Schaumburg-Lippische

Heimatblätter

Juli - September 2020

Herausgegeben vom

Schaumburg- Lippischen

Heimatverein e.V.

• Johann Zantfurt – Bückeburgs erster Heft 3 Akademiker 71. (95. Jahrgang)

• Die Post in Bad ISSN 2365-872X

• Auswandererschicksal: Von Bückeburg Der Bezug ist im nach Amerika – Wilhelm Bargheer Mitgliedsbeitrag enthalten.

• Archäologie in Schaumburg

Reiseherbst 2020

09.08. – 16.08. Ostseebad Kühlungsborn € 685,- Hotel Morada Resort mit Frühstück

11.08. – 15.08. Inselhüpfen in Ostfriesland € 535,- 3* Hotel Herbers in Moordorf mit Halbpension, Herausgegeben vom Fährüberfahrten Norderney, Langeoog & Spiekeroog Schaumburg- 04.09. – 06.09. Ostseefjord Schlei Lippischen € 369, Heimat-- 4*Steigenberger Hotel in Kiel mit Frühstück, verein e. V. 1x Abendessen, Stadtführung & Ausflug Schlei

08.09. – 10.09. Altmühltal € 397,- 4*Hotel Fuchsbräu in Beilngries mit Halbpension, Stadtführung, Rund- und Schifffahrt, Weißwurstessen

21.09. – 25.09. Fischland-Darß € 579,- 4*IFA Hotel Graal-Müritz mit Halbpension, 2 Ausflüge & Schifffahrt Kranichbeobachtung

28.09. – 01.10. Strasbourg & Elsass € 469,- 3*Hotel Ibis Cedntre Historique Strasbourg mit Frühstück, 1x Abendessen, Stadtführung, Bootsfahrt und Ausflug Weinstraße mit Weinprobe

Unseren Katalog und unser aktuelles Tagesfahrtenprogramm senden wir Ihnen gern kostenfrei zu. In unserem Reisebüro beraten wir Sie gern auch ausführlich.

RSO Reisebüro 31655 Stadthagen, Bahnhofstraße 8, Telefon: 0 57 21 - 7 50 34, Fax: 0 57 21 - 7 21 44, Email: [email protected] Heft 1 Unsere Öffnungszeiten: 66. (90.(90. Jahrgang) Montag - Freitag von 9.00 - 13.00 Uhr und 14.00 - 18.00 Uhr (außer MittwochnachmittagDer Bezug ist), im Mitglieds- Samstag von 9.00 - 12.00 Uhr, Sonntags geschlossen. beitrag Besuchen Sie uns auch jederzeit im Internet unter: www.ruhe-reisen.de enthalten.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter

Juli - September 2020 Heft 3 - 71. (95. Jahrgang)

Herausgegeben vom Schaumburg-Lippischen Heimatverein e. V.

Titelbild

Santfords Tötung in einer Miniatur von 1582. Quelle: Universitätsbibliothek Würzburg M. ch. F. 760, fol. 327v.

Impressum Herausgeber: Schaumburg-Lippischer Heimatverein e. V. Heinz Brunkhorst (1. Vorsitzender) Schöttlingen 10, 31698 , Telefon 05725-1364 Homepage: www.schaumburg-lippischer-heimatverein.de E-Mail: [email protected] Redaktionsleitung: Alexandra Blume (ab), , Tel. 05725-5964 Stellv. Redaktionsleitung: Carsten Thiele (ct), Bückeburg, Tel. 05722-967730

E-Mail: [email protected]

Redaktion: Hans-Peter Fiebig, Bückeburg, Tel. 05722-84522 Kathrin Götze-Bühmann, , Tel. 05033-9814555

Ulrike Hasemann, Stadthagen, Tel. 0152 -26772472 Heinz Meier, Nammen, Tel. 0571-97206970

Layout und Satz: Alexandra Blume, Auhagen

ISSN 2365-872X Redaktionsschluss: Der Redaktionsschluss für die Schaumburg-Lippischen Heimatblätter ist jeweils 6 Wochen vor Quartalsbeginn. Für die nächste Ausgabe 4-2020: 18.08.2020

Erscheinen/Auflage: vierteljährlich / 1000 Exemplare Autoren dieser Ausgabe: Regina Bargheer, Stadthagen Dr. Brage Bei der Wieden, Wolfenbüttel Dr. Daniel Lau, Bückeburg Heinz K. Selig, Ludwigsburg Dieser QR-Code Artikel, Fotos und sonstige Informationen aus den „Schaumburg-Lippischen führt Sie direkt Heimatblättern“ unterliegen dem Urheberrecht und dürfen nicht ohne zu unserer Genehmigung des Urhebers verwandt werden. Für die Inhalte der Beiträge und Homepage. Veranstaltungshinweise sind allein die jeweiligen Verfasser verantwortlich.

2 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Auf ein Wort Liebe Mitglieder und Freunde des Schaumburg- Lippischen Heimatvereins!

In den vergangenen Monaten hat das Corona-Virus alles durchei- nandergebracht, nicht nur, dass wir unsere „Ordentliche Jahres- hauptversammlung“ absagen mussten. Um Ansteckungsrisiken zu vermeiden konnte die Verteilung der Heimatblätter nicht planmä- ßig erfolgen und auch unsere Ortsgemeinschaften konnten ihr Ver- anstaltungsprogramm nicht in gewohnter Weise für Sie organisie- ren und durchführen. Leider musste auch die Schaumburger Land- schaft den Tag des offenen Denkmals und den Plattdeutschen Tag absagen, denn die Gesundheit steht an erster Stelle. Niemand konn- te ahnen, wie sehr sich die Welt in wenigen Wochen verändern Heinz Brunkhorst würde. Wir alle leben in einer schwierigen Lage und hoffen gemein- 1. Vorsitzender sam, dass die Eindämmung der Corona-Infektionen weiterhin gelingt Schaumburg- und bald ein wirksamer Impfstoff verfügbar sein wird. Lippischer Heimatverein e. V. Der Wunsch vieler Heimatfreunde nach einer baldigen Rückkehr zur Normalität ist spürbar. Wir bitten aber um Ihr Verständnis, wenn die Arbeit in Ihren Ortsgemeinschaften und im Gesamtverein zu- nächst nur in kleinen Schritten weitergeht.

Die Planung von Vortragsveranstaltungen und Fahrten benötigen in diesen Zeiten eine besondere Vorlaufzeit für die Abklärung und Buchung bei Busunternehmen, Kulturträgern, öffentlichen Einrich- Sie haben einen tungen sowie Restaurationen. Eine Veröffentlichung sicher stattfin- Beitrag für die dender Veranstaltungen kann daher auch in dieser Ausgabe der Hei- Heimatblätter? matblätter nicht erfolgen. Bitte beachten Sie die Ankündigungen von Veranstaltungen unserer Ortsgemeinschaften in der Tagespresse Senden Sie ihn oder in den Bekanntmachungskästen vor Ort. einfach per E-Mail an die Redaktion: Angesichts der durch die Corona-Pandemie entstandenen außerge- wöhnlichen Lage hat der Vorstand des Schaumburg-Lippischen Hei- redaktion@ matvereins e. V. nach Rücksprache mit dem Niedersächsischen Hei- schaumburg- matbund in Hannover und dem Registergericht in Stadthagen be- lippischer- schlossen, unsere „Ordentliche Jahreshauptversammlung 2020“ im heimatverein.de März 2021 durchzuführen. Dann werden auch die Berichte und die oder an den Ver- Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2019 nachgeholt. einsvorsitzenden: Liebe Heimatfreunde, bleiben oder werden Sie gesund und halten Heinz Brunkhorst Sie Ihrem Heimatverein weiterhin die Treue. Schöttlingen 10 31698 Lindhorst

1. Vorsitzender

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 3

Inhalt

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 3

Historisches

Bückeburgs erster Akademiker 5-7 Die unwahrscheinliche Karriere des Johann Zantfurt Postgeschichte

Die Post in (Schaumburg-Lippe) 8-24 von der Briefsammlung zum Postamt Klasse III (1825-1887) Das geschah vor 100 Jahren

Blitzeinschlag in den Kurhäusern 25 Historisches

Von Bückeburg nach Amerika 26-43 Das Auswandererschicksal des Wilhelm Bargheer Archäologie

Neuigkeiten aus der Kommunalarchäologie 44-47 Frühneuzeitliche Präzisionsarbeit – ein Bechergewicht aus Escher Plattdeutsches

Sönndagsgang 48 Buchvorstellung

Ralf Wente – 49 Lichtspiele im Schaumburger Land Historische Anzeigen 50

Kontaktangaben Mitgliedsbeiträge / Vereinskonten 51 Ansprechpartner 52

4 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches Brage Bei der Wieden Johann Santford, Akademiker aus Bückeburgs erster Akademiker Bückeburg Die unwahrscheinliche Karriere des Johann Zantfurt

1392 schrieb sich Johannes Santford aus „Buckeborg“ in die Matri- kel der Universität Erfurt ein.1 Das war das erste Semester der neu eröffneten Universität, der fünften im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation: nach Prag, Wien, Heidelberg und Köln. Santford (in der Literatur meistens Zantfurt geschrieben) immatrikulierte sich nach einem Johannes Molendinarii aus und einem Helmold Rordus aus Hameln, mit denen er vermutlich eine Gruppe bildete, die gemeinsam von der mittleren Weser angereist war.

Es gab damals in Deutschland keine 2000 Studenten, eine winzige Minderheit also, und diejenigen, die es gab, kamen in aller Regel aus wohlhabenden bürgerlichen Familien, die in Bildung investier- ten, um ihren Söhnen eine Position zu verschaffen. Aber Johann Santford aus Bückeburg? Die neue Bückeburg war 1296 oder bald danach erbaut worden, der Burgflecken, der sich bildete, hatte 1365 eine Ratsverfassung und Gerichtsbarkeit erhalten; es lebten dort vielleicht 200 Menschen und Latein verstand vermutlich nur der Burgkaplan. Johanns Weg nach Erfurt ist rätselhaft. Wer hatte seine Schulbil- dung betrieben? Wer wusste, dass in Erfurt eine Universität eröffnet werden würde? Wer finanzierte das Studium? Der Student gehörte keinem Orden an. Ein Graf zu Holstein-Schaumburg könnte sein Gönner gewesen sein, Bernhard z. B., Kanoniker in Minden und Ham- burger Dompropst, oder dessen Bruder Otto I., der, bevor er die Regierung der Grafschaft übernahm, als Propst des Bonifatiusstifts in Hameln amtierte. Aber das bleibt reine Spekulation. Santfords Karriere hingegen lässt sich mit Hilfe des Repertoriums academicum Germanicum wunderbar schnell darstellen.2 1396 er- warb er (als „Johannes Buckeborg“) an der Universität Prag den Grad eines Baccalaureus artium. 1402 wurde die nächste Universität

1 Acten der Erfurter Universität. Bearb. von Hermann Weißenborn. I. Theil. Halle 1881, S. 38. 2 https://rag-online.org. Vgl. auch Robert Gramsch-Stehfest: Erfurter Juristen im Spät- mittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite im 14. und 15. Jahrhundert. Leiden 2003, Z/N. 702.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 5

Historisches

Johann Santford, Akademiker aus Bückeburg

Santfords Tötung in einer Miniatur von 1582. Quelle: Universitätsbibliothek Würzburg

M. ch. F. 760, fol. 327v.

Aufgrund einer gegründet, in Würzburg, und Santford 1403 zum Professor der ungenauen Über- Rechte berufen. 1405 folgte seine Promotion zum Doctor decreta- setzung aus dem lium, d. h. Lehrer des Kirchenrechts. 1406 bestätigte ihm die Kurie ein Lateinischen wird Kanonikat mit Pfründe in Hildesheim.3 Darüber wüssten wir gerne er hier mit einem mehr: Konnte er hier persönliche Beziehungen nutzen, die ihn mit Schwert erschla- seiner Heimat verbanden? War er Domherr oder Kanoniker eines gen, nicht mit Hildesheimer Kollegiatstifts? einem Messer erstochen. 1409 ernannte der Würzburger Bischof Johann (von Egloffstein) ihn zu seinem Generalvikar: zu seinem Vertreter in Rechts- und Verwal- tungssachen, zum Kanzler, wenn man so will, doch verwaltete er dieses Amt nur kurze Zeit. In verschiedenen Urkunden erscheint sein Name als Schiedsrichter in Rechtssachen. 1410/11 hatte Santford das

Amt des Rektors der Universität Würzburg inne. Zur Sicherung ei- ner angemessenen materiellen Existenz erhielt er Pfründen am Stift 4 Neumünster in Würzburg: 1405 als Vikar, 1410 als Chorherr. In einer Handschrift der Stadtbibliothek Braunschweig hat sich als Einband- makulatur ein Notariatsinstrument erhalten, in welchem ein Notar

3 Repertorium Germanicum. Verzeichnis der in den päpstlichen Registern und Kame- ralakten vorkommenden Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien von Beginn des Schismas bis zur Reformation. Bd. 2. Bearb. von Gerd Tellenbach. Berlin 1933, Sp. 1401 („Johannes Landford de Buckeborch“, der Name ist verlesen). Santford erhielt die Pfründe nach der Exkommunikation Erich von Esbecks, den ich aber nur als Kanoniker in Halberstadt finde. 4 Alfred Wendehorst: Das Stift Neumünster in Würzburg. Berlin 1989, S. 504 f. Vgl. Enno Bünz: Stift Haug in Würzburg. Untersuchungen zur Geschichte eines fränki- schen Kollegiatstifts im Mittelalter. Teilbd. 2. Göttingen 1998, S. 832.

