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Handreichung zur Instandsetzung historischer Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude im Gebiet der als Welterbe vorgeschlagenen Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland

Michael Schmidt und Dirk Wübbenhorst

Oktober 2019 Handreichung zur Instandsetzung historischer Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude im Gebiet der als Welterbe vorgeschlagenen Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland

Michael Schmidt und Dirk Wübbenhorst

Oktober 2019 Impressum

Handreichung zur Instandsetzung historischer Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude im Gebiet der als Welterbe vorgeschlagenen Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland

Autoren: Schmidt, Michael; Wübbenhorst, Dirk

Lektorat: Johanna Preuß

Die Autorenschaft und Bildrechte aller verwendeten Abbildungen liegen, so in der Bil- dunterschrift keine Quelle angegeben ist, beim IHM.

Institut for Heritage Management GmbH: Oktober 2019 INHALTSVERZEICHNIS

1. Ziel des Vorhabens ...... 5

2. Ausgangslage und Aufgabenstellung ...... 9 2.1 Bisheriges Verfahren zur Anerkennung der Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland“ als UNESCO Welterbe ...... 9 2.2 Maßnahmen der Dorfentwicklung zur Unterstützung des Erhalts des außer- gewöhnlichen universellen Wertes ...... 10

2.3 Weitergehende Anforderungen an die Denkmalpflegepraxis zum Erhalt des außergewöhnlichen universellen Wertes ...... 11

3. Kurzbeschreibung des Welterbevorschlagsgebietes ...... 13 3.1 Räumliche und zeitliche Abgrenzung ...... 13 3.2 Ende der regionalen Bautradition ...... 15 3.3 Geschichte, Sozialstruktur und wirtschaftliche Entwicklung ...... 16

4. Material und Methodenansatz ...... 19 4.1 Bewertungsansätze zur Belegung des außergewöhnlichen universellen Wertes

(OUV) und zur Identifikation von Störungen sowie Gefährdungen für die Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude ...... 19

4.2 Attributrelevanz der Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude ...... 20 4.3 Klassifikation und Bewertung gebäudebezogener Gefährdungen und Störungen ...... 26 4.4. Analysemethoden ...... 33

5. Gebäudetypen von Haupthäusern auf bäuerlich geprägten Hofstellen im niederen Drawehn ...... 36 5.1 Wohn- Wirtschaftsgebäude und Wohngebäude ...... 38 5.2 Landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude ...... 59

5.3 Hoftore und hofbegrenzende Mauern und Zäune ...... 64 6. Bauausführung und Baumaterial ...... 66

6.1 Zierformen an den Gebäuden ...... 66 6.2 Gestaltung der Außenwände ...... 76 6.3 Fundamente und Schwellen ...... 80 6.4 Türen ...... 81 6.5 Fenster ...... 90 6.6 Farben ...... 99 6.7 Dächer ...... 104

6.8 Holzverschalung und Wandverkleidung ...... 107 7. Fallbespiele und Bewertung der Welterbrelevanz ...... 110 7.1 Gefährdete Bausubstanz ...... 110 7.2 Störungen durch bauliche Maßnahmen ...... 115 7.3 Fördermaßnahmen ...... 125

8. Literatur ...... 134 1. ZIEL DES VORHABENS

Mit dieser Handreichung soll das Antragsver- Charakter des Gebäudes nachteilig überprägt fahren zur Aufnahme von neunzehn aus- haben. Die Handreichung beschränkt sich da- gewählten Rundlingsdörfern im Wendland her nicht auf eine repräsentative Auswahl von auf die UNESCO-Welterbeliste unterstützt Fallbeispielen mit der Darstellung von welter- werden. Außerdem soll sie den Schutz der im beverträglichen Instandsetzungen von Hal- Mittelalter geplanten und noch heute weitge- lenhäusern und Wirtschaftsgebäuden im Wel- hend erhaltenen Siedlungsform dieser Dörfer terbevorschlagsgebiet, sondern thematisiert und der sie umgebenden historisch wertvollen mit einer ganzheitlichen und systematischen Kulturlandschaftselemente fördern. Betrachtung: - die geschichtliche Entwicklung des Zielgruppen der Schrift sind Hausbesitzer, Niederdeutschen Hallenhauses und Planer, mit Erhaltungs- und Baumaßnahmen der zumeist in zweiter Reihe liegenden beauftragte Handwerksfirmen sowie Träger Wirtschaftsgebäude, öffentlicher Belange. Zusätzlich wird dem - die bauliche Beschreibung der Gebäude - Träger der Welterbeinitiative, der Samtge in ihren wesentlichen Merkmalen, meide Lüchow (SG Lüchow), ein Instrument zur - die Welterberelevanz des historischen flächenhaften Erfassung von Gefährdungen der Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude Gebäudebestandes im Kontext des sowie der Ermittlung baulicher Störungen außergewöhnlichen universellen Erbes, vorgelegt. - Störungen und Gefährdungen der historischen Bausubstanz, die die Au- Im Vergleich zu anderen Welterbestätten ze- thentizität der Gebäudesubstanz beein- ichnet sich die Welterbeinitiative des Wend- trächtigen und sich nachteilig auf eine lands durch die Besonderheit aus, dass es UNESCO-Nominierung auswirken sowie sich mehr als 95% des Gebäudebestands im - erste Maßnahmen der Dorfentwicklung, Vorschlagsgebiet um Privatbesitz handelt. Ge- die Störungen minimieren oder beseiti- genüber Welterbestätten, die sich im Besitz gen. der öffentlichen Hand (Weltnaturerbestätte Niedersächsisches Wattenmeer) oder im Es bleibt anzumerken, dass sich Maßnahmen kirchlichen Eigentum (Weltkulturerbestätte im Rahmen der Dorfentwicklung, die sich auf - Hildesheim) befinden, kann der GebäudebeVerluste von historisch wertvollen und ein- stand hier nur über fundierte Informationen sturzgefährdeten Gebäuden beziehen, zum der ansässigen Bevölkerung und mit der Bere- Zeitpunkt der Publikation erst in der Antrags- itschaft der Eigentümer zu einem langfristigen phase befinden und erst in einer aktualisierten Erhalt bewahrt werden. Fassung der Handreichung vorgestellt werden können. So haben beispielsweise neue Besitzer oft nur geringe Kenntnisse über die wertvollen his- Eine entscheidende Vermittlungsrolle torischen Gebäude, oder Altbesitzer stehen bei zwischen der Bewahrung des wertvollen Geb- Umbaumaßnahmen vor der Herausforderung, äudebestandes einerseits und den individuel- einen qualifizierten Rückbau von baulichen len Vorstellungen der Eigentümer andererseits Änderungen durchzuführen, die in der zweiten kommt den mit der Planung und Überwachung Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgten und den beauftragten Planungsbüros zu. Ohne eine

5 frühzeitige Sensibilisierung der Eigentümer laufende Abstimmung mit dem Planer zu durch versierte Planer, bereits in der Entwurf- allen Fragen der Bewahrung historischer sphase von Bauanträgen, kann ein Erhalt Baumerkmale in hoher Detailauflösung; der historisch wertvollen Bausubstanz nicht - die Sicherung und die Wiederverwend- gelingen. Ebenso wichtig ist, dass gestalteri- sche Lösungen, die zugleich eine zeitgemäße ung historischer Baustoffe. Nutzung ermöglichen und dem historischen Im Hinblick auf die Bevölkerung soll mit der Wert Rechnung tragen, nur auf der Grundlage Handreichung zum einen der Informations- fundierter Kenntnisse über die regionale Bau- stand hinsichtlich der weltweiten Einzigar- geschichte und charakteristische Baumerk- tigkeit der wendländischen Rundlingsdörfer male entworfen werden können. Beispiels- mit ihren charakteristischen Fachwerkbauten weise müsste die ausreichende Belichtung verbessert werden. Zugleich sollen auch eines zum Ausbau vorgesehenen Dachges- die Akzeptanz und die Motivation für einen chosses unter Bewahrung der für Hallenhäus- möglichst authentischen Erhalt der wertvollen er charakteristischen großen geschlossenen Gebäude erhöht werden. Dachflächen erreicht werden. Der aktuelle Erhaltungszustand der Hallen- Das notwendige Wissen über die Bautradi- häuser und Wirtschaftsgebäude in den neun- tionen im Vorschlagsgebiet liefert die regio- zehn Dörfern des Welterbevorschlagsgebiet- nale Hausforschung, also das Auswerten von es (Karte 1) bietet ein sehr komplexes Bild. Die Bauspuren an den Gebäuden, die Analyse Hallenhäuser sind heute nahezu vollständig zu - von historischen Fotografien und zeitgenös Wohnzwecken genutzt und dienen nur noch sischen Berichten unter Einbeziehung bereits in einzelnen Fällen auch der Unterbringung - veröffentlichter Untersuchungen zum ländli von Nutztieren auf bäuerlichen Hofstellen. chen Hausbau in Lüchow- und in Aufgrund einer aktuell vermehrten Nachfrage anderen Regionen des norddeutschen Hal- nach historischen Gebäuden auf ehemaligen lenhausgebietes (vgl. Kap. 4.4). Die auf diese Hofstellen im Wendland gibt es im Welter- Weise zusammengetragenen Ergebnisse sind bevorschlagsgebiet nur wenig Leerstand von in den Kapiteln 5 und 6 dargestellt. Hallenhäusern. Die meisten Häuser zeigen verschiedene Formen des Um- und Ausbaus, Auch Handwerksbetriebe sollen anhand der die die bauzeitlichen Merkmale mehr oder Handreichung mit Fragestellungen der Be- weniger überformt haben, aber dennoch die wahrung authentischer Gebäudemerkmale geschichtliche Entwicklung einer bäuerlichen - vertraut gemacht werden. Dies betrifft vorranNutzung widerspiegeln und im Kontext der Au- gig: thentizität zu diskutieren sind. - das Erkennen historischer Baumerk- male, die als Folge von Umbaumaßnahmen Die Wirtschaftsgebäude zeigen die gesam- in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts te Bandbreite vom Leerstand mit drohendem nicht mehr sichtbar sind, aber im Zuge Verfall bis zur Umnutzung zu Wohnzwecken. von baulichen Vorbereitungsarbeiten frei- Mit der vermehrten Aufgabe der kleinbäuer- gelegt werden; lichen Bewirtschaftung im letzten Drittel des - das Vorhandensein von fundierten Ken- 20. Jahrhunderts ging ein zunehmender Leer- ntnissen zum Erhalt authentischer Geb- stand der Wirtschaftsgebäude einher. Die äudemerkmale; nicht mehr zu landwirtschaftlichen Zwecken - die Beratung von Bauherrn und die fort- genutzten Bauten wurden in der Regel nur not-

6 dürftig repariert. Dadurch blieben wesentliche Nutzung somit erhaltenswert sind. Merkmale zumeist bauzeitlich erhalten, was einen hohen Wert zur Unterstützung der Wel- Demgegenüber zu unterscheiden sind terbeinitiative begründet. Andererseits ver- Renovierungen ab den 1960iger Jahren des größern nun hohe Kosten als Folge mangel- 20. Jahrhunderts, die die wesentlichen Ge- nder Erhaltungsmaßnahmen bei zugleich nicht staltungsmerkmale der regionaltypischen gegebener Wirtschaftlichkeit das Risiko eines Gebäude überformt und/oder durch Teilabriss Verlustes der wertvollen historischen Bausub- zerstört haben. Mit Hilfe der Ergebnisse der stanz. regionalen Hausforschung können solche Um- baumaßnahmen als potenzielle Beeinträchti- Mit der Handreichung werden konkrete Han- gungen des außergewöhnlichen universellen dlungsempfehlungen für bauliche Instand- Wertes der Welterbestätte „Siedlungsland- haltungsmaßnahmen und zur Erhaltung von schaft Rundlinge im Wendland“ im Einzelfall Hallenhäusern und Wirtschaftsgebäuden auf analysiert und bewertet werden. (ehemals) bäuerlichen Hofstellen im Welter- bevorschlagsgebiet „Siedlungslandschaft Aber auch die fortlaufenden Bemühungen zu- Rundlinge im Wendland“ gegeben. Die Handre- nächst des Rundlingsvereins und ab Mitte der ichung bietet eine zentrale Grundlage zur Be- achtziger Jahre des Denkmalschutzes unter- wahrung des außergewöhnlichen universellen liegen dem Gestaltungswillen des jeweiligen Wertes (ouv), der unterstützenden Kriterien Zeitgeistes und bedürfen im Zuge einer Aus- (iv) und (v) und der Authentizität und Integrität - weisung als UNESCO-Welterbe einer differen in Bezug auf die um den Dorfplatz gelegenen zierten Betrachtung und Bewertung. Hofstellen mit den radial ausgerichteten Hal- lenhäusern und Wirtschaftsgebäuden. Dabei Die künftige Anwendung der Handreichung in können keine pauschal gültigen Empfehlungen Vorbereitung von Baumaßnahmen zum Erhalt gegeben werden. Vielmehr sind Maßnahmen historischer Hallenhäuser und Wirtschafts- zum Erhalt oder im Zuge einer Antragstellung gebäude sichert sowohl den Erhalt der Attri- auf Um- oder Ausbau sind stets individuell zu bute, die die Kriterien (iv) und (v) belegen, als bewerten. auch die Bewahrung der Authentizität der his- torischen Bausubstanz. Somit können bei der Eine Eingrenzung der Beurteilung der Au- Erarbeitung des UNESCO-Welterbeantrags thentizität allein auf bauzeitliche Merkmale (Preparing World Heritage Nominations. UN- wäre im Kontext einer Werterhaltung einer ESCO, 2011) substanzielle Ausführungen zur Welterbestätte „Siedlungslandschaft Run- Baugeschichte einzelner Gebäude und deren dlinge im Wendland“ zu eng gefasst. Nutzung- aktueller Erhaltungszustand wichtige Auss- sanpassungen bis in die fünfziger Jahre des agen zur Authentizität der potenziellen Welter- 20. Jahrhunderts sind in der Regel als Weit- bestätte beitragen. erentwicklungen zu sehen, die den Charak- ter der kleinbäuerlich geprägten Hofstellen Die Handreichung unterstützt, gemäß den Ver- nicht grundlegend verändert haben. Erst mit pflichtungen der UNESCO für ein fortlaufendes einer Analyse der Entwicklungsgeschichte, Monitoring (Monitoring World Heritage. UNES- die von Hofstelle zu Hofstelle verschieden CO 2004), die Dokumentation von baulichen sein kann, ist auf der Grundlage des aktu- Maßnahmen zur Bewahrung der attributrele- ellen Erscheinungsbildes der Gebäude zu vanten Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude entscheiden, welcher Zeitschnitt prägend und begründet zugleich Sanierungs- und Erh- ist und welche Merkmale einer bäuerlichen altungsmaßnahmen in Übereinstimmung mit

7 den Anforderungen der Welterbekonvention.

Auf der Grundlage einer systematischen Er- fassung und Kartierung von Störungen und Gefährdungen des historischen Gebäudebe- standes können Prioritätenlisten für vordring- liche und fortlaufende Erhaltungsmaßnahmen erstellt werden, die eine weitere Förderung be- gründen.

Letztlich erlaubt die Handreichung bei einer Anpassung der Attribute und baulichen Merk- male auch außerhalb des Welterbevorschlags- gebietes eine Erfassung und Bewertung von Rundlingsdörfern mit Niederdeutschen Hal- lenhäusern.

8 2. AUSGANGSLAGE UND AUFGABENSTELLUNG

2.1 Bisheriges Verfahren zur Anerken- 12. Jahrhunderts planmäßig angelegten Run- nung der Siedlungslandschaft Rundlinge dlingsdörfer mit den an die Hofstellen angren- - im Wendland“ als UNESCO-Welterbe zenden Grünlandflurstücken (in der Verkop plungszeit aufgeteilte Gemeinschaftsflächen Mit dem durch das Land Niedersachsen der ) als auch die Ausrichtung der Giebel der Nie- Kultusministerkonferenz (KMK) in 2011 vorge- derdeutschen Hallenhäuser auf einen in der legten Antrag der Samtgemeinde Lüchow zur Dorfmitte gelegenem Platz als einzigartig und welterbefähig bewertet (Siedlungslandschaft Aufnahme in die deutsche Tentativliste wird der herausragenden Bedeutung der „15 wend- Rundlinge im Wendland – Der Weg zum Wel- ländischen Rundlingsdörfer in der Kulturland- terbeantrag, Niedersächsisches Landesamt schaft Niederer Drawehn“ Rechnung getragen für Denkmalpflege, 2019). und ihre Ausweisung als UNESCO-Welterbe unterstützt. Die von der KMK eingesetzte Ex- Auf Initiative des Deutschen Nationalkomi- tees ICOMOS wurde das Jahrestreffen des pertenkommission bewertet die Thematik - einer „ländlichen, bäuerlichen Architektur“ als International Scientific Committee on Vernac Lücke auf der Welterbeliste. Sie stellt im vorge- ular Architecture (CIAV) im Oktober 2016 in legten Gutachten jedoch zugleich fest, dass Lübeln durchgeführt. In der Abschlussemp- der aktuelle Zustand und der weitere Erhalt der fehlung wurden durch die Teilnehmer der fünfzehn ausgewählten Rundlingsdörfer und außergewöhnliche universelle Wert der Sied- der sie umgebenden historischen Kulturland- lungstypologie Rundlinge und der vernakular- schaftselemente künftig nicht als gesichert en Architektur bestätigt und eine Aufnahme auf - betrachtet werden können (Empfehlungen des die deutsche Tentativliste empfohlen. Zugle Fachbeirats an die Kultusministerkonferenz ich wurde die Notwendigkeit des Schutzes - des vernakularen Erbes in ländlich geprägten zur Fortschreibung der deutschen Tenta tivliste für das UNESCO-Welterbe (KMK, 2014). Regionen Europas der Welterbeempfehlung Die überarbeitete Konzeption der Welterbeini- vorangestellt (The Cultural Landscapes of the tiative trägt der Kritik der Expertenkommis- Wendland Ciruclar Villages. ICOMOS 2018). sion Rechnung, da der aktualisierte Antrag sich nicht mehr auf die 15 schönsten Dörfer Auf der 346. Sitzung der KMK am 12. Juni 2014 bezieht, sondern eine Siedlungslandschaft mit wurde die Fortschreibung der „Vorschlagsliste der Bundesrepublik Deutschland für die Nomi- insgesamt 19 Rundlingsdörfern identifiziert, innerhalb derer ausschließlich Rundlingsdör- nierungen zur Liste des Kultur- und Naturerbes fer liegen, die zudem in ihren siedlungs- und der Welt“ (im allgemeinen Sprachgebebrauch gebäudebezogenen Merkmalen weitgehend als Tentativliste bezeichnet) mit nur insgesamt erhalten sind. neun Vorschlägen (bei 31 Anträgen) beschlos- sen (Handreichung der Kultusministerkon- Im Ergebnis eines Fachworkshops im No- ferenz der Länder. Sekretariat der Kultusminis- vember 2014 und im von der Samtgemeinde terkonferenz, 2017). Bei Wiedereröffnung des Lüchow in Auftrag gegebenen und nun vor- Tentativverfahrens, voraussichtlich ab 2020, liegendem „Strategischen Managementplan“ wird eine mögliche Aufnahme der „Siedlung- werden sowohl die weitgehend erhaltene slandschaft Rundlinge im Wendland“ auf die Siedlungsform der in der zweiten Hälfte das deutsche Tentativliste maßgeblich abhängen von einer befriedigenden Antwort auf die Kri-

9 tikpunkte der KMK Expertenkommission: wiegend im 18. und 19. Jahrhundert entstan- - die von der Expertenkommission pos- denen niederdeutschen Hallenhäuser und die tulierte Beeinträchtigung der Integrität dahinterliegenden Wirtschaftsgebäude.

und Authentizität durch Eingriffe in die Substanz der Gebäude Vor dem Hintergrund, oft aus Kostengründen, nicht oder nur provisorisch durchgeführter - die Problematik des mittel- und lang- Erhaltungsmaßnahmen zur Bewahrung der fristigen Erhalts der Dörfer mit ihrer für reine Wohnzwecke zu groß dimensionier- weitegehend historisch erhaltenen Geb- ten Hallenhäuser und der oft ungenutzten, äudesubstanz aber noch vorhandenen Wirtschaftsgebäude mit den großvolumig gestalteten Längs- und (vgl. dazu Abschlussbericht Expertenkom- Querdurchfahrtsscheunen, wurde durch die mission S. 35, KMK 2014). Beide Bedingun- Samtgemeinde Lüchow ein Antrag auf Dor- gen der Expertenkommission stehen in einem fentwicklung gestellt und in 2015 durch das engen Sachzusammenhang mit den Förder- Amt für regionale Landesentwicklung (ArL) möglichkeiten der Dorfentwicklung und der genehmigt. Vorrangiges Ziel des Dorfentwick- Handreichung. So besteht für die Besitzer lungsvorhabens ist die Bewahrung der his- der Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude torisch wertvollen Bausubstanz, die sich zu die Möglichkeit notwendige Erhaltung- smaßnahmen mit staatlicher Unterstützung mehr als 95% im Privatbesitz befindet und ohne Unterstützung durch die öffentliche anteilig zu finanzieren. Unter Beachtung Hand der oftmals nicht erhalten werden kann. Handreichung können einerseits authentische Merkmale der historischen Gebäudesubstanz Die Berücksichtigung der Belange der Welter- erhalten und andererseits untypische, die beinitiative erfolgt nach bisheriger Praxis durch Welterbefähigkeit einschränkende Umbauten, Einzelstellungnahmen der Samtgemeinde - - identifiziert und mit Mitteln der Dorfentwick Lüchow als Träger öffentlicher Belange im Be lung langfristig gesichert bzw. zurückgebaut willigungsverfahren des Amtes für regionale werden. Landesentwicklung. Prioritäre Maßnahmen zum Erhalt des potenziellen außergewöhnli- chen universellen Erbes werden auf der Grun- 2.2 Maßnahmen der Dorfentwicklung dlage von Anträgen auf Förderung bewertet. zur Unterstützung des Erhalts des Wesentliche Kriterien sind zum einen der Er- außergewöhnlichen universellen Wertes halt der die UNESCO Kriterien (iv) und (v) un- terstützenden Attribute, unter Beachtung der Integrität und Authentizität, und zum anderen Das vorgeschlagene Welterbegebiet mit den die Beseitigung von Störungen, maßgeblich darin gelegenen neunzehn Rundlingsdörfern als Folge von Um- und Ausbaumaßnahmen weist keine dörflichen Siedlungen aus, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. zeitlich noch vor den planmäßig angelegten - Rundlingsdörfern entstanden sind. Es gibt Trotz vorbereitender Beratungsgespräche un ter Beteiligung des Planungsbüros Warnecke, auch keine Dörfer, die zu einer späteren Zeit des ArL, der SG Lüchow, der Unteren Denk- hinzugekommen sind. Zugleich ist die typische malschutzbehörde und des IHM, zeigen die Siedlungsform der Rundlingsdörfer weitge- eingereichten Antragsunterlagen eine nur un- hend erhalten und nicht oder nur geringfügig zureichende Beachtung der Belange des po- durch spätere Dorferweiterungen überprägt. tenziellen Welterbes. Wesentliche Ursachen Ebenfalls weitgehend erhalten sind die über- sind:

10 - mangelnde Einbindung vorliegen- Sonderfördermitteln in ihrem Bestand zu erh- der Kenntnisse und Dokumente (so alten. z.B. vorhandene historische Fotos und spezielle Literatur, wie z.B. Publikationen Insbesondere die dargestellten Ergebnisse des Heimatkundlichen Arbeitskreises der Hausforschung in Verbindung mit den Aus- Lüchow-Dannenberg), führungen zur geschichtlichen Entwicklung der Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude (siehe - fehlende Stellungnahmen zur Haus- Kap. 5 und 6) bieten zusätzlich die Möglichkeit, forschung und fehlende Analysen zur verdeckte Merkmale umgebauter Hallenhäus- Farbbefundung (oft aus Kostengründen), er im Ergebnis von Rückbaumaßnahmen durch - Sorgen der Hauseigentümer zu wel- die beauftragten Fachfirmen zu erkennen. terbebedingten Mehrkosten von Bau- Dies bildet wiederum eine wesentliche Infor- maßnahmen generieren oft eine abweh- - mationsgrundlage für eine qualifizierte San rende Haltung, ierung mit weitgehendem Erhalt authentischer - Anträge auf Genehmigung von Bau- Merkmale. maßnahmen ohne Beteiligung eines qual- - ifizierten Planers (ebenfalls aus Kosten gründen) und ohne frühzeitige Einbindung 2.3 Weitergehende Anforderungen an der Unteren Denkmalschutzbehörde, die Denkmalpflegepraxis zum Erhalt des - keine oder nur bedingte Kenntnisse außergewöhnlichen universellen Wertes zur Welterberelevanz der Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude bei den mit der Fortlaufende Erhaltungs- und Sanierung- Angebotserstellung beauftragten Handw- smaßnahmen unterliegen aufgrund unter- erksbetrieben. schiedlicher denkmalschutzrechtlicher Aus- weisungen keiner einheitlichen Bewertung Im Ergebnis der in den ersten drei Jahren im Welterbevorschlagsgebiet. Während bei durchgeführten Vorhaben zur Dorfentwicklung einer Ausweisung von Einzeldenkmalen (§3, kommen darüber hinaus welterberelevante Abs. 2 NDSchG) die Belange zur Bewahrung des außergewöhnlichen universellen Wertes Belange zum Tragen, die auf der Grundlage der - - Handreichung künftig einen signifikanten Beit Berücksichtigung in ausreichender Form fin rag zum Erhalt des außergewöhnlichen univer- den, kann ein Erhalt historisch wertvoller Bau- sellen Wertes leisten können. substanz bei einer denkmalschutzrechtlichen Ausweisung als „Gruppe baulicher Anlagen“ Die Handreichung bietet in Verbindung mit nach §3, Abs. 3 NDSchG nicht als gesichert den Ergebnissen der Attributkartierung (vgl. betrachtetet werden, da ein umfassend- dazu: Schmidt, Michael und Susann Harder: er Schutzstatus aller Attribute als wertbes- Ergebnisse der Attributkartierung zur Unter- timmende Merkmale zur Unterstützung des stützung des Antragverfahrens zur Aufnahme außergewöhnlichen universellen Wertes der der Siedlungslandschaft Rundlinge im Wend- „Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland“ land auf die UNESCO-Welterbeliste, 2019) die in der aktuellen Denkmalpflegepraxis nicht Möglichkeit, Hallenhäuser und Wirtschafts- gegeben. Auch kann der Schutz welterberel- gebäude, die aufgrund mangelnder Erhal- evanter Gebäudesubstanz in der Umgebung tungsmaßnahmen in ihrer Substanz und ihrer eines Baudenkmals (§8 NDSchG) nur unzure- Standfestigkeit beeinträchtigt sind, system- ichend gewährleistet werden, da der Begriff - atisch aufzunehmen und perspektivisch mit der Einheit in der Denkmalpflegepraxis vorran

11 gig über die räumliche Nähe zum Denkmal An- - wendung findet. Eine differenzierte Denkmal wertbeschreibung für die Gruppe baulicher

Anlagen bedarf einer Nachqualifizierung durch das Niedersächsische Amt für Denkmalpfege (NLD).

Mit Unterstützung der Handreichung wird der Welterbeinitiative in der Begründung von Erhal- tungsmaßnahmen eine Bewertungsgrundlage vorgelegt, die bei einer erwünschten Ausweis- ung aller 19 Rundlinge als Gruppen baulicher Anlagen die Wertigkeit der Gebäude im Einzel- fall im gesamten Gebäudebestand eines Run- dlingsdorfes ermöglicht. Das umfasst sowohl eine Bewertung der Attribute im Kontext der Authentizität und Integrität als auch Gebäude- merkmale, die als Folge von Umbau- und Mod- ernisierungsmaßnahmen den außergewöhnli- chen universellen Wert beeinträchtigen.

Die Welterbeinitiative „Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland“ ist der UNESCO Kat- egorie „einer sich fortlaufend dynamisch en- twickelnde Kulturlandschaft“ zuzuordnen. Das den außergewöhnlichen universellen Wert unterstützende Kriterium (iv) als „ein hervorra- gendes Beispiel eines Typus von Gebäuden,… oder Landschaften, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen“ verdeutlicht, dass ein konservatorischer Denkmalschutz nicht umfänglich die physischen Merkmale der Entwicklungsgeschichte der Hallenhäus- er umfassen kann. Formen des immateriellen Erbes, wie die Anpassung an wirtschaftliche Zwänge oder gar Not in den Nachkriegsjahren des 1. und 2. Weltkrieges sind im ländlichen Raum nur nachrangig Gegenstand einer Di- skussion zum Erhalt des kulturellen Erbes und der Denkmalschutzpraxis.

12 3. KURZBESCHREIBUNG DES WELTERBEVORSCHLAGSGEBIETES

Im Vorschlagsgebiet mit seinen 19 Rundlings- eine Siedlungslandschaft, deren Qualität aus dörfern gibt es ausschließlich Dörfer, die die der Raumverteilung innerhalb der topogra- Siedlungstypologie der Rundlinge mit all den phischen Landschaft erwächst. Während die als Attributen festgelegten Merkmalen auf- Siedlungsstruktur der Rundlingsdörfer fast im weisen. Damit ist anhand des Vorschlags- gesamten Gebiet des mittelalterlichen Lande- gebietes deutlich, dass die Entstehung der sausbaus existierte, findet sie sich nur noch im Rundlinge auf einen geplanten Besiedlung- Wendland in einer so außergewöhnlichen Ein- sprozess zurückgeht, der sich anhand schrift- heitlichkeit und Dichte. licher Quellen (Hardt 2019, 29-37) und teils anhand archäologischer Befunde (Klammt 2019, 38-53) deutlich nachvollziehen lässt. 3.1 Räumliche und zeitliche Abgrenzung Ursprünglich gab es über 200 dieser Run- dlingsdörfer im Wendland (Burkhardt-Lieb- Der niedere Drawehn, in dem sich die für die ig & Kulow 2019, 80-83), von denen während Anerkennung als Weltkulturerbe vorgeschla- eines Surveys des Rundlingsvereins noch genen 19 Dörfer befinden, stellt sich bis weit in etwa die Hälfte als Dörfer mit erhaltenem Run- das 19. Jahrhundert hinein als kulturell zusam- dlingscharakter beschrieben werden konnten . mengehöriger Raum dar. Diese Tatsache ist Eine Prüfung des Rundlingsvorkommens über auch im Zusammenhang mit der in Kapitel 3.3 kurz beschriebenen wendischen Besiedlungs- die Grenzen des Wendlands hinaus (Rudolff et al. 2019, 57-69) lässt zudem den Schluss zu, geschichte erklärbar. dass es in Mitteleuropa kein zweites Gebiet gibt, das diesen Entstehungshintergrund so Aus Sicht der Hausforschung zeigt sich die ein- deutlich darstellen kann. heitliche Entwicklung des Gebietes daran, dass es als eigene, von der Umgebung verschie- Die 19 Rundlingsdörfer, die für das dene Hauslandschaft beschrieben werden Vorschlagsgebiet der potenziellen Welter- kann (Abb. 1). Auffälligstes äußeres Merkmal bestätte ausgewählt wurden, repräsentieren sind die Steilgiebel der Hallenhäuser. Es han-

Abb. 1: Die 19 für das Weltkulturer- be vorgeschlagenen Dörfer im niederen Drawehn.

13 delt sich um ein inselartiges Vorkommen von sich die Baukultur hier seit dem Mittelalter in Steilgiebeln in einer Umgebung, in der sonst einheitlicher Weise entwickelt und so eine überall abgewalmte Wirtschaftsgiebel üblich typische Hauslandschaft hervorgebracht. waren (Abb. 2). Das Zentrum dieses Gebietes Die Ausführungen zu den Gebäuden in den entspricht etwa der Landschaft des niederen Kapiteln 5 und 6 beziehen sich daher auf die Drawehn. Da bereits die ältesten stehenden Hauslandschaft des niederen Drawehn. Gebäude im betrachteten Raum die jeweils typische Giebelausbildung zeigen, ist ein Ur- Der niedere Drawehn zeichnet sich außerdem sprung dieser Entwicklung nicht ablesbar. Wie durch eine besonders hohe Dichte von Dör- kaum anders zu erwarten, lässt das räumliche fern aus, bei denen es sich fast ausschließlich Vorkommen der beiden Ausführungen Walm- um Rundlingsdörfer handelt. Die Landschaft und Steilgiebel keine scharfen Grenzen erken- ist leicht wellig und geprägt vom Wechsel nen, sondern breite Übergangsbereiche, in zwischen feuchten Niederungsgebieten und - trockenen Geestrücken. Die Rundlingsdörfer denen beide Bauweisen zu finden sind. Außer dem wurden vor allem in der zweiten Hälfte liegen jeweils am Übergang zwischen den Wi- des 19. Jahrhunderts auch im von Steilgiebeln esen der Niederungen und den Ackerflächen geprägten Gebiet vereinzelt Häuser mit Krüp- der Geest. Der Zugang zum Wasser war für die pelwalm errichtet. - Wahl des Siedlungsplatzes offenbar entschei dend, auch wenn man damit den Nachteil häu- Die Bauernhäuser im niederen Drawehn, gele- fig aufgeweichter Hof- und Dorfplätze in Kauf gen etwa im Dreieck zwischen Lüchow, nehmen musste. und , ähneln sich jedoch nicht nur hin- sichtlich der Bauausführung der Wirtschafts- giebel. Auch die übrige Gestaltung vom äußeren Schmuckwerk bis zur inneren Rau- maufteilung und Konstruktion stellt sich als gemeinsame Entwicklung dar. Offenbar hat

Abb. 2: Verteilung von Häusern mit Steilgiebel und abgewalmtem Wirtschaftsgiebel (nach Dörfern). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun- derts wurden im Steilgiebelgebiet zunehmend auch Häuser mit Halb- und Krüppelwalm gebaut.

14 3.2 Ende der regionalen Bautradition ge weitere Jahrzehnte zeittypische Bauweisen auf. Sie werden in Kapitel 5 genauer beschrie- Die regionale Bautradition des niederen ben. Diese stärker am bürgerlichen Bauen ori- Drawehn lässt sich anhand der besonders entierten Gebäude bilden zwar keine kleinräu- zahlreich überkommenen Gebäude aus dem mig typischen Ausprägungen mehr, können 19. Jahrhundert besonders gut zeigen. Doch aber dennoch aus heutiger Sicht noch als ver- - gleichsweise traditionelle Bauten angesehen wann endet diese Tradition? Sicher gab es im werden, bei denen sich weiterhin ein starker mer überregionale Einflüsse und Strömungen. Im 19. Jahrhundert scheinen sie zunehmend Gestaltungswille zeigt, der auf der Tradition an Bedeutung zu gewinnen. So ist beispiels- bäuerlicher Wohnkultur beruht. Erst ab etwa weise ein engmaschiges Fachwerk an den 1950 tritt eine zunehmend pragmatische und - an der Gebäudefunktion orientierte Bauweise Wirtschaftsgiebeln in großen Teilen des Ver breitungsgebietes des Niederdeutschen Hal- in den Vordergrund. Wurden Veränderungen lenhauses im 19. Jahrhundert typisch. Gleich- und Umbauten an Hallenhäusern um 1900 zeitig bleiben aber regional unterschiedliche (und später bis 1950) noch in einer Weise - ausgeführt, die aus heutiger Sicht oft als an- Traditionen erkennbar, sowohl im äußeren Er scheinungsbild als auch in der inneren Struk- gemessene und angepasste Weiterentwick- tur. lung angesehen werden kann, so ist dies in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht Nach dem Ende des Hallenhausbaus in den mehr der Fall. Die in diesen Jahren herrschen- Jahren um 1900 traten zunächst noch für eini- den Zielvorstellungen vom Aussehen der Geb-

Abb. 3: Ausschnitt aus der Kurhannoverschen Landesaufnahme (Blatt 87, Lüchow, aus dem Jahr - 1776). Grün unterlegt sind Weiden und Niederungsgebiete, Ackerflächen sind hingegen grau darg estellt. Die Rundlingsdörfer liegen am Rande der Niederung mit der Zufahrt auf der Geestseite.

15 äude und die verwendeten Baumaterialien 3.3 Geschichte, Sozialstruktur und lassen deutlich einen Bruch gegenüber dem wirtschaftliche Entwicklung traditionellen Bauen erkennen. Die Geschichte der Rundlinge im niederen Die Ausführungen zur vernakulären Architek- Drawehn soll hier nur soweit beleuchtet tur im niederen Drawehn in den Kapiteln 5 und werden, wie sie von Bedeutung ist, um die 6 beziehen daher die Bauten und Bauweisen ländliche Architektur besser verstehen und bis etwa 1950 mit ein. Erst die danach entstan- einordnen zu können. denen Bauten werden eindeutig nicht mehr der regionalen Bautradition zugerechnet. Gegründet wurden die Rundlingsdörfer im Wendland nach heutigem Wissen im Rahmen Die veränderten Gestaltungsbestrebungen der deutschen Ostsiedlung in der zweiten gehen einher mit der ab 1950 stark zunehmen- Hälfte des 12. Jahrhunderts. Zumindest die den Industrialisierung der Landwirtschaft und Zahl der Hofstellen lässt sich anhand schrift- der Aufgabe traditioneller Bewirtschaftung- licher Quellen bereits früh erfassen. Dabei ist sweisen. Jahrhundertelang wurden die Run- davon auszugehen, dass die Zahl der Hof- dlingsdörfer von Bauern bewohnt, die von stellen im Dorf abhängig von der Qualität und ihrem Hofgrundstück aus den ihnen zugewi- der Fläche der zum Dorf gehörenden Flur war. esenen Teil der Gemarkung bewirtschafteten. Unter der Herrschaft deutscher Grundherren Ab den 1950iger Jahren wurden immer siedelten in den Dörfern Wenden (Slawen). mehr Höfe aufgegeben, weil sie nicht mehr Der von Wenden bewohnte Raum umfasste wirtschaftlich waren. Im günstigen Fall führte zunächst sicher nicht nur den heutigen Land- das zur Erhaltung älterer Bausubstanz, die kreis Lüchow-Dannenberg, sondern ein deut- nun nicht mehr aktuellen wirtschaftlichen An- lich größeres Gebiet. Im Laufe der Jahrhun- forderungen genügen musste, im ungünstigen derte verkleinerte sich die slawische Enklave

Fall verfielen die Gebäude. durch den Einfluss und die Durchmischung mit der deutschen Bevölkerung. Ende des Wurde der Betrieb fortgeführt, waren die al- 17. Jahrhunderts gaben die Wenden auch im ten Gebäude für eine moderne Landwirtschaft Kerngebiet ihre alte Sprache, das Wendische, oft nicht mehr geeignet und mussten grund- endgültig auf. Zum Zeitpunkt des Königsbe- legend umgebaut werden oder für Neubauten suchs im Wendland im Jahr 1865 wurde of- auf den räumlich begrenzten Hofgrundstück- fenbar nur noch etwa das Gebiet des niederen en weichen. Schließlich wurden für die weni- Drawehn als eigentliches Wendland angeseh- gen verbliebenen und expandierenden Land- en , und zwar sowohl von außerhalb als auch wirtschaften auch die alten Rundlingshöfe zu von den Bewohnern selbst. Nicht ohne Stolz klein. Für einen Betrieb, der sich für die Zukun- betonten sie in dieser Zeit ihre eigene wen- ft wirtschaftlich ausrichtet, sind nicht nur die dische Kultur, was unter anderem auch im alten Gebäude längst nicht mehr passend. vernakulären Bauen dieser Zeit zum Ausdruck Auch die Rundlinge bieten zu wenig Platz für kommt. Maschinenhallen, Boxenlaufställe, Silagelager oder Fahrzeug- und Kartoffelhallen. Die Bewohner der Rundlingsdörfer war- en zunächst ausschließlich Bauern. Als Be- Historisch wertvolle vernakuläre Bausubstanz wirtschafter einer Hufe, also eines Anteils an findet man daher heute vor allem auf den der Ackerflur des Dorfes mit zugehörigem Höfen, die schon lange keinen landwirtschaft- Hofraum, wurden sie als Hufner bezeichnet. lichen Betrieb mehr beherbergen.

16 Eine der Hufen war der Schulzenhof, übli- nicht. Nur vereinzelt kommen Altenteilerhäuser cherweise der Hof, der dem Dorfeingang ge- und Gebäude für Hofangestellte oder Hilfsar- genüber lag. Der Dorfschulze verfügte über ein beiter vor. Die vorhandenen Unterschiede hin- Stück Sonderland, das sogenannte Güsteneitz sichtlich des Landbesitzes der Dorfbewohner und hatte als eine Art Dorfbürgermeister eine führten nur zu relativ geringen Unterschieden Vermittlerrolle zwischen der Landbevölkerung in der Größe und in den Schmuckformen der und der Obrigkeit. Von der Grundherrschaft Gebäude. Zumeist haben die Häuser der Huf- initiierte Höfeteilungen im späten Mittelalter ner innerhalb eines Rundlings eine sehr ähnli- führten dazu, das Halbhufner, Viertelhufner che Größe, soweit sie der gleichen Zeitschicht usw. entstanden. Die relativ lockere Anord- zuzuordnen sind. In vielen Dörfern sind die nung von meist 5 bis 7 Höfen in Hufeisenform Häuser der Kossater kleiner, mitunter hatten wurde dadurch zunehmend zu einem Dorfrund diese kleineren Bauern sich im Laufe der Zeit umgeformt. Diese Entwicklung wurde fort- aber auch einen Wohlstand erwirtschaftet, geführt durch die Ansiedlung der Kossater der es ihnen ermöglichte, Häuser von etwa beiderseits des Dorfeingangs. Diese nachge- gleicher Größe zu bauen wie die Hufner. Auf siedelten Bauernstellen verfügten normale- den erst im 19. Jahrhundert nachgesiedelten rweise über einen geringeren Anteil an der Hofstellen wurden oft keine Hallenhäuser geb- aut, sondern Querdielenhäuser (vgl. Kap. 5.1). Ackerfläche als die Hufner und hatten keine Hofwiese hinter dem Haus. Vor allem im 19. Diese bieten etwas weniger Möglichkeiten für Jahrhundert kam es vielfach zu Dorferweiter- das Anbringen von Inschriften und anderen ungen. Zumeist beiderseits der Zufahrt zum Verzierungen und sind zumeist auch kleiner di- Dorf siedelten sich Kleinbauern und Handw- mensioniert als die Hallenhäuser. erker an, die nur über sehr wenig oder auch gar kein Eigenland verfügten. Über die wirtschaftliche Entwicklung im be- trachteten Gebiet in früheren Jahrhunderten Durch historische Ereignisse wie Brände oder ist wenig bekannt. Nach der Verkoppelung und den 30jährigen Krieg (1618-1648) wurden Gemeinheitsteilung in den ersten Jahrzehnt- en des 19. Jahrhunderts, bei der die bis dahin Gebäude oftmals zerstört oder es fielen ganze Hofstellen wüst, die später durch Neuaufbau sehr kleinen Einzelflächen arrondiert wurden, wiederbelebt wurden. Im Ergebnis entstanden um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, und die in den 19 Rundlingen des Vorschlagsgebi- nach der fast gleichzeitig erfolgten Ablösung etes erhaltenen Gebäude, vor allem die Nie- von den Grundherrschaften ist eine deutliche derdeutschen Hallenhäuser, die Wirtschafts- Baukonjunktur um 1850 festzustellen. Zu der gebäude (Längs- und Querscheunen, - auffällig hohen Zahl von Neubauten von Vier Stallgebäude und Backhäuser), überwiegend ständer-Hallenhäusern in dieser Zeit dürfte allerdings auch beigetragen haben, dass es in aus der Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts. Trotz dieser Brüche im Siedlungsbestand behielt die diesen Jahren einige Großbrände gab. Dabei Siedlungstypologie jedoch Bestand; der Wie- ist festzustellen, dass beim Wiederaufbau deraufbau erfolgte stets nach historischen durchgehend große und moderne Neubauten Bautraditionen, die sich im Wesentlichen nach entstanden und keine auf Armut hinweisend- der wenig veränderten Bewirtschaftungsweise en Behelfsbauten. Zu diesem Umstand wird richtete. neben der relativ guten wirtschaftlichen Situa-

tion der Bauern auch die Tatsache beigetragen Gutshöfe entwickelten sich nur in wenigen haben, dass zu dieser Zeit die Brandkassen Dörfern (z.B. Grabow) und ein Heuerlingswe- bereits etabliert waren. sen, wie im westlichen Niedersachsen, gab es

17 Nach einigen Jahren mit geringerer Bautätigkeit entstanden dann in den Jahren ab etwa 1890 bis zum ersten Weltkrieg wied- er zahlreiche Neubauten. In dieser Zeit wurden kaum noch Hallenhäuser errichtet, sondern eher repräsentative Bauten. Fast alle Bauern- häuser dieser Zeit bringen deutlich die gute wirtschaftliche Situation der Bauherren zum Ausdruck.

