Rote Liste Gefährdeter Schnecken Und Muscheln (Mollusca) Bayerns
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Rote Liste gefährdeter Schnecken und Muscheln (Mollusca) Bayerns Bearbeitet von Gerhard Falkner, Manfred Colling, Klaus Kittel und Christian Strätz Einführung Bei polytypischen Arten, von denen in Bayern nur die Nominatunterart vorkommt (s. Fußnoten 1) ist Die Mollusken des Binnenlands, die Wasser- und auf die trinominale Benennung verzichtet worden. Landschnecken sowie die Muscheln, zeichnen In der Regel ist in solchen Fällen die Nominat- sich generell durch eine kleinräumige Biotopein- unterart auch die am weitesten verbreitete (Bei- bindung und ein geringes aktives Ausbreitungs- spiele: Abida secale secale, Cochlodina fimbriata vermögen aus. Sie sind eng mit den jeweiligen fimbriata); die Anführung und Einstufung von Bul- mikroklimatischen Verhältnissen, Boden- oder Ge- garica vetusta in der früheren Roten Liste Bay- wässereigenschaften verbunden, sind aber ander- erns und der Roten Liste Deutschlands kann sich seits durch die unzureichenden Ausweichmöglich- ausschließlich auf die weiträumig isolierten Vor- keiten negativen Biotopveränderungen gegenüber kommen der Subspecies Bulgarica vetusta festiva sehr empfindlich. Dies hat unter anderem dazu beziehen, ist also für die Gesamtart und die Sub- geführt, dass die Mollusken heute weltweit die species identisch. Die Unterdrückung des Vor- Tiergruppe mit den meisten dokumentierten aus- handenseins einer besonderen Subspecies ver- gestorbenen Arten sind. Darüber hinaus muss ein schleiert jedoch die nationale und internationale vergleichsweise hoher Prozentsatz des Gesamt- Verantwortung für deren Erhaltung. Letzteres gilt artenspektrums als vom Aussterben bedroht an- auch für die in Bayern endemische reliktäre Balea gesehen werden. Auch in Bayern sind diverse biplicata forsteriana. Da die Nominatunterart Vertreter der Wasserschnecken, wie z. B. die Balea biplicata biplicata eine in Bayern ungefähr- Mantelschnecke (bedeutender Arealverlust) oder dete, allgemein verbreitete und normalerweise Grundwasserschnecken der Gattung Bythio- sehr häufige Landschnecke ist, die auch in anthro- speum (Artenverluste), der Landschnecken, wie pogen überprägten Sekundärbiotopen leben z . B. Grasschnecken-, Zylinderwindelschnecken-, kann, läßt sich die artenschutzfachliche Relevanz Windelschneckenarten sowie der Muscheln, z. B. der Unterart nur durch eine gesonderte Einstu- Flussperlmuschel, Bachmuschel, Abgeplattete fung zum Ausdruck bringen. Eine regionalisierte Teichmuschel, Dickschalige Kugelmuschel, aus- Gefährdungseinstufung einer Gesamtart wurde gestorben, verschollen oder vom Aussterben be- nur dann vorgenommen, wenn lediglich eine Un- droht. Mit ihrer ausgeprägten Biotopbindung terart in die Rote Liste aufzunehmen war. stellen die Binnenmollusken aussagekräftige Bio- Grundlagen der gegenwärtigen Liste sind neben indikatoren für den Zustand und die Wertigkeit ih- den Vorgängerlisten (FALKNER 1991, 1992 und rer Lebensräume dar. 1996) die Erfahrungen der Bearbeiter (Arbeits- gruppe der FRIEDRICH-HELD-GESELLSCHAFT), Weichtiere treten in allen Landesteilen Bayerns die CLECOM-Liste (BANK et al. 2001, FALKNER et und in fast allen Biotoptypen