Traditio et Innovatio

Forschungsmagazin der Universität 15. Jahrgang | Heft 2 | 2010 | ISSN 1432-1513 | 4,50 Euro

Zur Geschichte der Universität Rostock 600 Jahre Traditio et Innovatio Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

im Jahr 2019 wird die Universität Rostock ihr 600-jähriges Bestehen feiern. Grund genug, schon jetzt in einer Ausgabe unseres Forschungsmagazins eine kurze Vor- schau auf dieses Jubiläum zu geben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten bieten Ihnen Einblicke in die Entwicklung unserer Alma Mater von einer spätmittelalterlichen Bildungseinrichtung hin zu einer national wie international anerkannten Universität von heute.

Impressum Aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln beschreiben die Autorinnen und Autoren die wechselvolle wie bewegende Geschichte der Universität Rostock mit ihren Per- Herausgeber: Der Rektor der Universität sönlichkeiten und Wissenschaftsbereichen. Sie, liebe Leserin, lieber Leser, können unter anderem die beiden Rostocker Professoren Hans Spemann und Karl von Frisch Redaktionsleitung: Dr. Kristin Nölting näher kennenlernen, die für ihre Forschungen auf dem Gebiet der Zoologie mit dem Universität Rostock Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Sie lesen etwas über den unschätzbaren Wert der Presse- und Kommunikationsstelle Ulmenstraße 69, 18057 Rostock Rostocker Matrikeln und die herausragende Sammlung medizinhistorischer Objekte. Fon +49(0)381 498-1012 In einem Beitrag über das Alltagsleben im 16. Jahrhundert an der Universität können Mail [email protected] Sie erfahren, dass ein Professor mit 400 Gulden im Jahr zu den Spitzenverdienern der Redaktion dieser Ausgabe: Universität gehörte und zu dieser Zeit den Studenten sogar die Kleidung und Frisur Prof. Dr. Kersten Krüger vorgeschrieben wurden. Und falls Sie sich schon einmal gefragt haben sollten, warum Wissenschaftlicher Beirat: man bei völliger Dunkelheit auch von „zappenduster“ spricht, in diesem Heft finden Sie Prof. Dr. darauf eine Antwort. Hermann Michael Niemann (Leitung) Prof. Dr.-Ing. Henning Bombeck Prof. Dr. Detlef Czybulka Gern möchte ich Sie einladen, den Autorinnen und Autoren auf ihren Streifzügen durch Prof. Dr.-Ing. Nils Damaschke Prof. Dr. Franz-Josef Holznagel unsere Universitätsgeschichte zu folgen. Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre. Prof. Dr. Matthias Junge Prof. Dr.-Ing. habil. Mathias Paschen Ihr Prof. Dr. Ursula van Rienen Prof. Dr. Dieter G. Weiss

Titelbild: „Das alte Rostock in Photo­ graphien von Karl Eschenburg“ © Hinstorff Verlag, Rostock, 2004, S. 101

Layout: Hinstorff Media, Matthias Timm Prof. Dr. Wolfgang Schareck Rektor Druck: Stadtdruckerei Weidner GmbH

Auflage: 3.000 Exemplare

ISSN 1432-1513

Die Rechte der veröffentlichten Beiträge einschließlich der Abbildungen, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei der Universität Rostock. Copyright nur bei vorheriger Anfrage in der Redaktion und mit Angabe der Quelle.