Strukturelle Veränderungen der mittelalterli- chen Flurordnung ergaben sich vor allem im 19. Jahrhundert durch die Verkoppelung. Bei diesem Flurordnungsverfahren wurden ge- meinschaftlich genutzte Flächen (Gemein- heiten) aufgelöst und auf die einzelnen Hof- stellen im Dorf in Form der Hofwiesen verteilt. Außerdem wurden die auch zuvor schon privat genutzte Flächen der Feldmark zu größeren Koppeln zusammengelegt und neu auf die Höfe aufgeteilt. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden Karten für die einzelnen Orte mit der ihnen zugehörigen Flur angelegt, die den Be- sitzstand in den Dörfern dokumentierten und festschrieben. Dieser Prozess wurde im Wend- land bis etwa 1860 beendet (Wendland-Lex- ikon II, 508). Da die Dorfstruktur der Rundlinge weiterhin konstant blieb und durch die Hofwi- esen lediglich eine Ergänzung erfuhr, wird die Verkoppelung vor dem Hintergrund des Nomi- nierungskonzeptes nicht als Zäsur, sondern als weiterer Entwicklungsschritt verstanden.

18 4. MATERIAL UND METHODENANSATZ

4.1 Bewertungsansätze zur Belegung che Betriebe im Haupt- und Nebenerwerb sind des außergewöhnlichen universellen es vor allem Umbauten im Dielenteil der Wohn- Wirtschaftsgebäude, die wesentliche Attribute Wertes (OUV) und zur Identifikationund von Merkmale der Hallenhäuser entfernen. Störungen sowie Gefährdungen für die Integrität und Authentizität werden durch Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude Störungen des historischen Erscheinungsbil- des beeinträchtigt. Der historischen Bausubstanz der bäuerli- chen Hofstellen mit ihren charakteristischen Bei künftigen Sanierungen von Hallenhäusern, Wohn-Wirtschaftsgebäuden und den zumeist aber auch bei Bauvorhaben zur Verwirklichung in zweiter Reihe liegenden Wirtschaftsgebäud- zeitgemäßer Wohnstile, bieten die Analyse- en kommt zur Belegung des außergewöhn- und Bewertungsansätze der Handreichung lichen universellen Wertes der Welterbeini- die Möglichkeit, die jeweils zeittypischen Ge- tiative „Siedlungslandschaft Rundlinge im staltungskriterien zu bestimmen. Im Ergebnis Wendland“ eine herausragende Bedeutung sind sowohl ein welterbekonformer Erhalt von zu. Die Attributrelevanz beschränkt sich dabei Attributen und zeitlich zuzuordnenden Merk- nicht nur auf die Gebäude in ihren Gestaltungs- malen, als auch der Rückbau von als Störung und Schmuckmerkmalen, sondern darüber hi- bewerteten baulichen Änderungen anhand naus auch auf deren Lage, ihre radiale Anord- klarer Kriterien möglich. nung und die Fachwerkbauweise. Hierdurch vermitteln die Hallenhäuser aus der Wahrneh- Bauliche Änderungen ab Ende der fünfziger mungsperspektive vom zentralen Dorfplatz Jahre/Anfang der sechziger Jahre des 20. aus ein homogenes Dorfbild. Jahrhunderts bis in die jüngste Vergangenheit werden analysiert und bewertet in Hinblick auf Soweit die gebäudebezogenen Attribute der den Grad der Störung der das außergewöhn- Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude Aus- liche universelle Erbe unterstützenden At- druck einer bäuerlichen Nutzung unter Ver- tribute. Soweit historische Merkmale noch wendung traditioneller Handwerkstechnik und erhalten sind, bildet die Handreichung mit Fall- der typischen regional verfügbaren Baustof- beispielen eine Grundlage für einen begründe- fe sind, belegen Attribute und deren Merk- ten Rückbau. male den außergewöhnlichen universellen Wert sowie die UNESCO Kriterien (iv) und (v). Gebäudetypen, die in der Zeit zwischen 1900 Alle Attribute und Merkmale sind vollständig und 1950 entstanden sind, werden ebenfalls in vorhanden und bleiben bei sich ändernden Kapitel 5.1 beschrieben. Umbaumaßnahmen Gestaltungsformen (z.B. die Farbgebung von an diesen Häusern werden von der Handre- Fachwerk und Gefache) authentisch erhalten. ichung nicht erfasst. Diese Gebäudetypen, die auf das Niederdeutsche Hallenhaus folgten, Ab einem Zeitschnitt, der Ende der fünfziger werden soweit sie weitgehend authentisch Jahre/ Anfang der sechziger Jahre des 20. erhalten sind, als welterbeneutral bewertet, Jahrhunderts angesetzt wird (vgl. Kap. 3.2), d.h. ihnen kommt weder eine Unterstützung orientieren sich Umbau- und Erweiterung- des außergewöhnlichen universellen Wert zu, smaßnahmen in zunehmenden Maß nicht mehr noch werden sie als Störung des potentiellen am traditionellen Gestaltungswillen. Einherge- Welterbegebietes „Siedlungslandschaft Run- hend mit der vermehrten Aufgabe kleinbäuerli- dlinge im Wendland“ betrachtet.

19 Umbaumaßnahmen ab den 1960er Jahren, die - Die Stätte erfüllt eines der zehn Wel- den Charakter des Gebäudetyps Bauernhaus terbekriterien, die in den Richtlinien für überprägen und folglich im Ergebnis einer die Umsetzung des Übereinkommens Einzelfallbewertung als Störung zu bewerten zum Schutz des Weltnatur- und Weltkul- sind, sind Gegenstand einer gesonderten Un- turerbes formuliert wurden (Operational tersuchung. Guidelines 2017, Para. 77; im fortlaufend- - en Text als Operational Guidelines abge Eine eigenständige und schwierige Thematik kürzt). Von diesen zehn Kriterien gelten ist der Entwurf von Neubauten in den 19 Run- sechs für Weltkulturerbestätten. dlingsdörfern des Welterbevorschlagsgebiet- - Stätten des Weltkulturerbes müs- es, die sowohl die Zustimmung des Bauherrn sen die Bedingungen der Authentizität finden, als auch als welterbeverträglich zu und der Integrität erfüllen. Authentizität bewerten sind. Hierzu sollte eine eigenstän- meint in diesem Zusammenhang, dass dige Studie erstellt werden, die geeignete - Vorschläge zur Kubatur und zu Gestaltungs- die nominierte Stätte den für sie definier ten außergewöhnlichen universellen Wert merkmalen erarbeitet, um künftige Bauherrn glaubhaft vermitteln kann. Integrität be- und Planer frühzeitig für ein welterbegerecht- deutet, dass die ausgewiesene Stätte es Bauen zu sensibilisieren. alle notwendigen Bestandteile enthält, um den außergewöhnlichen universellen Wert darzustellen (Aspekt der Vollstän- 4.2 Attributrelevanz der Hallenhäuser digkeit). Zudem muss die Stätte intakt und Wirtschaftsgebäude sein, um den definierten Wert langfristig zu erhalten. 4.2.1 Der Methodenansatz Attribute zur - Um die langfristige Erhaltung der Belegung des außergewöhnlichen univer- Stätte, genauer: ihres außergewöhnli- sellen Wertes chen universellen Wertes, sicherzustel-

Eine erfolgreiche Welterbenominierung muss len, müssen ein effektives Schutz- und ein Managementsystem bestehen. im Nominierungsdossier nachweisen, dass die darin vorgeschlagene Stätte über den Attribute werden in diesem Zusammenhang sogenannten außergewöhnlichen universellen Wert (engl. Outstanding Universal Value, OUV) nicht explizit genannt. Ihre Identifizierung und Dokumentation bilden jedoch die essenzielle verfügt. Die genaue Definition dieses Wertes, Grundlage für die Feststellung und vor allem der formal durch das jährlich tagende UNES- die Bewertung der Säulen von Integrität & Au- CO Welterbekomitee bestätigt wird, stellt die thentizität und des Managements. Wie aber Einzigartigkeit der Welterbestätte heraus und werden Attribute im Rahmen der Welterbekon- begründet somit ihren Platz in der Reihe der im Rahmen der Welterbekonvention zu schützen- vention verstanden? den, international bedeutsamen Kultur- und Eine Antwort bieten wiederum die Operational Naturerbestätten. Guidelines. Im Zusammenhang mit der Darle- gung der Authentizität (Operational Guidelines Der außergewöhnliche universelle Wert ruht 2017, Para. 82; eigene Übersetzung) werden auf drei Säulen, die im Rahmen der Evaluierung Attribute wie folgt beschrieben: geprüft werden und erfüllt sein müssen, um den Wert anzuerkennen. Abhängig von der Art des Kulturerbes und des

20 jeweiligen kulturellen Kontextes erfüllen Stät- universellen Wert der Stätte. Im Rahmen der ten die Bedingung der Authentizität, wenn ihre Prüfung von Authentizität wird eine Bewertung kulturellen Werte (im Sinne der vorgeschla- anhand der ausgewählten Attribute vorgenom- genen Nominierungskriterien) wahrhaftig und men, um festzustellen, ob der außergewöhn- glaubwürdig durch eine Reihe von Attributen liche universelle Wert tatsächlich glaubhaft ausgedrückt werden, darunter: durch die nominierte Stätte vermittelt werden - Form und Design; kann. Für die Feststellung der Integrität einer - Material und Substanz; Stätte ist nachzuweisen, dass alle Attribute, - Nutzung und Funktion; die den außergewöhnlichen universellen Wert vermitteln, innerhalb der Grenzen der Stätte - Traditionen, Techniken und Manage ment systeme; liegen und zudem keinen stark schädigenden - Ort und Umgebung; Einflüssen unterliegen. Zuletzt muss für die - Sprache und andere Formen des nominierte Stätte ein effektives Schutz- und immateriellen Erbes; Managementsystem geschaffen werden, das - Geist und Gefühl; und die langfristige Erhaltung aller Attribute in - andere interne und externe Faktoren. den Mittelpunkt der strategischen Ziele eines entsprechenden Managementplans stellt und An dieser Aufzählung von Attributkategorien somit die Erhaltung des außergewöhnlichen wird deutlich, dass es sich bei den Attributen universellen Wertes garantiert. sowohl um physische Elemente, als auch um immaterielle Werte oder Prozesse handeln Da die Attribute eine solch zentrale Rolle für den kann, die eine Stätte in der Vergangenheit ge- Nominierungsprozess und das fortwährende formt haben oder weiterhin formen. Es sind die Management einer Welterbestätte spielen, Attribute, durch die der außergewöhnliche uni- sollte ihrer Identifizierung und Bewertung eine verselle Wert ausgedrückt wird und durch die entsprechende Sorgfalt zukommen. Dadurch er für den Betrachter wahrnehmbar wird. Daher kann eine deutliche Stärkung der Argumenta- tion für die Einschreibung der Stätte und das müssen die Attribute einer spezifischen Stätte von dem außergewöhnlichen universellen Welterbemanagement erreicht werden. Wert abgeleitet werden, für den die Stätte zur Aufnahme auf die Welterbeliste nominiert wird. 4.2.2 Die Attribute der Siedlungsland- Betrachtet man nun die Attribute im schaft Rundlinge im Wendland Zusammenhang mit den drei Säulen des außergewöhnlichen universellen Wertes, ist Entsprechend den obigen Ausführungen ori- eine enge Verbindung mit diesen festzustel- entierte sich die Identifizierung der Attribute len. Die Attribute und die zur Anwendung aus- für das Vorschlagsgebiet der ‚Siedlungsland- gewählten Kriterien, für die eine zugespitzte schaft Rundlinge im Wendland‘ an dem konzep- Formulierung des außergewöhnlichen uni- tionellen Nominierungsansatz, der vor allem versellen Wertes verfasst wird, bedingen während der Erstellung des Strategischen sich gegenseitig. Das Verständnis um den Managementplans für die Siedlungsland- außergewöhnlichen universellen Wert und schaft Rundlinge im Wendland (Rudolff et al. seine Zuordnung zu einem der Welterbekrite- 2019) entwickelt und während eines Experten- - workshops im November 2014 fortgeschrie- rien leitet die Identifizierung der Attribute. Gle ichzeitig bestätigt die Feststellung der Attribute ben wurde (Schmidt et al. 2019). In weiteren in der Stätte die Relevanz der ausgewählten wissenschaftlichen Artikeln wurde das Ver- Kriterien und damit den außergewöhnlichen ständnis des außergewöhnlichen universellen

21 Wertes weiter geschärft und die Auswahl pas- gend werden die beiden Welterbekriterien (iv) sender Welterbekriterien diskutiert (Schmidt und (v) als besonders geeignet für die Run- et al. 2019). Für eine detaillierte Auseinand- dlingsdörfer betrachtet. Im Folgenden werden ersetzung mit dem erarbeiteten Konzept für die Kriterien jeweils in ihrer neutralen Definition den außergewöhnlichen universellen Wert der durch die Operational Guidelines und die auf Siedlungslandschaft Rundlinge im Wendland die Rundlingsdörfer angepasste Formulierung wird auf die genannten Artikel verwiesen. Den aufgeführt. Attributen mit Relevanz für Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude wird zum besseren Ver- Kriterium (iv): ständnis eine zusammenfassende Darstellung - “ein hervorragendes Beispiel eines Ty vorgestellt. pus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Die Rundlingsdörfer im Hannoverschen Wend- Landschaften darstellen, die einen oder land, gelegen in der Samtgemeinde Lüchow mehrere bedeutsame Abschnitte der (Wendland) in Niedersachsen, zeigen eine Geschichte der Menschheit versinnbild- charakteristische Dorftypologie aus radial an- lichen” (Operational Guidelines 2017, geordneten Hofstellen, die sich bis heute als Para. 77) Wohn- und Wirtschaftsraum erhalten haben. Die Dörfer sind die authentischen Überreste Die wendländischen Rundlingsdörfer stel- einer Siedlungslandschaft, die im Zuge des len ein hervorragendes Beispiel einer radial mittelalterlichen Landesausbaus wahrschein- geordneten Siedlungsplanung dar. Die spezi- lich im 12. Jahrhundert nach Chr. durch eine - fische Typologie einer einheitlichen und ra geplante Platzierung angelegt und seit ihrer dialen Flurordnung mit zentraler Ausrichtung Entstehung kontinuierlich bewohnt wurden nach innen repräsentiert mit seiner konsistent- (vgl. Kap. 3.3). Alle konstituierenden Elemente en Struktur das funktionale ländliche Ensem- der Rundlingsdörfer gruppieren sich um ein- ble einer historischen Siedlungslandschaft. en zentralen Dorfplatz und sind auf diesen Die rundförmige Ortslage wird von allen Ele- ausgerichtet, wie die giebelständigen Fach- menten, einschließlich den giebelständigen werkhäuser, die Wirtschaftsgebäude sowie Hallenhäusern, den Scheunen und anderen das anschließende Großgrün und die Hof- Nebengebäuden sowie den Hofwäldern und wiesen, die den äußeren Bereich der Dörfer Hofwiesen aufgenommen. All diese Elemente prägen. Die homogene Architektur der ver- unterstreichen die Siedlungstypologie um nakulären Gebäudeensembles repräsentiert - den offenen, zentralen Dorfplatz und die his die Zeit wirtschaftlicher Prosperität in der torische Sackgassenlage. (nach Schmidt et al. Mitte des 19. Jahrhunderts. Daneben haben 2019) sich frühere architektonische Elemente des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten. Im Ergeb- Kriterium (v): nis konstituieren die Rundlingsdörfer des “ein hervorragendes Beispiel einer über- Hannoverschen Wendlandes eine repräsenta- lieferten menschlichen Siedlungsform, tive Siedlungsstruktur und Dorftypologie, die Boden- oder Meeresnutzung darstellen, zusammengenommen eine einzigartige ländli- die für eine oder mehrere bestimmte che Landschaft mit einer besonderen Atmo- Kulturen typisch ist, oder der Wechsel- sphäre darstellen. wirkung zwischen Mensch und Umwelt, insbesondere, wenn diese unter dem Diesem Verständnis des potenziellen Druck unaufhaltsamen Wandels vom außergewöhnlichen universellen Wertes fol- Untergang bedroht wird” (Operational

22 Guidelines 2017, Para. 77) (a) Radiale Anordnung der Hofstellen (b) Radiale Anordnung der giebel- Die Siedlungsdichte und Ausschließlichkeit ständigen Hallenhäuser und Wirt- des Vorkommens von Dörfern mit der run- schaftsgebäude dlingstypischen Dorfstruktur innerhalb des (c) Zentraler Dorfplatz Vorschlagsgebietes erhebt die Stätte zu einem (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit herausragenden Zeugnis dieser mittelalterli- Ausrichtung zum zentralen Dorfplatz chen Siedlungslandschaft (vgl. Kap. 3.1). Die (e) Hallenhäuser in Fachwerkbauweise einheitliche Siedlungsstruktur mit ihrer ho- vermitteln ein homogenes Dorfbild mogenen Dorftypologie veranschaulicht ein- (f) Rundlingsdorf mit nur einem Zugang en integrierten Besiedlungsplan, der in Bezug (g) Kirchengebäude außerhalb des Rundlingsdorfes auf Funktionalität und Effizienz an die örtliche - (h) Hofwald Topografie und naturräumliche Umgebung an gepasst ist. Die markante vernakuläre Bebau- (i) Radiale Anordnung der Hofwiesen ung der Landschaft ist repräsentativ für ein (j) Ausschließlichkeit von Rundlings- herausragendes Ortsbild mit ästhetischen und dörfern funktionalen Gestaltungsmustern, deren Qual- (k) Dichte der Rundlinge ität im 18. und 19. Jahrhundert kulminiert. Die historische Landschaft und die traditionelle - Wie in Kapitel 3.3 dargestellt, unterlag die Ty Nutzung der Dorfelemente und Grünräume pologie der Rundlingsdörfer einer konstan- durch die modernen Bewohner stellen zudem ten Entwicklung. Als Ende dieses Entwick- lungszeitraums wird demnach die Zeit um 1900 eine effiziente menschliche Interaktion mit der Umgebung dar und weisen auf die kulturellen angenommen, wobei hier von einer graduellen Abweichung der alten Bau- und Wirtschafts- Einflüsse der Erbauer hin. (nach Schmidt et al. 2019) traditionen auszugehen ist, die im Einzelnen im Kontext der jeweiligen Attribute angesprochen Auf der Grundlage dieses Nominierung- werden sollen. Aus dieser Betrachtung ergibt skonzeptes wurde ein Vorschlagsgebiet fes- sich, dass die relevanten Attribute der Sied- tgelegt, dass aus 19 wendländischen Run- lungslandschaft und ihre konkreten Belege in dlingsdörfern besteht, die die beschriebene den einzelnen Dörfern in der Regel aus der Zeit Siedlungstypologie noch heute präsentieren. vor 1900 stammen müssen, um noch als At- Bei den Dörfern handelt es sich um Bausen, tribut gewertet zu werden. Bussau, Diahren, Dolgow, Ganse, Granstedt, Gühlitz, Güstritz, Jabel, Klennow, Köhlen, Krem- Die Attribute (a) bis (e) sind aus der zentralen lin, Lensian, Lübeln, Mammoißel, Prießeck, Betrachtungsperspektive des Dorfplatzes nur Püggen, Satemin und Schreyahn. In diesen 19 über die Hallenhäuser und den dahinter gela- Dörfern wurde die Attributkartierung durchge- gerten Wirtschaftsgebäuden wahrnehmbar. führt, um darzustellen, dass die Attribute in al- Die nachfolgende Beschreibung der fünf geb- äuderelevanten Attribute verdeutlicht über die len Dörfern vorzufinden sind. Notwendigkeit eines konservatorischen Er- Ausgehend vom gegenwärtigen Verständnis halts hinaus die Bedeutung des historischen des potenziellen außergewöhnlichen univer- Gebäudebestandes als signifikanten Beitrag sellen Wertes wurden die nachfolgenden 11 zum außergewöhnlichen universellen Erbe. Die Attribute abgeleitet, die diesen Wert tragen radiale Anordnung der giebelständigen Hallen- und für seinen langfristigen Erhalt bestim- häuser und Wirtschaftsgebäude in Fachwerk- mend sind. bauweise vermittelt nur dann ein homogenes

23 Dorfbild, wenn sie langfristig als Gebäudeen- Dorfplatz sind die sichtbare Folge der radialen Anordnung der Siedlungen und stellen diese semble bewahrt bleibt und zu identifizierende Störungen zugleich im Rahmen künftiger Er- auf der Gebäudeebene dar. Dies gilt ebenso für haltungs- und Umbaumaßnahmen sukzessive die meisten Wirtschaftsgebäude, zum Beispiel beseitigt werden. Obwohl sich der Schwer- die ebenfalls radial zum Dorfplatz stehenden punkt der gebäudebezogenen Attribute auf Stallgebäude und Längsscheunen. Eine Be- die Hallenhäuser bezieht, kommt dem Erhalt sonderheit stellen dabei die historischen Quer- der Wirtschaftsgebäude, zum Beispiel en- scheunen dar, von denen es einige Exemplare tlang der Zuwegungen, eine zentrale Rolle im Vorschlagsgebiet gibt (vgl. Kap. 5.2.1). Als zu, da die bewusste Verengung der einzigen Abweichungen vom Attribut werden vor allem Zugangsstraße durch die geplante Ansiedlung traufständige Haupthäuser verstanden. Hierzu von Kossaterstellen Ausdruck eines bäuer- gehören Querdielenhäuser und zweistöckige lichen Siedlungswesens ist und zur Visualis- Fachwerkhäuser im gründerzeitlichen Stil (vgl. ierung des Attributs „Rundlingsdorf mit nur Kap. 3.3 und 5.1). einem Zugang“ beiträgt. (c) Zentraler Dorfplatz (a) Radiale Anordnung der Hofstellen Die Hofstellen in den Rundlingsdörfern sind ra- Das charakteristische Erscheinungsbild der dial um den zentralen Dorfplatz ausgerichtet, Rundlingsdörfer, und damit das dominieren- der als Gemeinschafts- und vor allem als de Attribut, ergibt sich aus der Flurordnung Wirtschaftsraum eine erhebliche Bedeutung im Bereich der Ortslage. Die Hofstellen sind für die Rundlingsdörfer hatte. Die Groot Dör um einen zentralen Dorfplatz angeordnet, so am Wirtschaftsteil der Hallenhäuser war auf dass ihre Breite am Dorfplatz schmal ist und diesen ausgerichtet, so dass das Vieh, welch- sich im weiteren Verlauf der Hofstelle in Rich- es dort untergebracht war, über den Dorfplatz tung der umgebenden Landschaft verbreitert. auf die Weideflächen getrieben wurde. Über Die meisten Elemente der Dorfstruktur folgen den Dorfplatz und die Dorfzugänge wurden dieser radialen Anordnung. Dadurch wird die die Wagen zudem auf die Ackerflur gefahren, Flurordnung im Dorf sichtbar und bestimmt womit die Notwendigkeit einer direkten An- das Ortsbild. Die Lage und die Zahl der Hof- bindung aller Hofstellen an den Dorfplatz ge- stellen gehen auf die Gründung der Dörfer geben war. Da es sich beim Dorfplatz um ein- im 12. Jahrhundert zurück (vgl. Kap 3.3). Die en Durchgangsraum handelte, war es wichtig,

Teilung der ursprünglichen Vollhufen erfolgte dass er zum größten Teil unbebaut blieb. stets radial zum Dorfplatz, um den Hofstellen Eine belegte Ausnahme bildeten lediglich die Burstawen, kleine Fachwerkgebäude, die als sowohl den Zugang zum Dorfinnenraum und Gemeinschaftsraum dienten (Wendland-Lex- dem Ausgang in Richtung Ackerflur als auch zur umliegenden Gemeinheit zu gewährleisten. ikon I, 122) und spätestens im Laufe des 19. - Jahrhunderts verschwanden . Die Form des Trotz der Veränderungen in der Zahl der Hof stellen in den Rundlingsdörfern ist die radiale Dorfplatzes wird für die einzelnen Dörfer zwar Anordnung als Grundprinzip somit maßgeblich beschrieben, bildet jedoch kein Ausschlusskri- geblieben und wird daher als Attribut gewertet. terium für die Anerkennung als Attribut. Die geschlossene runde Form, die gemeinhin als (b) Radiale Anordnung der giebelständigen charakteristisch für die wendländischen Run- Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude dlingsdörfer betrachtet wird (Meibeyer 2005, Die Niederdeutschen Hallenhäuser mit ihrer 38-41), entstand durch die begrenzte Mobilität charakteristischen Giebelausrichtung zum der wendischen Einwohner und die damit not-

24 wendigen Ansiedlungen von kleinbäuerlichen passt. Vor diesem Hintergrund wird eine starke Hofstellen am Dorfzugang, die den Dorfplatz in Präsenz von Niederdeutschen Hallenhäus- diesem Bereich verengten. Diese waren jedoch ern in den ausgewählten Rundlingsdörfern nicht immer und zudem nicht kontinuierlich in des Vorschlagsgebiet als zentrales Attribut den Dörfern vorhanden, so dass die Form des betrachtet. In Ergänzung zu dem vorherigen Dorfplatzes durchaus variieren kann. Die En- Attribut des dem Dorfplatz zugewendeten twicklung der Dorfplätze lässt sich durch ver- Schmuckgiebels steht diesmal die Dominanz schiedene historische Karten des 18. und 19. der Niederdeutschen Hallenhäuser in den 19 Jahrhunderts nachvollziehen. Dörfern des Welterbevorschlagsgebietes im Vordergrund. Bei der Bewertung eines ho- (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Aus- mogenen Dorfbildes wurde nicht allein da- richtung zum zentralen Dorfplatz nach entschieden, ob es sich bei Wohnhäus- Die hohe Bedeutung des Dorfplatzes als Ze- ern um Hallenhäuser handelt, oder nicht. Es ntrum der Dorfstruktur zeigt sich vor allem wurden vielmehr weitere Abstufungen in der in der Gestaltung der Niederdeutschen Hal- Betrachtung der Wohnhäuser vorgenommen, lenhäuser, deren dem Dorfplatz zugewandte entsprechend ihrer jeweiligen Funktion und Giebel als repräsentative Schmuckgiebel ge- Architektur. Querdielenhäuser, die ab dem 19. staltet wurden. Gleichzeitig verdeutlichen die Jahrhundert im Vorschlagsgebiet auf zumeist Schmuckgiebel die Wirtschaftsfunktion, der kleinbäuerlichen Hofstellen ebenfalls vorkom- diese Gebäude dienten. Bauliche Merkmale men, werden aufgrund ihrer Fachwerkarchitek- des Schmuckgiebels umfassen das Fach- tur und der sichtbaren gemischten Wohn- und werk, die Groot Dör sowie die zu den Abseiten Wirtschaftsfunktion auch als Unterstützung führenden Misttüren und die Klöndören, kleine des Ortsbildes betrachtet. Neben den im Dorf - Fenster sowie kreuzförmige Belichtungsöff befindlichen Haustypen werden die Gebäude- nungen im Giebeldreieck, die Inschriften im und Hofstellenanordnung, eventuelle bauliche Bereich der Giebel-, Kehl- und Hahnenbalken, Veränderungen der Gebäude und die Qualität - des Dorfplatzes bei der Bewertung in Betracht einschließlich der Torknaggen, die Blumenor - gezogen. namente auf den Torpfosten und die Gestal tung des Firstdreiecks mit Uhlenlöchern, (f) Rundlingsdorf mit nur einem Zugang Ornamenten und Giebelpfahl. Sie werden in ihren zeittypischen Ausführungen in Kapitel 6 Entsprechend den Untersuchungen zum ur- beschrieben. Schließlich wurde das Dach als sprünglichen Zustand der Rundlingsdörfer, Merkmal des Attributs hinzugenommen, wenn der insbesondere durch Wolfgang Meibeyer (1964 und 2005) herausgearbeitet wurde, be- die Dachfläche ungeöffnet geblieben ist und die Eindeckung aus einem der im 19. Jahrhun- saßen die Rundlinge ursprünglich nur einen dert aufgekommenen Materialien besteht (Ka- Zugang, der sich zumeist in Richtung der Ack- pitel 6.7). erflur öffnete. Dokumentiert ist dieser Zustand in der Kurhannoverschen Landesaufnahme (e) Hallenhäuser in Fachwerkbauweise vermit- von 1776. Die Sackgassenlage lässt sich noch teln ein homogenes Dorfbild heute in den meisten Rundlingsdörfern na- chvollziehen, auch wenn in einigen Fällen ein Der traditionelle Haustyp in den Rundlings- untergeordneter Ausgang in Richtung der Wi- dörfern ist das Niederdeutsche Hallenhaus. esen vorhanden ist. Da es sich um ein für diese Der Aufbau der mehrstöckigen Gebäude mit Siedlungsform typisches Merkmal handelt, ihrer robusten Holzständerbauweise ist an wird der einzelne Hauptzugang als Attribut die tägliche landwirtschaftliche Arbeit ange- aufgenommen.

25 - fahrlässige Brandstiftung und technische 4.3 Klassifikation und Bewertung geb äudebezogener Gefährdungen und Mängel) auftreten. Seit Ende der 1950iger Störungen Jahre bis in die Gegenwart sind Verluste his- torischer Bausubstanz vor allem das Ergeb- Die gebäudebezogenen Attribute (a) bis (f) der nis von Leerstand ohne fortlaufende Instand- 19 Rundlingsdörfer unterstützen den Wert des haltungsmaßnahmen. Vorranging betroffen außergewöhnlichen universellen Erbes und der sind Wirtschaftsgebäude ehemals bäuerlich unterstützenden UNESCO Kriterien (iv) und (v) genutzter Hofstellen. Eine weitere Ursache sowie der Integrität und Authentizität. Eine Ge- für den potenziellen Verlust historisch wert- - fährdung von Hallenhäusern und Wirtschafts- voller Hallenhäuser ist in zu geringen finan gebäuden ist gegeben, wenn das Gebäude ziellen Möglichkeiten der Eigentümer begrün- akut bis langfristig verloren zu gehen droht. det, einhergehend mit unzureichenden oder Gefährdungen und Störungen resultieren aus nicht durchgeführten Erhaltungsmaßnahmen. Verlusten von Hallenhäusern und Wirtschafts- Störungen sind alle Formen von baulichen gebäuden oder Veränderungen ihrer charak- Änderungen, die die historische Gebäude- teristischen Baumerkmale. Veränderungen substanz in ihrem historisch geprägten Er- und Verluste von Baumerkmalen sind in ihrer scheinungsbild insoweit verändern, als dass Beeinträchtigung auf die Attribute jedoch ver- Attribute verloren gehen oder durch bauliche schieden zu bewerten. Die nachfolgende Klas- Maßnahmen der historische Gestaltungswille verdeckt oder überformt wird. sifizierung von Gefährdungen und Störungen beziehen sich vorrangig auf das Attribut (d) „Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Aus- Maßnahmen zur Minderung von Gefährdungen - richtung zum zentralen Dorfplatz“. Abgestuft, bedürfen i.d.R. zusätzlicher finanzieller Alloka aber ebenfalls von hoher Relevanz sind Ge- tionen sowie im Fall von Wirtschaftsgebäud- fährdungen und Störungen der Bausubstanz en der Entwicklung tragfähiger Nutzung- für das Attribut (e) „Hallenhäuser in Fachwerk- skonzepte. Die Bereitschaft zu einem Rückbau bauweise vermitteln ein homogenes Dorfbild“. bzw. der Beseitigung von Störungen an Hallen- Als Beispiel können Verglasungen im Giebel- häusern geht zumeist mit dem Bewusstsein dreieck der Schmuckgiebel benannt werden. der Eigentümer einher, dass eine Bewahrung Wenn Ziegelgefache durch Verglasungen im historischer Bausubstanz und zeitgemäße Giebeldreieck ersetzt werden, stellt dies für Formen des Wohnens keine Widersprüche das Attribut(e) Schmuckgiebel eine „mäßige darstellen. Vermehrte Anträge auf Maßnahmen Störung“ mit der Stufe (S2) dar, während das zum Rückbau im Rahmen der Dorfentwicklung Attribut des „homogenen Dorfbildes“ nur ger- zeigen ein deutliches Interesse der Besitzer, ingfügig beeinträchtigt wird. Andere gebäude- Störungen in geeigneter Form zu revidieren bezogene Attribute wie Attribut (b) Radiale und noch bauzeitliche Merkmale sichtbar zu Anordnung der giebelständigen Hallenhäuser machen. und Wirtschaftsgebäude wären durch Ver- glasungen der Schmuckgiebel gar nicht bee- 4.3.1 Gefährdung inträchtigt. Der Gefährdungsgrad von Hallenhäusern und Gebäudeverluste waren bis zur Mitte des 19. Wirtschaftsgebäuden, die vollständig verloren Jahrhunderts zumeist eine unmittelbare Folge zu gehen drohen wird über eine dreistufige von Brandkatastrophen, die gegenwärtig nur Bewertungsskala ermittelt. Während für Geb- noch in Einzelfällen (vorrangig Blitzschlag, äude der Gefährdungsstufen (G1) und (G2) in einem ersten Schritt in enger Zusammenar-

26 beit mit den Eigentümern Nutzungskonzepte en ausgemauerten Gefachen. Die Verwend- (bei Leerstand) und ggf. erweiterte Förder- ung nicht diffusionsoffener Farbanstriche des möglichleiten zu erarbeiten sind, kann der Erh- hölzernen Fachwerks und der kapillar-porösen alt akut von Einsturz gefährdeter Gebäude nur Ziegelsteine bilden typische Ursachen von verhindert werden, indem Sofortmaßnahmen Feuchteschäden. Im Ergebnis erster San- zur Sicherung einer nicht mehr gegebenen ierungsmaßnahmen zur Entfernung von Fas- sadenverkleidungen (vgl. Kap. 7.3) zeigt sich, Statik ergriffen werden (ggf. auch zur Wahrung dass das Holz des darunter liegenden Fach- der Verkehrssicherungspflicht). Im Nachgang - und nicht als Voraussetzung - sind in Fällen werks als auch die Ziegelausfachungen bei akuter Einsturzgefahr Nutzungskonzepte in einem ausreichenden Abstand zwischen Verbindung mit Fördermöglichkeiten zu eruie- Wand und Verkleidung einen sehr guten Erh- ren. altungszustand hat. Fassadenverkleidungen werden daher in Kap. 4.3.2 unter Katego- Abbruchmaßnahmen, auch nicht vom Den- rie (S1) geringe Störungen abgehandelt. Die kmalschutz erfasster Hallenhäuser und Zuordnung zu Kategorie (1) ist vorläufig und Wirtschaftsgebäude, sind zur Bewahrung des basiert auf ersten Erfahrungswerten von zwei außergewöhnlichen universellen Wertes gr- Rückbaumaßnahmen. Sind im Ergebnis weit- undsätzlich zurück zu stellen mit dem Ziel, erer Rückbaumaßnahmen jedoch Schäden an auch diese Gebäude zu erhalten. Lösung- Holzteilen und der Ziegelausfachung im Fach- sansätze unter Einbindung der SG Lüchow als werk festzustellen, wäre eine Korrektur hin zu - (S2) oder gar (S3) erforderlich. Träger der Welterbeinitiative, des NLD, der Un teren Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Lüchow-Dannenberg und ggf. des MWK sind Als potentiell gefährdet (G1) werden Gebäude mit Priorität in enger Abstimmung mit dem Ei- mit nachfolgendem Schadensbild eingestuft: gentümer zu erarbeiten. - Unterlassene Instandhaltung- smaßnahmen mit leichten Schäden Um vom Abbruch oder Verfall bedrohte Geb- an den baulichen Merkmalen des äude in einem ersten Schritt zu sichern, Schmuckgiebels. sind alle 19 Rundlingsdörfer des Welterbev- - Im Bereich des Fachwerks sind orschlasgebietes als Gruppen baulicher Anla- Schwellen in kleineren Abschnitten gen (§§ Abs.3 NDSchG) zu sichern. geschädigt. Die Fachwerkkonstruktion weist leichte Holzschäden auf. (G1) - potentielle Gefährdung - Einzelne Gefache zeigen keinen festen Die potentielle Gefährdungsstufe (G1) ist er- Verbund zum Fachwerk auf. Sichtbare forderlich, um möglichst frühzeitig Gebäude zu Rissbildungen zwischen Ziegelmauer- erfassen, die einen Mangel an notwendigen Er- werk und Fachwerk. haltungsmaßnahmen erkennen lassen. Sofern - Die Statik der Gebäude ist vollständig die Fachwerkkonstruktion erste Merkmale von intakt. Schädigungen, jedoch ohne Beeinträchtigung der Statik aufweisen, werden die Gebäude mit (G2) – Gefährdet der Kategorie (G1) bewertet. Weitergehende Beeinträchtigungen mit er- sten Substanzverlusten des Fachwerks, die Nicht fachgerechte Erhaltungsmaßnahmen bei fortschreitendem Substanzverlust zu ein- bilden eine wesentliche Ursache für Schäden - er Gefährdung der Statik von Teilen des Geb am Fachwerk und den zumeist mit Ziegelstein- äudes oder des gesamten Gebäudes führen,

27 werden als Gefährdung mit der Stufe (G2) be- (G3) für die von Einsturz gefährdeten Gebäude, deren Bausubstanz noch weitgehend bau- wertet. Häufig betroffen sind Schwellen, die aufgrund einer defekten Ableitung des Reg- zeitlich erhalten ist, mit höchster Priorität für enwassers und eines fehlenden Spritzwasser- notwendige Erhaltungsmaßnahmen bewertet. schutzes geschädigt sind. Mit der Schädigung Ausgewählte Fallbeispiele einsturzgefährdeter Scheunen sind in Kap. 7.1 aufgeführt. der Fachwerkkonstruktion geht häufig eine Schädigung der Ausfachungen in Lehm oder Ziegel einher. Durch Umbaumaßnahmen stark überformte Wirtschaftsgebäude, die zugleich durch Ein- Eine wesentliche Ursache schadhafter sturz bedroht sind, werden unter der Katego- Dacheindeckungen sind weite Sparrenab- rie (G3) behandelt. Bezüglich der Welterberel- stände, deren lichte Breiten für Stroheinde- evanz ist jedoch zu konstatieren, dass gerade ckungen konzipiert waren und bei Dachein- Gebäude mit der Zuordnung G3 aufgrund ein- er Vielzahl erhaltener authentischer Merkmale deckungen mit Ton- oder Zementziegeln nicht hinreichend verstärkt wurden. Größere einen besonderen Beitrag zur Visualisierung Nassschneemengen auch als Folge vermehrt und zum Verständnis des Aufbaus und den - Funktionen bäuerlicher Wirtschaftsgebäude auftretender Tau-Frost-Tage erhöhen die Ge fahr von Dacheinbrüchen. aufweisen und einen signifikanten Beitrag zum - Schadendbild wie (G1), aber Gebäude- außergewöhnlichen universellen Wert der Wel- terbeinitiative leisten. statik in Teilen beeinträchtigt - Fehlende Dachrinnen, fehlender Spritz- wasserschutz Die ersten Förderjahre der Dorfentwicklung - Schädlingsbefall haben gezeigt, dass ein 30%iger Förderan- - Bei Massivbauten Rissbildung im satz unzureichend ist, da die großvolumigen Mauerwerk als Folge von Setzungs- Wirtschaftsgebäude nicht ohne erhebliche erscheinungen (Wirtschaftsgebäude, Kosten bei zugleich fehlender Nutzung nur wie Schweinställe) schwer zu erhalten sind. Hierzu ist eine ei- genständige Konzeption mit erweiterten (G3) – Akute Einsturzgefahr ruinöser Gebäude Fördermöglichkeiten zu entwickeln. Eine – drohender Verlust Umnutzung von Wirtschaftsgebäuden zu Eine eigenständige Kategorie stellen Gebäude Wohnzwecken wird in vielen Fällen die alleinige dar, die weitgehend bauzeitlich erhalten sind, Option für einen langfristigen Erhalt sein. Dabei jedoch durch langjährigen Leerstand bei fe- sollten die wesentlichen baulichen Merkmale hlenden Unterhaltungsmaßnahmen durch Ein- der Wirtschaftsgebäude erhalten bleiben. Fall- beispiele zum Erhalt von Wirtschaftsgebäud- sturz bedroht sind und zu einem signifikanten Verlust der wertvollen historischen Gebäude- en, die von Einsturz bedroht sind und mit der Kategorie G1 eingestuft werden, sind gegen- substanz geführt haben. Hier betroffen sind vorrangig in Vierständerbauweise gebaute wärtig noch in der Phase der Antragstellung Scheunen, die mit Aufgabe des landwirtschaft- und können erst in einer aktualisierten Über- lichen Betriebes in den fünfziger und sechziger arbeitung der Handreichung in ihren Ergebnis- Jahren des 20. Jahrhunderts ohne Nutzung sen vorgestellt werden. und durch Leerstand gekennzeichnet sind. Wegen der herausragenden Bedeutung zur Das Schadensbild von Einsturz bedrohter Unterstützung des außergewöhnlichen univer- Gebäude zeichnet sich insgesamt durch einen sellen Wertes wird die Kategorie Gefährdung abgängigen Zustand aus und weist i.d.R. die nachfolgenden Merkmale auf:

28 bzw. überbauter) Merkmale sowie einer vol- - In Teilen oder vollständig fehlenden Dacheindeckung lumfänglichen Recherche mittels der in Kap. 4.4 aufgeführten Analysemethoden, um Rück- - Fachwerk in tragenden Teilen geschädigt oder bereits fehlend, baumaßnahmen zu planen und durchzuführen. statische Funktion der Fachwerks- Einem Rückbau signifikanter Störungen (S3) sollte grundsätzlich ein Gutachten zur Haus- konstruktion in Teilen nicht mehr gegeben forschung zugrunde liegen.

