Eliten Januar 2012 25

Pierre Lorang Juristerei und Milieukatholizismus Über die Kaderschmieden christlichsozialer Regierungschefs

Schauplatz Frankreich. Wer hier im Die hinzukumulierten Honoratiorenpos- Überhaupt ist Nicolas Sarkozy der erste Schweiße seines strebsamen Angesichts ten in den Kommunen, Departements Präsident der Fünften Republik, der nicht den akademischen Ironman durchgestan- und Regionen besitzen für diese Spezies Absolvent einer der berühmten Grandes den hat, dem stehen die Pforten der re- keinen Eigenwert, da das französische écoles ist – die sich von herkömmlichen publikanischen Paläste weit offen. Kein Mehrheitswahlrecht sie zu Basiscamps der Universitäten insofern unterscheiden, als kontinentaleuropäisches Bildungsetablis- Macht degradiert. der Zugang extrem beschränkt und kost- sement siebt bei seinen Aufnahmeprüfun- spielig ist. Indem sie neben einem ver- gen so unerbittlich aus wie die ENA. tieften Fachstudium auch Wert legen auf In den 92 Jahren und drei Monaten, allumfassende Allgemeinbildung, Persön- Die 1945 von Charles de Gaulle als Hort die seit den ersten allgemeinen lichkeits- und Charakterförderung, erfül- der Meritokratie ins Leben gerufene École Wahlen zur Abgeordnetenkammer len sie den Anspruch als Bildungsstätten nationale d’administration entlässt pro vergangen sind, hatten Juristen den der französischen Führungseliten in Poli- Jahrespromotion knapp über 100 Eleven. Posten des Regierungschefs während tik und Verwaltung, Armee, Ökonomie Die Bestplatzierten dürfen in die prestige- 91 Jahren und vier Monaten inne. und Geistesleben. Charles de Gaulle er- behafteten Korps der gehobenen Zentral- lernte sein Handwerk an der École spéciale staatsverwaltung eintreten. Ihre Karriere militaire de Saint-Cyr, Georges Pompidou beginnt am Rechnungshof, in der General- Ein und Alles der Fünften (Präsidial)- durchlief die École normale supérieure inspektion der Finanzen, beim Staatsrat Republik aber ist der Elysée-Palast. Das und Sciences Po, Valéry Giscard d’Estaing oder am Quai d’Orsay. Wer sich für den Präsidentenamt. Im Rennen um die hatte vor dem ENA-Eintritt bereits die fliegenden Wechsel vom grand commis de Weihe als republikanischer Monarch ver- École polytechnique hinter sich gebracht. l’État zum Politiker zu schade ist, möge hielt es sich bis vor kurzem so, dass ENA- Anders verhielt es sich beim belesenen sein Faible für Machtinsignien als Präfekt Abgänger die allerbesten Ausgangspo- François Mitterrand. Neben seinem oder Unterpräfekt in der Provinz befrie- sitionen hatten. Als erster der Zunft Sciences-Po-Diplom – ein solches ziert digt sehen. Viele énarques aber zieht es frü- schaffte es 1974 Valéry Giscard d’Estaing auch Jacques Chirac – erwarb er zeitgleich her oder später unweigerlich in die Politik (Promotion 1951), gefolgt von Jacques an der Pariser Sorbonne zwei Abschlüsse – die Pariser, wohlverstanden. Alsdann Chirac (Promotion 1959), der 1995 im in Rechts- und Literaturwissenschaften. huschen sie geheimnistuerisch durch die zweiten Wahlgang Lionel Jospin (Pro- Nicolas Sarkozy hingegen biss sich am Ins- Wandelhallen der Assemblée nationale, motion 1965) bezwang. Ségolène Royal, titut d’études politiques zwei Jahre lang dösen im plüschigen Ambiente des Senats, die Unterlegene von 2007, und François die Zähne aus. Angeblich haperte es an zelebrieren unter hohen Ministeriums- Hollande, Herausforderer 2012, drück- elementaren Englischkenntnissen. Für Stuckdecken ihre gefühlte Wichtigkeit … ten in der Promotion 1980 gemeinsam den späteren Hyper-Ehrgeizling, der sich die Schulbank. Darüber hinaus figurieren seine ersten Berufssporen nicht in den auf der illustren Anciens-Tafel des Hauses Obergeschossen des Staatsdienstes, son- Pierre Lorang war von 1996 bis 2011 u. a. Redakteur für Politik und Feuilleton, Leitartikler und