Rüdiger Zimmermann Der Internationale Gewerkschaftliche
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Rüdiger Zimmermann Der internationale gewerkschaftliche Widerstandskreis der Lithographen und Steindrucker gegen den Nationalsozialismus Johannes Hass, Jacob Roelofs, Heinrich Hansen Veröffentlichungen der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Bd. 24 Bonn 2017 Impressum Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung Godesberger Allee 149 53175 Bonn ISBN 978-3-95861-759-9 ISSN 1432-7449 „Eine gewerbliche Nutzung der durch die FES herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung durch die FES nicht gestattet“ Inhalt 3 Inhaltsverzeichnis Einleitung 5 I. Johannes Hass 9 1. Ein Gewerkschaftsverband der Schöngeister 9 2. Von Streik zu Streik 14 3. Zwischen Krieg und Frieden 23 4. Novemberrevolution und demokratischer Neubeginn 26 5. SPD-Kommunalpolitiker 35 6. Der Internationale Bund der Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufe 45 7. Der Faschismus an der Macht 54 8. Tod und Gedenken 58 II. Jacob Roelofs 61 1. Deutsche Katastrophe 69 2. Widerstand und Verfolgung 76 3. Wiederaufrischung der Gewerschaftsinternationle - Weltgewerkschaftsbund versus Internationale Berufssekretariate 81 4. Tiefe Verletzungen - heilende Wunden: Das Verhältnis zu den Deutschen 91 5. Tod und Gedenken 97 III. Heinrich Hansen 98 1. Gewerkschaftskarriere und Ehrenämter 99 2. Gegen die Nazis: Widerstand als Sozialdemokrat und Gewerkschafter 103 3. Das Gewerkschaftliche Widerstandsnetz der Steindrucker und Lithograpehn 104 4. Widerstandszentren 106 a. Hamburg 106 b. Berlin 107 c. Leipzig 111 d. Hannover 113 e. Braunschweig 115 f. Lübeck 115 5. Widerstand und gewerkschaftlicher Gedächtnisverlust 116 6. Inhaftierung - Zusammenbruch des gewerkschaftlichen Widerstandsnetzes 119 7. Befreiung vom Faschismus und gewerkschaftlicher Wiederaufbau 122 8. An der Spitze der Industriegewerkschaft Druck und Papier 126 9. Vom „schlecht geführten Streik“ hin zur erfolgreichen Tarifpolitik 132 10. Geerdeter Internationalist 131 11. Abschied, Würdigung, Gedenken 137 Quellen- und Literaturverzeichnis 139 Abbildungsverzeichnis 150 Einleitung 5 Einleitung Ende Juli 1946 erhielt Heinrich Hansen, frischgebackener 2. Vorsitzender des Hamburger Ver- bandes des graphischen Gewerbes, Post aus den Niederlanden. Absender: Jacob Roelofs, am- tierender Sekretär des Internationalen Bundes der Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufe (IBLS). Nach einer quälend langen Zeit war es den ausländischen Kollegen wieder möglich, Kontakt zu deutschen Gewerkschaftern aufzunehmen. Hansen kannte den Absender sehr gut; gleich nach der nationalsozialistischen Machteroberung hatte der Vorsitzende des Nederlandse Lito-, Foto- en Chemigrafenbond (NLFC) Verbindungen zu Heinrich Hansen auf- genommen. Gemeinsam suchten sie ein Netz des gewerkschaftlichen Widerstandes im Gewer- be zu knüpfen. Denn: Neben seiner heimischen Gewerkschaftsarbeit koordinierte Roelofs als Sekretär des Internationalen Berufssekretariats der Lithographen und Steindrucker seit 1929 die Zusammenarbeit der „Flachdrucker“ weltweit. Hansen war Roelofs in den 1920er und 1930er Jahren oft begegnet. Als geachteter Vorsitzender des Ausschusses des deutschen Verbandes der Lithographen, Steindrucker und verwandten Be- rufe (VLS) stand Hansen bis 1933 dem Kontrollgremium vor, das Beschwerden der Mitglieder gegen die Handlungen des Verbandsvorstandes entgegenzunehmen hatte. In dieser Eigenschaft erhielt Hansen Mandate für alle wichtigen nationalen und internationalen Kongresse. Bereits im April 1946 hatte der Hamburger den ersten Brief in die Niederlande auf den Weg ge- bracht. Stolz berichtete er von den ersten erfolgreichen gewerkschaftlichen Organisationsversu- chen in Hamburg und den diversen Besatzungszonen. Weniger gut klangen allerdings die Nach- richten über das Schicksal der leitenden Funktionäre seiner alten Gewerkschaft. Vor allem über Johannes Hass, den Vorsitzenden, konnte Hansen nichts Gutes berichten. Hass war im November 1945 nach langer und schwerer Leidenszeit in Berlin gestorben. Hass als Vorsitzender des Inter- nationalen Berufssekretariats der Buchdrucker und Lithographen bildete zusammen mit Roelofs als Sekretär ab 1929 das unangefochtene Führungsduo der Gewerkschaftsinternationale. Die lang ersehnte Antwort Roelofs Ende Juli 1946 traf Heinrich Hansen wie ein Schock. Statt herzlicher Willkommensgrüße rechnete der holländische Kollege mit der deutschen Gewerk- schaftsbewegung hart ab. Desillusionierend resümierte der Holländer: „Lieber Hansen, ich glaube nicht, dass Ihr augenblicklich richtig begreift, wie schwierig Eure Lage eigentlich ist, wie ungünstig Eure Aussichten sind und was nun eigentlich geschehen muss, damit ihr wenigs- tens einigermassen wieder hochkommt. Ich glaube nicht, dass Ihr Euch vollkommen bewusst seid, wie tief der Abgrund ist, in den Hitler Euch gestürzt hat.