MASARYK-UNIVERSITÄT PÄDAGOGISCHE FAKULTÄT Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur

Reichsprotektorat Böhmen und Mähren aus der historisch-rechtlichen Perspektive

Bachelorarbeit

Brünn 2019

Betreuer: Mgr. Pavel Váňa, Ph.D. Verfasser: JUDr. Jakub Valc

"Ich erkläre, dass ich diese Abschlussarbeit (Bachelorarbeit) selbstständig ausgearbeitet habe, mithilfe der zitierten Quellen, anderer Informationen und Quellen im Einklang mit dem Disziplinarstatut für Studierende der Pädagogischen Fakultät der Masaryk-Universität und mit dem Gesetz Nr. 121/2000 Slg., über das Urheberrecht, über die mit dem Urheberrecht zusammenhängenden Rechte und über die Änderung einiger Gesetze (das Autorengesetz), in der Fassung der späteren Vorschriften."

Brünn, 1. 3. 2019 ……………………………. JUDr. Jakub Valc

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Danksagung

Auf dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Mgr. Pavel Váňa, Ph.D., für seine wissenschaftliche Leitung und nützliche Ratschläge bedanken. Außerdem gehört mein Dank auch meiner Familie und allen Personen, die mich während des Studiums finanziell oder emotional unterstützt haben.

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Abstract

Diese Bachelorarbeit betrifft die Zeitperiode des sog. Protektorats Böhmen und Mähren, also die Zeit der Besatzung des ehemaligen Tschechoslowakischen Staates durch das Deutsche Reich. Innerhalb ihrer Bearbeitung beschäftige ich mich im Kontext mit den historischen Umständen nicht nur mit der Entstehung dieser Gebietseinheit, sondern auch mit ihrem staatspolitischen Aufbau und Regelung des öffentlichen Lebens. Dies hatte nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Wirkung auf die Formulierung des Rechtsdenkens und auf den Menschenrechtsschutz. Zuerst richte ich meine Aufmerksamkeit auf die Problematik des Aufstiegs des Nationalsozialismus in Deutschland und seine Expansion auf das tschechoslowakische Hoheitsgebiet als Folge des Münchner Abkommens. Dann werden die rechtliche Entstehung und das Funktionieren des Protektorats Böhmen und Mähren dargestellt, was besonders mit der Übernahme und Anwendung der Rassengesetzgebung zusammenhängt. In den letzten zwei Kapiteln werden dann der Untergang des Protektorats Böhmen und Mähren, die Rechtsdiskontinuität, die Krise des Rechtspositivismus und der Menschenrechtsschutz in Nachkriegszeit geschildert.

Schlüsselwörter

Protektorat Böhmen und Mähren, Münchner Abkommen, Nationalsozialismus, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), Rassismus, Rechtsdiskontinuität, Rechtspositivismus, Menschenrechtsschutz

Abstrakt

Tato bakalářská práce se týká období Protektorátu Čechy a Morava, tedy obsazení tehdejšího československého státu Německou říší. V rámci jejího zpracování se zabývám v kontextu historických okolností nejen důvody vzniku daného územního celku, ale také jeho státně- politickým uspořádáním a regulací veřejného života, což mělo po druhé světové válce zásadní vliv na utváření právního myšlení a mezinárodní ochrany lidských práv. Nejprve věnuji pozornost problematice vzestupu národního socialismu v Německu, a to až do doby jeho expanze na československé území prostřednictvím Mnichovské dohody. Následně je výklad zaměřen na otázku právního vzniku a fungování Protektorátu Čechy a Morava, a to zejména v souvislosti s přijetím a aplikací rasistického zákonodárství. V posledních dvou kapitolách je pak pojednáno o zániku Protektorátu Čechy a Morava, právní diskontinuitě, krizi právního pozitivismu a poválečné ochraně lidských práv.

Klíčová slova

Protektorát Čechy a Morava, Mnichovská dohoda, nacionální socialismus, Národně socialistická německá dělnická strana (NSDAP), rasismus, právní diskontinuita, právní pozitivismus, ochrana lidských práv

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Abstract

This Bachelor's thesis concerns the period of the Protectorate of Bohemia and Moravia, which means the occupation of the Czechoslovak state of the time by the German Reich. During the writing of this topic, I dealt with the historical circumstances, not only concerning the reasons for the establishment of this territorial unit, but also concerning its state-political structure and the regulation of public life that, after the Second World War, had a fundamental influence on the formation of legal thinking and the international protection of human rights. First, I focus my attention on the issue of the rise of National Socialism in Germany, up to its expansion into through the . Afterwards, the explanation concentrates on the question of the legal establishment and functioning of the Protectorate of Bohemia and Moravia, especially in connection with the adoption and application of racist legislation. The last two chapters look at the extinction of the Protectorate of Bohemia and Moravia, legal discontinuity, the crisis of legal positivism and the post-war protection of human rights.

Key words

Protectorate of Bohemia and Moravia, Munich Agreement, National Socialism, National Socialist Party (NSDAP), racism, legal discontinuity, legal positivism, protection of human rights

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung ...... 7

1 Nationalsozialismus: Entstehung, Expansion und Weg zum Münchner Abkommen .... 9

1.1 Nationalsozialismus als rassistische und totalitäre Ideologie ...... 9

1.2 NSDAP: Anfang und politischer Aufstieg in Deutschland ...... 13

1.3 als Vorwand für die Besetzung ...... 17

1.4 Münchner Abkommen oder „über uns, ohne uns“ ...... 20

2 Recht und Gesellschaft im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren ...... 23

2.1 Reichsprotektorat als Bestandteil des Deutschen Reiches ...... 23

2.2 Macht und Gesetzgebung in den Händen des Reichsprotektors ...... 27

2.3 Rassistische Staatspolitik: Deutsche als privilegierte Sozialgruppe ...... 30

3 Zerfall der NS-Staatsordnung auf dem tschechoslowakischen Gebiet ...... 34

3.1 Amt des Reichsprotektors in der Zeit des SS-Obergruppenführers 34

3.2 Operation Anthropoid und ihre Konsequenzen ...... 37

3.3 Niederlage des Deutschen Reiches und Ende des Reichsprotektorats ...... 40

4 Rechtlich-politische Konsequenzen des NS-Unrechts ...... 44

4.1 (Nicht)Existenz des Reichsprotektorats aus der rechtlichen Perspektive ...... 44

4.2 NS-Gesetzgebung als Grund für die Infragestellung des Rechtspositivismus ...... 48

4.3 Universeller Menschenrechtsschutz in der Nachkriegszeit ...... 52

Fazit ...... 56

Zusammenfassung ...... 59

Literaturverzeichnis ...... 61

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Einleitung

In der menschlichen Geschichte gab es mehrere Ereignisse, welche die Wertbasis und die Entwicklung der Gesellschaft grundsätzlich beeinflusst haben. Trotzdem hatte die Epoche der nationalsozialistischen Vormacht in Europa eine privilegierte Position, weil sie die Tendenzen zur Stärkung der demokratischen Prinzipien und zum Halten des Friedens nach dem Ersten Weltkrieg durch eine rassistische Ideologie und verbundene Territorialansprüchen ganz unterdrückt hat. Da die Tschechoslowakei zu einer der Nachbarstaaten Deutschlands auch in dieser Zeit gehörte, wurde sie mit der nationalsozialistischen Besatzungspolitik und der rassistischen Gesetzgebung schon vor dem Anfang des Zweiten Weltkrieges konfrontiert, was zur Entstehung und zur mehrere Jahre dauernden Existenz des Protektorats Böhmen und Mähren geführt hat. Aus der heutigen Perspektive geht es um eine von den schlimmsten Epochen der tschechischen Geschichte, die mit der Unfreiheit und der Unterdrückung des nationalen Stolzes zusammenhängt, als Tschechen nur zur die Bevölkerung zweiter Kategorie in eigenem Staat wurden.

Obwohl diese negative Erfahrung des tschechischen Volkes mehrere Jahrzehnte in der Vergangenheit war, finde ich für notwendig, die historischen und rechtlichen Bedingungen der Entstehung, der Existenz und des Untergangs des Protektorats Böhmen und Mähren in dieser Bachelorarbeit zu analysieren und der Diskussion zu unterzeihen. Es geht nicht nur um eine Epoche unserer Geschichte zwischen den Jahren 1939 und 1945, weil die Nationalsozialisten ihre Macht-Ambitionen schrittweise geplant und realisiert haben. Schließlich wurden sie zwar besiegt, aber ihre mehrere Jahre dauernde Dominanz hat viele soziale und rechtliche Konsequenzen und Fragen nicht nur für die Tschechoslowakei und ihre weitere Entwicklung, sondern auch für die internationale Kooperation und die bisherige Rechtslehre hinterlassen.

Aus diesem Grunde werde ich mich mit dieser Problematik in vier Kapiteln beschäftigen. Zuerst werde ich die Hauptmerkmale der nationalsozialistischen Ideologie beschreiben, damit ich danach zeigen kann, wie die Nationalsozialisten die Machtübernahme in Deutschland erreicht haben. In diesem Zusammenhang werde ich auch erklären, dass es eine nötige Voraussetzung war, damit die Nationalsozialisten ihre Aufmerksamkeit auf die Nachbarstaaten, einschließlich der Tschechoslowakei, ausrichten konnten. Dann wird die Erklärung schon auf die gezielte Destabilisierung der Tschechoslowakei konzentriert, was

7 endlich zur unfreiwilligen Änderung der Staatsgrenzen und zur Entstehung des Protektorats Böhmen und Mähren geführt hat.

Dank der Analyse der entsprechenden politischen Dokumente und der Regelungen, die die Souveränität der Tschechoslowakei beschränken sollten, werde ich im weiteren Kapitel fähig sein, die rechtliche Grundlage des Protektorats Böhmen und Mähren zu erklären. In diesem Zusammenhang werde ich besprechen, welche Strukturen der Verwaltungsbehörden eigentlich geschaffen wurden und wie ihre Existenz das soziale Leben der Tschechen auch durch die Anwendung der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst hat. Diese Problematik werde ich dann auf die Heydrichs Epoche besonders demonstrieren, weil seine Person mit der kompromisslosen und brutalen Unterstützung der nationalsozialistischen Interessen im Protektorats Böhmen und Mähren verbunden war. Darüber hinaus will ich betonen, dass seine Tötung, welche von der Exilregierung in London organisiert wurde, die Intensität des Widerstandes trotz der Repressionen bis definitive Niederlage der Nationalsozialisten verstärkt hat.

Im letzten Kapitel will ich zeigen, dass man die Problematik des Nationalsozialismus nicht nur durch die Laufzeit des Zweiten Weltkrieges begrenzen kann, denn die militärische Niederlage des Deutschen Reiches konnte nicht neue Fragen über die Rechtskontinuität und das gesetzliche Unrecht beantworten. Aus diesem Grunde werde ich die Legitimität der Entstehung des Protektorats Böhmen und Mähren aus der rechtlichen Perspektive besprechen, was auch mit der Annahme der sog. Beneš-Dekrete zusammenhängt. Darüber hinaus werde ich durch den Vergleich der naturrechtlichen und positivistischen Rechtstheorien auf die nationalsozialistische Gesetzgebung zeigen, welche Merkmale jede Rechtsnorm haben muss, damit sie als gültig bezeichnet werden könnte. Die Erklärung werde ich dann mit der Problematik des universellen Menschenrechtschutzes beenden, weil es darauf aufmerksam gemacht werden soll, dass nur die gemeinsame Achtung vor der Menschenwürde und dem Leben aller Menschen die Wiederholung der nationalsozialistischen Gräueltaten zuverlässig verhindern kann.

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1 Nationalsozialismus: Entstehung, Expansion und Weg zum Münchner Abkommen

Obwohl das Thema der Bachelorarbeit das Protektorat Böhmen und Mähren (weiter auch „das Reichsprotektorat“ oder „das Protektorat“) ist, muss diese Problematik auch im Zusammenhang mit der Vorkriegszeit und der Situation in Deutschland dargestellt werden. Der Grund dafür basiert auf der Tatsache, dass die Entstehung des Protektorats auf dem tschechoslowakischen Gebiet die Konsequenz des unaufhaltsamen Aufstiegs des Nationalsozialismus in Deutschland war. Darum beschreibe ich am Anfang nicht nur die führende Ideologie der nationalsozialistischen Politik, sondern auch ihre praktische Durchsetzung in Deutschland bis ihre Expansion in andere europäische Staaten. Darüber hinaus muss ich weiter natürlich meine Aufmerksamkeit auf die vorsätzliche Eskalation der Spannung in der Tschechoslowakei, insbesondere im Sudetenland, richten, weil die Konflikte zwischen Tschechen und Sudetendeutschen eine notwendige Voraussetzung zur unfreiwilligen Abtrennung des Sudetenlandes von der Tschechoslowakei darstellten. Aus der politisch-rechtlichen Perspektive war das jedoch ein pazifistischer Ansatz der Großmächte, der zum Abschluss des Abkommens in München geführt hat, was eigentlich der Weg zur Gründung des Reichsprotektorats als Gebietseinheit des Deutschen Reiches war.1

1.1 Nationalsozialismus als rassistische und totalitäre Ideologie

Der Nationalsozialismus als eine der totalitären Ideologien hat in der Vergangenheit den Zweiten Weltkrieg verursacht und seine Konsequenz stellte auch den Völkermord an Millionen von unschuldigen Menschenleben dar. Der Begriff Nationalsozialismus wird definiert als „eine radikal antisemitische, antikommunistische und antidemokratische Weltanschauung, die auf dem Führerprinzip aufbaut“ (Heckeberg 2011: 8). Wenn man dann diese Ideologie erklären will, muss man ihre Merkmale im Kontext weiter analysieren. Das nationalsozialistische Denken war allgemein mit der politischen Situation zwischen 1920 und 1945 in Deutschland und in ganz Europa verbunden, als die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) schrittweise an der Macht war. Diese Ideologie basiert besonders auf der Überordnung der arischen Rasse, die nach der nationalsozialistischen Weltanschauung von den anderen minderwertigen Rassen gereinigt werden sollte.2 Im Prinzip haben die

1 Das Deutsche Reich wurde dank der nationalsozialistischen Propaganda auch als „Drittes Reich“ bezeichnet, obwohl es sich um keine offizielle Bezeichnung handelte. 2 Die Nationalsozialisten haben die arisch-nordische Rasse durch mehrere Kriterien definiert. In diesem Zusammenhang spielen nicht nur der Körper, sondern auch der Charakter und geistige Fähigkeiten eine wichtige

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Nationalsozialisten eine rassistische Hierarchie definiert, wo die arisch-nordische Rasse oder Herrenrasse an der Spitze war (vgl. Benz 2009: 495-497).3

Darüber hinaus hatten die anderen Rassen nach dieser Ideologie eine niedrigere Position. Dazu wurde von den Nationalsozialisten auch der Begriff „Untermenschen“ benutzt, was die Einzigartigkeit der arischen Rasse betonen sollte. Diese grundlegende Ideologie wurde dann durch den Antisemitismus noch verstärkt, weil die Juden als die größten Feinde der „reinblutigen“ Deutschen bezeichnet wurden (vgl. Benz 2009: 495-497). Die Nationalsozialisten haben argumentiert, dass die Juden eigentlich keine Menschen seien und darum sollten sie auch keine Rechte besitzen, was schon eine der ersten Andeutungen des späteren Völkermords oder Holocausts war.4 Aus diesem Grunde haben die Nationalsozialisten oft anthropologische Unterschiede zwischen den Arier und den Juden als Form der politischen Propaganda verwendet. Später haben sie sogar medizinische Untersuchungen realisiert, damit sie beweisen konnten, dass es nicht nur visuelle-, sondern auch Intelligenzunterschiede zwischen den Ariern und anderen minderwertigen Rassen bestehen. Obwohl überzeugende Ergebnisse nicht greifbar waren, haben die Nationalsozialisten verschiedene Propagandabilder, Karikaturen und weitere Materialen erstellen lassen, die Ungleichheit zwischen den Rassen unterstützt haben [vgl. Die NS- Ideologie. https://www.holocaust.cz/de/geschichte/endloesung/general/die-ns-ideologie/ (31. 8. 2018)].

Diese rassistische Kategorisierung ist heutzutage in jedem demokratischen Staat undenkbar. Man muss allerdings alles aus der Perspektive der damaligen Gesellschaft und politischen Situation in Deutschland bewerten. In diesem Kontext war das Jahr 1918 sehr wichtig, in dem Deutsches Reich im Ersten Weltkrieg geschlagen wurde. Dann hat der Zeitraum der Weimarer Republik zwar angefangen, aber die Konsequenz des Ersten Weltkriegs war auch die Unterzeichnung des Friedensvertrages von Versailles im Jahre 1919, was nicht nur die Wirtschaft des neu gegründeten Staates, sondern auch das Selbstbewusstsein

Rolle. Ein typischer Arier sei hoch, schlank und er hatte schmales Gesicht, blonde Haare, blaue Augen und helle Haut gewesen (Kammer, Bartsch 2006:171). 3 Die Rassenideologie war auch vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bekannt. In diesem Kontext hat schon der französische Autor Arthur de Gobineau über die Unterschiede und Ungleichheit zwischen den Rassen geschrieben. Zu den Vorgängern Hitlers gehörten auch der britische Schriftsteller Houston Stewart Chamberlain, der im Jahre 1899 sein Werk Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts publiziert hat. In diesem Werk wurden die Arier als eine privilegiere Rasse bezeichnet (Benz 2009: 495-497). 4 Dazu soll ich bemerken, dass die Elimination in der deutschen Gesellschaft später (1939) auch durch die sog. Aktion T4 realisiert wurde, die auf die Menschen mit einer geistigen Behinderung oder Geisteskrankheit ausgerichtet war. Das war eine spezifische Form der Euthanasie, die bis das Kriegsende mehr als 270 000 Opfer hatte, obwohl es auch vom Bischof Clemens August Graf von Galen im Jahr 1941 öffentlich kritisiert wurde (Wildt 2012. Nationalsozialismus: Krieg und Holocaust: 33-35).

10 des deutschen Volkes stark und negativ getroffen hat. Obwohl die Weimarer Republik aus der staatlich-politischen Perspektive kein Nachfolger des Deutschen Kaiserreiches war, weil sie eine parlamentarische Republik mit der demokratischen Verfassung und den regelmäßigen Wahlen war, musste ihre Armee präventiv entmilitarisiert werden und die Regierung wurde verpflichtet, große Reparationen an die Siegermächte zu zahlen. Außerdem wurde das Hoheitsgebiet des Deutschen Reiches auch grundsätzlich verkleinert.5 Diese Auswirkungen wurden von den Nationalsozialisten politisch missbraucht, damit sie die Regierung kritisieren konnten (vgl. Elz 2008: 31-33).

Der fruchtbare Boden für eine weitere Radikalisierung der deutschen Gesellschaft war dann die Zeit nach dem Börsenzusammenbruch in New York und die im Jahre 1929 angefangene sof. „große Depression“, welche die Wirtschaft nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland und anderen europäischen Staaten schwer getroffen hat. Die Konsequenzen konnte man sowohl auf der Arbeitslosigkeit, als auch auf den hohen Preisen der Lebensmittel sehen, was die Stimmung in der Gesellschaft sehr negativ beeinflusst hat. Die Nationalsozialisten haben diese Situation natürlich ausgenutzt und auf die Juden als Schuldige gezeigt. In diesem Zusammenhang basierte die nationalsozialistische Philosophie auf der Überzeugung, die Juden hätten tatsächlich keine Fähigkeiten, weil sie auf der arischen Rasse nur parasitiert hätten. Aus diesem Grund haben die Nationalsozialisten betont, die Juden müssten aus dem öffentlichen Leben beseitigt werden (vgl. Sturm 2011: 104-107).6

Die nationalsozialistische Ideologie basierte allgemein auf der Unausweichlichkeit des Kampfs zwischen den Rassen. Dazu gehört auch die Betonung des gespannten Nationalismus, als die Nationalsozialisten argumentiert haben, nur das deutsche Volk repräsentiere die arische Rasse und diese müsse über die minderwertigen Rassen um jeden Preis gewinnen. Im Prinzip wird diese Ideologie als Sozialdarwinismus bekannt, weil sie von der Charles Darwins Evolutionstheorie über die natürliche Selektion der biologischen Organismen abgeleitet wurde. Die Nationalsozialisten haben in diesem Zusammenhang die Ähnlichkeit mit dem Reich der Lebewesen gesehen, wo stärkere Individuen über schwächere Individuen immer

5 Die konkreten durch die Weimarer Republik abzutretenden Gebiete waren z. B.: Elsass-Lothringen (Frankreich); Nordschleswig (Dänemark); Provinz Posen, Westpreußen, Oberschlesien und die Stadt Soldau (Polen); Hultschiner Ländchen (die Tschechoslowakei), sowie die Städte Eupen und Malmedy (Belgien). Darüber hinaus ist Danzig zur freien Stadt erklärt worden. Siehe dazu: [zákon č. 217/1921 Sb., Mírová smlouva mezi mocnostmi spojenými i sdruženými a Německem a Protokol, podepsané ve Versailles dne 28. června 1919. http://ftp.aspi.cz/opispdf/1921/053-1921.pdf (17.11.2018)]. 6 Die Rhetorik der Nationalsozialisten basierte auch auf dem Antikapitalismus, als sie im Kontext mit der großen Depression und ihren Konsequenzen über das internationale Finanzjudentum gesprochen haben (Sturm 2011: 107).