2 Traditio et Innovatio 2|10 Editorial

600 Jahre Traditio et Innovatio

Eine Vorschau auf das Jubiläum der Universität Rostock 2019

Kersten Krüger

Menschen „ernten nicht Früchte der Ge- genden Ergebnisse mit den erkennbaren Erkenntnis, und Erkenntnisfortschritte burt, sondern den Geist der Intelligenz, Forschungslücken ergeben. im Sinne der Innovatio werden wir erlan- deren Ursprung in wahrhaftiger Wiss- gen, wenn wir uns den Strahlen der rei- begierde liegt“ (non nativitatis depasc- Insgesamt konnten 24 Beiträge auf- nen Wissenschaft öffnen, dabei jedoch unt fructus, sed intelligentiæ spiritum, genommen werden, die drei Themen- im Sinne der Traditio die Billigkeit, das eandem cujus initium verissima est dis- bereichen zugeordnet sind. Zur wech- heißt den Anstand achten. ■ ciplinæ concupiscentia). Mit diesem er- selvollen Geschichte der Rostocker kenntnistheoretischen Grundsatz leitete Bildungseinrichtung liegen fünf Beiträge Papst Martin V. 1419 seine Stiftungsur- vor, die von der allgemeinen Geschich- Intelligence comes from the thirst for hu- kunde für die Universität Rostock ein. te bis zur Universität Rostock im Film man knowledge - these were the words Er lobte die Gründer – die Herzöge von reichen. Ebenfalls fünf Darstellungen used by Pope Martin V in 1419 at the Mecklenburg, den Bischof von Schwerin widmen sich den Menschen an der Uni- founding of the . sowie Bürgermeister und Rat der Stadt versität – von Nobelpreisträgern bis zu And this motto still applies today. In Rostock – für ihren „erfolgreichen heilsa- studierenden Frauen. Am stärksten sind view of the 600th anniversary in 2019, men Wunsch, dass hier die Ungebildeten die Wissenschaftsbereiche mit 14 histo- this book gives an overview of activities mit offenen Sinnen zu Disziplin und Weis- rischen Einblicken vertreten, davon einer in the history of the university. A total of heit erzogen werden, dass unter Achtung zur Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, zwei 24 contributions present the varied his- der Billigkeit die Urteilskraft wachse und zur Juristischen Fakultät (Universitäts- tory of the university, the people at the der Verstand sich den ausgebreiteten verfassung, Spruchakten), drei aus der university and individual scientific fields. Strahlen des Universums hellerer Rein- Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Further research is necessary before heit öffne“ (successu optato salubri, ut Fakultät (Chemie, Physik, Zoologie), 2019 to compile a new complete over- inibi hujusmodi disciplinæ sapientiæqve fünf aus der Medizinischen (Medizinhis- view of the history of the university and poris apertis erudiantur simplices, æqui- torische Datenbank, Kliniken, NS- und an exhibition. tate servata Judicii concrescat ratio & DDR-Zeit), drei aus der Philosophischen puritatis expansis radiis universorum cla- (Germanistik, Philosophie) sowie einer rius patescant intellectus). aus dem Bereich der Theologischen Fa- kultät (David Chyträus). Diese Sätze haben auch nach bald 600 Jahren ihre Bedeutung nicht verloren. Damit ist ein erster, vielversprechen- Das Universitätsjubiläum des Jahres der Anfang dokumentiert. Weitere For- 2019 wirft seine Schatten voraus und schungen sind nötig, um bis zum Jubi- gibt Anlass, in diesem Sonderheft einen läum zwei große Ziele zu erreichen: eine ersten Querschnitt laufender Aktivitäten neue Gesamtdarstellung der Geschich- zur Geschichte unserer Universität zu te unserer Universität und eine an die präsentieren. Eine Gesamtkonzeption ist breite Öffentlichkeit gerichtete große Prof. Dr. Kersten Krüger, seit 2004 damit nicht erreicht, diese wird sich viel- Ausstellung. Nach wie vor steht Wiss- Beauftragter des Rektors für die Vor­ mehr durch Zusammenschau der vorlie- begier am Anfang wissenschaftlicher bereitung des Jubiläums 2019

Universität Rostock 3 Inhalt

Editorial Vorwort des Rektors 2 Die Geschichte der Prof. Dr. Wolfgang Schareck Universität Rostock 600 Jahre Traditio et Innovatio 3 Eine Vorschau auf das Jubiläum der in Bildern Universität Rostock 2019 Angela Hartwig und Ernst Münch Kersten Krüger Seite 13 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung Von der „Leuchte des Nordens“ zur Landesuniversität für Mecklenburg 6 Die Universität Rostock zwischen „traditio“ und „innovatio“ im Wandel der Jahrhunderte Matthias Asche Die Siegel, Signets und Logos der Universität im Wandel der Geschichte 9 Die Wilbrandts: Eine Karl-Heinz Jügelt und Karl-Heinz Kutz Die Geschichte der Rostocker Akademiker­ Universität Rostock in Bildern 13 familie Angela Hartwig und Ernst Münch Nikolaus Werz Das Rostocker Universitätsarchiv 16 Angela Hartwig Seite 24 Die filmische Chronik der Universität Rostock 19 Wolfgang Roßmannek

