DIE KLASSISCHE MODERNE in SACHSEN Sachsen Mit Seiner
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DIE KLASSISCHE MODERNE IN SACHSEN Sachsen mit seiner 1000-jähirgen Kulturgeschichte hat wie kaum ein anderes Bundesland das gesamte Architekturspektrum zu bieten – von Gotik bis modern-minimalistisch. Neben der Kunst und der Musik prägt dieser architektonische Facettenreichtum Sachsen als Kulturreiseziel Nummer 1 in Deutschland. In Sachsen wurden viele für das Bauhaus prägende Denkansätze vorweggenommen, und hier wirkten bekannte Architekten des neuen Bauens. So wurde in Dresden bereits ab 1909 mit den Deutschen Werkstätten für Handwerkskunst, als Mitgründer des Werkbundes, an einer Produktionsstätte neuen Typus gebaut – und gleichzeitig an der ersten Gartenstadt Deutschlands, Hellerau. Die Bauhaus-Epoche hat in Sachsen interessante und touristisch relevante Zeugnisse hervorgebracht. Das Josef Albers’ Glasfenster im Leipziger Grassimuseum, das Wandgemälde von Oskar Schlemmer im Zwenkauer Haus Rabe, die Versöhnungskirche in Leipzig, das Kaufhaus Schocken in Chemnitz von Erich Mendelsohn – heute Staatliches Museum für Archäologie - stehen dafür. Das Haus Schminke von Hans Scharoun in Löbau ist eines der weltweit vier herausragenden Beispiele der Stilrichtungen "Neues Bauen" und "International Style". Es fehlt in keinem Architektur-Lexikon und wird in einem Zug genannt mit dem Haus Tugendhat von Mies van der Rohe in Brünn/Brno (1931), der Villa Savoye von Le Corbusier in Poissy bei Paris (1928-29) und dem Haus Kaufmann " Fallingwater " in Mill Run, Pennsylvania (1935-39) von Frank Lloyd Wright genannt. Es steht im Übrigen nicht nur für Besichtigungen offen, sondern man darin auch übernachten. Zusammen mit dem Nieskyer Wachsmann-Haus ist es eine wichtige Station im Verbund TOPOMOMO (Topography of the modern Movement) – einem internationalen Verbund von herausragenden (Wohn)Gebäuden der Moderne. Zum „Jubiläum 100 Jahre Bauhaus“ wird das Bundesland mit vielfältigen Veranstaltungen und Ausstellungen vor allem das baukulturelle Erbe würdigen und an bestehende Präsentationen und kulturelle Schwerpunktthemen, etwa das Thema Industriekultur, anknüpfen. Kunst-Moderne trifft Bauhaus Bald nach dem Ersten Weltkrieg gewann die sächsische Architekturlandschaft durch die Moderne an Vielfalt. Diese speiste sich maßgeblich aus den architektonischen und städtebaulichen Reformbewegungen rund um die Jahrhundertwende, die nun den Weg bereiteten für unterschiedlichste Strömungen moderner Architektur bis in die frühen 1930er Jahre. So wirkte auch das Bauhaus nachhaltig auf Sachsens Kulturlandschaft: Die international wegweisende Plattform der Moderne entfaltete eine enorme Strahlkraft auf den Freistaat. Ab 1919 kamen entscheidende Impulse aus dem thüringischen Weimar, bevor um 1925 dem Städtchen Dessau in Anhalt die Rolle des Taktgebers zufiel, der auch Künstler und Gestalter in Sachsen in breitem Maße beeinflusste. So wird Marianne Brandt als prominente Vertreterin der Metall-Werkstatt am Bauhaus in ihrer Geburtsstadt Chemnitz inzwischen mit einem eigenen Museum gewürdigt. Die bahnbrechenden Lampen- und Glasentwürfe von Wilhelm Wagenfeld finden heute im Glasmuseum Weißwasser breiten Raum. Josef Albers wiederum, einer der wichtigsten abstrakten Künstler am Bauhaus, vollendete 1927 mit seinen Fenstern im Haupttreppenhaus des Leipziger Grassimuseums ein herausragendes Werk der Bauhaus-Glaskunst. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, sind die rekonstruierten Fenster seit 2011 wieder in ganzer Schönheit zu bewundern. Der Maler und Kostümbildner Oskar Schlemmer zählt ebenfalls zu den wichtigen Bauhaus-Künstlern. Er hinterließ im Zwenkauer Wohnhaus Rabe ein abstraktes Wandbild, das als ein Hauptwerk architekturbezogener Bauhauskunst in Sachsen gilt. In diese Reihe fügt sich auch das einstige Kaufhaus in Crimmitschau ein: 1928 für die Warenhauskette Schocken entworfen, lässt es die Wurzeln des Architekten Bernhard Sturtzkopf deutlich erkennen, der am Bauhaus studierte und später im Atelier von Walter Gropius tätig war. Selbst das politisch erzwungene Ende des Bauhauses durch die Nationalsozialisten konnte den Geist der Bauhaus-Ideen nicht wirksam stoppen. So wirkte Ernst Neufert etwa in der Industriearchitektur bei entscheidenden Projekten mit. Er gehörte zu den wichtigsten Mitarbeitern von Walter Gropius und sein Buch „Bauentwurfslehre“ wurde zu einem grundlegenden architekturpädagogischen Werk der Moderne. Ab 1934 schuf er als Hausarchitekt der Vereinigten Lausitzer Glaswerke eine Reihe eindrucksvoller Industriebauten wie das Lagergebäude für die Glaswerke in Weißwasser – eine eindrucksvolle Fortentwicklung der rationalen Bauhaus- Gestaltungslinie. Jenseits des Bauhaus Die vielfältige Architekturlandschaft der Moderne lässt sich in Sachsen aber auch abseits der Bauhaus-Tradition entdecken. So schuf Hans Poelzig 1932 mit der ehemaligen Konsum-Zentrale in Leipzig-Plagwitz einen der eindrucksvollsten Bauten der Neuen Sachlichkeit. Langgezogene Fensterbänder gliedern die Fassade horizontal, eine effektvoll eingesetzte Klinkerverkleidung und die starke Farbigkeit der zentralen Treppenhausgestaltung demonstrieren eindrucksvoll die kraftvolle Ästhetik sachlicher Gestaltung. Ähnlich markant zeigt sich das frühere Kaufhaus Schocken in Chemnitz aus dem Jahr 1930, der heutigen Heimstatt des Staatlichen Museums für Archäologie. Mit seiner geschwungenen Fassade und den langen Fensterbändern illustriert der Bau die dynamisch-kraftvolle Architektursprache Erich Mendelsohns, die ihn zu einem Star- Architekten seiner Zeit machte. Das 1933 fertiggestellte Wohnhaus Schminke in Löbau hingegen ist ein herausragendes Beispiel der „organischen Moderne“. Basierend auf Funktionsbedürfnissen entwickelte der Architekt Hans Scharoun diesen Stil von innen nach außen und schuf dadurch spannungsvolle Beziehungen von Außen- und Innenraum. Ganz andere Akzente setzt im Oberlausitzer Niesky ein weiteres Glanzlicht der Moderne, das heute so genannte Konrad-Wachsmann-Haus. Im Auftrag der Christoph Unmack AG arbeitete Konrad Wachsmann hier an der Entwicklung von experimentellen Holzhäusern. Die schnell zu errichtenden und kostengünstigen Typenbauten sollten zuerst die Angestellten des Unternehmens auf angemessene Weise unterbringen und perspektivisch helfen, die massive Wohnungsnot in der Weimarer Republik zu lindern. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung emigrierte Wachsmann nach Zwischenstationen in Italien und Frankreich schließlich 1938 in die USA. Dort setzte er ab 1941 gemeinsam mit Bauhaus-Gründer Gropius die in Niesky begonnene Arbeit fort und konzipierte Fertighaussysteme für Holzhäuser, die seinen internationalen Ruf begründeten. Weitere bemerkenswerte Bauten und Ensembles dokumentieren den stilbildenden Einfluss der Moderne in vielen weiteren Bereichen – vom Wohnungsbau, über Verwaltungs- und Kulturbauten bis hin zur Sakralarchitektur. So zeigt etwa das Leipziger Grassimuseum einen späten Expressionismus, der sich vor allem durch lebhaft gezackte Gestaltungsmuster im rötlich leuchtenden Porphyrtuff zeigt. Basierend auf einem Vorentwurf des Leipziger Stadtbaurats Hubert Ritter, wurde das Grassimuseum zwischen 1925 und 1929 nach Plänen von Carl William Zweck und Hans Voigt errichtet. Die ausdrucksstarke Architektur setzt sich im Innenausbau fort, was vor allem im Pfeilersaal des Museums sichtbar wird. Im Treppenhaus hingegen macht die abstrakt geometrische Gestaltung von Josef Albers‘ Fenstern nochmals die sachliche Note des Bauhauses spürbar. Mit dem Dresdner Hygiene-Museum demonstriert ein weiterer Museumsbau die enorme gestalterische Spannbreite der Moderne. 1930 eröffnet, inszeniert der monumental wirkende Bau von Wilhelm Kreis charakteristische Elemente sachlich-moderner Architektur auf ungewöhnlich repräsentative Weise. Die Moderne für den Alltag In den sächsischen Metropolen entstanden zu dieser Zeit auch etliche markante Hochhäuser, die zu den frühesten ihrer Art in Deutschland zählen. Den Auftakt besorgte 1928 das Krochhochhaus am zentralen Leipziger Augustusplatz direkt neben der Oper. Den Plan lieferte der Münchner Architekt German Bestelmeyer, der das Gebäude als Uhrturm inszenierte – mit Anleihen seines venezianischen Pendants am Markusplatz. Gänzlich anders interpretiert das schräg gegenüber liegende Europahaus die Neue Sachlichkeit: Der Entwurf von Otto Paul Burghardt wurde 1929 fertiggestellt, verzichtet komplett auf dekorative Elemente und setzt auf eine Höhenabstufung durch den zurückgesetzten oberen Bauteil. Im gleichen Jahr bekam auch Dresden sein erstes Hochhaus, entworfen von Hermann Paulick. Das markante Gebäude am Neustädter Albertplatz setzte allein durch seine Höhe einen weithin sichtbaren Akzent der Moderne. Weniger hoch, aber deutlich extravaganter präsentiert sich in Chemnitz seit Mitte der 1920er Jahre das frühere Verwaltungsgebäude der Cammann-Weberei. Blickfang dieses Willy-Schönefeld-Baus sind seine expressionistisch gezackte Silhouette und der kleine Spitzturm. Auf besondere Weise führt heute das sachlich-rationale Gebäude der Chemnitzer Sparkasse verschiedene Aspekte seiner Epoche zusammen: 1930 nach Plänen Fred Ottos errichtet, beherbergt es mit dem Museum Gunzenhauser eines der bedeutendsten Kunstmuseen mit Fokus auf die Moderne der 1920er Jahre. Beim Blick auf die Industriearchitektur der Moderne fallen mindestens zwei überragende Beispiele in Auge: der dynamisch bewegte Bau der einstigen Konsum-Genossenschaft in Dresden- Löbtau aus dem Jahr 1930, geplant von Kurt Bärbig, und die so genannte Stern-Garage in Chemnitz. Seit 1928 zählt sie zu den Hauptwerken der Neuen Sachlichkeit und stellt eine Ikone des frühen automobilen Zeitalters dar. Herausragende