11 gewinnen. Aus diesem Grunde haben sie die Vereinigung der arischen Rasse unter einem charismatischen Führer gefordert, damit sie die ganze Welt mit seiner Führung von allen minderwertigen Rassen reinigen können (vgl. Thamer 2005: 83).7 Obwohl diese Ideen zuerst von vielen Menschen und politischen Konkurrenten nur als eine bloße Übertreibung gesehen wurden, sah die Realität in folgenden Jahren ganz anders aus. Nach der Machtübernahme haben die Nationalsozialisten ihre Ideologie durch die Abschaffung der Demokratie, die Rassengesetzgebung und die Gewalt gefördert haben, was später in eine Politik der Vernichtungslager und eine militärische Offensive gegen andere Staaten gemündet hat.

Obwohl der Rassismus und der Antisemitismus oft als Hauptmerkmale des Nationalsozialismus bezeichnet werden, sollte auch der zweite Teil dieses Begriffes nicht vergessen werden. Die sozialistischen Ideen waren auch ein unverzichtbarer Bestandteil der nationalsozialistischen Weltanschauung. Auf der ersten Stelle war es die natürliche Konsequenz der Rhetorik, die nicht das Individuum, sondern das deutsche Volk als Einheit mit einem gemeinsamen Ziel in den Vordergrund gestellt hat. Darum war die Abschaffung des ungleichen Sozialstatus der Angehörigen der arischen Rasse für die Nationalsozialisten sehr wichtig. Andererseits hat es nicht nur ideologische, sondern auch wirtschaftliche Gründe, warum die Nationalsozialisten besonders Arbeiter und sozialschwächere Gruppen des deutschen Volkes unterstützen wollten.8 Zuerst ging es natürlich um die Lösung der Konsequenzen der großen Depression, aber später war diese Unterstützung mit der Zentralisierung der Macht und der totalitären Regierung verbunden. Wegen der Okkupationsambitionen, die mit der Idee eines großen Deutschen Reiches zusammengehangen haben, haben die Nationalsozialisten die Arbeitslosigkeit auch durch die Stärkung der Rüstungsproduktion und der Zwangsarbeit herabgesetzt (vgl. Novotný 2010). Obwohl die politische Propaganda der Nationalsozialisten seit Anfang gegen den Kommunismus stark ausgerichtet war, der mit dem Judentum verbunden sein sollte, konnte

7 Das Führerprinzip wurde auch vom Faschismus benutzt, der eine politische (rechtsextreme und undemokratische) Bewegung in Italien darstellte. Seine Entstehung greift in den Anfang des 20. Jahrhunderts ein, als Benito Mussolini als Diktator in Italien an die Macht kam [Faschismus. http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-junge-politik-lexikon/161086/faschismus (4. 9. 2018)] 8 Noch im Jahre 1933 waren in Deutschland mehrere Millionen Menschen arbeitslos. Das wollten die Nationalsozialisten auch durch andere Maßnahmen lösen. Dazu haben sie auch verschiedene Pläne ausgearbeitet. Es ging zum Beispiel um die Unterstützung der konkreten wirtschaftlichen Bereiche und Einzelhändler. Dabei haben die Preisregulierung und Unterstützung der Familie eine wichtige Rolle gespielt (Tauchen 2009. Řešení důsledků hospodářské krize ve Výmarské republice a Třetí říši).

12 man mindestens einen ähnlichen Ansatz zur wirtschaftlichen Verwaltung der Gesellschaft beobachten (vgl. Thalhammer, 2018: 7).9

1.2 NSDAP: Anfang und politischer Aufstieg in Deutschland

Der Nationalsozialismus ist auf der Situation nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland aufgewachsen. Praktisch haben die Nationalsozialisten ihre Ideen und Ziele durch eine konkrete politische Partei realisiert. In diesem Zusammenhang wurde schon im Jahre 1919 die rechtsextrem und antikommunistisch ausgerichtete Deutsche Arbeiterpartei (DAP) von Anton Drexler und Karl Harrer gegründet. Adolf Hitler ist in diese Partei schon 1919 eingetreten, obwohl er zuerst nur ein Geheimagent der deutschen bewaffneten Truppen Reichswehr war und seine Aufgabe nur in der Beobachtung der Partei-Aktivitäten bestand. Dank der rhetorischen Kompetenzen und Sympathien zum politischen Denken der DAP ist Hitler sehr bald nicht nur zum Mitglied, sondern auch zum Hauptredner geworden. Die Popularität Hitlers ist immer gewachsen, was zum Anstieg der Sympathisanten geführt hat. Weiters wurde die Partei im Jahre 1920 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) umbenannt, die ein mit antisemitischen und nationalistischen Ideen ausgestaltetes Parteiprogramm öffentlich vorgestellt hat.10 Darüber hinaus hat die Parteiideologie auch eine Kritik des Vertrages von Versailles und die Lösung der schlechten wirtschaftlichen Situation in Deutschland enthalten (Wildt 2012: 9-10).

Wie die Zeit gelaufen ist, hat Hitler eine immer stärkere Position in der NSDAP gewonnen, was mit der Häufigkeit seiner öffentlichen Reden verbunden war. Schließlich war seine Auswirkung so groß, dass er sich in die Führung der Partei im Jahre 1921 durchgesetzt hat. Aus diesem Grunde konnte Hitler seine Ideen unbegrenzt verbreiten, was sowohl mit der Propaganda, als auch mit der finanziellen und militärischen Unterstützung zusammengehangen hat. In diesem Kontext kann man auch auf das berüchtigte Hackenkreuz aufmerksam machen, das von Hitler ausgewählt wurde (Kleinhans 2018).11 Darüber hinaus ist Hitler in Kontakt mit vielen ehemaligen Soldaten und einflussreichen Deutschen getreten, die

9 Der Unterschied war, dass die Nationalsozialisten zwar über den sozialistischen Klassenkampf nicht gesprochen haben, aber sie haben die Realität des Rassenkampfes betont (Thalhammer, 2018: 7). 10 Das Parteiprogramm hatte 25 Punkte. Die antisemitischen und nationalistischen Anforderungen standen zusammen mit der Abschaffung der Friedensverträge auf der ersten Stelle [Das 25-Punkte-Programm der NSDAP vom 24. Februar 1920. http://www.kurt-bauer- geschichte.at/PDF_Lehrveranstaltung%202008_2009/04_25-Punkte-Programm.pdf (10. 9. 2018)]. 11 Dazu ist zu bemerken, dass das Symbol eines Hackenkreuzes auch vor Hitler bekannt war. Als Beispiel kann man in der modernen Geschichte auf die schon im Jahre 1918 gegründete Thule-Gesellschaft hinweisen. Diese Organisation hatte das Hackenkreuz auch als Hauptsymbol und Hitler hat auf ihren Aktivitäten partizipiert. Aus diesem Grunde hat er sich das Hackenkreuz und typische Begrüßung „Sieg Heil“ nicht selbst ausgedacht, sondern er hat diese als Symbol eines Aufstandes und Sieges der arischen Rasse gewählt (Kleinhans 2018).

13 mit ihm sympathisiert haben, was für die weitere Entwicklung der Partei sehr nützlich war. Da die nationalsozialistische Propaganda seit Anfang an mit der Gewalt gegen die Juden und politische Opponenten verbunden war, war dabei die Gründung einer paramilitärischen Truppe notwendig. Dazu hat besondere die Zusammenarbeit zwischen Hitler und dem ehemaligen Offizier Ernst Röhm eine wichtige Rolle gespielt, weil Röhm viele Erfahrungen hatte, als er nach dem Ersten Weltkrieg auf die Aktivitäten der paramilitärischen Truppe Freikorps gegen die Kommunisten partizipiert hat. Mit seiner Hilfe hat Hitler nämlich neue paramilitärische Truppe der NSDAP gegründet. Diese Truppe wurde als (SA) bekannt und sie wurde aus den ehemaligen Soldaten gebildet. Aus diesem Grunde konnte diese Truppe für die Anschläge auf die Juden und andere politische Bewegungen gut benutzt werden (Wildt 2012: 10-11).12

Wegen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation in Deutschland hatten die schon lange Zeit von Hitler geführten Nationalsozialisten eine ausreichende Unterstützung, um die aktuelle politische Führung mit Kraft zu ersetzen. Darum haben sie eine Machtübernahme geplant, die als „Hitlerputsch“ oder „Bürgerbräu-Putsch“ bekannt ist. Im November 1923 haben Adolf Hitler und Erich Ludendorff13 mit den Sturmabteilungen das Treffen der politischen Repräsentanten in einer Brauerei in München eingekreist. Das Ziel war ein Marsch auf , damit die deutsche Regierung gestürzt werden konnte. Obwohl die politischen Eliten Hitler nicht unterstützt haben, hat er durch seine Rede die Unterstützung von Zuhörern gewonnen. Schließlich war der Marsch erfolglos, weil er von den mobilisierten Polizisten mit Waffen unterdrückt wurde. Die Konsequenzen waren für die Nationalsozialisten schwer, weil die Partei verboten wurde und Hitler, Ludendorff und andere vor das Gericht gestellt wurden. Andererseits haben rhetorische Fähigkeiten von Hitler während der Gerichtsverhandlung wieder beeindruckt, als er nur zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde; Ludendorff wurde sogar befreit (Vermeiren 2004).14

12 Wegen der Farbe der Uniform wird manchmal auch die Bezeichnung „Braunhemden“ benutzt. Im Gegensatz waren in Italien faschistische „Schwarzhemden“, die mit Benito Mussolini am Marsch auf Rom im Jahre 1922 teilgenommen haben, was auch eine Machtübernahme war (Wildt 2012: 10-11). 13 Erich Ludendorff war ein bedeutender General des Ersten Weltkrieges, der später auch in der rechtsradikalen Politik der Nationalsozialisten aktiv war. Darüber hinaus hat er sich im Jahre 1925 erfolglos um das Präsidentenamt beworben. Später wurde er von Hitler aus der Leitung abgestellt; er ist im Jahre 1937 gestorben [Erich Ludendorff (1865 - 1937). http://www.bbc.co.uk/history/historic_figures/ludendorff_erich.shtml (10. 9. 2018)]. 14 Schließlich hat Hitler im Gefängnis nur neun Monate verbracht und in dieser Zeit hat er seine politische Strategie ausgearbeitet. Er hat dort auch den ersten Teil seines Buches „Mein Kampf“ geschrieben (Wildt 2012: 12-13).

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Nach der Freilassung hat Hitler seine politische Strategie geändert, weil er begriffen hat, dass die Machtübernahme in Deutschland durch demokratische Wahlen erreicht werden muss. Darum haben sich die Nationalsozialisten mehr institutionalisiert und durch typische Symbole vor potenziellen Wählern propagiert.15 Natürlich haben sie dazu ihre paramilitärischen Truppen und Plakaten benutzt, die gegen die Juden und politische Konkurrenten ausgerichtet wurden. Diese Strategie feierte später auch wegen der großen Depression im Jahre 1929 und der verbundenen Arbeitslosigkeit in Deutschland auch ihre Erfolge. Das konnte man besonders auf dem Reichstagwahlergebnis im Jahre 1930 sehen, als die NSDAP zu einflussreichsten Parteien geworden ist. Obwohl Hitler in den Präsidentenwahlen im Jahr 1932 gegen den bisherigen Präsidenten Paul von Hindenburg verloren hat, waren die Nationalsozialisten immer stärker und die Propaganda wurde am meisten auf Hitler als Retter des deutschen Volkes ausgerichtet. Der Grund dafür waren auch die Reichstagswahlen in gleichem Jahr, als die NSDAP mehr als 37 Prozent der Wahlstimmen erreicht hat. In diesem Kontext hatte Hitler große Ambitionen. Zuerst hat Hindenburg abgelehnt, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen, aber wegen der politischen Situation und der Obstruktionspolitik der Nationalsozialisten hat er seine Meinung im Jahre 1933 geändert. In diesem Moment hat grundsätzlich neue Epoche der deutschen Geschichte angefangen und die demokratischen Prinzipien wurden immer mehr geschwächt (Wildt 2012: 22-27).

Im diesem Zusammenhang wurden die Menschenrechte der Juden und politische Freiheiten der Deutschen nicht nur durch die SA oder die schon im Jahr 1925 gegründeten (SS), sondern auch durch den Staatsapparat stark eingeschränkt und verletzt. Ein gutes Argument dafür war auch der Reichstagsbrand im Februar 1933, der von den Nationalsozialisten als kommunistischer Angriff dargestellt wurde. Darum wurde sofort die sog. Reichstagsbrandverordnung von Hindenburg erlassen, die den Schutz des Volkes und Staates garantieren sollte. Folglich wurden strenge Strafen für die Täter der terroristischen Straftaten eingeführt und die Menschenrechte wie persönliche Freiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit oder Unverletzlichkeit der Post- und Fernmeldegeheimnisse usw. wurden beschränkt. Es hat den Nationalsozialisten geholfen, damit sie ihre politischen Konkurrenten durch Verhaftungen „legal“ beseitigen konnten (vgl. Broszat 1960: 275-277). Diese Entwicklung hat eskaliert, als das Ermächtigungsgesetz am 23. März 1933 vom Reichstag verabschiedet und durch den Reichspräsidenten Hindenburg unterzeichnet wurde.

15 Der Hauptredner der NSDAP war außer Adolf Hitler auch Joseph Goebbels, der später zum Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda wurde (Heiber 2018).

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Dank dieser Rechtsvorschrift konnte Hitler mit der Reichsregierung neue Gesetze allein verabschieden, was praktisch zur Machtkumulation und Beseitigung der demokratischen Machtverteilung geführt hat.16 Hitler hat die absolute Macht in Deutschland erreicht, als Hindenburg gestorben ist und das Präsidentenamt mit dem Kanzleramt unter dem Führer vereint wurde [Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs. http://www.documentarchiv.de/ns/stobrhpt.html (17. 9. 2018)].17

Aus diesem Grunde kann man in Deutschland seit dem Jahre 1933 nicht mehr über eine demokratische Staatsordnung sprechen, weil die Macht der Nationalsozialisten unbegrenzt war. Sie hatten keine Barrieren mehr, um ihre rassistische und antisemitische Ideologie praktisch realisieren zu können. In diesem Kontext wurden die ersten Konzentrationslager gegründet, wohin nicht nur die Juden, sondern auch verschiedene Kritiker und politische Opponenten verschleppt wurden.18 Darüber hinaus haben die Nationalsozialisten auch solche Gesetzgebung erlassen, um die Juden aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Nach der nationalsozialistischen Weltanschauung waren die Juden keine Menschen mit einem Anspruch auf deutsche Staatsangehörigkeit und die nur den Deutschen obliegenden Menschenrechte.19 Dieser Ansatz wurde in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg besonders am 9. - 10. November 1938 verstärkt, als die Juden von den Nationalsozialisten ermordet oder in mehrere Konzentrationslager deportiert wurden. Das war ein unbarmherziger Angriff, der heute als „Kristallnacht“ bezeichnet wird (Bauer 2012: 43- 44).

Außerdem wurde die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten nicht nur auf die Juden und politische Opponenten ausgerichtet, denn Hitler musste nach der Machtübernahme

16 [Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat. („Reichstagsbrandverordnung"). https://www.ns-archiv.de/system/gesetze/1933/reichstagsbrand/ (17. 9. 2018)] 17 Seitdem wurden nicht viele neue Gesetze erlassen, weil die Gesetzgebung weiter in den Händen der Reichsregierung war, die ihre Kompetenz durch verschiedene Verordnungen umgesetzt hat. Darüber hinaus gehörten zu neuen Rechtsquellen auch die nationalsozialistische Ideologie und das Parteiprogramm der NSDAP (Tauchen 2009. Prameny práva v nacistickém Německu) 18 Dazu ist zu bemerken, dass etwa 80 Konzentrationslager im Zeitraum 1933-1935 in Deutschland errichtet wurden (z. B. Dachau, Kislau, Hammerstein, Leipzig, Bremen usw.). Zuerst wurden diese von den Nationalsozialisten benutzt, um politische Gegner zu isolieren. Obwohl die Zahl der Inhaftierten im Jahre 1933 am höchsten war, ist später gesunken. Darum wurden mehrere Konzentrationslager geschlossen. Trotzdem wurden sie nach dem Jahr 1935 als ein politisches Terrorinstrument verwendet. Siehe [Die Konzentrationslager 1933–1935. http://www.hdbg.de/dachau/pdfs/03/03_07/03_07_01.pdf (17. 9. 2018)] 19 Es geht besonders um die Nürnberger Gesetze aus dem Jahre 1935, die die Juden in der deutschen Gesellschaft stark diskriminiert haben. Schon im Jahre 1933 wurden die Rechte der Juden durch das Gesetz zur Wiederherstellung des deutschen Berufsbeamtentums beschränkt, als sie im Staatsdienst nicht arbeiten konnten. Aus diesem Grunde stellten die Nürnberger Gesetze nur eine Fortsetzung der rassistischen Repression gegen die Juden dar, die während des Holocausts ihren Höhepunkt erreicht hat. Diese Gesetze werden im nächsten Kapitel genauer analysiert, weil sie die Gesetzgebung nicht nur in Deutschland, sondern auch im Protektorat Böhmen und Mähren und in anderen besetzten Gebieten beeinflusst haben (Hemker 2005: 91-93).

16 grundlegende Säuberungen auch in eigenen Reihen durchführen. In diesem Zusammenhang sollte vor allem auf die unfreiwillige Reorganisation der Sturmabteilungen hingewiesen werden, weil die Führung dieser Truppe später für Hitler die Konkurrenz war. Darum hat Hitler mit der Hilfe von den Schutzstaffeln diese Gefahr radikal gelöst, als er während der „Nacht der langen Messer“ am 29. – 30. Juni 1934 viele Personen in der Leitung der SA, einschließlich Ernst Röhm oder des ehemaligen Reichskanzlers Kurt von Schleicher usw. ermorden ließ. Dann wurde Hitler zum Führer mit unbeschränkter Macht in Deutschland geworden, weil er seine Unterstützung nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Rahmen der Armee hatte (Wildt 2012: 45).20

1.3 Sudetenland als Vorwand für die Besetzung

Nach der Machtübernahme in Deutschland konnten sich die Nationalsozialisten auf die Expansion in andere Staaten konzentrieren. Zuerst wurde von Hitler und seinen Förderern Österreich als erstes Ziel gewählt. Als Hauptargument dafür wurden die Wiedervereinigung und die Erweiterung des Deutschen Reiches benutzt. Heutzutage wird die Realisierung der Annexion, die am 12. März 1938 unter der militärischen Bedrohung durchgeführt wurde, als Anschluss Österreichs bezeichnet. Aus der rechtlichen Perspektive sollte diese Okkupation durch das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich vom 13. März 1938 legalisiert werden (Buschmann 2015: 38). Dank der Einschüchterung und des pazifistischen Ansatzes, der nach dem Ersten Weltkrieg von europäischen Staaten angewendet wurde, haben die Nationalsozialisten Österreich ohne eine militärische Auseinandersetzung beherrscht. Das war für Hitler eine große Motivation, um die nationalsozialistische Ideologie in anderen europäischen Staaten auszudehnen und das Hoheitsgebiet des Deutschen Reiches zu erweitern.21

Aus diesem Grunde hat er dann seine Aufmerksamkeit auf das Nachbarland die Tschechoslowakei ausgerichtet. Die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen haben lange Geschichte, was in diesem Kontext auch mit der Existenz der Österreichisch- Ungarischen Monarchie zusammenhängt. Viele Jahrhunderte wurde das tschechische Gebiet von der fremden Macht kontrolliert, obwohl die Tendenzen zur Autonomie nicht nur in der

20 Aus diesem Grunde war die Konsequenz die praktische Anwendung des Führerprinzips, als Hitler unbegrenzte Macht in Deutschland hatte und er konnte seine Ideen realisieren, die auf der Betonung des Volksgeistes und des Volkswillens basiert haben (Tauchen 2009. Prameny práva v nacistickém Německu). 21 Der Begriff Pazifismus ist meistens mit der historischen Epoche seit dem Ersten Weltkrieg bis das Jahr 1989 verbunden, als das Ende des Totalitarismus in mehreren europäischen Staaten gekommen ist. Generell geht es um einen politischen Ansatz, der auf die Ablehnung der militärischen Konflikte und auf ihre friedliche Lösung basiert (Evers 2014: 7).

