Eigentum Ver- Pflichtet
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EIGENTUM VER- PFLICHTET. Eine Kunstsammlung auf dem Prüfstand THE OBLIGATION O F OW N ER S H I P. An art collection under scrutiny GUIDE ABB — Die archäologisch- heimatkundliche Sammlung ver- PROVENIENZ- blieb während des Krieges im Museumsgebäude und wurde zerstört. Ruine des Städtischen Museums 1944, Ecke Karlstraße. © Zeppelin Museum FORSCHUNG FIG — During the war, the archaeo- logical, local historical collection AM ZEPPELIN remained inside the museum building and was destroyed in 1944. Ruin of the Municipal Museum 1944, at the corner of Karlstraße. MUSEUM © Zeppelin Museum Die Kunstsammlung des Zeppelin Museums ist erst 72 Jahre jung. Bei Luftangriffen im Jahr 1944 ging CLAUDIA EMMERT / INA NEDDERMEYER der gesamte Bestand des dama- ligen Bodensee-Museums unter. Aus diesem Grund musste man nach dem Krieg von vorn beginnen. Noch im selben Jahr Bereits im Dezember 1946 wurde der Vorfall zeigte, dass bei der Erfor- frühen Ankäufe erhebliche Eingriffe dachte man darüber ein Kulturbeirat gegründet, 1950 schung der Provenienzen der Werke an den Rückseiten. Die Ausstellung nach, ein neues dringender Handlungsbedarf bestand. beleuchtet daher die Netzwerke der Museum zu errichten. ein Kulturausschuss gebildet. Händler und zeigt, dass es weder VORWORT Dr. Herbert Hoffmann Anlässlich des zwanzigsten Jahres- im Kunsthandel noch in den Museen und Dr. Adolf Rieth, tags der Washingtoner Erklärung eine »Stunde Null« gab. beide für das Landes- setzt sich das Zeppelin Museum da- amt für Denkmalpflege Herausragende Werkbestände von her wissenschaftlich mit der Her- Für viele der untersuchten Werke in Tübingen tätig, halfen in der Otto Dix, Max Ackermann und kunftsgeschichte seiner Kunstwerke lässt sich die Frage nach Raubkunst Folgezeit der Stadt Friedrichshafen Andreas Feininger bilden die Beson- auseinander. Die Ausstellung bildet nicht eindeutig beantworten. Doch entscheidend beim Aufbau der derheit dieser Sammlung. den Abschluss eines zweijährigen die Ausstellung soll Transparenz schaf- Kunstsammlung. Das neue Städ Forschungsprojekts, das großzügig fen, auf die Notwendigkeit einer tische Bodensee-Museum, Vorgänger Als Museen in aller Welt im Jahr vom Deutschen Zentrum Kulturgut- kontinuierlichen Forschung hinweisen des Zeppelin Museums, wurde als 2016 den 125. Geburtstag von Otto verluste in Magdeburg gefördert und für das Museum möglichst weit- Bestandteil des Rathausneubaus am Dix feierten, wollte die Tate in wurde. gehend ausschließen, dass Kunst- 11. Oktober 1957 eröffnet. Liverpool vier Werke aus der Samm- werke in seinem Besitz sind, die einst lung des Zeppelin Museums in ihrer Das Besondere dieser Ausstellung geraubt oder enteignet wurden. Heute umfasst die hochwertige Dix-Ausstellung zeigen. Bei einem ist, dass Ankäufe nach 1945 in den Sammlung 3.882 Werke, darunter Aquarell, der Negerin, zog die Tate Blick genommen wurden, also Pro- 265 Gemälde, rund 1.000 Arbeiten die Leihanfrage zurück: Die Pro- venienzforschung unter erschwerten auf Papier, etwa 600 Fotografien, venienz sei problematisch und damit Bedingungen erfolgen musste. Einer- 60 Skulpturen und Plastiken, die Eigentumsverhältnisse nicht seits gibt es für den wiederaufblü- 20 Installationen und 26 Werke der ge klärt. Der Verdacht auf Raubkunst henden Kunstmarkt nach 1945 noch 3 zeitbasierten Medienkunst. konnte bei diesem Werk zwar zwei- zu wenig Grundlagenarbeiten, an- / 2 felsfrei ausgeräumt werden, doch dererseits zeigen gerade unsere Otto Dix, Max Ackermann, and generously supported by the Deut- PROVENANCE Andreas Feininger makes this collec- sches Zentrum Kulturgutverluste tion unique. (German Lost Art Foundation) in Magdeburg. RESEARCH In 2016, when museums all over the world were celebrating Otto Dix’ The show is defined by the fact that AT THE ZEPPELIN 125th birthday, the Tate in Liverpool the works under scrutiny were acqui- wanted to show four works from the red after 1945 which makes prove- Zeppelin Museum’s collection in their nance research especially challen- MUSEUM Dix exhibition. In one case the Tate ging. On the one hand, there is withdrew its request: the provenance not enough scientific groundwork The Zeppelin Museum’s art col- of the aquarelle »Negerin« (Negress) available on the reviving art market lection is only 72 years old. During seemed problematic and the owner- after 1945, and on the other hand, ship thus unclear. Although the many of our early acquisitions show air raids in 1944, the entire inven- suspicion of looted art could be ruled signs of severe tampering on their CLAUDIA EMMERT / INA NEDDERMEYER tory of the Bodensee Museum was out with absolute certainty, the versos. The exploration of the destroyed. After the war, this meant incident revealed the urgent need to dealers’ networks