6 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches 1406 Santfords Ansprüche auf eben die- ses Kanonikat begründete.5 1413 fügte Johann Santford, er seinen Qualifikationen das Baccalau- Akademiker aus reat der (weltlichen) Rechte hinzu, das Bückeburg ihm die berühmteste Ausbildungsstätte für Juristen, die Universität Bologna, ver- lieh.6 Im selben Jahr bekam er eine reich

dotierte Pfarre in Heilbronn.

Am 1. Dezember 1413 endete Sant- fords Leben durch eine Gewalttat. Sein Diener erstach ihn in seiner Wohnung im Hof „Zum Großen Löwen“ (Domini- kanergasse 6) in Würzburg; er benutzte dabei Santfords eigenes Messer. Die Nachlassverwalter stifteten ein Gebet- buch für die Domkirche, in das sie die Umstände seines Todes ein- tragen ließen.7

Durch den Mord endete eine Karriere, die Santford noch weit hätte bringen können. Sein Würzburger Kollege Johannes Ambundii aus Schwaan in Mecklenburg etwa starb als Erzbischof von Riga.

Von Santford ist eine Traktat über den Kirchenbann überliefert 8 (articuli de ecclesiastico interdicto), außerdem in zwei Abschriften ein Rechtsgutachten zum selben Thema für den Pfarrer an St. Se- baldus in Nürnberg.9 Johnnes Santford war also nicht nur der erste akademisch gebildete Jurist aus Bückeburg, sondern auch der erste Schriftsteller – und kann der Stadt des Niedersächsischen Staatsge- richtshofs, eines Land- und eines Amtsgerichts durchaus einen Traditionsbezug bieten.

5 Luitgard Camerer: Die Handschriften des Braunschweiger Geistlichen Arnold Lam- pen in der Stadtbibliothek Braunschweig. Wiesbaden 2001, S. 55 (Mscr. 75). 6 Das geht aus dem Titel seines Traktats über das Interdikt hervor, der ihn baccalari- um in legibus formatum Bononiensem nennt. Sein Name fehlt bei Gustav C. Knod: Deutsche Studenten in Bologna 1289-1562. Biographischer Index zu den Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis. Erster Theil. Berlin 1899. 7 Lorenz Fries: Geschichte, Namen, Geschlecht, Leben, Thaten und Absterben der Bischöfe von Würzburg. Erster Band. Würzburg 1848, S. 592 f. 8 Rudolf Weigand, Hans Thurn: Johannes Zantfurts Articuli de ecclesiastico interdicto. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 45 (1983), S. 65-74 (Einführung und Edition). 9 Rudolf Weigand, Hans Thurn: Johannes Zantfurts Rechtsgutachten über das kirchli- che Interdikt und sein Verhältnis zu Johannes Auerbach. In: Würzburger Diözesange- schichtsblätter 53 (1991), S. 105-113 (mit Edition).

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 7

Postgeschichte Heinz K. Selig Die Post in Bad Eilsen Die Post in Bad Eilsen (Schaumburg-Lippe)

von der Briefsammlung zum Postamt Klasse III (1825-1887)

1. Ausgangslage

Zwischen 1770 und 1780 wurden die heilkräftigen Schwefelbäder in Eilsen bereits vielfach von den Landsleuten genutzt. Im Jahre 1794 verfügte die Schaumburg-Lippische Landgräfin Juliane1 die Anlage eines Schwefel- und Schlammbades an dieser Stelle2. Hintergrund war die finanzielle Situation in der Grafschaft (ab 1806 dem Fürs- tentum) Schaumburg-Lippe. Es wurde eine Einnahmequelle benö- tigt um die Staatsschulden zu senken.

1 Landgräfin Juliane Wilhelmine Luise von Hessen-Philippsthal (* 8. Juni 1761 in Zütphen; † 9. November 1799 in Bückeburg) aus dem Haus Hessen war von 1787 bis 1799 Regentin von Schaumburg-Lippe. (Quelle Wiki). 2 WIEGMANN, W., Heimatkunde des Fürstentums Schaumburg-Lippe, Stadthagen 1912, S. 109.

Postgeschichte So bestanden in Schaumburg-Lippe 1887 Verbindlichkeiten in Höhe von 470.000 Reichstalern. Allein die Zinsleistungen für diesen Be- Die Post trag in Höhe von 21.000 Talern entsprachen genau dem Einnahme- in Bad Eilsen überschuss des Duodezstaates.3

Es entstanden ein Badehaus, ein kleines Logierhaus und - nachdem zahlreiche Grundstücke erworben worden waren - der jetzige Kur- park. Bald wurden auch Schlamm- und Moorbäder errichtet, bis schließlich von den Nachfolgern Julianes 1809 das große Logier- haus und 1847 das Konversationshaus mit Kursaal, Lese- und Spiel- 4 zimmer erbaut wurde. Die Lithografie auf der linken Seite zeigt das sogenannte Konversations- haus mit Kursaal, Lesesaal und Spielzimmer, sowie einem Kursalon (rechts). Dieses Haus diente seinem Zweck bis 1924 bis es dem neu errich- teten Badehaus weichen musste. Nur die schönen Sandsteinsäulen des Eingangsbereiches blieben erhalten. Sie stehen heute vor dem Hallenbad. Auch die kleinen Logierhäuser wie hier das Logierhaus Tünnermann sind zwischenzeitlich abgerissen.5

2. Postamt Bückeburg

Schaumburg-Lippe schloss mit Thurn und Taxis einen Postvertrag mit Wirkung zum 14. Februar 1814 ab. Infolge dieses Vertrages ging die Postgerechtsame der Schaumburg-Lippischen Landespost an Thurn und Taxis über. Erster Postverwalter der TT-Poststation in Bückeburg wurde der bisherige Postmeister der Schaumburger Landespost, Friedrich Wilhelm Creuzinger. In Bückeburg befand sich noch ein preußisches Postamt, in eine Hannoversche Postamtex- pedition und in Stadthagen eine weitere Expedition von Thurn und Taxis. Eilsen gehörte zum Zustellbereich des Postamts Bückeburg. 6

3 HAUPTMEYER, Carl-Hans, Souveränität, Partizipation und absolutistischer Kleinstaat. Die Grafschaft Schaumburg-Lippe als Beispiel. Hildesheim 1980, S. 179 ff. 4 WIEGMANN, W. (wie Anm. 2). 5 Sammlung Selig. 6 Stempelsammlung Selig aus http://www.Japhila.cz/hof/0353/index0353_027.htm Frame 2ff

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 9

3. Briefkollecte / Briefsammlung Eilsen im Amtsbereich des Postamts Bückeburg

Die Zahl der Kurgäste in den Sommermonaten machte es erforder- lich einen regelmäßigen Briefaustausch zwischen der nahen Resi- denzstadt Bückeburg (5 km Entfernung) mit dem Thurn und Taxis- schen Postamt und Eilsen herzustellen. Ziel war es dem Briefschrei- ber den Weg zur Postexpedition Bückeburg zu ersparen, zumal die wöchentliche Landzustellung nicht mehr den Erfordernissen ent- sprach. Am 17. Juni 1817 beantragte aus diesem Grund die Fürstlich Thurn und Taxissche General-Post-Direktion „die Einrichtung einer Briefkollecte daselbst während der Kurzeit“.

Abbildung rechte Seite oben: Teilfranco-Brief" (fr. Hamburg) nach Itzehoe im dänisch besetzten Holstein, datiert vom 9. August 1825. Absender Fürstlich Schaumburg-Lippische Briefsammlung Eilsen an den Magistrat in Itzehoe. Handschriftlicher Hinweis "1 1/2 – fach", Gebühr (???) 6 Schilling plus 1 Schilling Bestellgeld. Ortsaufgabestempel des Leitpostamtes: L2 "BUECKEBURG / Datum Jahr". Durchgangsstempel TuT Kreisbogen "HAMBURG / F.TH. u. TAX.O.P.A. / Datum7

7 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

10 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Postgeschichte

Die Post

in Bad Eilsen

Ab 1825 wurde aufgrund des Antrags eine Thurn und Taxissche „Briefsammlung“ eingerichtet, die regelmäßig in den Sommermo- naten für vier Monate betrieben wurde.8

In der Literatur wird diese Einrichtung allgemein als Postablage bezeichnet. Sie war den Postexpeditionen zugeteilt, in deren Zustellbereich sie lag. Die Gebührenerhebung der Postablage war durch die zuständige Postexpedition vorgegeben. Die Einnahmen und Ausgaben mussten mit dem Leitpostamt abgerechnet wer- den; es konnten also keine selbstständigen Abrechnungen erstellt werden. Bis zur Einrichtung der „Brunnen-Postexpedition“ 1865 im Rahmen des Beitritts Schaumburg-Lippes zum Deutsch-Österreichischen Postverein 1854 wurde ein Einzeiler L 1 „EILSEN“ zu Ortsaufgabe weiterverwendet.

8 LASSLEBEN, M., Thurn und Taxis-Studien, Band 5, 1967, S. 68.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 11

Postgeschichte Dienstbrief „Armensache“ gebührenfrei an die Guts u. Obrigkeit in See- Die Post dorf bei Borndoven (heute Kreis Segeberg) L1 „EILSEN“ als Ortstempel in Bad Eilsen der Briefsammlung. Datiert vom 12. Juni 1852. In Hamburg wurde als Transitstempel der K2-Stempel S-H.O.P.A. Hamburg mit aptiertem S- H.O.P.A vom 18.06.1852. abgeschlagen. Am 15.4.1852 übernahm wieder das Dänische Postwesen die Verwaltung. Rückseite: Ortsstempel: EK5z „BÜCKEBURG/Tag/Monat/Jahr/Zeitbereich im Bogen“ und 2K „HAM- BURG/Datum Jahr/TH&T im Bogen“ des TuT-Postamts als Durchgangs- 9 stempel vor Übergabe an das Dänische Oberpostamt in Hamburg.

Über die Verwendung des L1 „EILSEN“ gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Einerseits wird die Verwendung ab 182510 angege- ben, andererseits wird von handschriftlicher Ortsangabe und einer Verwendung dieses Stempels erst ab 1848 gesprochen.11

Zwischen Bückeburg und Eilsen bestand ab 1825 eine regelmäßige Botenverbindung in den Sommermonaten. Der Bote soll ein lahmer Mann gewesen sein, der oft auf eine Fahrgelegenheit gewartet habe, wodurch er selten pünktlich beim Postamt Bückeburg und der Brief- sammlung Eilsen eingetroffen sei.12 Die Pakete und die Geldsendun- gen wurden stets mit Fahrpost transportiert.

9 Sammlung Selig (wie Anm. 5). 10 FEUSER/MÜNZBERG, Deutsche Vorphilatelie – Spezialkatalog und Handbuch, Stutt- gart , 2000, S. 238. 11 HAFERKAMP/PROBST, Thurn und Taxis Stempelhandbuch – Band 1; 1976 VI /6 im Widerspruch zu Anh./3. 12 MUNK, Heinrich, Aus der Frühgeschichte der Post in Bad Eilsen, DGPT, Regional- bereich Mitte, 1997, S. 54 ff.

12 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Postgeschichte Der Fürst Georg Wilhelm zu Schaumburg-Lippe hat mit dem Fürs- ten Maximilian Karl von Thurn und Taxis wegen der Überlassung Die Post der Landpostverwaltung im Fürstentum Schaumburg-Lippe 1853 in Bad Eilsen eine Postkovention vereinbart13. Damit wurde der Beitritt Schaum- burg-Lippes zum Deutsch-Österreichischen Postverein besiegelt.

Hermann Lindinger, der bisher als Brunnenkommissar tätig war, bekam ab 1855 als zusätzliche Aufgabe die Postverwaltung der Briefsammlung. Da er dies nicht allein bewältigen konnte, unter- 14 stützte ihn ein Gehilfe, der für seine Arbeit 30 Taler im Jahr erhielt.

Ausschnitt aus einer Ansichtskarte Verlag Otto Koch, Hoflieferant, Bückeburg – gelaufen 1906.15

Die Poststelle befand sich bis 1866 in der Portiersloge des kleinen Logierhauses. Ab 1. April 1854 konnten Marken zur Frankierung auch in Eilsen benutzt werden. Dazu erhielt die Briefsammlung eine ausreichende Anzahl Freimarken vom Leitpostamt zugeordnet. Die Entwertung der Francomarken und Kuverts erfolgte jedoch nicht bei der Postablage, sondern in Bückeburg16.