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Österreichisch-Ungarischen Monarchie, sondern auch in anderen europäischen Staaten im Jahre 1848 eskaliert haben. Die Revolution war die Konsequenz der Unzufriedenheit mit dem Absolutismus und der verbundenen politischen und sozialen Probleme in der Gesellschaft. Obwohl dieser Widerstand unterdrückt wurde, hat es später zu den verfassungsrechtlichen Veränderungen geführt. Die kämpferische Atmosphäre hat sich dann dank des Attentates von Sarajevo auf den Thronfolger der Monarchie Franz Ferdinand im Jahre 1914 gestärkt und es hat den Ersten Weltkrieg verursacht. Obwohl der Kaiser die Monarchie später in einen Bundesstaat umwandeln wollte, wo die Nationen autonom sein sollten, war das nicht die Lösung. Der Erste Weltkrieg hat im Jahre 1918 mit der Niederlage der Österreichisch- Ungarischen Monarchie und ihres Verbündeten des Deutschen Kaiserreich und des Osmanischen Reichs geendet hat (Salák, Tauchen 2009: 49).

Die Hauptfrage war, wie das Europa nach dem Zerfall der Monarchien territorial aufgeteilt werden sollte. Die Konsequenz war eine neue europäische Staatsordnung und zu dieser Zeit waren nicht nur die Weimarer Republik oder die Tschechoslowakische Republik, sondern auch eine Reihe von selbständigen Staaten gegründet.22 Ihre Grenzen waren aber nicht klar. Diese Probleme hatte auch die Tschechoslowakei, die mit der Infragestellung ihres Hoheitsgebietes aus mehreren Seiten konfrontiert wurde. Dazu gehören auch die Bemühungen der Deutschen, eigene Provinzen in der Tschechoslowakei zu gründen und diese in das Deutschösterreich anzugliedern. Diese Tendenzen wurden allerdings von der tschechoslowakischen Armee unterdrückt. Definitiv wurden die tschechoslowakischen Grenzen durch die Friedensverträge von 1919 festgelegt (Salák, Tauchen 2009: 50-52).23

In diesem Zusammenhang war die große Depression sehr wichtig, weil ihre Lösung in Deutschland von den Sudetendeutschen wie ein positives Vorbild verstanden wurde.24 Die Arbeitslosigkeit und andere negative Konsequenzen der wirtschaftlichen Krise haben zur Radikalisierung der Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei geführt. Das wurde von den politischen Parteien, die die Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei repräsentiert haben, für die Steigerung der Spannung zwischen Nationalitäten verwendet. Diese Wirklichkeit konnte man besonders auf dem Wahlergebnis von 1935 sehen, als die Kandidaten der Sudetendeutschen Partei (SdP) in den Wahlen in das tschechoslowakische Parlament

22 Andererseits wurde die Gesetzgebung aus der Monarchie durch die Rezeptionsnorm (Nr. 11/1918 Slg.) in der Tschechoslowakei generell weiter angewandt. Natürlich handelte es sich nicht um die Gesetze, die gegen die Souveränität der Tschechoslowakei als Republik waren (Salák, Tauchen 2009: 49). 23 Es geht um die Verträge von Versailles, Saint-Germain, Trianon und Sèvres (Ibidem: 52). 24 Dazu sollte bemerkt werden, dass die Diktatur nach 1933 in Deutschland war und in dieser Staatsordnung ist es einfacher, die Wirtschaft zu beeinflussen.

18 gewonnen haben. Dann ist die Sudetendeutsche Partei zu einer der stärksten politischen Parteien in der Tschechoslowakei geworden und sie wurde von NSDAP aus Deutschland nicht nur ideologisch, sondern auch ökonomisch unterstützt (Beneš et al. 2002: 91-94).25

Die Sudetendeutsche Partei hat auch für die Selbstverwaltung des deutschen Volkes im Sudetenland gekämpft, was gegen die Souveränität der tschechoslowakischen Regierung war. Aus diesem Grund wurden diese Tendenzen von der NSDAP sehr unterstützt, weil der Plan des Deutschen Reiches von Anfang an auch mit der Besetzung des böhmischen Hoheitsgebiets gerechnet hat. Obwohl die tschechoslowakische Regierung diese gefährliche Situation durch ein Kompromiss lösen wollte, als sie mit den sudetendeutschen Parteien einen nationalen Ausgleich im Jahre 1937 abgemacht hat, wurde die Lösung von der Sudetendeutschen Partei nicht akzeptiert. Andererseits hat diese Partei, die praktisch etwas wie ein „trojanisches Pferd“ der nationalsozialistischen Ideologie und der Machtambitionen in der Tschechoslowakei war, ihre Forderungen über die Gleichberechtigung der Deutschen an die tschechoslowakische Regierung gesteigert. Diese Rhetorik wurde von Sudetendeutschen positiv bewertet und unterstützt, weil sie sich als eine im öffentlichen Leben unterdrückte Minderheit gefühlt haben (Salák, Tauchen 2009: 52-55).

Darum wurde der Plan zur Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich schrittweise durch verbundene Kooperation zwischen Hitler und Henlein realisiert. In diesem Kontext war etwas wie ein Impuls dafür die Rede von Hitler am 20. Februar 1938, als er im Reichstag gesagt, das Deutsche Reich sei auf dem nationalsozialistischen Prinzip aufgebaut und das Reich müsse unbedingt den Schutz aller Deutschen garantieren. Obwohl Österreich der erste Staat auf der Liste war, geriet die tschechoslowakische Souveränität in eine unmittelbare Gefahr. Die Sudetendeutsche Partei hat nämlich die Eskalation der Spannung fortsetzt, was man insbesondere auf dem Parteitag im April 1938 in Karlsbad sehen konnte, wo die Sudetendeutsche Partei konkrete Hauptforderungen auf die Rechte der Sudetendeutschen formuliert hat. Im Prinzip ging es sowohl um kulturelle, als auch rechtliche Autonomie der Sudetendeutschen (Beneš et al. 2002: 110).

Diese Forderungen wurden von der tschechoslowakischen Regierung abgelehnt, weil es zum Verlust der Souveränität auf dem ganzen Hoheitsgebiet führen sollte. Da die

25 Die Sudetendeutsche Partei hatte nämlich ein ähnliches Parteiprogramm wie die NSDAP in Deutschland. Darüber hinaus wurden die nationalsozialistischen Ideen schon von Anfang des 20. Jahrhunderts von der Deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP) propagiert, aber sie wurde später verboten. Die Sudetendeutsche Partei war ein Nachfolger der Sudetendeutschen Heimatfront, die schon im Jahre 1933 von Konrad Henlein gegründet wurde (Beneš et al. 2002: 93-95).

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Bemühungen zur Lösung der Probleme zwischen Sudetendeutschen und Tschechen nicht erfolgreich waren, hat die tschechoslowakische Regierung auf diese Situation und Aktivitäten der Sudetendeutsche Partei am 21. Mai 1938 durch die Mobilmachung der Armee reagiert. Das Problem war, dass die tschechoslowakische Regierung und der damalige Präsident Eduard Beneš von Großbritannien und Frankreich schließlich nicht unterstützt wurden, denn diese Verbündeten aus dem Ersten Weltkrieg wollten die Situation mit Hitler um jeden Preis ohne Gefahr eines militärischen Konfliktes lösen. Aus diesem Grund drohte Hitler, das Sudetenland auch mithilfe der militärischen Gewalt in das Deutsche Reich einzuordnen. Darum setzten Großbritannien und Frankreich ein Ultimatum fest, nach welchem die Tschechoslowakei die Abtrennung des Sudetenlandes ermöglichen musste. Die Reaktion auf diese eskalierte Situation stellte dann die bekannte Konferenz in München dar, wo über die Zukunft der Tschechoslowakei und ihrer Bevölkerung letztendlich entschieden wurde (Salák, Tauchen 2009: 55-57).

1.4 Münchner Abkommen oder „über uns, ohne uns“

Das Münchner Abkommen kann man heutzutage als eine der tragischsten Ereignisse in der tschechischen Geschichte beschreiben, weil es das Ende der Tschechoslowakei als eines freien selbständigen Staates war. Im Grunde war es die Konsequenz der aggressiven NS-Politik, die mit dem pazifistischen Ansatz der Weltmächte kombiniert wurde. Aus der historischen Perspektive stand dieses Dokument am Ende der Konferenz, die am 29. September 1938 in München stattgefunden hat. Das Ziel der Konferenz kann man dann unterschiedlich beschreiben, weil es von der Absicht der konkreten teilnehmenden Vertragsparteien abhängig war. In diesem Zusammenhang spreche ich konkret über die Vertreter aus Deutschland (Adolf Hitler), Italien (Benito Mussolini), Frankreich (Edouard Daladier) und Großbritannien (Neville Chamberlain), die über das Schicksal der Tschechoslowakei entschieden haben, obwohl das Abkommen formal nur über das Sudetenland sein sollte (Chalupa et al. 2008: 7).

Während Daladier und Chamberlain sich um den Frieden im Europa zweifellos bemüht haben, wollte Hitler das Münchner Abkommen als Vorwand für die Besetzung der ganzen Tschechoslowakei benutzen, wie es sich auch später gezeigt hat. Da Mussolini während des am 1. September 1939 angefangenen Zweiten Weltkrieges zu den Verbündeten des Deutschen Reiches gehörte, kann man einfach ableiten, dass seine Motivation auch mit den Machtambitionen verbunden war. Andererseits war die Tschechoslowakei bei der

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Konferenz nicht vertreten, obgleich ihre Grenzen und Souveränität angefochten wurden. Wegen dieses Paradoxes ist das Münchner Abkommen manchmal nicht nur als Verrat Frankreichs und Großbritanniens, sondern auch als Diktat bekannt, weil es praktisch „über uns, ohne uns“ entschieden wurde.26 In jedem Fall wurde das Münchner Abkommen von allen Beteiligten am 30. September 1938 unterzeichnet (Chalupa et al. 2008: 7).

Wenn man den Inhalt des Abkommens analysieren will, gab es in diesem Dokument nur acht Paragraphen, die die Okkupation des Sudetenlandes nach festgelegten Bedingungen ermöglicht haben. Darüber hinaus ist es adäquat, auch auf die Präambel des Textes aufmerksam zu machen, weil das Ziel des Abkommens dort beschrieben ist. Das kann man schon von der Formulierung „der Abtrennung des sudetendeutschen Gebiets“ ableiten. Dann gibt es dort auch die Verpflichtung, dass alle Vertragsparteien praktische Realisierung des Abkommens ermöglichen und sicherstellen werden (Klaus et al. 2015: 132). In diesem Kontext kann man mindestens nach der Rechtstheorie fragen, ob diese Erklärung auch die Tschechoslowakei verpflichten konnte, wenn sie nicht eine der Vertragsparteien war und mit dem Inhalt des Abkommens nicht zugestimmt hat. Das ist eine wichtige Frage, die auch mit der Problematik der Rechtskontinuität nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden ist.

Dann gab es im § 1 und § 2 des Abkommens den zeitlichen Aspekt, dass die Räumung des Sudetenlandes von der Tschechoslowakei am 1. Oktober 1938 anfangen und nur zehn Tage dauern sollte. Dazu wurden die Tschechoslowakei und ihre Armee im § 3 des Abkommens verpflichtet, keine lokalen Einrichtungen zu zerstören oder zu beschädigen, was von einem internationalen Ausschuss (mit der Beteiligung der Tschechoslowakei) durch konkrete Bedingungen spezifiziert werden sollte. Im nächsten Paragraphen wurde in diesem Zusammenhang der Plan der schrittweise durchzuführenden Besetzung durch die deutsche festgelegt. Darüber hinaus hatte der internationale Ausschuss auch andere Funktion, weil er nach dem § 5 des Abkommens entscheiden konnte, welche umstrittene Gebiete einer Volksabstimmung unterlegen haben und wie diese Volksabstimmung realisiert sein sollte.27 Weiters wurde der internationale Ausschuss beauftragt, um die Grenzen nach der Abtretung des Gebietes abzugrenzen. Darüber hinaus konnte er den Vertragsparteien auch

26 Das zusammenhängt nicht nur mit dem Rhein- oder West Pakt aus dem Jahre 1925, der westliche Grenzen Deutschlands garantieren sollte, sondern auch mit den Allianzverträgen zwischen Frankreich, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei aus dem Jahre 1935. Diese Allianzverträge sollten auf das Prinzip der gegenseitigen Hilfe basieren und sie waren die Reaktion auf die Hitlers Machtübernahme in Deutschland. Frankreich ist schließlich zu Hilfe nicht gekommen, was die Bedingung für die Hilfe von der Sowjetunion war, obwohl sie außerdem kein Nachbarstaat der Tschechoslowakei war (Chalupa et al. 2008: 8-9). 27 Eine Volksabstimmung wird heutzutage eher als Referendum bezeichnet.

21 kleine Ausnahmen empfehlen (§ 6 des Abkommens). Letzte zwei Bestimmungen haben sich dann mit den Fragen über die Aussiedlung der Bevölkerung aus den abgetretenen Gebieten und umgekehrt beschäftigt. In diesem Kontext stand den betroffenen Leuten eine Option oder ein Entscheidungsrecht zu, das zeitlich begrenzt war. In diesem Fall war der deutsch- tschechoslowakische Ausschuss für die Realisierung der Option zuständig. Darüber hinaus wurde die Tschechoslowakei verpflichtet, die Entlassung der Sudetendeutschen auf ihren Wunsch aus der Armee zu ermöglichen. Die Sudetendeutschen, die wegen politischer Delikte Freiheitsstrafen verbüßten, sollten entlassen werden (Klaus et al. 2015: 132-135).

Das Münchner Abkommen enthielt auch mehrere Zusatzerklärungen, die insbesondere die Zusammensetzung des internationalen Ausschusses und seiner Kompetenzen geregelt haben. Andererseits ist für das Thema dieser Bachelorarbeit auch der Zusatz zum Abkommen wichtig, der festgelegt hat, dass Frankreich und Großbritannien neue Grenzen der Tschechoslowakei garantieren und diese gegen einen unprovozierten Angriff schützen sollten. Diese Garantie wurde dann auch von Deutschland und Italien gegeben, obwohl sie von der Lösung der Frage der deutschen und ungarischen Minderheiten in der Tschechoslowakei abhängig war (Klaus et al. 2015: 132-135). Wie die Geschichte später gezeigt hat, blieben alle Versprechungen des Schutzes nur „auf dem Papier“, praktisch von niemandem eingehalten.

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2 Recht und Gesellschaft im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren

Seit der Konferenz in München ist es nicht mehr möglich, die Tschechoslowakei als einen selbständigen und demokratischen Staat zu beschreiben. Es hatte große Konsequenzen nicht nur für die staatspolitische Ordnung, sondern auch für die Gesellschaft, die nach der rassistischen Ideologie in mehreren Sozialgruppen mit einem unterschiedlichen Rechtsstatus geteilt wurde. Darum kann man die Entwicklung in Deutschland nicht von der Entwicklung in der Tschechoslowakei trennen, weil es sich um gleiche Epoche der Unfreiheit und Verletzung der Menschenrechte handelte. Aus diesem Grunde beinhaltet dieses Kapitel zuerst die Darstellung der Verletzung des Münchner Abkommens, was besonders mit der Besetzung und der „rechtlichen“ Entstehung des Protektorats verbunden ist. Dann konzentriert sich schon die Aufmerksamkeit auf die Gesetzgebung und Analyse der konkreten Rechtsvorschriften, die auch die rassistische Ordnung der Gesellschaft im Protektorat geschaffen haben.

2.1 Reichsprotektorat als Bestandteil des Deutschen Reiches

Nach dem Münchner Abkommen und der Änderung der Grenzen befand sich die Tschechoslowakei (sog. Zweite Tschechoslowakische Republik) in einer schwierigen Situation. In diesem Kontext kann man nicht nur über den Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich sprechen, was mit einer weiteren und gezielten Eskalation der Spannung zwischen Deutschen und Tschechen zusammengehangen hat. Andererseits wurden neue territoriale Forderungen gegen die Tschechoslowakei auch aus der polnischen und ungarischen Seite gestellt und realisiert. Aus der politischen Perspektive stellte die Konsequenz nicht nur die Bildung neuer Regierung und der Abgang ins Exil vom bisherigem Staatspräsidenten Beneš im Oktober 1938 dar, sondern auch die Tendenzen zur Zerschlagung der Einheit der Tschechoslowakei.

Dazu gehören die Verhandlungen der slowakischen Parteien in Sillein, wo die potentielle Autonomie und Gründung der slowakischen Regierung besprochen wurden. Diese Forderungen wurden dann von der Regierung in Prag unmittelbar akzeptiert und die slowakische Landesregierung wurde am 6. Oktober 1938 ernannt. Ähnliche Änderungen wurden auch in der Karpatenukraine durchgeführt, was zur Aufteilung des unitären Staates aufgrund zwei Verfassungsgesetze (Nr. 299/1938 Slg. und Nr. 328/1938 Slg.) im November 1938 geführt hat. Die Tschechoslowakei hat ihre Bezeichnung auf „Tschecho-Slowakische Republik“ geändert. Im gleichen Monat war die Tschechoslowakei gezwungen, einen Teil der Südslowakei an Ungarn abzutreten (Salák, Tauchen 2009: 70-72).

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Die politische Instabilität wurde von Hitler unterstützt, weil er das Gebiet der böhmischen Länder an das Deutsche Reich anschließen wollte. Aus diesem Grunde hat er auch die Ausrufung des selbständigen slowakischen Staates am 14. März 1939 nicht nur positiv bewertet, sondern auch verursacht.28 Am demselben Tag fand in Berlin auch ein Treffen zwischen Hitler und dem derzeitigen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Emil Hácha29 statt, der vom Außenminister František Chvalkovský begleitet wurde. Gleichzeitig hat die deutsche Wehrmacht schon mit der Besetzung in Ostmähren angefangen, obwohl Hácha den Inhalt und das Ergebnis der Verhandlung mit Hitler noch nicht wissen konnte. Die Unsicherheit wurde noch verstärkt, als Hácha in Berlin als Staatspräsident mit allen Ehren begrüßt wurde. Schließlich hat die Verhandlung am Abend nicht nur mit Hitler, sondern auch in Anwesenheit der wichtigsten Vertreter der Nationalsozialisten (Göring, Ribbentrop, Keitel usw.) angefangen. Hitler hat gesagt, die Slowakei sei ein selbständiger Staat und das Gebiet Böhmens und Mährens müsse durch das Deutsche Reich kontrolliert werden, denn die in den böhmischen Ländern lebenden Deutschen seien durch die Tschechen unterdrückt. Aus diesem Grunde sollte die Besetzung schon angeordnet werden und Hitler hat Hácha gedroht, das Ziel werde auch mit Gewalt erreicht. Darum hat Hácha aus dem Hitlers Büro dem Verteidigungsminister Jan Syrový befohlen, dass sich die tschechische Armee nicht wehren darf (Sobota 1946: 18-21).

In diesem Kontext musste Hácha als tschechoslowakischer Staatspräsident auch das Dokument unterzeichnen, in welchem er das Schicksal des tschechischen Volkes in die Hände des Führers Adolf Hitler überlassen hat; somit sollte die problematische Situation auf dem tschechoslowakischen Gebiet gelöst werden. Hitler hat diese Erklärung natürlich akzeptiert und gleichzeitig hat er garantiert, dass Deutsches Reich den Schutz über das tschechische Volk übernimmt. Darüber hinaus hat er sich zur weiteren Garantie einer autonomen Entwicklung des tschechischen Volkes verpflichtet. Die Erklärung wurde danach außer Hitler und Hácha auch von Chvalkovský und Ribbentrop unterzeichnet (Sobota 1946: 21-22).

Seitdem wurden konkrete Umstände dieser Erklärung mehrmals besprochen, aber es ist klar, dass die Entscheidung von Hácha durch die Überraschung und den Druck beeinflusst wurde, weil er über das Schicksal des tschechischen Volkes in einer kurzen Zeit entscheiden

28 In diesem Kontext kann man auch auf das Treffen zwischen Hitler und Jozef Tiso (Premierminister der autonomischen slowakischen Regierung) am 13. März 1939 in Berlin hinweisen, wo Hitler die Unterstützung für die Entstehung der Slowakei ausgedrückt hat. Das war eigentlich der Impuls dazu, damit auch die tschechische Seite ein Treffen mit Hitler initiierte (Sobota 1946: 18). 29 In der Vergangenheit hat Hácha an der juristischen Fakultät studiert und auch das Amt des Präsidenten des Obersten Verwaltungsgerichtshofes ausgeübt (Salák, Tauchen 2009: 78).