- Fachwerkausfachungen in Teilen Hinsichtlich der Bewahrung des kulturellen Er- fehlend bes stellt eine Umnutzung der Hallenhäuser - Oft notdürftige, nicht fachgerechte zu reinen Wohnzwecken grundsätzlich keine Sicherung der Statik Beeinträchtigung des außergewöhnlichen uni- - Durchfeuchtung des Fachwerks und versellen Wertes dar, sofern die wesentlichen der Gefache insbesondere im Winter- Merkmale des Hallenhauses erhalten bleiben. halbjahr In Kapitel 6 zur Bauausführung und dem ver- wendeten Baumaterial wird eine detaillierte Beschreibung der Merkmale gegeben. Diese 4.3.2 Störungen als Folge baulicher Grundlage erlaubt bei Kenntnis der Bauphase Maßnahmen eine Rekonstruktion verloren gegangener El- emente. Rückbau und Rekonstruktion bezie- Der Grad der Störung wird, vergleichbar mit hen sich dabei jedoch nicht zwangsläufig der Bewertung eines möglichen Verlustes, auf den Zeitpunkt der Errichtung des Geb- mit einem Dreistufenansatz in der Rangord- äudes, sondern auf den Zeitabschnitt, der nung (S1) geringfügig, (S2) mäßig und (S3) sig- das Gebäude in seinen wesentlichen Merk- malen einer bäuerlich genutzten Hofstelle nifikant klassifiziert. prägt. Bauliche Änderungen nach Aufgabe der Fortlaufende Instandsetzungsmaßnahmen bäuerlichen Bewirtschaftung der Hofstelle, die bieten die Möglichkeit, Störungen vollum- den Gestaltungswillen einer vernakularen Ar- fänglich zu beseitigen, zu minimieren oder zu chitektur überprägen, werden als Störungen mindern. definiert. Die Klassifizierung der Störung in die Stufen (S1) bis (S3) bemisst sich am Grad Der nachfolgend dargestellte Bewertungsan- der Veränderung bis hin zum Verlust der Merk- male, die die gebäudebezogenen Attribute satz zur Beschreibung und Klassifikation von Störungen mittels eines Dreistufenansatz- unterstützen. Die Innengestaltung der Geb- es lässt zeitliche Phasen erkennen, die sich äude ist nicht attributrelevant, folglich werden zu Fragestellungen des Erhalts des Nieder- bauliche Änderungen in den Gebäuden nicht deutschen Hallenhauses in seinen charak- - als Störung klassifiziert. Da Elemente der In teristischen Merkmalen und den Ansprüchen nengestaltung jedoch in Teilen einen Einfluss zeitgemäßen Wohnens unterscheiden. auf die Gestaltung des äußeren Erscheinungs- Während Störungen der Stufen (S1) und (S2) bildes haben, werden diese in Kapitel 6 mit durch geeignete Instandhaltungsmaßnahmen aufgenommen. zurück gebaut werden können, bedürfen Umbaumaßnahmen, die das historische Er- - Eine fortgesetzte und in Teilen kritische Aus einandersetzung gilt der Frage der Umnutzung scheinungsbild eines Hallenhauses signifikant verändert haben (Stufe S3) einer umfassen- des vorderen Wirtschaftsteils der Hallenhäus- den Analyse noch vorhandener (verdeckter er zu Wohnzwecken. Bereits im Zuge der Initia-

29 tive zur Gründung des Rundlingsvereins wurde chfolgend als Störungen klassifiziert werden. konstatiert, dass als Folge einer vermehrten Aufgabe der landwirtschaftlichen Betriebe ein Auch hier werden die Herausforderungen Verkauf „dieses oder jenes Hofes an Städter, - für die Beteiligten hinsichtlich der Thematis die ihn als Zweitwohnung ausbauen möchten“ ierung von Störungen bei der Antragstellung (Rote Mappe des Niedersächsischen Heimat- von Maßnahmen auf Dorfentwicklung deut- bundes von 1969) einen Ansatz zum Erhalt der lich. Anregungen zur Beseitigung von Störun- historisch wertvollen Gebäudesubstanz bietet. gen, die mit der Unterstützung der Welter- Fünfzig Jahre nach Gründung des Rundlingsv- beinitiative begründet werden, denen aber ereins, zeigen die Ergebnisse der Attributkart- in einem zurückliegenden denkmalrechtli- ierung der 19 Dörfer im Welterbevorschlags- chen Genehmigungsverfahren eine Erlaubnis gebiet (M. Schmidt und S. Harder, 2019), dass erteilt wurde , haben nur dann Aussicht auf gerade die Hallenhäuser, die ab den siebziger Erfolg, wenn der Eigentümer, aber auch der Jahren des 19. Jahrhunderts zu Wohnzweck- mit der Baumaßnahme beauftragte Planer, zu en umgebaut wurden, grundsätzlich besser in der Einsicht gelangen, dass die betreffenden ihren charakteristischen Merkmalen erhalten baulichen Änderungen zu einem nachteili- sind, als frühe Umbauten der Nachkriegszeit. gen Erscheinungsbild des Hallenhauses ge- Als landwirtschaftliche Betriebe genutzte Hof- führt haben. Die fünfjährige Laufzeit des Dor- stellen mit wirtschaftlichen Zwängen eines fentwicklungsvorhabens erweist sich dabei weiteren Aus- und Umbaus sind oft mit bau- als großer Vorteil, da erste Maßnahmen mit lichen Modernisierungsmaßnahmen der Hal- erfolgten Rückbauten bereits im dritten Jahr lenhäuser verbunden, die in Abhängigkeit von einen deutlichen Multiplikatoreffekt erkennen lassen. den finanziellen Ressourcen der Eigentümer mehr oder weniger gravierend ausfallen. Während für alle drei Stufen für bauliche bed- Neben den Bemühungen des Rundlingsvereins ingte Störungen Beispiele benannt und bes- zum Erhalt des typischen Erscheinungsbil- chrieben werden können (vgl. Kap. 7.2), las- des der Rundlingsdörfer kommt den fort- sen sich für die modellhafte Beseitigung oder Minderung von Störungen nicht vollumfänglich laufenden Bemühungen der Denkmalpflege zum Erhalt der historisch wertvollen Gebäude korrespondierende Fallbeispiele gegenüber- eine Schlüsselrolle zu. Seit Inkrafttreten des stellen, da in Umsetzung der Vorhaben zur Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz- Dorfentwicklung über zunächst zwei Förder- es im Jahr 1978 und einer damit einherge- jahre nur eine begrenzte Auswahl an durchge- henden Inventarisierung des Landkreises führten Baumaßnahmen zur Verfügung stand Lüchow-Dannenberg durch das Institut für (vgl. Kap. 7.3). Es bleibt einer aktualisierten - Fassung der Handreichung vorbehalten, für Denkmalpflege, sind Umbauten von Hallen alle Störungen geeignete Maßnahmen zur Be- häusern mit signifikanten Änderungen des äußeren Erscheinungsbildes, wie ein Ersetzen seitigung oder Minderungen aufzuzeigen. des giebelständigen Fachwerks durch mas- sive Aufmauerungen, bei denkmalgeschütz- (S1) – geringfügige Störung ten Gebäuden nicht mehr möglich. Dennoch Welterberelevanz: Hallenhäuser und ist festzustellen, dass gerade im Zuge von Um- Wirtschaftsgebäude mit marginalen bis ger- baumaßnahmen des vorderen Dielenteils zu ingfügige Störungen kommt eine hohe Bedeu- - Wohnzwecken, bauliche Eingriffe mit Zustim tung hinsichtlich authentisch erhaltener Bau- - mung der Denkmalpflege das äußere Er substanz zu. Hierzu zählen Hallenhäuser, deren scheinungsbild beeinträchtigt haben und na-

30 zum Dorfplatz ausgerichteter Wirtschafts- (S2) – mäßige Störung teil bisher nicht zu Wohnzwecken ausgebaut Welterberelevanz: Der größte Anteil von wurde. Die gebäudebezogenen Merkmale der Störungen umfasst Baumaßnahmen, die als - Attribute (d) und (e) unterstützen in signifikan ter Weise Kriterium (iv). In ihren bauzeitlichen mäßige Störung klassifiziert werden. Durch eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit und die Merkmalen erhaltene Wirtschaftsgebäude - Bemühungen der Denkmalpflege wurde ver sind nach Aufgabe der landwirtschaftlichen sucht, die baulichen Merkmale der Hallenhäus- Nutzung von höchster Relevanz zur Unter- er zu erhalten und zugleich eine Wohnnutzung stützung von Kriterium (iv). auch des vorderen Dielenteils zu ermöglichen. Umbaumaßnahmen, die wesentliche Merkmale Die Störstufe (S1) umfasst alle geringfügi- entfernen, ohne den Charakter des Nieder- gen Änderungen an den Hallenhäusern und deutschen Hallenhauses zu beeinträchtigen, Wirtschaftsgebäuden, bei denen alle gebäude- werden als mäßige Störung (S2) beschrieben. bezogenen Merkmale der Attribute (d) und (e) Die Attribute (d) „Schmuckgiebel der Hallen- bestätigt werden können. Die Hallenhäuser häuser mit Ausrichtung zum zentralen Dorf- vermitteln den historischen Charakter von platz“ und (e) „Hallenhäuser in Fachwerkbau- Wohn-Wirtschaftsgebäuden ehemals bäuer- weise vermitteln ein homogenes Dorfbild“ lich genutzter Hofstellen mit den typischen sind vorhanden, jedoch stören vorrangig Ver- Merkmalen zur Unterscheidung des vorderen glasungen im Schmuckgiebel, im Bereich der Wirtschafts- und des hinteren Wohnteils. Die - vorderen Traufseiten und im vorderen Dach charakteristischen Merkmale des Fachwerks bereich das authentische Erscheinungsbild. und seiner Schmuckformen des zum Dorfplatz ausgerichteten Giebels sind beinahe vollstän- Obwohl Verglasungen unter Beibehaltung dig erhalten. der historische Fachwerkkonstruktion rela- tiv leicht zurückgebaut werden können, ist Als geringfügige Störungen des zum Dorfplatz die praktische Umsetzung häufig schwierig. ausgerichteten Schmuckgiebels werden na- Solche Verglasungen wurden auch denkmal- - chfolgende bauliche Veränderungen klassifi schutzrechtlich bis in die neunziger Jahre ziert: des 20. Jahrhunderts als geeigneter Kom- - Ersetzen von einzelnen historischen promiss zwischen der Bewahrung der his- Ziegelsteinen durch neue Klinker. torischen Bausubstanz und der Herstellung ausreichender Belichtungsverhältnisse im Als geringfügige Störungen im Bereich der beinahe fensterlosen Dielenteil (vgl. dazu Kap. Dachflächen gelten: 6.5.1 Fenster neben der Groot Dör der Hal- - großflächige Dachflächenfester im lenhäuser) angesehen. Ein Zurücksetzen der hinteren Wohnteil der Hallenhäuser; - Harteindeckungen bei zu großen großflächigen Verglasungen, so dass die nach innen zu öffnenden Tore der Groot Dör wieder Sparrenbreiten. eingesetzt werden können, ist kurzfristig kaum zu realisieren, wenn die Verglasungen unter

Im Bereich der Traufseiten sind geringfügige erheblichen finanziellen Aufwendungen durch Störungen gekennzeichnet durch: die aktuellen Eigentümer eingebaut wurden. - den Einbau von Fenstern im vorderen Als erste Option bleibt zunächst, der Wiedere- Wirtschaftsteil; inbau der nach außen zu öffnenden Misttüren - Fenster mit nur einem Flügel. und ein Rückbau der Fenster im Giebeldreieck.

31 Als mäßige Störungen werden nachfolgende Als mäßige Störungen im Bereich der bauliche Veränderungen klassifiziert: Dachflächen werden angesehen: - Verglasung der Groot Dör mit - großflächige Dachflächenfester über Anschluss an die Ständer und an den dem vorderen Wirtschaftsteil Spruch balken und Rückbau der Groot Dör infolge der Umnutzung des Im Bereich der Traufen sind mäßige Störungen Wirtschaftsteils zum Wohnen; gekennzeichnet durch: - Verglasung der Misttüren infolge der - Massive Aufmauerungen der Trauf wände Umnutzung des Wirtschaftsteils zum Wohnen; - Einbau von Fenstern in den Gefachen (S3) – signifikante Störung des Giebeldreiecks, ohne das Fach- Welterberelevanz: Signifikante Störungen sind die Folge baulicher Maßnahmen, die das Er- werk im Giebeldreieck dabei zu verän - scheinungsbild soweit überprägen, dass das dern; die relativ kleinen Fenster mit typische Erscheinungsbild des Hallenhauses nur einem Flügel sind in ihren Maßen - den Stielen und Riegeln angepasst; nicht mehr gegeben ist. Signifikante Störun gen sind welterberelevant. Die Attribute (d) - Einbau von Gauben oder Dachflächen- „Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Aus- fenstern in der Dachfläche über dem richtung zum zentralen Dorfplatz“ und (e) „Hal- Wirtschaftsteil infolge eines Dach- lenhäuser in Fachwerkbauweise vermitteln ein geschossausbaus zur Wohnnutzung; homogenes Dorfbild“ sind aufgrund von bau- - Errichtung von PV-Anlagen zur Energie- liche Änderungen, vorrangig aus dem zweit- en Drittel des 20. Jahrhunderts, nicht mehr einsparung, die aus dem öffentlichen oder nur mit erheblichen Einschränkungen Raum einsehbar sind (betrifft alle vom wahrnehmbar. Dorfplatz einsehbaren Dachflächen, nicht nur die des Hallenhauses!); - - Fassadenabhängungen und Wandver- Signifikante Störungen des Attributs Schmuck kleidungen aus der zweiten Hälfte des giebel ergeben sich zumeist durch geänderte 20. Jahrhunderts (vgl Kap 6.8); Nutzungsansprüche an die Hallenhäuser, die mit dem Wandel der Landwirtschaft vor allem - Erneuerung der Gefache mit neuen seit der Mitte des 20. Jahrhunderts in Zusam- Baumaterialien (Einbau neuer Ziegel menhang stehen. Mit der Aufgabe der bäuer- steine) oder Verputzen der Gefachaus- lichen Nutzung oder dem Bau gesonderter mauerungen; Kuhställe wurde der vordere Wirtschaftsteil - unpassende Gestaltung der Hofzu- der Hallenhäuser beispielsweise in den frühen wegungen, z.B. Errichtung von Nachkriegsjahrzehnten unter Rückbau wes- Vorgärten mit Einzäunungen; entlicher Merkmale des Schmuckgiebels zu - unpassende, nicht authentische Farb- Wohnzwecken oder auch zu zeitgemäßen St- gestaltung; allungen umgebaut. Die Initiative zur Gründ- - unpassender Umgang mit den ung des Rundlingsvereins im Jahr 1969 lässt Schmuckelementen der Wirtschafts- sich maßgeblich auf einen vermehrten Verlust giebel (Detailausbildung der Giebel- durch Abriss und auf den bewussten Rückbau spitze, Spruchbalken, Blumen- historischer Elemente der Hallenhäuser zu- rückführen. Der zum Dorfplatz ausgerichtete ornamente, Tore für Groot Dör und Misttüren). Giebel wurde dabei nicht nur umgebaut, son-

32 dern zugleich in seinem Erscheinungsbild land eine relativ umfangreiche Literatur vor. „modernisiert“. Schließlich kann auch auf beim Landkreis Lüchow-Dannenberg vorliegende Bauakten Nachfolgende Merkmale kennzeichnen Hal- zurückgegriffen werden. lenhäuser mit signifikanten Störungen (S3): - wesentliche, den zum Dorfplatz aus- Die vier genannten Quellen und Methoden gerichteten Giebel prägende Gestal- werden im Folgenden näher erläutert. tungselemente wie die Zierformen des Schmuckgiebels (Kap. 6.1), das Fachwerk 4.4.1 Hausforschung mit den Ziegelausfachungen (Kap.6.2) sowie der Groot Dör und der Misttüren Spuren am Fachwerk weisen nicht nur darauf (vgl. Kap. 6.4.1 und 6.4.3) wurden zurück- hin, dass ein Umbau am Haus stattgefunden gebaut, so dass der vordere Wirtschafts- hat, sondern geben oft auch konkrete Hinweise teil der Hallenhäuser architektonisch unk- darauf, wie der vorherige Zustand ausgesehen enntlich wurde; hat. So kann auch viele Jahre nach dem Bau eines Hauses und nach diversen verändern- - Massivuntermauerungen im Bereich den Baumaßnahmen mitunter noch eine vol- der Schmuckgiebel unterhalb des Haupt- lständige oder teilweise Rekonstruktion des balkens oder gänzlich massive Aus- bauzeitlichen Zustands erfolgen. In den ver- führung des Giebels (und/oder der an- gangenen Jahren wurden durch D. Wübben- schließenden Trauffassaden); horst zahlreiche Aufmaße von Hallenhäusern - Einbau von Fenstern im Bereich des im Wendland erstellt, die den bauzeitlichen Schmuckgiebels; Zustand und verschiedene Umbauphasen darstellen. Die Ergebnisse der Hausforschung - Einbau von Fenstern im Traufbereich des Wirtschaftsteils; bilden somit eine Referenz (jedoch keinen - Verkürzung der Hallenhäuser zeitlich isolierten Referenzpunkt) und zugle- (Veränderung der Kubatur) ich die Grundlage einer Beurteilung, welche bauzeitlichen Merkmale noch vorhanden und - Wegfall bzw. das Fehlen von Hallen- welche typischen Umbauten erfolgt sind. häusern (selten! - wird erst zum Thema, wenn dort Neubauten errichtet werden Außerdem gingen auch Ergebnisse des über- sollen). regional aktiven Hausforschers Gerhard Eitzen aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts 4.4. Analysemethoden mit in diese Arbeit ein (seine Aufsätze sind zusammengefasst verfügbar in einem vom Untersuchungen zur Hausforschung bilden Landwirtschaftsmuseum Lüneburger Heide die wichtigste Informationsgrundlage zur herausgegebenen Sammelband aus dem Jahr Analyse noch erhaltener bauzeitlicher Merk- 2006). male und von Gestaltungsmerkmalen später- er Zeitschnitte. Historische Fotos vermitteln 4.4.2 Fotoanalyse zusätzlich das visuelle Erscheinungsbild zum

Zeitpunkt der Fotografie und bringen zudem Historische Fotos liefern wertvolle Aussagen immaterielle Werte zu sozio-kulturellen Bedi- über Details früherer Bauausführungen und ngungen zum Ausdruck. Außerdem liegt für erlauben oft auch zeitliche Eingrenzungen. die Rundlingsdörfer im Wendland im Vergleich Glücklicherweise sind historische Fotos aus zu anderen ländlichen Regionen in Deutsch- den Dörfern des Wendlands in vergleichsweise

33 großem Umfang vorhanden und zugänglich. Wirtschaftsgebäude. Dennoch können dem Zum einen werden viele Bilder online über das Werk punktuell wertvolle Aussagen entnom- Wendland-Archiv bereitgestellt (www.wend- men werden. land-archiv.de). Man findet dort gut sortiert und mit Schlagworten versehen eine Vielzahl Wolfgang Meibeyer befasst sich seit langer von Bildern aus dem 20. Jahrhundert, darunter Zeit intensiv mit der Geschichte der Rundlinge. auch eine reiche Auswahl aus der Zeit vor dem Aussagen zur Siedlungsgeschichte in dieser ersten Weltkrieg. Handreichung beruhen im Wesentlichen auf seinen Ergebnissen (Meibeyer, 2001). Weitere Außerdem steht mit dem Fotoalbum der - Beiträge zu diesem Thema lieferte unter an derem Willy Schulz (Schulz-Lüchow, 1963). Wendlandbauern von 1866 (im weiteren Text kurz Königsalbum genannt) eine besonders - Darüber hinaus liegen verschiedene Veröffen wertvolle Sammlung sehr früher Aufnahmen tlichungen aus den vergangenen Jahrzehnt- zur Verfügung. Weihnachten 1866 übergab en vor, die sich mit dem ländlichen Bauen im eine Delegation aus dem Wendland das Album Wendland befassen. Carl Ingwer Johannsen auf der Marienburg in Elze an Marie, die Frau schrieb in den frühen 1970er Jahren seine von König Georg V. von Hannover, der sich zu Dissertation über „Das Hallenhaus und seine dieser Zeit nach dem verlorenen Krieg gegen Nebengebäude im Landkreis Lüchow-Dan- Preußen bereits im Exil in Wien befand. Die nenberg“ (Johannsen 1974). Die von ihm an- Aufnahmen stammen aus dem Gebiet des nie- gefertigten ansprechenden Aufmaßzeichnun- gen enthalten jedoch überwiegend nur wenige deren Drawehn, also genau aus dem Teil des Landkreises, in dem auch die 19 Dörfer lie- Aussagen zu Details der Bauausführung. Bau- gen, die für den Welterbeantrag ausgewählt zeitliche Zustände und Umbauten werden in wurden. Im Jahr 2016 wurden die Fotos aus seinen Zeichnungen leider nicht differenziert. dem Album von Rundlingsverein in einem Besonders hilfreich sind jedoch Aufmaße von - inzwischen verschwundenen Wirtschafts- Buch veröffentlicht und damit erstmals voll ständig der Allgemeinheit zugänglich gemacht gebäuden sowie die Neuzeichnung eines von einem Architekten aus Lüchow stammenden (Burghardt-Liebig et al., 2016). Darin finden außer Anmerkungen zur Geschichte des Al- Aufmaßes aus den 1930er Jahren. Außerdem - stellte Johannsen viele seiner Fotos aus den bums und zur damaligen Technik der Fotogra frühen 1970er Jahren dem Wendland-Archiv fie auch ausführliche Kommentare zu den Bauausführungen. Bereits rund 25 Jahre zuvor zur Verfügung. - hatte Erich Kulke einen Teil der Fotos in Buch form herausgebracht (Kulke, 1990). Mit den Schmuckformen an den Hallenhäus- ern im Wendland befasst sich in den 1970er 4.4.3 Literaturauswertung Jahren Ulrich Schröder aus Clenze (Schröder, 1972). Seine umfangreiche Dokumentation Ein weiterer Glücksfall ist die Existenz eines beschreibt viele Details, die heute kaum oder ausführlichen Berichts über das Wendland, gar nicht mehr in dieser Form an den Gebäud- der etwa zur gleichen Zeit entstand wie das en vorhanden sind. Auch von ihm sind viele Königsalbum. Karl Hennings beschrieb das aussagekräftige Fotos über das Wendlandar- Wendland 1862 ausführlich anlässlich eines chiv zugänglich. Vor wenigen Jahren griff ich Besuchs der hannoverschen landwirtschaft- - das Thema mit Knut Hose und Burghard Ku lichen Gesellschaft (Hennings, 1862). Zwar low zusammen erneut auf (Wübbenhorst et al. 2016). Einige Abschnitte aus diesem Artikel beziehen sich nur wenige Textabschnitte auf die Bauausführung der Hallenhäuser und werden in dieser Handreichung verkürzt wie-

34 dergegeben. Bis auf wenige Einzelheiten sind baugenehmigungspflichtig, allerdings wurde die ausführlichen Darstellungen in dem Artikel - häufig nur ein Teil der Gebäude hierfür zeich noch aktuell. nerisch dargestellt. Ältere Bauakten aus der Zeit der Errichtung der Gebäude in den Run- Die historische Farbgebung der Fassaden dlingen sind hingegen nicht vorhanden. war Gegenstand einer um 1970 von Erich Kul- ke initiierten Farbuntersuchung an diversen Im Rahmen der fortschreitenden Digitalis- Hallenhäusern im Wendland. Die Ergebnisse ierung werden Bauakten ausschließlich digital hinterlegt, ein vernichten der Altakten zu den wurden in Form eines Heftes veröffentlicht (Bundesverband des Deutschen Farben- Bauvorhaben im Welterbevorschlagsgebiet großhandels e.V., 1972) und werden im Rahmen wurde ausgesetzt. Die Akten bilden wesen- dieser Handreichung teilweise wiedergege- tliche Dokumente zur baulichen Entwicklung ben. In Zusammenarbeit mit Siegfried Moll der Nachkriegsgeschichte sollten archiviert legte Kulke außerdem eine Schrift über Fen- werden und erhalten zudem teilweise Fotogra- phien aus den ersten Nachkriegsjahrzehnten. ster und Tore an Hallenhäusern im Wendland vor (Kulke und Moll. 1983). Seit den 70iger Jahren beinhalten die Bauak- ten auch Angaben zu denkmalrelevanten De- Der Rundlingsverein erstellte in den vergan- tails was der Arbeit des in 1969 gegründeten genen Jahren eine Übersicht über die In- - Rundlingsvereins in wesentlichen Teilen zu schriften an den Häusern im Wendland. Adri- geschrieben werden kann. Mit Inkrafttreten an Greenwood, der das Projekt leitete, lieferte des Denkmalschutzgesetzes des Landes - Niedersachsen in 1986 werden denkmal- dazu aussagekräftige kurze Veröffentlichun gen, in denen auch über die reine Dokumen- schutzrechtliche Genehmigungen erteilt. Eine tation hinausgehende Schlussfolgerungen gute Aktenlage findet sich bei geförderten zu finden sind (Greenwood, 2016). MaßnahmenVon ihm aus Mitteln der Denkmalpflege dargestellte Zusammenhänge zwischen Or- und Dorferneuerung. Maßnahmen in diesen namenten und Zimmereibetrieben berühren Akten wurden detailliert mit entsprechenden auch den Bereich der Hausforschung. Planunterlagen dargestellt. Mit dem Rück- Darüber hinaus erweisen sich für die Klärung gang der Förderungen in den 90iger Jahren grundlegender baulicher Merkmale und En- verschlechtert sich hingegen die Qualität der twicklungen auch überregionale Vergleiche - Planungsunterlagen. Ab 2010 findet eine ver als hilfreich. Aktuelle und sehr umfangreiche stärkte Zusammenarbeit der unteren Denk- Ergebnisse zur Bauernhausforschung aus malschutzbehörde mit der IGB e.V. statt und anderen Bereichen des Hallenhausgebietes für die Planung von Maßnahmen werden haus- wurden in den letzten Jahren beispielsweise forscherische Gutachten erarbeitet, die zugle- von Lutz Vollmer für das Ravensberger Land ich eine wichtige Grundlage zur Bewertung der (Vollmer, 2011) im Westfälischen und von Heinz Welterberelevanz im Rahmen von Maßnahmen der Dorfentwicklung bilden. Riepshoff für die ehemaligen Grafschaften - Hoya und Diepholz (Riepshoff, 2016) bei Bre men vorgelegt. Seit der Welterbeinitiative der Samtgemeinde Lüchow (Wendland) steigt die Anzahl der För- 4.4.4 Bauakten beim Landkreis dermöglichkeiten und Maßnahmen aus Mitteln Lüchow-Dannenberg der Denkmalpflege und der Dorfentwicklung wieder an. Bauakten werden im Landkreis seit 1945 ar- chiviert. Früher waren auch kleine Maßnahmen

35 5. Gebäudetypen von Haupthäusern auf bäuerlich geprägten Hofstellen im niederen Drawehn

Der älteste fassbare Haustyp in den Rundlings- lassen, sind aus dem Raum Verden Balken ohne dörfern des niederen Drawehn ist das Nieder- Hinweise auf Kopfbänder bis zur Mitte des 16. deutsche Hallenhaus. Das älteste bekannte, Jahrhunderts bekannt (Riepshoff, 2016). noch stehende Hallenhausgerüst des Land- kreises wurde 1576 etwas weiter östlich in Mit Schwellen und Ständern errichtete Hallen- Siemen errichtet. Das älteste Hallenhaus des häuser prägten das ländliche Bauen im nie- niederen Drawehn stammt aus dem Jahr 1611 deren Drawehn bis etwa zur Wende zum 20. und steht in Jameln. Obwohl ältere Belege im Jahrhundert. Da Vertreter dieses Haustyps Untersuchungsgebiet fehlen und auch in an- aus mehreren Jahrhunderten vorhanden und deren Bereichen des Hallenhausverbreitungs- Hallenhäuser zahlenmäßig die bestimmende gebietes selten sind, ist davon auszugehen, Hausform der Region sind, nimmt deren Bes- dass das Hallenhaus aus den archäologisch chreibung auch in dieser Abhandlung den nachgewiesenen, langgestreckten Pfosten- größten Raum ein. Dennoch sollen auch die bauten abgeleitet werden kann. Irgendwann, übrigen prägenden Hausformen beschrieben vermutlich im späten Mittelalter, ging man werden. dazu über, statt eingegrabener Pfosten oberir- dische Ständer zu verwenden, die auf Steinen In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhun- oder waagerechten Holzschwellen ruhten. derts wurden im betrachteten Gebiet die er- sten Querdielenhäuser errichtet. Im Gegensatz Dieser Übergang fand im norddeutschen Raum zu den längs aufgeschlossenen Hallenhäusern offenbar regional zeitversetzt statt. Fehlende mit dem Dielentor im Giebel befindet sich die Kopfbänder an alten Balken können als Hin- Diele im Querdielenhaus quer zur Firstrich- weis auf Pfostenbauten gedeutet werden, da tung. Das Dielentor liegt demzufolge an der eingegrabene Pfosten dem Gerüst auch ohne Traufseite. Einen sehr frühen, in den Ausmaßen Kopfbänder die nötige Stabilität verleihen. allerdings auch sehr bescheidenen Vertreter Bei Ständerbauten sind Kopfbänder als Quer- dieses Typs findet man in Mammoißel (1812, i). aussteifung zumindest bei Zweiständerbauten unerlässlich. Während sich an zweitverwende- Querdielenhäuser wurden ebenfalls etwa bis ten Balken aus Häusern im niederen Drawehn 1900, in Einzelfällen auch bis zum ersten Welt- (Balken von 1463 von 1503 ) eindeutig Kopf- krieg gebaut. Sie stehen fast ausschließlich bänder anhand von Blattsassen nachweisen auf nachgesiedelten Hofstellen außerhalb

Abb. 4: Hallenhäuser in Zwei-, Drei und Vierständerbauweise.

36 der eigentlichen Rundlingslage. Während die Mit dem ersten Weltkrieg endete auch die Zeit tortenstückartigen, zum Dorfplatz hin oft sehr der großen Rübenburgen. Aus den 1920er schmalen Hofstellen in den Rundlingen eine Jahren sind nur relativ wenige Gebäude erh- giebelständige Bauweise nahelegen, bot sich alten, oft in Mischbauweise errichtet, z.B. mit das Querdielenhaus an den Grundstücken an massivem Erdgeschoss und einem ersten den Einfahrtstraßen zu den Dörfern als gee- Stock in Fachwerkbauweise oder mit einem ignete Bauweise an. Zwerchhaus aus Fachwerk.

Wie im Hallenhaus befanden sich beim Querd- Viele der Bauernhäuser aus den 1930er bis ielenhaus Wohnräume und Stallungen unter 1950er Jahren lassen sich wiederum einem einem Dach. Ab den 1890er Jahren wurde bei relativ einheitlichen Stil zuweisen. Es sind zu- Neubauten zunehmend eine stärkere bauliche meist kleinere, zweigeschossige Villen in Mas- - sivbauweise mit Vollwalmdach, oft mit einem Trennung dieser Bereiche vollzogen. Deut lich wird dies erstmals bei den in Fachwerk kleinen Balkon über der Eingangstür. Wegen errichteten Bauernhäusern im Heimatstil, oft ihrer Quaderform werden sie überregional auch als Schweizerhausstil bezeichnet. Die auch als Kaffeemühlenhäuser bezeichnet. Vor repräsentative Gestaltung orientierte sich allem frühere Beispiele zeigen nicht selten ge- mehr an städtisch-bürgerlichen Vorbildern. lungene Proportionen und eine durchdachte Der relative Reichtum vieler Bauern dieser Zeit, Gestaltung. Ähnlich wie die Rübenburgen vor allem in den Jahren um 1900, spiegelt sich gehören sie inzwischen zum Bild vieler Run- in den üppigen Häusern wider, die heute noch dlingsdörfer. Es handelt sich bei ihnen jedoch als sogenannte Rübenburgen bekannt sind. nicht mehr um typisch bäuerliche Gebäude; Nach 1900 wurden sie überwiegend in Massiv- - man findet sie ebenso in städtischen Wohnge bauweise errichtet. Aufgrund ihrer traufständi- bieten der gleichen Zeit. gen Ausrichtung wurden sie in Rundlingslage gegenüber den Hallenhäusern oft einige Me- In den Jahren danach wurden viele der noch ter weiter vom Dorfplatz entfernt errichtet. vorhandenen älteren Häuser nicht komplett

Abb. 5: Verteilung von Hallenhäusern unterschiedlicher Bauweise im Land- kreis Lüchow- Dannenberg.

37 ersetzt, sondern mit modernen Baumateri- Wendland auch noch gebaut, als sich insges- alien umgebaut und verändert. Da bei diesen amt längst die Vierständerbauweise durchge- Maßnahmen der gestalterische Wille oft deut- setzt hatte. - lich hinter praktischen und finanziellen Erwä gungen zurückstand, sind es insbesonde- Die bereits erwähnten, zweitverwendeten re diese Gebäude, die im Dorfbild heute als Balken in Jameln und Göttien stammen von störend empfunden werden. Zweiständerhäusern (1463, d und 1503, d). Dagegen handelt es sich bei dem ältesten ste- 5.1 Wohn- Wirtschaftsgebäude und henden Hallenhaus in Lüchow-Dannenberg um Wohngebäude eine Dreiständerkonstruktion (Siemen, 1576, d). Auch in diesem Haus gibt es zweitverwen- 5.1.1 Hallenhäuser dete Balken aus einem ehemaligen Zweistän- derbau (1506 +/-1, d). Im älteren Hausbestand Grundstruktur kommen Zwei- und Dreiständerhäuser nebe- Je nach Anzahl der Ständer unter einem Balk- neinander vor, wobei die Zweiständer überwie- en unterscheidet man Zwei-, Drei- und Vier- gen. Aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhun- ständer-Hallenhäuser (Abb. 4). Das Dreistän- derts stammen die ersten Vierständerhäuser, derhaus ist eine Mischform der beiden aus einigen Jahren in der zweiten Hälfte des anderen. 18. Jahrhunderts sind alle drei Konstruktion-

sweisen etwa in gleicher Häufigkeit erhalten Die Zweiständerkonstruktion kann wohl als die und ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert älteste und ursprüngliche Bauweise angeseh- dominiert im niederen Drawehn die Vierstän- en werden. Es ist aber nicht sinnvoll, die drei derbauweise (Abb. 5). Im nördlichen Landkreis Bauweisen als aufeinanderfolgende Entwick- wurden hingegen weiterhin Zweiständerhäus- lungsstufen zu betrachten , denn während er gebaut. Erneut wird hier die eigenständige man beispielsweise im Münsterland bereits Bautradition des niederen Drawehn deutlich. im frühen 16. Jahrhundert Vierständerkon- Insgesamt bilden die Vierständerhäuser rund struktionen baute , hielt man in weiten Teilen des Hallenhausgebietes bis zum Ende an neunzig Prozent des Hallenhausbestandes der Zweiständerbauweise fest. Dreiständer im niederen Drawehn. Diese großenteils sehr sind insgesamt relativ selten, wurden aber im ähnlichen Gebäude sind daher der wesentlich

Abb.6: Zeitliches Auftreten von Hallenhäusern unterschiedlicher Bauweise im niederen Drawehn.

38 prägende Haustyp dieser Landschaft. ieren in Jameln mit dem sogenannten Alten Haus von 1719 und der benachbarten Weber- Ein Großteil von ihnen wurde um die Mitte des kate aus dem gleichen Jahr zwei weitere be- 19. Jahrhunderts errichtet (Abb. 6). Im Jahr sonders alte Gebäude. Insgesamt dürften die 1850 brannte das Dorf Satemin fast komplett älteren und kleineren Häuser bis zum Beginn nieder, 1851 vernichtete ein Großbrand das von Aktivitäten zum Schutz der Rundlinge in Dorf Güstritz. Beide Dörfer wurden innerhalb den späten 1960er und frühen 1970er Jahren weniger Monate wiederaufgebaut. Weitere und bis zur Aufstellung der Denkmaltopog- Dorfbrände, z.B. in Jabel (1838), Köhlen (1794 raphie rund zehn Jahre danach in stärkerem und 1886), Dolgow (1813) oder Lensian (1843) Maße vom Abriss betroffen gewesen sein, als trugen wesentlich dazu bei, dass alte Zwei- und die neueren Vierständer aus dem 19. Jahrhun- Dreiständerhäuser durch neuere Vierständer- dert. häuser ersetzt wurden. Nur selten wurden die kleineren Zwei- oder Dreiständerhäuser zu Auch wenn sich die Vierständerhäuser äußer- Vierständern umgebaut oder im äußeren Er- lich stark ähneln, zeigen sie eine deutliche scheinungsbild angepasst . Wer es sich leisten Entwicklung über die Zeit, in der sie geb- aut wurden. So wechselt die Konstruktions- konnte, baute neu und offenbar konnten sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts viele Bauern, weise der Hausgerüste um die Mitte des 19. auch ohne Unterstützung der Brandkasse, ein- Jahrhunderts vom gebundenen System zur en Neubau leisten. freien Aufteilung der Längswände. Im geb- undenen System stehen die Ständer in allen Zwei- und Dreiständerhäuser blieben nur ver- Längswänden immer unter den Balken. Der gleichsweise wenige erhalten, wenngleich sie Abstand der Ständer in Längsrichtung ist da- her regelmäßig und relativ groß. In einigen Fäl- nach dem zweiten Weltkrieg offenbar noch len wurden Zwischenstiele eingesetzt, um die erheblich häufiger waren als heute. So gab es in Jameln 1950 noch sechs Zweiständerhäus- Gefachgröße zu verringern. Da die Last der er aus dem 17. Jahrhundert. Bis heute haben Balken auf jeweils vier Punkte verteilt wird, ist nur zwei davon überdauert, das aufgrund der es jedoch konstruktiv nicht unbedingt nötig, Inschrift als Hundert-Daler-Haus bekannte dass die Ständer genau unter den Balken Gebäude von 1681 und das älteste Haus des stehen. Die Kräfte können auch vom Rähm niederen Drawehn von 1611. Daneben exist- aufgenommen werden, wenn die Gefache der

- Abb. 7: Zweischiffiges Hallenhaus in Karmitz (1794, i) und Hallenhaus mit hoher Traufe und massiv en Außenwänden aus dem späten 19. Jahrhundert in Spithal.

39 Wände darunter ausgefüllt sind und so eine Typischer Hallenhausgrundriss ausreichende Stabilität liefern (bei den älteren Der Grundriss der Hallenhäuser hat sich über Gebäuden waren die Gefache unterhalb des die Jahrhunderte langsam verändert und Rähms im Bereich der Dielenwände in der Re- wurde immer wieder neuen Bedürfnissen an- gepasst, bevor die Grundidee am Ende des 19. gel offen). Die Ständer wurden daher etwa ab 1850 so platziert, wie es für die Raumauftei- Jahrhunderts ganz aufgegeben wurde. Weil - die Häuser im Inneren immer wieder umge- lung und die Lage der Fenster und Türen pas send war. Streng genommen handelt es sich baut, modernisiert und den jeweils aktuellen nun nicht mehr um echte Vierständerhäuser, Wohn- und Nutzungsvorstellungen ange- sondern um Gerüste aus vier parallelen Läng- passt wurden, lassen sich die jeweils zeittyp- swänden . Die Verwendung von Kopfbändern ischen Raumaufteilungen in den meisten Fäl- auf der Diele ist ohne ein gebundenes System len nur rekonstruieren. Ältere Häuser wurden nicht möglich, wurde aber ohnehin bereits in naturgemäß stärker verändert als jüngere. Im den 1820er Jahren aufgegeben und auch die Folgenden wird die Entwicklung nachgezeich- Häuser aus der Zeit um 1800 wiesen nicht net, soweit sie sich aus den bisherigen Ergeb- mehr in jedem Gebinde zwei Kopfbänder auf. nissen der Hausforschung ergibt.

Hallenhäuser sind normalerweise dreischif- Hallenhäuser sind geprägt von der in Firstrich- tung gelegenen Diele oder Halle, die einen fig angelegt. Deutlich erkennbar ist dies im Wirtschaftsteil mit der Diele in der Mitte und großen Teil der Grundfläche einnimmt. Rechts den sich beiderseits anschließender Abseiten. und links der Diele, in den sogenannten Abseit- en, lagen Stallungen, Schlaf- und Lagerräume Im Wendland gibt es jedoch auch zweischiffige Hallenhäuser, die neben der Diele nur auf einer sowie die sogenannten Luchten am Ende der Seite über eine Abseite verfügen. Sie lassen Diele vor der Querwand. Dahinter befand sich sich daher nicht den beschriebenen Zwei-, der Hauptwohnbereich der Bauernfamilie. Drei- oder Vierständerhäusern zuordnen, son- - Dieser Teil des Hauses wird oft als Kammer fach bezeichnet, im Wendland enthielt er aber dern stellen eine eigene Form dar. Häufiger mehr als nur die Kammern. Die Raumnutzung als bei Wohnwirtschaftsgebäuden findet man unterscheidet sich im großen Verbreitungs- zweischiffige Konstruktionen übrigens bei den Längsscheunen (s.u.). gebiet des Hallenhauses regional stark. Meis- tens ist aber eine Einteilung in Wirtschaftsteil (vor der Querwand) und Wohnteil (hinter der Zweischiffige Hallenhäuser sind aufgrund der fehlenden Abseite schmaler und somit auch in- Querwand) hilfreich (Abb. 8 und 9). sgesamt kleiner (Abb. 7). Solche bescheidenen Gebäude wurden vor allem auf den Kossater- In den Hallenhäusern des Wendlands liegt die stellen errichtet. Die meisten bekannten Häus- Balkenlage im Wohnteil bis zu einem Meter höher als im Wirtschaftsteil. In anderen Gebi- er dieses Typs stammen aus dem späten 18. Jahrhundert. In der äußeren Gestaltung und eten ist das nicht üblich oder kommt nur bei ei- den Schmuckformen entsprechen sie den an- - nem Teil der Häuser vor. Dort endet das eigen deren Hallenhäusern der gleichen Bauphase. tliche Hausgerüst zumeist an der Querwand und der Wohnteil ist daran angehängt, ohne - dass die Ständerreihe fortgesetzt wird. Das Relativ selten finden sich im Wendland Geb äude im Stil von Vierständern mit massiven gilt auch für die Hallenhäuser im nördlichen Teil des Landkreises. Im niederen Drawehn hinge- Außenwänden (Abb. 7). Beispiele finden sich in Jameln und Spithal, ein relativ frühes Haus gen laufen die Ständerreihen ursprünglich bis zum Wohnteil durch und diese Grundidee dieses Typs steht in Bausen (1872, i). 40 Abb. 8: Rekonstruierter Grundriss eines Dreiständerhauses von 1734 in Dünsche. Die Di- ele mit dem Flett, den Luchten und den Stallungen und Kammern in den Abseiten werden, obwohl auch hier durchaus auch von einer Wohnnutzung auszugehen ist, insgesamt dem Wirtschaftsteil zugerechnet. Rechts von der Querwand bilden die Küchenstube und die benachbarten Kammern den eigentlichen Wohnteil. Eine rauchfreie Stube ist im ur- sprünglichen Raumplan nicht vorgesehen (Zeichnung: Wübbenhorst).