13 Fürstliches Zentralarchiv FZA Posturkunden Nr. 466 – 29.September 1853 mit Wir- kung vom 1.Januar 1854. 14 Sammlung Selig (wie Anm. 5). 15 Sammlung Selig (wie Anm. 5): Ausschnitt aus einer Ansichtskarte Verlag Otto Koch, Hoflieferant, Bückeburg – Verwendet 1906.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 13

Postgeschichte Franco-Brief nach Einbeck ins Königreich Hannover. Gebühr innerhalb Die Post des DÖPV bei einer Entfernung bis 10 Meilen mit bis 1 Loth Gewicht = in Bad Eilsen 1 Sgr. Datiert vom 26. Juni 1854. Ortsaufgabestempel L1 „EILSEN“; Leit- postamt Bückeburg mit Tagesstempel EK5z „BÜCKEBURG/Datum/Jahr/ Uhrzeit. Entwertung der Marke mit Vierringstempel „320“ für Bückeburg. Rückseitiger Ankunftsstempel 2K4z „/BAHNHOF“ (blauer Abschlag).17

Nach Beitritt Schaumburg-Lippes zum Deutsch-Österreichischen Postverein und der damit verbundenen Einführung von Franco- marken änderte sich die Arbeitsweise für die Briefbearbeitung. Der Tagesstempel des Leitpostamtes wurde nicht mehr auf der Siegel- seite, sondern auf der Adressenseite abgeschlagen. Dies wurde in der Instruktion für Postablagen vom 15. März 1865 in § 25 festgelegt. In § 28 der gleichen Verordnung wurde bestimmt, dass die Entwertung der Briefmarken und Kuverts ebenfalls auf den von der Postablage abgesendeten Briefen vom zuständigen Leit- postamt erfolgen musste. So wurden die in Eilsen verklebten Mar- ken nicht in Eilsen sondern erst vom Leitpostamt entwertet, hier mit Vierringstempel „320“ der Postexpedition Bückeburg. Hintergrund war, dass die Briefsammlung nicht Abrechnungspostamt war.

16 Dienstinstruktionen für die Postablagen 15. März 1865, Druckvorlage Fürstlich Thurn und Taxissches Zentralarchiv $ 25; § 28 Entwertung der Franko-Marken und Kuverts, § 54. 17 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

14 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Postgeschichte

Die Post in Bad Eilsen

Postvereins-Auslandsbrief von Eilsen nach London (Großbritannien). Datiert vom 21. Au- gust 1863. Leitvermerk „via Ostende“. Die Gebühr ist entsprechend dem Postvertrag vom Juni 1853, April 1856 und dem Tarif Generale vom 21. März 1862 mit 5 Sgr. Richtig frankiert (ex 1 Loth Gewicht).

Gebühr über Preußen und Ostende (Belgi- en) 2 ¼ Sgr. - Betrag geht an den DÖPV – hier Preußen. Vermerk auf der Siegelseite „2 ¾ wfr.“ Sgr.18 für die Strecke bis London. Aufgabestempel der Postablage L1 „EIL- SEN“, Tagesstempel des Leitpostamts EK5z „BÜCKEBURG/Tag/Monat/Jahr/ Tageszeit- bereich“. Roter Nebenstempel „P.D.“ (für „Paye Destination“ - bezahlt bis zum Be- stimmungsort) bestätigt die vollständig bezahlte Ge-bühr. Roter Stempelabschlag EK „LONDON / DE / AU 24 / 64 / PAID“.19

18 Amtsblatt des Königlichen Post-Departments. No. 3 vom 23. Januar 1864, S. 14 19 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 15

20

Auf sämtliche ankommende Briefe und Sendungen sollte von der Postablage der Ortsname gestempelt werden21. Die Vorgabe war diesen Stempel auf der Siegelseite abzuschlagen, was allerdings von vielen Ablagen, so wie auch von Eilsen, nicht beachtet wurde. Zum Beispiel bei einem Brief aus Wildeshausen.

Retourbrief von Wildeshausen (Großherzog- tum Olden- burg) nach Bad Eilsen.

20 Stempelsammlung Selig aus http://www. Japhila.cz/hof/0353/index0353_027.htm Frame 3 ff. 21 § 54 (wie Anm. 16).

16 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Postgeschichte Der Brief ist datiert vom 14. Juli 1862. Frankiert mit 2 Groschen (Olden- burgische Post) - 15 bis 30 Meilen ex. 1 Loth Gewicht. Die Post in Bad Eilsen

Links Leitweg nach Eilsen: Wildeshausen (Groß-

herzogtum Oldenburg), Hamburg (Stadtpost-

amt), Bückeburg-Bahnhof (Schaumburg-Lippe).

Rechts: Ankunft „EILSEN“. Hinweis nach Ankunft des Briefes in Eilsen: „Adressat ist von Eilsen abgereist“. Handschriftlicher Vermerk „retour“. Rücksendung von Eilsen: Bremen (TT Postamt Bremen), Postamt Oldenburg nach Wildeshau- sen (Ankunft 18. Juli 1862). 22

4. Thurn und Taxissche

Brunnen-Postexpedition Eilsen

Der Status der Postablage änderte sich im Juni 1865, als Eilsen zur 23 „Brunnen-Postexpedition“ erhoben wurde . Da die Expedition eine eigene Abrechnung erstellen musste, erhielt Eilsen unter anderem einen eigenen Vierringstempel (Nr. „406“) zur Markenentwertung und kurze Zeit später auch einen 1K5z Ortsstempel „EILSEN / Tag / Monat / Tageszeit / Zeitbereich“. Mit dieser Änderung des Status zur Brunnen-Postexpedition ergab sich für den Postkommissar Max Freiherr von Laßberg die Möglich- keit im Interesse von Thurn und Taxis der Regierung in Bückeburg die versuchsweise Einrichtung einer Personenpost von Bückeburg nach Eilsen einzurichten und um die Zustimmung nachzusuchen. Diese Personenpost sollte fünfmal täglich zwischen Bückeburg und Eilsen verkehren. Die ortsansässigen Fuhrleute und auch der Brun- nenkommissar Lindiger sträubten sich gegen die Personenpost, weil sie ihr Geschäft verlieren würden. Es entwickelte sich ein reger Notenaustausch, so dass es erst 1866 zu einer Personenpost zwi- schen Bückeburg und Eilsen kam, nachdem einige Bedingungen

22 Sammlung Selig (wie Anm. 5). 23 „Im Laufe des Monats für die Dauer der Kurzeit Brunnen-Postexpedition“, Gen. v. 11.06.1865.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 17

Postgeschichte von Thurn und Taxis erfüllt worden sind. Unter anderem sollten Die Post mehrere Briefkästen aufgestellt und die Postexpedition im Gast- in Bad Eilsen haus Rinne untergebracht werden. Der Postassistent Tausch wurde für die Zeit Juni bis Ende August zum Betriebsleiter der Postexpedi-

tion angenommen. An seiner Seite stand der Briefbote Johann Münch. Die Botengänge zwischen Bückeburg und Eilsen erledigte der Postbote Wallbaum. Der Fahrplan für die viermal täglich lau-

fende Personenpost wurde durch den Leiter des Bückeburger Post- amts, Nahrstedt, bekannt gegeben.24

Hotel Rinne. Postexpedition Eilsen ab Mai 1866. Ausschnitt aus einer Ansichtskarte Verlag J. Kaiser Druck und Kunstverlag, Minden – gelaufen 1902. 25 Bekanntmachung: "Mit höchstlandesherrlicher Genehmigung wird vom 1. Juni d.J. an auf Dauer der Kurzeit in Eilsen eine Postexpedition in Dienstwirksam- keit treten, deren Lokal im Hause der Gastwirtschaft Rinne sich befin- det. Auch werden am gleichen Tage an zwischen Bückeburg-Bahnhof und Eilsen Fahrposten mit Brief- und Päckereibeförderung kursieren. Bückeburg, den 15. Mai 1866 Fürstlich Schaumburg-Lippisches Thurn und Taxis'sches Postamt Nahrstedt"26

24 MUNK, Heinrich, Aus der Frühgeschichte der Post in Bad Eilsen, DGPT, Regionalbe- reich Mitte, 1997, S. 55 ff. 25 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

18 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Postgeschichte

27 Ganzsache nach Clenze bei Uelze. Datiert vom 18. Juni 1865. Mit 2 Sgr. war die Ganzsache unterfrankiert (3. Entfernungsstufe über 20 Mei- len) Gebühr 3 Sgr. (Vereinstaxe). Damit wurden 2 Sgr. Nachgebühr fällig. Handschriftlicher Vermerk „reicht nicht“ und Nachgebührsvermerk in

Rötel „1“, überschrieben „2 bz“ (für 2 Sgr. bezahlt). Ortsstempel EK5z „EILSEN / 18 / 6 / 4-5 / N“, Vierringstempel „406“. Rückseite Durch- gangsstempel EK: „BÜCKEBURG-BAHNHOF/18 6/NM /8-9“.

Mit Datum vom 6. Mai 1866 erging folgendes Schreiben (Auszug): „An Fürstlich Schaumburg-Lippische Hochlöbliche Regierung zu Bückeburg. Die Postverhältnisse in Eilsen betreffend. … Die genannte Postex- pedition wird eine täglich viermalige Postwagenverbindung mit Bücke- burg Bahnhof mit folgenden Kurszeiten erhalten: Aus Bückeburg um 6 Uhr früh 10.30 Uhr Vorm. 1.30 Uhr Nachm. 3.45 Uhr Nachm.

26 Niedersächsisches Staatsarchiv Bückeburg L3/P4/20. 27 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 19

Postgeschichte Aus Eilsen um 8.55 Uhr Vorm. Die Post 11.45 Uhr Vorm. in Bad Eilsen 2.25 Uhr Nachm. 7.55 Uhr Nachm.

Die Fahrtleistung haben wir der Posthalterei zu Bückeburg über-

tragen, und die Beförderungszeit auf 50 Minuten festgesetzt. Zu den Fahrten werden ein 6 sitziger und ein 9 sitziger Wagen verwendet. … an dem großen und kleinen Logierhause Briefkasten anbringen las- sen, und haben angeordnet, daß die einfahrenden Postwagen zwi- schen beiden Logierhäusern einige Zeit anhalten und daß in den Postwagen ein Anschlag im Betreffe der Verweisung der ankom- menden Reisenden an das Brunnen-Commissariat Behufs der Be-

schaffung von Wohnungen angebracht wird.

Wir erneuern die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung. Frankfurt a/M., den 6ten May 1866 Fürstlich Schaumburg-Lippische Thurn und Taxis General-Post- Direktion.“ 28

Das Fürstentum Schaumburg-Lippe war bestrebt sich aus der Aus- einandersetzung um die Vorherrschaft Preußens in Deutschland, 1866, heraus zu halten um nicht von Preußen besetzt und annek- tiert zu werden. Zwar rückten am 16. Juni 1866 Preußen von Min- den aus in Schaumburg-Lippe ein, verließen das Fürstentum aber wieder in Richtung auf Hannover. Nachdem am 28. Januar 1867 zwischen dem Fürstlichen Hause Thurn und Taxis und dem Königreich Preußen ein Vertrag über die Übertragung des taxisschen Postwesens geschlossen worden war, kam es im Zuge der Neuordnung des Postwesens im norddeut- schen Raum unter der Führung Preußens auch zu einem Vertrag (am 15. Juni 1867) mit dem Fürstentum Schaumburg-Lippe. In die- sem Vertrag überträgt die Regierung des Landes die Ausübung des Postregals im Fürstentum „auf ewige Zeiten“ auf die Königlich Preußische Postverwaltung. Infolge dieser politischen Verhältnisse war die Brunnen-Postex- pedition 1866 nur 3 Monate in den Sommermonaten geöffnet. Im Jahre 1867 wurde die Postexpedition zwar wieder 4 Monate geöff-

28 Niedersächsisches Staatsarchiv Bückeburg L3/P4/20 (wie Anm. 26).

20 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Postgeschichte net, wobei allerdings nur der Monat Juni unter der Posthoheit von Thurn und Taxis stand. Die Post in Bad Eilsen Mit Datum vom 9. April 1867 erging folgendes Schreiben: An Fürstlich Schaumburg-Lippische Hochlöbliche Regierung zu Bückeburg.

Hochlöbliche Regierung beehren wir uns auf das gefällige Schrei- ben vom 19t. v. M. Ganz ergebenst zu erwidern, daß auch während der diesjährigen Saison die im vorigen Jahre im Bade Eilsen be- standenen Post-Einrichtung werden getroffen werden. Frankfurt im 9t. April 1867

Fürstlich Schaumburg-Lippische Thurn und Taxis‘sche General- Post-Direktion

29 Der Königlich Preußische Administrator

5. Preußische Brunnen-Postexpedition Eilsen Ab 1. Juli 1867 wurde das gesamte TuT-Postwesen durch die preu-

ßische Post übernommen.