auf. Sie sind von den al. 2001), weitere Literaturdaten und Museums- tiefgelegenen Stromtälern bis zu den Hochalpen material der Zoologischen Staatssammlung Mün- vertreten. Aufgrund des Kalkbedürfnisses der chen (besonders wichtig: Coll. Hässlein), des meisten Arten (Schalenbau) wirkt sich ein kalkrei- Senckenberg-Museums Frankfurt a.M. und des cher Untergrund günstig auf den Artenreichtum Naturhistorischen Museums Wien. Die gleich- und die Bestandsdichten der Mollusken aus. Kalk- zeitige Mitarbeit an der neuen Roten Liste für das arme Regionen oder Biotope können jedoch Nachbarland Baden-Württemberg (Falkner, Col- ebenfalls faunistisch und naturschutzfachlich be- ling) lieferte wertvolle Anregungen. deutsame Artenspektren, oft mit spezifisch ange- passten bedrohten Vertretern, aufweisen (FALK- NER 1998). Bayern ist insbesondere durch seinen Faunistischer Kenntnisstand Alpenanteil und den erheblichen Anteil an den während der Eiszeiten unvergletscherten kalk- Seit der Bearbeitung durch Friedrich HELD (1847, reichen Mittelgebirgen innerhalb Deutschlands 1849) hat es für Bayern keine Gesamtfauna mehr das an Mollusken artenreichste Bundesland. Bei gegeben. Bemerkenswerterweise ist die geogra- Berücksichtigung der Unterarten ergibt sich au- phische Streuung und zeitliche Abfolge grundle- ßerdem ein bemerkenswert hoher Grad von En- gender Regionalfaunen in Nordbayern erheblich demismus. Die getrennte Einstufung von Subspe- dichter als in Südbayern. Den ersten Lokalfaunen cies ist daher ein Weg, der einer Bewertung der von H.C. Küster für den Erlanger und Bamberger tatsächlich vorhandenen Biodiversität und des re- Raum um die Mitte des 19. Jahrhunderts sind gionalen Endemismus sowie der damit verbunde- bis heute ohne größere Unterbrechungen wichti- nen Schutzverantwortung besser gerecht wird, ge zusammenfassende Bearbeitungen gefolgt als die bisher übliche (teilweise von den Behör- (zu nennen sind hier in zeitlicher Reihenfolge die den geforderte) Einstufung von „Gesamtarten“. Malakologen G. Schneider, S. Clessin, K. Flach, F. Sandberger, L. Koch, F. Meinel, D. Geyer, G. Ber- tram, A. Brückner, G. Zwanziger, E. Hässlein, BayLfU/166/2003 338 Rote Liste gefährdeter Schnecken und Muscheln (Mollusca) Bayerns A. Hampl, L. Hässlein, W. Vielhauer und K. Kittel). gewiesen werden, die zuvor unter Bythio- In Südbayern reißt die Tradition der Lokalfaunen speum acicula zusammengefasst wurden (BOE- bereits 1931 ab (Bearbeitungen erfolgten durch TERS 2002). Die Nichtbeachtung der Bythio- F.X. Walser, S. Clessin, O. Bachmann, R. Schröder, speen verschleiert die wahre Diversität der G. Zwanziger, A. Weber und J. Royer); für Südbay- Molluskenfauna und führt auch zur Nichtbeach- ern wären auch noch die Wassermollusken-Bear- tung ihrer spezifischen Biotope. Eine Neube- beitungen für die bayerischen Seen durch Clessin wertung der Bythiospeen führt auch in Bayern und für Bayrisch-Schwaben durch Hässlein anzu- zur Erkenntnis ausgestorbener Arten (Beispie- führen. Eine revidierte bayerische Gesamt-Arten- le: Bythiospeum turritum und sandbergeri). Bei liste mit Anmerkungen, die jedoch keine Landes- Bythiospeum saxigenum danubiale, das hier fauna ersetzen kann, wurde 1991 von FALKNER zum erstenmal für Bayern