Abb. 9: Rekonstruierter Längsschnitt desselben Hauses (Dünsche 1734). Die Balken von Querwand Wohngiebel und einem Zwischengebinde liegen etwas höher als in der Diele. So entsteht die hohe Decke der Küchenstube (Zeichnung: Wübbenhorst).

41 ist auch bei den Bauten aus der Mitte des 19. stube befunden haben. Eine Ausnahme bilden Jahrhunderts noch erkennbar. Ursprünglich die beiden ältesten bekannten Häuser in Sie- - men (1576) und Gümse (um 1580), die beide steht diese Konstruktion offenbar im Zusam menhang mit der Lage von Herdfeuer und zunächst ohne Kammerfach errichtet wurden. Küche im Wohnteil, die im folgenden Abschnitt Das Herdfeuer ist hier am Ende der Diele zu beschrieben wird. vermuten. Beide Häuser stehen nicht im nie- deren Drawehn, aber auch dort ist diese Bau- Herdfeuer und Küche weise anzunehmen. Die Küchenstube dürfte - im Wendland demnach um 1600 eingeführt Anders als für weite Teile des Hallenhaus gebietes beschrieben, befand sich die Feuer- worden sein. Frühe Hallenhäuser ohne Kam- stelle im niederen Drawehn und weiten Bere- merfach oder Wohnteil sind auch aus anderen ichen des Wendlands in der Regel zumindest Regionen bekannt . phasenweise nicht am Ende der Diele auf dem Flett, sondern hinter der Querwand im Wohn- Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- teil des Hauses. Bis weit in das 18. Jahrhundert - derts wurden Neubauten im Wendland offen hinein war die Küche den Befunden nach als bar mit einer rauchfreien Stube ausgestattet, großer, rund 4,5m hoher Raum zwischen den wobei sich bislang nicht genau angeben lässt, Ständern des Hausgerüsts ausgebildet, unter ab wann eine solche Stube zum Raumplan bei dessen Decke auch das Fleisch geräuchert Neubauten gehörte. Dabei sind zwei unter- wurde. Diese Situation ist als überkommen- schiedliche Ausführungen nachweisbar, die er Zustand heute in keinem Gebäude mehr sich auf Grundlage der vorliegenden Befunde erhalten, lässt sich aber in vielen Fällen noch zeitlich und räumlich nicht klar voneinander an der Konstruktion und der Verteilung von abgrenzen lassen. Zum einen gibt es Häuser, Rußspuren im Gebäude ablesen. Die Häuser bei denen der Schwibbogenherd, dem über- hatten noch keinen Schornstein. Der Rauch regional für Hallenhäuser typischen Grun- gelangte über den Dachboden und über die driss entsprechend, im Flett an der Querwand hintere Giebelwand nach draußen. Beiderseits stand und den Rauch eines Bileggerofens in dieses Raumes befanden sich kleine, niedrige- der mittig gelegenen Stube hinter der Quer- re Kammern. wand aufnahm. Eine solche Flettküche mit mittiger Stube konnte als bauzeitliche Aus- Da sich in diesen Häusern für den bauzeitli- führung bislang eindeutig in Häusern in Blütlin- chen Zustand keine rauchfreie Stube nach- gen (1787) und Gümse (1794) rekonstruiert weisen lässt und der große zentrale Raum auch werden (Abb. 10 und 11). Karl Hennings bes- als wichtiger Aufenthaltsraum gedient haben chreibt diese Bauweise im Jahr 1862 als die überholte, unmoderne Bauweise der alten muss, wurde der Begriff „Küchenstube“ als regionale Bezeichnung eingeführt (ähnliche Häuser. Tatsächlich dürfte sie zwischenzeitlich Räume werden andernorts auch als Rauch- sehr weit verbreitet gewesen sein, denn viele stube oder Stubenküche bezeichnet). Feuer- der älteren Hallenhäuser waren um 1800 in stellen sind aus dieser Zeit nicht überkommen. dieser Weise umgebaut worden. Im Raum Dan- Es ist anzunehmen, dass Schwibbogenherde nenberg sind Häuser noch bis in die Mitte des verwendet wurden. Für Herdrähme, wie sie 19. Jahrhunderts nach diesem Raumplan (und aus anderen Regionen bekannt sind, gibt es im somit auch ohne Schornstein) gebaut worden. Wendland nur sehr vereinzelte Nachweise. Bei der zweiten Variante befand sich das Herd- In fast allen älteren Häusern im Wendland feuer weiterhin im Wohnteil in Form einer ho- dürfte sich ursprünglich eine solche Küchen- hen Küche mit benachbarter Eckstube. Der

42 Abb. 10: Rekonstruierter Grundriss eines Dreiständerhauses von 1794 in Gümse. Hier be- fand sich die Feuerstelle im Flett (Flettküche). An den Schwibbogen waren rückseitig zwei Bileggeröfen angeschlossen, da das Haus über zwei beheizbare Stuben verfügte (Zeich- nung: Wübbenhorst).

Abb. 11: Rekonstruierter Längsschnitt desselben Hauses (Gümse 1794) mit Flettküche (Zeichnung: Wübbenhorst).

43 Schwibbogenherd stand bei diesen Häusern Etwa um 1830 erfolgte die Einführung eines an der Längswand im Wohnteil. Da nun eine Schornsteins bei Neubauten. In einem Haus in Stube neben dem verkleinerten Küchenraum Gühlitz von 1833 ist die Situation gut ablesbar. existiert, sprechen wir nicht mehr von einer Die Küche ist nun mit einer Zwischendecke Küchenstube, sondern von einer hohen Küche ausgestattet, die die eigentliche Küche von oder Rauchküche (Abb. 12 und 13). der darüber gelegenen Räucherkammer ab- trennt (Abb. 14 und 15). Über der Herdstelle Eine Zeichnung von Johannsen auf Grundlage befindet sich auf einem Balkenrahmen eine einer Vorlage von Kofahl zeigt die Ausbildung Rauchglocke aus Lehm, die sich nach oben der Feuerstelle in einer solchen Rauchküche in hin zu einem Schornstein verjüngt. Durch eine einem Haus in Lensian von 1821 . Es handelt - Öffnung konnte der Rauch in die Räucherkam sich um einen Schwibbogenherd mit einem mer geleitet werden. angeschlossenen Bileggerofen in der Stube. Der Rauch des Ofens gelangte ebenso wie Ein bodenlastiger Schornstein wurde erst der des Küchenherdes in die Küche, wo das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt (Abb. 16 und 17). Als Feuerstelle Rauchfleisch weiterhin unter der Decke hing. Die Situation ist in Abb. 11 und 12 wiederge- und Küchenherd ist nach der Abschaffung der geben.

Abb. 12: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständer- hauses von 1815 in Seerau im Drawehn. Neben der Eckstube lag im Wohnteil eine hohe Rauchküche mit Schwibbogen- herd (Zeichnung: Wübbenhorst).

Abb. 13: Rekonstruierter Längsschnitt desselben Hauses (Seerau im Drawehn 1815) mit hoher Rauchküche (Zeichnung: Wübbenhorst).

44 Rauchglocke eine Kochmaschine anzuneh- zu dieser Zeit modernen Zustand mit Stube und men. hoher Küche um. Erst rund zwei Jahrzehnte danach (1819, d) wurde auch im Bereich der Umbauten im Zusammenhang mit der Feuer- hohen Küche eine Zwischendecke eingebaut. stelle Da dies vor der Einführung von Schonstein und Natürlich wurden auch die älteren Häuser im Rauchglocke geschah, musste das Herdfeuer Laufe der Zeit mit den erwähnten Neuerun- nun in der Diele eingerichtet werden. Dort be- gen wie Schornstein und Stube ausgestattet, - finden sich noch heute zwei Schwibbogen so dass die vorherigen Zustände überformt herde, von denen aus die beiden sekundären wurden und oft nur noch schwer ablesbar sind. Stuben im Wohnteil beheizt werden konnten. So wurde im 1681 errichteten Hundert-Dal- er-Haus in Jameln um 1800 (1798, d) eine In ähnlicher Weise wurden sämtliche Häuser, Stube eingebaut. Da die neue Zwischendecke die ursprünglich eine Küchenstube besaßen, nicht über die ganze Hausbreite reichte, baute modernisiert. Deutlich ablesbar ist das an den Wohngiebeln der älteren Häuser, von denen man offenbar die veraltete Küchenstube in den

Abb. 14: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständer- hauses von 1833 in Gühlitz. Neben der Eckstube lag im Wohnteil eine Küche mit Rauchglocke und Schornstein (Zeichnung: Wübbenhorst).

Abb. 15 Rekonstruierter Längsschnitt desselben Hauses (Gühitz 1833) mit hoher Rauchglocke und Schornstein (Zeichnung: Wübbenhorst).

45 kein einziger im ursprünglichen Zustand mit einigen Fällen, wie im Hundert-Daler-Haus, langen Ständern und ohne Zwischendecke er- sind die Schwibbogenherde der ehemaligen halten geblieben ist. Nicht immer zeigen sich Flettküchen bis heute erhalten geblieben. dabei die verschiedenen Umbauphasen so Dieser Umbauzustand wurde oft fälschlich als bauzeitlicher Zustand interpretiert. deutlich wie in Jameln. Wenn mehr finanzielle Mittel vorhanden waren, erhielten die Häuser oft eine einheitlich gestaltete, komplett neu Aus den Küchen im Wohnteil sind die Schwib- abgezimmerte Rückfront. bogenherde hingegen längst vollständig verschwunden, weil sie dort spätestens im In älteren Häuser wurde nachträglich eine zwanzigsten Jahrhundert moderneren Küche- Stube eingebaut, was in der Regel mit dem neinrichtungen weichen mussten. Auf den Di- Einbau einer Flettküche einherging. Wenn elen waren sie weniger im Weg, weil die moder- zwei Stuben eingebaut wurden, z.B. mit ein- neren Küchen im Wohnteil eingebaut wurden. er kleineren Stube als Altenteiler, dann gab Erhalten geblieben sind in einigen Fällen die Rauchglocken aus der ersten Hälfte des 19. es häufig auch zwei Schwibbögen im Flett. In

Abb. 16: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständerhauses von 1876 in Ranzau.

Der modernere Grundriss enthält zwei Stuben, einen Querflur und eine geräumige Küche mit bodenlastigem Schornstein (Zeichnung: Wübbenhorst).

Abb. 17: Rekonstruierter Längsschnitt desselben Hauses (Ran- zau 1876) mit bodenlastigem Schornstein (Zeichnung: Wübbenhorst).

46 Jahrhunderts. Sie wurden später einfach weit- es zwei Kammern neben der Küchenstube gehend verschlossen und zu einem normalen (Abb. 7), später dann Stube und Küche bzw. Schornstein verengt. zwei Stuben (Abb. 16 und 18). Die große Eck- stube befand sich in der Regel auf der gleichen Auf den Fotos aus dem Königsalbum aus den Seite wie die Hofzufahrt bzw. der Hofplatz. 1860er Jahren erkennt man außerdem, dass zu dieser Zeit auch viele der älteren Zwei- und Etwa ab 1800 wurden die Häuser außerdem Dreiständerhäuser mit Schonsteinen ausges- mit einem Keller ausgestattet (Abb. 12 und 14), tattet waren. Die unterschiedliche Lage der der nach Hennings für „Milchwirtschaft und Schonsteine deutet auf zahlreiche individuelle Wintervorräte“ genutzt wurde . Außerdem gab Umbaulösungen hin. es nun als Schlafgelegenheit neben der Feuer- stelle eine von der Stube aus zugänglicher Bu- Raumaufteilung im Wohnteil tze. Die Küche reichte neben dem Keller bis an Zunächst bestand der Wohnteil aus drei Räu- die Traufwand, so dass im Wohnteil kein Platz men, die von der Diele bzw. vom Flett aus er- mehr für weitere Kammern blieb. schlossen waren. In den ältesten Häusern gab

Abb. 18: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständerhauses von 1840 in Bussau. Neben der Küche befand sich eine Kammer ohne Heizmöglichkeit (Zeichnung: Wübbenhorst).

Abb. 19: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständerhaus- es von 1841 in Schreyahn. Es handelt sich um ein frühes Beispiel für einen Grundriss mit zwei Stuben und quer einge- bauter Küche (Zeichnung: Wüb- benhorst).

47 Im Laufe des 19. Jahrhunderts zeigt sich ein Räume bei einigen Neubauten ebenfalls eine zunehmender Bedarf an Wohnraum in den Ofenheizung und wurden so zu einer zweiten Grundrissen der Häuser. Der Keller wurde nun Stube. In manchen Fällen vergrößerte man die in einer Abseite der Diele eingerichtet und ne- Rauchglocke zu diesem Zweck über die ges- ben der Küche ergab sich Platz für eine weit- amte Breite der Küche, so dass sie auch den ere Kammer oder kleine Stube, die allerdings Rauch des zusätzlichen Ofens auf der anderen - Seite der Küche aufnehmen konnte. Bei an- häufig nicht beheizbar war (Abb. 18). Die Be deutung dieses Raumes ist nicht eindeutig zu deren Häusern verlängerte man den Wohnteil klären. Wahrscheinlich handelt es sich um den und ordnete Küche und zweite Stube hintere- inander an (Abb. 16). Die beiden Stubenöfen Beginn der Trennung von Wohnraum zwischen den verschiedenen Generationen in einem konnten nun nahe beieinander platziert Haushalt. werden, so dass sie direkt an einen Schorn- stein angeschlossen werden konnten. Bereits in den 1840er Jahren erhielten diese

Abb. 20: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständerhauses von 1849 in Mam- moissel. Auch hier gibt es zwei Stuben und eine quer eingebaute Küche. Außer- dem ist ein Querflur vorhanden und der Wohnteil ist insgesamt geräumiger (Zeichnung: Wübbenhorst).

Abb. 21: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständerhauses von 1850 in Satemin. Der insgesamt relativ kleine Wohnteil scheint für zwei gleichberechtigte Parteien ein- gerichtet worden zu sein. (Zeichnung: Wübbenhorst).

48 Etwas später erhielten die Häuser außerdem Teil der oberen Etage nahm der Kornboden ein. Die Wohnteile dieser letzten Hallenhäus- einen Querflur mit seitlichem Eingang (Abb. 16 und 22). Der Kücheneingang befand sich er gleichen den Häusern im Heimatstil, die zur gleichen Zeit errichtet wurden. In einigen Fäl- auf der gegenüberliegenden Traufseite. Im Gegensatz zu den älteren Häusern gab es nun len wurde die normalerweise direkt über der Küche liegende Räucherkammer in einer drit- also keine Tür mehr im Wohngiebel. ten Ebene oberhalb des Kornbodens angeord- Oberhalb der Küche befand sich die net. Räucherkammer, daneben der Kornboden und Lagerraum. Bewohnt wurden die Räume der Raumaufteilung im Wirtschaftsteil oberen Etage lange Zeit nicht. Erschlossen Zum klassischen Grundriss eines Hallenhaus- wurden sie in der Regel durch die Querwand es gehört das Flett mit den beiden Luchten in vom Wirtschaftsteil aus, entweder über eine den Abseiten. Hier wurde der letzte Ständer - vor der Querwand von einem kräftigen Rie- Treppe auf der Diele oder über die Kellerkam mer, also von der Abseite aus. Auch direkt von gel abgefangen, so dass sich der Raum bis zu den Außenwänden verbreiterte. Am Ende der der Küche aus nach oben führenden Treppen sind nachweisbar. Die genaue Bauausführung Diele befand sich andernorts bis zum Ende wurde dem jeweiligen Bedarf angepasst. So des Hallenhausbaus das offene Herdfeuer gibt es eine ganze Reihe von Sonderlösun- und die beiden Luchten wurden zum Wohnen gen, wie z.B. das Hallenhaus für zwei gleich- und Hauswirtschaften genutzt (Esslucht und berechtigte Parteien in Satemin (Abb. 21). Waschlucht).

Am Ende des 19. Jahrhunderts dehnte man Im niederen Drawehn zeigt sich dagegen die den Wohnraum auf zwei Etagen aus. Es gab vergleichsweise geringere Bedeutung des zunächst nach wie vor nur eine gemeinsam Fletts schon in den Häusern aus dem 17. genutzte Küche, aber zwei große Stuben und Jahrhundert an den relativ kleinen Luchten. mehrere weitere Privaträume (Abb. 22). Einen Mindestens eine Lucht ist immer verkürzt

Abb. 22: Rekonstruierter Grundriss eines Vierständerhauses von 1898 in . Der

Wohnteil nimmt etwa die Hälfte der Grundfläche des Hauses ein. Im ersten Stock gibt es einen weiteren Wohnteil, der allerdings um die Fläche von Räucherkammer und Kornboden reduziert ist (Zeichnung: Wübbenhorst).

49 und reicht nicht über zwei, sondern nur über funden werden. Nach Karl Hennings befanden ein oder eineinhalb Fache. Häuser aus dem sich Pferdeställe im 18. Jahrhundert oft noch 18. Jahrhundert haben zwei verkürzte Lucht- im Haus, während die Pferde im 19. Jahrhun- en (Abb. 8 und 10) und um 1800 wurde diese dert in Scheunen und anderen Nebengebäud- Bauweise gänzlich aufgegeben (Abb. 12). Statt en untergebracht wurden . der Flettdielenhäuser wurden nun sogenannte Sackdielenhäuser gebaut. Die Abseiten der Diele beherbergten neben den Stallungen immer auch kleine Kammern. Klar nachweisbar sind in fast allen bislang Während sich in den Zweiständerhäusern ober- untersuchten Häusern Kuhställe oder Ställe halb dieser Räume nur durch die Dachschräge für Jungvieh, wobei die Tiere entweder quer stark beengte, zur Diele offene Lagerräume oder parallel zum First aufgestallt wurden. Im ergaben, wurden die Abseiten in den Vier- ersten Fall erfolgte die Fütterung von der Di- ständerhäusern und auf den hohen Seiten der ele aus (Abb. 14), im zweiten Fall gab es einen Dreiständerhäuser zweigeschossig genutzt. Futtergang in der Abseite, der oft auch über Die Räume oberhalb der Ställe waren zwar eine Außentür verfügte (Abb. 16). Anders als auch hier relativ niedrig, boten aber wegen der die Kuhställe sind eindeutige Pferdeställe in bis zur Balkenlage reichenden Außenwände den Hallenhäusern des Wendlands bislang nur genug Platz nicht nur als Lagerraum, sondern auch für kleine, unbeheizte Schlafkammern vereinzelt nachweisbar. Typische Einbauten, für Mägde und Knechte. Die Vorstellung einer wie Tröge oder Raufen, die man aus anderen Gebieten kennt, konnten hier bislang nicht ge- klaren Trennung in Wohn- und Wirtschaftsteil

Abb. 23: Zum Wohnen umgebaute Wirtschaftsteile von Hallenhäusern in Schreyahn, Jeetzel, Naulitz und Gühlitz (Fotos 1 bis 3: Wübbenhorst; Foto 4: historische Aufnahme aus dem Wendland-Archiv).

50 des Hauses ist insofern irreführend. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Beispiele von Hallenhäusern, bei denen der ge- Im Laufe der Zeit wurde der Wohnraum zuneh- samte Wirtschaftsteil zur Wohnnutzung umge- mend in die Abseiten des Wirtschaftsteils er- baut wurde. Einige qualitätvolle Umbauten, wie weitert. Im 19. Jahrhundert verlegte man den z.B. in Jameln oder Schreyahn (Abb. 23) fügen Keller mit dem darüber gelegenen Kellerboden sich in ihrer Gestaltung sehr gut in das Dorfbild in die der Küche benachbarte Abseite der Di- ein. ele. In der gegenüberliegenden Abseite ne- ben der Stube, wo sich in einigen Fällen auch eine Butze befand, wurde oft eine weitere un- 5.1.2 Querdielenhäuser beheizte Stube eingerichtet (Abb. 20). Dieser Raum wurde bis zum Ende des 19. Jahrhun- Das älteste mir bekannte Querdielenhaus im derts beibehalten, war dann allerdings durch Wendland wurde 1812 in Mammoißel errichtet - den Querflur von der Stube getrennt (Abb. 22). (Abb. 24). Es befindet sich außerhalb des Run dlings auf einer nachgesiedelten Kleinbau- Umbauten im Wohnteil ernstelle an der Zufahrt zum Dorf. Eine einge- Auch unabhängig von der Verlagerung des hende Untersuchung des sehr bescheidenen Herdfeuers (s.o.) kam es zu zahlreichen Um- Hauses steht noch aus. Bei einer Begehung bauten im Wohnteil. Der erhöhte Bedarf an im Jahr 2016 zeigte sich aber, dass hier, ab- Wohnraum, zum Beispiel für eine stärkere gesehen von der veränderten Anordnung und - den geringen Abmessungen, insgesamt das räumliche Trennung zwischen den verschie denen Generationen eines Hofes, war einer gleiche Raumprogramm ausgeführt wurde, der Hauptgründe dafür. Auch bei den Um- wie in den Hallenhäusern dieser Zeit. Neben bauten sind musterhafte Bauweisen erken- der kurzen, quer zum First verlaufenden Diele nbar, mit denen jeweils versucht wurde, die gibt es eine kleine Stube, dahinter befand sich zeittypische, moderne Raumaufteilung in den offenbar eine hohe Küche. Außerdem gab es älteren Häusern zu realisieren. einen kleinen Halbkeller mit darüberliegender Kellerkammer. Bei den vor 1800 errichteten Häusern wurden die Luchten verschlossen, um dort weitere Es ist anzunehmen, dass auch das Raumpro- Wohnräume einzurichten. Häuser aus der er- gramm der späteren Querdielenhäuser jenem sten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielten der Hallenhäuser entsprach und dass die gle- ichen zeitbedingten Ausprägungen und Um- oft nachträglich einen Querflur, wodurch der Wohnteil auf Kosten des Wirtschaftsteils ver- bauten nachweisbar sind. Bislang wurden die größert wurde. Viele Häuser wurden auch mit Querdielenhäuser aber noch nicht in ähnlicher einem kleinen Anbau vor dem Wohngiebel ver- Weise wie die Hallenhäuser untersucht. sehen. In anderen Fällen wurde der Wohnteil nachträglich zweistöckig ausgebaut. Auffällig Die meisten Häuser dieses Typs sind deutlich ist, dass dabei oft die ursprüngliche Grund- jünger als das genannte Haus in Mammoißel. Sie stammen überwiegend aus dem letz- fläche des Hauses nicht oder nur unwesentlich verändert wurde. Erst späte Umbauten aus der ten Drittel des 19. Jahrhunderts und wurden, Zeit um 1900 bis kurz nach dem 1. Weltkrieg, ähnlich wie die letzten Hallenhäuser, bis in die bei denen eine erhebliche Vergrößerung des Jahre vor dem ersten Weltkrieg gebaut. Wohnbereichs erreicht werden sollte, waren - Der Haupteingang liegt in der Regel auf der zum Teil mit umfangreicheren Anbauten ver bunden. Straßen- bzw. Dorfplatzseite im mittleren

51 Abb. 24: Das älteste im Landkreis bekannte Querdielenhaus von 1812 mit sehr bescheidenen Di- mensionen im Vergleich zu einem Querdielenhaus aus dem späten 19. Jahrhundert in Volzendorf (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 25: Querdielenhäuser aus der Zeit um 1900 mit Zwerchgiebeln über dem Eingang in Predöhl und Lübeln.(Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 26: Querdielen-Doppelhaus in Lanze und Heimatstilhaus von 1894 in Diahren (Fotos: Wüb- benhorst).

52 Vor allem bei diesen späten Beispielen gibt es Bereich der Traufe und führt in einen Querflur. Vor allem bei späteren Häusern wird der Ein- - oft keine Torinschrift mehr und kein inschrift gangsbereich oft noch von einem Zwerch- liches Baujahr. Oder das Baujahr findet sich, giebel betont (Abb. 24 und 25). Die gleiche ebenfalls zeittypisch, auf einer kleinen Schrift- Gestaltungsweise ist auch bei späten Hal- tafel oder auf einer Glasscheibe über dem lenhäusern zu sehen oder wurde bei älteren Haupteingang. Häusern als zeitgemäßer Umbau in der Zeit um 1900 hinzugefügt. In einigen Fällen wurden die Einige Querdielenhäuser wurden als Doppel- häuser gebaut, wobei die Wirtschafteile oder Bereiche der Traufen, die zum Wohnteil zählen, insgesamt deutlich repräsentativer ausgeführt die Wohnteile nebeneinanderliegen können als die Wände des Wirtschaftsteils (Abb. 25). In (Abb. 26). Die dieser Bauweise zugrundelieg- ihrer Gestaltung folgen sie den gleichen Vor- enden Besitzverhältnisse sind bislang nicht bildern wie die gleichzeitig erbauten Häuser im erforscht. Heimatstil (siehe folgender Abschnitt).

Abb. 27: Weiterentwicklung des Heimatstils in Seelwig 1904 und Küsten 1906 (Fotos: Wübben- horst).

Abb. 28: Heimatstilbauten mit ausgeprägter Repräsentationswirkung in Dommatzen (1903) und Bösel (1902) (Fotos: Wübbenhorst).

53 5.1.3 Bauernhäuser im Heimatstil meist acht oder neun Fensterachsen geglie- derte zweistöckige Wohnteil (Abb. 26). Am Ende des 19. Jahrhunderts ließen die Bauern im Wendland kaum noch Hallenhäus- Bei Gebäuden dieser Art spricht man auch er bauen. Stattdessen orientierten sie sich an vom Chalet- oder Schweizerhausstil. Zunächst städtisch-bürgerlicher Architektur, wobei der handelt es sich, wie bei den bislang genannten relative Reichtum vieler Bauern dieser Zeit sich Beispielen, um Gebäude mit relativ schlichter vor allem in den Jahren um 1900 in üppigen Kubatur. Vor allem spätere Beispiele wie Dom- Häusern widerspiegelt. Nach 1900 wurden matzen (1903), Seelwig (1904) und Küsten solche „Rübenburgen“ überwiegend in Mas- (1906) stellen mit hinzugefügten Zwerchgie- sivbauweise errichtet . beln, Erkern und ähnlichen Elementen eine Weiterentwicklung dar (Abb. 27 und 28). Ein In vielen Dörfern des niederen Drawehn gibt 1903 in Dommatzen errichtetes Haus erhielt es große Fachwerkbauten im Heimatstil, z.B. in - sogar einen angedeuteten Turm mit zwie Diahren (1894, Abb. 26), Klein Sachau (1894), belförmiger Dachhaube. Ein weiteres sehr mar- Kussebode (1896), Kremlin (1898), Naulitz kantes Beispiel steht in Bösel (Abb. 28). Etwas zurückhaltender wirken dagegen Häuser mit (1898) und Püggen (1905) . Typisch für diese Kniestock und Zwerchgiebel wie in Langen- Bauten sind die Ausrichtung mit der Traufseite horst, Nienbergen oder Weitsche (Abb. 29). zum Dorfplatz, ein relativ flaches Pfettendach mit Schiefereindeckung, sowie der durch

Abb. 29: Heimatstilbauten mit Zwerchhaus und Kniestock in Nienbergen (um 1895) und Langen- horst (1911) (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 30: Kleinere bäuerliche Bauten im Heimatstil in Reddebeitz (1903) und Klein Witzeetze (1909) (Fotos: Wübbenhorst).

54 Natürlich konnten auch in Zeiten des wirtschaft- Häuser stehen in Rebenstorf, Bockleben, Si- lichen Aufschwungs nicht alle Dorfbewohner mander und Tarmitz. große Projekte finanzieren. Beispielsweise in Reddebeitz (1903) oder Klein Witzeetze ent- Ebenfalls dem Historismus zuzuordnen, aber standen auf den Stellen der kleineren Bauern eher an der Neogotik orientiert, ist die Gestal- auch bescheidenere Häuser im Heimatstil tung zweier Häuser in Güstritz (1900) und Vol- (Abb. 30). zendorf (1908). In beiden Fällen wurden unter anderem glasierte Ziegel und zum Ziegelrot 5.1.4 Bauernhäuser im Gründerzeitstil kontrastierende, verputzte Bereiche zur Fas- sadengestaltung eingesetzt. In Volzendorf Noch üppiger als die beschriebenen Fach- waren zudem offenbar genügend finanzielle werkbauten sind einige der in Massivbauweise Mittel vorhanden, um auch neue Wirtschafts- errichteten Rübenburgen, wobei die meisten gebäude im gleichen Stil zu errichten (Abb. 32). dieser Häuser außerhalb des Kerngebietes des niederen Drawehn stehen. Bereits 1895 In der Gestaltung etwas zurückhaltender ließ ein Bauer in Bösel einen Neubau im histor- ausgeführt wurden einige am traditionellen istischen Stil der Gründerzeit errichten, zehn Baukörper orientierte Gebäude wie in Lüthen- Jahre später folgte einer der Nachbarn im gle- tien und Nienbergen (Abb. 33). Stilistisch ge- ichen Dorf diesem Beispiel (Abb. 31). Ähnliche hören sie zu einem Haustyp, der im benachbar-

Abb. 31: Bauernhäuser im Gründerzeitstil in Bösel von 1895 und 1905 (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 32: Bauernhäuser im historistischen Stil in Güstritz (1900) und Volzendorf (1908) (Fotos: Wüb- benhorst).

55 ten Landkreis sehr verbreitet ist, wo in gezielt zur Gestaltung genutzt. In den Nach- den ersten Jahren des zwanzigsten Jahrhun- bardörfern Kussebode und Beesem wurden derts eine sehr große Zahl repräsentativer Gaststätten in diesem Stil gebaut. Weitere Bauernhäuser in Backsteinbauweise entstand. Beispiele findet man in Bergen/Dumme und Oldendorf.

5.1.5 Bauernhäuser aus Kalksandstein Stärker durchgesetzt hat sich der neue Baus-

toff in den nachfolgenden Jahrzehnten bei Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam Kalk- Wirtschaftsgebäuden. Scheunen und Ställe sandstein als neuer Baustoff auf. Noch voraus Kalksandstein findet man im gesamten niederen Drawehn. der Eröffnung eines Kalksandsteinwerks in Gistenbeck errichtete man in diesem Dorf mehrere markante Häuser aus Kalksandstein 5.1.6 Häuser im späten Heimatstil (Abb. 34). Die gegenüber dem Ziegelstein geringere Stabilität der Steine kalkulierte man Eine weitere Gruppe von Häusern entstand in dabei bereits beim Bau mit ein, indem für die den 1920er und 1930er Jahren. In dieser Zeit wurde der Heimatstil anders interpretiert. Die Fenster- und Türlaibungen und andere stärker beanspruchte Mauerkanten Ziegel verwendet Gebäude sind weniger reich verziert, beziehen wurden. Der farbliche Kontrast wurde dabei sich aber durch die Verwendung von Fachwerk

Abb. 33: Bauernhäuser aus Backstein in Lüthentien (ohne Jahresangabe) und Nienbergen (1901) (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 34: Bauernhaus aus Kalksandstein mit Ziersetzungen aus Ziegelstein („Rot-weiß-Architektur“) in Gistenbeck und ehemalige Gastwirtschaft im gleichen Stil in Beesem (Fotos: Wübbenhorst).

56 - und Feldsteinen als Baustoffe auf die Bautra 5.1.7 Bauernhäuser im Kaffeemühlenstil dition. In den 1930er bis 1950er Jahren wurden auf Zu dieser Gruppe gehören wiederum eini- den Höfen im Wendland eine Reihe von zwei- ge besonders repräsentative Bauten wie die geschossigen Wohnhäusern mit annähernd Gastwirtschaft in Bussau oder die villenartigen quadratischem Grundriss und Vollwalmdach Beispiele aus Gistenbeck, Mützen und Nien- gebaut. Wie bei den zuvor beschriebenen bergen. Hier wurde das Erdgeschoss jeweils Hausformen orientierte man sich an überre- massiv und die darüberliegenden Geschosse gional zeittypischen, städtischen Vorbildern. in Fachwerkbauweise ausgeführt (Abb. 35). Typisch für diese Gebäude ist auch ein mittiger Anbau an der Sichtseite, häufig in Kombination Eine weitere Gruppe bilden bescheidenere ein- mit dem Eingangsbereich und einem kleinen geschossige Häuser, die lediglich einen Zwer- Balkon. chgiebel in Fachwerkbauweise erhielten, wie in Predöhlsau oder Klein Gaddau. Andere Wohn- Besonders die älteren Beispiele weisen oft ge- häuser wurden mit einem erhöhten Kniestock lungene Proportionen und eine aufwändigere in Fachwerk ausgestattet, wie zum Beispiel in Gestaltung, z.B. in Form von Ziersteinsetzun- Jeetzel, Püggen, Klein Heide und Ganse (Abb. gen, auf (Abb. 37). 36).

Abb. 35: Mischbauweise mit massivem Erdgeschoss und Aufstockung in Fachwerk in Bussau und Gistenbeck (Baujahre nicht bekannt) (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 36: Beispiele für späten Heimatstil in Klein Gaddau und Püggen (Fotos: Wübbenhorst).

57 - Spätere, zum Teil erheblich größere Vertreter Haus in kann als Kaffeemühlen weichen mit ihrem breiteren, rechteckigen haus im späten Heimatstil beschrieben werden, weil das obere Geschoss in Fachwerk Grundriss stärker vom Kaffeemühlentyp ab. Die vorgebauten Eingangsbereiche und Bal- ausgeführt wurde, das Haus in seiner Kubatur kone sind nicht mehr mittig angeordnet und - aber dem Kaffeemühlentyp entspricht. Ähnli die Häuser zeigen insgesamt oft weniger ge- ches gilt für ein Haus von 1936 in Platenlaase, lungene Proportionen und im Detail eine un- das sogar vollständig in Fachwerkbauweise aufwändigere Gestaltung (Abb. 38). errichtet wurde.

5.1.8 Mischformen und Sonderfälle In einigen Fällen wurden auch noch in den 1930er Jahren Häuser vom Hallenhaustyp Der hier unternommene Versuch, die Vielfalt gebaut. Dies geschah zum Beispiel in Warpke, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wo kurz vor dem zweiten Weltkrieg Bauern aus Heidedörfern zwangsumgesiedelt wurden, na- errichteten Bauernhäuser bestimmten Typen zuzuweisen, erhebt keinen Anspruch auf Voll- chdem ihre Höfe einem Truppenübungsplatz ständigkeit. Da mehrere Stilrichtungen gleich- zugewiesen geworden waren. Planmäßig zeitig prägend waren, existieren auch zahlre- wurden Massivgebäude mit Dielentor und St- iche Mischformen. So wurden auch Häuser im allungen erstellt. Ein Bauer aus Langenhorst Heimatstil mit Kalksandstein ausgemauert. Ein baute noch 1938 ein Hallenhaus. Wie bei an-

- Abb. 37: Klassischer Kaffeemühlenstil in Tolstefanz (1933) und Gühlitz (1936) (Fotos: Wübben horst).

- Abb. 38: Später Kaffeemühlenstil in Thune (1949 bis 54) und Dickfeitzen (ohne Jahresangabe) (Fo tos: Wübbenhorst).

58 deren Häusern dieser Zeit wurden die Außen- Einlagerung der Getreideernte besaßen, ge- wände im Erdgeschoss massiv und darüber hörten Scheunen vermutlich schon seit vielen in Fachwerk ausgeführt. In Anlehnung an die hundert Jahren zur Grundausstattung jedes Hofes. Die Hauptaufgabe einer Scheune war Tradition des 19. Jahrhunderts besteht der Wirtschaftsgiebel ganz aus Fachwerk. dabei immer die Erntelagerung, die im Unter- schied zum Hallenhaus normalerweise boden- 5.2 Landwirtschaftliche Wirtschafts- lastig erfolgte im sogenannten Bansenraum, gebäude der vom Boden bis unter das Dach reichte. Außerdem besitzen Scheunen normalerweise Für das Dorfbild, wie es vom Rundlingsplatz eine Durchfahrt, um mit den vollen Erntewa- aus zu sehen ist, sind die Wohn- bzw. Wohn- gen problemlos hinein- und nach dem Entlad- wirtschaftsgebäude besonders bedeutsam, en wieder herausfahren zu können. Die Tenne, weil sie in der Regel vorne auf den zum Dorf- der befestigte Boden der Durchfahrt, wurde platz hin immer schmaler werdenden Grund- außerhalb der Erntezeit zum Abstellen der Wa- stücken stehen. Noch weit mehr alte Bausub- gen genutzt. stanz findet man auf den Höfen dahinter. Diese Gebäude sind historisch nicht weniger be- Die älteste bekannte Scheune im betrachteten Gebiet steht in Weitsche und konnte dendro- deutsam als die Wohnhäuser, finden aber in der Regel deutlich weniger Beachtung und auch in chronologisch auf das Jahr 1616 (d) datiert dieser Abhandlung werden sie nicht mit der werden (Abb. 39). Es handelt sich um eine gleichen Ausführlichkeit beschrieben. Da die klassische Querscheune mit Mitteltenne und alten Wirtschaftsgebäude aufgrund einer fe- Bansenräumen auf beiden Seiten. Insgesamt hlenden aktuellen Nutzung noch stärker dem sind Querscheunen aus der Zeit vor 1850 im Verfall ausgesetzt sind als die Wohngebäude, niederen Drawehn selten. Da auf den Verkop- wäre eine eingehendere Erforschung dringend pelungskarten aus der ersten Hälfte des 19. erforderlich. Jahrhunderts aber oft Querscheunen einge- zeichnet sind, ist davon auszugehen, dass Im Folgenden wird ein Überblick über typische diese Bauweise zuvor die übliche war. Wirtschaftsgebäude des niederen Drawehn gegeben. Viele dieser Bauten dienten von An- Aus dem 18. und vor allem aus dem 19. fang an nicht nur einem einzigen Zweck, son- Jahrhundert sind zahlreiche Längsscheunen dern wurden z.B. als Stall, Remise und Scheune erhalten geblieben (Abb. 39). Dabei sind gr- genutzt. Dennoch lassen sich die meisten undsätzlich zweischiffige (Durchfahrtstenne von Ihnen anhand der Hauptnutzung bestim- und einseitiger Bansenraum) Konstruktionen - mten Typen zuweisen. Auch das Hallenhaus und dreischiffige Konstruktionen (Mittel war ja als Vielzweckgebäude konzipiert, zum tenne und beidseitiger Bansenraum) zu unter- Wohnen, als Stall und als Erntelager. Um genü- scheiden. Es gibt wenige Dreiständerscheunen gend Lagermöglichkeiten zu haben und um und zahlreiche Vierständerscheunen. Letztere alle Wirtschaftsbereiche auf dem Hof abdeck- ähneln auf den ersten Blick stark den Hallen- en zu können, wurden aber immer noch einige häusern aus dem 19. Jahrhundert (Abb. 40). weitere Gebäude benötigt. Erhaltene Zweiständerscheunen sind im nied- eren Drawehn nicht bekannt. 5.2.1 Scheunen Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind die Obwohl die Hallenhäuser im Dachraum ober- - zweischiffigen Längsscheunen meistens deut halb der Balkenlage einen großen Raum zur lich kleiner (Abb. 41). Sie wurden etwa bis zum

59 Abb. 39: Kleine Querscheune von 1616 (d) in Weitsche und Dreiständerscheune in Meuchefitz (ohne Jahresangabe) (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 40: Vierständerscheunen in Klein Sachau (1849) und Teplingen (1820). Auf dem linken Bild erkennt man links neben dem Dielentor die Eingangstür und daneben die Kutschenremise. Sie wurde hier nachträglich mit Toren verschlossen (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 41: Zweischiffige Längsscheunen in Ganse (1852) und Beutow (1875) (Fotos: Wübbenhorst).

60 Ende des 19. Jahrhunderts gebaut. Fast alle legt, nicht selten mit zwei nebeneinanderlieg- Längsscheunen verfügen auf der dem Dorf- enden Einfahrtstoren. Viele dieser Scheunen platz zugewandten Seite über eine Inschrift im erhielten keine Inschrift mehr, so dass das gleichen Stil wie die Hallenhäuser. genaue Baujahr oft nicht bekannt ist (Abb. 42).

Typisch für die Drei- und Vierständerscheunen Torscheunen an der Hofzufahrt kommen im niederen Drawehn nicht vor, es gibt sie aber und zweischiffige Scheunen ist die (offene) Kutschenremise im vorderen Giebel neben ganz im Südwesten, z.B. in Quartzau, Nienber- dem großen Einfahrtstor. Außerdem befand gen, Göhr, Belau und Malsleben sowie im Nor- - dosten, z.B. in Langendorf und Laase. sich neben dem Tor normalerweise eine Ein gangstür, durch die man die Scheune betreten 5.2.2 Stallgebäude konnte. Die Tore ließen sich in der Regel nicht von außen öffnen, da sie, wie die Groot Dör am Hallenhaus, von innen verriegelt waren. Alte Schweineställe sind auf vielen Höfen erh- alten geblieben. In den meisten Fällen handelt Ab etwa 1880 wurden die großvolumigeren es sich um Backsteingebäude aus dem späten Scheunen wieder als Querscheunen ange- 19. Jahrhundert (Abb. 43), sehr viel seltener

Abb. 42: Querscheunen aus dem späten 19. Jahrhundert in Gistenbeck (mit ehemaligem Stall- bereich auf der linken Seite) und Groß Sachau (mit ehemaligem Stallbereich rechts) (Fotos: Wüb- benhorst).

Abb. 43: Schweineställe aus dem späten 19. Jahrhundert in Priesseck und Mammoissel. Links neben dem Stall in Mammoissel schließt sich ein Backhaus an.