Der Vertrag vom 15. Juni 1867 zwischen der Königlich Preußischen und der Fürstlich Schaumburg-Lippischen Regierung zur Regelung des Postwesens wurde zwischen der Königlich Preußischen Staats- regierung (vertreten durch den Geheimen Post-Rath Heinrich Ste- phan) und der Fürstlich Schaumburg-Lippischen Staatsregierung (vertreten durch den Finanz-Rath Otto König) geschlossen. Dieser Vertrag legte die Grundlage für das Postwesen in Schaumburg- Lippe. Alle Bestimmungen, Regeln und administrative Anordnun- gen der Preußischen Post galten auch in Schaumburg-Lippe. Zu- nächst durften die Schaumburg-Lippischen Untertanen an den Preußischen Uniformen noch die Schaumburg-Lippische Cocarde tragen. An den Postgebäuden waren das Staatswappen Preußens und das Fürstlich Schaumburg-Lippische Wappen anzubringen. Der Diensteid der Postbeamten war jedoch auf die Preußische Regie- rung zu leisten. Ab 1. Juli 1867 wurden die Marken von Thurn und Taxis ungültig, es mussten die Marken Preußens verwendet werden. Die bisher zur

29 (wie Anm. 26).

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 21

Postgeschichte Markenentwertung verwendeten Vierringstempel wurden außer Die Post Verwendung gesetzt. Statt dessen wurden die Tagesstempel zur in Bad Eilsen Markenentwertung eingesetzt.

Preußischer Ganzsachenumschlag 1 Sgr. (karmin) mit 2 Sgr. (blau) Zu- satzfrankatur nach Stade (Vereinsgebühr: Entfernung über 20 Meilen, bei ex. 1 Loth Gewicht – 3 Sgr.). Datiert vom 4. Juli 1867 (frühe Verwen- dung des Preußischen Umschlages in Schaumburg-Lippe). Ortsaufgabe- stempel EK5z „EILSEN“ (TuT-Nachverwendung). Gleicher Ortsstempel zur Entwertung der Marken. 30

Die Postverhältnisse in Eilsen blieben unverändert bis 1887. Wäh- rend der Badesaison war das Postamt geöffnet, in der übrigen Zeit brachte aufgrund des geringeren Postaufkommens ausschließlich ein Bote die Postsendungen von Bückeburg nach Eilsen und auf dem Rückweg ins Leitpostamt Bückeburg. Erst im Jahr 1887 änderten sich mit der Reorganisation des Postwe- sens die Verhältnisse. Die Königliche Oberpostdirektion in Minden gab bekannt:

30 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

22 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Postgeschichte „In Eilsen tritt vom 1. April des Jahres ab bis zum Beginn der Bade- zeit – für welche wie bisher, so auch künftig ein Postamt III einge- Die Post richtet wird – und demnächst regelmäßig für die Zeit, während in Bad Eilsen welcher das Bad geschlossen ist, eine Postagentur mit Fernsprech- betrieb in Wirksamkeit. Die Postverbindungen von Eilsen werden durch die zwischen Bückeburg, und Steinbergen verkehren- den Personenpost und durch eine Botenpost nach und von Bücke- burg hergestellt. Die Botenpost wird folgenden Gang erhalten: 11.40 Uhr vormittags aus Eilsen, in Bückeburg 1 Uhr nachmittags, von Bückeburg nach Eilsen 3.55 Uhr nachmittags. Vom selben Tage ab werden die Orte Klein Eilsen, , Heeßen von der Landbe- stellung der Postagentur Steinbergen abgezweigt und der Posta- gentur Eilsen zugeteilt. Minden, den 25. März 1887. Der Königliche Oberpostdirektor I.V. Lehker“31

Einschreiben nach Neustadt bei Ilfeld. Datiert vom 11. August 1876. 32 Ortsaufgabestempel EK5z „EILSEN / 11 / 8 / 7-9 / N“ (Nachverwendeter TT-Stempel).

31 MUNK, Heinrich, Aus der Frühgeschichte der Post in Bad Eilsen, DGPT, Regionalbe- reich Mitte, 1997, S. 55 ff. 32 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 23

Postgeschichte

Die Post Die Post in Bad Eilsen in Bad Eilsen

Bückeburg Bahnhofstraße mit Königlichem Postamt im Stil der sog.

Stephansbauten (nach Heinrich von Stephan, dem Generalpostdirektor des Deutschen Reichs). Leitpostamt der Brunnenexpedition in Eilsen. 33

Postagent wurde ab 1887 Wilhelm Lahmann, der dieses Amt bis

1922 ausübte. Als Zusteller waren der Postbote Heinrich Meiercordt

und später Heinrich Kick tätig.

Vermutlich 1887 oder 1888 erhielt die Postagentur einen neuen

Tagesstempel, der den bisher nachverwendeten TuT-Stempel ab- löste und damit endet das Kapitel Thurn und Taxis in Bad Eilsen. Post-Zustellurkun- de mit dem Ablöse- stempel des Post- amts III Eilsen EK4z „EILSEN“ mit Stern- chen. Aversional- marke „Frei lt. Avers. Nr. 8“ zur Kennzeichnung, dass das Amtsge- richt Bückeburg am Aversionalver- fahren teilgenom- men hat. 34

33 Sammlung Selig (wie Anm. 5). 34 Sammlung Selig (wie Anm. 5).

24 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Vor 100 Jahren Das geschah vor 100 Jahren: Blitzeinschlag in den Kurhäusern Blitzeinschlag in den Kurhäusern Aus: General-Anzeiger vom 24. Juli 1920

, 22. Juli (1920). Oben: Hotel Staatl. Kurhaus; unten: Bei dem Gewitter am Montag schlug der Bitz in den Fahrstuhl im Kgl. Schlammbad. Hotel Kurhaus, ging an der elektrischen Lichtleitung entlang über das Marstall-Gebäude nach dem Geschäftsläden-Gebäude an der Quelle: Lithografien- Ausschnitte aus alten Poststraße und von dort nach dem Schlammbadehaus, wo er am Postkarten Anfang des Schornstein niederging. 20. Jahrhunderts.

Hier traf er den jugend- lichen Arbeiter Tegtmeyer aus Nenndorf, der Brand- wunden und durch die herabfallenden Steine einen Beinbruch erlitt. Weniger verletzt wurde der Arbeiter Meyer aus , der Brand- wunden erlitt und vor- übergehend das Gehör verlor.“

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 25

Historisches Regina Bargheer Das Auswanderer- schicksal des Wilhelm Bargheer Von Bückeburg nach Amerika Das Auswandererschicksal des Wilhelm Bargheer

Geschäftshaus Durch Zufall fand die Autorin im Keller ihres Hauses, das schon des Vaters Wilhelm ihrem Großvater gehörte, einen Stapel mit Briefen und Postkarten. Bargheer sen. in Bei der Durchsicht stellte sich heraus, dass sie von ihrem Großonkel Bückeburg Ecke Willi Bargheer stammten, der nach Amerika ausgewandert war. Obertorstraße/ Zwischen 1816 und 1914 wanderten laut des Historischen Museums Oberwallweg, Bremerhaven über 5 Millionen Deutsche nach Übersee aus. So auch um 1900. der Student Wilhelm Bargheer. Nach Angaben eines Briefes, den Foto: sein Bruder Rudolf Bargheer aus Stadthagen an das Deutsche Kon- W. Focke, Bückeburg. sulat in New York schrieb, war er im Jahre 1910 nach Amerika aus- Im Eigentum von Regina Bargheer. gewandert. Es stellt sich nun die Frage, warum ist Wilhelm Bargheer nach Amerika ausgewandert, allein, ohne Familienangehörige. Wie verlief sein Leben bis zu diesem Zeitpunkt?

Wilhelm Bargheer, genannt Willi, wurde als Sohn des Kaufmanns Wilhelm Bargheer sen. und der Emilie Bargheer, geb. Haacke, am 1 26. Juni 1884 in Bückeburg geboren. Der Vater war Kaufmann und

1 Aus einer Aufstellung der Abstammung aus der Zeit des Dritten Reiches, die sich im Eigentum der Autorin befindet.

Historisches besaß ein Geschäftshaus für Tuch und Trachten an der Ecke Ober- torstraße/Oberwallweg.2 Willi Bargheer wuchs also in einer gut situ- Das Auswanderer- ierten, bürgerlichen Familie auf und konnte die höhere Schule be- schicksal des suchen. Er hatte zwei ältere Geschwister: Seine Schwester Ida war Wilhelm Bargheer sieben Jahre älter, sein Bruder Rudolf war elf Jahre älter als er.3

Als Willi Bargheer sieben Jahre alt war, starb seine Mutter Emilie. Der Vater heiratete noch einmal. Seine zweite Ehefrau war Emma

Bargheer, geb. Krauss. Aus dieser Ehe ging noch ein Kind hervor: Karl Bargheer. Als Willi Bargheer vierzehn Jahre alt war, starb auch sein Vater Wilhelm.4 Sein Vormund wurde nun sein älterer Bruder 5 Rudolf. Nachdem Rudolf Bargheer geheiratet hatte, verkaufte die- ser das Geschäft und zog mit seiner Ehefrau Louise nach Stadtha- gen. Willi Bargheer lebte nun bei seiner Schwester Ida Korf und 6 ihrem Ehemann in Bückeburg im Oberwallweg 10.

Am 4. Mai 1906, im Alter von 21 Jahren, zog Willi Bargheer nach Göttingen, um zu studieren.7 Laut der Immatrikulationsliste des Uni- versitätsarchivs Göttingen begann er dort am 8. Mai 1906 ein Studi- 8 um der Philosophie. Seit dem 16. November studierte er Theologie. Im Jahre 1908 zog Wilhelm Bargheer nach Marburg, um sein Theo- logiestudium an der Universität Marburg fortzusetzen, was aus dem 9 10 Immatrikulationsverzeichnis der Jahre 1909 und 1910 ersichtlich ist.

2 Nach Informationen von Dietlind Bonk, der Enkelin von Wilhelms Schwester Ida Korf. 3 S. Anm. 1. 4 Informationen stammen von Wolfgang Korf aus Bückeburg, dem Enkel der Ida Korf. 5 Immatrikulations-Liste der Universität Göttingen, Wilhelm Bargheer, 8.5.1906. Über- mittelt durch Universitätsarchiv Göttingen, Dr. Hünger, per E-Mail am 18.3.2015 um 10:55 Uhr. 6 S. Anm. 4. 7 Niedersächsischen Landesarchivs Bückeburg (im folgenden NLA Bü) Dep 9 R Nr. 370 aus dem Jahre 1906 (Abmelderegister). 8 S. Anm. 5. 9 Verzeichnis des Personals und der Studierenden auf der Königl. Preußischen Univer- sität Marburg im Sommer-Semester 1909. Nebst Angabe der Wohnung. http://dfg-viewer.de/show/cache.off?tx_dlf%5Bpage%5D=18&tx_dlf%5Bid%5D=http %3A%2F%2Farchiv.ub.uni-marburg.de%2Feb%2F2012%2F0226%2Fmets-4467.xml& tx_dlf%5Bdouble%5D=0&cHash=89a3017b7573755f554f053d5d3fa33f, heruntergeladen am 10.12.2019 um 9:50 Uhr. 10 Verzeichnis des Personals und der Studierenden auf der Königl. Preußischen Uni- versität Marburg im Sommer-Semester 1910. Nebst Angabe der Wohnungen. http://dfg-viewer.de/show/cache.off?tx_dlf%5Bpage%5D=18&tx_dlf%5Bid%5D=http %3A%2F%2Farchiv.ub.uni-marburg.de%2Feb%2F2012%2F0227%2Fmets-4468.xml& tx_dlf%5Bdouble%5D=0&cHash=db057ade0a00a27d1c591987b7b0e189, heruntergeladen am 10.12.2019 um 10:00 Uhr.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 27

Historisches

Das Auswanderer- schicksal des Wilhelm Bargheer

Wall am Auditori- um in Göttingen, 1907.