24 musste. Heutzutage kann niemand wissen, was passieren konnte, wenn Hácha mit Hitler nicht kooperieren mochte. Der Widerstand der Armee und der Bevölkerung konnte für die Stärkung des Nationalstolzes positiv sein. Andererseits konnte es gleichzeitig nicht nur eine große Niederlage, sondern auch eine Vergeltung von Nationalsozialisten verursachen. Diese potenziellen Konsequenzen hat sicher auch Hácha berücksichtigt, als er sich notiert hat: „Bevor wir zur Unterzeichnung der Erklärung zum Reichskanzler geladen wurden, sagte mir Göring fast wörtlich folgendes: Ich habe ein schweres Amt. Es wird mir ungemein Leid tun, wenn ich diese schöne Stadt vernichten müsste. Aber ich müsste es tun, damit die Engländer und Franzosen wissen, dass meine Luftwaffe hundertprozentige Arbeit leistet. Denn sie alle glauben es noch immer nicht und ich möchte ihnen den Beweis hierfür liefern“ (Schelle, Tauchen 2009: 7).

Auf jeden Fall wurde die Erklärung unterzeichnet und Hitler hat das als Argument verwendet, damit deutsche Truppen das tschechische Gebiet am 14. – 15. März 1939 besetzen konnten. Trotzdem war es praktisch nur weiteres Diktat wie das Münchner Abkommen, was ein Paradox ist, weil Hitler vor dem Münchner Abkommen deklariert hat, die Nationalsozialisten hätten das Interesse nur am Sudetenland. Aus diesem Grunde hat er die formale Ermächtigung von Hácha missbraucht, damit Frankreich und Großbritannien keinen Grund hatten, die Reste des tschechischen Gebiets aktiv zu schützen, wie sie sich dazu im Münchner Abkommen verpflichtet haben. Als Hácha danach zurück nach Prag gefahren ist, wurde sein Weg absichtlich verspätet, damit Hitler auf der Prager Burg früher sein konnte, weil er seine beherrschende Position präsentieren wollte (Janečková 2013: 17).

Weiters hat Hitler am 16. März 1939 den später unter Nr. 75/1939 Slg. veröffentlichten Erlass des Führers und Reichskanzlers über das Protektorat Böhmen und Mähren erlassen, was einen Untergang der Tschecho-Slowakischen Republik darstellte. Schon in der Präambel wurde geschrieben, dass das böhmisch-mährische Gebiet mit dem deutschen Lebensraum historisch verbunden war, obwohl diese Verbindung wegen der Unvernunft und Gewalt später entwurzelt wurde.30 Dann sei das Gebiet ein Teil der künstlich geschaffenen Tschechoslowakei geworden, was zur Instabilität und Bedrohung des Friedens in Mitteleuropa geführt habe, weil die tschechoslowakische Regierung die Koexistenz der unterschiedlichen nationalen Gruppen nicht organisieren konnte. Aus diesem Grund habe das Deutsche Reich auf diese Situation reagieren müssen, damit nicht nur die Eigenart der

30 Im Kontext mit dem Lebensraum des deutschen Volkes wurde von Nationalsozialisten oft die Wortverbindung „Blut und Boden“ verwendet, die das Blut der deutschen Volksgenossen als Kriterium für die Identifikation betonte (Wildt 2014: 2-3).

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Deutschen und Tschechen, sondern auch der Frieden und das Sozialwohl garantiert sein konnten (Schelle, Tauchen 2009: 13).

Der Erlass des Führers hatte zwar nur dreizehn Paragraphen, aber das war genug, damit die Rahmenbedingungen für eine neue undemokratische Staatsordnung festlegen konnten. Andererseits kann man in diesem Kontext nicht über eine Staatsordnung sprechen, weil das Protektorat nach dem § 1 des Erlasses nur ein Bestandteil des Deutschen Reiches war. Aus diesem Grunde sollte das Protektorat durch das Deutsche Reich geschützt werden, obwohl der Führer ad hoc anders entscheiden konnte. Im nächsten Paragraphen wurde dann der Rechtsstatus der Deutschen und Tschechen unterschiedlich festgelegt, wobei die Tschechen die Bewohner des Protektorats mit allen späteren Konsequenzen waren. Die Deutschen haben dagegen zum Deutschen Reich gehört. Obwohl das Protektorat formal autonom war, mussten verbundene Kompetenzen, die von eigenen Behörden und Beamten ausgeübt werden sollten, mit den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen des Deutschen Reiches korrespondieren.31 Die Zuständigkeit der autonomen Verwaltung und des Reichsprotektors war in den Bestimmungen § 4 und § 5 des Erlasses enthalten (Schelle, Tauchen 2009: 14).

Die Hauptvertreter der autonomen Verwaltung hatten das Vertrauen des Führers zu genießen. Der Reichsprotektor war praktisch Vertreter des Führers und der Reichsregierung. Darum sollte er sich um die Einhaltung der politischen Richtlinien des Führers im Protektorat kümmern. Darüber hinaus konnte er auch nicht nur die Mitglieder der Protektoratsregierung bestätigen und eigene Anordnungen treffen, sondern auch eigene Rechtsvorschriften erlassen oder die Vollstreckbarkeit der Gerichturteile verhindern. Die politische und wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Deutschen Reich und dem Protektorat wurde dann in § 6 bis § 10 des Erlasses verankert. Es gab eigentlich keine wirkliche Autonomie des Protektorats, denn das Deutsche Reich konnte durch eigene Regelungen und Behörden alles organisieren (§ 11 des Erlasses). Obwohl die bisherige Gesetzgebung in Böhmen und Mähren, die nicht im Konflikt mit Interessen des Deutschen Reiches stand, ist immer in Kraft geblieben, konnten auch neue nationalsozialistische Regelungen nach dem § 13 des Erlasses erlassen werden (Schelle, Tauchen 2009: 14-15).32

31 § 3 des Erlasses. 32 Aus diesem Grund kann nicht gesagt werden, dass alle Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches automatisch auch im Protektorat gegolten haben. Andererseits wurde die tschechische Rechtsstaatlichkeit durch die nationalsozialistische Ideologie und neue Regelungen stark beeinflusst, weil manche Rechtsvorschriften mindestens für das ganze Gebiet des Deutschen Reiches erlassen wurden, was das Protektorat praktisch war. Die

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Man kann sehen, dass der Führererlass sehr unklar formuliert wurde, was ohne Zweifel die Absicht Hitlers war. In dieser Zeit konnten die Nationalsozialisten öffentlich nicht deklarieren, dass das Protektorat nur ein Teil des Deutschen Reiches ist, weil es natürlich die Verletzung des Münchner Abkommens und Völkerrechts darstellen würde. Obwohl das Protektorat autonom sein sollte, was bedeutet, dass die Verfassung, Rechtsvorschriften und Behörden nach dem Führererlass weiter existiert haben, wurde es durch andere Paragraphen indirekt dementiert. Alle Rechte wurden nämlich von Nationalsozialisten nur unter der Bedingung erlaubt, dass sie mit den Interessen und Bedürfnissen des Deutschen Reiches nicht in Kollision waren. Darum wurden umfassende Befugnisse des Reichsprotektors im Führererlass festgelegt, mit denen er das öffentliche Leben im Protektorat praktisch ohne Grenzen regulieren konnte. Aus diesem Grunde kann schon jetzt festgestellt werden, dass das Protektorat kein Staat sein konnte, weil jeder Staat nach der staatswissenschaftlichen Theorie obligatorisch nicht nur über das eigene Gebiet, die Bevölkerung und die Staatsmacht, sondern auch über die Souveränität verfügen muss (Janečková 2013: 22-25).

2.2 Macht und Gesetzgebung in den Händen des Reichsprotektors

Obwohl das Protektorat „rechtlich“ geschaffen wurde, haben die Nationalsozialisten gewusst, dass seine Verwaltung nur durch konkrete Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches nicht möglich ist, weil es im Gegensatz zu Österreich oder Sudetenland ein autonomes Gebiet offiziell sein sollte. Aus diesem Grund musste zwar eine neue Struktur der Reichsbehörden im Protektorat geschaffen werden, aber sie haben neben den bisherigen tschechischen Behörden parallel existiert. Andererseits gab es zwischen beiden Strukturen keine Gleichheit, was man aus der nationalsozialistischen Ideologie und ihrer Expansion ableiten kann. Die Reichsbehörden hatten eine privilegierte Position, was generell durch zwei Linien der Verwaltung realisiert wurde. Manche Bereiche des öffentlichen Lebens wurden primär von den tschechischen Behörden geregelt und die Reichsbehörden haben nur etwas wie eine Kontrolle durchgeführt. Andererseits haben die Reichsbehörden auch direkte Verwaltung ausgeübt, weil die tschechischen Behörden nicht kompetent oder glaubwürdig waren (Janečková 2013: 54).

Wenn die Struktur der Reichsbehörden definiert werden sollte, wurde sie aus den territorial-administrativen Einheiten geschaffen, die als Oberlandräte bekannt waren. Wie es

Anwendung dieser Rechtsvorschriften war aber nicht ganz klar. Als Beispiel wurden dann im Jahr 1939 mehr als 360 neue Rechtsvorschriften in der Sammlung publiziert, was viele bisherige Rechtsvorschriften ganz aufgehoben hat (Tauchen 2013: 703-704).

27 schon bemerkt wurde, hatten diese Oberlandräte mehrere Aufgaben. Auf der ersten Stelle sollten sie die Interessen und Bedürfnisse des Deutschen Reiches im Protektorat sicherstellen. Darüber hinaus war ihre Tätigkeit auch mit der Kontrolle der tschechischen Behörden verbunden, damit die Ruhe und Ordnung auf dem tschechischen Gebiet garantiert werden konnten. Am Anfang des Protektorats gab es dort zwar mehr als zwanzig Oberlandräte, aber diese Nummer hat später dank einer Reorganisierung radikal gesunken. In diesem Kontext kann man auch über eine Hierarchie und Machtzentralisierung sprechen, als alle Oberlandräte dem Reichsprotektor und seinem Oberlandrat unterstellt wurden.

Außer den Verwaltungsbehörden wurde im Protektorat auch das Justizsystem in zwei Linien eingeteilt. Die Protektoratsgerichte wurden ohne kleine Änderungen aus dem Zeitraum der Ersten und Zweiten Tschechoslowakischen Republik übernommen, obwohl sie nicht ganz unabhängig sein konnten, was für jede demokratische Machtausübung typisch ist. Der Reichsprotektor konnte nämlich nach dem Führererlass Einsprüche gegen rechtskräftige Entscheidungen erheben. In diesem Fall konnte ein Gerichtsurteil nicht vollgezogen werden, obwohl er alle gesetzlichen Eigenschaften hatte. Andererseits haben deutsche Gerichte andere Struktur geschaffen, was mit der Unterscheidung zwischen Deutschen und Tschechen in der Problematik der Staatsbürgerschaft zusammengehangen hat. Die Deutschen waren nämlich die Staatsangehörigen des Deutschen Reiches. Darum wurden für sie im Protektorat vierzehn deutsche Amtsgerichte, zwei Landgerichte und ein Oberlandesgericht mit Sitz in Prag geschaffen. Darüber hinaus waren im Protektorat auch sogenannte Sondergerichte tätig, die eine spezifische Zuständigkeit im Bereich der Aburteilung von den gegen die Besetzungspolitik oder die NSDAP gerichteten Straftaten hatten (Salák, Tauchen 2009: 79- 81).

Auf der obersten Ebene der autonomen Protektoratsbehörden standen der Staatspräsident und die Protektoratsregierung.33 Wie der Führererlass geregelt hat, waren auch diese Institutionen nicht unabhängig, weil der Reichsprotektor die Mitglieder der Protektoratsregierung bestätigen musste und er konnte auch ihre Entscheidungen durch seine Einsprüche beeinflussen, falls es für den Schutz des Deutschen Reiches notwendig war. Während der Existenz des Protektorats hat Emil Hácha das Amt des Staatspräsidenten

33 Dazu soll bemerkt werden, dass der Staatspräsident Hácha die Nationalversammlung am 21. März 1939 aufgelöst hat. Darum wurde die Gesetzgebung im Protektorat praktisch durch die Protektoratsregierung realisiert. Das tschechische Volk war doch überzeugt, dass das Protektorat nur eine kurze Epoche sein wird. Aus diesem Grunde wurde von den Tschechen spöttisch auch der Begriff „Protentokrát“ verwendet (Sobota 1946: 44-45).

28 ausgeübt. Er ist Ende Juni 1945 in einem Prager Gefängniskrankenhaus gestorben. Als Staatspräsident wollte Hácha die Auswirkungen der Okkupation auf das tschechische Volk minimalisieren. Dafür hat er auch schon im Jahr 1939 den Ausschuss der Nationalen Gemeinschaft (Národní souručenství) gebildet,34 was eine politische Gemeinschaft der Tschechen und ein Ersatz des Parlaments im Protektorat sein sollte. Darüber hinaus wollte Hácha auch ein Kontakt mit der Exilregierung in London anknüpfen, aber seine Position und politische Möglichkeiten haben später die Nationalsozialisten immer mehr eingeschränkt (Salák, Tauchen 2009: 75-78).

Die Position der Protektoratsregierung war danach auch nicht autoritär, weil der Reichsprotektor und die ihm unterstellten Behörden ihre Aktivitäten unmittelbar kontrollieren konnten. Zwischen den Jahren 1939 und 1945 gab es vier Protektoratsregierungen und ihre Mitglieder wurden immer vom Reichsprotektor bestätigt. Jede Protektoratsregierung hatte sicher eigenen Standpunkt zur Germanisierung und Beziehung mit den Okkupationsbehörden. Die ersten zwei Protektoratsregierungen haben sich auf die Kooperation mit der Exilregierung in London konzentriert, obwohl manche Minister die Germanisierung und Entnationalisierung unterstützt haben (Salák, Tauchen 2009: 78-79). Generell konnten aber alle Protektoratsregierungen gegen die Okkupationsbehörden und ihre nationalsozialistische Politik und Kontrolle öffentlich nichts machen. Darauf hat auch der Autor Sobota (1946: 67) zutreffend gezeigt, als er in seinem Buch die Behauptung eines Mitgliedes der ersten Protektoratsregierung zitiert hat: Meine Herren, Sie unterliegen drei grundlegenden Irrtümern: Erstens, dass ich ein Minister bin, zweitens, dass ich etwas anordne, und drittens, dass es Gesetze gibt." (Die Übersetzung des Autors).35 Aus diesem Grunde ergibt es sich, dass es eigentlich keine autonomen Behörden im Protektorat bestanden, obwohl ihre Existenz im Führererlass ausdrücklich garantiert wurde. Die gesamte Macht lag nämlich in den Händen des Reichsprotektors, welcher beide Linien der Verwaltung und andere Institutionen in Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst hat.

34 Die Entstehung dieser politischen Gruppierung wurde vom Staatspräsident Hácha unterstützt, weil er etwas wie eine einheitliche Bewegung der Tschechen gründen wollte. Wie er dann auf der ersten Sitzung erklärt hat, bestand das Ziel in der Einheit des tschechischen Volkes auf allen Ebenen, in der Jugendpflege, der Garantie der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Eigenart des Volkes und den guten Beziehungen mit der NSDAP. Die Tendenzen, damit der Ausschuss der Nationalen Gemeinschaft ein politisches Monopol auch nach dem Recht sein konnte, waren aber wegen des Reichsprotektors erfolglos (Sobota 1946: 54-60). 35 Der Ministerpräsident der ersten Protektoratsregierung war Rudolf Beran, obwohl er schon am 14. März 1939 die Demission eingereicht hat (Salák, Tauchen 2009:78).

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2.3 Rassistische Staatspolitik: Deutsche als privilegierte Sozialgruppe

Die Wirklichkeit, dass das Protektorat praktisch nur ein Teil des Deutschen Reiches war, konnte man nicht nur auf der Gesetzgebung, der Struktur der Verwaltungsbehörden oder der Justiz sehen. Andererseits hatte es eine große Wirkung auch auf den rechtlichen und sozialen Status der Bevölkerung, die nach der rassistischen Ideologie in drei verschiedene Kategorien aufgeteilt wurde. Die ideologische Grundlage für diese Einstufung stellte allgemein die nationalsozialistische Politik dar, die auf der Klassifizierung der Rassen basiert hat. Ihre Erweiterung auch in andere Staaten war dann mit der Idee über das große Deutsche Reich eng verbunden und die Tschechoslowakei war als Nachbarstaat Deutschlands keine Ausnahme. Die rechtliche Einstufung der Gesellschaft wurde schon im § 2 des Führererlasses definiert, wie es schon oben bemerkt wurde. Alle Deutschen, die den Wohnsitz im Protektorat hatten, sind zu Staatsangehörigen des Deutschen Reiches geworden, obwohl ihr Status sicher von der nationalsozialistischen Definierung des Deutschen Volkes und des Schutzes der Reinheit des deutschen Blutes abhängig war.

Diese Wirklichkeit wurde schon im § 2 des Reichsbürgergesetzes vom 15. September 1935 (RGBl. I, S. 1146) festgelegt: „Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, daß er gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen.“ [Reichsbürgergesetz. http://www.documentarchiv.de/ns/nbgesetze02.html (13. 10. 2018)]. In diesem Kontext wurden die Staatsangehörigen des Deutschen Reiches der Befugnis der Protektoratsbehörden nicht unterstellt und dank der Germanisierung waren sie eine privilegierte Sozialgruppe, die verschiedene Vergünstigungen und volle politische Rechte im Gegensatz zu anderen Menschen im Protektorat genoss (Beneš et al. 2002: 121).

Das bedeutet, dass die Tschechen etwas wie die Staatsangehörigen der zweiten Kategorie waren, weil die Nationalsozialisten das Protektorat direkt oder indirekt geführt haben, damit alles zum Vorteil des deutschen Volkes war. Wegen der Machtkumulation in den Händen des Reichsprotektors und seines Apparats war es für die Nationalsozialisten nicht schwer. Darüber hinaus soll darauf hingewiesen werden, dass die bisherige tschechische Gesetzgebung nach dem § 12 des Führererlasses weiter in Kraft bleiben sollte, wenn sie nicht im Konflikt mit Interessen des Deutschen Reiches war. Diese Bedingung wurde sehr abstrakt formuliert, was bedeutet, dass die tschechische Gesetzgebung ersetzt werden konnte, wenn seine Anwendung auch gegen die Expansion der nationalsozialistischen Ideologie und Förderung der Interessen des deutschen Volkes war. Aus diesem Grunde hatte die Entstehung

30 des Protektorats konkrete Konsequenzen nicht nur auf das wirtschaftliche und politische Funktionieren, sondern auch auf das Leben der tschechischen Gesellschaft. Nach der Besetzung hat nämlich die Germanisierung angefangen, als Deutsche als Beamte sowohl in den Reichsbehörden, als auch in den Protektoratsbehörden bevorzugt wurden. Eine ähnliche Situation konnte man auch in den inländischen Fabriken sehen, wo mehrere deutsche Arbeiter eingestellt wurden. Außerdem haben die Nationalsozialisten den in Beschlag genommenen Besitz von Tschechen und Juden zum Vorteil der Deutschen benutzt, was eskaliert hat, als viele Deutsche in das Protektoratsgebiet zum Schutz vor den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges evakuiert wurden (Sobota 1946: 89-97).

Wegen dieser Entwicklung und weiterer Germanisierung haben sich die Nationalsozialisten bemüht, auch deutsche Sprache im öffentlichen Leben zu fördern. Darum wurde geregelt, dass die Kommunikation mit den Behörden und öffentliche Erklärungen nicht nur auf Tschechisch, sondern auch auf Deutsch sein mussten, obwohl Deutsche immer eine Minderheit im Protektorat darstellten. Diese Regelung hat später auch mit der Bezeichnung der öffentlichen Plätze zusammengehangen, obwohl sie bei Tschechen verwendet wurden. Darüber hinaus haben auch deutsche Polizeikräfte und Geheime Staatspolizei () eine wichtige Rolle im Protektorat gespielt, was mit der Kontrolle der Gesellschaft und mit der Verhütung des inneren Widerstandes verbunden war.36 Außerdem haben die Nationalsozialisten das Protektorat auch wirtschaftlich beeinflusst und ausgenutzt, was besonders mit der Arisierung der jüdischen Unternehmen und der Beherrschung der Rüstungsindustrie, Schwerindustrie und des Bankensektors zusammengehangen hat. Diese Bereiche waren für die Nationalsozialisten sehr wertvoll, damit sie den Zweiten Weltkrieg effektiv führen und finanzieren konnten (Beneš et al. 2002: 124-137).

Die letzte Kategorie der Protektoratsbevölkerung waren die Juden, Sinti und Roma, die nach den rassistischen Rechtsvorschriften nicht nur im Protektorat, sondern auch in anderen Teilen des Deutschen Reiches die schlimmste Position in der Gesellschaft hatten. Die Rechtsgrundlage für diese Diskriminierung und später auch für den Völkermord waren sogenannte Nürnberger Rassengesetze, die schon im Jahr 1935 in Deutschland erlassen wurden. Es war nur die Fortsetzung der Anwendung der nationalsozialistischen Ideologie, die besonders seit der Machtübernahme im Jahr 1933 angefangen hat. Dank der rassistischen Gesetze konnten Juden nicht mehr als Beamte arbeiten und ihre Position in der deutschen

36 Große Auswirkungen hat die Besetzung durch die Nationalsozialisten auch auf die Ausbildung und Meinungsfreiheit (Zensur). Die tschechischen Hochschulen wurden mehrere Jahre geschlossen und manche Studenten wurden gleichzeitig in die Konzentrationslager deportiert (Beneš et al. 2002: 122).