61 - könnte (Abb. 44). findet man noch Schweineställe, die vollstän dig oder zumindest teilweise in Fachwerkbau- Sehr viel seltener als Schweineställe sind Stall- weise errichtet wurden . Eine weitere häufige Form bilden Ställe in Mischbauweise, die im gebäude für andere Nutztiere. Solche Bauten unteren Bereich massiv gemauert wurden und sind bislang aber auch kaum untersucht und im oberen Bereich aus Fachwerk bestehen. beschrieben worden. Auf einem Hof in Dolgow Alle diese Ställe haben eine Größe, die es er- - steht beispielsweise noch ein Teil eines Pfer laubt, weit mehr Schweine darin zu halten, als destalls von 1816 (Abb. 44), der in den 1970er für den Eigenbedarf nötig wären. Die Ställe Jahren von Johannsen noch vollständig doku- entstanden also durchgehend in einer Zeit, als mentiert worden war . Außerdem beschreibt er ein (heute noch vorhandenes) kleines Anker- Schweinefleisch bereits in größerem Umfang vermarktet und in Ballungsräume geliefert balkengebäude in Bussau als kombinierten wurde. Noch ältere, kleine Schweineställe nur Schweine- und Pferdestall. Die gleiche Nutzu- für den Eigenbedarf sind im niederen Drawehn ng ist auch für ein 1815 in Lensian errichtetes bislang nicht bekannt. Lediglich bei einem Ankerbalkengebäude anzunehmen. kleinen Nebengebäude in Mammoißel besteht die Vermutung, dass es sich um die Überreste Eigene Stallgebäude für Kühe und Rinder, wie eines solchen kleinen Schweinestalls handeln sie nach dem Ende des Hallenhausbaus zu er-

Abb. 44: Kleines Wirtschaftsgebäude in Mammoissel, bei dem es sich um einen ehemaligen Sch- weinestall handeln könnte. Rechts: Rest eines ehemaligen Pferdestalls (1816) in Dolgow. Das Geb- äude war ursprünglich etwa doppelt so lang (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 45: Zwei besonders repräsentative Backhäuseraus dem 19. Jahrhundert, jeweils mit benach- bartem Schweinestall, in Göttien und Klein Gaddau (Fotos: Wübbenhorst).

62 warten wären, wurden bislang nicht beschrie- schossiger Speicher in Plate (die sogenannte Lateinschule), der Speicher von 1708 (i) an der ben. In der Regel wurden die Tiere wohl in den verbreiterten Abseiten der alten Hallenhäuser Mühle in Jiggel sowie ein Treppenspeicher in Groß Heide , der kürzlich dendrochronologisch oder in Teilen der Scheunen untergebracht. Größere Querscheunen dieser Zeit weisen oft auf 1622 (d) datiert werden konnte. Keins der genannten Gebäude stand oder steht im nied- Bereiche auf, die offenbar schon bauzeitlich als Stall eingerichtet wurden. eren Drawehn. Zumindest für das 19. Jahrhun- dert kann davon ausgegangen werden, dass 5.2.3 Backhäuser das Getreide in den Wohnhäusern oberhalb der Stube auf den Kornböden gelagert wurde, Auch bei den Backhäusern sind überwieg- - wodurch spezielle Speichergebäude überflüs end Exemplare aus der zweiten Hälfte des 19. sig waren . Jahrhunderts erhalten geblieben. Sie sind oft im gleichen Stil in Verlängerung an die Sch- Im niederen Drawehn sind keine Hopfens- weineställe angebaut, entweder in Massiv- peicher bekannt. Der weiter im Nordwesten bauweise aus roten Ziegeln, mit massivem verbreitete Hopfenanbau scheint im Untersu- Untergeschoss oder auch ganz in Fachwerk chungsgebiet im 19. Jahrhundert kaum eine (Abb. 45). Neben einem Ofen befand sich da- Rolle gespielt zu haben. Auch Hinweise auf rin vermutlich immer auch ein größerer Kessel Hopfenlagerung im Hallenhaus fehlen, wie man sie heute noch beispielsweise in Schaaf- zum Kochen der Kartoffeln für die Schweine. Außerdem gab es oft einen Keller mit Keller- hausen und Tramm findet. boden und kleine Wohnräume für Bedienstete. Ein relativ frühes Gebäude dieser Art aus dem 5.2.5 Baakstaven Jahr 1861 steht in Reetze. Diese kleinen, mit einer Feuerstelle ausgestat- Ältere Backhäuser, die nur zu diesem Zweck teten Gebäude zum Trocknen des gerotteten errichtet wurden, sind kaum erhalten. Jo- Flachses waren im 19. Jahrhundert sicher sehr hannsen dokumentierte zwei Backhäuser in weit verbreitet und typisch für den niederen Köhlen von 1827 und in Jabel von 1817 . Karl Drawehn. Mit dem Ende der vorindustriellen Hennings beschreibt, dass Backöfen bereits Flachsverarbeitung auf den Höfen wurden sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend jedoch nutzlos und verschwanden größten- in massiven Gebäuden untergebracht wurden teils. Johannsen dokumentierte in den 1970er und dass die frei im Garten hinter dem Haus Jahren noch Baakstaven mit Ankerbalkenge- stehenden runden Feldöfen verschwanden . füge in Schreyahn und Jabel sowie solche mit Dachbalkengefüge in Jabel und Lübeln . 5.2.4 Speicher 5.2.6 Multifunktionsgebäude Reine Speichergebäude kommen im be- trachteten Gebiet kaum vor. Ein 1960 in Wie bereits erwähnt, wurden häufig mehrere Gümse abgebrochenes, eingeschossiges Funktionen in einem Gebäude untergebracht. Speichergebäude mit Ankerbalkengefüge Ein typisches Beispiel dafür ist ein langge- wurde von Eitzen dokumentiert und auf das strecktes Ankerbalkengebäude in Schreyahn 17. Jahrhundert geschätzt. Ein ähnlich kon- aus dem späten 19. Jahrhundert, dass nebe- struiertes, aber deutlich kürzeres Gebäude neinander Remise, Pferdestall, Schweinestall nahm Eitzen in Klein auf. Bekannt sind und Backhaus beherbergte (Abb. 46). außerdem ein vermutlich ähnlich alter zweige-

63 5.3 Hoftore und hofbegrenzende Mauern spitz zu. Den oberen Abschluss bildete nor- und Zäune malerweise ein Deckbrett. Als Aufhängung dienten kräftige Holzpfosten. Seltener gab es Neben den Haupthäusern und Wirtschafts- neben den blickdichten Toren auch Tore aus gebäuden gibt es noch eine dritte Gruppe von schmalen, senkrechten Latten. Bauwerken, die für das Dorfbild typisch und bedeutungsvoll sind. Wie zahlreiche Fotos 5.3.2 Hofbegrenzende Mauern und Zäune belegen, verfügten die Höfe im 19. und auch im frühen 20. Jahrhundert fast immer über Bei vielen Höfen besteht die Grenze zum Dorf- typische Hoftore. Außerdem gab es verschie- platz lediglich aus der Giebelwand des Hal- dene Arten von Einfriedungen zwischen Hof lenhauses und dem Hoftor daneben. Aber und Dorfplatz. nicht alle Hofgrundstücke haben die gleiche, tortenstückartige Form. Manchmal ergeben 5.3.1 Hoftore sich auch längere Grenzlinien, zum Beispiel im Bereich des Dorfeingangs, wenn die Häuser - weiter hinten auf den Höfen platziert wurden Die Zufahrt zu den Höfen befindet sich nor malerweise direkt neben dem Schmuckgieb- oder wenn der Dorfplatz nicht durchgehend el des Haupthauses. An dieser Stelle befan- einem idealtypischen Rundling entspricht. In den sich Holztore, die relativ einheitlich und diesen Fällen waren auch in den Rundlingen gestaltet waren und zum typischen Bild der Einfriedungen erforderlich. Rundlingsplätze gehören. Sie waren etwa 1,8 Meter hoch und bestanden aus einem breit- Im 19. Jahrhundert verwendete man normale- rweise Fachwerkwände, die etwas mehr als en, doppelflügeligen Tor und einer schmalen 1,5 Meter hoch waren und im Grunde genau- Tür zwischen dem Tor und der Traufwand des so hergestellt wurden, wie die Fachwerkwände Hauses. Die Flügel der Tore und Türen wurden wie die anderen Brettertüren und die Flügel der der Gebäude. Zwischen kräftigen Holzpfosten Groot Dör konstruiert. Charakteristisch ist die wurden Riegel eingezapft und die Zwischen- - dachartige Form: die Oberseite der Torflügel räume wurden ausgefacht. Wie bei den Trauf wurde von außen nach innen ansteigend ge- wänden der Häuser verwendete man zu- stalten mit einem Winkel von etwa 20°. Auch nächst Lehmwickel und ging dann dazu über, die Gefache mit Ziegelsteinen auszumauern. die Türen liefen zur Mitte hin in gleicher Weise

Abb. 46: Langgesteckte Multifunktionsgebäude in Schreyahn und Guhreitzen. In dem Gebäude in Schreyahn befanden sich auf rund 35 Metern Länge nebeneinander Remise, Pferdestall, Schwein- estall und Backhaus (Fotos: Wübbenhorst).

64 Zur Stabilisierung wurden die Pfosten oft mit schrägen Streben beidseitig abgestützt. Den oberen Abschluss bildeten entweder dachför- mig befestigte Bretter mit geringer Neigung oder ein bis zwei Reihen von Dachziegeln auf einer hölzernen Unterkonstruktion. Manchmal bildeten die Wände auch die Auflage für ein kurzes Schleppdach, dass auf der Hofseite eine niedrige Unterstellmöglichkeit bot.

Seltener kamen Lattenzäune, blickdicht ver- bretterte Wände oder auch massive Wände vor.

65 6. BAUAUSFÜHRUNG UND BAUMATERIAL

6.1 Zierformen an den Gebäuden Hallenhaus in Langenhorst von 1581 (i, Abb. 47), dessen Gestaltung bereits der Ausführung Vor allem die zum Dorfplatz ausgerichteten der folgenden Jahrzehnte entspricht. Die Erd- Giebel der Hallenhäuser wurden lange Zeit sehr geschosse wurden in dieser Zeit zumeist zwei- aufwändig gestaltet und verziert. Die verwen- fach ausgeriegelt, die Hauptständer in der Re- - gel mit Kopfbändern und kurzen oder längeren deten Schmuckformen betreffen das Fach werk selbst, die geschnitzten und aufgemalten Fußstreben (sogenannten Spannbeinen) aus- Inschriften und Ornamente sowie zusätzlich gesteift. Die Steilgiebel weisen einen durchge- angebrachte Elemente wie die Giebelpfähle henden Mittelstiel auf. Bei den älteren Häusern am First. Zierformen treten aber auch an an- wurden die benachbarten Stiele des Giebel- deren Wohngebäuden und an Nutzbauten auf. dreiecks nicht bis zu den Sparren geführt, son- dern sie enden oben in einem Riegel. Die un- 6.1.1 Fachwerkkonstruktion als Zierwerk teren Enden der insgesamt fünf Stiele weisen Fußbänder auf, so dass über dem Hauptbalken Die Schmuckformen des Fachwerks sind un- im Giebel eine Fußbandreihe entsteht. abhängig von der Konstruktion. Sie kommen bei den unterschiedlichen Hallenhaustypen In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gleichermaßen vor und werden nicht durch die wurden zunehmend mehr Hölzer als Ver- Statik bestimmt. Entscheidend war vielmehr zierung verbaut. Das Erscheinungsbild der das jeweilige Verständnis zeitgemäßen Giebel ist geprägt von Fuß- und Kopfbandrei- repräsentativen Bauens. Anhand der vor- - hen (Abb. 47). Weitere typische Beispiele fin herrschenden Gestaltungsmoden lassen sich den sich heute z.B. noch in Trebel (1697, i) und deutlich mehrere Phasen unterscheiden. Pannecke (um 1680).

Aus der Zeit vor 1650 sind im ländlichen Bauen Etwa ab 1730 wurden Kopf- und Fußbänder des Hannoverschen Wendlands nur noch übereinander angeordnet, so dass ein Ra- wenige, recht unterschiedliche Gebäude vor- utenfachwerk entstand, dass oft das gesamte handen. Das älteste nachweisbare Beispiel Giebeldreieck ausfüllt. In einigen Fällen wurde eines bauzeitlichen Giebels stammt von einem das Rautenfachwerk auf das Erdgeschoß

Abb. 47: Zweiständerhäuser aus Langenhorst, laut Inschrift errichtet 1581 (1938 abgerissen) und 100-Daler-Haus in Jameln von 1681 (i) Rekonstruktionszeichnungen: Wübbenhorst).

66 ausgedehnt, um eine maximale repräsen- auch auf diese fast durchgehend verzichtete. tative Wirkung zu erzielen (Abb. 48). Die im Ein Vierständerhaus in Mammoißel von 1801 Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmend geb- (Abb. 49) stellt mit seiner Größe und dem en- auten Vierständerhäuser boten mehr Fläche gmaschigen Fachwerk ein frühes Beispiel der bis zum Erlöschen des traditionellen Bauens zur Verzierung und es entstanden zum Teil vorherrschenden Gestaltung dar. Bis heute große Rautenflächen wie z.B. bei einem Haus sind viele Rundlingsdörfer geprägt von der in Meuchefitz von 1780. Wenig später, in den 1780er Jahren, wurde das Rautenfachwerk Wirkung dieser großen holzreichen Giebel mit wieder aufgegeben, so dass die Giebel wieder nicht selten mehr als 20 Stielen im Giebel- stark denen der rund 70 Jahre älteren Häuser dreieck und entsprechend kleinen, zumeist ähneln. annähernd quadratischen Gefachen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Anzahl Drei Häuser in Loge von 1782 (Abb. 49) sind der Stiele wieder geringer und die Gefache die frühesten Vertreter der nun folgenden entsprechend größer. Fachwerkgestaltung. Jegliche Anordnung von Schrägelementen im Giebeldreieck wurde In diesen Jahren entstanden auch einige un- aufgegeben. Zunächst verwendete man noch gewöhnliche Wirtschaftsgiebel mit erhöhten Kopfbänder und Fußbänder zur Aussteifung Traufen. Bei Häusern, die im Wohnteil auch an des Erdgeschosses, ehe man etwa ab 1800 den Traufseiten zweigeschossig sind, setzt

Abb. 48: Dreiständerhaus in Dünsche von 1734 (i) und Zweiständerhaus in Salderatzen von 1788 (i) (Rekonstruktionszeichnungen: Wübbenhorst).

Abb. 49: Vierständerhäuser in Loge (1782, i) und Mammoissel (1801, i) (Rekonstruktionszeichnun- gen: Wübbenhorst).

67 6.1.3 Inschriften sich dann die hohe Traufe in einer Linie bis zum Wirtschaftsgiebel fort. Zum Teil erfolgte diese Erhöhung nachträglich (Abb. 50). Bereits die ältesten Schaugiebel oder Giebel- fragmente wendländischer Bauernhäuser sind 6.1.2 Verzierung des Fachwerks bauzeitlich mit Inschriften versehen worden.

Auf den ältesten Torbalken des Wendlands In den Jahren um 1900 wurden die Fach- in Siemen (1576) und Langenhorst (1581, werkhölzer an der Schauseite der Häuser häu- vgl. Abb. 47) treten bereits alle Elemente auf, die auch in den späteren Jahrhunderten fig mit einer beidseitigen Fase versehen, die jeweils wenige Zentimeter vor der Verbind- an den Hausgiebeln zu finden sind: Vor- und ung zum nächsten Holz endet (Abb. 51). Bei Nachnamen des Bauherrn und seiner Frau, Da- diesen Häusern wurde dann die Ausmauerung tum und Tag sowie ein Vers mit christlichem der Gefache ein wenig nach hinten versetzt. Inhalt. Zu dieser Zeit waren Inschriften allerd- Die Fassaden erhalten auf diese Weise etwas ings noch nicht durchgehend üblich. Die meis- mehr Struktur. ten erhaltenen Häuser aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts tragen keine Inschriften

Abb. 50: Vierständerhäuser mit erhöhter Traufe: In Gistenbeck (um 1900) wurde das Haus (unter Verwendung von Teilen des Vorgängerbaus) in dieser Weise errichtet, in Luckau (1857, i) erfolgte um 1900 ein Umbau (Fotos: Wübbenhorst).

Abb. 51: Mit Fase verzierte Fachwerkhölzer und zurückgesetzte Ausmauerung mit halben Steinen an der Schauseite eines Hauses von 1905 in Püggen.

68 (oder sie wurden lediglich nachträglich auf- Zunächst wurden die Inschriften in kantiger gemalt). Ab etwa 1670 sind Inschriften dann Antiqua verfasst, die bei einigen älteren Häus- fast durchgehend vorhanden. Wie auch beim ern, vor allem im Bereich der Elbmarsch, in das Zierfachwerk nimmt deren Ausprägung in den Holz eingeritzt wurde. Später wurden die Buch- folgenden Jahrhunderten zu. Wurde bei den - staben fast immer flach erhaben herausgear beitet. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- ältesten Beispielen lediglich der Torbalken mit derts ging man über zu einer schnörkeligen Schrift versehen, findet man diese später auch auf den Giebelbalken (Hauptbalken), sowie Frakturschrift. Eine besondere Reliefwirkung nach deren Einführung auf den Giebelkehl- wurde durch ein häufig vorhandenes, flach eingetieftes Schriftband (Kartusche) erzielt. balken, den Firstdreiecken und zum Teil auch auf den Riegeln über den Stalltüren. Im späten 19. Jahrhundert wurde diese Kar-

tusche zum Teil wieder weggelassen. Beispiele Mit dem Ende des Hallenhausbaus um die aus dem 18. Jahrhundert zeigen oft eine Wende zum 20. Jahrhundert endet die In- gedrungenere Schrift, zum Teil auch schwer schriftentradition oder reduziert sich in Er- lesbare und ungelenke Buchstaben. Später mangelung großer Fachwerkbalken auf in das wurde die Schrift hingegen meistens sehr gle- Mauerwerk eingelassene oder vorgehängte ichmäßig ausgeführt und ähnelt gedruckten Lettern (Abb. 52). Tafeln und Scheiben über dem Haupteingang. Nachdem sie vor dem ersten Weltkrieg fast vollständig aus der Mode gekommen waren, Neben dem Baujahr wird auf dem Torbalken ist das erneute Auftreten von Inschriften da- oder auf den Torkopfbändern fast immer das - Datum des Richtfestes genannt. Bei Häusern, nach als Traditionspflege im Zuge der Heimat die im Zuge eines Wiederaufbaus nach Dorf- bewegung anzusehen. Statt religiöser Texte wurden nun überwiegend völkische Inhalte bränden entstanden sind, kann dieses Datum ausgewählt. durchaus auch im Winterhalbjahr liegen. Kon-

Abb. 52: Inschriften aus verschiedenen Jahrhunderten. Die fünf Beispiele auf der linken Seite, die dem Antiqua-Schrifttyp zuzuordnen sind. Die erste, dritte und vierte Inschrift wurden in das Holz eingeritzt, die anderen wurden flach erhaben aus dem Holz herausgearbeitet.

Abb. 53: Einfache Ornamente im Bereich der Groot Dör, wie sie vor allem an Gebäuden bis zum 18.

Jahrhundert zu finden sind.

69 nte die Bauzeit frei gewählt werden, entschied zu unterschiedlichen Zeiten. Sicher ist das bei man sich in den meisten Fällen für das Frühjahr. vielen Häusern auch der Grund für das Fehlen solcher Ornamente. Zur Inschrift gehören im Wendland neben Da- tum und Namen immer auch ein oder mehrere Vor allem bei älteren Häusern treten auch ein- Sprüche, vor allem auf den Haupt- und Kehl- fachere Ornamente auf. Der Sechsstern ist balken. Sie sind fast immer christlichen Inhalts überregional eine häufige Figur in der Baukunst, und wurden im 19. Jahrhundert in der Regel die leicht mit Hilfe eines Zirkels hergestellt aus Gesangbüchern (z.B. „Bis hierher hat mich werden kann (Abb. 53). Im Wendland taucht sie

Gott gebracht durch seine große Güte …“) erstmals 1581 in Langenhorst am Torbalken oder direkt aus der Bibel übernommen (z.B. auf, wo der Stern, wie auch bei den späteren „Wo Gott nicht selber baut das Haus, da richtet Beispielen, aus dem Holz herausgearbeitet keine Müh was aus …“). wurde. Man findet den Sechsstern vor allem an Häusern aus dem 18. Jahrhundert, z.B. in 6.1.4 Ornamente Breese im Bruche (1750) oder Prießeck (1781). Zum vermutlich letzten Mal erscheint der Stern - an einem Haus von 1877 in Beseland. Ornamente auf dem Torbalken, den Kopfbän - dern, sowie links und rechts auf den Torstän dern gibt es im Wendland vor allem an den Wann genau man begonnen hat, den Bereich Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert. Auf den der Groot Dör mit Blumenornamenten zu ver- - - Torständern wurden die Blumenmotive nor zieren, ist unklar. Die Hochphase dieser Tradi malerweise lediglich aufgemalt. Wurden sie tion dürfte jedenfalls im 19. Jahrhundert gele- nicht rechtzeitig erneuert, konnte bei der gen haben. An älteren Häusern wurden sie zum Restaurierung das Original nicht mehr erkannt Teil später hinzugefügt. oder nur noch vermutet werden. Somit ist die heutige Vielfalt in Form und Farbgebung auch Die Blumendarstellungen variieren in hohem ein Ergebnis unterschiedlicher Restaurationen Maße, aber es gibt typische Grundmuster. Oft

Abb. 54: Blumenornamente auf den Torstielen an Häusern aus dem 19. Jahrhundert.

Abb. 55: Blumenornamente in der Mitte des Torsturzes.

70 handelt es sich um Darstellungen der Feuerlilie z.B. in Pannecke (1824 und 1879) und Schaaf- Lilium bulbiferum. Deren Blüten ähneln in ihrer hausen (1824).

Knospe und im ersten Stadium des Öffnens Neben den Blumenornamenten auf den denen der Tulpen, weshalb sie oft als solche fehlgedeutet wurden. Viele Motive zeigen die Torständern gibt es manchmal weitere an den Blüten sowohl von der Seite als auch von oben. Kopfbändern und in der Regel noch ein Blu- Dass für diese Blüten manchmal verschiedene menmotiv über dem Tor an der Aufnahme für Farben verwendet wurden, dürfte in vielen Fäl- den Stießel oder Dössel. Die aufgrund des len eine Folge späterer Interpretationen bei begrenzten Platzes dort zumeist kurzstieligen Erneuerung des Farbanstrichs sein. Die zu- - Blumen befinden sich in reich verzierten Töp - fen oder Schalen und sind oft nicht nur auf- meist nur aufgemalten Lilien auf den Torstän dern enden nach unten hin in der Regel in ein- gemalt, sondern geschnitzt. In einigen Fällen er Vase (Abb. 54). Im 19. Jahrhundert waren handelt es sich ebenfalls um stilisierte Lilien - (Abb. 55). die Torständer im Bereich der Lilien weiß ge strichen. Zu sehen ist das beispielsweise auf den Bildern des Königsalbums. In den meisten Einige der Ornamente treten regional gehäuft Fällen hat der weiße Hintergrund die Zeit nicht auf und wurden von den Zimmerleuten ver- mutlich als eine Art Markenzeichen verwen- überdauert. Heute findet man noch Beispiele

Abb. 56: Ornamente am Dielentor, die vermutlich bestimmten Zimmerbetrieben des 19. Jahrhunderts zuzuordnen sind.

Abb. 57: Zwei übereinanderliegende Zapfenlöcher im Mittelstiel als Spuren der Befestigung eines vor dem Giebel hängenden Giebelpfahls bei einem Haus in Gistenbeck (Baujahr unbekannt, ver- mutlich 18. Jahrhundert) und Salderatzen. Daneben ein Stummelzapfen und ein darunterliegen- des Querholz als Befestigung für einen Giebelpfahl mit Firstdreieck der älteren Bauweise an einem Haus in Salderatzen von 1788 (i).

71 Bis ins 18. Jahrhundert wurden die Pfähle det (Abb. 56) . An einigen Häusern findet man - über zwei kurze Riegelstücke (Stummelriegel) auch mit Schablonen auf die Torständer auf gebrachte Muster, die vermutlich aus der Zeit dem Mittelstiel des Giebels vorgezapft und um oder kurz nach 1900 stammen. befanden sich dann vermutlich komplett vor der Dachkante (Abb. 57) . Später bildete der 6.1.5 Giebelpfähle und gekreuzte Wind- Pfahl, den Mittelteil eines vor den Giebel ge- bretter setzten Holzdreiecks. Dies ist beispielsweise bereits 1716 bei einem Haus in Gühlitz der Fall. Da die Giebelpfähle keine Rolle für die Stabil- - Die Pfähle befinden sich dabei in einer Ebe ität der Hauskonstruktion spielen, entsteht ne mit dem Ortgang. Befestigt wurden diese kein Problem, wenn sie nach witterungsbed- Holzkonstruktionen am Giebel zunächst mit ingten Schädigungen stark verändert oder gar Holznägeln, später mit Hilfe von Metallbolzen nicht mehr ersetzt werden. Dieser Umstand oder Gewindestangen. Meistens halten zwei führt dazu, dass einige Formen von Giebelp- Bolzen das waagerechte Holz und ein dritter fählen heute im Bestand völlig verschwund- den Pfahl. Bei den älteren Beispielen wurde der Pfahl selbst noch durch einen Stummel- en und nur noch fotografisch belegt sind. Die wichtigste Quelle liefert wiederum das König- riegel befestigt (Abb. 57). Die ältesten Pfähle salbum. Ähnlich wie bei den aufgemalten Blu- waren vermutlich aus Eiche gefertigt und mit menmotiven ist es oft nicht mehr möglich, die geometrischen Formen und oft einem Blu- ursprünglichen Formen sicher zu ergründen menmotiv an der Spitze beschnitzt (Abb. 58). oder zeitlich klar einzuordnen. Einige Beispiele lassen vermuten, dass im 18.

- Abb. 58: Giebelpfähle aus der Zeit vor 1800 bis etwa 1820 (Typ 1). Die teils gedrech selten, teils geschnitzten Pfähle bestanden aus Eichenholz. (a) und (b) Giebelpfähle unbekannter Herkunft aus dem Museum in Lübeln. (c) Schletau, (d) Pevestorf und (e) Küsten; Zeichnungen nach Fotos von C.I. Johannsen aus dem Jahr 1972 gezeich- net. (f) Spuren am Giebel bei mit zwei Stummelriegeln angebrachten Giebelpfählen und (g) bei mit Querholz und einem Stummelriegel befestigtem Firstdreieck.

72 Jahrhundert oft eine größere Holzkugel oder Das Königsalbum zeigt noch eine dritte Form, Blüte den oberen Abschluss bildete. die im Bestand inzwischen vollständig ver- schwunden ist und im Rahmen von Restau- rierungen in den vergangenen Jahrzehnt- Am häufigsten sieht man auf den Fotos des Königsalbums bereits eine spätere Form en offenbar in Vergessenheit geriet. Häuser von Giebelpfählen. Solche Pfähle sind auch in Gollau, Klennow, Lüsen und Neritz tragen von Schröder umfangreicher dokumentiert auf den alten Fotos Giebelpfähle mit auffällig worden. Diese in der Gestaltung nun üblicher- großen Gebilden, die einer Vase ähneln. Zum weise von zwei oder drei übereinanderlieg- - Teil erkennt man, dass sie an der Spitze eben enden Kugeln bestimmten Pfähle bestanden falls mit aufwändig gestalteten, großen Wet- aus einem Holzkern, der mit einer Zinnum- terfahnen versehen sind. Die Überreste des mantelung versehen war. Oft wurden Sterne letzten bekannten Beispiels befanden sich bis oder drehbare Wetterfahnen unterschiedli- in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts cher Form aufgesetzt (Abb. 59). Giebelpfähle auf einem Haus in Belitz. Ein Exemplar, das im dieser Art dürften im 19. Jahrhundert am weit- Zusammenhang mit den Fotos eine ungefähre esten verbreitet gewesen sein. Aufgrund der Rekonstruktion ermöglicht, blieb im Rundling- besseren Witterungsbeständigkeit sind auch smuseum in Lübeln erhalten (Abb. 60). Diese heute noch vereinzelt erhaltene Exemplare zu Vasenpfähle waren offenbar in den 1820er Jahren in Mode, denn alle Häuser im Album, finden.

Abb. 59: Mit Zinn ummantelte Giebelpfähle mit Wetterfahnen und anderem - Metallzierwerk (Typ 3). Die Abbildungen basieren auf Fotos von Schröder und Jo hannsen aus den frühen 1970er Jahren und wurden aufgenommen in Göttien, Ja- bel (1814), Püggen (1835), Belitz (1883), Karmitz, Zebelin, Jameln (1891), Gledeberg (1856), Satemin (1850), Schreyahn und Bussau (a bis k, eine sichere Zuordnung zu einem bestimmten Haus und Baujahr war nicht in allen Fällen möglich).

73 die solche Giebelpfähle besitzen, wurden in örtlichen Zimmerleuten hergestellt werden den 1820er Jahren gebaut. Die Pfähle mit den können. Zinnkugeln stellen somit die spätere, etwa ab 1830 übliche Variante dar. Bevor sich Giebelpfähle als Verzierung durchsetzten, gab es im niederen Drawehn Heute sind die Giebelpfähle von vielen Häusern auch gekreuzte Windbretter, wie man sie in ganz verschwunden. Dort, wo sie in den ver- großen Teilen des Hallenhausgebietes und gangenen Jahrzehnten im Zuge von Restau- auch an den abgewalmten Giebeln des nördli- rierungen erneuert wurden, hat man sich in - chen Landkreises findet. Eine bekannte Auf der Regel für an der ältesten Ausführung an- nahme aus Jameln von Dreesen aus dem Jahr gelehnte beschnitzte Eichenpfähle entschie- 1903 zeigt stark verwitterte Exemplare auf den, was auch damit zusammenhängen dürfte, Häusern aus dem späten 17. Jahrhundert, un- dass verzinnte Exemplare weniger leicht von ter anderem an dem schon erwähnten „Hun-

Abb. 60: Giebelpfähle in Vasenform aus der Zeit 1820 (Typ 2). Die wuchtigen Holzarbeiten wurden - mit eingesetzten Eisenstäben auf dem unteren Teil des Giebelpfahls befestigt. Alle Beispiele stam men, soweit feststellbar, aus der Zeit zwischen 1810 und 1830. In manchen Fällen wurde, vermut- - lich nach witterungsbedingten Schäden und Verlust der Holzvase, nur der obere Teil der Konstruk tion weiter erhalten. (a) und (b): nach einem im Rundlingsmuseum Lübeln aufbewahrten Exemplar unbekannter Herkunft; (c) und (d) nach Fotos aus Pannecke und Dolgow. Die Wetterfahnen wurden verschiedenen Fotobelegen nachempfunden.

Abb. 61: Verzierte Firstdreiecke auf Fotos aus dem Königsalbum von 1866. Die Aufnahmen zeigen Details von Häusern in Dolgow (1814), Gühlitz (um 1815), Karmitz (um 1780) und Schreyahn (1828).

74 dert-Daler-Haus“. Wie die Fotos des Königs- an der Giebelspitze dienen einmal mehr die albums zeigen, gab es gekreuzte Windbretter Fotos aus dem Königsalbum (Abb. 61). Bei beispielsweise auch an Steilgiebelhäusern Restaurierungsarbeiten an einem Haus von in Belitz, Dolgow, Karmitz und Kremlin. Diese 1835 in Püggen ist vor wenigen Jahren der Beobachtungen sprechen für eine ehemals Rest einer vermutlich ursprünglichen Be- - weitere Verbreitung dieser Tradition auch im malung zu Tage getreten (Abb. 62). Bei Häus niederen Drawehn und für eine zunehmende ern mit Weichdach und Ortgang aus Holz Ablösung durch Giebelpfähle im Laufe des wurden die oberen Bereiche der Deckbretter 18. Jahrhunderts. Bis in die ersten Jahrzehnte des Ortgangs in die Bemalung einbezogen des 19. Jahrhunderts wurden die Häuser am (Abb. 61 und 62). Etwas zurückhaltender wirkt Wohngiebel mit Walm konstruiert. Hier waren dieser Bereich bei hartgedeckten Häusern mit gekreuzte Windbretter so lange üblich, wie die verschiefertem Ortgang, da hier die bemalte Häuser noch weich eingedeckt wurden. Fläche kleiner ist.

Wie beschrieben, wurden die Giebelpfähle im Die Bemalung am Haus in Püggen war lange 19. Jahrhundert und im späten 18. Jahrhun- Zeit unter einer Metallplatte verborgen. Solche dert in vor dem Giebel befestigte, dreieckige Metallplatten, manchmal noch mit einem Groß- Holzkonstruktionen eingebunden. Im Bestand buchstaben in Fraktur versehen (wohl dem An- nicht mehr erkennbar sind die kontrastreichen fangsbuchstaben des Familiennamens), findet Bemalungen der Hölzer. Als Zeuge für diese man noch an mehreren Giebeln. Sie wurden ehemals weit verbreiteten Gesamtkunstwerke vermutlich überwiegend ab dem Ende des

Abb. 62: Rekonstruktion eines farbig gefassten Giebeldreiecks nach Befunden an einem Haus in Püggen von 1838. Das Dreieck mit den kleinen Ornamenten und der Inschrift ist klar rekonstruierbar, die großen Vierecke auf den nicht mehr vorhandenen Ortgangbret- tern wurden frei nach Bildern aus dem Königsalbum rekonstruiert.

75 19. Jahrhunderts dort angebracht. Vielleicht man häufig eine Ziersetzung der Ziegelsteine, sind darunter in einigen Fällen noch weitere allerdings ohne klare Regelmäßigkeit oder Beispiele der alten Bemalung erhalten (Abb. Symmetrie. Die engmaschigen Giebel der Vi- 63). erständerhäuser des 19. Jahrhunderts waren sicher immer mit Steinen ausgefacht. Eine weitere Variante ist das Einschnitzen der Initialen in die beiden dreieckigen Bretter ne- - Die Traufseiten und der Wohngiebel wurden in sgesamt weniger repräsentativ gestaltet. Das ben dem unteren Teil des Giebelpfahls. Diese Ausführung gab es zum Beispiel bei einem Fachwerk war weniger engmaschig und die Ge- Haus in Karmitz von 1833 und bei einem Haus fache wurden noch länger als im Wirtschafts- aus dem Wiederaufbau in Satemin (1850, Abb. giebel mit Lehm ausgefüllt. Dabei verwendete 63). man überwiegend Lehmstaken bzw. Lehm-

wickel. Lehmflechtwerk kommt seltener vor . Zum Schutz gegen Regen wurde der Lehm mit 6.2 Gestaltung der Außenwände einem Kalkanstrich versehen. Im Laufe der Zeit wurden bei den meisten Häusern die Lehmfül- 6.2.1 Füllung der Gefache mit Lehm und lungen durch Ziegelsteine ersetzt, so dass die Ziegelsteinen ursprüngliche Ausführung oft nicht klar ables- bar ist. Besonders große Gefache wurden Die Wirtschaftsgiebel der Hallenhäuser dabei durch nachträglich eingesetzte Fach- wurden bereits ab etwa 1700 zunehmend mit werkhölzer verkleinert, um eine Ausfachung Steinen ausgefacht statt mit Lehm. Während mit Steinen zu ermöglichen. Im Spritzwasser- das Hundert-Daler-Haus in Jameln von 1681 bereich oberhalb der Schwellen tauschte man ursprünglich noch vollständig mit Lehm aus- die Lehmfüllungen oft zuerst gegen haltbarere gefacht war, verwendete man bei einem Haus Ziegelsteine aus, z.B. wenn bei älteren Häusern in Breese im Bruche von 1708 im Wirtschafts- die Schwellen erneuert wurden. giebel vermutlich bereits Ziegelsteine. Vor al- lem bei kleineren Häusern wurden die Giebel Die zunehmende Verwendung von Ziegel- - steinen lässt sich anhand einiger Beispiele na- aber zum Teil auch später noch mit Lehm aus gefacht, z.B. bei dem kleinen Dreiständerhaus chzeichnen. Beim Haus Mammoißel Nr. 8 von von 1732 auf der Kossaterstelle Gühlitz 10. 1801 erkennt man auf Fotos von Eitzen aus den 1950er Jahren, dass die Stubenwände im Wohngiebel ausgemauert waren, während die Bei Häusern aus dem 18. Jahrhundert findet

Abb. 63: Großbuchstaben am Firstdreieck in Holz geschnitzt oder auf Metallplatten aufgemalt in Satemin und Jabel (Bild 2). Die Metallplatten an den Häusern in Satemin sind auf dem Foto im Königsalbum von 1866 noch nicht vorhanden.

76 alten Gefache im Bereich der Küche noch mit 6.2.2 Holzstärken des Außenfachwerks Lehm gefüllt sind. Da fast alle älteren Wohnteile später verändert wurden, war es bislang nicht Bei den alten Fachwerkbauten sind die Ständer möglich, festzustellen, wann diese Entwick- und Stiele immer stärker dimensioniert als die lung begann. Möglicherweise wurden für die Riegel. Im Laufe der Entwicklung nimmt der Außenwände der Stuben von Anfang an Zie- Unterschied zwischen den Holzstärken aber gelsteine verwendet. Bei einem Haus in Jiggel ab. Bei den vor 1800 errichteten Wänden sind von 1840 war das gesamte Erdgeschoss des die Ständer rund 20 bis 21cm stark, bei den - späteren Bauten zumeist 18 bis 19cm. Die Rie- Wohnteils offenbar von Anfang an als Ziegel gelstärke liegt durchgehend bei etwa 14 bis fachwerk ausgeführt, während die Traufen im Wirtschaftsteil noch Lehmgefache aufwi- 15cm. esen. Ähnlich dürfte es beim einem Haus Groß Sachau von 1849 gewesen sein . Wie die Fotos Die Holzstärken können aber auch bei ein und aus dem Königsalbum zeigen, wurden bei den demselben Gebäude erheblich variieren. Bei Neubauten nach den Dorfbränden in Satemin den älteren Häusern sind die Hauptständer im Giebel oft stärker dimensioniert als die übrigen (1850) und Güstritz (1851) an den Traufseiten durchgehend Ziegelsteine verwendet. Ständer. Im 19. Jahrhundert wurden häufig zweitverwendete Hölzer verbaut, die dann oft Einen Hinweis auf die ursprüngliche Ausfa- andere Stärken aufweisen als die frischen Höl- chung liefert die Größe der Gefache. Bei dem zer. Bei einem 1849 in Groß Sachau errichteten erwähnten Haus in Groß Sachau von 1849 Haus, bei dessen Bau offenbar gespart werden - musste, variieren die Wandstiele im Bere- wurden die Traufseiten lediglich doppelt aus geriegelt und der Abstand zwischen den Stän- ich von 15 bis 23 cm. Zum Teil wurden im 19. - Jahrhundert auch gezielt 22 bis 23 cm breite dern liegt zum Teil bei über 1,2m. Haus Num mer 28 in Satemin von 1850 hat hingegen Eckstiele verwendet bei ansonsten 19cm bre- - iten Stielen. dreifach ausgeriegelte Traufseiten mit gering eren Abständen zwischen den Ständern (etwa 70 bis 80 cm). Bei diesen kleineren Gefachen 6.2.3 Wohngiebel der Hallenhäuser ist davon auszugehen, dass sie bereits von An- fang an ausgemauert waren. . Am Ende des 19. Bei den alten Hallenhäusern wurden die Gie- Jahrhunderts wurden in der Regel sogar vier belwände der Küchenstuben ursprünglich Riegelketten eingesetzt. mit bis zur Balkenlage durchgehenden Stielen errichtet (Abb. 64). Wie bereits beschrieben, Auf den Fotos aus dem Königsalbum sieht wurde dieses Fachwerkbild später durch Um- - bau bei allen Häusern verändert. man häufig auffällig helle Fugen bei den aus gemauerten Gefachen. Befunde aus dem Münsterland belegen, dass die Fugen im 19. Bei im frühen 19. Jahrhundert gebauten Jahrhundert weiß nachgestrichen wurden, of- Häusern mit hoher Küche und Eckstube gab fenbar mit dem Ziel, ein besonders klares und es ebenfalls durchgehende Stiele. Die Lage kontrastreiches Fugenbild zu erzeugen. Belegt von niedriger Stube (Stockwerkszimmerung) ist eine Fugenbemalung im niederen Drawehn und hoher Küche (lange Stiele) ist bei einigen bislang nur für spätere Farbfassungen. Es ist Häusern im Außenfachwerk deutlich zu erken- aber anzunehmen, dass die auf den Fotos von nen (Abb. 65). Manchmal wurde die Stockw- 1866 zu sehenden breiten hellen Fugen auf die erkszimmerung der Stube aber auch im Bere- gleiche Weise erzeugt worden sind. ich der hohen Küche fortgesetzt, wobei statt

77 Abb. 64: Wohngiebel des Hundert-Daler-Hauses in Jameln (1681, i, d). Links Rekonstruktion des bauzeitlichen Zustands, rechts Umbausituation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Einbau einer Zwischendecke und zweier Stuben.

Abb. 65: Wohngiebel zweier Häuser aus dem frühen 19. Jahrhundert mit Eckstube und hoher Küche. Links (Mammoissel 1801) ist die hohe Küche im Fachwerk noch ablesbar, rechts (Seerau im Drawehn 1815) wurde in der Außenansicht eine einheitliche Stockwerkszimmerung vorgetäuscht.

Abb. 66: Wohngiebel eines Hauses in Blütlingen (1787) mit bauzeitlichem Schwibbogenherd auf der Diele und eines Hauses in Gühlitz (1833) mit Rauchglocke und Schornstein.