Foto/Postkarte: Georg Kugelmann, Hannover. Er wohnte in Marburg zuerst in der Biegenstraße 38, später in der Im Eigentum von Regina Bargheer. Friedrichstraße 11a. Aufschluss darüber, wie es ihm in Göttingen und später in Marburg erging, geben einige Briefe, die er an seinen Bruder Rudolf und dessen Frau Louise in Stadthagen und an seine

Schwester Ida Korf in Bückeburg schrieb. Darin schrieb er aus sei-

nem Studienort Göttingen:

Göttingen, den 02.06.1907 Meine liebe Luise, lieber Rudolf! Was denkt ihr nur von mir! Voraus will ich schicken, daß es mir gut geht, wie Ihr schon aus der Depesche gesehen habt, die ich Euch schickte. Vielen herzlichen Dank für Eure Einladung. Wie Ihr wohl schon wisst, bin ich einen Tag in Bückeburg gewesen und wollte von da zu Euch kommen. Wegen des schlechten Wetters aber bin ich gleich weiter gefahren nach Hannover. Ich will Euch nur gleich bekennen, ich hatte wegen meiner guten Führung 8 Tage Ur- laub bekommen. „Wo warst du denn die anderen Tage„ werdet ihr jetzt fragen. Nur in Hannover, wo ich herrliche Tage verbracht habe. Da ich nun einmal dabei bin, will ich Euch alles sagen unter der Voraussetzung, daß Ihr dieses für Euch behalten werdet. Ich habe dort in Hannover ein Mädel, das ich von ganzen Herzen lieb habe. Ich habe nie davon zu Euch gesprochen, weil ich mich erst genau prüfen wollte, ob auch die Zuneigung echt wäre. Und weil ich gefun- den habe, daß wir zwei uns ohne Worte verstehen und innerlich

28 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches

Das Auswanderer- schicksal des Wilhelm Bargheer

Universität Marburg, 1893. Im Hintergrund das Marburger Schloss.

vollständig harmonieren und wir uns immer lieber haben – ich ken- ne sie schon seit 4 Jahren – so glaube ich in meiner lieben Else eine Wilhelm Bargheer als Student in Lebensgefährtin gefunden zu haben, die mein Sonnenschein durchs Göttingen mit der ganze Leben sein wird. Studentika Couleur Deshalb werdet Ihr, lieber Rudolf und liebe Luise, mir verzeihen, der Burschenschaft wenn ich die Tage meines Urlaubes bei der Familie meiner lieben Brunsviga, Else verbracht habe. Ich werde nachholen zu Euch zu kommen, wenn 1906-1908. ich mein Jahr hinter mir habe! Ich hoffe, Ihr habt mich verstanden. Foto: Das ich so wenig schrieb, kam davon, weil ich ganz furchtbar viel Fr. Struckmeyer, Dienst hatte. Göttingen. Im Eigentum von Mitteilen kann ich Euch noch, dass ich am 2. Ostertag zum Ge- Regina Bargheer. freiten befördert bin und dass ich am 1. Juli hoffentlich Unteroffi- zier sein werde. Einem ausführlichen Brief von Euch sehe ich mit Foto oben links: Sehnsucht entgegen. L. Bickel, Marburg. Im Übrigen grüßt Euch von Herzen Euer glücklicher Willi. Technische Universität Berlin, Architektur- museum Es ging Wilhelm Bargheer also gut. Er absolvierte seinen Militär- https://architekturmuse dienst. Er hatte eine Liebste. Auch war er finanziell so gut gestellt, um.ub.tu- dass er sich weite Urlaubsreisen leisten konnte, was viele Ansichtskar- berlin.de/index.php ?p=79&POS=226 ten aus den verschiedensten Ländern belegen. So reiste er nach

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 29

Historisches Jerusalem, Reykjavik, Dubrovnik, nach Spitzbergen und in viele Das Auswanderer- deutsche Städte. schicksal des Doch dann hat etwas sein Leben verändert. Am 15. Februar 1910 Wilhelm Bargheer schrieb er an seinen Bruder und an seine Schwägerin:

Meine lieben Habichhorster!

Was denkt Ihr nur von mir, daß ich gar nichts von mir hören lasse. Ich hätte Euch wohl schon schreiben können, aber immer kam etwas da- zwischen. Und mit ein paar Zeilen wollte ich Euch doch nicht abspeisen, Euch, die Ihr so nett wart, mir so viele schöne Sachen zu schicken, schon

zwei Mal. Ich danke Euch vielmals für all das schöne, auch für Eure lieben Zeilen. Nur ist der Binder etwas zu kurz geworden. Ich werde ihn wieder schicken, wenn ich für die Kinder ein kleines Paket fertig mache, denn das lasse ich mir nicht nehmen.

Ich schicke Euch das Bild vom Som-

mer und ein paar Zeilen, damit Ihr doch wisst, daß es mir wieder gut geht. Die Sachen für die Kinder la-

gen schon fertig, aber bis ich zum Ein- packen kommen konnte! Ich glaube das Bild wird Euch gefallen, es ist ganz klar und deutlich geworden. Wilhelm Bargheer Dann mein Unfall! Ja meine Lieben, das hätte schlimm werden kön- (re) als Einjährig- nen, so mit 60 klm Geschwindigkeit gegen einen Chausseebaum! Ich Freiwilliger zu- mit dem Kopf auf die Glasscheibe und mit dem Brustkasten gegen sammen mit zwei das Steuerrad, und die Steuerstange verbogen. Ja, das ich das aus- Kameraden, gehalten, ist mir heute noch ein Wunder! Dann noch mit dem Kopf 1906/1907. gegen den Baum. Der Arzt schüttelte immer mit dem Kopf vor Ver- Foto: wunderung. Er sagte mir nachher, seiner Ansicht nach hätte ich mir Gebr. Noelle, Inh. William Noelle, den ganzen Brustkasten eindrücken müssen. Heute merke ich nichts Göttingen. mehr von allem. Das einzige, was geblieben ist, ist eine breite Narbe Im Eigentum von über dem linken Auge, die aber sehr gut vernarbt ist. Das Ding sieht Regina Bargheer.

30 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches aus wie ein alter Säbelschmiss! Na, da bin ich jetzt wenigstens ein voller Student in den Augen der anderen Leute und Studenten. Ihr Das Auswanderer- könnt Euch wohl denken, das ich jetzt viel zu tuen habe, sonst hättet schicksal des Ihr schon längst von mir gehört. Ich muß mich jetzt vor jeglicher Wilhelm Bargheer

Ablenkung hüten, doch ich habe jede Zerstreuung aufgegeben. Viele

Grüße sendet Euch euer Willi

Wilhelm Bargheer hatte also einen Autounfall gehabt. Was das für

Folgen nach sich ziehen sollte, erfuhr sein Bruder Rudolf in zwei Briefen, die ihm Wilhelm Bargheer im September desselben Jahres schrieb.

Marburg den 28.09.1910

Lieber Rudolf ! In größter Eile schreibe ich heute an Dich. Heute komme ich mit ei- ner dringenden Bitte zu Dir, denn du bist mir doch der Nächste. Mir ist eine Sache völlig über den Kopf gekommen! Kannst du mir wohl im Augenblick mit 1200 MR unter die Arme greifen? Ich schreibe jetzt nicht klarer, ich werde dir alles erzählen, wenn ich dort bin. Ich hoffe ganz sicher, das du mich nicht im Stich läßt. Und wenn es im Au- genblick in meiner Kraft stände, die Sache selber zu erledigen, so würde ich mich nicht an dich gewandt haben. Ich hoffe, dir die Summe möglichst bald mit Zinsen natürlich zurückzahlen zu kön- nen. Also bitte ich dich noch einmal recht herzlich und recht drin- gend um deine Unterstützung. Gib mir bitte Nachricht, ob ja oder nein. Dann weiß ich allerdings noch nicht, was ich mache. Ich bitte auch recht herzlich Luise das sie meine Bitte bei dir unterstützt. Dein Bruder Willi! Der zweite Brief, den Wilhelm Bargheer im September des Jahres 1910 an seinen Bruder in Stadthagen schrieb, folgte kurz danach.

Lieber Rudolf ! Ich danke Dir vielmals für Deinen lieben Brief. Aber mit meiner Police! Ich habe ja alles gleich nach dem ersten Jahr aufgegeben, da mir die Zahlung zu viel Geld bedeutete bei den heu- tigen Lebensverhältnissen. Sonst hätte ich auch selbst die Police hinterlegt und mich nicht an Dich gewandt. Ich habe weiter keine Schulden und ich hätte auch diese Verpflichtung gelöst, wenn mir das nicht so plötzlich gekommen wäre.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 31

Historisches Die ganze Kalamität rührt von der unseligen Automobilgeschichte Das Auswanderer- her. Ich hätte sonst auch geschwiegen, und niemand wäre etwas schicksal des davon gewahr geworden. Ich habe damals nicht nur den Wert erset- Wilhelm Bargheer zen müssen, sondern auch eine tüchtige Summe an den Herrn erset- zen müssen, der einige Verletzungen davongetragen hatte.

Seit jener Zeit habe ich keine ruhige Minute mehr gehabt.

Gib mir bitte gleich wieder Nachricht! Meine Adresse ist Friedrich-

straße 11 A.

Herzlichen Gruß, Euer Willi.

Seit diesem Brief Wilhelm Bargheers gab es längere Zeit kein Le- benszeichen von ihm. Seine Geschwister hatten keine Nachricht mehr von ihm erhalten.

Mit dem Dampf- schiff Cincinnati reiste Wilhelm Bargheer am 13.10.1910 von Hamburg über Southhampton und Cherbourg nach New York.

Die Cincinnati war ein Passagierschiff für den Nordatlan- tikdienst, das 1909 für die Hamburg- Amerikanische Packetfahrt-Actien- Dass Wilhelm Bargheer am 13. Oktober 1910 mit dem Dampfschiff Gesellschaft (Ha- „Cincinnati“ der Hamburg-Amerika-Linie als Passagier der 2. Klasse pag) in Dienst kam, von Hamburg über Southampton und Cherbourg nach New York 1911. ausgewandert war11, wussten sie nicht. Wilhelm Bargheer war ohne Quelle/Foto: aus der La Abschied und ohne seine Geschwister zu informieren, nach New bella Napoli. Wikipedia, York ausgewandert. Wikimedia Commons, gemeinfrei. Auswanderer, die zwischen 1892 und 1954 nach New York reisten, wurden durch Ellis Island geschleust.

11 Staatsarchiv Hamburg, Auswandererlisten , Bestand: 373-7 I, VIII A1 Band 227; Ausdruck erhalten im Auswandererhaus Bremerhaven; s. auch Ancestry. 32 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches

Das Auswanderer- schicksal des Wilhelm Bargheer

Ellis Island, 1900. „Ellis Island, auch Insel der Hoffnung oder Insel der Tränen ge- Foto: nannt, ist eine Insel vor der Südspitze Manhattans und war seit Wikimedia Commons dem ersten Januar 1892 eine Einwanderungsstation. Insgesamt 24 https://commons.wikim edia.org/wiki/File:Ellis_ Millionen Auswanderer wurden zwischen 1892 und 1954 durch Ellis Island_LCCN20 14711 Island geschleust. Hier wurden die Passagiere der 3. Klasse langen 712.jpg?uselang=de Kontrollformalitäten unterzogen. Es wurde ein Erkennungsbogen erstellt, in dem Identität, Herkunft, Ziel, Vermögen, Vorstrafenregister, Bürgen in Amerika und derglei- chen festgehalten wurden. Die Reisenden der 3. Klasse mußten sich bereits während der Überfahrt einer raschen ärztlichen Untersu- chung unterziehen, Impfungen und Desinfektion von Körper und Gepäck über sich ergehen lassen. Die Passagiere der 1. und 2. Klasse verließen das Schiff nach der Ankunft in Manhattan hingegen schon nach kurzer amtlicher und ärztlicher Überprüfung. Sie konnten die Einwanderungsformalitäten schon an Bord erledigen.“12

Da Wilhelm Bargheer Passagier der 2. Klasse war, kann man davon ausgehen, dass ihm die langen Einwanderungsformalitäten in Ellis Island erspart geblieben sind und er sich nicht den strengen Befra- gungen der Einwanderungsinspektoren stellen musste.

12 Aus der Ausstellung des Auswandererhauses Bremerhaven.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 33

Historisches „Die Fragen der Einwanderungsinspektoren lauteten: Waren Sie Das Auswanderer- jemals im Gefängnis oder in einer psychiatrischen Einrichtung? schicksal des Haben Sie von staatlicher Unterstützung gelebt? Welche Augenfar- Wilhelm Bargheer be haben Sie? Können Sie lesen? Können Sie schreiben? Sind Sie

Anarchist? Sind Sie Polygamist? Wer hat Ihre Überfahrt bezahlt?

Besitzen Sie 50 Dollar? Sind Sie körperlich behindert oder entstellt? Haben Sie einen nahestehenden Menschen in Amerika? Warum kommen Sie in die Vereinigten Staaten? Wieviel Geld haben Sie? Wo haben Sie das Geld her? Zeigen Sie es mir!

Die Einwanderer hatten 5 Sekunden Zeit, um jede Frage zu beant-

worten. Wenn ein Einwanderer zu lange mit der Antwort zögerte, wurde der Inspektor mißtrauisch: ‘Sie haben zu langsam geantwor- tet; die Fragen scheinen Sie zu verunsichern. Der Inspektor hat

starke Zweifel daran, daß Sie wahrheitsgetreu antworten und kann Sie nicht einreisen lassen. Sie müssen sich jetzt vor dem ‚Board of Special Inquiry‘ einer Sonderkontrolle unterziehen. Falls Zweifel an der wahrheitsgetreuen Beantwortung der Fragen bestanden, wurde der Einwanderer in der ‚Special Inquiry‘ von drei Inspektoren, einem Stenographen und einem Dolmetscher erneut einer Befragung unterzogen. Nach der erneuten gründlichen Be- fragung wurden fünf von sechs Einwanderern als solche anerkannt.

Dann hieß es: ‚Welcome to Amerika‘!

Im Falle einer Ablehnung hieß es etwa: ‘Der Inspektor kann Sie nicht einreisen lassen. An folgenden Punkten sind Sie gescheitert: Sie sind kriminell, psychisch krank oder Almosenempfänger. Es besteht die Gefahr, daß Sie der amerikanischen Gesellschaft zur Last fallen. Sie dürfen nicht in die USA einreisen. Sie werden mit dem nächsten Schiff in ihre Heimat zurückgebracht.‘

Die Reedereien hatten die Aufenthaltskosten für die auf Ellis Island Zurückgehaltenen und im Falle einer Abschiebung auch die Kosten für die Rückkehr nach Europa zu tragen. Zwar hatte ein Großteil der Amerikaner den scharfen Einwande- rungsgesetzen zugestimmt, doch das Mitgefühl war groß, wenn eine Familie auseinandergerissen wurde. Wer älter als 10 Jahre alt war und die Einreisebestimmungen nicht erfüllte, wurde alleine nach Europa zurückgeschickt und am Ausgangshafen abgesetzt, während der Rest der Familie in der neuen Heimat bleiben durfte.