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Gesellschaft wurde immer eingeschränkt. Wenn man dann über die Nürnberger Rassengesetze spricht, geht es meistens um zwei Gesetze vom 15. September 1935: Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (RGBl. I, S. 1146; weiter auch „Blutschutzgesetz“) und Reichsbürgergesetz, das schon oben erwähnt wurde (Salák, Tauchen 2009: 82).

In diesem Kontext war das Reichsbürgergesetz wichtig, weil es die Reichsbürger nach den rassistischen Kriterien definiert hat. Wenn man in dieser Kategorie nicht angehört hat, hat man den niedrigen Rechts- und Sozialstatus gehabt. Diese Regelung war mit dem Blutschutzgesetz verbunden, das nur sieben Paragraphen hatte und die Beziehungen zwischen den Juden und den Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes geregelt hat. Konkret wurden die Ehen zwischen Juden und deutschen Staatsangehörigen verboten. Darüber hinaus wurde in diesem Fall auch ein anderer (außerehelicher) Verkehr verboten. Die Juden konnten auch nicht weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren im Haushalt beschäftigen. Aus der Nationalperspektive konnten sich Juden nur durch jüdische Farben öffentlich identifizieren. Alle Verletzungen dieser Regelungen wurden streng bestraft [Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935. http://www.documentarchiv.de/ns/nbgesetze01.html (14. 10. 2018)].

Das Prinzip der Nürnberger Rassengesetze wurde dann im Protektorat besonders durch die Verordnung der Protektoratsregierung vom 4. Juli 1939 Nr. 136/1940 Slg. über die Rechtsstellung der Juden im öffentlichen Leben übernommen. Meiner Meinung nach ist es nicht notwendig, alle Paragraphen zu analysieren, weil es generell um die Diskriminierung der Juden in den ausgewählten Berufen ging. Andererseits hat eine wichtige Rolle § 1 dieser Verordnung gespielt, denn er hat den Begriff „eines Juden“ definiert. In diesem Kontext soll ich bemerken, dass die Religionszugehörigkeit nicht als einziges Kriterium verwendet wurde, weil genetische Voraussetzungen auch berücksichtigt wurden. Aus diesem Grunde konnte man als Jude angesehen wurde, obwohl man keine Beziehungen zum Judentum oder zur jüdischen religiösen Gesellschaft hatte. Andererseits war es genug, wenn die Vorfahren diese Religionszugehörigkeit hatten. Darum konnte die Konversion zu einem anderen Glauben diesen Status nicht ändern [Vládní nařízení ze dne 4. července 1939 o právním postavení židů ve věřejném životě. http://ftp.aspi.cz/opispdf/1940/044-1940.pdf (14. 10. 2018)].37

37 Die Abgrenzung der Merkmale, die man haben musste, damit man als Jude nach der nationalsozialistischen Gesetzgebung verstanden werden sollte, wurden sie im Deutschland schon im Jahr 1935 abgegrenzt. In diesem Kontext wurden Juden nämlich seitdem Jahr 1933 diskriminiert (z. B. Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums), obwohl es nicht klar war, wer Jude eigentlich ist (Hemker 2005: 91).

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Diese Verordnung war sicher nur die Grundlage für weitere Diskriminierung der Juden im Protektorat, weil mehrere Regelungen noch später erlassen wurden. Konkret hatten die Juden nicht gleiche Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen und Freizügigkeit wie andere Menschen im Protektorat. In diesem Kontext mussten sie registriert und durch typischen Judenstern äußerlich stigmatisiert werden. Diese Diskriminierung in der Gesellschaft hat sich noch verstärkt, als die Juden auch im Protektorat insbesondere in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert wurden (Salák, Tauchen 2009: 83). Im Grunde war es die schlimmste Realisierung der nationalsozialistischen Ideologie, die auf der Rassenhierarchie basiert hat. Obwohl die Nationalsozialisten seit Anfang an deklariert haben, dass die Juden eigentlich keine Menschen seien, konnte man sich meiner Meinung nach nicht vorstellen, dass diese politische Proklamation später durch den Holocaust oder den Völkermord von Millionen Personen in den Vernichtungslagern praktisch durchgeführt wird.38

38 Andererseits mochten die Nationalsozialisten in der Zukunft auch die Slawen beseitigen oder aussiedeln (in die Sowjetunion), damit das Lebensraum für das deutsche Volk gesichert werden kann. Es ging um den „Generalplan Ost“, der die Auswirkungen theoretisch nicht nur auf Polen, Ukrainer oder Weißrussen, sondern auch auf andere Slawen im Ostmitteleuropa haben sollte (Wildt 2012. Nationalsozialismus: Krieg und Holocaust: 29).

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3 Zerfall der NS-Staatsordnung auf dem tschechoslowakischen Gebiet

Obwohl nur eine Person die Funktion des Staatspräsidenten die ganze Dauer des Protektorats ausgeübt hat, haben sich mehrere Personen im Amt des Reichsprotektors gewechselt. Die tschechische Geschichte in diesem Zeitraum wurde von Reinhard Heydrich besonders beeinflusst, weil seine Führung des Protektorats das Leben der Tschechen am meisten betroffen hat. In diesem Kontext werden in den nächsten Unterkapiteln zwei Phasen beschreiben: vor und nach dem Attentat auf Heydrich. Zuerst finde ich notwendig, die Methoden des stellvertretenden Reichsprotektors Heydrich vorzustellen, weil die Unterdrückung des tschechischen Widerstandes zu seinen Prioritäten im Protektorat gehörte. Heydrich hat seine Aufgabe effektiv ausgeübt, was nicht nur mit den Repressionen gegen das tschechische Volk, sondern auch mit der Verfolgung der Vertreter des Widerstandes verbunden war. Aus diesem Grund hat die Exilregierung in London die sog. „Operation Anthropoid“ organisiert, die mit der Hilfe der Fallschirmjäger erfolgreich realisiert wurde. Andererseits muss man den Erfolg des Attentates gleichzeitig diskutieren, denn der Tod des stellvertretenden Reichsprotektors Heydrich hat eine brutale Vergeltung der Nationalsozialisten verursacht. Jedenfalls handelte es sich um ein Signal, dass sich das tschechische Volk nicht ganz unter der Kontrolle der Nationalsozialisten befindet. Es hat im Zusammenhang mit der schrittweisen Niederlage der deutschen Armee und des fortgesetzten Widerstandes zur Untergang des Deutschen Reiches und des Protektorats geführt.

3.1 Amt des Reichsprotektors in der Zeit des SS-Obergruppenführers Reinhard Heydrich

Jeder Reichsprotektor hat im Protektorat eine privilegierte Position gehabt, weil er dank der nationalsozialistischen Gesetzgebung die unbegrenzte Macht ausübte. Andererseits soll man in diesem Kontext reflektieren, dass die Führung jeder Institution sowohl von den normativen Möglichkeiten, als auch von den individuellen Merkmalen der Entscheidungspersonen abhängig ist. Nach der Besetzung wurde Konstantin von Neurath zum ersten Reichsprotektor ernannt. In der Vergangenheit war er nicht nur deutscher Politiker und Diplomat, sondern auch Außenminister (zwischen 1932 und 1938). Das Amt des Reichsprotektors hat Neurath seit dem 5. April 1939 ausgeübt. In diesem Kontext wurde es argumentiert, dass Neurath als gemäßigter Politiker auf der internationalen Ebene gesehen wurde und darum hat sich Hitler für ihn entschieden. Am Anfang wollten die Nationalsozialisten keine feindliche Haltung gegenüber der tschechischen Bevölkerung äußerlich zeigen. Hitler hat dazu aufgefordert, dass der rechtlich-administrative Anschluss des

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Protektorats an das Deutsche Reich am schnellsten und ohne Komplikationen erfolgen solle. Darum sollte Neurath alle Kompetenzen des Reichsprotektors gegen die Protektoratsbehörden nutzen (Janečková 2013: 56-58).

Obwohl Neurath gemäßigt sein sollte, hat er auch mit der Durchsetzung der nationalsozialistischen Politik im Protektorat angefangen. Die Nürnberger Gesetze wurden im Protektorat schon am 4. Juli 1939 eingeführt, was zur weitreichenden Verfolgung der Juden und zur Arisierung ihres Besitzes geführt hat. Darüber hinaus musste Neurath auch gegen den Widerstand der tschechischen Bevölkerung einschreiten, weil die Besetzung von der Mehrheit der Gesellschaft scharf abgelehnt wurde. Generell kann man in diesem Kontext über die nationale Manifestation sprechen, die besonders mit der Demonstration von hunderttausenden Teilnehmern am Gründungstag der Tschechoslowakei (der Ersten Republik) am 28.Oktober 1939 angefangen hat. Diese Demonstration wurde von den Nationalsozialisten mit den Waffen energisch unterdrückt und viele Demonstranten wurden verletzt. Der Student der Medizin Jan Opletal ist nach einigen Tagen gestorben, was die feindliche Atmosphäre in der tschechischen Gesellschaft noch verstärkt hat. Die Nationalsozialisten haben auf diese Entwicklung brutal reagiert, als sie die tschechischen Hochschulen und Universitäten geschlossen haben. Mehr als 1200 Studenten wurden in den Studentenwohnheimen verhaftet und in ein Konzentrationslager deportiert (Beneš et al. 2002: 161-165).39

Hitler war mit dieser Situation natürlich nicht zufrieden, weil die Eskalation des Widerstandes für die Stabilität des Deutschen Reiches gefährlich war.40 Aus diesem Grunde fand er Neuraths Methoden mangelhaft, weil seine politischen Kompromisse mit den Protektoratsbehörden den Einfluss der Nationalsozialisten im Protektorat auch wegen der Kooperation zwischen dem Staatspräsidenten Hácha und der Exilregierung geschwächt haben. Darum hat Neurath das Amt des Reichsprotektors praktisch nur bis September 1941 ausgeübt (Salák, Tauchen 2009: 76-78).41 Dann wurde der SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich zum stellvertretenden Reichsprotektor ernannt. Zu seinen primären Aufgaben gehörte, den Widerstand der tschechischen Bevölkerung zu unterdrücken, damit das Protektoratsgebiet für die militärische Expansion des Deutschen Reiches verwendet werden

39 Gleichzeitig wurden neun Vertreter der Studentenorganisationen hingerichtet. 40 Schon im Jahre 1939 haben sich besonders drei Widerstandsgruppen formiert, die als „Petiční výbor Věrní zůstaneme“, „Politické ústředí“ und „Obrana národa“ bezeichnet wurden (Salák, Tauchen 2009: 86). 41 Obwohl Neurath bis August 1943 im Amt des Reichsprotektors geblieben ist, hat er das Amt nach dem Jahre 1941 nicht mehr ausgeübt. Offiziell wurde Neurath auf einen Erholungsurlaub geschickt und dann wurde er von Hitler aus der nationalsozialistischen Politik herausgenommen. Im Jahre 1946 wurde Neurath von dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zu 15 Jahren Haft verurteilt (Čvančara 2012: 92).

35 konnte.42 Dafür mochte Heydrich die Methode „Zuckerbrot und Peitsche“ benutzen. Er war überzeugt, dass die Tschechen eine strenge Führung brauchen, damit sie die Autorität der Nationalsozialisten vorbehaltlos respektieren (Janečková 2013: 159-160).

Damit die Reichsbehörden mit dem Widerstand effektiv kämpfen konnten, hat Heydrich das Standrecht verhängt, das durch spezielle Gerichte mit der Teilnahme der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in einem vereinfachten Verfahren realisiert wurde. In diesem Kontext konnte man natürlich über kein Recht auf ein faires Verfahren sprechen, weil die Angeklagten im Grunde keine Verfahrensrechte hatten und sie konnten die Todesstrafe ohne Durchführung eines gehörigen Beweisverfahrens bekommen. Die Aufmerksamkeit wurde besonders auf die führenden Personen des Widerstandes gerichtet, was ein prospektives Ziel hatte. Obwohl die Nationalsozialisten ihre Rassenpolitik an der ersten Stelle gegen die Juden angewendet haben, wollten sie auch die tschechische Frage in der Zukunft lösen. Darum haben sie es für notwendig gefunden, ideologische Grundlagen der Selbstständigkeit des tschechischen Volkes in der Gesellschaft zu eliminieren. Heydrich hat diese Tendenzen persönlich mehrmals bestätigt, als er proklamiert hat, die Tschechen seien natürliche Feinde des deutschen Volkes und aus diesem Grunde müssen sie nach dem Kriege aus dem deutschen Lebensraum umgesiedelt werden (Janečková 2013: 161).43

Außer der Unterdrückung des Widerstandes war die Heydrichs Epoche besonders mit einer Verwaltungsreform verbunden, die zur weiteren Beschränkung der Autonomie der Protektoratsbehörden führen sollte. Das Ziel war, den Einfluss der Reichsbehörden auf die Aktivitäten der autonomen Behörden zu verstärken, obwohl es vor der Besetzung deklariert wurde, dass das Protektorat ein autonomes Gebiet sein wird. Tatsächlich haben sich die Reichsbehörden alle Schlüsselkompetenzen usurpiert. Darum konnten die Protektoratsbehörden nur über unwesentliche Fragen entscheiden und sie wurden von den Nationalsozialisten dank der personellen Verbindung mit den Reichsbehörden kontrolliert (Salák, Tauchen 2009: 76-79). Andererseits haben Heydrich und sein Apparat auch den zweiten Teil der Politik „Zuckerbrot und Peitsche“ verwendet, damit das Protektorat während des zweiten Weltkrieges effektiv funktionieren konnte. Obwohl alle Männer zwischen 16 und

42 Vorher hat Heydrich die preußische Geheime Staatspolizei geführt und war Vertreter von Heinrich Himmler. Weiters hat er später hohe Funktionen auch in den Institutionen wie Sicherheitspolizei, Reichssicherheitshauptamt und Interpol ausgeübt (Čvančara 2012: 92). 43 Die Autorin Janečková hat in diesem Zusammenhang seine authentische Erklärung zitiert: "Die Vorsehung hat uns zu Gegnern gemacht. Mit einem Wort: Die Tschechen sind ein Fremdkörper innerhalb der deutschen Gemeinschaft. Es gibt keinen Platz für beide. Einer muss verschwinden." (Die Übersetzung des Autors. Quelle: Brandes 2000: 281).

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50 Jahren der Arbeitspflicht unterzogen wurden, haben besonders die Arbeiter in der Rüstungsindustrie mehrere Lebensmittel bekommen, was auch mit der gezielten Konfiskation der Produkte auf dem Schwarzmarkt zusammengehangen hat. Darüber hinaus wurde auch die Soziale Unterstützung dank der Kooperation mit den Gewerkschaften deutlich erhöht (Janečková 2013: 160-161).

Trotz der partiellen Verbesserung der Lebensbedingungen, die indirekt besonders die Rüstungsindustrie und andere strategische Produktion beschleunigen sollte, konnte man die Heydrichs Epoche als eine von den blutigsten in der modernen Geschichte des tschechischen Volkes bezeichnen. Das primäre Ziel seiner Politik im Protektorat war nämlich die Realisierung der nationalsozialistischen Rassenideologie und die Elimination aller Formen des Widerstandes, der das Deutsche Reich bedrohen konnte. Während seiner Führung des Protektorats wurden Tausende von Menschen jüdischer Herkunft in die Konzentrationslager deportiert und vermeintliche Staatsfeinde wurden in großen Mengen verfolgt und ermordet. Darum ist es kein Zufall, dass Hitler ihn als „einen Mann mit dem eisernen Herzen“ bezeichnet hat. Auf der anderen Seite hat die Mehrheit der Tschechen seine Person eher mit der Benennung „der Henker von Prag“ verbunden, was seine Kompromisslosigkeit und Brutalität besser ausgedrückt hat (Stoldt 2005: S. 102).

3.2 Operation Anthropoid und ihre Konsequenzen

Da Heydrich den tschechischen Widerstand energisch unterdrückt hat, konnte die Exilregierung das Leben im Protektorat immer weniger beeinflussen, was auf der internationalen Ebene ihre politische Position abgeschwächt hat. Aus diesem Grund hat sich die Exilregierung entschieden, dass sie das Attentat auf Heydrich als eine führende Person im Protektorat organisiert, um das Engagement des Widerstandes zu verstärken. Die Vorbereitung des Attentates hat mit der Hilfe des britischen Geheimdienstes (SOE) unter dem Deckname „Operation Anthropoid“ im Jahre 1941 angefangen. Die Exilregierung wollte das Attentat symbolisch am 28. Oktober 1941 realisieren, weil es der Jahrestag der Entstehung der Tschechoslowakei war. Dazu wurden als Fallschirmjäger und Attentäter Josef Gabčík und Karel Svoboda ausgewählt. Dank der Verletzung, die Svoboda während der Ausbildung

37 erlitten hat, musste Jan Kubiš als Stellvertreter ausgebildet werden, was die Vorbereitung der Operation verlängert hat (Burian et al. 2007: 31-35).44

Schließlich wurde die Fallschirmjägerlandung am 29. Dezember 1941 in der Nähe von Prag realisiert. Man kann nicht sagen, dass es ohne Probleme war, weil beide Fallschirmjäger nach dem Plan in der Nähe von Pilsen abspringen sollten. Gabčík hat sich verletzt und die Luftwaffe hat das feindliche Flugzeug bemerkt. Trotzdem haben Gabčík und Kubiš den Kontakt mit der Widerstandsorganisation JINDRA erfolgreich angeknüpft, die ihnen die Zuflucht in Prag besorgt hat. Darüber hinaus wurden im Kontext mit der Operation Anthropoid auch die Fallschirmjägerabteilungen der anderen Gruppen (SILVER A, SILVER B und OUT DISTANCE) durchgeführt, die besonders den Funkkontakt mit London sicherstellen und weitere Sabotagen realisieren sollten. Obwohl mehrere Varianten des Attentats auf Heydrich geplant wurden, haben die Fallschirmjäger für den Angriff die scharfe Kurve der damaligen Kirchmayer-Straße im Prager Stadtteil Holešovice gewählt. Der Grund basiert auf der Wirklichkeit, dass Heydrichs Wagen immer dort bremsen musste, was eine ideale Situation für den Angriff war (Burian et al. 2007: 48-58).

Als Heydrichs Mercedes 320 C am 27. Mai 1942 um 10:32 Uhr durch diese scharfe Kurve gefahren ist, hat Gabčík nach dem Plan vor seinem Wagen gesprungen. Er sollte Heydrich erschießen, aber seine englische Maschinenpistole Marke „Sten“ hat mehrmals versagt. Darauf hat Kubiš reagiert, der nur ein paar Meter von dem Ort gestanden ist, als er eine Bombe mit dem hochempfindlichen Zünder vorsichtig auf den Wagen geworfen hat. Beide Attentäter sind dann geflüchtet und der Fahrer SS-Oberscharführer Johanes Klein hat Gabčík erfolglos verfolgt. In diesem Punkt stellte sich heraus, dass der Fahrer seit Anfang an falsch vorgegangen ist, weil er sofort wegfahren sollte, um das Leben des Offiziers als Priorität zu schützen. Obwohl die Bombe nur auf dem Hinterteil des Wagens gefallen ist, wurde Heydrich durch die Splitter aus der Karosserie mit den Stücken der Polsterung in den Rücken getroffen. Dann hat ihn der Fahrer einem vorüberfahrenden Wagen in das Krankenhaus Bulovka gebracht, wo Heydrich nach einer schwierigen Operation dank der Verletzungen am 4. Juni 1942 gestorben ist (Berton 1985: 679-682).

Obwohl die Operation Anthropoid erfolgreich war, haben die Nationalsozialisten auf das Attentat drastisch reagiert, was übrigens mehrere Mitglieder des Widerstandes

44 Darüber hinaus wurde die Operation verschoben, weil das Funkkontakt zwischen dem Widerstand und der Exilregierung wegen der Enthüllungen und des Misserfolges der Operation PERCENTAGE beschränkt wurde (Burian et al. 2007: 36-37).