Kolumnist ENA sieben Premierminister sowie unge- dern als niederer Business-Advokat ver- beim Luxemburger Wort. Er arbeitet heute als freier zählte Minister und Staatssekretäre von diente, reichte es unterm Strich „nur“ zu Autor. rechts wie von links. einer vergleichsweise dürftigen, trivialen 26 forum 314 Dossier maîtrise en droit privé an der Vorstadt-Uni genüber allem, was auch nur entfernt nach überhaupt mehr als pragmatischer Macher Paris X-Nanterre, einer Bildungsfabrik mit Lumières roch, eher dem Deutschtum mit soliden Buchhalterqualitäten denn als 35 000 Immatrikulierten (wo im Früh- zugetan war. Könnte dies mit ein Grund hehrer Prinzipienmensch registriert wird ling 1968 u. a. ein Bürgerschreck namens dafür sein, dass man hierzulande nie das – schon hat man, was man braucht! Cohn-Bendit agitierte). französische, das jakobinische Modell der Elitenbildung übernommen hat (mal ganz Einige jüngere (belgische) Beispiele ge- Dieses Mindestpensum von acht Semes- abgesehen davon, dass wir uns als über- fällig? Wilfried Martens, Premierminister tern Ius gehört womöglich zu dem Weni- schaubarer Zwergstaat nicht so anzustren- von 1981 bis 1992, studierte Recht an gen, was der aktuelle französische Staats- gen brauchen wie ein weitverzweigtes ehe- der Katholischen Universität Leuven, wo mit dem aktuellen luxemburgischen maliges Weltreich)? er der einflussreichen Ortskorporation Regierungspräsidenten teilt. Letzterer ver- des Katholischen Flämischen Studen- brachte seine Studentenjahre allerdings Hanner Arel op der Knippchen verbands (KVHV) vorstand. Jean-Luc nicht auf dem Campus von „Nanterre la Dehaene (1992-1999) studierte Recht folle“, sondern an der durchaus renom- Obschon wir Luxemburger es nur ungern und Ökonomie an den Facultés universi- mierten Robert-Schuman-Universität im zugeben: Unsere nächsten Verwandten taires Notre-Dame de la Paix in Namur beschaulichen Straßburg. Im Gegensatz zur sind, kulturell betrachtet, die Belgier. Das und der KU Leuven. In seiner Jugend war Grande Nation schickt das Großherzog- gilt auch und vor allem auf der Ebene des er Kommissar des Flämischen Verbands tum seine Besten nämlich nicht gezielt an parteipolitischen Einerlei. Zwar pflegen der Katholischen Pfadfinder und beim die Hochbegabtenschulen des Hexagons – die drei traditionellen Familien diesseits Bildungswerk des Allgemeinen Christ- obwohl dort auch Nichtfranzosen freund- und jenseits des Sterpenicher Grenzpfos- lichen Arbeitnehmerverbands (ACW),

lich Einlass gewährt wird. Die heute größ- tens – Christdemokraten, Sozialisten und unter deren Dach u. a. die mächtigen tenteils in der Europahauptstadt Straßburg Liberale – verschwindend wenig geschwis- christlichen Gewerkschaften und Kran- ansässige ENA z. B. nennt sich neuerdings terliche Kontakte. Dennoch sind sie sich kenkassen föderiert sind. Yves Leterme auch École européenne de gouvernance. in vielem erstaunlich ähnlich. Bezüglich (2008, 2009-2011) studierte Rechts-, des politischen Katholizismus’ gilt das Politik- und Verwaltungswissenschaften Hier manifestiert sich das erste Paradox. primär für Flandern. Die CVP (heute: an der Außenstelle Kortrijk der KU Leu- Luxemburgs Politik- und Verwaltungs- CD&V) als flämisches Pendant zur hiesi- ven sowie der Rijksuniversiteit Gent, um eliten sind historisch bedingt hochgradig gen CSV ist – wenngleich sie heuer nicht sich anschließend als Postensammler im frankophil. Als Bestandteil des Départe- mehr die Dominanz besitzt wie zu ihrer christdemokratischen Parteiapparat bis an ment des Forêts stand das Land von 1795 Glanzzeit – ideologisch und strukturell so dessen Spitze vorzuarbeiten. Herman Van bis 1814 unter der Herrschaft Frank- etwas wie deren großer Zwilling. Auf die Rompuy (2008-2009) studierte zwar kein reichs. In diese Zeitspanne fällt der Er- Heranzucht des Führungspersonals – mit Jura, dafür aber selbstredend an der KU lass des Code civil (nach seinem Urheber Anspruch auf den Posten des Regierungs- Leuven. Der Wirtschaftswissenschaftler auch Code Napoléon genannt) und ande- chefs – bezogen, heißt das: Man nehme ei- leitete u. a. den autonomen Partei-Think- rer, nicht minder revolutionärer Rechts- nen ausgebildeten Volljuristen, der in einer Tank CEPESS. Allen vier Politikern novitäten (Code pénal, Code de com- der konstituierenden soziologischen „Säu- gemein ist zudem das klassische, grie- merce, Code de procédure civile, Code len“ der Partei (Werktätige, Bauernschaft, chisch-lateinische Abitur an einer der im d’instruction criminelle). Seit jenen Tagen mittelständisches Besitz- oder staatstra- Königreich weitverbreiteten katholischen gilt im von einem kleinen Germanen- gendes Bildungsbürgertum) mitsamt ih- Konfessionsschulen. stamm bevölkerten Landstrich zwischen ren katholischen Vorfeldorganisationen Mosel und Attert das französische Zivili- verwurzelt ist, eine seriöse anthropolo- Von alledem ausgehend könnte man jetzt sationsmodell. Eine notorische Ausnahme gisch-sozialethische (Selbst)Ausbildung schlussfolgern, dass christlichsoziale Nach- stellte lange die katholische Kirche dar, genossen hat und seine weltanschaulichen wuchstalente in Luxemburg ihren hochge- die ob ihrer tiefen Verwurzelung im des Klassiker kennt, diese seine Intellektualität schraubten Ambitionen am besten gerecht Französischen nicht kundigen Landvolk, aber hinter volkstümlicher Bonhomie und werden, indem sie sich an der französisch- gepaart mit ihrer chronischen Aversion ge- Leutseligkeit zu kaschieren vermag und sprachigen Schwesteruni der KU Leuven Eliten Januar 2012 27 in Louvain-la-Neuve zum Ius-Studium • (Rechtspartei/CSV), Staats- • (CSV), Staats-/Premier- einschreiben. Fehlanzeige! Die sich auf- minister von 1926 bis 1937 und von 1953 minister von 1984 bis 1995, Präsident der grund der historischen und kulturellen bis 1958, Präsident der Abgeordneten- Europäischen Kommission von 1995 bis Parallelismen aufdrängende Hypothese kammer von 1959 bis 1964. Jurastudium 1999. Jurastudium in Straßburg und Paris; fand in der Praxis nur eine homöopathi- in Fribourg und Paris; Rechtsanwalt; Prä- Absolvent des Institut d’études politiques; sche Bestätigung am Rande. sident der Rechtspartei (1926); Mitglied Rechtsanwalt; Regierungsattaché (1962); der Historischen Sektion des Institut Fraktionssekretär der CSV (1966); Präsi- Tatsache ist, dass nicht ein einziger der sie- grand-ducal (1927); Ko-Gründervater der dent der CSV (1979); Präsident der Euro- ben Männer mit schwarzer Parteikarte, die Europäischen Gemeinschaft. päischen Volkspartei (1987). Luxemburg seit Einführung des allgemei- nen Wahlrechts 1919 als Regierungschef • Pierre Dupong (Rechtspartei/CSV), • Jean-Claude Juncker (CSV), Premier- gedient haben, jemals einen Studieren- Staatsminister von 1937 bis 1953. Jura- minister seit 1995, Vorsitzender der denfuß in eine belgische Uni gesetzt hat. studium in Berlin, Fribourg und Paris; Euro-Gruppe seit 2005. Jurastudium in Womit wir beim zweiten Paradox ange- Rechtsanwalt; Gründungsmitglied des Straßburg; Vereidigung als Rechtsanwalt; langt sind: Luxemburgs First-Class-Poli- Akademikervereins (1910); Präsident der Fraktionssekretär der CSV (1979); Präsi- tiker sind ihren Kollegen in Belgien sehr Rechtspartei (1937); Vater des Luxembur- dent der CSV (1990); Träger des Interna- ähnlich, zum Lernen aber expatriieren sie ger Sozialstaats. tionalen Karlspreises zu Aachen (2006); sich nach Frankreich (lassen sich aber, wie ausländisches assoziiertes Mitglied der gesagt, nicht vom republikanischen Eli- • (CSV), Staatsminister französischen Académie des sciences mo- tenbildungssystem vereinnahmen). von 1958 bis 1959. Studium der Phi- rales et politiques (2007).