78 einer Balkenlage lediglich Balkenstummel errichteten Häusern mit zwei Stuben hinter eingesetzt wurden, um nach außen eine ein- dem Wohngiebel liegt die Küchentür hingegen heitliche Konstruktion vorzutäuschen. Dies ist an der Traufseite. zum Beispiel bei Häusern in Platenlaase (1815) und Seerau im Drawehn (1815) noch nach- 6.2.4 Traufseiten der Hallenhäuser weisbar (Abb. 65). - Die niedrigen Traufwände der Zweiständer - häuser wurden einheitlich abgezimmert. Im Teilweise unklar ist die Situation im ausgehen den 18. Jahrhundert. Im Giebelfachwerk zei- Normalfall gibt es zwischen den Ständern der gen diese Häuser noch keine echte Stock- Gebinde jeweils einen zusätzlichen Stiel und werkszimmerung im Bereich der Stube. Hier - wie bei den niedrigen Traufen der Dreiständer lagen zwar die Balkenköpfe der Zwischen- häuser wurde nur eine Riegelkette zwischen decke auch auf einem Wandrähm und es Schwelle und Rähm eingesetzt. gab keine langen Ständer mehr (Abb. 66). Al- lerdings gibt es oberhalb dieser Balkenlage Die hohen Traufwände der Vierständerhäuser oft keine Schwelle für die Stiele des oberen und die hohen Seiten der Dreiständerhäus- Stockwerks. Diese stehen dann einfach auf er haben hingegen 2 bis vier Riegelketten dem Wandrähm zwischen den Balkenköpfen (siehe Abschnitt 4.2.1). Hier ist der Übergang zwischen Wohnnutzung und Wirtschaftsbere- der Zwischendecke, zum Teil auch auf den Balken. Bei den bislang genauer untersuchten ich meistens deutlich am Wechsel von Stock- werkszimmerung und Geschosszimmerung Gebäuden lief das Wandrähm offenbar über die gesamt Breite des Giebels, so dass eine ablesbar. Dabei reicht die Stockwerkszimmer- hohe Küche, wie bei den späteren (zuvor bes- ung vor allem bei den späteren Häusern deut- chriebenen) Gebäuden, hier nicht ablesbar ist. lich über die Querwand hinaus in den eigentli- Vermutlich lag die Küche bei diesen Gebäuden chen Wirtschaftsteil, da in den Abseiten, wie auf der Diele (vgl. Abschnitt 3.1.1) oben beschrieben, zunehmend Wohnräume eingerichtet wurden. Aufgrund der niedrigeren Häuser, die nach der Einführung von Rauch- Balkenlage im Wirtschaftsteil entstanden dann glocke und Schornstein gebaut wurden, zeigen oberhalb dieser Wohnräume niedrige, schwer im Wohngiebel meistens eine durchgehende zugängliche Lagerräume. Stallungen und Stockwerkszimmerung. Zur Aussteifung Kammern in den Abseiten des Wirtschaftsteils wurde normalerweise sowohl im Fachwerk des hatten eine tiefer liegende Geschossdecke, so Erdgeschosses als auch im ersten Stock ein dass oberhalb genug Platz für begehbare La- Strebenpaar eingesetzt, wobei die Lage der gerräume und Kammern blieb. Streben variabel ist und sich nach der Lage der Einige wenige Häuser des 19. Jahrhunderts Wandöffnungen (Fenster und Türen) richtet. Die Stellung der Stiele im ersten Stock des weisen sogar bauzeitlich, zumindest auf ein- Wohngiebels richtet sich normalerweise nach - er Traufseite, eine durchgehende Stockw der Stellung der Stiele im Erdgeschoss, ohne erkszimmerung bis zum Wirtschaftsgiebel auf. diese exakt zu übernehmen (Abb. 66, rechts). Hier ist von einer Sondernutzung auszugehen. Bei einem solchen Haus in Göttien von 1830 Aufgrund der Lage der Küche im Wohnteil des wurde, der mündlichen Überlieferung nach, Hauses gibt es, anders als in anderen Bere- der gesamte Bereich der Abseite als vermi- ichen des Hallenhausgebietes, oft auch eine eteter Wohnraum für Ziegeleiarbeiter (Lip- Außentür im Wohngiebel. Bei den überwieg- pische Ziegler) genutzt. end in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

79 ter den Schwellen liegenden Findlinge geb- Auch in den Traufwänden treten Streben meistens paarweise auf. Bei wenigen älteren ildet. Dennoch treten nur in seltenen Fällen Häusern gab es lediglich zwei Streben, in den Probleme mit der Fundamentierung auf, da meisten Fällen wurden vier Streben eingesetzt die Fundamentsteine offenbar in ausreichend und bei manchen Häusern sind sechs Stre- verdichteten Boden gelegt wurden. Die meis- ben ablesbar. Dabei können die Streben eines ten Hallenhäuser in den Rundlingen stehen auf Paares mitunter unterschiedlich lang sein, Plätzen, auf denen zuvor auch schon mehrere wenn sich eine im Bereich der Geschoss- und Vorgängerbauten gestanden haben. Bei ein- eine im Bereich der Stockwerkszimmerung igen späteren Häusern kam es dort zu stärk- eren Absenkungen, wo über den alten Haus- befindet. Bei späteren Nutzungsänderungen und Umbauten wurden oft einzelne Streben platz hinaus gebaut wurde. entfernt, um beispielsweise Platz für ein Fen- Vor allem im Wohnteil, manchmal auch im ster oder eine Tür zu machen. Wirtschaftsteil, wurden die Feldsteinfunda- Bei den älteren Häusern wurden die Streben mente später durch Streifenfundamente er- zwischen den Ständern und Schwellen eing- setzt. Manchmal befindet sich unterhalb der esetzt. Die längeren Schwelle-Rähm-Stre- Schwelle auch noch eine Rollschicht aus Zie- ben treten im niederen Drawehn erstmals gelsteinen. Solche Veränderungen erfolgten am Ende des 18. Jahrhunderts auf (z.B. beim oft in Verbindung mit einer Erneuerung der Haus Köhlen 13 von 1794) . Diese Bauweise Schwellen. setzte sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts schließlich vollständig durch. Eine trockene Eichenschwelle kann, wie an Gegen Ende des 19. Jahrhunderts treten einigen Gebäuden zu sehen ist, problemlos außerdem Kreuzstreben auf. Andere Stre- mehrere hundert Jahre überstehen. Durch die benbilder, wie der sogenannte „Wilde Mann“ ständige Einwirkung von Feuchtigkeit, zum am Dreiständerhaus in Breese im Bruche von Beispiel bei fehlenden Dachrinnen und anstei-

1750, sind nur ausnahmsweise zu finden. gendem Bodenniveau, zum Teil in Verbindung mit feuchtem Tierdung an der Innenseite, wird In der Ansicht wurden die Streben normale- das Holz jedoch von Schädlingen zersetzt und rweise über die Riegel geblattet. Nur aus- die Schwellen verrotten. Bei vielen älteren nahmsweise laufen die Riegel in der Ansicht Häusern sind die Schwellen oft schon vor län- durch. Erst ab etwa der Mitte des 19. Jahrhun- gerer Zeit oder sogar schon mehrfach ersetzt worden, wobei nicht selten auch die ebenfalls derts sind diese Überblattungen zum Teil mit Holznägeln gesichert. angegriffenen unteren Enden der Ständer und Stiele eingekürzt wurden. Die neue Schwelle liegt dann nicht selten gut 20cm höher als die 6.3 Fundamente und Schwellen vorherige. Die Folge davon ist, dass die alten Häuser nun oft viel niedriger wirken, als sie ur- 6.3.1 Fundamente von Hallenhäusern sprünglich waren. Man erkennt angehobene und anderen älteren Fachwerkbauten Schwellen gut daran, dass dann die unteren Gefache niedriger sind als die darüberliegen- Wie oben beschrieben, handelt es sich bei al- den und dass beim Ausmauern einige Stein- len überkommenen Hallenhäusern im Wend- schichten weniger erforderlich waren. Mit der land um Konstruktionen mit auf Schwellen Zeit wurde das Bodenniveau in den Dörfern stehenden Stielen und Ständern. Das Funda- merklich erhöht, was unter anderem daran ment der Häuser wird lediglich durch die un- deutlich wird, das ältere Häuser, wie z.B. die

80 Zweiständerhäuser in Göttien (1636, d) und sel befestigt wurden. Als Dössel bezeichnet Zebelin (1747, i), deutlich niedriger liegen als man den herausnehmbaren Mittelpfosten der jüngere Gebäude im Dorf. Groot Dör. Er wurde jeweils mit einem Zap- fen unten in die ebenfalls herausnehmbare 6.3.2 Fundamente von jüngeren Fach- Schwelle und oben in den Türsturz eingesetzt. werkbauten und massiven Gebäuden Der Dössel besteht aus einem Kantholz (etwa 11 x 11cm), das bei gleicher Breite in der An- Im späten 19. Jahrhundert wurden immer sicht oft im mittleren bis oberen Bereich eine seltener Feldsteine für die Fundamente ver- geringere Stärke aufweist, wodurch die Hand- wendet. Manchmal kamen große Sandstein- habung erleichtert wird (Abb. 67). Oft gibt es blöcke zum Einsatz (z.B. Wedderien 1862), auch einfache Verzierungen am Dössel. So- - weit möglich, sollte man sich beim Nachbau an häufiger findet man Rollschichten aus abge rundeten Ziegelsteinen, die auf ein Streifen- Fotos oder vergleichbaren Vorbildern orientie- fundament gelegt wurden. Der genaue Aufbau ren. und die Stärke solcher Fundamente wurden von mir nicht untersucht. Es fällt aber auf, Die Türblätter selbst bestehen aus waagerecht dass die frühen Massivbauten, z.B. die Sch- - liegenden Traghölzern (Klaspen), auf die sen weineställe aus dem 19. Jahrhundert, mitunt- krechte Bretter aufgenagelt wurden. Für alle er nicht ausreichend fundamentiert wurden. Brettertüren wurden bis mindestens um die Fachwerkgebäude verformen sich, wenn das Mitte des 19. Jahrhunderts Bretter in fallenden Fundament nur teilweise trägt, bei Massiv- Breiten verwendet, also unterschiedlich bre- bauten bilden sich Risse im Mauerwerk und die ite, nicht parallel besäumte Bretter. Die Bretter Standfestigkeit ist schneller gefährdet. waren also nicht nur im Vergleich unterein- ander unterschiedlich breit, sondern die Bre- ite der einzelnen Bretter variierte. Nicht selten 6.4 Türen waren sie an einer Seite gut 40cm breit. Nor- malerweise haben die Bretter eine beidseitige 6.4.1 Groot Dör (Dielentor) Nut und sind mit einer Fremdfeder verbunden. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts kamen durchgehend industriell hergestellte, schmale Die großen, zweiflügeligen Türen im Wirtschaftsgiebel der Hallenhäuser wurden und parallel besäumte Bretter zum Einsatz. immer an der Innenseite angeschlagen und Es ist anzunehmen, dass die Bretter zunächst - noch mit Holznägeln an den Klaspen befes- öffneten nach innen. Sie wurden auch von in - tigt wurden. Dielentore dieser Bauart sind im nen verriegelt, normalerweise indem die Tür - Bestand jedoch nicht mehr vorhanden. Einen flügel mit Hilfe von Riegeln und Ösen am Dös

Abb. 67: Zwei Dössel aus dem 19. Jahrhundert. Der untere, kürzere Zapfen greift in die heraus- nehmbare Schwelle, der obere, längere Zapfen in den Torsturz. Aufgrund des geringeren Gewichts der oberen Hälfte ist der Dössel leichter zu handhaben.

81 sich nicht sicher angeben, denn bei älteren fotografischen Beleg liefert ein historisches Foto vom Alten Haus in Jameln (1719, i). Da Häusern können sie auch später hinzugefügt Vorbilder ansonsten fehlen und vermutlich worden sein. Im niederen Drawehn ist aber spätestens im 18. Jahrhundert durchgehend bislang kein Haus bekannt, dass nicht zumind- Eisennägel verwendet wurden, sollte bei Na- est Spuren einer ehemals vorhandenen Eck- chbauten auf die historisierende Verwendung endör erkennen lässt. Die Auszählung von 65 von Holznägeln verzichtet werden. zufällig ausgewählten historischen Fotos er- gab rund 60 Prozent in der Ansicht rechts ang- Die Beschläge wurden ursprünglich auf der In- eschlagene Eckendören, etwa 30 Prozent links - angeschlagene und bei knapp 10 Prozent der nenseite der Türen angebracht und waren da her von außen nicht zu sehen. Bei Dielentoren Häuser waren zwei solcher Türen vorhanden. mit außen sichtbaren Bändern handelt es sich um sehr späte Beispiele oder Umbauten. Um Die Türen waren als Brettertüren ausgeführt mit zwei waagerechten Klaspen als Konstruk- Erntewagen durch das geöffnete Tor in die Diele fahren zu können, waren Dössel und tionshölzern und einer langen oder auch zwei Schwelle herausnehmbar. kurzen diagonalen Hölzern als Aussteifung (Abb. 68). Die Eckendören wurden früher in der Im niederen Drawehn sind im Bestand fast Regel mit den Klaspen nach außen angeschla- keine quergeteilten Dielentore vorhanden, bei gen. Diese ungewöhnlich erscheinende und denen der obere und untere Flügel getrennt stärker verwitterungsanfällige Ausführung hat den Vorteil, dass das untere Querholz nicht mit geöffnet werden konnten. Vor allem im Bereich der Dannenberger Elbmarsch war diese Vari- den Radabweisern kollidiert. Heute ist diese - ante hingegen offenbar weit verbreitet , alle ältere Bauweise kaum noch zu finden, auf den rdings dürfte es sich durchgehend um späte Fotos im Königsalbum sieht man sie hinge- Ausführungen ab dem Ende des 19. Jahrhun- gen noch häufig. Ob es einen bestimmten derts handeln. Eine ebenfalls späte Variante - Zeitpunkt gab, ab dem man die Türen umdre - hte, bleibt anhand des Bildmaterials unsicher, sind Torflügel mit einer eingesetzten klein en Tür, wie beispielsweise bei einem Haus in da die Türen stark der Witterung ausgesetzt Schreyahn von 1841. Bei allen mir bekannten waren und hin und wieder erneuert werden mussten. Beispielen wurden die Torflügel aus schmalen, industriell gefertigten Brettern gebaut. Sehr Es deutet sich aber an, dass es etwa ab 1850 viel häufiger und typisch für das Wendland sind die im Folgenden beschriebenen Eckendören. eher üblich war, die Türen mit den Klaspen nach innen einzubauen. Während ein 1849 in 6.4.2 Eckendören oder Klöndören (halbe Groß Sachau errichtetes Hauses nachweislich Türen vor dem Dielentor) um 1900 noch eine Tür der älteren Ausführung besaß, sind die Türen bei den 1850 in Satemin Um einerseits Licht und Luft in die Diele gebauten Häusern auf dem Foto im König- salbum überwiegend mit den Brettern nach hineinzulassen, gleichzeitig aber Tieren den Durchgang zu verwehren, befand sich nor- außen eingesetzt. Für diese Bauweise mussten - die Radabweiser mit einer passenden Ausneh- malerweise vor mindestens einem Torflü mung für die untere Klaspe versehen werden. gel eine niedrige Tür. Regional werden diese Türen als Eckendören bezeichnet, abgeleitet von dem Wort Hecke. Im wendländischen Die Türen wurden außen angeschlagen und - Plattdeutsch wurde das „H“ häufig weggelas auch die langen Türbänder lagen immer außen. Der untere Hesphaken befand sich in sen. Ab wann diese Türen üblich waren, lässt 82 der Regel nur knapp oberhalb der Schwelle vollständig oder teilweise mit ein. Wie bei ver- oder wurde sogar in der Schwelle befestigt. schiedenen anderen Zierformen gilt auch hier, dass eine zeitliche Zuordnung bestimmter Dort, wo die Türen in der Mitte der Groot Dör an den Dössel anschlugen, gab es normaler- Ausführungen nicht sicher möglich ist. weise einen Metallhaken im Dössel und einen einfachen Überwurfriegel an der Eckendör. Wo An Häusern, die heute keine Eckendör mehr eine solche Vorrichtung nicht vorhanden war, - haben, findet man in den Torständern die Hes ist ein innen angebrachter einfacher Haken zu phaken oder die Löcher, die die Haken hin- vermuten. terlassen haben. So kann man erkennen, ob eine oder zwei Eckendören vorhanden waren. Wenn die alten Radabweiser noch existieren, Die Türen waren meistens etwa 110cm hoch, wobei die Höhe variierte. Bei Rekonstruktionen kann man außerdem sehen, ob die Türen mit sollte man sich nach alten Fotos und nach den Klaspen nach innen angeschlagen war- der Höhe der Hesphaken richten. Die beiden en, auch wenn sich daran nicht sicher ablesen äußeren Bretter waren immer etwas länger lässt, ob dies auch der ursprüngliche Zustand als die anderen und wiesen am oberen Ende war. mehr oder weniger geschwungene Verzierun- gen auf (Abb. 68). Eine waagerecht aufgelegte Deckleiste schloss diese „Ohren“ in der Regel

Abb. 68: Eckendören, gezeichnet nach historischen Fotos. Zur besseren Übersicht wurden

alle Türen rechts angeschlagen gezeichnet. Die angegebenen Jahreszahlen beziehen sich auf die Gebäude und sagen möglicherweise wenig über das Alter der Türen aus. (a) Köhlen 1794, (b) Klein Gaddau 1722, (c) Ganse um 1780, (d) Breese im Bruche (1832), (e) Bussau 1865, (f) Püggen 1658, (g) Dolgow 1813, (h) Groß Sachau 1887, (i) Satemin 1850.

83 6.4.3 Missendören (Misttüren, seitliche seite mit kleinen Bögen und Kreuzen verziert Stalltüren im Wirtschaftsgiebel) . Eine weitere kleine Gruppe von Häusern in Rehbeck (1712), Siemen (1734) und Breese im Da sich in den Abseiten neben der Diele nor- - Bruche (1750) hat mit flachem Kielbogen aus malerweise Stallungen für Kühe und Jun- gebildete Türriegel (Abb. 68). Die genannten grinder befanden, gab es links und rechts im Beispiele stammen überwiegend aus dem nor- Wirtschaftsgiebel sogenannte Misttüren. Sie döstlichen Landkreis. Abgesehen vom Raum dienten nicht nur als Durchgang beim Ausmis- Jameln/Breese im Bruche lassen sich diese ten, sondern auch als Aus- und Eingang für die Zierformen im niederen Drawehn nicht nach- weisen. Tiere. Bei einigen Häusern wurden später eine oder auch beide Türöffnungen mit Fachwerk verschlossen. Vor allem in der zweiten Hälfte - Um die Türen innen an der Traufseite anschla des 19. Jahrhunderts wurden auch Häuser gen zu können, wurde in den meisten Fällen gebaut, die zumindest in einer Abseite schon - ein zusätzlicher Stiel unterhalb des Türsturz bauzeitlich keine Stallungen mehr hatten, so es eingesetzt. Bei wenigen älteren Häusern dass es auf dieser Seite auch nie eine Misttür gab es diesen Stiel nicht, weil ein besonders gab. breiter Eckstiel genügend Platz für das Ein- schlagen der Hesphaken bot. Auch bei eini- - gen späten Beispielen aus der Mitte des 19. Bei allen älteren Häusern waren die Türen ur sprünglich innen angeschlagen und schlugen Jahrhunderts wählte man diese Lösung. Zu- mindest im 19. Jahrhundert wurden bei innen zur Außenwand hinauf. Eine solche Tür kann von den Tieren im Stall nicht aufgedrückt angeschlagenen Türen rundherum Bretter als werden, ist aber beim Ausmisten und beim Anschlagrahmen auf die Fachwerkhölzer des

Herauslassen der Tiere möglicherweise im Türrahmens aufgenagelt. Die Türen schlugen also nicht von innen gegen das Fachwerk, son- Weg. Etwa ab 1850 hielt man es offenbar für - dern lagen innerhalb des Fachwerkrahmens günstiger, sie außen und zur Groot Dör hin öff nend anzusetzen. Bei älteren Häusern wurden an den Brettern an. Bei innen angeschlagenen sie in der Folgezeit meistens in dieser Weise Türen befanden sich die Türbänder daher auch umgebaut. Bei Häusern aus der zweiten Hälfte an der Innenseite. Um durch die Misttür zu tre- - ten, musste man über die Schwelle steigen, die des 19. Jahrhunderts befinden sich die Mis sendören oft nicht mehr ganz außen, sondern an dieser Stelle stets vorhanden war. nach innen zur Groot Dör hin versetzt. Aufgrund der Einwirkungen des feuchten Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurde Mistes wurde das Holz der Misttüren vor al- - oberhalb der Türen oft unmittelbar unter ei lem im unteren Bereich stark angegriffen. Es nem ohnehin vorhandenen Riegel ein Türsturz dürften daher nur selten Türen erhalten sein, eingesetzt. Später wurde das Giebelfachwerk die 200 Jahre oder älter sind. Eine solche Tür gibt es im Alten Haus in Jameln (1719). Hier so aufgeteilt, dass der Türsturz einen Riegel ersetzte. Bei den älteren Häusern sind diese wurden die Bretter mit Holznägeln auf die Hölzer oft stärker dimensioniert und es gibt Klaspen genagelt. Da solche Türen jedoch nur eine Reihe besonders geformter oder verziert- ganz vereinzelt zu finden sind, ist man, wie bei er Beispiele. In Jameln (1611) handelt es sich der Groot Dör, vermutlich spätestens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur auss- um Rundbögen, ähnlich dem Torsturz über der Groot Dör. In Langendorf (1701), Grippel chließlichen Verwendung von Eisennägeln (1706) und (1734) wurde die Unter- übergegangen.

84 Abb. 69: Misttüren im Wirtschaftsgiebel.

Die Misttüren wurden mit einfachen Haken eine Außentür gegeben hat. Durch den Umbau von innen verriegelt. Die im Zuge von Restau- der Küchenstuben in Stuben und die damit rierungen in den vergangenen Jahrzehnten verbundenen Umbauten des Giebelfachwerks, manchmal außen angebrachten Holzriegel verschwanden auch die Außentüren. Es ist anzunehmen, dass es sich um einfache Bret- waren hingegen eher typisch für die Türen der tertüren handelte. Die aus anderen Regionen Schweineställe, die nur von außen geöffnet wurden. Bei den Misttüren der Hallenhäuser bekannten quer geteilte Türen, bei denen sich kommen sie aber, zumindest auf Fotos aus der der obere Teil zum Lüften öffnen ließ, sind für Zeit um 1900, vereinzelt ebenfalls vor. das Wendland weder im Bestand noch auf al- ten Fotos belegt. 6.4.4 Küchentür Aus der Zeit um 1900 gibt es nur wenige Fotos Da sich, wie oben beschrieben, die Küche in von Wohngiebeln. Auf einigen davon sind auch den Hallenhäusern bereits im 17. Jahrhun- Küchentüren zu sehen und in allen Fällen han- dert im Wohnteil hinter dem Giebel befand, ist delt es sich um außen angeschlagene Bretter- davon auszugehen, dass es hier auch immer türen.

85 In allen bewohnten Häusern wurden die - der Beistiel nötig, um die Tür an der gege Küchentüren im Zuge von Renovierungsar- benen Seite innen anschlagen zu können. Da beiten irgendwann ausgetauscht, so dass le- - sich die Tür an der hohen Seite des Dreistän diglich lange leerstehende Häuser für Belege - derhauses befindet, ist die Verzierung mit Kiel in Frage kommen. In einem solchen Gebäude bogen verständlich. Bei den näher untersucht- in Gühlitz von 1833 gab es ebenfalls eine en oder beschriebenen Häusern aus dem 17. außen angeschlagene Brettertür. Eine nach Jahrhundert handelt es sich überwiegend um einem Umbau noch im 19. Jahrhundert einge- Zweiständer. Die Seitentüren unter den nie- setzte Küchentür in einem Haus in Lichtenberg drigen Traufen haben alle einen einfachen, von 1856 war ebenfalls noch als Brettertür stumpf eingesetzten Türsturz . In den meisten Fällen gab es auch hier einen Beistiel. Es ist ausgeführt. Einige Türen erhielten irgendwann ein Oberlicht zwischen Türsturz und Rähm. Die also anzunehmen, dass die Türen immer innen Schwellen liefen auch bei den Küchentüren of- angeschlagen wurden. - fenbar durch, wurden allerdings zum Teil abge senkt (Abb. 70). Das Türblatt selbst ist in Siemen sicher nicht mehr das ursprüngliche. Vermutlich wurden bis Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ins 19. Jahrhundert hinein auch bei den Seite- Brettertüren oft durch Kassettentüren ersetzt. neingängen einfache Brettertüren verwendet. Gerhard Eitzen hat in seinen Aufmaßzeichnun-

gen quergeteilte Türen gezeichnet, allerdings 6.4.5 Seitliche Eingangstüren, Hauptein- hat er keine Belege fotografisch dokumentiert. gang Ich gehe davon aus, dass er diese Bauweise nach Beispielen aus anderen Regionen geze- Am ältesten Hallenhaus des Landkreises in ichnet hat . Siemen (1576) ist der vermutlich bauzeitliche Seiteneingang erhalten. Er hat einen etwa Beim Dreiständerhaus Dünsche 1734 ist der ursprüngliche Seiteneingang an der ho- 33cm starken, doppelt genagelten Türsturz mit Kielbogenschnitzung. Der vorhandene hen Seite weitgehend rekonstruierbar. Un- Beistiel ist nicht im Riegel vernagelt, wird von ter dem vorhandenen, beschrifteten Riegel mir aber aufgrund des Verwitterungszustands („dies haus laß gott“) ist ein kräftiger, einfach als bauzeitlich angenommen. Außerdem ist - genagelter Türsturz anzunehmen, der eben

Abb. 70: Küchentüren im Wohngiebel.

86 falls beschriftet gewesen sein dürfte (vmtl. bekleidungen im Stil des Klassizismus oder „befohlen sein“). Ähnlich aufgebaut war der Biedermeier (Abb. 72). Die Türblätter wurden Seiteneingang an einem Vierständerhaus in aufwändig als Kassettentüren mit zwei Kas- Mammoißel von 1777. Hier ist jedoch nur der setten nebeneinander und dreien überein- ander ausgebildet, wobei das mittlere Feld in Türsturz selbst beschriftet gewesen. „Unsern Eingang segne“ steht auf dem Sturz, das Wort der Regel höher war als die beiden anderen. „Gott“ wurde in den Stiel eingearbeitet, weil auf Bemerkenswert ist, dass diese aufwändig ge- dem Sturz kein Platz mehr war. Bei den meis- stalteten und repräsentativen Türen nicht etwa - in den Wohnbereich führten, sondern auf die ten älteren Häusern mit hoher Traufe wurde ir Diele, direkt neben den Kuhstall. gendwann der alte Türsturz entfernt, um eine höhere Tür einbauen zu können. Erhalten ist der Türsturz beispielsweise noch in Satkau Etwa ab 1860 wurden Häuser mit Querflur (1800), Mammoißel (1801), Seerau im Drawehn gebaut. Nun gab es nicht nur eine repräsen- (1815), Gühlitz (1833) und in Bussau (1798). In - tative Tür, sondern einen insgesamt entspre chend gestalteten Eingangsbereich. Diese den meisten Fällen trägt der Türsturz ebenfalls eine Inschrift (Abb. 71). Türen waren zwangläufig etwas niedriger, weil sie nicht mehr in die zweigeschossige Abseite - der Diele, sondern in den niedrigeren Wohn- Eine veränderte Situation findet man weni ge Jahre später in den Häusern Jiggel 1840 bereich führten. In Liepe (1861) wurde die Ein- und Schreyahn 1841. Die Eingangstüren gangstür noch einflügelig angelegt, in Ranzau wurden dort sehr viel repräsentativer gestalt- (1876) baute man eine zweiflügelige Tür ein mit et. Zwischen den Stielen an beiden Seiten der hochformatigen Fenstern an beiden Seiten, so dass der Eingangsbereich nun auch gut be- Tür wurden die Riegel gänzlich weggelassen oder es gab nur noch einen Riegel knapp un- lichtet war (Abb. 72). - terhalb des Rähms. Die Türen erhielten ver glaste Oberlichter und aufwändige Rahmen- Die Tür in Ranzau ist in der Höhe gleichmäßig

Abb. 71: Seiteneingänge von Hal- lenhäusern des 18. Und frühen 19. Jahrhunderts. Es handelt sich um Brettertüren und es gab in den meisten Fällen eine Inschrift auf

dem Türsturz.

87 dreifach geteilt, spätere Beispiele aus den 6.4.6 Innentüren 1890er Jahren im Stil des Historismus sind zu- meist in der Höhe nur einfach geteilt mit dem Als Innentüren wurden zunächst vermutlich auch ausschließlich Brettertüren verwendet. größeren Feld oben. Türen aus der Zeit des Heimatstils haben oft eine Inschrift auf dem Ab wann Kassettentüren Verwendung fanden, - ist bislang nicht genau einzugrenzen, aber spä- Glas des Oberlichts. Vor allem spätere Türflü testens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhun- gel sind im oberen Teil auch oft verglast. derts dürften sie als Stubentüren eingesetzt Die Schwellen wurden auch für die Seitene- worden sein. Noch bis weit in die zweite Hälfte ingangstüren normalerweise nicht unterbro- des 19. Jahrhunderts hinein wurde im Wohn- chen. Dies gilt sowohl für die älteren Bret- bereich eindeutig unterschieden zwischen tertüren als auch für die späteren Beispiele. der Stube bzw. den Stuben, wo man Kasset- tentüren verwendete und dem Bereich der Stattdessen findet man oft einen größeren Stein als Stufe vor dem Eingang. Küche und den Wirtschafsräumen, wo weiter-

Abb. 72: Seiteneingänge von Hallenhäusern aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Von links: Jiggel 1840, Schreyahn 1841, Lichtenberg 1856.

Abb. 73: Seiteneingänge von Hallenhäusern aus dem späten 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Von links: Ranzau 1876, Luckau 1898, Püggen 1905.

88 hin Brettertüren als ausreichend angesehen 6.4.7 Türen der Butzen wurden. Seit wann es Butzen in den wendländischen Während die ältesten Kassettentüren aus dem Bauernhäusern gibt und seit wann sie mit Türen 18. Jahrhundert nur zwei Felder aufwiesen, verschlossen wurden, lässt sich nicht angeben. waren es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- Die ältesten noch vorhandenen Butzen stam- derts drei und etwa ab 1850 vier Felder (Abb. men aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- 74). Ähnlich wie bei den Fenstern wird am Ende derts und sind für heutige Verhältnisse er- des 19. Jahrhunderts auch bei der Gestaltung staunlich klein. Eine Länge von 1,50 bis 1,60m bei einer Breite von 1,20 bis 1,30m dürfte auch der Türen die horizontale Symmetrieachse damals kaum eine ausgestreckte Liegeposi- aufgegeben und die Türen werden aufgeteilt in einen höheren unteren und einen oberen tion erlaubt haben. Die Leute schliefen halb im Sitzen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden flacheren Teil. allerdings zunehmend längere Butzen gebaut, die gut 1,70m und schließlich bis zu 2m lang Ältere Türen wurden oft wiederverwendet, so waren. dass die vorhandenen Türen und Beschläge - zum Teil älter sind als die Gebäude. Eine genau ere zeitliche Zuordnung könnten auch Vergle- Im Haus in Gühlitz von 1833 gab es zwei But- iche mit anderen Regionen liefern, da nicht von zen in der Stube, in den meisten anderen un- großen regionalen Unterschieden auszugehen tersuchten Häusern war maximal eine Butze ist. Dies gilt sicher auch für die verwende- nachweisbar. Mit der Vergrößerung des Wohn- ten Klinken und Schlösser. Die meisten alten raums wurden auch neue Schlafkammern Wohnraumtüren haben Kastenschlösser. Ein- eingerichtet und die ehemaligen Butzen ver- steckschlösser kommen vermutlich erst nach schwanden, so dass sie heute in den meisten Fällen nur indirekt nachweisbar sind. Um die 1900 auf. Türen im Wirtschaftsbereich wurden in der Regel mit einfachen Fallriegeln verseh- Mitte des 19. Jahrhunderts lagen sie üblicher- en. weise in einer Nische neben der Feuerstelle in der Wand zwischen Küche und Stube und war- en von der Stube aus zugänglich. Es ist anzu- nehmen, dass diese leidlich erwärmten, priv-

Abb. 74: Innentüren, die mit großer Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Bauzeit zuzuordnen sind. Von links: Mammoissel 1777, Gümse 1794, Gühlitz 1833, Lichtenberg 1856, Ranzau 1876 und Luckau 1898.

89 ilegierten Schlafplätze dem Bauernehepaar zum ausgehenden 18. Jahrhundert sind zahl- vorbehalten waren. Im Winter werden die übri- reiche Beispiele nachweisbar, bei denen die gen Familienmitglieder zum Schlafen ebenfalls Wirtschaftsgiebel ursprünglich keine solchen die Stube aufgesucht haben. Obwohl es am Öffnungen hatten (Abb. 76). Da mindestens Ende des 19. Jahrhunderts auch Schlafkam- ein Flügel des Dielentores tagsüber vermut- mern gegeben hat, baute man Butzen auch lich fast immer geöffnet war, konnte man auf - noch in den Heimatstilhäusern ein. Zum Teil zusätzliche Belichtung offenbar auch verzicht sind auch noch Butzentüren als Zugänge zu en. Im 18. Jahrhundert, bis etwa 1790, hatten den Schlafkammern erhalten geblieben. die meisten Häuser neben der Groot Dör keine - Fensteröffnungen. Erst als Glasscheiben leich - ter hergestellt werden konnten und erschwing- Die Türen der im Originalzustand überkomme nen Butzen zeigen eine ähnliche Ausführung. lich wurden, baute man bei neuen Häusern im - Wirtschaftsgiebel durchgehend Fenster ein Es sind zweiflügelige, relativ dünne Kasset tentüren mit Fenster, die im oberen Bereich und rüstete auch die älteren Häuser damit aus. einen gemeinsamen Rundbogen bilden. Da In einigen Fällen war zunächst auch nur auf einige der wenigen erhaltenen Butzentüren einer Seite ein Fenster vorhanden. Auch wenn stilistisch dem späten 19. Jahrhundert zu- fensterlose Giebel nicht den heutigen Sehge- zuordnen sind, ist anzunehmen, dass ältere wohnheiten entsprechen, kann die Wiederher- Butzen oft zunächst mit einem Vorhang ver- stellung des vollständigen Giebelfachwerk bei - der Sanierung die richtige Lösung sein. sehen waren und zum Teil erst später mit auf wändig verzierten Holztüren versehen wurden. In vielen älteren Häusern aus dem 17. und 6.5 Fenster dem frühen 18. Jahrhundert gab es scheiben-

lose Lichtöffnungen neben den Dielentoren, 6.5.1 Fenster neben der Groot Dör der die oben zum Teil als Rundbogen ausgebildet Hallenhäuser wurden. Allerdings stammen die bekannt- en Belege überwiegend aus dem nördlichen Die meisten Häuser haben heute beiderseits Kreisgebiet. Lediglich bei mehreren um 1680 der Groot Dör Fenster oder Öffnungen zur errichteten Häuser in Jameln und Tolstefanz Belichtung der Diele. Das war jedoch nicht im- sind solche Öffnungen ebenfalls nachweisbar mer so. Von den ältesten Hallenhäusern bis (Abb. 77) .

Abb. 75: Butzentüren aus dem 19. Jahrhundert. Sie stammen aus den Häusern Gühlitz 1833, Jig- gel 1840 und Mammoissel 1849. Die Butzentüren selbst dürften zum Teil neuer sein, so ist die Ausführung aus Mammoissel vermutlich einem Umbau aus der Zeit kurz vor 1900 zuzuordnen.

90 Belegt sind außerdem senkrechte Holzgit- bums, da die meisten der abgebildeten Häuser ter statt Fenstern in den Gefachen neben der zum Zeitpunkt der Aufnahmen in den 1860er Groot Dör. Es gab sie zum Beispiel bei Häusern Jahren noch relativ neu oder zumindest erst in Lichtenberg (1856) und Ranzau (1876) (Abb. wenige Jahrzehnte alt waren. Die Auswertung 78). Historische Fotos zeigen solche Fen- dieser und anderer historische Fotos ergibt, stergitter, oder Überreste davon, unter ander- dass man in den letzten beiden Jahrzehnten em bei Häusern aus der zweiten Hälfte des 18. des 18. Jahrhunderts bleiverglaste Fenster aus Jahrhunderts in Klautze, und Gülden. etwa 12x18cm großen, im Hochformat einge- Da es sich nur um wenige Einzelbelege handelt, setzten Einzelscheiben verwendete (Abb. 79), ist unklar, wie weit verbreitet diese Variante zu wobei ein Fenster normalerweise je nach Bre- welchen Zeiten war. Wahrscheinlich waren die ite aus sechs, neun oder zwölf Scheiben be- Gitter eine Alternative zu den beschriebenen stand. Auch in den ersten Jahrzehnten des 19. Rundbögen und kamen etwas später auf. Wie Jahrhunderts waren die Scheiben nicht oder das Beispiel aus Ranzau zeigt, hielt man zum nur wenig größer. Aufgrund des engmaschig- eren Fachwerks genügten nun aber vier Teil auch noch an dieser Ausführung fest, als Fensterscheiben längst üblich waren. Einzelscheiben zur Herstellung eines Groot- Dör-Fensters. Etwa in den 1830er und 1840er Gute Hinweise auf bauzeitliche Fensteraus- Jahren waren größere Scheiben erschwing- führungen liefern die Fotos des Königsal- lich und die Fenster hatten nun nur noch zwei

Abb. 76: Rekonstruktionen des bauzeitlichen Zustands der Giebel von Hallenhäusern aus dem 18. Jahrhundert in Weitsche (1716) und Diahren (1792).

Abb. 77: Rekonstruktionen des bauzeitlichen Zustands der Giebel von Hallenhäusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert in Tolstefanz (1678) und Breese im Bruche (1750).

91 Scheiben im Querformat. Auf den alten Fotos 6.5.2 Fenster im Wohnteil ist die querteilende Sprosse zwar meistens hell und deutlich zu sehen, gleichzeitig aber Eine Beschreibung der Fensterausführungen sehr schmal, weshalb es sich zunächst weiter- für die Zeit vor 1800 ist nur sehr eingeschränkt möglich, weil aus dem Wendland bislang kaum hin um Metallsprossen (z.T. mit Sturmeisen) gehandelt haben dürfte. Später wurden solche aussagekräftige Befunde vorliegen. Original- Fenster aber auch mit schmaler Holzsprosse fenster aus dieser Zeit scheint es nicht mehr gebaut. Die gleichen Fenster verwendete man zu geben und nur selten findet man Spuren im auch noch in den 1860er Jahren, bevor etwa Fachwerk. ab 1870 oft ganz auf eine Sprosse verzichtet wurde. Aus dieser späten Phase stammen ver- Das Fehlen solcher Spuren bis etwa 1790 mutlich auch die selteneren Fenster mit Kiel- weist darauf hin, dass man zu dieser Zeit of- bogen an der Oberseite. fenbar ebenfalls Rahmen verwendete und die Fenster nicht direkt im Fachwerk anschlug. Leider sind aus dieser Zeit bislang keine erh- altenen Fenster gefunden worden und auch

Abb. 78: Rekonstruktionen des bauzeitlichen Zustands der Giebel von Hallenhäus- ern aus dem 19. Jahrhundert in Lichtenberg (1856) und Ranzau (1876).

Abb. 79: Fenster neben der Groot Dör aus unterschiedlichen Phasen. Die Sprossen wurden zunächst immer aus Blei gefertigt. Erst bei den späteren Fenstern mit Kreuzsprossen oder nur einer Quersprosse wurde auch Holz verwendet, vermutlich aber vor allem bei Nach- bauten und Reparaturen. Von links: Karmitz um 1785, Köhlen 1794, Dolgow 1815, Schreyahn 1828, Satemin 1850. Darunter zwei nicht genau datierte Beispiele aus dem späten 19. Jahrhundert.

92 - aussagekräftige fotografische Belege, auf hochformatige, zweiflügelige Fenster nach denen dieser Zustand noch festgehalten ist, weisbar . Bei diesen Fenstern wurde der Mit- sind nicht bekannt. Denkbar wären Schiebe- telpfosten mit einem flachen Blatt und einem fenster (vgl. Abb. 86) oder feststehende Fen- Eisennagel im darüberliegenden Querholz, oft ster, die mit eigenem Rahmen (Zargenrahmen) direkt im Wandrähm, befestigt. Auch auf einer zwischen die Fachwerkhölzer gesetzt wurden. undatierten Aufnahme ohne Ortsangabe aus Aus dem Münsterland sind solche Fenster, in dem frühen zwanzigsten Jahrhundert ist ein - solches Fenster im Wohngiebel eines vermut- Kombination mit zu öffnenden Holzluken un terhalb der Verglasung bekannt. lich um oder kurz vor 1800 errichteten Hauses zu sehen. In einem Haus in Diahren von 1792 Die Entwicklung der Scheibengrößen im Laufe lassen die ablesbaren Fensterformate und des 19. Jahrhunderts wurde bereits im Zusam- das Fehlen eines Sturzriegels oberhalb des menhang mit Fenstern im Wirtschaftsteil bes- Fensters ebenfalls solche Fenster vermuten. chrieben. Sie vollzog sich überregional im Auch ein 1808 in Diahren gebautes Haus hatte ländlichen Hausbau ganz ähnlich und gilt auch ursprünglich noch fast quadratische Fenster für die Fenster im Wohnteil. Anhand der vorlie- ohne Sturzriegel. genden Befunde lässt sich eine grobe Abfolge der verschiedenen Fenster- und Rahmenkon- Bei den vierflügeligen Fenstern sind oft rechts struktionen ab dem späten 18. Jahrhundert und links in den Ständern auf halber Höhe angeben. Im Einzelfall sollten immer die Spuren der Fenster die Blattsassen des Kämpfers zu am Gebäude zu Rate gezogen werden und sehen. Manchmal wurde der Kämpfer aber durch zukünftige Erkenntnisse sind genauere auch in eine Zarge eingesetzt, dann fehlen die Ergebnisse bzw. Korrekturen zu der im Folgen- Blattsassen im Fachwerk auch bei im Fachwerk den dargestellten regionalen Fensterhistorie angeschlagenen Fensterflügeln. Vierteilige, im zu erwarten. Fachwerk angeschlagene Fenster sind vere- inzelt durch historische Fotos dokumentiert. In situ erhaltene Fenster aus dieser Zeit konnt- Etwa ab 1790 bis ungefär 1840, zum Teil auch bis 1850, wurden die Wohnraumfenster direkt en bislang nicht gefunden werden. Ein Haus in im Fachwerk angeschlagen. Bei den Häusern Gühlitz von 1833 verfügt allerdings noch über aus dieser Phase sieht man in den Hölzern ein solches Fenster, dass im Zuge einer frühen über den Fenstern (zunächst sind dies meis- Umbaumaßnahme offenbar versetzt wurde. tens die Wandrähme, später wurden zusätzlich Sturzriegel direkt unter die Rähme gesetzt) die Bis etwa 1830 waren die verfügbaren kleinen Blattsassen (etwa 5cm breit), in denen Einzelscheiben noch relativ klein, so dass eine die senkrechte Mittelsäule angeschlagen war. Bleiverglasung mit Sturmeisen nötig war. Zu Sofern der untere Fensterriegel noch vorhan- sehen ist ein solches Fenster auf einer alten den ist, weist er ebenfalls eine solche Blattsasse Aufnahme eines Hauses von 1829 in Lüsen. auf. Außerdem findet man an den Ständern rechts und links die Löcher der Hesphak- Ab etwa 1840 setzen sich zunehmend Fen- ster mit Zargenrahmen durch, bei denen Mit- en. Zunächst waren die Fenster zweiflügelig, telsäule, Kämpfer und Hesphaken im Rahmen später vierflügelig. Die genaue Aufteilung ist bei den meisten Häusern nicht festzustellen, befestigt wurden. Im Fachwerk zeigen sich weil mögliche Spuren von alten Fensterklo- daher keine Spuren mehr, anhand derer sich ben durch aufgenagelte Bekleidungsbretter die Fenstergestaltung ablesen lässt. Während verdeckt werden. Bei Zweiständerhäusern, in Jiggel 1840 und Groß Sachau 1849 bereits die um 1800 eine Stube erhielten, sind leicht Zargenrahmen verbaut wurden, hat man die

93 Abb. 80: Wohnraumfenster aus dem 19. und dem späten 18. Jahrhundert;

zum Teil nach Befunden rekonstruiert.

Abb. 81: Wohnraumfenster aus dem - 19. Jahrhundert; zum Teil nach Befun den rekonstruiert.