38 vorausgesehen haben. In diesem Kontext haben sie eine Nachricht vor dem Attentat nach London geschickt, damit die Operation in dieser Gestalt aufgehoben wird, weil es grausame Folgen für das tschechische Volk haben konnte. Trotz dieser Warnung wurde das Ziel des Attentats nicht geändert und Heydrich wurde getötet (Burian et al. 2007: 58). Schon am 27. Mai 1942 hat dann der SS-Obergruppenführer Karl Hermann Frank den Ausnahmezustand im Protektorat ausgerufen und die Nationalsozialisten haben eine hohe Belohnung für Informationen über die Attentäter durch Plakate in den Straßen angeboten. Darüber hinaus hat der Terror eskaliert, als mehr als 1000 Menschen ohne ein faires Gerichtsverfahren nach dem Attentat verhaftet und getötet wurden; ihre Namen wurden gleichzeitig als Warnung veröffentlicht. Heutzutage ist aber die Vergeltung der Nationalsozialisten besonders mit dem Schicksal der Ortschaft Liditz in der Nähe von Kladen verbunden. Wegen der Indizien, dass dortige Bewohner die Attentäter unterstützt haben, hat Frank am 9. Juni 1942 befohlen: „Die Ortschaft ist niederzubrennen und dem Erdboden gleichzumachen.“ (Stoldt 2005: S. 103).45

Vor dem Angriff haben in Liditz insgesamt 483 Menschen gewohnt und es gab dort 96 Wohnhäuser. Diese Zahlen haben sich nach dem Abend ganz geändert. Zuerst haben die nationalsozialistischen Truppen alle Männer zwischen 15 und 84 Jahren in einer Scheune versammelt. Andererseits wurden Frauen und Kinder in die örtliche Grundschule konzentriert. Dann haben die Truppen einzelne Häuser mithilfe der Brennstoffe angezündet, damit Liditz aus der Landkarte ausradiert werden konnte. Am 10. Juni 1942 sind die Sprengkommandos gekommen, welche die zweite Phase der Vergeltung durchführen sollten. Alle männlichen Dorfbewohner wurden vor der Scheune (in den Gruppen von fünf und zehn Menschen) erschossen, aber manche von ihnen haben sich lieber selbst getötet. Die Frauen wurden dann am 13. Juni 1942 aus Kladen in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert und ihre Kinder sollten der Umerziehung unterwerfen. Die Mehrheit von ihnen wurde allerdings durch Abgase in speziellen Wagen im Vernichtungslager Kulm getötet (Burian et al. 2007: 70-75).46

Wegen der Verfolgung und Tötung aller potenziellen Schuldigen, die sich am Attentat auf Heydrich beteiligt haben, haben sich die Fallschirmjäger mit der Hilfe der Vertreter der orthodoxen Kirche in der Kirche St. Cyrill und Method in Prag versteckt. Konkret ging es

45 Die Nationalsozialisten haben diese Ortschaft als Angriffsziel gewählt, weil sie Informationen bekommen haben, dass Josef Horák und Josef Stříbrný, die als Piloten in der britischen Luftwaffe gedient haben, aus Liditz gekommen sind. Obwohl sie auf der Vorbereitung des Attentates nicht partizipiert haben, wurde Liditz zum Untergang verurteilt (Burian et al. 2007: 71). 46 Ähnlich wurde die Ortschaft Lezaky am 24. Juni 1942 wegen der Kooperation mit dem Widerstand niedergebrannt. Die Dorfbewohner hatten gleiches Schicksal wie Männer, Frauen und Kinder aus Liditz (Salák, Tauchen 2009: 86).

39 nicht nur um Gabčík und Kubiš, sondern auch um Josef Valčík, Jan Hrubý, Adolf Opálka, Jaroslav Švarc und Josef Bublík. Trotzdem wurden die Fallschirmjäger später entdeckt, weil die Verfolgung, die Tötung, das Versprechen der hohen Belohnung und der Straffreiheit für Informanten funktioniert haben. Karel Čurda, der ein Mitglied der Gruppe OUT DISTANCE war, hat andere Fallschirmjäger verraten, denn er hatte Angst vor der Enthüllung, was zur Vergeltung gegen seine Familie führen konnte. Darum hat er sich am 16. Juni 1942 bei der Gestapo-Dienststelle in Prag persönlich gemeldet. Dank seiner Aussage haben die Nationalsozialisten umfassende Razzien in den Wohnungen der Familien durchgeführt, die den Fallschirmjägern geholfen haben.47 Sie haben brutale Untersuchungstechniken benutzt, um das Versteck der Fallschirmjäger zu finden (Burian et al. 2007: 76).

Aus diesem Grunde haben sie notwendige Informationen bekommen und die Kirche St. Cyrill und Method wurde von den Kampftruppen am 18. Juni 1942 eingekreist. Obwohl die Fallschirmjäger gegen die Übermacht viele Stunden tapfer gekämpft haben, war ihre Verteidigung unhaltbar. Auf jedem Fall haben die Nationalsozialisten keinen lebenden Fallschirmjäger gefangen. Manche von ihnen haben Selbstmord begangen und andere wurden von NS-Truppen erschossen. Der letzte Widerstand haben Gabčík, Hrubý, Švarc und Valčík in der Krypta geführt, wo sie trotz der nationalsozialistischen Angriffe mithilfe des Wassers und des Gases bis Ende gekämpft haben. Obwohl die Operation Anthropoid viele tschechische Opfer hatte, wurde das Ziel erreicht, denn Frankreich und Großbritannien haben das Münchner Abkommen bald für ungültig ex tunc erklärt (Burian et al. 2007: 76-80, 94).48

3.3 Niederlage des Deutschen Reiches und Ende des Reichsprotektorats

Nach dem Attentat auf Heydrich wurde zum Reichsprotektor der SS- Oberstgruppenführer Kurt Daluege ernannt, aber er konnte das Amt wegen seiner gesundheitlichen Probleme nur bis August 1943 ausüben. Obwohl der ehemalige Reichsinnenminister Wilhelm Frick dann als neuer und letzter Reichsprotektor ausgewählt wurde, hatte Karl Hermann Frank im Protektorat eine wichtigere Position, als er zum Deutschen Staatsminister für Böhmen und Mähren am 20. August 1943 ernannt worden ist. Aus diesem Grunde hatte Frank die politische Position und Unabhängigkeit wie die anderen Reichsministern. Hitler hat gewusst, dass Frank ein Kenner eines tschechischen Raumes ist und darum sollte er fähig sein, die Probleme im Protektorat zu lösen. Praktisch wollte Frank

47 Karel Čurda wurde als Verräter verhaftet und am 29. April 1947 hingerichtet (Burian et al. 2007: 54). 48 Wegen der Kooperation mit dem Widerstand wurde sogar General und ehemaliger Vorsitzender der Protektoratsregierung Alois Eliáš im Juni 1942 hingerichtet (Ibidem: 25).

40 als Staatsminister für Böhmen und Mähren seine besatzungspolitische Konzeption aus dem Jahre 1940 realisieren, die mit der Germanisierung und der Nutzung des Produktionspotenzials der böhmischen Länder verbunden war. Dafür musste Frank auf der ersten Stelle sicherstellen, dass der Widerstand der Tschechen nicht eskaliert wird. Er wollte die sogenannte Konzeption „Sicherheit – Ordnung – Produktion!“ besonders mit der Hilfe der Exekutive im Protektorat (Ordnungspolizei, Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst) durch die Entpolitisierung und Repressionen umsetzen (Suppan 2014: 833-837).

Andererseits musste Frank die gesellschaftliche und internationale Situation reflektieren. Darum wurden die Repressionen nicht nur gegen konkrete Vertreter des Widerstandes durchgeführt, sondern auch Frank und sein Apparat wurden später ermächtigt, die Gewalt präventiv zu nutzen, damit alle potenziellen Risiken der Verstärkung des Widerstandes beseitigt werden konnten. Damit Frank die öffentliche Meinung generell beruhigen konnte, wurden die Lebensbedingungen durch Lebensmittel und eine soziale Unterstützung verbessert. Weiters wurden auch die tschechische Sprache und Kultur unterstützt und manche politischen Gefangenen, wie zum Beispiel ehemaliger Ministerpräsident Rudolf Beran, wurden aus der Haft entlassen (Suppan 2014: 839-843).49

Nach dem Jahre 1943 mussten sich die Nationalsozialisten auf eine neue Situation anpassen, weil sie militärische Niederlagen auf mehreren Fronten erlitten haben und im Jahre 1944 war es klar, dass das Deutsche Reich schrittweise geschlagen werden wird. Darum haben die Nationalsozialisten ganze Reserven mobilisiert und Menschen aus dem Protektorat wurden mehr noch als vorher zur Zwangsarbeit eingesetzt. Generell wurde das Leben im Protektorat stark beeinflusst, weil die Produktion und andere öffentliche Sachen auf die Kriegführung ausgerichtet wurden. Niedrige Kosten und die Zweckmäßigkeit waren Hauptkriterien aller Aktivitäten, die das Deutsche Reich organisiert und unterstützt hat. Diese eigentliche Wendung der Kriegsentwicklung hat auch der tschechische Widerstand reflektiert, der dank der Heydrichiade stark getroffen wurde. Darüber hinaus befand sich das Protektorat „im Bauch des Deutschen Reiches“, was bedeutete, dass Möglichkeiten eines Widerstandes wegen der Isolation sehr begrenzt waren. Trotzdem sind organisierte Partisanenbewegungen im Jahr 1943 entstanden. In diesem Kontext kann man nicht über eine große Partisanenbewegung sprechen. Einerseits gab es Fallschirmjäger-Gruppen aus der Sowjetunion, die besonders den Befreiungskampf der Kommunisten unterstützen sollten.

49 In diesem Kontext kann man auf die Öffnung des Schauspielhauses in Prag und auf die Wiedereröffnung des Nationaltheaters in den Jahren 1944 und 1945 zeigen (Suppan 2014: 843).

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Außerdem haben im Protektorat auch die Fallschirmjäger aus Großbritannien operiert, die eigene Partisanengruppen geschaffen haben.50 Generell haben die Partisanenbewegungen mit der Destabilisierung des NS-Okkupationsregimes geholfen, was auch mit der Kooperation mit mehreren Angehörigen der Ordnungspolizei und Militäreinheiten verbunden war. Diese Partisanengruppen haben Streiks und Sabotageaktionen trotz der Verfolgung von Gestapo organisiert, was auch mit der Störung des Verkehrssystems zusammengehangen hat. Darum haben sie mit anderen autonomen Milizen die Befreiung des tschechischen Volkes von der nationalsozialistischen Diktatur im Jahr 1945 vereinfacht (Ueberschär 2010: 159-162).51

Obwohl die nationalsozialistische Armee schon seit 1942-1943 zurückgezogen hat, kann man über den Anfang des definitiven Sieges der Alliierten (USA, Großbritannien und Sowjetunion) über das Deutsche Reich seit März 1945 sprechen. Da das Protektorat für die nationalsozialistische Armee eine strategische Bedeutung hatte, liefen dort Kämpfe bis zum Ende des Krieges. Obwohl das Protektorat in der Mitte des Deutschen Reiches war, haben die Truppen der Alliierten dortige Rüstungsfabriken und die Produktion des Benzins seit 1944 bombardiert, damit sie militärische Operationen der nationalsozialistischen Truppen erschwert werden konnten. Auf der Befreiung der Tschechoslowakei haben amerikanische und sowjetische Truppen durch einen Einsatzplan kooperiert. Als Demarkationslinie wurden die Städte Chemnitz – Karlsbad – Pilsen – Böhmisch Budweis – Linz abgemacht. Aus diesem Grund hat die amerikanische Armee mit dem General Patton nur den westlichen Teil der Tschechoslowakei befreit. Die sowjetische Armee sollte danach nationalsozialistische Truppen auf dem verbleibenden Gebiet (einschließlich Prag und Brünn) schlagen, damit sie auch den Vormarsch auf Berlin ermöglicht hat (Němeček et al. 2017: 11-23).52

Die ersten Aufstände des tschechischen Volkes haben am 1. und 2. Mai 1945 in den Städten Prerau, Podiebrad, Nimburg, Pribram usw. angefangen. Trotzdem war Prag das wichtigste militärische und politische Ziel. Darum wurde der Tschechische Nationalrat (ČNR) schon im April 1945 gegründet. Es war die Einheit der tschechischen

50 Zwischen April und Juli wurden im Protektorat neun organisierte Gruppen aus Großbritannien eingesetzt. Sie sollten kleine Widerstandsgruppen gründen (vgl. die Operationen: Barium, Sulphur, Clay, Carbon, Spelter, Glucinium, Calcium, Chalk und Potash). Diese Widerstandsgruppen haben dann den Aufstand des tschechischen Volkes unterstützt (Němeček et al. 2017: 19). 51 Andererseits wurden viele Mitglieder der Partisanenbewegungen verhaftet. Konkret kann man auf die Festung in Theresienstadt zeigen, wo etwa 32 000 Personen zwischen 1940 und 1945 inhaftiert wurden. Es gab verschiedene Gründe dafür, aber fast die Hälfte der Gefangenen sollte mit dem tschechischen Widerstand kooperieren (Ueberschär 2010: 162). 52 Auf der Befreiung hat auch 1. tschechoslowakische Armeekorps beteiligt, was ein Teil der sowjetischen Armee war. Darüber hinaus haben tschechoslowakische Soldaten mit den Befreiungstruppen in Europa, Asien und Afrika auch früher gekämpft (Němeček et al. 2017: 6, 27).

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Hauptwiderstandsbewegungen, die den Prager Aufstand mit der Hilfe der illegalen militärischen Truppen führen sollte. Es begann um 12:33 Uhr am 5. Mai 1945, als der Tschechoslowakische Rundfunk angegriffen wurde und das Personal hat das tschechische Volk um Hilfe öffentlich gebeten. Obwohl der Tschechische Nationalrat mit den Nationalsozialisten eine lange Zeit verhandelt hat, wurde kein Kompromiss gefunden. Aus diesem Grund haben Rebellen die Verteidigung Prags vorbereitet, weil neue nationalsozialistischen Truppen die Stadt aus verschiedenen Richtungen besetzen wollten, damit sie nach Westen nachgeben konnten (Němeček et al. 2017: 21-29).

Dank dieser Situation wurden Tausende von Barrikaden in Prag gebaut und die Menschen haben nationalsozialistische Symbole, Inschriften und Flaggen in den Straßen abgeschafft. Der Widerstand wurde von der russischen Befreiungsarmee unterstützt, aber die amerikanische Armee ist nicht gekommen, denn sie konnte nicht die vereinbarte Demarkationslinie überschreiten. Während des Aufstandes sind die Tausenden von Tschechen gestorben, aber ihr Opfer war nicht unnötig, denn die Nationalsozialisten haben am 8. Mai 1945 kapituliert. Einen Tag später sind sowjetische Truppen mit Marschall Koněv nach Prag gekommen, um den letzten feindlichen Widerstand zu unterdrücken. Das Deutsche Reich wurde definitiv geschlagen und die blutigste Epoche der modernen Geschichte war nach sechs Jahren beendet (Němeček et al. 2017: 29-35).

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4 Rechtlich-politische Konsequenzen des NS-Unrechts

Obwohl das Deutsche Reich nach dem Jahre 1945 nicht mehr existiert hat, muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass jede Gesetzgebung auch prospektive Auswirkungen hat. Da die Nationalsozialisten viele Jahre das Hoheitsgebiet anderer Staaten beherrscht haben, wurden bisherige demokratische Rechtssysteme durch eine rassistische und totalitäre Ideologie vorübergehend ersetzt. In diesem Kontext spielte die Frage der Rechtskontinuität in der Tschechoslowakei auch eine wichtige Rolle, weil das Funktionieren jedes Staates von der Anerkennung der internationalen Gemeinschaft abhängig ist. Aus diesem Grunde werde ich mich zuerst auf die parallele Existenz der Exilregierung in London konzentrieren, welche die Rechtskontinuität der Tschechoslowakei durch Verhandlungen auf der internationalen Ebene und die sog. Beneš-Dekrete sichergestellt hat. Darüber hinaus hat die nationalsozialistische Gesetzgebung auch die bisherige Rechtslehre betroffen, weil die undemokratischen Grundlagen des NS-Regimes gezeigt haben, dass jedes Gesetz nicht nur den formellen, sondern auch materialen Erfordernissen entsprechen muss. Praktisch werde ich in diesem Kontext über die Renaissance des Naturrechts sprechen, welche die unerträgliche Ungerechtigkeit als Hauptkriterium für die Nichtigkeit einer Rechtsnorm festgelegt hat. Schließlich kann nicht vergessen werden, dass der Zweite Weltkrieg zwar ein der blutigsten Kapitel der Menschheitsgeschichte ist, aber diese Tatsache hat paradoxerweise zum universellen Menschenrechtsschutz geführt.

4.1 (Nicht)Existenz des Reichsprotektorats aus der rechtlichen Perspektive

Dank der nationalsozialistischen Dominanz in Europa zwischen 1939 und 1945 hatte die Tschechoslowakei die staatspolitische Ordnung, die nach dem Völkerrecht unterschiedlich interpretieren werden kann.53 Der Begriff „Protektorat“ ist nämlich nicht nur mit dem Protektorat Böhmen und Mähren verbunden, weil diese staatspolitische Ordnung in der Vergangenheit zum Beispiel in Andorra gab. Generell konnte ein Protektorat durch den Vertrag zwischen zwei souveränen Staaten entstehen. Folglich überträgt der Staat manche Kompetenzen auf einen anderen Staat, damit seine Stabilität und der Schutz auf der internationalen Ebene garantiert werden könnte. In diesem Kontext ist es am wichtigsten, dass

53 In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass das Protektorat ohne Sudetenland geschaffen wurde, weil es seit Oktober 1938 schon einen Bestandteil des Deutschen Reiches darstellte. Darüber hinaus ist auch der selbständige Slowakische Staat entstanden, obwohl seine Selbständigkeit wegen des Einflusses des Deutschen Reiches nur formell war.

44 durch diesen Vertrag der Staat die völkerrechtliche Subjektivität nicht verliert, obwohl seine Souveränität teilweise und freiwillig geschwächt wird (Janečková 2013: 27).

Die Legitimität des Protektorats Böhmen und Mähren wurde aus der politisch- rechtlichen Perspektive von dem durch damaligen Staatspräsidenten Hácha am 15. März 1939 in Berlin unterschriebenen Dokument abgeleitet. Seine Verbindlichkeit ist aber fragwürdig, weil Hácha zwar durch seine Unterschrift das Schicksal des tschechischen Volkes dem Führer des Deutschen Reiches Adolf Hitler unterstellt hat, aber er wurde dazu nicht ermächtigt. Nach der tschechoslowakischen Verfassung vom 1920 hatte der Staatspräsident besonders repräsentative Position und zweifellos konnte er nicht über die Staatsgrenzen ohne Zustimmung des Parlaments selbst entscheiden (Janečková 2013: 28).

Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass der Staatspräsident Hácha das Dokument unter dem Zwang unterschrieben hat, als Hitler und Göring ihm mit dem militärischen Angriff auf die Tschechoslowakei drohten. Darum sollte die Ermächtigung von Hácha keine rechtlichen Auswirkungen haben, denn jeder Rechtsakt ist nach der Rechtslehre ungültig, wenn die Formalitäten des Willens (Echtheit, Freiwilligkeit, Ernsthaftigkeit, Irrtumslosigkeit) und ihrer Äußerung (Bestimmtheit, Verständlichkeit) kumulativ nicht erfüllt sind. Dann wurde das Protektorat durch den Hitlers Erlass gegründet, obwohl Hitler dazu auch ausdrücklich nicht ermächtigt wurde. Die Nationalsozialisten haben das Protektorat übrigens nur als einen Bestandteil des Deutschen Reiches beschrieben, obwohl seine Autonomie im Erlass garantiert wurde. Praktisch hatte die Existenz der Protektoratsbehörden nur eine symbolische Bedeutung, denn sie konnten die Entwicklung des Protektorats und „seine“ Außenpolitik gar nicht beeinflussen. Alle diesen Tatsachen deuten darauf, dass das Protektorat die Konsequenz einer gewaltsamen und zeitlich begrenzten Annexion im Widerspruch zum Völkerrecht war (Janečková 2013: 28-33).

Es führt zur Auslegung, wonach die Tschechoslowakei zwischen 1939 und 1945 immer das Subjekt des Völkerrechts war. In diesem Kontext wurde die staatliche Rechtskontinuität durch die Organe des tschechoslowakischen Widerstandes im Exil repräsentiert. Konkret ist es zuerst um das Organ „Tschechoslowakischer Nationalausschuss“ (Československý národní výbor) gegangen, das mit der Unterstützung von Frankreich und Großbritannien schon im Jahr 1939 geschaffen wurde. Sein Zweck war die Vertretung des tschechoslowakischen Volkes im Ausland und die Kontrolle der einigen militärischen Truppen, die sich gegen das Deutsche Reich in Frankreich formierten. Tschechoslowakischer Nationalausschuss hatte später eine typische exekutive Struktur, die vom Vorsitzenden

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Edvard Beneš geführt wurde und dank der teilweisen internationalen Anerkennung hatte Tschechoslowakischer Nationalausschuss bestimmte Kompetenzen auch in der Propaganda, der Außenpolitik, der Wirtschaft usw. Das Präsidium hatte seinen Sitz in London und seine politische Aufgabe war auf der ersten Stelle, die Anerkennung der Existenz der Exilregierung durchzusetzen. Dieses Ziel wurde dann besonders dank der Niederlage Frankreichs erreicht, als die Exilregierung mit Jan Šrámek als Premierminister durch Großbritannien am 21. Juli 1939 offiziell anerkannt wurde. Gleichzeitig ist Edvard Beneš zum Präsidenten der Tschechoslowakei in Exil geworden. Dann wurde der Apparat auch um den Staatsrat und den Rechtsrat erweitert [Československý národní výbor a prozatímní stání zřízení ČSR v emigraci. https://www.vlada.cz/cz/urad-vlady/historie/ceskoslovensky-narodni-vybor-a-prozatimni- stani-zrizeni-csr-v-emigraci50551/ (31. 12. 2018)].