Menschen an der Universität Zwei Rostocker Zoologie- Professoren als Nobelpreisträger 21 Hans Spemann und Karl von Frisch Dieter G. Weiss Die Wilbrandts: Rostocker Gelehrte – Eine Rostocker Akademiker­familie 24 Studenten und Nikolaus Werz Verband Ehemaliger Professoren aus sechs Rostocker Studenten (VERS) 27 Jahrhunderten Peter Moeller Doreen Brandt, Matthias Glasow, Rostocker Gelehrte – Karsten Labahn und Robert Stephan Studenten und Professoren aus sechs Jahrhunderten 28 Doreen Brandt, Matthias Glasow, Seite 28 Karsten Labahn und Robert Stephan Geschichte des Frauenstudiums an der Universität Rostock 31 Bettina Kleinschmidt

4 Traditio et Innovatio 2|10 Inhalt

Zur Geschichte Abitur für Hühnerfeen der Wissenschaftsbereiche Abitur für Hühnerfeen und Waldschrate 35 und Waldschrate Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät der Christian Hall Universität Rostock Christian Hall Seite 35 Die Geschichte der Chemie an der Universität Rostock 38 Gisela Boeck Die Physik und ihre Geschichte 41 Reinhard Mahnke Die Geschichte der Zoologie in Rostock 43 Ragnar K. Kinzelbach Das Projekt Medizinhistorische Datenbank Universität Rostock 47 Christian Dahlke Recht und Verfassung 110 Jahre Hals-Nasen-Ohrenklinik Rostock 48 Burkhard Kramp der Universität Rostock Die Entwicklung des ersten deutschen Lehrstuhls für Mund- und in der frühen Neuzeit Zahnkrankheiten an der Hilde Michael Universität Rostock 51 Heinrich von Schwanewede und Armin Andrä Seite 62 Die Opfer der„Euthanasie-Aktion T4“ der Uni-Nervenklinik Rostock-Gehlsheim 54 Kathleen Haack und Ekkehardt Kumbier Psychiater im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft 56 Zum Umgang mit Hochschullehrern an der Universitäts­nervenklinik Rostock in der SBZ und DDR bis 1961 Ekkehardt Kumbier und Kathleen Haack Spruchakten und Sprüche der Juristischen David Chytraeus Fakultät der Universität Rostock 58 (1530 – 1600) und der Ralph Weber Recht und Verfassung der Alltag an der Universität Rostock in der frühen Neuzeit 62 Universität Rostock Hilde Michael Germanistik in der DDR 64 Harald Bollbuck Jan Cölln Moritz Schlick und Emil Utitz 66 Seite 69 Projekte zur Geschichte der Philosophie an der Universität Rostock von 1898 bis 1948 Mathias Iven David Chytraeus (1530 – 1600) und der Alltag an der Universität Rostock 69 Harald Bollbuck

Universität Rostock 5 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Von der „Leuchte des Nordens“ zur Landesuniversität für Mecklenburg

Die Universität Rostock zwischen „traditio“ und „innovatio“ im Wandel der Jahrhunderte