Abb. 82: Wohnraum- fenster aus dem 19. Jahrhundert; Ansicht von innen mit Sturm- haken und Ankettel- haken.

94 ben die Fenster in Ranzau Holzsprossen. In Fensterflügel in Breustian 1844 und Bussau 1848 wiederum direkt im Fachwerk eingesetzt. den 1890er Jahren wurde schließlich ganz auf Bei dem Haus in Bussau waren zudem nur die Sprossen verzichtet. Eine für wenige Jahre um 1895 typische Form zeigt das Beispiel des oberen Flügel zu öffnen, die unteren hingegen feststehend. Bei den im Fachwerk angeschla- Heimatstilhauses Diahren 1894: oberhalb des genen Fenstern waren die Kämpfer seitlich in Fensters wurden zwei Riegel flach gekreuzt die Stiele eingesetzt und in der Außenansicht verbaut, denen das Oberlicht sich in der Form durchgehend. Die Mitttelpfosten wurden bei anpasst. Hier treten außerdem Blendrahmen- den etwas jüngeren Fenstern in den ins Fach- fenster auf, während in Luckau 1898 noch Fen- werk genagelten, inneren Rahmenbrettern ster mit Zargenrahmen eingebaut wurden. befestigt, so dass in den Setzriegeln keine 6.5.3 Fensterbekleidungen Blattsassen zu finden sind.

Außerdem wurden nicht in allen Fällen Riegel Fensterbekleidungen sind im Wendland ver- unter die Fenster gesetzt. Ab etwa 1845 gibt mutlich eine recht späte Erscheinung. Auf den es bei vielen Häusern keine Riegel unter den Fotos aus dem Königsalbum sind noch keine Fenstern, stattdessen verwendete man kräf- zu sehen. Auch viele Fotos aus dem frühen 20. tige Bohlen. Gut erhalten war diese Situation Jahrhundert zeigen noch Fenster ohne Beklei- bis vor einigen Jahren bei einigen Fenstern im dungen. Es ist daher davon auszugehen, dass Haus Liepe 1861. Die kräftige Bohle war hier sich aufgenagelte Fensterbekleidungen erst einfach ohne Führungsnut zwischen die Stiele deutlich nach 1860, vermutlich erst um 1900 geklemmt worden. durchsetzten. Es erscheint sinnvoll, sich beim Nachbau von Bekleidungen immer an alten Fo- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tos oder noch vorhandenen Resten zu orien- nimmt die Höhe der Fenster weiter zu, da auch tieren. die Wohnräume, zumindest im Erdgeschoss, nun etwas höher gebaut werden. Der Kämpfer 6.5.4 Fensterläden wird nicht mehr mittig angeordnet, sondern wandert nach oben. Die Aufteilung der Fenster Ähnlich wie die Fensterbekleidungen haben hing dabei auch von der verfügbaren Schei- auch Fensterläden erst um 1900 bei Bauern- bengröße ab, wobei 1861 in Liepe und 1876 häusern im Wendland Verbreitung gefund- in Ranzau jeweils etwa gleich große Scheiben en. Vermutlich sollten sie zu einer besseren für die Oberlichter und die unteren Fenster- Wärmeisolierung beitragen. Mit Fensterläden wurden in erster Linie die Stubenfenster ver- flügel verwendet wurden. Während in Liepe noch Metallsprossen verwendet wurden, ha- sehen und das wiederum, darauf deuten die

Abb. 83: Fensterbeklei- dungen an unterschiedlich alten Fenstern. Die Beklei- dungen in Lichtenberg und Liepe wurden nachträglich an den Fenstern angebracht.

95 Abb. 84: Fensterläden, nicht datiert, vermut- lich um 1900.

Befunde bislang hin, vor allem an der West- 6.5.5 Fenster und Holzklappen im seite. Bei keinem der untersuchten Häuser Wirtschaftsteil der Hallenhäuser waren alle Wohnraumfenster mit Läden ver- sehen worden. Im Wirtschaftsteil der Häuser gab es zu- - nächst kaum Fenster. Als Belichtungsöffnun Verwendet wurden Faltläden, die einseitig ne- gen kamen zum Teil Holzklappen vor. Häufig ben den Fenstern im Fachwerk angeschlagen wurden diese Klappen später durch Fenster wurden. Beidseitige Halbläden konnten im his- ersetzt und es wurden zusätzliche Fenster torischen Bestand bislang nicht festgestellt eingebaut. Daher ist es heute oft schwierig, werden. Es lassen sich sehr unterschiedliche - bauzeitliche und nachträgliche Fensteröffnun Ausführungen nachweisen, von einfachen gen im Bestand gegeneinander abzugrenzen. Bretterläden bis hin zu verzierten Kassetten- läden. Die schlichteren Bretterläden waren Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts dürften Fenster im Bereich der Stallungen nicht vor- mit Hilfe einfacher Türbänder eingehängt und wurden in der Regel mit groben Metallriegeln handen gewesen sein. Auch bei den um 1850 von außen im geschlossenen Zustand befes- gebauten Häusern im Königsalbum sind Fen- tigt, während die aufwändiger gearbeiteten ster im Erdgeschoss der vorderen Abseiten Läden Möbelscharniere besaßen und mit - selten. Häufiger kommen Fenster im Oberges choss der Abseiten vor, wo sie vermutlich den kleinen Haken am Fensterkreuz fixiert werden konnten. Kammern der Mägde und Knechte zuzuordnen sind. Vermutlich gehören die wenigen Fenster im Erdgeschoss auch nicht zu Stallungen, sondern ebenfalls zu Kammern. Die Räume di-

96 Abb. 85: Fenster und Holzklappen im Bereich der Abseiten.

rekt über den Kuhställen erhielten ihr Licht oft Brettern, zum Teil auch mit Hilfe von schmalen durch kleine Fenster im Wirtschaftsgiebel, die Hilfsstielen und -riegeln eingesetzt. Bei drei- wie die Fenster neben der Groot Dör gestaltet fach ausgeriegelten Traufwänden waren keine waren. Hilfsriegel mehr notwendig und nach Au-

flösung des gebundenen Systems stellte man Ein frühes Beispiel liefert eine Aufnahme aus die Stiele zum Teil in den passenden Abstand, dem Königsalbum, auf der unter anderem ein so dass auch keine Hilfsstiele mehr benötigt Vierständerhaus von 1794 zu sehen ist, des- wurden. sen Traufwand seither kaum verändert wurde. Im eigentlichen Stallteil sind auch hier keine Auch bei den Fenstern im Wirtschaftsteil Fenster vorhanden. Im Erdgeschoss gab es le- richtete sich die Aufteilung der Fenster nach diglich ein kleines Fenster im Bereich der Lucht den vorhandenen Scheibengrößen. Zu Beginn (s.u.). Im niedrigen oberen Geschoss sind zwei des 19. Jahrhunderts bestanden die in der Re- gel hochformatigen Fenster aus sechs mit Blei Öffnungen zu sehen, die zu zwei gleich großen - eingefassten Einzelscheiben, etwa ab 1840 Kammern gehörten. Die Auflösung der vorlieg enden Reproduktionen des Originalfotos lässt wurden drei übereinanderliegende, querfor- keine exakten Details erkennen. Die zumindest matige Scheiben verwendet. Zum Teil wurden beim vorderen Fenster erkennbare Sprossen- auch noch später kleinere Scheibenformate teilung lässt auf ein kleinteiliges Bleisprossen- oder zweitverwendete Fenster eingebaut. fenster schließen. Ob man es öffnen konnte, ist unklar. Die heute noch vorhandenen Bretter, Ähnlich wie die Wohnraumfenster wurden auch die kleineren Fenster in den Abseiten in die die beiden Fensteröffnungen jeweils zum Lehmgefach abschließen, passen zu den Fen- der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts oft di- stern auf dem Foto. Es könnte sich also um die rekt im Fachwerk angeschlagen. Etwa ab 1840 bauzeitlichen Fensterrahmen handeln. Heute setzten sich auch hier zunehmend schmale sind dort im Fachwerk angeschlagene Fenster Zargenrahmen durch. mit größeren Scheiben eingebaut. In reinen Lagerräumen wurden statt Fenstern In den großen Gefachen der älteren Häuser auch einfache Holzklappen verwendet. Wie die Brettertüren wurden sie bis zum Ende des wurden kleine Öffnungen zum Teil einfach mit

97 Fachwerkbaus normalerweise direkt an den Besitz von Dr. Horst Löbert, Böddenstedt (LK- Stielen angeschlagen, wobei entweder Mö- Uelzen) befindet, kann daher auch als Beispiel - für eine mögliche Ausführung im Wendland belscharniere oder kleine Türbänder verwen det wurden. angesehen werden.

6.5.6 Fenster in den Luchten alter Hallen- 6.5.7 Innenfenster zwischen Diele und häuser Stube

Flettdielenhäuser mit Luchten wurden im nie- Hallenhäuser aus der ersten Hälfte des 19. deren Drawehn nur bis etwa 1800 gebaut. Jahrhunderts haben (oder hatten) normaler- Bislang konnten an vor 1780 in diesem Geb- - weise neben der Tür zwischen Stube und Di iet errichteten Häusern keine verwertbaren ele ein Fenster, das sogenannte Tranfenster. Spuren gefunden werden, die Rückschlüsse Dort wurde eine Lampe aufgestellt, die zum auf die Größe und Ausführung von Luchtfen- einen zum Beleuchten der Stube diente, zum stern ermöglichen . Da aber auch im Wend- anderen aber auch in der dunklen Diele den land Fenster in den Luchten anzunehmen sind, Weg zur Stubentür wies. Dies Fenster war im muss davon ausgegangen werden, dass lange 19. Jahrhundert normalerweise mit einem Ein- Zeit nur feststehende Fenster verwendet bauschrank kombiniert. Im Einfachsten Fall wurden, die nach dem Ausbauen keine Spuren gab es über und unter dem Fenster von der - in den Außenflächen des Fachwerks hinter Stube aus zugängliche offene Regalböden. lassen haben. Wahrscheinlich waren es mit Zur Diele hin bestand die Wand an dieser Stelle Bleisprossen, Windeisen und kleinen Schei- dann lediglich aus Brettern. ben gebaute Fenster mit Zargenrahmen. Sol- che Fenster hat auch Gerhard Eitzen in seinen Die verwendeten Fenster entsprachen den Rekonstruktionszeichnungen angenommen, sonst verwendeten Fenstern hinsichtlich der wobei er keinerlei Details dargestellt hat. Scheibengröße und Bauweise und ähnelten aufgrund des Formats stark den Fenstern ne- Dass im Fachwerk keine Spuren von Fenster- ben der Groot Dör. Ähnlich wie dort gibt es haken oder Scharnieren gefunden werden - auch bei den Tranfenstern Exemplare mit Kiel konnten, kann auch als Hinweis auf die ehe- bogen. malige Verwendung von Schiebefenstern an- gesehen werden. Ein historisches Schiebefen- ster aus dem Landkreis Uelzen, dass sich im

Abb. 86: Fenster im Bereich der Luchten. Bild 1: Fenster einer kurzen Lucht, Köhlen 1794, Rekonstruktion anhand von Befunden und historischen Fotos. Bild 2: Rekon- struktion im Stil der von G. Eitzen gezeichneten Luchtfenster; Bild 3: Schiebefen- - ster aus dem Landkreis Uelzen mit einem zu öffnenden Element, nicht datiert, ver mutlich 18., vielleicht auch 17. Jahrhundert.

98 6.5.8 Fenster der Wirtschaftsgebäude 6.6 Farben

Die älteren Wirtschaftsgebäude besaßen nur 6.6.1 Farbgebung im Außenbereich um in seltenen Fällen Fenster. Wenn dort gear- die Mitte des 19. Jahrhunderts beitet wurde, fiel Licht durch die geöffneten Ab wann das Fachwerk von außen farbig Türen und Tore. Bei Durchfahrtsscheunen gab gestrichen wurde, ist nicht bekannt. Die es manchmal unverglaste Öffnungen neben - frühesten aussagekräftigen Belege gibt es dem Tor. Vierständerscheunen erhielten, ähn lich wie die Hallenhäuser, im 19. Jahrhundert aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu dies- Fenster beiderseits der Groot Dör. er Zeit waren Farbanstriche im Außenbereich üblich und auch ältere Häuser, die ursprünglich Insgesamt ähneln die Fenster der Wirtschafts- vielleicht keinen umfangreichen Anstrich hat- gebäude jenen, die auch bei den Hallenhäus- ten, erhielten eine zeitgemäße Farbgestaltung. ern ab dem späten 19. Jahrhundert verwendet Wahrscheinlich kamen Farben im Außenbere- wurden. So treten beispielsweise bei Back- ich spätestens gemeinsam mit den Inschriften häusern aus den 1890er Jahren auch die Fen- und Ornamenten auf, da diese ohne farbliche ster mit spitzem Oberlicht auf, die auch bei den Hervorhebung kaum zu erkennen wären.

Heimatstilhäusern dieser Zeit zu finden sind. Auf den Bildern im Königsalbum von 1866 ist Eine Ausnahme bilden die Fenster der Mas- an den Kontrasten deutlich zu erkennen, dass sivgebäude, insbesondere der Schweineställe. auf den Schriftbalken in den meisten Fällen Aufgrund der anderen Bauweise mussten auch eine helle, vermutlich weiße oder hellgraue, Schrift auf dunklerem Untergrund üblich war. die Maueröffnungen anders gestaltet werden. Im Gegensatz zu den geraden Fenster- und Das eingetiefte Schriftband (Kartusche) war zusätzlich dunkel gegenüber dem übrigen Türstürzen im Fachwerkbau, konstruierte man bei den aus Ziegelsteinen gemauerten Stäl- Balken abgesetzt. Zum Teil wurden offenbar - auch die gesamten Balken des Fachwerks, len Fenster- und Türöffnungen mit Stichbo gen, seltener auch mit Rundbogen. In einigen zumindest am Wirtschaftsgiebel, gestrichen. Fällen, vor allem bei frühen Beispielen und Deutlich wird dies an einigen Beispielen mit bei größeren Fenstern, handelte es sich um besonders hellem und besonders dunklem Fachwerk. Die Gefache waren zu dieser Zeit Holzfenster. Häufiger findet man gusseiserne Fenster mit gleichmäßigem Rechteckraster, noch steinsichtig, also nicht überstrichen. die auf halber Mauerstärke eingesetzt wurden.

Abb. 87: Stallfenster von Schweineställen in Massivbauweise.

99 Abb. 88: Farbgebung um 1850, Beispiele für Farbkon- traste auf Grundlage der Fotos aus dem König- salbum von 1865.

Abb. 89: Farbgebung um 1850, Beispiele für Farbkon- traste auf Grundlage der Fotos aus dem König- salbum von 1865.

100 In dieser Zeit wurde für die Namen und das Leider lassen sich anhand der alten Schwarz- - weißaufnahmen keine Aussagen über die ver- Datum auf dem Türsturz meistens eine ande re Farbkombination gewählt als für die übri- wendeten Farben ableiten. Die auf den Fotos gen Schriftbalken. Auf mehreren Fotos aus vorhandenen Kontraste wurden anhand ein- dem Album erscheint die Schrift dunkel und iger Beispiel in den Abbildungen 88 und 89 dargestellt . der Torsturz hat eine andere Farbe als der Schriftbalken. In manchen Fällen erkennt man sogar komplett hell (oder weiß) gestrichene Einige wenige erhaltene Altanstriche, z.B. an später überbauten Stellen, weisen die Torstürze, Torkopfbänder und Torstiele. Fast durchgehend waren die oberen Bereiche der Verwendung von Goldtönen und dunklen - Grüntönen nach. Von solchen Zufallsfunden Torstiele hell gestrichen, um einen Hintergr und für die aufgemalten Blumenornamente zu und wenigen neueren Farbbefundungen ab- bilden. Auch die Groot Dör und die Misttüren gesehen ist aber nicht bekannt, welche Farben genau verwendet wurden. Karl Hennings bes- sind auf den alten Fotos gestrichen. Häufig chreibt die Farbgebung an den Wirtschafts- sind auffällig helle Türen zu sehen. giebeln mit den Worten : „Jetzt ist das Geb- Eine relative seltene Variante ist zweimal fo- äude von der Spitze des Giebels bis auf den Sockel mit Oelfarbe in grellen Schattierun- tografisch dokumentiert, bei einem Haus aus Reetze (1866 gebaut und für das Königsalbum gen gestrichen“. Die zumeist weniger grel- - len, gedeckten Farben an in den vergangenen fotografiert) und bei einem aus Lensian (im Fo toalbum der Molkereigenossenschaft Dolgow Jahrzehnten restaurierten Gebäuden spiegeln von 1904). In beiden Fällen wurde die Groot wohl eher heutige ästhetische Vorstellungen Dör wie eine Kassettentür gestrichen, jeweils wider als die historischen Gegebenheiten. mit dunkleren „Rahmenhölzern“ und helleren „Kassetten“.

Abb. 90: Farbgebung um 1900; Beispiele nach Untersuchungen der

Technischen Universität Braunschweig unter der Leitung von Professor E. Kulke aus den frühen 1970er Jahren.

101 Aus der Zeit um 1850 stammen vermutlich aus Farbuntersuchungen, die in den 1970er auch Farbbefunde an einem Haus in Püg- Jahren durchgeführt wurden (Abb. 90 und 91). gen von 1834. Eine solche Farbwahl ist heute Insgesamt scheint man die Ornamente nun kaum vorstellbar, aber dort waren die Fach- weniger betont zu haben. Bei vielen Häusern werkhölzer des Wirtschaftsgiebels durchge- verschwand der weiße Hintergrund der Blu- hend in einem kräftigen Blauton („Ultramarin“) menornamente am Torbogen. Schriftbalken gestrichen. Nachdem in der ersten Hälfte des und Torbalken sowie die Inschriften wurden 19. Jahrhunderts verschiedene Verfahren zur nun meistens farblich einheitlich behandelt. synthetischen und kostengünstigeren Herstel- Auch die bunten Bemalungen am Firstdrei- lung dieses Farbtons entwickelt worden war- eck wurden nicht mehr erneuert. Üblich waren en, wurde blau auch im Außenbereich gerne aber noch die an dieser Stelle vorgenagelten verwendet. Ähnliche Befunde gibt es auch aus Metallplatten, die oft mit einem Großbuchs- taben in Frakturschrift (erster Buchstabe des anderen Teilen des Hallenhausgebietes. Familiennamens) versehen wurden. 6.6.2 Farbgebung an den Außenwänden um 1900 Während sich die Farbgebung in der Mitte des - 19. Jahrhunderts offenbar auf die Wirtschafts Gegen Ende des 19. Jahrhunderts veränderte giebel beschränkte (vermutlich waren auch eventuell vorhandene Inschriften am Wohnteil sich die gängige Farbgebung. Auffällig ist vor allem, dass, vor allem nach 1900, auch die Ge- farblich hervorgehoben), bemalte man zu dies- fache inklusive der Fugen einfarbig gestrichen er Zeit mitunter sämtliche Außenwände oder zumindest alle Außenwände im Sichtbereich. wurden, so dass häufig ein starker Kontrast zwischen dunklem Fachwerk und hellen Ge- fachen entstand, wie er auch aus anderen Bei Häusern, bei denen in den Jahren vor Fachwerkregionen bekannt ist. Einige Beispiele dem ersten Weltkrieg der Bereich hinter dem von Farbfassungen dieser Zeit ergeben sich Wirtschaftsgiebel zum Wohnen umgebaut

Abb. 91: Farbgebung um 1900; Beispiele nach Untersuchungen der

Technischen Universität Braunschweig unter der Leitung von Professor E. Kulke aus den frühen 1970er Jahren.

102 bislang nicht vor. Daher stützen sich die fol- wurde, hat man in mehreren fotografisch belegten Fällen Fachwerk und Gefache in der genden Aussagen auf Einzelbeobachtun- gleichen Farbe gestrichen und so, einer eigen- gen. Oft lässt sich lediglich eine Abfolge von tlich deutlich älteren Mode folgend, den Ein- Farbtönen feststellen, eine Datierung ist kaum druck eines Massivbaus vorgetäuscht. möglich.

6.6.3 Farbfassungen im 20. Jahrhundert - Auf alten Innentüren findet man in der Re gel zahlreiche Farbschichten. Unter neueren, Viele Häuser wurden im Verlauf des 20. hellen Anstrichen in weißen oder beigen Jahrhunderts erneut gestrichen, oft auch Farbtönen liegen dabei überwiegend dunkle noch vor dem Beginn des zunehmenden Inter- Farben in Grün-, Blau- oder Brauntönen. In zwei esses an den Rundlingen in den 1970 Jahren. Häusern, die einige Jahrzehnte lang nicht be- Die vielfach recht bunten Farbgebungen der wohnt worden waren (Gühlitz 1833 und Licht- - enberg 1856), dominierten ebenfalls dunkle vorigen Phase verschwanden zum Teil wie der und Ornamente wurden nun nicht selten Farben (grün und grau) an den Türen, Fenstern ganz überstrichen. Farbigkeit und Kontraste und Wandvertäfelungen. In Gühlitz waren die nahmen ab und oft kamen braune Farbtöne vorhandenen Butzen und Butzentüren in den zum Einsatz. Zum Teil wurde gänzlich auf eine gleichen Grautönen gestrichen wie die Türen. farbliche Hervorhebung der Inschrift ver- zichtet. Falsch verstandener Holzschutz und Auch an den Wänden sind immer zahlreiche Farbschichten übereinander vorhanden. Eine die Verwendung von diffusionsdichten Farben führten dabei in vielen Fällen zu nachhaltigen genaue Analyse kann in jedem Einzelfall vorge- Schädigungen des Holzes. nommen werden. In einigen Häusern findet man heute noch stellenweise Farbfassungen, Gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts die vermutlich noch aus der Zeit vor dem er- wandte man sich den Häusern wieder mit sten Weltkrieg stammen. Die zum Teil sehr gestiegener Wertschätzung zu. Die Farbkom- aufwändigen Wandbemalungen wurden mit binationen wurden dabei oft ohne konkrete his- Schablonen oder Musterrollen erstellt. Die torische Vorbilder frei gewählt. Der verbreitete Muster wirken für den heutigen Geschmack Farbton „Wendlandblau“, meist interpretiert als oft zu unruhig und die verwendeten Farbtöne ein Graublau, ist historisch bislang nicht belegt sind auch an den Wänden in vielen Fällen rel- und wurde auch von Kulke nicht gefunden. ativ dunkel. - Eine überdurchschnittlich häufige Verwend ung blauer Farben wird in historischen Besch- Eine Besonderheit sind die in den repräsenta- reibungen des Wendlands nicht erwähnt. - tiven Eingangsfluren aufgemalten Wandgemäl de, zumeist mit ovalem Rahmen, die z.B. Jagd- Da über die Farbgebung insgesamt bislang motive (Hirsch, Rehe) oder Parklandschaften noch zu wenig bekannt ist, sind system- zeigen. Die gleichen Motive findet man auch atische Farbanalysen, vor allem im Vorfeld von noch in einigen ehemaligen Gasstätten im Neuanstrichen und Sanierungen, dringend Wendland, so zum Beispiel im Saal in Wadde- wünschenswert. weitz.

6.6.4 Farben im Innenbereich

Systematische Untersuchungen zur Farb- gebung im Innenbereich der Häuser liegen

103 6.7 Dächer Der Sparrenabstand lag vor 1800 üblicher- weise noch bei über 2m, Häuser aus der Zeit 6.7.1 Weichdächer um 1700 und davor weisen sogar Sparrenab- stände von fast 3m (maximal sogar bis zu 3,5m) Bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren auf. Zusammen mit den üblicherweise verwen- die Dächer im niederen Drawehn fast durch- deten kräftigen halbrunden Dachlatten kon- gehend mit Stroh gedeckt. Aus den 1830er nten so stabile Strohdächer errichtet werden. Jahren stammen die frühesten Beispiele von Auch bei den ursprünglich weich gedeckten Vierständerhäusern aus dem 19. Jahrhundert Hallenhäusern, die offenbar von Anfang an ein Ziegeldach erhielten. Danach setzten sich findet man noch Sparrenabstände von fast Ziegeldächer zunehmend durch, auch zum 2m, wobei bis 1850 eine Verringerung auf etwa besseren Brandschutz nach den zahlreichen 1,5m feststellbar ist. Dorfbränden. Die Bilder aus dem Fotoalbum zeigen, dass die Auf den Bildern im Königsalbum sieht man Firste im 19. Jahrhundert üblicherweise mit noch viele Häuser mit Strohdach. Die Auf- Dachreitern aus Holz gesichert wurden (Abb. nahme von Satemin zeigt, dass beim Wieder- 91). Bei starker Vergrößerung erkennt man, dass dabei auch wiederverwendete Hölzer, aufbau 1850 offenbar sowohl mit Stroh- als auch mit Ziegeln gedeckt wurde, während auf wie ehemalige Fachwerkriegel, zum Einsatz dem Bild von Güstritz alle Häuser aus dem Wie- kamen. Die Hölzer dieser Knüppelfirste waren deraufbau von 1851/52 mit Ziegeln gedeckt nicht am First gekreuzt und standen nicht oder sind. Die letzten bekannten, nachweislich we- kaum an der Firstlinie über. Auf welche Weise ich gedeckten Hallenhäuser stammen aus den sie befestigt wurden, ist unklar. Vermutlich - wurden sie mit Weidenruten aneinanderge- 1860er Jahren. Heute findet man in den Run dlingsdörfern gar keine weich gedeckten Hal- bunden. Eine andere, seltenere Variante ist lenhäuser mehr. Im niederen Drawehn wurde ebenfalls auf den alten Fotos zu sehen. Statt vermutlich noch lange Roggenstroh verwen- der Hölzer wurden offenbar auch kleine Bunde det, während Reet, also Schilfrohr, eher im El- aus Langstroh verwendet und ähnlich wie die beraum anzunehmen ist. Hölzer am First befestigt.

92: Firstausbildung bei Weichdächern in der Mitte des 19. Jahrhunderts als „Knüppel-

first“ (Bild links: Satemin, Ausschnitt aus der Fotografie im Königsalbum von 1866) und um 1900 als Reetfirst (Dolgow, Ausschnitt aus einer Fotografie um 1900). Die Ortgänge sind in beiden Fällen aus Holz.

104 Um 1900 scheint diese Firstausführung bei Sparrenabstände betragen bei den älteren Neueindeckungen aufgegeben worden zu Hartdächern rund 1,3m und später unter 1m. sein. Aufnahmen aus dem frühen 20. Jahrhun- Während alle älteren, weich gedeckten Häuser ursprünglich einfach gekehlte Sparrendächer dert zeigen entweder reine Strohfirste (Abb. 91) oder in einigen Fällen auch Holzreiter aus ohne Stuhl aufwiesen, wurde bei Häusern mit schlankeren und nun über dem First gekreuz- Hartdach zusätzlich ein stehender Stuhl unter ten Hölzern. Es gab also eine ganze Reihe die Kehlbalkenlage konstruiert. unterschiedlicher Lösungen. Nur Heidekraut- Nachträglich mit einem Hartdach versehene firste, wie sie heute bei der Eindeckung mit Reet meistens verwendet werden, sind im Häuser erhielten in den meisten Fällen im Zuge Wendland historisch nicht belegt. der Umdeckung ebenfalls einen Dachstuhl und zusätzliche Sparren, die zwischen die vorhan- 6.7.2 Ziegeldächer denen Sparrenpaare gestellt wurden. Vor allem bei den nachträglich eingebauten Dachstühlen Zur Dacheindeckung schreibt Karl Hennings sind deren Ständer oft leicht nach außen ge- im Jahr 1862: „Wenn auch die Strohdeckung neigt. Typisch sind solche Umbauten vor allem fast noch allgemein angewandt wird, da Stroh für das frühe 20. Jahrhundert. als schlechter Wärmeleiter und guter Wärme- halter für den Sommer sowohl als für den Win- Ob es sich um einen bauzeitlichen oder einen ter viele Vorteile gewährt, andererseits auch nachträglich eingebauten Stuhl handelt, ist kein Kalk wie bei den Ziegeldächern zwischen nicht immer leicht zu erkennen. Bauzeitliche Heu und Stroh fallen kann, so bürgern sich Dachstühle sind aber in der Regel besser in das doch, wenn auch schwer, die Steindäch- übrige Dachwerk eingepasst, die Pfetten ver- er immer mehr ein. In neuerer Zeit machen laufen in einer Linie von Giebel zu Giebel und stattlich aussehende Schieferdächer den sind dort, zusammen mit einem kurzen Kopf- Ziegeldächern harte Konkurrenz.“ Ein Verbot band, in passend gesetzte Stiele eingezapft. von Strohdächern scheint es also trotz der er- In Höhe der Querwand verspringen die Pfetten höhten Brandgefahr nicht gegeben zu haben. normalerweise mit den im Wohnteil höher lieg- enden Kehlbalken. Ein früher, augenscheinlich Mit der harten Eindeckung verändert sich bauzeitlicher Dachstuhl befindet sich in einem auch die Konstruktion der Dachwerke. Die Haus in Göttien von 1837.

Abb. 93: Firstausbildung bei Hartdächern in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Schief-

erfirst (Bild links: Satemin, Ausschnitt aus der Fotografie im Königsalbum von 1866) und Ziegelfirst bei einem um 1900 mit Falzziegeln gedeckten Dach (Köhlen, Ausschnitt aus einer Fotografie um 1950). In beiden Fällen sind die Ortgänge mit Schiefer belegt.

105 Einen Hinweis auf die ursprüngliche Dachein- ten an den Giebeln bis zum Ortgang herausra- deckung liefert auch die Dachneigung. gen. Die meisten um 1900 im Chaletstil geb- Ziegeldächer mit Dachstuhl weisen normaler- auten Häuser haben Schieferdächer, ebenso weise eine Dachneigung von 45° auf, während wie späte Hallenhäuser aus dieser Zeit, z.B. in die Sparren der Weichdächer etwas steiler Luckau, Köhlen und Jabel. gestellt wurden (rund 48°). Dieser geringe Un- terschied ist in der Giebelansicht mit bloßem Es handelt sich normalerweise um englischen Auge erkennbar, allerdings haben die ersten Schiefer, der auch in Form der sogenannten mit Ziegeln eingedeckten Häuser bis um die englischen Deckung, in geraden Reihen, ve- Mitte des 19. Jahrhunderts auch noch die - rarbeitet wurde. Schiefer ist als Baustoff aus steilere Dachneigung. gesprochen langlebig. Probleme bereiten heu- te oft die korrodierten Befestigungsnägel. Als Ziegel wurden zunächst ausschließlich rote Hohlpfannen verwendet. Die Bilder des 6.7.4 Dacheindeckungen im späten 19. Königsalbums zeigen, dass es keine speziel- und frühen 20. Jahrhundert len Firstziegel gab. Der First wurde, wie auch die Ortgänge, mit auf Holzbohlen genagelten Ab dem späten 19. Jahrhundert entwickelte Schieferplatten ausgebildet. Diese Bauweise sich eine große Vielfalt an harten Eindeck- sieht man auch noch heute bei einzelnen Geb- ungen. Es wurden Hohlpfannen und Dop- pelmulden-Falzziegel (etwa ab 1890), Zement- äuden. Zum Teil sind auch noch Dächer mit bauzeitlichen Handstrichziegeln aus dem 19. dachplatten (etwa ab 1900), Zementfalzplatten (etwa ab 1900) und rautenförmige Faserze- Jahrhundert zu finden. mentschindeln (etwa ab 1920) verwendet. Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert gab es neben den Hohlpfannen eine große Vielfalt Doppelmulden-Falzziegel treten auch vor harter Dacheindeckungen (siehe 4.7.4). - 1900 schon in engobierter Form auf. Man fin det sie, wie die übrigen Eindeckungen auch, sowohl auf Wohnwirtschaftsgebäuden als 6.7.3 Schieferdächer auch auf reinen Wirtschaftsgebäuden.

Aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts Dachplatten aus Zement wurden in Handar- haben sich eine Reihe Schieferdächer erh- beit produziert, häufig von kleinen Betrieben. alten. Ursprünglich mit Schiefer eingedeckte Üblich waren sogenannte R-Platten in Rauten- Häuser haben oft eine geringere Dachneigung form mit oder ohne Falz (Abb. 94). Die meisten als 45° und ein Pfettendach, bei dem die Pfet- Platten haben eine glatte Oberseite, es treten

Abb. 94: Zementplatten in Rautenform mit Verzierung (Stallgebäude in Köhlen), Faserzementra- uten (Hallenhaus in Lensian).

106 aber auch Platten mit verzierter Oberseite auf. Eine weitere, für unverstärkte Dachkonstruk- Die Platten zeichnen sich durch eine lange tionen geeignete Lösung war die Verwendung Haltbarkeit aus, Platten von beschädigten von Siegener Pfannenblech, das im Wendland Dächern können in der Regel ein zweites Mal ab dem späten 19. Jahrhundert Verwendung verwendet werden. Das Handwerk des Plat- fand und meistens ziegelrot angestrichen tenmachens, das im frühen 20. Jahrhundert wurde. Üblich waren im Untersuchungsgebi- weit verbreitet war, ist heute fast vollständig et großformatige Sickenbleche. Die ebenfalls verschwunden. Zur Zeit gibt es nur in Österre- zeittypischen rautenförmigen oder verzierten ich noch eine bekannte Plattenmanufaktur. Bleche kommen selten vor. Man findet kleinere Strukturbleche aber in einigen Fällen als Wit- Industriell gefertigte Betondachsteine vom terungsschutz an Wänden (s.u.). Fließband gab es erst ab der Mitte der 1950er Jahre. Sie sind im betrachteten Gebiet eben- Eine ebenfalls kostengünstige Variante war- en in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts falls zu finden, weisen aber eine erheblich geringere Haltbarkeit auf als die handgefer- Bitumenwellplatten. Im Wendland treten sie tigten Zementplatten. relativ selten auf. Sie werden auch heute noch angeboten. Ohne Verstärkung des Dachwerks konnten die leichteren Faserzementrauten gedeckt Die für die Zeit zwischen 1890 bis zum zweiten werden. Solche Dächer haben sich in vielen Fäl- Weltkrieg vor allem auf Wirtschaftsgebäuden, len in gutem Zustand bis heute erhalten (Abb. aber auch auf Haupthäusern typische Viel- 94). Ab der Mitte der 1940er Jahre wurden falt an Dacheindeckungen ist im Rahmen der zunehmend große Faserzement-Wellplatten Denkmalpflege in der Vergangenheit kaum verwendet, die ebenfalls ohne Verstärkung beachtet worden. In Zukunft sollten diese ver- des Dachwerks auskamen. Auch zahlreiche schiedenen Eindeckungen als historisch au- Scheunen, die bis zur Mitte des 20. Jahrhun- thentische Ausführungen ernstgenommen derts noch ein Weichdach hatten, erhielten und nach Möglichkeit erhalten oder erneuert solche Dächer. Ab etwa 1960 kamen zuneh- werden. mend auch kleinere Wellplatten (die sogenan- nte Berliner Welle) zum Einsatz. Es ist davon 6.8 Holzverschalung und Wandverklei- auszugehen, dass die vergleichsweise gün- dung stigen Faserzementplatten sehr wesentlich dazu beigetragen haben, viele alte Gebäude Verschalungen und andere Wandverklei- bis heute zu erhalten, für die eine kostenin- dungen treten zu unterschiedlichen Zeiten und tensivere Verstärkung des Dachwerks nicht in mit unterschiedlichen Materialien auf. Nach Frage gekommen wäre. Aufgrund der gesund- - 1950 wurden häufig Fassadenplatten verwen heitsschädlichen Wirkung von Asbestfasern det, die, beispielsweise in Ziegelsteinoptik, sind diese Eindeckungen schon seit einigen ein anderes Material vortäuschen sollten. Sol- Jahrzehnten nicht mehr auf dem Markt. Bei che Baumaßnahmen werden nicht zu den his- den heute erhältlichen, asbestfreien Faserze- torischen Ausführungen gerechnet. mentplatten wurden die Asbestfasern in der Im 19. Jahrhundert wurden Giebel von Hal- Regel durch Kunststofffasern ersetzt, die bei - lenhäusern (vor allem Wohngiebel), sowie UV-Einfluss eine erheblich geringere Haltba rkeit aufweisen. Als Ersatzeindeckungen sind Scheunen und anderen Wirtschaftsgebäuden sie daher heute wohl kaum zu empfehlen. zum Teil nicht ausgefacht, sondern lediglich verbrettert. Dies gilt insbesondere für die

107 Giebeldreiecke oberhalb der Balkenlage oder 6.8.2 Wandverkleidung als Witterungss- Giebeltrapeze unterhalb von Krüppelwalmen. chutz Verbohlungen im Erdgeschoss, wie sie aus anderen Bereichen des Hallenhausgebietes Nur ausnahmsweise kommen im Wendland beschrieben wurden, sind im Wendland nicht im historischen Bestand Wandverkleidungen bekannt. aus Holz vor. Reste einer solchen Holzverklei- dung, wie bei den Giebeldreiecken als senk- Um 1900 kamen zudem Wandverkleidungen rechte Boden-Deckel-Schalung ausgeführt, als Witterungsschutz an den Westfassaden gibt es an einem Haus von 1840 in Jiggel. Die der Gebäude auf. Dabei wurden neben Holz z.B. Verschalung wurde im Bereich des Wirtschaft- Zementplatten (R-Platten) oder andere sonst steils an der westlichen Traufe angebracht. Die Gefache sind dort mit Lehmwickeln aus- zur Dacheindeckung verwendeten Baustoffe eingesetzt. gefacht.

6.8.1 Verbretterte Giebeldreiecke Häufiger sind Wandverkleidungen aus anderen Materialien aus der Zeit um 1900. So wurde Giebelverschalungen bestanden aus sen- ein Heimatstilhaus von 1894 in Klein Sachau krecht als Boden-Deckel-Schalung auf- am Westgiebel vollständig mit rautenförmi- genagelten Brettern. Die Bodenbretter war- gen Zementplatten verkleidet. Rautenplatten aus Faserzement gibt es beispielsweise am en relativ breit und die Breiten waren zum Teil uneinheitlich. Die aufgenagelten Deckelbret- Giebeldreieck eines Vierständerhauses von 1837 in Göttien. Mit rautenförmigen Metall- ter waren hingegen schmaler, zum Teil kaum breiter als Dachlatten. Die Hölzer liefen dabei platten verkleidet wurde ein Wirtschaftsgieb- nicht über die gesamte Höhe des Giebeldrei- el von 1898 in Jabel und auch Schieferrauten ecks. In der Höhe der Kehlbalkenlage gab es in kommen vor, zum Beispiel an einem Giebel von der Regel einen Absatz, wobei die Bretter des 1887 in Köhlen. oberen Giebeldreiecks über die anderen Bret- ter genagelt wurden. Die oberste Giebelspitze Ebenfalls aus der Zeit um 1900 stammen - Verkleidungen mit sechseckigen Schiefer- wurde offengelassen. Außerdem gab es meis tens zwei Luft- und Lichtlöcher unterhalb des platten, wie man sie am zwei Giebeln in Reetze Kehlbalkens in Form von Kreuzen oder Herzen. findet. Eine weitere Variante sind Metallplatten

Abb. 95: Holzverschalte Giebel an Hallenhäusern in Jiggel (1840) und Schreyahn (1841).

108 mit geprägter Oberfläche (z.B. Schuppen oder Kreise). Es gibt sie beispielsweise heute noch an zwei Giebeln in Luckau.

Abb. 96: Verschiedene Wandverkleidungen aus der Zeit um 1900 (in Klein Sachau, Göttien, Jabel, Köhlen, Reetze und Luckau).

109 7. FALLBEISPIELE UND BEWERTUNG DER WELTERBERELEVANZ

Die Gefahr des Verlustes von Hallenhäus- äudesubstanz in den neunzehn Rundlingsdör- ern und Wirtschaftsgebäuden bleibt seit den fern im Welterbevorschlagsgebiet (vgl. dazu ersten Bemühungen zum Erhalt der Run- Abschlussbericht Expertenkommission S. 35, dlingsdörfer (vgl. dazu Niedersächsischer KMK 2014) kommt bei einer Überprüfung der Heimatbund, 1966) eine fortlaufende Heraus- Welterbefähigkeit eine entscheidende Be- forderung. Die umbaute Hülle der Wohn- und deutung zu. Die nachfolgend aufgeführten Wirtschaftsgebäude erfordert sowohl bei Fallbeispiele potentiell gefährdeter (G1), ge- einem Umbau des vorderen Dielenteils zu fährdeter (G2) und vom Einsturz bedrohter Wohnzwecken, als auch der Bewahrung des Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude (G3) - Wirtschaftsteils enorme finanzielle Ressou bildet eine Grundlage für eine flächenhafte rcen, die oft die Möglichkeiten der Eigentümer Erfassung und Dokumentation. In einem näch- überschreiten. Wenige Hallenhäuser werden sten Schritt wären, soweit noch nicht erfol- noch in ihren ursprünglichen Funktionsein- - gt, Sofortmaßnahmen mit finanzieller Unter heiten bäuerlich genutzt, eine wirtschaftliche stützung der öffentlichen Hand zur Sicherung Perspektive auch künftiger bäuerlicher Hof- der Gebäude zu veranlassen. Zugleich verp- stellen, mit einem hinteren Wohnteil und dem flichtet sich der Eigentümer durch schriftliche zum Dorfplatz ausgerichteten Dielenteil mit Verpflichtung, auf einen Antrag auf Abriss zu Scheune und Vieh in den Abseiten, ist nicht verzichten. Eine Option auf erweiterte Förder- wahrscheinlich. Gleiches gilt für den Erhalt der möglichkeiten bedingt ein Nutzungskonzept. historischen Wirtschaftsgebäude im hinteren 7.1 Gefährdete Bausubstanz Teil der ehemaligen Hofstellen. Ohne Nutzung, und somit ohne Option auf finanzielle Erträge für die Eigentümer, sind kontinuierliche Erhal- 7.1.1 (G1) potentiell gefährdet tungsmaßnahmen, selbst bei einer gegebenen Ausweisung als Denkmal, nur schwierig zu re- Fallbeispiel 1: Gühlitz, Hallenhaus alisieren. Attributrelevanz: Rückblickend konnten Verluste der historisch (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Aus- wertvollen Hallenhäuser und Wirtschafts- richtung zum zentralen Dorfplatz gebäude immer dann weitgehend vermieden werden, wenn Erhaltungsmaßnahmen durch Gefährdung: (G1) zusätzliche Fördermittel unterstützt wurden. Das Förderprogramm zur Dorfentwicklung Zustand: bietet mit einem 30%-Fördersatz eine stark Das Hallenhaus wurde in Vierständerbauweise nachgefragte Möglichkeit für Anträge auf im 19. Jh. errichtet und um 1920 umfangre- bauliche Instandhaltungsmaßnahmen, zeigt ich umgebaut. Der Wirtschaftsteil des Hallen- aber auch Grenzen, gerade beim Erhalt vom hauses wurde zum Wohnen umgenutzt, hier- mit verbunden wurden die Groot Dör und die Einsturz betroffener Gebäude, da ein oft jahrzehntelanges Ausbleiben von Erhaltung- Misttüren zurück gebaut. Im Wirtschaftsgiebel - wurde mittig eine repräsentative Eingangssit- smaßnahmen auch Ausdruck mangelnder fi nanzieller Möglichkeiten der Eigentümer ist. - uation geschaffen, links und rechts neben die sem Element wurden für diese Zeit typische, Dem langfristigen Erhalt der historischen Geb- dreiteilige Fenster eingebaut. Auch im Gie-

110 beldreieck wurden Wohnteilfenster hinzuge- 7.1.2 (G2) gefährdet fügt (Ausbau Dachgeschoss). Der Umbau ist Ausdruck der geänderten Vorstellungen des Fallbeispiel 2: Güstritz, Hallenhaus einer Bauern und der Wunsch nach einem repräsen- Kossaterstelle tativen, reinen Wohnhaus. Das Wohnen und Wirtschaften unter einem Dach erscheint Attributrelevanz: nun nicht mehr zeitgemäß, die vorhandene (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Aus- Bausubstanz wird entsprechend verändert. richtung zum zentralen Dorfplatz Diese Umbaumaßnahme ist verbunden mit der Erweiterung der bestehenden Wirtschafts- Gefährdung: (G2) gebäude durch vergrößerte Stallgebäude und Scheunen. Das kleine Hallenhaus wurde 1762 auf einer Kossaterstelle erbaut. Der Giebel zeigt das für Die Hofstelle vermittelt die gegenüber dem 19. diese Zeit charakteristische Rautenfachwerk. Jh. erhöhten Erträge aus der landwirtschaftli- Groot Dör und Misttüren sind erhalten, der chen Bewirtschaftung zu Beginn des 20. Jh. vordere Wirtschaftsteil wird weiterhin als Di- mit einer vergrößerten Stückzahl an Vieh ele genutzt. Das Gebäude ist in beinahe allen und Erträgen aus dem Getreide- und Zuck- Merkmalen des Schmuckgiebels bauzeitlich errübenanbau. Bei einer Sanierung des Hal- erhalten und vermittelt ein authentisches Er- lenhauses sollte die aktuelle Gestaltung des scheinungsbild (Foto 7.1.2). Das Hallenhaus Wirtschaftsgiebels erhalten bleiben, um die trägt aufgrund seines Alters, der relativ kleinen Entwicklung der Landwirtschaft zu Beginn des Größe, wie sie für die Hallenhäuser der Kossa- 20. Jh. abzubilden. terstellen typisch waren, und des weitgehend - bauzeitlichen Zustands signifikant zur Unter Schadensbild: stützung des außergewöhnlichen universellen Fachwerkgiebel mit erheblichen Schädigun- Wertes bei. gen, Kehlbalken und Spruchbalken erheblich geschädigt, abgewitterter Farbanstrich am Schadensbild: Fachwerk und den Ziegelausfachungen (Foto Das gesamte Gebäude zeigt erhebliche 7.1.1). Die Statik des Hallenhauses ist (noch) Schäden am Fachwerk auf der straßenseitigen nicht beeinträchtigt.