Männer aus engem Goss losophie und Geisteswissenschaften in Aus dieser kurzen Aufzählung wird er- Fribourg, Zürich, Genf und München; sichtlich, dass in den 92 Jahren und drei Skizzieren wir kurz den akademischen, Gymnasiallehrer; Schriftsteller; Mitglied Monaten, die seit den ersten allgemeinen beruflichen, soziokulturellen und partei- des Staatsrats (1945). Wahlen zur Abgeordnetenkammer am politischen Werdegang des Luxemburger 26. Oktober 1919 vergangen sind, Polit-Pantheons: • (CSV), Staatsminister von - die CSV/Rechtspartei während 85 Jah- 1959 bis 1974 und von 1979 bis 1984. ren und zehn Monaten den Regierungs- • Emile Reuter (Rechtspartei/CSV), Staats- Studium von Jura und Politikwissenschaft chef stellte; minister von 1918 bis 1925, Präsident der in Paris; Präsident des Akademikervereins - die studierten Juristen den Posten des Abgeordnetenkammer von 1926 bis 1959. (1935); Vizepräsident von Pax Romana Regierungschefs während 91 Jahren Jurastudium in Straßburg, Nancy und Pa- (1936); Jurist bei der Banque Générale du und vier Monaten innehatten; ris; Rechtsanwalt; Gründungspräsident (1939); Kommissar für Ban- - das Amt des Regierungschefs exklusiv des Katholischen Volksvereins (1903); kenkontrolle (1945); Vater des Finanz- und ununterbrochen von Politikern Präsident der Rechtspartei (1918); Grün- platzes Luxemburg und der europäischen ausgeübt wurde, die gemein hin als dungspräsident der CSV (1944); Bot- Gemeinschaftswährung. praktizierende Katholiken wahrge- schafter beim Heiligen Stuhl (1957). nommen wurden. • (DP), Staatsminister von • Pierre Prüm (Unabhängige National- 1974 bis 1979, Präsident der Europäischen Unter Hinzunahme des Steuerrechtlers partei), Staatsminister von 1925 bis 1926. Kommission von 1981 bis 1985, Vorsitzen- Léon Kauffman, der von Juni 1917 bis Jurastudium in Leuven (Belgien); Rechts- der der UN-Generalversammlung (1975). September 1918 als erster Rechtspartei- anwalt; Abgeordneter der Rechtspartei Jurastudium in Montpellier, Lausanne und ler im Staatsministerium saß, ergibt sich, bis 1918; Friedensrichter in Clerf (1926); Paris; Präsident der Union nationale des dass Luxemburgs christlichsoziale Partei, Mitglied der NS-freundlichen Gesellschaft étudiants du Luxembourg (1953); Rechts- die vor 98 Jahren (am 16. Januar 1914) für Deutsche Literatur und Kunst (1940); anwalt; Präsident der DP (1962 und 1971); gegründet wurde, bis dato während 88 wegen Kollaboration zu vier Jahren Haft Präsident der Liberalen Internationale Jahren und zwei Monaten die Regierungs- verurteilt (1946). (1970); Generaldirektor der CLT (1987). geschäfte führte. 28 forum 314 Dossier

geldgierigen Abrissbirne zum Opfer fiel. In diesem Mix aus Offizierskasino, Mu- sentempel, Gewerkschaftsheim und Ka- derschule (im Volksmund: „de versoffene Rousekranz“) gedieh der katholisch-christ- lichsoziale Humus. Auch der von Emile Reuter 1903 gegründete Luxemburgische Katholische Volksverein als Massenorga- nisation für Volksbildung und anti-anti- klerikale Agitation – eine Art Vorstufe zur Rechtspartei – hatte hier seine Bleibe.