Matthias Asche

Auf dem Weg von der ausschließlich aus den Territorien und tergabe von Lehrstühlen vom Vater auf Hanse­universität zur Landes­ Städten im Ostsee- und Hanseraum – den Sohn oder Schwiegersohn, deren uni­versität – die Rostocker von Dortmund bis ins estnische Tallinn sozial konservierende Strukturen die Hoch­schule in den ersten und von Magdeburg bis ins norwegische Rezeption innovativer Wissenschafts- vier Jahrhunderten Trondheim –, für den Rostock die älteste konzeptionen von außen – vor allem der Hochschule überhaupt darstellte. aufgeklärten Reformuniversitäten Halle und Göttingen – zumindest langfristig Die bald 600-jährige Geschichte der bis Nach zuweilen zähen Kämpfen um die eher hemmte als förderte. Verbunden heute gerne mit dem Attribut „Leuchte Verankerung humanistischer Lehrin- mit den verheerenden ökonomischen des Nordens“ (Vandaliae lumen) aus halte im Unterricht und um die Durch- Folgen des Dreißigjährigen Krieges dem späthumanistischen Lobgedicht setzung der Reformation in Stadt und für Stadt und Land entwickelte sich die des Chronisten Peter Lindenberg auf Universität konnte Rostock im Konfessi- stets unterfinanzierte Rostocker Uni- die Stadt an der Warnow versehenen onellen Zeitalter zur geistig-kulturellen versität im Laufe des 18. Jahrhunderts Universität Rostock ist eine Geschichte Drehscheibe in Norddeutschland und zu einer kleinen, frequenzschwachen des spannungsvollen Ringens zwischen Nordeuropa schlechthin avancieren, Landesuniversität für Mecklenburg, die den Prinzipien „traditio“ und „innovatio“. ja geradezu als der Prototyp einer die freilich zu jeder Zeit ihrer wichtigsten Bereits der eigentümliche Gründungs- Wittenberger Muster konsequent um- Aufgabe – der Rekrutierung der sozia- vorgang der Hochschule im Jahre 1419 setzenden lutherischen Landesuniver- len Eliten im Herzogtum – nachgekom- verweist auf die noch bis an die Schwelle sität humanistischer Prägung gelten. men ist. zum 19. Jahrhundert brisante Proble- Die mecklenburgische Hochschule matik, wer eigentlich der Universitäts- erlebte zwar um 1600 mit weithin be- Die Eskalation der latenten Konflikte zwi- gründer gewesen ist – die mecklenbur- rühmten Professoren unter dem Sig- schen den Landesherren und der Stadt gischen Herzöge oder die wirtschaftlich num späthumanistisch-polyhistorischer führte nach 1760 für 29 Jahre zu einer prosperierende und politisch aufstre- Gelehrsamkeit eine in ihrer Geschichte Lähmung des akademischen Lebens bende mächtigste Stadt in deren Territo- beispiellose Blütezeit, entwickelte je- an der in eine herzogliche, aufgeklärt- rium in Kooperation mit den wendischen doch die auch an vielen anderen pro- pietistische Universität in Bützow und Hansestädten? Das Lehrpersonal und testantischen Bildungsanstalten so eine in Rostock verbliebene, rätliche, die Studentenschaft jedenfalls stamm- typischen Elemente einer „Familienuni- orthodox lutherische Rumpfhochschule ten zumindest im ersten Jahrhundert fast versität“ mit der quasi erblichen Wei- gespaltenen Bildungsanstalt.

6 Traditio et Innovatio 2|10 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Regionales Einzugsgebiet der Universität Rostock in ihrer Blütezeit um 1800 (aus: Matthias Asche: Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen Landeshochschule. Das regionale und soziale Besucherprofil der Universitäten Rostock und Bützow in der Frühen Neuzeit [1500 – 1800]. 2. Aufl., Stuttgart 2010)

