich in Erinnerung die aussichtslose Gehaltsforderung gegen ein Badesalz (mit Fichtennadelgeruch), die Fa. Schloß entschädigen und nahm Schmierseifen, ein Produkt, welches Verstop - ihn mit in die Firma. [… Herzog] sollte fungen von Röhren in den Küchen auflöste, nur berechtigt sein, sich an den Über - das Eisstreumittel (Solvo-Glace), welches pa - schüssen der Firma für seine Forderung tentiert wurde, vielleicht eine Art Seifenpul - nach und nach zu befriedigen; da aber in ver, ein Reinigungsmittel für Gläser, Flaschen den ersten Jahren keine Überschüsse er - etc. (im Grunde auch eine Seife) […]“ 5 zielt wurden, ist er aus der Firma ausgetre - Herzog & Co. firmierte als Hersteller che - ten. Er war im ganzen zwei Jahre lang haf - mischer Erzeugnisse und Vertrieb techni - tender Gesellschafter. Die Firma ist des - scher Neuheiten (1927), als „Großvertrieb halb nicht Kahn u. Co. genannt worden, technischer Neuheiten“ und „Hersteller des da hier in Eschwege sieben oder acht Fir - automatischen Feuerlöschers ‚Apyr’“ (Juni men namens Kahn bestanden; es hat uns 1928), als „Hersteller chemischer Erzeug - fern gelegen, den nichtarischen Charakter nisse“ (August 1928) und später als „Chemi - der Firma zu verbergen. [...]". 2 sche Fabrik, Eschwege, Desinfektionsmittel / Mit dieser Aussage stimmt die Vereinba - Parfümerien / Putzmittel / Seifen / Bäder“ rung zwischen Dr. Walter Kahn und Ernst (1933). 6 Die Firma hatte anscheinend erst Herzog vom Februar 1926 überein, in der Anfang der 30-er Jahre die Umsätze erheb - festgelegt worden war, dass etwaige Verluste lich steigern können. 7 Bis 1936 muss eine allein von Dr. Kahn getragen werden, wäh - weitere Umsatzsteigerung erreicht worden rend die Verteilung der Gewinne einer be - sein, so dass anzunehmen ist, dass die Ge - sonderen Vereinbarung vorbehalten war. 3 schäfte im Jahr 1937 gut liefen. 8 Dietfrid Krause-Vilmar: Die Vernichtung der Firma Herzog & Co. und die Erinnerungen Werner Kahns 5 Politische und justizielle Verfolgung solch klarer Weise vornehmen lässt, dass die Die Recherchen des Bürgermeisters beim Firma von jedermann sofort als jüdisches Amtsgericht Eschwege hatten ergeben, dass Unternehmen erkannt werden kann.“ Zudem Herzog im Jahre 1927 von der Vertretung sollten „alle Reichs-, Staats- und Kommunal - „sofort ausgeschlossen worden“ war. Dieser behörden des Regierungsbezirks Kassel von Satz, vor allem das „sofort“ darin, war nicht dort aus [i.e. Gestapo] verständigt werden, zutreffend. Im Register hieß es, dass „zur dass die Firma Herzog & Co. in Eschwege Vertretung der Gesellschaft (…) lediglich der ein jüdisches Unternehmen ist.“ Der Landrat Chemiker Dr. Walter Kahn ermächtigt (ist)“. schrieb: „Das Täuschungsmanöver hat sich Die Feststellung einer Vertretungsberechti - anscheinend glänzend bewährt, was daraus gung ist ein üblicher Vorgang und schließt hervorgeht, dass der Jude Kahn sich gegen bereits definitorisch die übrigen Mitglieder die vom Bürgermeister Dr. Beuermann schon der Gesellschaft von der Vertretung aus. In vor einiger Zeit beim Amtsgericht beantragte diesem Fall war aus den dargelegten Grün - Firmenänderung im Handelsregister wehrt.“ den zu keinem Zeitpunkt des Bestehens der Gestapo, Landrat, und Bürgermeister ent - Firma eine Vertretung Ernst Herzogs verein - falteten bei der Verfolgung dieser Sache bart worden. 9 Mit der für das Jahr der Fir - nicht nachlassende Aktivitäten, die bis in den mengründung (1926) abwegigen Unterstel - Regierungsbezirk Kassel hinein reichten. 12 lung, Kahn habe Herzogs Namen benutzt, Die Gestapo Kassel ersuchte am 21. Mai war Kahns Entgegenkommen, Herzog eine 1937 den Landrat um die Vernehmung Fritz Möglichkeit zu eröffnen, seine entgangenen Kahns und bat um „eine Stellungnahme des Lohnforderungen zu realisieren, ins Gegen - Bürgermeisters in Eschwege […] über den teil verkehrt worden. Die Tatsache, dass An - Stand des Verfahrens bezüglich der von ihm gehörige der jüdischen Familie Kahn Inhaber beim Amtsgericht Eschwege beantragten Fir - der Firma Herzog & Co. waren, ist zu kei - menänderung.“ Dr. Beuermann berichtete, nem Zeitpunkt verschwiegen, sondern seit dass das Amtsgericht Eschwege als Register - 1927 in Eschwege öffentlich bekannt ge - gericht gleichzeitig eine Verfügung