Als konkurrenzloser Großmeister der Ver- netzung entpuppte sich in all den Jahren der Spiritus rector der Rechtspartei und spätere CSV-Übervater Pierre Dupong. Im interklassistischen Geiste hatte er über- all seinen Fuß in der Tür: bei den bür- gerlichen Akademikern sowieso, doch als Sozialpolitiker – ebenso wie später Jacques Santer und Jean-Claude Juncker – auch In memoriam Versoffene Rousekranz der Außenpolitik und dem Weinbau. Zwei bei den christlichen Gewerkschaften höchst unterschiedliche Departements, LCGB und Syprolux sowie über seinen Zwei Mitglieder jener „Schwarzen Sieben“ die er nie aus der Hand gab. Seine Klientel Neffen, den legendären Mathias Berns, der CSV-Premiers fallen, jeder auf seine im Ostbezirk, wo er sich zum Abgeordne- bei der im Agrarsektor einst omnipoten- Weise, erheblich aus dem Rahmen: Joseph ten wählen ließ, wusste es ihm, zumindest ten Bauernzentrale. Bech und Pierre Frieden. Letzterer ist in in Puncto Vitikultur, zu danken. der Tat der einzige Nichtjurist im Klub, Ferner war Dupong aus seiner Pariser Stu- dafür aber der herausragende Intellektu- Eine wahre pépinière für christlichsoziale dentenzeit mit dem liberal-katholischen elle. Frieden war während des Krieges – die Spitzenpolitiker und andere katholische Denker und Aktivisten Marc Sangnier be- Regierung hatte sich ins Exil abgesetzt – Geistesgrößen war bis in die sechziger kannt, dem Kopf der von Papst Pius X. kurzzeitig im SS-Sonderlager Hinzert Jahre des vorigen Jahrhunderts vor allem wegen ihrer fortschrittlich-emanzipatori- inhaftiert. Er leitete zeit seines Minister- die Association luxembourgeoise des uni- schen Ideen mit Argwohn beäugten Be- lebens ab 1944 und bis zu seinem Tod versitaires catholiques (ALUC), die sich wegung Le Sillon. Aber auch nach dem 1959 das Erziehungsministerium und bis 1948 Akademikerverein (AV) nannte. Patriarchen hat sich jede neue Generation war, ähnlich wie sein Alter Ego Pierre Schon bei dessen Gründung am 7. Au- christlichsozialer Eliten im 20. Jahrhun- Grégoire, ein sehr aktiver Literat. In seinen gust 1910 stand Pierre Dupong Pate. Ei- dert (und nur diese) an den geistig ver- Büchern (Meditationen um den Menschen, nes der erklärten Ziele des Zirkels war es, wandten intellektuellen Bezugspersonen De la primauté du spirituel, u.a.m.) reflek- dem katholischen Luxemburger Volk zu ihrer Zeit orientiert, und zwar überwie- tierte er über das christlich-humanistische einer ebenso katholischen Elite zu ver- gend – aber nicht ausschließlich – im fran- Menschenbild. helfen. Sowohl die drei Pierres (Dupong, zösischsprachigen Raum: Charles Péguy, Frieden und Werner) als auch Jacques Henri Bergson, Simone Weil, Jacques Ganz anders der liberal-konservative Santer – übrigens der einzige Luxembur- Maritain, Emmanuel Mounier, Oswald Joseph Bech. Von ihm ist nicht überlie- ger Ministerpräsident mit Grande-École- von Nell-Breuning, u.a.m. fert, dass er außerhalb der Partei in einer Abschluss – waren hier an vorderster Front Komponente der katholischen Zivilge- aktiv. Der junge Student Pierre Werner Jean-Claude Juncker wiederum dürfte es sellschaft aktiv gewesen sei. Immerhin hat avancierte gar zum stellvertretenden Vor- bevorzugt mit Léon Dehon, Gründer der er – wie Dupong und Frieden – an der sitzenden von Pax Romana, dem Weltver- Gemeinschaft der Herz-Jesu-Priester, und zweisprachigen katholischen Universität band der katholischen Akademiker. dessen Sozialethik mitsamt der ausdrück- im schweizerischen Fribourg studiert, die lichen Option für die Schwachen in der damals bei Luxemburgern hoch im Kurs Stammsitz des AV und dem Bienenstock Gesellschaft halten. Als ancien der Klos- stand. Dennoch werfen Kritiker ihm vor, aus zahllosen Organisationen und Zünften terschule von Clairefontaine ist ihm der bei den (Rechts)Liberalen hätte er eine der katholischen Subkultur war das Volks- Name sicher sehr geläufig … u glaubwürdigere Figur abgegeben. Da Bech haus, ein prächtiges herrschaftliches An- aber bauernschlauen Machtinstinkt besaß, wesen mitten in Luxemburg-Stadt an der kompensierte er den Mangel an weltan- Ecke Boulevard Royal/Rue de l’Arsenal, schaulichem Profil in seinen chasses gardées: das in den rücksichtslosen Siebzigern der