“ Mit seiner Aussage unterschied sich Roelofs kein Deut von den Aussagen von Vertretern der Sozialistischen Internationale, die Anfang 1945 die Bestrafung aller Deutschen forderten.1 Unverkennbar blieb allerdings der ungeheure Respekt, den der holländische Gewerkschaftsvor- sitzende seinem alten deutschen Kollegen Johannes Hass auch ein Jahr nach dessen Tode entge- genbrachte: „Wir verstanden uns ausgezeichnet und wir haben zusammen für die Internationale viel und gute Arbeit geleistet. Waren dies die Verhältnisse im eigenen Bund, so war es zu einem gewissen Grade in der allgemeinen Arbeiterbewegung überall so. Das merkte man am besten auf den Kongressen. Die deutsche Delegation war immer die stärkste, die deutsche Sprache war die Umgangssprache. In der Vorkriegs-Arbeiterbewegung konnte man mit deutsch überall 1 Michael Schneider, In der Kriegsgesellschaft. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1939 bis 1945 (Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Bd. 13), Bonn 2014, S. 1304. 6 Einleitung durchkommen. Daher habe ich z.B. nie die Notwendigkeit empfunden, im fortgeschrittenen Alter noch Englisch zu lernen.“ Die widerstandslose Zerschlagung der deutschen Arbeiterbewegung – so Roelofs – habe nicht nur deutsch zu einer minderwichtigen „Gewerkschaftssprache“ gemacht. Noch schlimmer: „In und nach dem Zweiten Weltkrieg ist von irgendeiner Sympathie für Deutschland und den Deutschen nichts übrig geblieben.“ Die österreichische Arbeiterbewegung habe wenigstens ge- kämpft. Die deutsche habe sich kampflos ergeben. Die Stimmung gegenüber den Deutschen sei so schlecht, dass er sich kaum vorstellen könne, dass deutsche Organisationen in abseh- barer Zeit wieder in den Kreis der internationalen Gewerkschaftsgemeinschaft aufgenommen würden. Der Briefwechsel, der sich im Internationalen Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam (IISG Amsterdam) erhalten hat, zählt zu den raren Dokumenten der internationalen Gewerkschaftsbe- wegung, die etwas über die Gefühle der ausländischen Gewerkschafter zu den deutschen Kolle- gen aussagen, denen man zugetraut hatte, den Faschismus niederzuringen und der internationa- len Arbeiterbewegung damit neue Impulse zu verleihen. Roelofs korrespondierte nicht nur mit den alten Funktionsträgern, sondern auch vereinzelt mit den Familienangehörigen verstorbener Funktionäre des freigewerkschaftlichen VLS.2 Der Briefwechsel ist somit auch eine wichtige Quelle zur unmittelbaren Geschichte der deutschen Gewerkschaften im graphischen Bereich. Wer waren nun die Kollegen, die so kurz nach Kriegsende so freimütig miteinander kommuni- zierten? Und wer war der Mann, über den so viel Positives gesagt wurde? Heinrich Hansen nahm als gewählter Vorsitzender der Industriegewerkschaft Druck und Papier (IG Druck und Papier) im westlichen Teil Deutschlands alsbald eine herausgehobene Stellung ein. Nach ihm wurde für mehrere Jahrzehnte die zentrale Bildungsstätte der IG Druck und Pa- pier, der Industriegewerkschaft Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst (IG Medien) und später auch des Instituts für Bildung, Medien und Kunst der Vereinten Dienstleistungsge- werkschaft (Ver.di) in Lage-Hörste benannt. Seine Widerstandstätigkeit als Sozialdemokrat, die er mit einer mehrjährigen Zuchthausstrafe büßte, ist mittlerweile gut dokumentiert.3 Über seine gewerkschaftliche Widerstandstätigkeit hat Hansen allerdings kaum gesprochen. Allerdings: In der unmittelbaren gewerkschaftlichen Nachkriegserinnerung war Hansens Wi- derstandstätigkeit in seiner Heimatstadt wohlbekannt. Der erste Bericht des Ortsausschusses Hamburg des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) würdigte seine aufrichtige Haltung: „Es wurde auch versucht, die Verbindung mit dem Ausland fortzusetzen, so bei den Lithographen und vom Gesamtverband. Gerade diese Arbeit kostete viele Opfer. So hielt Heinrich Hansen vom Verband der Lithographen und Steindrucker eine gut getarnte Verbindung mit dem Inter- nationalen Lithographenbund bis 1936. Da schnappte ihn die Gestapo, allerdings wegen poli- 2 Vgl. IISG Amsterdam, International Federation of Lithographers, Printers and similar Trades Archives; der zitierte Briefwechsel findet sich in Bestand 104. Jacob Roelofs hat den Brief Hansens vom 24. April 1946 in stark gekürzter Form veröffentlicht. Vgl. Bulletin of the International Federation of Lithographers, Lithogra- phic Printers and Kindred Trades, May 1946, Nr. 99, S. 12. 3 Vgl. Hansen und Genossen in Barmbek-Nord gegen das NS-Regime. Zeitzeugen zu Verfolgung, Widerstand, Wiedergutmachung und Neuaufbau. Zusammengetragen und bearb. von Reinhold Bengelsdorf, Hamburg 2005. Einleitung 7 tischer Betätigung, und er wanderte für 4 Jahre ins Zuchthaus.“4 Der Geburtstagsartikel zu sei- nem 60. Geburtstag im Zentralorgan seiner Gewerkschaft „Druck