34 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches Zwischen 1902 und 1914 lag die Zahl der Einwanderer in New York zwischen 780 000 und 1,2 Millionen Menschen pro Jahr. In der Das Auswanderer- gesamten Zeit des Bestehens von Ellis Island kamen im Schnitt schicksal des Wilhelm Bargheer täglich 3000-5000 Einwanderer an. Aus diesem Grund wurde Ellis Wilhelm Bargheer

Island bald als ‘Fabrik zur Herstellung von Amerikanern‚ bezeichnet.

1954 wurde Ellis Island geschlossen. Über 40 % aller Amerikaner können heute von sich behaupten, dass ihre Vorfahren über Ellis Island eingewandert sind.“13

Nachdem Rudolf Bargheer nichts mehr von seinem Bruder Wilhelm gehört hatte, forschte er nach dessen Verbleib. So erfuhr er schließlich von der Hafenbehörde in Hamburg von der Ausreise seines Bruders nach New York. Am 30. Dezember 1910 schrieb er an das Deutsche Konsulat in New York:

Mein Bruder Wilhelm Bargheer, Student der Theologie, 26 Jahre alt, aus Marburg ist am 13. Oktober 1910, wie mir die Hafenbehörde in Hamburg mitteilte, mit dem Dampfer „Cincinnati“ der Hamburg-

Amerika Linie von Hamburg nach New York gefahren. Da ich seit- dem keine Nachricht von ihm erhalten habe und in großer Sorge um ihn bin, bitte ich höflichst um Nachricht, ob sich derselbe dort ange- meldet hat und bitte um seine Adresse oder um Mitteilung, welche

Schritte eventuell zu tun sind, um seine Adresse zu ermitteln. Entste- Wilhelm Bargheer hende Kosten bitte von mir einzufordern. als Student in Hochachtungsvoll ergebend Rudolf Bargheer Göttingen mit der Studentika Couleur Jedoch konnte das Deutsche Konsulat in New York Rudolf Bargheer der Burschenschaft keine Auskunft geben. Brunsviga, 1906-1908. Offenbar gab es den ersten Briefwechsel zwischen Wilhelm Foto: Bargheer und seinen Verwandten erst Anfang des Jahres 1914. Am Fr. Struckmeyer, 14. Januar 1914 schrieb Wilhelm Bargheer aus New York an seine Göttingen. Schwägerin Luise: Im Eigentum von Regina Bargheer.

Meine liebe Luise! Deinen lieben Brief habe ich soeben erhalten, wofür ich Dir von Her- zen danke. Ich sehe, daß Ihr es nicht allein seid, die Schweres durch- zumachen hatten. Daß ich Rudolf das antun mußte mit den 1200 MR, das steht auf einem anderen Blatt! Ich betrachtete es als gelie- hen und erwartete es nicht anders, als daß er es von meinem nahm.

13 Aus der Ausstellung des Auswandererhauses Bremerhaven.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 35

Historisches Dazu ist anzumerken, dass Wilhelm Bargheer tatsächlich noch einen 14 Das Auswanderer- größeren Geldbetrag besaß, der aber auf der Bank festgelegt war. schicksal des Weiter schrieb Wilhelm Bargheer in dem Brief vom 14. Januar 1914: Wilhelm Bargheer

Wilhelm Bargheers Bruder Rudolf (l.) mit seiner Frau Louise und seinen Kindern, 1908. Foto: Alex. Mühlen, Hannover. Im Eigentum von Regina Bargheer.

Daß Rudolf es selbst so nötig hatte in dem Augenblick habe ich selbst nie geglaubt, da er ja stets über seine Verhältnisse gegen mich recht schweigsam war. Daß Else verheiratet ist, kann mich nur freuen, und wenn sie es glücklich getroffen hat, umso mehr. – Du schreibst von Rudolfs Befinden. Bitte schreibe doch bald einen ausführlichen langen Brief über die Zeit, die wir uns nicht gesehen. Ich bin in Sorge über Euch. Es war unser Hauptfehler, daß wir in Geldangelegenheiten uns niemals aussprachen, was doch hätte sein müssen, da ich so jung war und niemand mir mit Rat zur Seite stand. Ihr dachtet wahrscheinlich, ich hätte eine Stütze in ihrer Fami- lie gehabt, doch dazu war es nie gekommen vor lauter Vergnügun- gen. Mit einem Wort, ich hatte denselben Fehler wie Rudolf, ich war zu gutmütig gegenüber den anderen Menschen. Soviel davon.

14 Aus dem Schriftverkehr zwischen dem gerichtlich bestellten Pfleger Bankier König für Wilhelm Bargheer in Deutschland und dem Anwalt des Rudolf Bargheer nach der Toterklärung des Wilhelm Bargheer. Der Schriftverkehr befindet sich im Eigentum der Autorin.

36 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches Ihr werdet nun neugierig sein, wie es mir hier geht und wie es mir gegangen ist. Nun ich habe mein Auskommen gehabt und habe bis Das Auswanderer- jetzt mein Auskommen. Zuerst habe ich schwere Tage erlebt, aber schicksal des allmählich gewöhnt man sich an dieses Leben, weil es eben sein Wilhelm Bargheer muß. Ich habe die Woche nach Eurem Geld 28-30 MR verdient. Das ist viel für mich, hier aber, wo das Leben entsetzlich teuer ist, gerade genug, um sein Leben zu machen. Doch fürs Erste Viele Grüße an

Euch, Willi.

In einem anderen Brief schreibt Wilhelm Bargheer am 24. März 1914:

Lieber Rudolf!

Vielen Dank für den lieben Brief von Luise. Ich sehe daraus daß es Euch allen verhältnismäßig recht wohl ergeht. Und ich freue mich, daß die Antwort so schnell kam. Mit meiner Antwort habe ich etwas länger gewartet. Den Paß sende ich mit den Briefen zurück und erwarte, daß Rudolf das Weitere besorgt. Hoffentlich erwachsen mir weiter keine Schwierigkeiten daraus, daß ich nicht gleich um Nachurlaub nachgesucht habe. Aber es ist ja sonst alles in Ordnung.

Hoffentlich schreibt Rudolf bald einen Brief an mich über seine Lage, denn bis jetzt habe ich noch kein Wort von ihm gehört. Ich weiß ja, daß er Luise meistens die Sache überläßt, aber ich würde es ganz gern sehen, wenn er selber ein paar Zeilen an mich schriebe. Hoffentlich ist er nicht allzusehr mit Arbeit überhäuft. – Mir selbst geht es so ganz gut. Der Winter war ziemlich hart und lange und viel Schnee hat es auch gegeben. Man nennt das hier Blizzard oder Hurrican, was man bei uns einen kräftigen Schneefall nennt. Ich hoffe nun, daß die Sache richtig überkommt und hoffe ferner, daß ihr mich nicht solang auf Antwort warten laßt wie ich Euch. Vorläufig gedenke ich noch hier zu bleiben, aber wie lange – das überlassen wir lieber der Zukunft. Hoffentlich bleibt Krankheit fern, denn das ist das Schlimmste, was einem hier im Lande passieren kann, denn Mitfühlen kennt man hier im Lande nicht und etwas woran keiner zu tasten wagt, gibt es hier auch nicht. Man hat mich schon öfter gefragt, wie es mit dem Heira- ten ist, doch vorläufig denke ich nicht daran, denn mir ist so gar nicht nach dem Heiraten, denn mit den Mädels einer Großstadt wie New York ist es so eine eigene Sache und man sieht und hört so allerhand, daß einem von Euch, der die Verhältnisse nicht kennt, die

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 37

Historisches Haare mit Recht in den Kopf stehen könnten. Doch man lebt ja so Das Auswanderer- schließlich seine Tage so hin und ich denke, es kann ja auch noch schicksal des mal besser werden. Wilhelm Bargheer Aber nun Schluß. Viele Grüße an Euch alle, die Kinder nicht verges- sen, verbleibe ich Euer alter Willy. Noch eines möchte ich hinzufügen. Ich lebte die ganze Zeit in New York. Die Stadt ist groß und in jeder Großstadt finden sich Leute, denen man trauen und solche, denen man nicht trauen kann. Sollte Euch von einer Seite eine Nachricht zugehen, mündlich oder schrift- lich, so glaubt dem ja nicht! Ich habe fast die ganzen drei Jahre auf

einer Stelle gearbeitet und meine Wohnung meistens sehr lange be- halten. Und einmal ist mein Koffer durchsucht. Mehr weiß ich nicht. Sollte Rudolf von militärischer Seite benachrichtigt sein, so schreibt mir bitte, was ich zu tun habe, damit ich Bescheid weiß. Das meine kleine Lisa nicht mehr ist, betrübt mich sehr. Sie war mein Liebling und ich habe sie in guter Erinnerung. Rudi sehe ich, daß er gut lernt an der Schule und sich auf einen Beruf hin entscheidet, das ist heutzutage das beste, was er tun kann. Ich sage nochmals, daß ich Rudolf das damals antun mußte, tut mir sehr, sehr leid, wenn ich gewußt hätte, wie es stand, hätte ich doch an Ida geschrieben. Daß ich damals ohne Abschied aus Deutschland fortging. – Ihr werdet wohl allmählich begriffen haben, zwischen Else und mir war es soweit gekommen, daß wir uns nichts mehr zu sagen hatten als laue Phrasen. Nochmals herzlichen Gruß an Euch alle.

Wie anfangs erwähnt, waren „während des 19. Jahrhunderts über fünf Millionen Deutsche in die USA gekommen, so daß um 1900 etwa 8 Millionen Deutsch-Amerikaner in den Vereinigten Staaten lebten. Insgesamt machte der deutsche Anteil zehn Prozent an der Gesamtbevölkerung der USA aus. Doch waren sie spätestens in der dritten Generation wirtschaftlich integriert und sprachen Englisch. Der große Strom deutscher Einwanderer verebbte ab 1893 zuse- hends, da die Gründung des Deutschen Reiches im Frühjahr 1871 für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation sorgte.“15

15 Alexander EMMERICH, Die Geschichte der Deutschen in Amerika von 1860 bis zur Gegenwart, Köln 2010, S. 139.

38 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches Das Ansehen des neu gegründeten Deutschen Reiches blieb weit hinter der Popularität seiner Auswanderer zurück. „Wie ein Damok- Das Auswanderer- lesschwert schwebte das angespannte Verhältnis zwischen der USA schicksal des und dem Deutschen Reich über den Deutsch-Amerikanern, der Wilhelm Bargheer

Griff zur Weltmacht seitens des Deutschen Reiches führte zu inter- nationalen Spannungen, in welche die Deutsch-Amerikaner hinein- gezogen wurden, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Unter großem öffentlichem Druck wurden sie letztlich in die Situa- tion gebracht, sich entweder für die alte oder die neue Heimat entscheiden zu müssen. Für viele Deutsch-Amerikaner brachte der Kriegseintritt der USA 1917 schließlich die Antwort auf die Frage nach Identität und Vaterland.“16

„Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam der Ausdruck ‚hyphenated Americans‘ auf. Er verlieh dem Phänomen der multiethnischen Ge- sellschaft in den USA Ausdruck und machte deutlich, daß es viele unterschiedliche Identitäten in den USA gab. Zu dieser Kategorisie- rung zählten die Deutsch-Amerikaner genauso wie die Irish-

Americans oder die African-Americans. In den Krisenzeiten zu Be- ginn des 20. Jahrhunderts fürchtete die amerikanische Politik, daß diese besondere Gesellschaft auseinanderbrechen würde, und Theodore Roosevelt, der von 1901 bis 1909 Präsident der Vereinig- ten Staaten von Amerika war, forderte die Deutsch-Amerikaner mehrfach dazu auf, sich zu ihrer neuen Heimat zu bekennen. Die New York Times zitierte ihn am 13. Oktober 1915 wie folgt: […] ‘Es gibt keinen Platz in diesem Land für Bindestrich-Amerikaner. Wenn ich mich auf Bindestrich-Amerikaner beziehe, dann meine ich damit keine eingebürgerten Amerikaner. Einige der allerbesten Amerika- ner, die ich kenne, sind eingebürgerte Amerikaner, im Ausland geboren. Aber ein Bindestrich-Amerikaner ist kein Amerikaner ... So etwas wie einen Bindestrich-Amerikaner, der ein guter Amerikaner sein soll, gibt es nicht.‘ Sein Amtsnachfolger Woodrow Wilson schloss sich ihm an: ,Any man who carries a hyphen about with him carries a dagger that he is ready to plunge into the vitals of this Republic whenever he gets ready.’ ,Jeder Mann, der einen Binde- strich mit sich trägt, trägt auch einen Dolch und ist bereit, ihn in die lebenswichtigen Organe dieser Republik zu stoßen.‘“ Zu Beginn des 1. Weltkrieges im Jahre 1914 unterstützten die Deutsch- Amerikaner zunächst unbedacht die alte Heimat. „Die Solidarität