Die staatliche Repräsentation in Exil hat praktisch auch die legislative Aktivität ausgeübt, als Dutzende von Beneš-Dekreten zwischen 1940 und 1945 erlassen wurden.54 Nach der rechtlichen Perspektive kann man diese Dekrete als spezifische Rechtsakte beschreiben, die den Gesetzescharakter hatten und alle wurden im Jahre 1946 von der Nationalversammlung nachträglich gebilligt.55 Dazu sollte bemerkt werden, dass sie sich außer Staatfinanzen auch mit den Fragen aus allen Rechtsbereichen (Verfassungs-, Verwaltungs-, Straf- und Privatrecht) beschäftigten.56 Da das Protektorat Böhmen und Mähren ganz unter der Kontrolle von den Nationalsozialisten war, wurden viele Dekrete auf die Problematik der Exilarmee und der Kriegspolitik gegen das Deutsche Reich ausgerichtet. Darüber hinaus ist das Verfassungsdekret des Präsidenten Beneš Nr. 11 vom 3. August 1944 über die Wiederherstellung der Rechtsordnung (weiter auch „Dekret Nr. 11“) im Kontext mit der Rechtskontinuität der Tschechoslowakei am wichtigsten (Salák, Tauchen 2009: 82).57

Das Dekret Nr. 11 war notwendig, damit die Rechtsunsicherheit nach dem Krieg eliminiert wurde. Dazu sollte angeführt werden, dass mehrere Rechtsvorschriften während der Existenz des Protektorats erlassen wurden, aber sie haben nicht dem Inhalt nach mit der demokratischen Auffassung des Staates korrespondiert. Darauf war in den Art. 1 - 4 dieses

54 Konkret geht es um 143 Dekrete, die der Präsident Beneš mit der Exilregierung dank des Verfassungsdekrets Nr. 2 vom 15. Oktober 1940 über die vorläufige Gesetzgebung erlassen konnten. Seit dem Jahre 1942 hat der Staatsrat auf dieser legislativen Aktivität partizipiert (Čapka, Lunerová 2017: 18). 55 Siehe dazu: [Ústavní zákon č. 57/1946 Sb., kterým se schvalují a prohlašují za zákon dekrety presidenta republiky. https://www.zakonyprolidi.cz/cs/1946-57 (1. 1. 2019)]. 56 Die Liste der Beneš-Dekrete kann man aktuell auf der Webseite des Parlaments der Tschechischen Republik finden. Siehe dazu: [Dekrety prezidenta republiky Edvarda Beneše (Benešovy dekrety). https://www.psp.cz/docs/laws/dek/ (2. 1. 2019)]. 57 Vgl. [Vyhláška č. 30/1945 Sb., o platnosti ústavního dekretu presidenta republiky č. 11/1944 Úř. věst. čsl., o obnovení právního pořádku. https://www.zakonyprolidi.cz/cs/1945-30 (2. 1. 2019)].

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Dekretes festgesetzt, dass alle nach dem 29. September 1938 erlassenen Rechtsvorschriften kein Bestandteil der Rechtsordnung sind.58 In diesem Kontext gab es eine zeitlich begrenzte Ausnahme, wenn es sich um solche Rechtsvorschriften handelte, die nicht im Widerspruch zum Text oder zu den demokratischen Grundlagen der tschechoslowakischen Verfassung (Rechtsordnung bis 29. September 1938) waren. Andererseits konnten gar nicht die Rechtsvorschriften aus der Zeit der Unfreiheit angewendet werden, wenn sie die Fragen des Straf-, Familien- oder Personenrechts geregelt haben. In diesem Zusammenhang sollten kompetente Gerichte und Verwaltungsbehörden als Vorfrage in individuellen Rechtsfällen beurteilen, ob die Anwendung der konkreten Rechtsvorschriften nach diesen Bedingungen zulässig ist [Ústavní dekret presidenta republiky ze dne 3. srpna 1944, č. 11 Úř. věst. čsl. o obnovení právního pořádku. https://cs.wikisource.org (3. 1. 2019)].59

Darüber hinaus wurde die Problematik der Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen aus der Zeit der Unfreiheit in den Art. 6 - 11 des Dekretes Nr. 11 geregelt. Generell konnten diese Entscheidungen aufgehoben oder geändert werden, wenn sie nach den Rechtsvorschriften erlassen wurden, die im Widerspruch mit den demokratischen Grundlagen der tschechoslowakischen Verfassung waren.60 Außerdem hat es eine wichtige Rolle gespielt, ob das Ziel dieser Entscheidungen nach dem tschechoslowakischen Recht verboten war.61 Die Gerichtsentscheidungen im Strafrecht aus der Zeit der Unfreiheit waren dann ex tunc nichtig, wenn jemand wegen einer Tat verurteilt wurde, die nach dem tschechoslowakischen Recht nicht strafbar war. Weiters sollte das Rechtsinstitut „Wiederherstellung des Gerichtsverfahrens“ benutzt werden, damit die Strafen mit den tschechoslowakischen Rechtsvorschriften entsprochen haben [Ústavní dekret presidenta republiky ze dne 3. srpna 1944, č. 11 Úř. věst. čsl. o obnovení právního pořádku. https://cs.wikisource.org (3. 1. 2019)].62

58 Dazu gehören nicht die Beneš-Dekrete, die in Exil erlassen wurden (§ 5 des Dekrets Nr. 11). 59 Solange die Sitzung der Nationalversammlung realisiert wurde, konnte die Regierung Rechtsvorschriften aus der Zeit der Unfreiheit aufheben (§ 4 des Dekrets Nr. 11). 60 Dazu gehört auch die Forderung, dass die Verfahrensrechte garantiert werden. 61 Die Verwaltungsentscheidungen konnten in diesem Fall ex officio aufgehoben oder geändert werden (§ 6 Abs. 2 des Dekrets Nr. 11). 62 Gleichzeitig sollte jede Gerichtsentscheidung nach dem Art. 10 des Dekrets Nr. 11 aufgehoben werden, wenn die Tat mit der Befreiung der Tschechoslowakischen Republik zusammengehangen hat. Andererseits wurde reguliert, dass die Schuld der Okkupanten oder Kollaborateure, die freigesprochen oder mangelhaft bestraft wurden, in einem neuen Gerichtsverfahren beurteilt werden sollte (Art. 9 Abs. 4 des Dekrets Nr. 11).

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4.2 NS-Gesetzgebung als Grund für die Infragestellung des Rechtspositivismus

Das Recht ist im objektiven Sinne oft als Gesamtheit der allgemein verbindlichen Verhaltensregeln definiert, deren Verletzung vom Staat sanktioniert wird (Rechtsnormen). Diese Hauptmerkmale unterscheiden die Rechtsnormen von vielen anderen Verhaltensregeln, die gesellschaftliche Beziehungen regulieren. In diesem Kontext kann man zum Beispiel auf ethische, religiöse oder sportliche Normen zeigen, weil ihre Verletzung andere Konsequenzen hat. Seine Einhaltung wird nämlich vom Staat nicht erzwungen. Da alle Normen in der Gesellschaft wirken, gibt es auch Situationen, wenn etwas nach dem Recht erlaubt ist, obwohl die Mehrheit der Menschen das für unmoralisch hält.63 Aus diesem Grund wurden die Fragen über die Kriterien der Rechtsgültigkeit zwischen den Philosophen und Rechtstheoretikern schon in der Vergangenheit diskutiert (Gerloch 2001: 15-25).

Im Prinzip wurde diese Problematik mit der Herkunft des Rechts und seiner Legitimität verbunden. Nach der Rechtslehre kann man in diesem Zusammenhang zwei Rechtskonzepte unterscheiden, die als Rechtsnaturalismus und Rechtspositivismus bekannt sind. Wenn ich den Rechtsnaturalismus zuerst abgrenzen will, muss ich bemerken, dass es historisch nicht nur eine naturrechtliche Theorie gab. Andererseits wurde die Herkunft des Rechts mit verschiedener metaphysischer oder ungreifbarer Entität (Gott, Natur der Sache, Ratio) verbunden, welche die Existenz des Rechts ermöglicht hat. Trotzdem kann man als vereinigendes Kriterium aller naturrechtlichen Theorien die Wirklichkeit benutzen, dass sie auf dem Dualismus beruhen. In anderen Worten, das ewige und unveränderliche Naturrecht existiert neben dem menschlichen (positiven) Recht, obwohl es einen vorpositiven Charakter hatte (Gerloch 2001: 203-210).

Trotzdem setzte sich später die positivistische Theorie des Rechts durch, was in Europa mit dem großen Kodifikationsprozess zusammengehangen hat.64 Die Rechtspositivisten haben die Dualismen im Recht abgelehnt. Ihrer Meinung nach mussten alle Rechtsnormen von dem Staat durch eine festgelegte legislative Prozedur erlassen werden, damit sie zur Rechtsordnung gehört haben konnten. Darum haben die Rechtspositivisten die Verbindung zwischen dem Recht und der Moral in Frage gestellt. Praktisch mochten sie das Recht von allen anderen Wirklichkeiten reinigen, damit seine Untersuchung von keiner

63 Als konkretes Beispiel kann man aktuell auf die Untreue zeigen. Dazu soll ich bemerken, dass ich über die kontinentale Rechtskultur spreche, weil es immer Staaten gibt, die diese Handlung durch das Strafrecht kriminalisieren. Praktisch geht es um manche Staaten, die das traditionelle islamische Rechtssystem (Scharia) anwenden, was auch mit der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen verbunden ist. 64 Dazu vgl. das französische Bürgerliche Gesetzbuch „Code Civil“ aus dem Jahre 1804 und das österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) aus dem Jahre 1811.

48 subjektiven Bewertung abhängig sein wird. Diese Theorie hat auf der Kantischen Philosophie über die Unterscheidung zwischen der Faktizität (Sein) und der Normativität (Sollen) basiert. In diesem Kontext waren alle Rechtsnormen nach der normativen Methode nur gültig oder ungültig, ohne dass man sie aus der rechtlich-theoretischen Perspektive als richtig/falsch oder gerecht/ungerecht bewerten konnte (Machalová 2001: 86-92).65

Diese normative Auffassung des Rechts, die den Zweck und faktische Konsequenzen seiner Anwendung nicht reflektiert hat, wurde später infolge des Zweiten Weltkrieges in Frage gestellt. Die Nationalsozialisten haben nämlich ihre rassistische Ideologie gegen Juden und andere minderwertige Rassen durch eigene Gesetzgebung durchgeführt, die auf dem ersten Blick normative Merkmale hatte, als betroffene Gesetze in einer bestimmten Prozedur erlassen wurden und ihre Fassung gleichzeitig publiziert wurde.66 Aus diesem Grunde haben auch die Rechtspositivisten akzeptiert, dass jede Gesetzgebung nicht nur formelle, sondern auch materielle Erfordernisse haben muss. Konkret kann man auf die Rechtsansicht vom bekannten englischen Philosophen und Rechtstheoretiker H. L. A. Hart zeigen, der über die Problematik „Mindestgehalt des Naturrechts“ geschrieben hat. Nach Hart geht es in diesem Kontext nicht um die Beziehung zwischen dem Naturrecht und dem positiven Recht, weil beide Systeme die gleiche Grundlage haben. Sie müssen auf der ersten Stelle das Überleben der menschlichen Gesellschaft sicherstellen, was nur durch einen gemeinsamen Gehalt des Rechts und der Moral garantiert werden kann (Holländer 2006: 22-24).67

Die nationalsozialistische Gesetzgebung war gegen die Koexistenz der Menschen verschiedenen Rassen und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es den Konsensus, dass seine Anwendung das Unrecht gegen Millionen Menschen war. Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass diese Rechtsvorschriften viele Jahre auch im Protektorat angewandt wurden und darum haben sie Rechtsfolgen in der Gesellschaft verursacht. Obwohl es das Allgemeininteresse an der Wiederherstellung der demokratischen Staatsordnung im ganzen

65 Die Forderung der strikten Trennung der Welten „Sein“ und „Sollen“ wurde von den Vertretern der reinen Rechtslehre durchgesetzt. Konkret ging es um „Wiener rechtstheoretische Schule“ Hans Kelsens, und „Brünner rechtstheoretische Schule“ František Weyrs (Knapp 1995: 2-3). 66 In diesem Kontext hat das Ermächtigungsgesetz nach dem Jahre 1933 eine wichtige Rolle gespielt, weil Hitler und die Nationalsozialisten durch die Reichsregierung die gesetzgebende Gewalt in Deutschland ausgeübt haben, was die Kompetenzen des Reichstags geschwächt hat (Tauchen 2009. Prameny práva v nacistickém Německu). 67 Der englische Philosoph und Rechtsnaturalist Lon L. Fuller hat sogar acht grundlegende moralische Forderungen der Legitimität des Rechts formuliert, was als „innere Moralität des Rechts“ bekannt ist. Konkret geht es um: Allgemeinheit, Veröffentlichung, Rückwirkungsverbot, Klarheit und Verständlichkeit, Widerspruchsfreiheit, Stabilität, Nichtfestsetzung der unmöglichen Verhandlungen, Interpretation und Anwendung nach dem Text des Gesetzes (Holländer 2006: 21). Meiner Meinung nach reflektiert diese Konzeption nicht Forderungen, die das Recht im materiellen Sinn reflektiert soll, damit sein primärer Zweck (das Überleben der menschlichen Gesellschaft) garantiert wird.

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Europa und an der Bestrafung der Kriegsverbrecher nach der Niederlage der Nationalsozialisten gab, war die Ungültigkeitserklärung der nationalsozialistischen Gesetzgebung im Widerspruch zur Rechtssicherheit.68 Das Prinzip basiert auf der Wirklichkeit, dass der Rechtsschutz durch den Staat garantiert werden muss und die Adressaten der Rechtsnormen nur bestraft werden können, wenn es durch ein Gesetz vorhersehbar oder prospektiv festgelegt wurde. Dazu gehört auch die Problematik der berechtigten Erwartungen, was bedeutet, dass ähnliche Rechtsfälle in einer Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gleich entschieden werden und umgekehrt (Knapp 1995: 205-207).

Andererseits kann eine Person bestraft werden, obwohl sie ihre Rechtsverpflichtungen nicht gekannt hat, weil man das Prinzip „die Unkenntnis des Gesetzes befreit nicht von der Verantwortung“ anwenden muss. Aus diesem Grund ist es am wichtigsten, damit alle Rechtsnormen in einer vorgeschriebenen Prozedur erlassen und veröffentlicht werden, damit sich die Adressaten ihr Inhalt kennen lernen können. Die Rechtssicherheit wird dann auch durch das Verbot der Rückwirkung der Rechtsnormen sichergestellt, wie schon oben angedeutet wurde. Obwohl dieses Prinzip besonders im Strafrecht eine wichtige Rolle spielt,69 wurde es mehrmals aufgrund der politischen Gründe verletzt. Die gleiche Situation war nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Nationalsozialisten für ihre Verbrechen innerhalb des Verfahrens vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg bestrafen wurden.70 Es wird argumentiert, dass sie alles entsprechend der nationalsozialistischen Gesetzgebung gemacht haben, weil diese Rechtsregelungen verbindlich und durchsetzbar waren. In diesem Fall wurde dann die unmenschliche Gesetzgebung des NS-Regimes wegen der Renaissance des Naturgesetzes für Unrecht erklärt, weil dieses Rechtssystem gegen die allgemein anerkannten Prinzipien der Moral war (Holländer 2006: 18-19).71

68 Das ist das Erfordernis jedes Rechtsstaates. 69 Heutzutage ist dieses Prinzip auch im Art. 40 Abs. 6 der Charta der Grundrechte und -freiheiten der Tschechische Republik verankert: „Die Prüfung der Strafbarkeit der Handlung und die Verhängung der Strafe erfolgt nach dem zum Zeitpunkt der Verübung der Tat geltenden Gesetz. Ein späteres Gesetz wird angewendet, wenn es für den Täter günstiger ist.“ [Beschluss des Präsidiums des Tschechischen Nationalrates über die Verabschiedung der Urkunde der Grundrechte und -freiheiten als Bestandteil der Verfassungsordnung der Tschechischen Republik. http://www.verfassungen.eu/cz/grundrechte92.htm (14.1.2019)]. 70 Konkret ging es um die Hauptkriegsverbrecher wie Herman Göring, Martin Bormann, Karl Dönitz, Wilhelm Keitel, Alfred Rosenberg, Albert Speer usw. Manche von ihnen wurden zum Tode verurteilt. Die ganze Liste der Angeklagten und ihrer Strafen ist im weiteren Dokument verfügbar: [Der Nürnberger Prozess. Das internationale Militärtribunal 1945-1946. https://www.justiz.bayern.de/media/images/behoerden-und- gerichte/oberlandesgerichte/NuernbergerProzess/der_n%C3%BCrnberger_prozess.pdf (14.1.2019)]. 71 Die Rechtsgrundlage des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher war das Londoner Viermächte-Abkommen vom 8. August 1945, der auf der Rückwirkung (ad hoc) basiert hat. Darüber hinaus sollte bemerkt werden, dass das Recht auf einen fairen Prozess aus der heutigen Perspektive nicht garantiert wurde (Kohout 2012).

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Trotzdem kann man fragen, wie das Problem des Konfliktes zwischen dem Naturrecht und dem positiven Recht universal gelöst werden soll. Die nationalsozialistische Gesetzgebung hat gezeigt, dass die absolute Präferenz der Rechtssicherheit unhaltbar ist, weil die formale Prozedur und Erfordernisse nicht garantieren können, dass die Gesetzgebung für die praktische Realisierung einer totalitären Ideologie nicht missbraucht wird. Andererseits kann es für die Vorhersehbarkeit und Verbindlichkeit des positiven Rechts gefährlich sein, wenn seine Gültigkeit durch moralische (naturrechtliche) Prinzipien allgemein in Frage gestellt kann. Darum hat der deutsche Strafrechtler Gustav Lambert Radbruch eine Theorie nach dem Zweiten Weltkrieg formuliert, die als „Radbruchsche Formel“ bekannt ist: „Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, dass das positive Recht, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, dass der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, dass das Gesetz als „unrichtiges Recht“ der Gerechtigkeit zu weichen hat.“ (Laage 2014: 21).

Im Prinzip war Radbruch ein Verfechter der schwachen Variante des Rechtspositivismus, weil geschriebene Gesetze nach seiner Meinung den Primat haben sollen. Die Ausnahme war nur die Situation, wenn ihr Konflikt mit der Gerechtigkeit ein unerträgliches Maß erreicht. In diesem Fall geht es um das Unrecht, das keine Rechtswirkungen hat, obwohl es in der sozialen Realität lange Zeit angewandt wurde.72 Dieses unerträgliche Maß wird dann mit der Problematik der Menschenrechte besonders verbunden, wenn ihre Garantie und Schutz nach Willkür versagt wird (Laage 2014: 20). Obwohl die nationalsozialistische Gesetzgebung zweifellos das unerträgliche Maß der Ungerechtigkeit erreicht hat, als seine Anwendung den unmenschlichen Tod der Millionen Menschenleben verursacht hat, kann man nicht leugnen, dass die Anwendung der Radbruchschen Formel in einem Grenzfall sehr kompliziert und für die Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit gefährlich sein kann. Das unerträgliche Maß der Gerechtigkeit ist nämlich nicht nur eine übergesetzliche, sondern auch eine subjektive Kategorie, die von jedem Richter unterschiedlich ausgelegt werden kann.73

72 Die anderen Rechtspositivisten (John Austin oder Hans Kelsen usw.) haben das Problem mit dem „unmoralischen Recht“ nicht geleugnet, aber sie haben es abgelehnt, damit dieses Recht (Gesetz) für ungültig erklärt wird. Ihrer Meinung nach geht es immer um das Recht, aber es ist zu viel schlecht, damit es angewandt wird (Holländer 2006: 22-23). 73 Später wurde die Radbruchsche Formel sowohl im philosophisch-rechtlichen Denken, als auch in der Gerichtspraxis des Bundesverfassungsgerichts angewandt. In diesem Kontext kann man zum Beispiel auf die Rechtsansicht dieses Gerichtes in der Entscheidung vom 14. Februar 1968, BVerfGE 23, 98 - Ausbürgerung I,

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4.3 Universeller Menschenrechtsschutz in der Nachkriegszeit

Obwohl der Zweite Weltkrieg den Tod der Millionen Menschen im ganzen Europa verursacht hat, stellte diese Wirklichkeit paradoxerweise einen der wichtigsten Impulse dar, damit die Menschenrechte seitdem auf der internationalen Ebene nicht nur kodifiziert, sondern auch universal geschützt werden konnten. Trotzdem soll man nicht vergessen, dass der Gedanke an die Existenz der Menschenrechte eines Individuums und ihren Schutz durch die Staatsmacht eine lange Tradition hat. Aus der Perspektive der modernen Geschichte hängt diese Problematik besonders mit der rationalen Konzeption der Naturrechte zusammen, die an die bisherigen theologischen Theorien in der Zeit der Aufklärung angeknüpft hat. Der Mensch wurde nicht mehr nur als „eine Schöpfung des Gottes“ angesehen, aber er war schon das Subjekt, das der Träger von subjektiven Rechten ist. Auf der ersten Stelle musste dann seine biologische Existenz oder das Recht auf Leben garantiert werden, was nur durch einen imaginären Gesellschaftsvertrag zwischen den Menschen und dem Herrscher realisiert werden kann. Nach dieser Theorie sollten Menschen ihre Freiheit wegen des Überlebens freiwillig beschränken, weil jeder im sogenannten „Naturzustand“ bedroht war.74 Andererseits kann die Staatsmacht nicht absolut sein, denn ihre Legitimität und Anerkennung sind vom Schutz der Naturrechte abhängig (Gerloch 2001: 209-213).