shows that neither investigate the works’ provenance. the art trade nor the museums had starting from scratch. A cultural — started over with a clean slate. advisory council was founded as In celebration of the 20th anniversary of the Washington Principles, the In many of the examined cases the In the same year the early as December 1946, followed Zeppelin Museum has undertaken a question of looted art cannot be idea to build a new mu- by a cultural committee in 1950. scientific examination of the history answered conclusively. However, the seum took shape. Sub- of its artworks. The exhibition con- aim of the exhibition is to create sequently Dr Herbert PREFACE cludes a two-year project which was transparency, to draw attention to Hoffmann and Dr Adolf the necessity of ongoing research, Rieth, both employed at the Landes- and to rule out, as far as possible, amt für Denkmalpflege in Tübingen that the museum is in possession of (State Office for the Preservation artworks derived from thefts or of Historical Monuments), played a confiscations. deciding role in helping the city of Friedrichshafen to establish a new collection. The new municipal Boden- see Museum, the Zeppelin Museum’s predecessor, was inaugurated on October, 11, 1957 as part of the new townhall. Today the first-rate collection com- ABB — Im Rijksmuseum in prises 3882 works including 265 Amsterdam, Sichtung der von den Nationalsozialisten beschlag- paintings, about 1000 works on paper, nahmten und verschleppten Kunst- werke, 1950. around 600 photographs, 60 sculp- © Collection Spaarnestad tures, 20 installations, and 26 works FIG — At the Rijksmuseum in 5 Amsterdam, inspection of the Nazi- from the field of time-based media / looted artworks, 1950. 4 art. The impressive store of works by © Collection Spaarnestad wurden nach 1945 angekauft und werden müssen: Kunstwerke, die das Projekt hatte mit speziellen Her- lediglich aufgrund der involvierten EIGENTUM ausforderungen zu kämpfen. Anders Händler als verdächtig eingestuft als für die Jahre zwischen 1933 und wurden, haben sich einige Male doch VERPFLICHTET. 1945 liegen Kataloge zu Auktionen als unproblematisch herausgestellt. nach 1945 nicht digitalisiert vor und Gleichwohl war der Handel mit Kunst EINE KUNST- erschweren die Rekonstruktion des aus ehemaligem jüdischen Besitz und Wegs eines Werks. Oft sind lokale mit geraubten Werken in der Nach- wie regionale Sammlungen oder auch kriegszeit ungebrochen. Mitunter ließ SAMMLUNG AUF DEM Sammler-Biographien nicht im Ansatz sich das Wissen um eine problema- erforscht und die Recherchen durch tische Vorprovenienz belegen – eben- strenge Schutzfristen von neuerem so wie deren Inkaufnahme. Skepsis PRÜFSTAND Archivgut mühsam. Schließlich liegen bleibt demzufolge dringend geboten. SABINE MÜCKE / FANNY STOYE SABINE MÜCKE / FANNY bislang wenig Grundlagenarbeiten vor zum wiederaufblühenden Kunst- Dieses Begleitheft will den interes- markt, zur Kontinuität wichtiger und sierten Besucherinnen und Besuchern aus der NS-Zeit bekannten Händlern eine knappe Zusammenfassung und ihren Kontakten, aber auch aller Ausstellungsbereiche und eine zu völlig neuen ›Mitspielern‹ in die- Auswahl zentraler Kunstwerke der Der Kunstraub der Nationalsozia- Weltkrieg getätigt wurden: Gab es sem Feld. Überhaupt war dies eine Sammlung an die Hand geben. Diese listen im Deutschen Reich ab 1933 nicht, so ist oft zu hören, eine Restitu- Kernfrage des Projekts am Zeppelin werden hier zudem kunsthistorisch bildet den Ausgangspunkt heutiger tions- und Wiedergutmachungspolitik Museum: Verkauften in den NS-Kunst- eingeordnet, um die Strategien beim Provenienzforschung. Diese ist eine mit finanzieller Entschädigung der handel involvierte Händler nach 1945 Aufbau der Kunstsammlung zu er- moralische Selbstverpflichtung an- Opfer? Doch nicht alle Überlebenden zwangsläufig NS-Raubkunst und ist hellen. Wie in der Ausstellung bilden gesichts von 6 Millionen ermordeten hatten die Kraft und die Ausdauer für ein Generalverdacht gegen sie sich hier chronologisch die Etappen europäischen Juden und solchen, eine solche juristische Auseinander- begründet? Woher bezogen sie ihre des Sammlungsaufbaus ab: Neben EINFÜHRUNG die zur Auswanderung gezwunge- setzung, die von kurzen Fristen und Ware nach dem Zweiten Weltkrieg? der Neugründung des Museums und nen wurden. Ihr Vermögen und ihre oft von behördlicher Skepsis gegen Erwerbungen aus dem Netzwerk Kunstgegenstände konnten sie nur in die Schilderung der Opfer geprägt Eindeutig festzustellen war das einschlägiger Kunsthändler werden geringem Umfang oder gegen Zah- war. Mitunter konnten Erben und Nach- Wiederanknüpfen von Kunsthändlern auch Phänomene wie der Kunsthandel lung von Steuern wie der »Reichs- fahren die geforderten Belege und an alte Kontakte und das Teilen von mit der DDR gestreift.