Foto 7.1.1 Hallenhaus Gühlitz, Ansicht Schmuckgiebel Foto 7.1.2 Güstritz, Hallenhaus Kossater

111 Giebelseite und (soweit von der Straße ein- der zuständigen Denkmalschutzbehörde - wurde die Scheune mit geringen Mitteln des sichtig) im Bereich der Traufwände. Ein Torst iel ist bereits gebrochen, das darunter liegen- Eigentümers notgesichert. de Kopfband aus seinem Fachwerkverband gelöst. Die Statik des Wirtschaftsgiebels ist Schadensbild: augenscheinlich beeinträchtigt. Die Längsdurchfahrtsscheune ist trotz der Notsicherung einsturzgefährdet. Das Gebäude 7.1.3 (G3) Einsturzgefährdete Gebäude wird nur noch von drei (statt vier) Ständerrei- hen gehalten. Die Schwellen der Scheune sind Fallbeispiel 3: Satemin, Längsdurchfahrtss- insgesamt stark geschädigt, wodurch die Fas- cheune saden ihre Kraftschlüssigkeit verlieren und die noch vorhandenen Lehmstakengefache Attributrelevanz: herauszufallen drohen. Die Dacheindeckung (b) Radiale Anordnung der giebelständigen ist soweit intakt, die Scheune ist im Inneren Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude trocken. Eine zusätzliche Gefährdung wäre bei einem Umkippen des großen Baumes vor der Die radiale Anordnung der giebelständigen Giebelseite als Folge eines Sturmes gegeben. Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude ist hier - aus der Perspektive der Offenlandschaft ge geben. Zusätzlich ist das Attribut (i) Radiale Anordnung der Hofwiesen mit Blick auf ein im - hinteren Teil der ehemaligen Hofstelle liegen den Wirtschaftsgebäude wahrnehmbar.

Ein Einsturz der Längsdurchfahrtsscheune wäre ein signifikanter Verlust. Nur aus wenigen Perspektiven aus der Offenlandschaft heraus, sind Wirtschaftsgebäude in Verbindung mit den nach hinten an die Hofstellen anschließen- den Hofwiesen wahrzunehmen. Foto 7.1.3 Satemin Längsdurchfahrtsscheune, Giebelansicht Gefährdung: (G3) Die 1837 erbaute Längsdurchfahrtsscheune (Foto 7.1.6) gehört neben der Kirche und dem Pfarrhaus zu den ältesten erhaltenen Gebäud- en in Satemin aus der Zeit vor dem großen Brand 1850. Aufgrund des Dorfbrandes gibt es dort beinahe ausschließlich Gebäude aus der Zeit danach. Das in Vierständerbauweise errichtete Scheunengebäude ist nahezu bau- zeitlich erhalten (Foto 7.1.3). Die Gestaltung der Durchfahrt (Foto 7.1.8) zeigt eine weitge- hend authentische Situation unmittelbar nach Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung. Das Gebäude wurde in 2019 von verwilder- Foto 7.1.4 Satemin Längsdurchfahrtsscheune, tem Grünbewuchs befreit. Auf Veranlassung Lehmausfachung Traufseite Süd-Ost

112 Foto 7.1.5 Satemin Längsdurchfahrtsscheune,

Lehmausfachung Traufseite Nord-West

Foto 7.1.6 Satemin Längsdurchfahrtsscheune, Spruchbalken 1837

Foto 7.1.7 Satemin Längsdurchfahrtsscheune, rückwärtiger Giebel Foto 7.1.8 Satemin Durchfahrt

113 Fallbeispiel 4: Püggen, Längsdurchfahrtss- cheune

Attributrelevanz: (b) Radiale Anordnung der giebelständigen Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude

Obwohl die Längsdurchfahrtsscheune vom zentralen Hofplatz kaum einsehbar ist, trägt die ehemals bäuerlich genutzte Hof- stelle zur Wahrnehmung der radialen Anord- nung der giebelständigen Hallenhäuser und

Wirtschaftsgebäude in signifikanter Weise bei.

Gefährdung: (G3) Die Längsdurchfahrtsscheune wurde im 19. Jh. in Vierständerbauweise errichtet und ist weitgehend bauzeitlich erhalten (Foto 7.1.9). Die Hofstelle wurde im Laufe der Zeit stark verändert. Das Hallenhaus wurde abgerissen und durch einen Massivbau aus den Vierziger- Fünfzigerjahren ersetzt.

Schadensbild: Besonders der vom Hofplatz abgewandte Giebel zeigt erhebliche Schäden (Foto 7.1.10).

Das Dach ist in diesem Bereich offen. Dadurch ist die Einbindung der hinteren Giebelscheibe in die Trauffassaden nicht mehr gegeben. Das Gebäude ist einsturzgefährdet.

Foto 7.1.9 Püggen Längsdurchfahrtsscheune, Foto 7.1.10 Püggen, Längsdurchfahrtss- hofseitiger Giebel cheune, abgängiger rückwärtiger Giebel

114 7.2 Störungen durch bauliche Maßnahmen

7.2.1 (S1) geringe Störungen

Als geringe Störungen der Stufe (S1) werden - bauliche Änderungen klassifiziert, die rück baubar sind, ohne dass die vorhandene Geb- äudesubstanz (vgl. dazu Kap. 6 Bauausführung und Baumaterial) in ihren historischen Merk- malen beeinträchtigt wird. In den Fällen einer unpassenden Farbgebung oder unpassender Materialien sind Hallenhäuser und Wirtschafts- gebäude in ihrem historischen Erscheinungs- bild kaum verändert. Die gebäudebezogenen Attribute: (e) Hallenhäuser in Fachwerkbauweise vermitteln ein homogenes Dorfbild und 7.2.2 Gühlitz, Wirtschaftsgiebel, nicht his- torischen Farbgebung (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Ausrichtung zum zentralen Dorfplatz sind in ihrem historischen Erscheinungsbild nur geringfügig beeinträchtigt. Fassadenverklei- dungen überprägen hingegen das für Hal- lenhäuser und Scheunen charakteristische Fachwerk. Da die bisherigen Maßnahmen zum Rückbau von Fassadenverkleidung jedoch einen guten Erhaltungszustand des dahinter liegenden Fachwerks und der Ziegelausfa- chungen zeigen, werden Verkleidungen mit der geringsten Störstufe (S1) bewertet. 7.2.3 Lübeln, Wendlandhof, Ausfachung mit glattem Klinker

7.2.1 Kremlin, Wirtschaftsgiebel, nicht his- 7.2.4 Granstedt, ehemalige Scheune torischen Farbgebung

115 Fallbeispiele unpassende Farbgebung

Die Farbgebung des Fachwerks und der Ziegelgefache sind hinsichtlich der Bewertung einer Einstufung als geringfügige Störungen in ihrem historischen Kontext zu sehen (vgl. dazu die Ausführungen in 6.6 Farben). Die Farbwahl (sofern die Farbanalyse mehrere aufeinander folgende historische Farbschichten aufweist) sollte auf der Grundlage der vorherrschenden Merkmale der Wirtschaftsgiebelseite getrof- fen werden. Wird das äußere Erscheinungsbild 7.2.6 Jabel, Hallenhaus, Verkleidung des Gieb- durch bauzeitliche Merkmale geprägt, ist die els mit Zinkblechschindeln Farbwahl diesem Zeitabschnitt zuzuordnen, erfolgte ein Umbau um 1900 sind die Farben des Umbauzeitraums zu wählen.

Spätere Farbgebungen nach 1950 entspre- chen zumeist nicht mehr einer bäuerlichen Architektur und sind als nicht historische Far- bgebungen als geringe Störungen (S1) zu be- werten (Foto 7.2.1 und 7.2.29).

7.2.7 Gühlitz, Hallenhaus, vollständige Fas- sadenverkleidung mit Bitumenplatten, nach 1950

7.2.5 Ganse, Hallenhaus, Verkleidung Giebel- 7.2.8 Klennow, Hallenhaus, Fassadenverklei- dreieck mit Faserzementschindeln dung des Giebels

116 Fallbeispiele unpassende Baumaterialien 7.2.2 (S2) mäßige Störungen

Als Fallbeispiele für Baumaßnahmen mit nicht Als mäßige Störungen werden verschiedene historischen Materialien werden Ausfachun- Formen von Verglasungen des Wirtschafts- gen mit Klinkern (Foto 7.2.3) und Dacheindeck- - giebels und der vorderen Traufseiten klassi - ungen, wie sie im dörflichen Bereich untypisch fiziert. Ebenso werden massive Untermauer - sind (Foto 7.2.4: Dacheindeckung mit Trapetz ungen der vorderen Traufseiten als mäßige blech statt Siegener Pfannenblech), beschrie- Störungen bewertet. ben. Fallbeispiele Einbau unpassender Ver- Fallbeispiele Fassadenverkleidung glasungen Giebel

Fassadenverkleidungen, die noch dem Gestal- - Die häufigste Form einer Störung durch unpas tungswillen einer bäuerlichen Ästhetik folgen, sende Verglasungen im Wirtschaftsgiebel sind werden grundsätzlich nicht als Störungen klas- Verglasungen der Groot Dör, der Misttüren - und im Giebeldreieck. Die charakteristischen sifiziert. So sind Verkleidungen mit Zinkblech schindeln (Foto 7.2.6) oder Faserzementschin- Merkmale des Wirtschaftsgiebels eines Hal- deln (Foto 7.2.5) handwerkliche Gestaltungen lenhauses werden wesentlich überprägt, die einer vernakularen Architektur aus der Zeit um Beeinträchtigung wird als mäßige Störung (S2) 1900 bis in die zwanziger Jahre des 20. Jh. Im klassifiziert. Einzelfall kann ein Rückbau sinnvoll sein, insbe- sondere wenn die weiteren Hallenhäuser des Verglasungen der Groot Dör, der Dungtüren und im Giebeldreieck wurden vorrangig im betreffenden Rundlings in Fachwerkbauweise ein homogenes Dorfbild vermitteln und sig- nifikant Attribut (d) unterstützen. Spätere, nach 1950 angebrachte Fassadenverkleidungen entsprechen hingegen i.d.R. nicht mehr dem Gestaltungswillen einer bäuerlichen Architek- tur und sind als geringfügige Störung zu klas- sifizieren (Foto 2.7.7 und 2.7.8).

Um den finanziellen Rahmen eines Rückbaus von Fassadenverkleidungen auch hinsichtlich möglicher Sanierungsmaßnahmen abzus- chätzen, sollte zur Erstellung eines Angebo- tes, die Fassadenverkleidung in ausgewählten Bereichen der Fundamente/Schwellen sowie der Giebel- und Traufseiten geöffnet und auf schadhafte Befunde untersucht werden.

7.2.9 Schreyahn, Wirtschaftsgiebel mit zu- rückgesetzter Verglasung der Groot Dör jed-

och nicht in Torhöhe ausgeführt

117 7.2.13 Püggen, Hallenhaus mit Verglasung 7.2.10 Satemin, Hallenhaus mit zurück gesetz- Groot Dör in der Fachwerkebene, Dungtüren fehlen ter Verglasung, störend wirkt die Teilung der Verglasung

7.2.11 Priesseck, Hallenhaus mit Verglasung 7.2.14 Diahren, Hallenhaus mit Vergrößerung hinter der Fachwerkebene mit Brüstungsele- der Fenster beidseitig der Groot Dör und Ver- ment bis Fensterhöhe glasung in der Fachwerkebene

7.2.12 Püggen, Hallenhaus, Verglasung der 7.2.15 Granstedt, Hallenhaus mit Verglasung in weiß gefassten Groot Dör mit Kämpfer, Groot Dör in der Fachwerkebene Dungtüren mit weißer Sprossenteilung

118 letzten Drittel des 20. Jh. ausgeführt. Gr- undsätzlich störend ist eine Verglasung Groot Dör in der Fachwerkebene (Foto 7.13). Zu- rückgesetzte Verglasungen sind insoweit - störend, als dass die Verglasung nicht in To rhöhe (Foto 7.2.9) oder in unpassender Form geteilt wurde (Foto 7.2.10). Das historische Erscheinungsbild eines Hallenhauses wird ebenfalls durch den Einbau eines aufgemau- erten Brüstungselementes bis Fensterhöhe 7.2.16 Dolgow, Hallenhaus mit Verglasung beeinträchtigt (Foto 7.2.11). Störend sind Un- Groot Dör in der Fachwerkebene, Dungtüren terteilungen der Verglasungen der Groot Dör und Giebeldreieck, fehlende Dungtüren, mit Oberkämpfer und Sprosseneinteilungen Hahnenbalken und Giebelpfahl fehlen (Foto 7.2.12) oder wenn mit einem Blindfeld (Foto 7.2.15) die ursprüngliche Höhe der Groot Dör verkürzt wird. Die Verwendung von weißer Farbgebung wirkt zusätzlich beeinträchtigend (Fotos 7.2.12, 7.2.13), da eine ahistorische Far- bgebung mit dominanter Wirkung das Fehlen des zentralen Elementes der Groot Dör noch hervorhebt. Gleiches gilt für Dungtüren mit farblich in weiß hervorgehobener Sprossene- inteilung (Foto 7.2.12).

Die Fotos 7.2.16, 7.2.17 und 7.2.18 zeigen ne- ben der störenden Verglasung der Grot Dör und der Dungtüren zusätzliche Verglasungen 7.2.17 Gühlitz, Hallenhaus mit Verglasung im Giebeldreieck, im Fall eines Hallenhaus- Groot Dör in der Fachwerkebene, Element mit es in Priesseck (Foto 7.2.18) noch durch ein- Kämpferprofil, Verglasungen der Dungtüren en zusätzlichen Gaubeneinbau verstärkt. Die und Verglasungen im Giebeldreieck

7.2.18 Priesseck, Hallenhaus mit Verglasung 7.2.19 Satemin, Hallenhaus mit Verglasung der Groot Dör in der Fachwerkebene, Verglasun- Traufseite gen der Dungtüren und Verglasungen im Giebeldreieck, zusätzliche Beeinträchtigung durch Gaubeneinbau

119 7.2.20 Bausen, Hallenhaus mit Einbau von - 7.2.23 Lübeln, Hallenhaus mit Dachflächenfen - stern im vorderen Wirtschaftsteil Wohnteilfenstern im Traufbereich des ehema ligen Wirtschaftsteils

- - 7.2.21 Jabel, Hallenhaus mit Dachflächenfen 7.2.24 Satemin, Hallenhaus mit Dachflächen stern im vorderen Wirtschaftsteil fenstern im vorderen Wirtschaftsteil

- 7.2.25 Lübeln, Hallenhaus, Störung der 7.2.22 Lensian, Hallenhaus mit Dachflächen fenstern im vorderen Wirtschaftsteil Dachfläche durch den Einbau von Gauben über dem Wirtschaftsteil

120 typischen Merkmale des vorderen Dielenteils derdeutschen Hallenhauses als Wohn- und eines Hallenhauses als Wohnwirtschafts- Wirtschaftsgebäude ist in seiner visuellen In- gebäude treten durch den hohen Flächenant- tegrität beeinträchtigt (Foto 7.2.19, 7.2.20 und eil der Verglasungen zurück, das authentische 7.2.21). Erscheinungsbild eines Niederdeutschen Hallenhauses wird gestört. Auch im Ergeb- Eine weitere Form der Störung sind nis eines möglichen Rückbaus ohne Verlust Dachflächenfenster im Bereich des vorderen noch vorhandener bauzeitlicher Merkmale des Dielenteils, der der Lagerung von Heu und Schmuckgiebels, werden auch ahistorische Stroh diente und keine Belichtungsöffnungen Verglasungen, sowohl im Bereich des Erdge- in der Dachfläche zeigte (Foto 7.2.22, 7.2.23 schosses, als auch im Giebeldreieck, mit der und 7.2.24). Stufe (S2) bewertet. Der Einbau von Gauben im Dach des vorderen Fallbeispiele Einbau unpassender Ver- Dielenteils im Ergebnis einer Umnutzung zu glasungen Traufseite Wohnzwecken wird, entsprechend dem Ein-

bau von Dachflächenfenstern, gleichermaßen Der Einbau von Fenstern im Bereich der vor- als Störung bewertet (Foto 7.2.25). Zu unter- - scheiden sind reine Wirtschaftsgauben, deren deren Trauffassaden überprägen den his torisch fensterlosen, vorderen Dielenteil von Einbau der Einlagerung von Heu und Stroh Hallenhäusern. Der Charakter eines Nie- - über eine Traufseite ermöglichte. Wirtschafts - gauben sind nicht als Störungen zu klassifizie ren.

Fallbeispiele Massivuntermauerung der Traufseite

Die Beeinträchtigung durch massiv unter- - mauerte Trauffassaden wirken weniger bee inträchtigend als Massivuntermauerungen des Schmuckgiebels, da dieser maßgeblich die Attribute (e) Hallenhäuser in Fachwerk- 7.2.37 Diahren, Hallenhaus, Massivunter- bauweise vermitteln ein homogenes Dorfbild mauerung nur Traufseite und (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Ausrichtung zum zentralen Dorfplatz unter- stützt. Die Fotos 7.2.37 und 7.2.38 zeigen, dass die Massivuntermauerungen im Bereich - der Trauffassaden eine deutlich geringere vi suelle Beeinträchtigung zur Folge haben, als Massivuntermauerungen des Schmuckgieb- els. Aufgrund des materiellen Verlustes his- torischer Merkmale im Bereich der vorderen - Trauffassaden werden Massivuntermauerun gen mit der Störungsstufe (S2) klassifiziert.

7.2.38 Güstritz, Hallenhaus, Massivunter- mauerung nur Traufseite

121 Fallbeispiele Massivuntermauerungen 7.2.3 (S3) signifikante Störungen

Die Fotos 7.2.26 bis 7.2.32 zeigen Hallen- Als signifikante Störungen werden massive Untermauerungen des Wirtschaftsgiebels be- häuser mit Massivuntermauerungen des Erd- wertet. Wesentliche Merkmale sind der Rück- geschosses bis zur Höhe des Spruchbalkens. bau der Groot Dör und der Dungtüren. Das Das Giebeldreieck bleibt als Fachwerk erh- Erdgeschoss wird massiv mit Klinkersteinen alten. Die Massivuntermauerungen wurden in untermauert. Einzelfällen für Umbauten der Stallanlagen im vorderen Dielenteil (Foto 7.2.26 und 7.2.27) Hierbei sind zwei Varianten zu unterscheiden: - umgebaut. Der häufigste Grund für die Mas - Massivuntermauerungen unter Beibe- sivuntermauerungen des Erdgeschosses sind haltung der Wirtschaftsweise unter Erhalt Umbaumaßnahmen zu Wohnzwecken. der Groot Dör (siehe Foto 7.2.27) - Massivuntermauerungen verbunden Beeinträchtigende Wirkungen im Zuge einer mit der vollständigen Umnutzung zum Umnutzung des Dielenteils zum Wohnen stellt reinen Wohngebäude und dem Einbau der Einbau liegender Fensterformate dar (Foto von modernen Fenstern mit liegenden 7.2.28). Bauzeitlich erhalten ist hingegen das Formaten (siehe Foto 7.2.28)

Die Attribute: (e) Hallenhäuser in Fachwerkbauweise vermitteln ein homogenes Dorfbild und (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Ausrichtung zum zentralen Dorfplatz werden durch verschiedene Formen der Un- - termauerung der Giebelseite signifikant bee inträchtigt. 7.2.26 Gühlitz, Hallenhaus, Massivuntermauer- In Fällen einer vollständigen Untermauerung, ung im EG sowohl des gesamten Giebels, als auch der - Traufseiten, verbunden mit modernen Fen stern, ist das Gebäude als „ehemaliges Hallen- haus“ zu klassifizieren. Ein möglicher Rückbau (auch bei Vorliegen historischer Fotos) wäre als Rekonstruktion zu bewerten. Eine Rekon- struktion des Schmuckgiebels kann die Attri- bute (e) und (d) nicht unterstützen, jedoch eine - signifikante Störung des homogenen Dorfbil des mindern. Vollständig massiv untermauerte Hallenhäuser werden unter Kategorie „ehema- liges Hallenhaus“ aufgeführt (vgl. dazu Foto 7.2.34 bis 7.2.36).

7.2.27 Köhlen Hallenhaus, Massivuntermauer- ung im EG

122 7.2.28 Püggen, Hallenhaus, Massivunter- mauerung bis Höhe Spruchbalken 7.2.31 Lensian, Hallenhaus, Massivunter- mauerung bis Höhe Spruchbalken

7.2.29 Püggen, Hallenhaus, Massivunter- 7.2.32 Köhlen, Hallenhaus, Massivuntermauer- mauerung bis Höhe Spruchbalken ung bis Höhe Spruchbalken

7.2.30 Mammoissel, Hallenhaus, Massivunter- 7.2.33 Güstritz, Hallenhaus, (ehemaliger Gast- mauerung bis Höhe Spruchbalken hof) Massivuntermauerung Erdgeschoß

123 Fachwerk des Giebeldreiecks aus dem 18. Jh., welches jedoch mit glatten, unpassenden Klinkern ausgemauert wurde.

Ein anderes Beispiel für eine signifikante Störung (S3) zeigt die Umgestaltung eines Wirtschaftsgiebels von 1794 aus den 1970iger Jahren. Zwar wurden bei dieser Maßnahme (vor der Denkmalschutzgesetzgebung) his- torische Elemente des Schmuckgiebels wie z.B. der Torbalken mit den Torstielen erhalten. 7.2.34 Bausen, ehemaliges Hallenhaus, Mas- Allerdings wurde die Groot Dör aus der mit- sivuntermauerung gesamter Giebel tigen Position an die Seite verschoben und moderne Fenster in eine massiv aufgemau- erte Wand gesetzt. Das Giebeldreieck wurde erhalten, der komplette Giebel wurde mit un- passenden, genarbten gelben Verblendstein- en aus- bzw. aufgemauert. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden im Bereich des Giebeldrei- ecks Gefacheverglasungen zur Belichtung des ausgebauten Dachraums hinzugefügt (Foto 7.2.32).

- Ebenfalls als signifikante Störung ist der ehe malige Gasthof in Güstritz (Foto 7.2.33) zu be- trachten. In den 1960/70iger Jahren wurde das Gebäude vollständig massiv untermauert, die Fassaden wurden im Zuge dieser Maßnahme mit neuen Fensterformaten ausgestattet. Im Giebeldreieck wurde eine Verkleidung aus 7.2.35 Püggen, ehemaliges Hallenhaus, all- Faserzementplatten aufgebracht. Ggf. könnte seitig massiv untermauert sich hinter dieser Verkleidung noch das his- torische Giebeldreieck im Fachwerk befinden. Lediglich in der Dachfläche befindet sich eine historisch anmutende Ladelukengaube.

Der Zustand vor der Ausführung der Maßnahme ist anhand von historischen Fotog- raphien noch vorhanden. Die stärksten Überprägungen der charakter- istischen Merkmale des Hallenhauses sind bei vollständiger Massivuntermauerung des ge- samten Giebels zu verzeichnen. Am Beispiel eines ehemaligen Hallenhauses in Bausen 7.2.36 Klennow, ehemaliges Hallenhaus, all- (Foto 7.2.34) wird deutlich, dass bis auf die seitig massiv untermauert

124 Kubatur des Hauses die Anmutung eines Hal- in Schreyahn lag zudem ein Antrag auf Abriss lenhauses nicht mehr sichtbar wird. Ein zusät- des Gebäudes vor. zliches Untermauern der Trauffassaden mit liegenden Fensterformaten (Foto 7.2.35) oder Fallbeispiel 1: Schreyahn, Stallgebäude dem Einbau moderner Fenster (Foto 7.2.36) sind Beispiele einer bewussten Abkehr von der Attributrelevanz: bäuerlichen Architektur eines Hallenhauses. (f) Rundlingsdorf mit nur einem Zugang

7.3 Fördermaßnahmen Gefährdung: (G3)

Die nachfolgend dargestellten Maßnahmen Maßnahme: mit Förderung aus dem Programm der Dor- Vermeidung des Abrisses eines land- fentwicklung (ZILE-Richtlinie - Richtlinie über wirtschaftlichen Nebengebäudes die Gewährung von Zuwendung zur integrier- ten ländlichen Entwicklung, Nds. Ministerium Kurzbeschreibung und Bewertung der für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrauch- Maßnahme: erschutz) werden hinsichtlich ihrer Attributrel- Das Stallgebäude wurde gegen 1890 errichtet evanz (vgl. dazu Kap. 4.2.2 Die Attribute der und befand sich vor der Instandsetzung noch Siedlungslandschaft Rundlinge im Wend- größtenteils in einem bauzeitlichen Zustand. land) maßgeblich zur Unterstützung von Kri- Als multifunktionales Gebäude beinhaltete das terium (iv) vorgestellt. Zugleich verdeutlichen Gebäude neben Stallungen für Schweine und sie, inwieweit ein Verlust eine Beeinträchti- Pferde, ein Backhaus, eine Wagenremise und gung des potentiellen außergewöhnlichen einen kleinen Wohnbereich (Wübbenhorst, universellen Erbes zur Folge hätte. Mit dem 2016a). Abschlussbericht zur Unterstützung des An- tragsverfahrens zur Aufnahme der Siedlung- slandschaft Rundlinge im Wendland auf die UNESCO-Welterbeliste (Schmidt et al., 2019) sind Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude flächenhaft dokumentiert. In Vorbereitung zur Fortschreibung der deutschen Vorschlag- sliste (Tentativliste) wird die Stätte zunächst auf Landesebene evaluiert (siehe dazu: Han- dreichung der Kultusministerkonferenz der Länder zum UNESCO-Welterbe. Merkblatt 3. 7.3.1 Zustand vor Instandsetzung KMK, 2017).

7.3.1 Vermeidung Verlust historischer Gebäude

Mit den in 2017 und 2018 realisierten Maßnahmen konnten ein Wirtschaftsgebäude (Schreyahn) und ein Hallenhaus (Gühlitz) vor dem Einsturz bewahrt werden. Beide Gebäude waren abgängig und durch langen Leerstand gekennzeichnet. Für das Wirtschaftsgebäude 7.3.2 Zustand nach Instandsetzung

125 Meibeyer (2005) beschreibt Schreyahn mit aus dem Jahr 1799. Beide Gebäude waren seinem nahezu perfekt rund ausgebildeten seit mehreren Jahrzehnten ohne Nutzung. Als Dorfplatz, dessen ursprüngliche Hufeisenform Folge ausbleibender Erhaltungsmaßnahmen später erweitert wurde, so dass die zweite drohte ein Verlust der beiden abgängigen Zuwegung durch den Bau des Stallgebäudes Gebäude. Das Hallenhaus und die Längsdurch- verengt wird. Das Attribut „Rundlingsdorf mit fahrtsscheune waren bis zur Aufgabe der land- nur einem Zugang“ wird durch den historischen wirtschaftlichen Nutzung in den sechziger Hauptzugang von Nordwesten und durch die Jahren des 19. Jh. weitgehend bauzeitlich räumliche Verengung der zweiten, östlichen erhalten und konnten in wesentlichen Merk- Zuwegung visuell voneinander abgegrenzt. malen, auch Dank der Kooperationsbereit- schaft der neuen Eigentümer, bewahrt werden Eine Genehmigung zum Abbruch des Stall- (Stackelberg, 2018). Ein möglicher Verlust - beider Gebäude hätte die radiale Anordnung gebäudes (Leerstand und in Teilen abgän des Hallenhauses und der dahinter liegenden gig) hätte eine signifikante Beeinträchtigung für die historischen Zuwegung bedeutet, da Scheune auf der ehemals bäuerlichen Hof- sich die östliche Nebenzuwegung durch die stelle nicht mehr erkennen lassen. Der Wieder- abrissbedingte Verbreitung nicht mehr von der aufbau des an den Dorfplatz anschließenden Hauptzuwegung unterscheiden lässt. Auch ein Wohn-Wirtschaftsgebäudes nach dem Brand möglicher Neubau an gleicher Stelle hätte die lässt erkennen, dass die radiale Anordnung historische Anmutung nicht vermitteln kön- - der Gebäudefolge und der Tradition der Ge nen. Aufgrund der Welterberelevanz wurden staltung der Hofstelle beibehalten wird. zusätzlich zu der Förderung durch das Dor- fentwicklungsprogramm Mittel der Denkmalp- Die Fotos 7.3.3 und 7.3.4 zeigen den Zustand - des abgängigen Gebäudes vor der San- flege zum Erhalt des Wirtschaftsgebäudes be reitgestellt. ierung, das Foto 7.3.9 die Ansicht des vor- deren Wirtschaftsgiebels nach Ausführung Die Fotographien 7.3.1 und 7.3.2 zeigen das der Sanierungsmaßnahmen. Details zur Rep- Wirtschaftsgebäude vor und nach Durch- aratur der Schwellen und der Instandsetzung führung der Erhaltungsmaßnahmen. der Lehmausfachungen werden in den Fotos 7.3.5 und 7.3.6 gezeigt. In den neunzehn Dör- Fallbeispiel 2: Gühlitz, Hallenhaus und fern des Welterbevorschlagsgebietes sind Durchfahrtsscheune nur wenige historische Fenster aus der ersten Hälfte des 19. Jh. erhalten. Im Rahmen der Attributrelevanz: Sanierung konnte ein Fenster von 1833 im hin- (b) Radiale Anordnung der giebelständigen teren Wohnbereich des Hallenhauses erhalten Hallenhäuser und Wirtschaftsgebäude werden (Foto 7.3.7). Maßnahme: Notsicherung und Sanierung eines Hallenhauses und einer Durchfahrtsscheune

Gefährdung: (G3)

Kurzbeschreibung und Bewertung der Maßnahme: Das Hallenhaus wurde nach einem Brand in Vierständerbauweise 1833 neu errichtet, das dahinter liegende Scheunengebäude datiert 7.3.3 Gühlitz, Zustand vor Instandsetzung

126 7.3.4 Gühlitz, Traufansicht vor Instandsetzung

7.3.7 Gühlitz, Erhalt eines bauzeitlichen Fen- sters

7.3.5 Gühlitz, Schwellenreparatur

7.3.8 Gühlitz, zurückgesetzte Verglasung Groot

Dör unter Erhalt der historischen Torflügel

7.3.6 Gühlitz, Instandsetzung Lehmausfa- 7.3.9 Gühlitz, Giebelansicht nach Sanierung chung

127 7.3.2 Beseitigung von Störungen Giebel- und Traufseiten (vgl. Foto 7.3.10) wurde wahrscheinlich im ersten Jahrzehnt nach dem Die nachfolgenden vier Maßnahmen, die mit 2. Weltkrieg angebracht. Fördermitteln der Dorferneuerung instandg- esetzt werden konnten, sind Fallbeispiele mit Im Ergebnis der baugeschichtlichen Entwick- Relevanz der Attribute lung des Hallenhauses wurde entschieden, (e) Hallenhäuser in Fachwerkbauweise dass die fünf Fenster im Bereich des ehe- vermitteln ein homogenes Dorfbild und maligen Wirtschaftsgiebels, unter Beibehal- (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit tung der historischen Gestaltungsmerkmale, Ausrichtung zum zentralen Dorfplatz. ersetzt werden sollen, da der Umbau in den dreißiger Jahren des 20. Jh. noch dem Gestal- Die Auswahl der Fallbeispiele erfolgte auf tungswillen einer bäuerlichen Architektur folgt. Grund der unterschiedlichen baulichen Die Fassadenverkleidung hingegen verblen- Maßnahmen bei unterschiedlichem Erhal- det das charakteristische Fachwerk und lässt tungszustand der Hallenhäuser. Die Instand- das Gebäude nur noch über den Standort und haltungsmaßnahmen waren zugleich mit der die Kubatur der Gebäudehülle als Hallenhaus Beseitigung baulicher Störungen verbunden. erkennen. Im Ergebnis konnten im Bereich des Schmuck- giebels wesentliche historische Merkmale Der Rückbau der Fassadenverkleidung zeigte, wieder sichtbar gemacht werden. dass sowohl das Fachwerk als auch die Ziegel- gefache vollständig ohne größere Schäden erhalten geblieben waren (Foto 7.3.11). Der Fallbeispiel 3: Gühlitz, Rückbau Fas- recht gute Erhaltungszustand kann über einen sadenverkleidung Abstand zwischen der Fachwerkwand und der Verkleidung von rund 10cm erklärt werden, der Attributrelevanz: eine ausreichende Hinterlüftung ermöglicht (e) Hallenhäuser in Fachwerkbauweise vermit- hat. teln ein homogenes Dorfbild

Foto 7.3.12 zeigt den Zustand nach der Durch- Störung: (S1) führung der Maßnahme. Das Attribut (e) Hal- lenhäuser in Fachwerkbauweise vermitteln ein Maßnahme: Rückbau Fassadenverkleidung - und unpassender Fenster homogenes Dorfbild wird als relevant identifi ziert, da durch die Entfernung der Verkleidung, die links und rechts benachbarten Hallenhäus- Kurzbeschreibung und Bewertung der er wieder visuell ein Rundlingsdorf mit dem Maßnahme: vorherrschenden Gebäudetypus des Hallen- Das Mitte des 19. Jh. errichtete hauses vermitteln. Wohn-Wirtschaftsgebäude wurde in den dreißiger Jahren des 20. Jh. zu einem rei- nem Wohnhaus umgebaut. Im Bereich des Wirtschaftsgiebels wurde die Groot Dör und die beiden Misttüren ausgebaut. Um 1920 wurden im Bereich des Erdgeschosses insges- amt fünf Fenster eingebaut. Der Spruchbalken und das darüber liegende Giebeldreieck blieb- en erhalten. Die Fassadenverkleidung an den 7.3.10 Gühlitz, Zustand vor Instandsetzung

128 7.3.11 Gühlitz, Detail Rückbau Fassadenverklei- dung 7.3.12 Gühlitz, Zustand nach Maßnahme

Fallbeispiel 4: Satemin Rückbau Verglasung Groot Dör

Attributrelevanz: Der vordere Dielenteil des Hallenhauses wurde (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Aus- im Rahmen eines Umbaus zu Wohnzwecken richtung zum zentralen Dorfplatz wohl in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhun- derts mit Fenstern versehen und die Groot Störung: (S2) Dör durch eine zurückgesetzte Verglasung mit Brüstungselement und mehrfach geteilter Maßnahme: Rückbau Verglasung Groot Dör Verglasung ersetzt. Sowohl die ahistorischen Fenster in allen Gebäudefassaden, als auch die mit unpassender Glasteilung zu großflächiger Verglasung Detailausführungen der Verglasung der Groot Kurzbeschreibung und Bewertung der Dör bildeten eine Störung eines ansonsten in Maßnahme: der Gebäudehülle weitgehend bauzeitlich erh- Das Hallenhaus wurde gemeinsam mit allen altenen Hallenhauses. Die Fotos 7.3.13 (Kerstin weiteren Hallenhäusern in Vierständerbau- Sudeck) vor der Baumaßnahme zum Rückbau weise nach der Brandkatastrophe in 1850 in der Fenster und der störenden Verglasung im Satemin errichtet. Bereich der Groot Dör zeigen, dass die charak-

7.3.13 Satemin, Zu- stand vor und nach dem Austausch der Fenster

129 teristischen Merkmale eines Wirtschaftsgieb- Wohn- Wirtschaftsgebäudes. els durch die Art der Verglasung der Groot Dör überprägt werden. Der Schmuckgiebel zeigte erhebliche Schädi- gungen in den Bereichen der Ziegelausfa- Im Vergleich zum Zustand vor Durchführung chungen; der Verbund zwischen Fachwerk und der Instandsetzungsmaßnahme (Foto 7.3.14) - Ziegelgefachen war in Teilen nicht mehr gege wird deutlich, weshalb Verglasungen mit ben (vgl. Foto 7.3.15).

Brüstungselementen und unpassender Teilung - Die Auslagerungen der Gefacht wurden mit der Glaselemente in der Öffnung der ehema ligen Groot Dör nicht mehr als nur geringe (S1), den vorhandenen Steinen unter Verwendung sondern als mäßige Störung (S2) zu bewerten von Kalkmörtel ausgeführt und vermittelt nach sind. Die, um die Länge der Groot-Dör-Flügel Durchführung der Maßnahme die historische zurückgesetzte Verglasung bei Rekonstruk- tion des Dössel, die Klöndör und die nach in- nen zu öffnende Groot Dör kennzeichnen das historische Erscheinungsbild des Wirtschaf- steils; die Wohnnutzung wird nicht mehr als Störung gewertet.

7.3.15 Püggen, Giebelansicht vor den In- standsetzungsmaßnahmen

7.3.14 Satemin, Zustand nach Instandsetzung

Fallbeispiel 5 Instandsetzung eines Schmuckgiebels

Attributrelevanz: (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser (mit Aus- richtung zum zentralen Dorfplatz)

Störung: (S1)

Kurzbeschreibung und Bewertung der Maßnahme: Das in Vierständerbauweise in Püggen er- baute Hallenhaus wurde 1835 errichtet. Der vordere Wirtschaftsteil ist bauzeitlich erhalten, 7.3.16 Püggen, Detail Giebelspitze, Zustand vor Instandsetzung die Wohnnutzung liegt nur im hinteren Teil des

130 Ansicht (Foto 7.3.17). Die stark geschädigte Giebelspitze (Foto 7.2.16) wurde unter Beibe- haltung der historischen Bauweise mit Wie- dereinbau des Giebelpfahls instandgesetzt (Fotos 7.3.19 und 7.3.20). Die Reparatur Dös- sel, Radabweiser, Wagenschwelle und Klöndör erfolgte detailgetreu (Foto 7.3.18).

7.3.17 Püggen, Giebelansicht nach Instand- setzungsmaßnahmen 7.3.19 Püggen, detailgetreue Reparatur der Giebelspitze mit Giebelpfahl

7.3.18 Püggen Details Groot Dör

7.3.20 Püggen, Detail Giebelspitze

131 Fallbeispiel 6: Instandsetzung eines Eine Wiederverwendung des Fachwerks kon- Schmuckgiebels (S2) nte nur für den Torbalken und die Torstiele erfolgen (Foto 7.3.23). Das Giebeldreieck, wie Attributrelevanz: die noch vorhandene und reparierte Giebel- (d) Schmuckgiebel der Hallenhäuser mit Aus- spitze, wurde ebenfalls zurückgebaut und bis richtung zum zentralen Dorfplatz in die Giebelspitze rekonstruiert (Foto 7.3.24 und Foto 7.2.25). Die Wiederverwertung his- Störung: (S2) torischer Bauteile, wie die noch vorhandene und reparierte Giebelspitze, sowie die vor- Maßnahme: Rekonstruktion der größten- handenen Eisenbänder der Dungtürrn, tragen teils abgängigen Fachwerkkonstruktion des wesentlich zum Erhalt des historischen Er- Schmuckgiebels scheinungsbildes bei (Foto 7.3.26).

Kurzbeschreibung und Bewertung der Maßnahme: Das in Vierständerbauweise in Bausen erbaute Hallenhaus wurde 1872 errichtet. Die typische Aufteilung des Hallenhauses mit einem vor- deren zum Dorfplatz ausgerichteten Dielen- teil und dem hinteren Wohnteil ist weitgehend bauzeitlich erhalten. Der Schmuckgiebel weist alle wesentlichen baulichen Merkmale eines Niederdeutschen Hallenhauses auf.

7.3.22 Bausen, Giebelansicht nach Rückbau Das Fachwerk des Schmuckgiebels weist des maroden Fachwerks größere Schäden auf und war vor Durch- führung der Sanierungsmaßnahme in Teilen abgängig und gefährdet. Das Fachwerk musste vollständig zurückgebaut werden (vgl. Foto 7.3.21 und Foto 7.3.22).

7.3.21 Bausen, Giebelansicht nach Rückbau 7.3.23 Bausen, Errichtung der Fachwerkkon- der Gefache struktion

132 7.3.24 Bausen, Fachwerkgiebel nach Aus- führung der Maßnahme

7.3.25 Bausen, Detail Giebelspitze 7.3.26 Bausen, Detail Dungtür

133 8. LITERATUR

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135 Rückseite: Gühlitz Nr. 7 vor dem Umbau. Zeichnung: Dirk Wübbenhorst