16 Ebd., S. 139.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 39

Historisches mit der alten Heimat zeigte sich in vielen öffentlichen Kundgebun- Das Auswanderer- gen und Spendenaufrufen für humanitäre Hilfeleistungen. Zahlrei- schicksal des che deutsch-amerikanische Organisationen schickten Spenden nach Wilhelm Bargheer Deutschland.“ 17

„Im Gesamten läßt sich konstatieren: So unterschiedlich die Deutsch- Amerikaner in Herkunft und sozialer Schicht waren, so verschieden war auch ihre Haltung zum Ersten Weltkrieg. Viele hatten, wie bereits erwähnt, sofort der alten Heimat Beistand bekundet und waren in die Armee des Deutschen Reiches eingetreten; andere betrachteten die Kämpfe in Europa mit Gleichgültigkeit, zahlreiche Deutsche zogen aber auch für die amerikanische Armee in den Krieg. Um ihre Loyali- tät zu unterstreichen, ereiferten sich viele Deutsch-Amerikaner im ganzen Land in Treuebekenntnissen zur amerikanischen Union. Das Spannungsverhältnis, in dem sich die Deutsch-Amerikaner be- fanden, wird in dem Artikel ,German-Americans Plan a Regiment‘ der New York Times vom 21. Juni 1916 klar ersichtlich: Nachdem Gerüchte über ein mögliches Bündnis zwischen dem Deutschen Reich und Mexiko gegen die USA auftauchten, zögerten viele Deut- sche aus St. Louis nicht, sich freiwillig zu den Waffen zu melden, um gegen Mexiko zu kämpfen. Die New York Times kritisierte die Deut- schen scharf, da es sich aus ihrer Sicht um kein deutsches Regiment handeln könne, sondern lediglich um ein amerikanisches: ,They should not call these forces a German company. I think the company should be called America first!‘, warfen sie dem gut gemeinten Plan der Deutsch-Amerikaner entgegen, die mit dem raschen Griff nach den Waffen im Grunde genommen ihre Loyalität bekunden wollten. Auch als sich die […] National German-American Alliance mit ihren über zwei Millionen Mitgliedern kurz vor Kriegsbeginn zu den Ver- einigten Staaten bekannte, kehrte keine Ruhe ein. […] Doch der Großteil der amerikanischen Öffentlichkeit nahm die Deutsch-Ame- rikaner weiterhin als Gefahr wahr. Einige Historiker sprachen im Nachhinein sogar von einer Zeit der Verfolgung, die sich in gewalt- tätigen Übergriffen und Inhaftierungen niederschlug.“18

Wie Wilhelm Bargheer die Zeit in Amerika während des 1. Weltkrie- ges erlebte, ist aus seinen Briefen nicht ersichtlich, doch aus seinem Brief vom 24. August 1914 lässt sich doch einige Unruhe und Auf- regung herauslesen:

17 Ebd., S. 142. 18 Ebd., S. 145.

40 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches

Das Auswanderer- schicksal des Wilhelm Bargheer

New York den 24. August 1914 Deutsch- Amerikaner bei Du weißt jedenfalls, daß es bis jetzt unmöglich war, durchzukom- Ausbruch des Krie- men, um Deutschland zu erreichen. ges am Schwarzen Brett der Staats- [...] alle Verkehrswege bis aufs letzte geschlossen sind und waren. Zeitung in Wenn du kannst, schicke so schnell wie möglich Geld […] Hoffentlich New York, 1914. erreichen dich diese Zeilen und sieh, daß Du einen sicheren Steamer bekommst, der New York erreicht, damit ich sicher Nachricht erhalte Foto: Brown Brothers. US […] National Archives and Records Administration. „Den Höhepunkt der Feindseligkeiten erlebten die Deutsch-Ame- Verwaltung der natio- rikaner nach der Versenkung des Passagierschiffes Lusitania im Mai nalen Archive und Aufzeichnungen / 1915 durch deutsche U-Boote, bei der zahlreiche amerikanische Public domain. Zivilisten ums Leben kamen. Das Mißtrauen der amerikanischen https://upload.wikimedia Öffentlichkeit gegenüber den Deutsch-Amerikanern führte zur Um- .org/wikipedia/commons benennung vieler Straßen, Plätze, Parkanlagen und Ortschaften, die /e/e3/Enemy_Activities_- _Miscellaneous_- zuvor einen deutschen Namen getragen hatten. Schilder verschwan- _German-Americans den, Festlichkeiten wurden unterlassen, selbst Lebensmittel wurden _grouped _around_the umgetauft. Sauerkraut hieß fortan „Libberty Cabbage“ und aus den _bulletin _board_of_the _Staats-zeitung%2C Frankfurter Sausages wurde der Hot-Dog. Beinahe alle Deutsch-Ame- _New_York_at_the rikaner amerikanisierten unter dem öffentlichen Druck ihre Namen. _outbreak_of_the_war. _1914_-_NARA_- Grundsätzlich wurde alles Deutsche verweigert und verteufelt. Die _31480226_%28cropped deutschsprachigen Zeitungen sahen sich nicht nur einer strengeren %29.jpg Kontrolle unterzogen, auch ihr Absatz schwand, da die Deutsch-

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 41

Historisches Amerikaner vermehrt zu amerikanischen Tageszeitungen griffen, um Das Auswanderer- ihre Loyalität mit einer Alltagshandlung zu bekunden. schicksal des Wilhelm Bargheer Die Deutschen trauten sich nicht mehr, deutsche Komponisten zu spielen und die Kinder in den Deutschunterricht zu schicken – und die Amerikaner nötigten die Deutsch-Amerikaner zu patriotischen 19 Äußerungen.“ „Die Verbrennung deutscher Bücher Ende des Ersten Weltkrieges bildete den Höhepunkt der Fremdenfeindlich-

keit gegenüber den deutschen Einwanderern.“20

Der letzte Brief Wilhelm Bargheers ist datiert vom 7. Juli 1916. Er schrieb ihn an seine Schwester Ida in Bückeburg, da sein Bruder Rudolf zum Kriegsdienst eingezogen war.

Wilhelm Bargheers Schwester Ida Korf mit ihrem Ehe- mann, um 1900. Foto: Friedr. Wehde, Bückeburg und Stadthagen. Im Eigentum von Regina Bargheer.

New York 7. Juli 1916 Liebe Schwester! Seit zwei Jahren sind wir so ziemlich von der Welt abgeschnitten. Die Nachrichten von drüben über den Verlauf des Krieges sind oft un- glaubwürdig und jedenfalls nicht so genau, daß man sich ein klares Bild über den Wert der einzelnen Ereignisse machen kann.

19 Ebd., S. 145f. 20 Ebd., S. 86.

42 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Historisches

Im ganzen ist es verhältnismäßig ruhig in diesem Teil der Welt. Das Auswanderer- Nachrichten kommen ja selten von drüben, da ja die Verbindung nur Das Auswanderer- schicksal des unregelmäßig aufrecht erhalten werden kann. Hoffentlich habt ihr Wilhelm Bargheer drüben etwas Zeit mir ein paar Zeilen zu schreiben, damit ich we- Wilhelm Bargheer nigstens weiß, ob alles nach dem rechten geht. Viele Worte braucht es nicht – ob sich der Krieg auch im Lande mehr fühlbar macht oder ob schon ein besserer Ausblick zu hoffen ist.

Und weiter schreibt er: Die Beschäftigung in Arbeit und sonstiger Beschäftigung sind nicht so günstig hierzuland [...]

Mit besten Grüßen, Dein Bruder Willy

Dies war die letzte Nachricht Wilhelm Bargheers aus New York. Dieser Brief war von den Amerikanern geöffnet worden. Er trug den Stempelaufdruck: OPENED BY CENSOR.

Persönliche Informationen sind in diesem Brief nicht enthalten. Ob er selbst unter der anti-deutschen Stimmung der Amerikaner zu leiden hatte, ist nicht bekannt.

Den letzten Brief schrieb Wilhelm Bargheer, wie schon erwähnt, am 7. Juli 1916. Eine letzte Spur von ihm fand sich noch auf einer „Uni- ted States World War Draft Registration Card“.21 Diese Erfassung zum Militärdienst fand im September des Jahres 1918 statt, in Suf- folk County no 2, New York. Auf dieser Karte war registriert, dass Wilhelm Bargheer zu jener Zeit Patient im Central Islip State Hospi- tal war. Er war 34 Jahre alt, hatte keine Arbeitsstelle und war psy- chisch erkrankt. Alle späteren Versuche seiner Verwandten, seinen weiteren Ver- bleib ausfindig zu machen, verliefen ohne Ergebnis. Am 19. November 1934 wurde der Antrag an das Amtsgericht in Marburg gestellt, Wilhelm Bargheer für tot zu erklären. Da sein letzter Wohnort in Deutschland in Marburg gewesen war, war auch das angerufene Gericht in Marburg zuständig. Zum Zeitpunkt dieser Antragstellung wäre Wilhelm Bargheer fünf- zig Jahre alt gewesen.

21 „United States World War I Draft Registration Cards, 1917-1918,“ database with images, FamilySearch (https://familysearch.org/ark:/61903/1:1:KXB6-C43 : 12 Decem- ber 2014), Wilhelm Bargheer, 1917-1918; citing Suffolk County no 2, New York, United States, NARA microfilm publication M1509 (Washington D.C.: National Archives and Records Administration, n.d.); FHL microfilm 1,818,993.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 43

Archäologie Daniel Lau, Kommunalarchäologe in Schaumburg Archäologie in Schaumburg Neuigkeiten aus der Kommunalarchäologie

Nahezu vollständi- ges Einsatzgewicht aus Amsterdam, 1. H. 17. Jh. Fundort Escher, Gemeinde , Maßstab wie an- gegeben.

Frühneuzeitliche Präzisionsarbeit – ein Bechergewicht aus Escher

Der zertifizierte Sondengänger Michael Hothan aus Auetal ent-

deckte bei einer Feldbegehung in Escher (Gemeinde Auetal) bereits im Sommer 2019 auf landwirtschaftlicher Nutzfläche ein nahezu Fotos: vollständig erhaltenes Set eines Einsatz- oder Bechergewichtes. Er Schaumburger Land- verständigte umgehend die Kommunalarchäologie Schaumburger schaft – Kommunalar- chäologie, Daniel Lau Landschaft über diesen wichtigen und in seiner Gesamterhaltung seltenen Fund.

Archäologie Ein Einsatz- bzw. Bechergewicht ist ein in der frühen Neuzeit ge- bräuchliches jedoch teures, hochpräzises System aus mehreren in- in Schaumburg einander stapelbaren Gewichten. Der Topf (auch ‚Haus‘ genannt) mit allen fünf Einsätzen und Schlussstein lag wenige Meter entfernt vom abgetrennten Deckel. Alle Bestandteile sind aus Messing ge- fertigt. Dank der freundlichen Unterstützung der ‚Apotheke am Rathaus‘ (Bückeburg), konnte das gesamte Set an einer Laborwaa- ge durchgemessen werden. Das Gewicht des kompletten Sets be- trägt 108,332 g und aus den im folgenden angeführten Gründen ist von einem Materialverlust in Höhe von etwa 9 Gramm auszugehen.

Auf dem Deckel und jeweils auch auf dem Boden der

Einsätze und des Schlusssteins findet sich die Punze einer Hand mit zusammengelegten Fingern. Das

Zeichen ist als Eichmarke für Antwerpen belegt und bringt das Gewicht in Zusammenhang mit dem Brabanter Pfund (= 469,12 g laut Encyclopedia Britannica). Ein Pfund entsprach 16 Unzen, eine Unze (im deutschsprachigen Raum) 2 Lot, und ein Lot wiederum 4 Quentchen. Damit lässt sich das Bechersystem wie folgt auf- schlüsseln: Das komplette Bechergewicht mit allen Einsätzen wiegt etwa 1/4 Brabanter Pfund (= 117,28 g), der Topf mit Deckel entspricht 4 Lot bzw. zwei Unzen oder einem Achtel-Pfund (= 58,64 g), jeweils unter Berücksichtigung von Detailaufnahme ca. 9 Gramm Gewichtsverlust durch abgebrochene Teile am Deckel Eichmarke, bzw. Scharnier. Der erste Einsatz entspricht dem halben Gewicht ohne Maßstab. des Topfes von 2 Lot bzw. einer Unze, und jeder weitere Einsatz entspricht der Hälfte des Gewichts des Vorherigen, dabei sind Schlussstein und letzter Einsatz im Gewicht identisch. Die folgende Tabelle stellt die Maße übersichtlich dar: Objekt Gewicht Maßeinheit Brabanter Pfund Gesamt 108,332 g* 1/4 Pfund 117,28 g Topf 49,669 g* 4 Lot / 2 Unzen 58,64 g 1. Einsatz 29,262 g 2 Lot / eine Unze 29,32 g 2. Einsatz 14,604 g 1 Lot / 4 Quentchen 14,66 g 3. Einsatz 7,309 g 1/2 Lot / 2 Quentchen 7,33 g 4. Einsatz 3,634 g 1 Quentchen 3,665 g 5. Einsatz 1,800 g 1/2 Quentchen 1,8325 g Schlussstein 1,824 g 1/2 Quentchen 1,8325 g * ca. 9 g Gewichtsverlust sind zu berücksichtigen!