genannt wird, han- publiziert. delt es sich um ein neu entdecktes Vorkom- men im hyporheischen Interstitial eines Au- Kritisch ist die Tatsache zu sehen, dass aktuell die bachs in der Donau-Aue bei Faimingen, das als gesamte landesbezogene Binnenmollusken-For- hochgradig gefährdet angesehen werden schung in Bayern auf Privatinitiativen beruht. Es muss. gibt keine öffentliche Institution, in der die Kennt- nis der bayerischen Molluskenfauna gepflegt wird, und es gibt keine Kartierung, die jedoch Gefährdungssituation und Gefährdungs- dringend notwendig wäre. Die malakologische faktoren Landkarte Bayerns weist daher noch sehr ausge- dehnte weiße Flecken auf und es fehlt an der Allgemeines Initiierung und Koordination gezielter Nachfor- Betrachtet man Angaben über Molluskenvorkom- schungen, denen auch entsprechende Schutz- men in älterer Literatur oder den oft erstaunlichen maßnahmen in angemessener Zeit folgen sollten. Individuenreichtum historischer Belegserien in den Museen und vergleicht dies mit dem heuti- Die Notwendigkeit einer ausreichenden Beurtei- gen Stand, so ist eine allgemeine Tendenz zur Be- lungsbasis zeigen exemplarisch die folgenden na- standsabnahme bis hin zum Erlöschen von Popu- turschutzfachlich bedeutsamen Aktualisierungen lationen und dem Verschwinden von Arten ohne in der Gefährdungseinstufung bayerischer Mollus- weiteres belegbar. kenarten: Von insgesamt 337 bayerischen Mollusken-Taxa • Pisidium pulchellum: die spektakuläre Auffin- (Arten und Unterarten) sind 201 in den Gefähr- dung eines bisher unbekannten Lebendvor- dungskategorien der Roten Liste (0–D) eingestuft. kommens im Murnauer Moos führte zur Än- Nur noch knapp 30 % der in Bayern heimischen derung der Gefährdungskategorie von „0“ Mollusken können als völlig ungefährdet gelten. nach „1“. • Oxychilus clarus: die Höherstufung von Kate- In der Tabelle 1 wurde zum Vergleich mit den ent- gorie „1“ nach „0“ wurde erforderlich, da wei- sprechenden Zahlen für Gesamtdeutschland zu- terhin keine Lebendvorkommen dieser Art be- sätzlich eine Auswertung auf Artniveau eingefügt. kannt geworden sind. Wenn in der vorliegenden Roten Liste mehrere • Truncatellina claustralis: die Art wurde bisher unterschiedlich eingestufte Unterarten angeführt zu Unrecht für die bayerische Fauna vernach- sind, gilt für die Gesamtart (auf Bayern bezogen) lässigt, denn der von CLESSIN (1911) publizierte grundsätzlich die geringste für eine dieser Unter- Genistfund weist eindeutig auf ein Vorkommen arten vergebene Gefährdungsstufe ohne regiona- in Bayern hin. Wir können heute nur feststel- le Differenzierung. Die Stufen „R“, „G“ und „D“ len, dass die Art in Bayern in einem natürlichen bleiben für die Einstufung der Gesamtart unbe- Vorkommen vorhanden war und nicht wieder- rücksichtigt. gefunden wurde. • Gattung Bythiospeum: bei dieser Gattung wa- FFH-Arten ren die taxonomischen Konzepte in den letzten Besondere Beachtung verdienen die in Bayern 50 Jahren erheblichen Schwankungen unter- vorkommenden Arten des Anhangs II der worfen. Das jeglicher Begründung entbehren- FFH-Richtlinie: de „3-Arten-Konzept“ wurde aufgegeben und Vertigo angustior – Ein durch zahlreiche Neufunde zu einem maßvollen „Vielarten-Konzept“ (wie im bayerischen Alpenvorland