Neue historische Bedingungen und die Gedanken der Aufklärung, die mit den Namen der bekannten Philosophen Thomas Hobbes und Johne Locke verbunden sind, wurden später in zwei Menschenrechtsdokumenten reflektiert. Konkret geht es um die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten (1776), die sowohl politische, als auch menschenrechtliche Folgen für die weitere Entwicklung auch in Europa hatte. Im Gegensatz zu bisherigen Rechtsdokumenten beruhte ihre Präambel auf den Voraussetzungen, dass alle Menschen die Träger der unveräußerlichen Menschenrechte sind und sie können die Staatsmacht stürzen oder ersetzen, wenn ihre Rechte verletzt werden. Aus der heutigen Perspektive geht es um die Entstehung des Gedankens einer demokratischen Republik mit der Garantie des Menschenrechtsschutzes, was auch die Formulierung der Erklärung der zeigen: „Nationalsozialistischen "Rechts"vorschriften kann die Geltung als Recht abgesprochen werden, wenn sie fundamentalen Prinzipien der Gerechtigkeit so evident widersprechen, daß der Richter, der sie anwenden oder ihre Rechtsfolgen anerkennen wollte, Unrecht statt Recht sprechen würde. In der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl. I S. 772) hat der Widerspruch zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht, daß sie von Anfang an als nichtig erachtet werden muß. Einmal gesetztes Unrecht, das offenbar gegen konstituierende Grundsätze des Rechtes verstößt, wird nicht dadurch zu Recht, daß es angewendet und befolgt wird.“ [BVerfGE 23, 98 - Ausbürgerung I. http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv023098.html (18.1.2019)]. 74 Der Naturzustand hat Hobbes durch die Formulierungen „Krieg aller gegen alle (Bellum omnium contra omnes)“ und „der Mensch ist dem Menschen ein Wolf (Homo homini lupus)“ beschrieben (Gerloch 2001: 211).

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Menschen- und Bürgerrechte (1789) im Zusammenhang mit der Großen Französischen Revolution beeinflusst hat. Beide Rechtsdokumente stellten dann eine ideologische Grundlage für den späteren Menschenrechtsschutz dar, weil sie den naturrechtlichen Charakter der Menschenrechte ohne Diskriminierung verbindlich festgelegt haben (Krejčí 2011: 18-20).

Trotzdem kann man nicht über einen universellen Menschenrechtsschutz sprechen, weil es von der internationalen Kooperation zwischen souveränen Staaten abhängig ist. Obwohl man diese Tendenzen zum Beispiel schon auf dem sogenannten Übereinkommen über die Sklaverei (1926) beobachten kann, das den Menschenhandel und die Sklaverei in allen Formen unterdrücken sollte, hat die Epoche der Globalisierung der Menschenrechte nach den tragischen Ereignissen des Zweiten Weltkrieges angefangen. Da der Nationalsozialismus auf einer rassistischen Ideologie basiert hat, die durch den Holocaust im ganzen Europa realisiert wurde, haben die Weltmächte verstanden, dass sie ein weltweites System der Regelungen, Institutionen und Prozeduren schaffen müssen, damit sich diese Gräuel nie wiederholen können (Krejčí 2011: 23-24).

Aus diesem Grunde wurde die Organisation der Vereinten Nationen im Jahre 1945 gegründet, welche den Weltfrieden und die Sicherheit garantieren sollte. Einer von den Gründungsstaaten war auch die Tschechoslowakei, die während des Zweiten Weltkrieges durch die Entstehung des Protektorats von den Nationalsozialisten beherrscht wurde. Aus der historischen Perspektive war diese Organisation ein Nachfolger des Völkerbundes, der als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg durch den Friedensvertrag von Versailles gegründet wurde. Obwohl der Völkerbund den Aufstieg des Faschismus und des Nationalsozialismus nicht verhindert hat, sollte darauf hingewiesen werden, dass seine Existenz die Grundlage für die spätere Kooperation war. Die Gründung der Organisation der Vereinten Nationen wurde nämlich durch mehrere Konferenzen und Deklarationen schon während des Zweiten Weltkrieges vorbereitet, solange die Charta der Vereinten Nationen am 26. Juni 1945 bei der Konferenz in San Francisco unterzeichnet wurde [Historie OSN. http://www.osn.cz/osn/historie/ (27.1.2019)].75

75 Konkret kann man besonders auf die Atlantische Deklaration (1941) und die Deklaration Vereinter Nationen (1942) zeigen, in denen sich die Vertragsstaaten (einschließlich der Tschechoslowakei) zum gemeinsamen Kampf gegen die Achsenmächte verpflichtet haben. Die Aufforderung zur Gründung einer internationalen Organisation, die den Weltfrieden und die Sicherheit garantieren sollte, wurde dann im Jahre 1943 bei den Konferenzen in Moskau und Teheran bestätigt. Die definitive Entscheidung, die Organisation der Vereinten Nationen zu gründen, wurde schließlich im Jahr 1945 während der Konferenz von Jalta getroffen [Historie OSN. http://www.osn.cz/osn/historie/ (27.1.2019)].

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Dazu sollte bemerkt werden, dass ein von den Zielen dieser Organisation auch der universelle Menschenrechtsschutz war, wie es in der Präambel und dem Art. 1 Abs. 3 der Charta der Vereinten Nationen festgelegt ist. Diese Organisation hat sich dort verpflichtet, den Glauben an die Menschenrechte und die Menschenwürde wiederherzustellen. Gleichzeitig sollte die internationale Zusammenarbeit auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten ohne Diskriminierung wegen der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion gestärkt werden. Diese Ziele sollten dann auch durch Empfehlungen des Wirtschafts- und Sozialrates erreicht werden, die in diesem Kontext die Menschenrechtskommission errichtet hat.76 Es geht um die Kommission, die außer der Öffentlichkeitsfunktion auch die Aufgabe hatte, eine internationale Charta der Menschenrechte auszuarbeiten. Darum kann man über die Tendenz sprechen, damit die Garantie des Menschenrechtsschutzes nicht nur von den Nationalstaaten abhängig sein wird. Im Gegenteil sollten individuelle Rechte im internationalen Recht verankert werden (Haspel 2005: 5-6).

Trotzdem wurden die Menschenrechte erst in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (weiter auch „Allgemeine Erklärung“) konkretisiert, die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet wurde. Wenn man ihre philosophisch-rechtlichen Grundlagen begrenzen soll, geht es um eine Reaktion auf die Verachtung und Verkennung der Menschenrechte während des Zweiten Weltkrieges, was mit der Renaissance des Naturrechts zusammenhängt. Aus diesem Grund ist der überpositive Charakter der Menschenwürde und der Menschenrechte aller Mitglieder der Menschenfamilie schon in der Präambel verankert. Mit anderen Worten, die Existenz dieser Grundrechte ist nicht von der Entscheidung eines Staates abhängig, weil sie zu allen Menschen aufgrund ihrer Menschheit gehören. Dieses Prinzip kann man auch im Art. 1 der Allgemeinen Erklärung finden, wo geschrieben ist: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ Obwohl die nationalsozialistische Ideologie auf dem Rassismus beruht hat, ist die Unterscheidung der Menschen generell verboten, weil die Aufzählung der Diskriminationsgründe im Art. 2 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung nur demonstrativ ist [Die

76 Dazu vgl. den Art. 62 Abs. 2 und den Art. 68 der Charta der Vereinten Nationen [Charta der Vereinten Nationen und Statut des Internationalen Gerichtshofs. https://www.unric.org/html/german/pdf/charta.pdf (28.1.2019)].

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Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. https://www.ohchr.org/en/udhr/pages/Language.aspx?LangID=ger (29.1.2019)].77

Aus der heutigen Perspektive kann man sagen, dass die Allgemeine Erklärung den Kern des internationalen Menschenrechtsschutzes darstellt, obgleich sie als Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen nicht rechtsverbindlich ist. Manche Autoren vergleichen die Allgemeine Erklärung mit einem Tempel, der auf vier Säulen (Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit) steht, welche die einzelnen Generationen der Menschenrechte repräsentieren sollen. Ihre Wertbasis und Liste der Menschenrechte wurden dann in andere allgemein verbindliche später erlassene Normen auf der nationalen und internationalen Ebene übergenommen (Krejčí 2011: 27-28).78,79 Darum kann man sagen, dass die Allgemeine Erklärung dank der internationalen Anerkennung praktisch als Rechtsbrauch bewirkt hat, solange sie durch verbindliche Rechtsdokumente der Vereinten Nationen oder anderer Menschenrechtsorganisationen ergänzt wurde.80 Andererseits sollte nicht vergessen werden, dass der faktische Menschenrechtsschutz von den Nationalstaaten abhängig ist und es gibt immer Gebiete, wo die Menschenrechte trotz der historischen Erfahrungen stark verletzt werden.

77 Vgl. den Art. 2 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung: „Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“ 78 In Deutschland wurde der Naturrechtscharakter der Menschenwürde und Menschenrechte schon im Jahr 1949 im Art. 1 des Grundgesetzes (GG) verankert [Grundgesetz. https://www.bundestag.de/grundgesetz (30.1.2019)]. 79 Konkret geht es um das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1965), den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966), den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966) usw., die durch die Organisation der Vereinten Nationen beschlossen wurden. 80 Außer der Organisation der Vereinten Nationen kann man auf den Europarat besonders zeigen, die im Jahre 1949 gegründet wurde. Ihre Kodifikationstätigkeit hängt auch mit der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (1950) zusammen, die von dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in konkreten Rechtsfällen ausgelegt wird.

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Fazit

In dieser Bachelorarbeit habe ich mich mit der Problematik des Protektorats Böhmen und Mähren beschäftigt. Das Ziel war nicht nur die Beschreibung der historischen Umstände, die zur militärischen Besetzung der Tschechoslowakei geführt haben, sondern auch die Analyse der Dokumente und Rechtsvorschriften, welche die Entstehung des Protektorats und seine Führung zum Vorteil des Deutschen Reiches ermöglicht haben. Dann wollte ich meine Aufmerksamkeit auch auf die Anwendung der nationalsozialistischen Ideologie und Gesetzgebung gegen die Tschechen richten, weil es ein wichtiger Faktor für die Stärkung des Widerstandes und seine Unterstützung von der Exilregierung bis Ende des Zweiten Weltkrieges war. Darüber hinaus wollte ich auch die Konsequenzen des NS-Unrechts reflektieren, die nicht nur die Notwendigkeit des Wiederaufbaus der Tschechoslowakei, sondern auch die Änderung der bisherigen Rechtslehre und die Globalisierung der Menschenrechte verursacht hat. Die Erreichung des Zieles kann ich auf den untenstehenden Schlussfolgerungen demonstrieren.

Aufgrund der Erklärung habe ich betont, dass eine potentielle Gefahr des Nationalsozialismus als einer antisemitischen und antidemokratischen Ideologie schon nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland angefangen hat, als Hitler und seine Vertreter die Verpflichtung zur Kriegsreparationen und die große Krise verwendet haben, um politische Konkurrenten und Juden zu kritisieren. Dank der Skepsis in der Gesellschaft und der weiteren Propaganda waren die Nationalsozialisten später fähig, ein gutes Wahlergebnis zu erreichen. Nach der Machtübernahme im Jahr 1933 konnten sie ihre auf dem Rassismus und dem Führerprinzip basierenden Vorstellungen über den Staat und die Gesellschaft radikal durchsetzen. Da die nationalsozialistische Propaganda den Wiederaufbau des großen Deutschen Reiches versprochen hat, mussten danach die Staatgrenzen der Tschechoslowakei in Frage gestellt werden. Dazu haben die Nationalsozialisten die Unterstützung der feindlichen Atmosphäre zwischen den Deutschen und den Tschechen verwendet, weil der Schutz der Deutschen ein Vorwand war, um das Sudetenland ohne einen kriegerischen Konflikt zu besetzen. Schließlich war es keine Entscheidung der tschechoslowakischen Regierung aber der Pazifismus unserer Alliierten, was das Staatsgebiet der Tschechoslowakei zum Vorteil des Deutschen Reiches verkleinert hat.

Obwohl das Münchner Abkommen den Frieden garantieren sollte, war die Realität ganz anderes, weil die Nationalsozialisten die politische Destabilisierung der

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Tschechoslowakei weiter unterstützt haben, um die Besetzung des ganzen Gebietes zu erleichtern. In diesem Kontext hat die Entstehung des Slowakischen Staates und das Treffen zwischen Hitler und Hácha in Berlin eine wichtige Rolle gespielt. Ich habe gezeigt, dass die Nationalsozialisten das Dokument, das Hácha am 14. März 1939 ohne Ermächtigung und unter dem Zwang unterschrieben hat, als Ermächtigung zur einseitigen Gründung des Protektorats rechtsgrundlos interpretiert haben. Obwohl es im Hitlers Erlass deklariert wurde, dass das Protektorat ein autonomes Gebiet sein wird, hatten die Protektoratsbehörden nur eine formale Position. Sie waren ganz unter der Kontrolle der Reichsbehörden, die vom Reichsprotektor geleitet wurden und denen alle Schlüsselkompetenzen gehört haben, die für die Anwendung der nationalsozialistischen Ideologie und für die Elimination des tschechischen Widerstandes notwendig waren. Es ist natürlich auch mit der Germanisierung der tschechischen Gesellschaft zusammengehangen, die auf der rechtlichen und sozialen Vergünstigung der Deutschen, die Diskriminierung der Tschechen und die Vernichtung der jüdischen Rasse beruhte.

Andererseits habe ich betont, dass es den Widerstand trotz der Repressionen im Protektorat gab, obwohl alle Aktivitäten gegen das NS-Regime während der Heydrichs Epoche rasant betroffen wurden. Darum wurde Heydrich übrigens von der Exilregierung als Ziel des Attentates ausgewählt, weil er auch einer von den führenden Personen der Nationalsozialisten war und seine Tötung, die schließlich mit der Hilfe der Fallschirmjäger im Jahr 1942 realisiert wurde, hat die Anerkennung der Nichtigkeit des Münchner Abkommens auf der internationale Ebene sichergestellt. Trotzdem habe ich angeführt, dass tausende Tschechen wegen dieser Operation ermordet wurden und zwei Dörfer wurden in die Asche gelegt. Die weiteren gezielten Repressionen und gleichzeitige Bemühungen um die Nutzung des Protektorats für die Kriegführung konnten aber nicht die schrittweise Niederlage des Deutschen Reiches verhindern, was es mit der Hilfe der alliierten Armeen und der tschechischen Widerstandsbewegungen im Mai 1945 auch im Protektorat passiert ist.

Das Deutsche Reich wurde zwar geschlagen aber die rechtlichen Konsequenzen seiner Existenz mussten auch in der Tschechoslowakei korrigiert werden. Schon während des Zweiten Weltkrieges wurde die Rechtskontinuität der tschechoslowakischen Rechtsordnung durch Beneš-Dekrete vorbereitet und alle von ihnen wurden von der Nationalversammlung nachträglich gebilligt. In diesem Kontext habe ich auf die Wirklichkeit gezeigt, dass die nationalsozialistischen Rechtsvorschriften, die gegen die demokratische Auffassung des Staates waren, keine Rechtswirkungen hatten, obwohl sie viele Jahre in der Gesellschaft

57 angewandt wurden. Diese Lösung war zweifellos gegen die Rechtssicherheit und das Verbot der Rückwirkung der Rechtsnormen, als die führenden Nationalsozialisten nach den neuen Regulierungen bestraft wurden. Ich habe betont, dass es die Konsequenz der Renaissance des Naturrechtes war, als das nationalsozialistische (positive) Recht nach der Radbruchschen Formel zum Unrecht erklärt wurde, weil seine Anwendung ein unerträgliches Maß der Ungerechtigkeit verursachte.

Schließlich habe ich gezeigt, dass die nationalsozialistische Ideologie, die zur Völkermord der Millionen Juden geführt hat, kann man als einen Hauptimpuls für die erste globale Zusammenarbeit innerhalb der Völkergemeinschaft beschreiben, die nicht nur eine kollektive Sicherheit, sondern den universellen Menschenrechtschutz auf dem naturrechtlichen Prinzip garantiert hat. Zum Schluss will ich bemerken, dass der Zweite Weltkrieg zwar nur eine Epoche der menschlichen Geschichte ist, aber es gibt mehrere gesellschaftliche und politische Meinungen auch in der Tschechischen Republik, die sich um die Auslösung der rassistischen und nationalen Intoleranz aktuell bemühen. Wir sollen nicht vergessen, welche tragischen Konsequenzen ihre Missachtung verursachen können.

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Zusammenfassung

Das Protektorat Böhmen und Mähren war das Ergebnis der aggressiven Besetzungspolitik der Nationalsozialisten, die sich auf die Erweiterung ihrer rassistischen Ideologie und der Macht-Ambitionen auch in andere europäische Staaten nach der Machtübernahme in Deutschland konzentriert haben. Hierzu haben sie nicht nur eine schwierige wirtschaftliche Situation in der Nachkriegszeit und die nationalen Probleme in der Tschechoslowakei, sondern auch die kraft Durchsetzung eigener Anforderungen benutzt, was sich mit einem ausreichenden Widerstand dank der Anwendung einer Friedenslösung nicht getroffen hat. Infolgedessen wurde das Sudetenland abgetrennt, das tschechoslowakische Gebiet gewaltsam besetzt und das Protektorat illegitim eingerichtet, das als ein Bestandteil des Deutschen Reiches verwaltet wurde. Obwohl die Struktur der Protektoratsbehörden existiert hat, war das Schicksal der Tschechoslowakei und ihrer Bevölkerung ganz in den Händen des Reichsprotektors und seines Apparats. Trotzdem wurde die Exilregierung in London geformt, die durch die Unterstützung der Widerstandsaktivitäten, die Erlassung der Beneš-Dekrete und die internationale Zusammenarbeit nicht nur zur Anerkennung der Nichtigkeit des Münchner Abkommens und zur schrittweisen Niederlage des NS-Regimes, sondern auch zum Wiederaufbau der Tschechoslowakei beigetragen hat. Die Nationalsozialisten wurden zwar besiegt, aber sie stellten in Frage die Exklusivität des Rechtspositivismus und sie beeinflussten die internationale Politik, welche die Garantie der weltweiten Sicherheit und des universellen Menschenrechtsschutzes als ein von Hauptzielen seit dieser Zeit hat.

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Resumé

Protektorát Čechy a Morava byl důsledkem agresivní okupační politiky národních socialistů, kteří se po převzetí moci v Německu zaměřili na rozšiřování své rasistické ideologie a mocenských ambicí také na území ostatních evropských států. Za tímto účelem využili nejen složité ekonomické situace v poválečném období a národnostní problémy uvnitř Československa, ale také silové prosazování vlastních požadavků, což se vlivem uplatňování mírového řešení nesetkalo s dostatečným odporem. V důsledku toho došlo k odtržení Sudet, násilnému obsazení československého území a nelegitimnímu zřízení protektorátu, který byl následně spravován jako součást německé říše. Přestože existovala struktura protektorátních orgánů, byl osud Československa a jeho obyvatelstva zcela v rukou říšského protektora a jeho aparátu. Přesto byla zformována exilová vláda v Londýně, která prostřednictvím podpory odbojových aktivit, vydávání Benešových dekretů a mezinárodní spolupráce, přispěla nejen k uznání neplatnosti Mnichovské dohody a postupné pořážce nacistického režimu, ale také obnově Československa. Národní socialisté byli sice poraženi, ale navždy zpochybnili výlučnost právního pozitivismu a ovlivnili mezinárodní politiku, která má od té doby jako jeden z hlavních cílů zajištění světové bezpečnosti a univerzální ochrany lidských práv.

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