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 45

Archäologie Zusätzlich ist auf dem Deckel eine Rotschmiedemarke zu sehen: ein in Schaumburg mit der Spitze nach oben zeigender Dolch bzw. ein Schwert mit geflammter Klinge, links davon der Buchstabe G, über der Spitze ein D und rechts, (unleserlich) ein N.

Dieses Meisterzeichen identifiziert die Arbeit als aus der Werk- statt des Amsterdamer Schmieds Guilliam de Neve stammend.

Guilliam de Neve (geb. 6.9.1576 in Antwerpen, gest. 16.1.1654 in

Amsterdam) war 1596 Lehrling in der Schmiedegilde von Middel-

burg und stellte im Laufe seiner handwerklichen Tätigkeit Münz-

gewichte, Waagen und Einsatzgewichte her. Da das Meis- terzeichen ohne Jahresangabe ist, kann das Einsatz- gewicht nur grob in die Zeit seines Schaffens datiert werden, also in die erste Hälfte bis um die Mitte des 17. Jahrhunderts.

Viele Fragen bleiben offen: Warum stammt das

Einsatzgewicht aus Amsterdam und nicht aus

Nürnberg? Insbesondere die Stadt Nürnberg galt

in der frühen Neuzeit als Hochburg des Rot-

schmiedehandwerks und üblicherweise stammen viele Präzisionsgewichte aus Nürnberger Herstellung. Wo und von wem wurde das Gewicht verwendet? Präzisi- onsgewichte von 1/4 Brabanter Pfund, mit denen Gewichte bis zu Detailaufnahme einem 1/2 Quentchen (1,8325 Gramm) erfasst werden konnten, Meisterzeichen, deuten auf sehr leichte bzw. sehr geringe Mengen abzuwiegender ohne Maßstab. Objekte oder Materialien hin, wie sie in Apotheken oder Gold- schmieden Verwendung fanden.

In diesem funktionalen Umfeld ist daher der Gebrauch des Auetaler

Einsatzgewichtes zu suchen. Warum das Stück vollständig auf den Acker gelangte, ob es ein Verlustfund ist, ob es dort absichtlich vergraben wurde, um es in den Kriegswirren des 17. Jahrhunderts zu verstecken, oder ob es lediglich mit der Ausbringung von Mist (zur Düngung) auf die Felder gelangte, lässt sich nicht mehr rekon- struieren. Ob der Fundort weitere Objekte bereit hält, die dabei helfen kön- nen Licht ins Dunkel der Geschichte des Auetaler Einsatzgewichtes zu bringen, wird die Zukunft zeigen. In Absprache mit dem Finder wird das Objekt dem Heimatmuseum in Auetal-Hattendorf zur Ver- fügung gestellt, um dort der Öffentlichkeit präsentiert zu werden.

46 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Archäologie

in Schaumburg

Archäologische

Sprechstunde

Coronabedingt entfällt die Sprechstunde bis auf Weiteres. Fundmeldungen und archäologische Beratung sind

derzeit nur per E-Mail oder tele- fonisch möglich.

Kontakt: Dr. Daniel Lau Kommunal- archäologe

Schaumburger Landschaft Schloßplatz 5 31675 Bückeburg Tel. 05722/9566-15 Aus der Werkstatt eines Gewichtmachers. Fax 05722/9566-18

„Der Gewichtmacher. Gerechtigkeit soll scheinen, aus Grossen und aus E-Mail: Kleinen. Die Schwer' und Leichtigkeit der Sachen prüft und erforschet Lau@schaumburger landschaft.de das Gewicht: doch diesen Unterschied will nicht, die Welt, bey Wahl der Leute, machen. Das Geld allein kan den erhöhen, der sonsten www.schaumburger niedrig bliebe stehen.“ landschaft.de

Aus: Christoff Weigel, Abbildung der gemein-nützlichen Haupt-Stände [Regensburg 1698] S. 331.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 47

Plattdeutsches Fritz Husmann

Sönndagsgang

Blick von Wölping- hausen auf die Een Patt slickt sick dör’t Roggenfeld, Bückeberge. he loppt wull hen un her, doch wüsst ick Sönndagsnahmdags nich, Foto: Alexandra Blume keen Weg mi leewer wörr. Ick gah den Patt so männig Mal un freu mi to de Welt, ick quick mi an den Vagelsang un an dat vulle Feld. De Lucht treckt lies dor öberweg, lett nicken all‘ de Ohrn – ick spör een Dank för Fleet un Tro, een Dank von’t riepte Korn!

Aus: Heimatblätter – Beiträge zur Förderung der Heimatkunde und Heimatliebe. Beilage zur Schaumburger Zeitung. Nr. 24. 21.07.1928.

48 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Tipps Buchvorstellung Lesenswertes Lichtspiele im Schaumburger Land 125 Jahre Kinokultur zwischen und Weserbergland – die Geschichte der Lichtspielhäuser des Schaumburger Landes von ihren Anfängen bis zur Gegenwart – Ralf Wente

Im Jahr 2020 jährt sich der Geburtstag des Films zum 125. Mal. Von der Vorführung erster bewegter Bilder bis zur Wiedergabe von 3D-Produktionen durchlief das

Medium Film eine aufregende Entwicklungsgeschichte. Doch Filmgeschichte ist zugleich auch Kinogeschichte, und mit dem Geburtstag des Films feiert auch das Film- theater seinen 125. Jahrestag.

Das Buch dokumentiert die Lichtspielgeschichte des Schaumburger Landes und erzählt die Kinohistorie von ihren Anfängen 1895 bis heute. Auch wenn innerhalb der ver- gangenen 125 Jahre die Kinematographie in dieser Region nie im Ralf Wente: Vordergrund der lokalen Ereignisse gestanden hat, prägte sie doch Lichtspiele im das soziokulturelle Leben in den Dörfern und Städten mit. Ins- Schaumburger gesamt 54 feste Filmtheater eröffneten im Laufe dieser Jahre ihre Land Pforten. Von A wie „Apollo-Theater“ bis Z wie „Zentral-Lichtspiele“ Reihe: wird jeder dieser Kinoorte benannt. Schaumburger Der Autor Beiträge; Bd. 5

Ralf Wente wurde 1964 in Stadthagen geboren und wuchs im Wallstein Verlag geb., 359 Seiten, Schaumburger Land auf. Nach einer kaufmännischen Ausbildung ca. 143 z.T. farbig in der Medienbranche, studierte er Pädagogik und Sozialarbeit an ISBN-10: der Hochschule Hannover. Zum Diplomabschluss entstand eine 3835336843 Dokumentation über die Historie des deutschen Kinderfilms, die ISBN-13: kulturelle Bedeutung dieses Mediums sowie dessen Nutzungsmög- 978-3835336841 lichkeiten zur Entwicklung von Medienkompetenz. Berufsbezogene 15,5 x 23 cm Ausbildungen in den Bereichen Sozialmanagement und Systemischer 676g Familientherapie schlossen sich an. Heute ist der Autor bei einem 29,00 € großen Wohlfahrtsverband tätig. Sein Interesse für die Kulturge- schichte analoger Medien sowie seine Passion für Film und Kino waren Anlass, dieses Buch entstehen zu lassen.

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 49

Dies & Das Historische Anzeigen aus den General-Anzeiger Ausgaben Juli/August 1930

50 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Vereinskonten

Ümme Jelt drahet sick dä janze Welt Mitgliedsbeiträge

Eine herzliche Bitte des Vorstandes an diejenigen Mitglieder, die den Jahresbeitrag mittels Banküberweisung bezahlen: Bitte denken Sie an die Abgabe Ihres Überweisungsauftrags. Der Jahresmitgliedsbeitrag beträgt 15 Euro. Natürlich darf es „Um Geld dreht gerne auch mehr sein. sich die ganze Welt.“ Bei Spenden ab 100 Euro erhalten Sie die Zuwendungsbestä- tigung unmittelbar und unaufgefordert durch den Schaum- burg-Lippischen Heimatverein. Die Zustellung kann aus or- ganisatorischen Gründen einige Zeit dauern. Bei Beträgen unter 100 Euro genügt als Nachweis gegenüber dem Finanz- amt der Abbuchungs- bzw. Überweisungsbeleg. Im Zweifelsfall steht Ihnen unser Schatzmeister Uwe Hahne ab 18 Uhr unter der Telefon-Nr. 05722 - 84932 für Auskünfte zur Verfügung.

BIC IBAN Schaumburg-Lippischer Heimatverein, Gesamtverein

Sparkasse Schaumburg NOLADE21SHG DE55 2555 1480 0313 3656 60 Volksbank Schaumburg GENODEF1BCK DE97 2559 1413 0003 2840 01 Ortsgemeinschaft Bückeburg

Sparkasse Schaumburg NOLADE21SHG DE82 2555 1480 0320 2122 10 Volksbank Schaumburg GENODEF1BCK DE27 2559 1413 0003 2840 00

Ortsgemeinschaft Stadthagen Sparkasse Schaumburg NOLADE21SHG DE34 2555 1480 0470 1405 42 Volksbank Hameln-Stadthagen GENODEF1HMP DE18 2546 2160 0009 5451 00

Ortsgemeinschaft Lindhorst Sparkasse Schaumburg NOLADE21SHG DE88 2555 1480 0488 2220 19

Ortsgemeinschaft Seeprovinz/Steinhude Volksbank Steinhude GENODEF1NIN DE91 2569 0009 1018 3434 00

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 51

Kontakte Ansprechpartner Der Schaumburg-Lippische Heimatverein vor Ort

1. Vorsitzender Heinz Schöttlingen 10, 31698 Lindhorst Übergeordnete Angele- und Brunkhorst Tel. 0 57 25 - 13 64 genheiten sowie Leitung AG Plattdeutsch [email protected] der AG Plattdeutsch

Orts- Georg Nordholzer Str. 13, 31675 Bückeburg Exkursionen, Vorträge, gemeinschaft Völkel Tel. 0 57 22 - 2 15 21 Wanderungen, [email protected] Bückeburg Klönabende Orts- Harald Niedernwöhrener Straße 25 Exkursionen, Vorträge, gemeinschaft Hallfeldt 31655 Stadthagen „Plattdütsche Frünne“, Tel. 0 57 21 – 7 42 92 Stadthagen Klönabende [email protected]

Orts- Jürgen Neuer Winkel 2, 31515 Steinhude Exkursionen, Vorträge, gemeinschaft Engelmann Tel. 0 50 33 - 14 26 Plattdeutscher Seeprovinz [email protected] Frühschoppen

Orts- Klaus Südstraße 28, 31698 Lindhorst Exkursionen, Vorträge, Tel. 0 57 25 - 58 03 „Wi vertellt üsch wat in gemeinschaft Kutil Lindhorst [email protected] Hoch un Platt“, Trachten- gruppe Lindhorst

Bewertungs- Hergen A. Von-Münchhausen-Str. 12, Bewertungsausschuss ausschuss Hennings 31515 Wunstorf-Steinhude Denkmalpflege Tel. 0 50 33 - 57 24 [email protected] AG Kathrin Metjenkamp 21, Erarbeitung von Strategien Zukunft Heimat Götze- 31525 Wunstorf-Steinhude zur Gewinnung neuer Bühmann Tel. 0 50 33 - 9 81 45 55 Schaumburg Mitglieder und inhaltl. [email protected] Neuorientierung

AG Schule Sven-Olav St. Annen 3, 31655 Stadthagen Heimatkundliche Projekte Benkhardt [email protected] für die Arbeit mit (Schul-) Kindern Redaktions- Alexandra Auf dem Rähden 37a, Schaumburg-Lippische leitung Blume 31553 Auhagen Tel. 0 57 25 - 59 64 Heimatblätter, Layout, Satz und Gestaltung, redaktion@schaumburg-lippischer- heimatverein.de Administration facebook

Homepage Carsten Schlossplatz 2, 31675 Bückeburg Informationstechnologie, Thiele Tel. 0 57 22 - 96 77 30 Webdesigner webdesigner@schaumburg- www.schaumburg- lippischer-heimatverein.de lippischer-heimatverein.de Pressewart Ulrike Lange Straße 20, 31655 Stadthagen Pressearbeit, Hasemann Tel. 01 52 - 26 77 24 72 Pressemitteilungen [email protected] Gesamtverein

52 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020

Ihr Reisepartner in Schaumburg

langjähriger Partner des Schaumburg-Lippischen Heimatvereins

Mitglied im Arbeitskreis Schülerbeförderung GVN Ausbildungsbetrieb

Fuhrpark für alle Größen und Ansprüche Fahrradanhänger und Niederflurwagen individuelle und freundliche Beratung eigener Linienverkehr in Schaumburg VW Werksbus aus Schaumburg nach Stöcken

Bückeburg Lindhorst

Kreuzbreite 2 Gewerbestraße 2

05722–1006 & 05725–6653

05722–1008 Fax 05725–7229 Fax

[email protected]

www.rso-online.de

Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020 53

Schaumburg-Lippischer-Heimatverein e. V.

54 Schaumburg-Lippische Heimatblätter 3-2020