Universität Rostock 7 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Klein, aber eigenwillig – DDR und der zentral gelenkten staatli- Der Autor die Universität Rostock seit chen Bildungspolitik anhält; heute gibt es dem 19. Jahrhundert an der Universität neun Fakultäten, dar- unter allein drei technisch ausgerichtete. Auch nach der Rückführung der Bützo- wer Professoren mangelte es in Rostock Rostock trägt bereits seit dem 18. Jahr- an nachhaltigen wissenschaftlichen hundert den Charakter einer Landesuni- Neu­ansätzen, so dass die Hochschule versität für Mecklenburg – bis 1918 sogar nur einen bescheidenen Anteil am all- noch weitgehend beschränkt auf Stu- gemeinen Aufschwung des deutschen denten aus dem Schweriner Großher- Universitätswesens im 19. Jahrhundert zogtum. Ausländer machten auch nach nehmen konnte. Rostock blieb zwar bis 1945 unter den Rostocker Universitäts- Apl. Prof. Dr. phil. Matthias Asche weit ins 20. Jahrhundert die frequenz- besuchern nur einen verschwindend ge- schwächste Volluniversität im Deut- ringen Anteil aus – bis 1990 ohnehin, als 1988 –1995 Studium der Geschichte, schen Reich, allerdings immer auch auch andernorts in der DDR nur wenige Politikwissenschaft und Germanistik an den Universitäten Osnabrück und Symbol mecklenburgischer Eigenstaat- Gaststudenten aus den „sozialistischen Wien; 1994 Gasthörer an der Universität lichkeit – insbesondere in konsequen- Bruderländern“ zum Auslandsstudium Rostock; 1995–1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere Ge- ter Abgrenzung gegenüber den die zugelassen wurden. Unter dem Eindruck schichte des Historischen Seminars der geistig-wissenschaftlichen Diskurse in eines heute politisch gewollten Wettbe- Eberhard-Karls-Universität Tübingen; werbs der deutschen Universitäten, von 1997 Promotion an der Eberhard-Karls- Deutschland maßgeblich bestimmenden Universität Tübingen mit einer Studie preußischen Universitäten. Dass in Ros- europäischen Austauschprogrammen zur Sozial- und Kulturgeschichte der tock – immerhin als letzte der deutschen und internationaler Netzwerkbildung Studentenschaft an den Universitäten Rostock und Bützow in der Frühen Universitäten – noch bis zum Zweiten erhöht sich der Anteil ausländischer Neuzeit; 1997–2003 wissenschaftlicher Weltkrieg an den klassischen vier Fa- Studenten zwar seither kontinuierlich; Assistent am Lehrstuhl für Neuere Ge- schichte des Historischen Seminars der kultäten (Philosophie, Theologie, Juris- im Jahre 2002 wurde erstmals die Marke Eberhard-Karls-Universität Tübingen; prudenz, Medizin) festgehalten wurde, von 5 Prozent überschritten. Dennoch 2003 Habilitation mit einer Studie zur zeigt das bemerkenswerte Bemühen, an stammt weiterhin die Masse der Studie- Migrations- und Konfessionsgeschichte im 17. und 18. Jahrhundert; seit 2003 der Einheit der philosophischen Fächer renden „aus der Region“ und konserviert Hochschuldozent am Historischen festzuhalten und sich der andernorts somit die noch aus der Zeit vor 1800 Seminar der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Fachgebiet: Neuere Ge- zunehmenden fachlichen Ausdifferen- stammenden Traditionen Rostocks als schichte); 2005/08 mehrere Lehrstuhl- zierung und Spezialisierung zu entzie- mecklenburgische Landesuniversität, vertretungen an der Friedrich-Schiller- die nach Leipzig heute immerhin die Universität Jena; 2006 apl. Professor für hen, mithin in gewisser Weise sogar die Neuere Geschichte Kontinuität des neuhumanistisch-idea- zweitälteste ohne Unterbrechungen be- listischen Bildungsprogramms im Sinne stehende Hochschule in der Bundesre- Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Humboldts zu wahren. Erst die nach publik ist. ■ Geschichte des Alten Reiches und 1946 begonnene Hinwendung der Uni- Alteuropas in der Frühen Neuzeit; Ver- gleichende Universitäts-, Bildungs- und versität Rostock zu den anwendungsbe- Tradition and innovation are heritage Wissenschaftsgeschichte; Vergleichen- zogenen Fächern im Zeichen des „sozia- and mission of today’s second oldest de Landes- und Konfessionsgeschichte; listischen Fortschritts“, zu dem immerhin German university in Rostock. This area Migrationsgeschichte Alteuropas; Militär und Gesellschaft in der Frühen auch das kurzzeitige Experiment einer of tension, never free of conflict, evi- Neuzeit eigenen Arbeiter- und Bauernfakultät dences in a variety of ways the nearly six Eberhard-Karls-Universität Tübingen gehörte, führte zur Ausgliederung von centuries-long history of the state univer- Historisches Seminar, zuvor im philosophischen Fächerkanon sity in Mecklenburg, which in its heyday Abteilung Neuere Geschichte Wilhelmstr. 36, 72074 Tübingen zusammengefassten Disziplinen (Land- around 1600 was known as the ‘light of Fon +49(0)7071 297-4669 wirtschaftliche, Technische und Inge- the north’ – both in terms of the origin of Mail [email protected] nieurökonomische Fakultät) – eine Ent- its students and professors and its scien- wicklung, die auch nach dem Ende der tific organisation and constitution.

8 Traditio et Innovatio 2|10 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Die Siegel, Signets und Logos der Universität im Wandel der Geschichte

Karl-Heinz Jügelt und Karl-Heinz Kutz

Zwei Siegel repräsentierten an einer Urkunde aus dem Jahre 1443 im Das auch im Original erhalten gebliebe- die Universität fünfhundert Landeshauptarchiv Schwerin. ne spitzovale Rektorsiegel aus Messing Jahre misst 4,2 x 5,8 cm und hat noch seinen Das Siegelbild zeigt einen großen Bal- alten hölzernen Griff. Es trägt die Um- „WIR Rektor und Concilium“ oder de- dachin mit kuppelförmiger Spitze, unter schrift: „Sigillum rectoris universitatis ren lateinische Version im Kopf eines dem Christus steht, der die mit einem studii Rozstokcen.“. Als Amtssiegel des geschriebenen oder gedruckten Doku- Kreuz ergänzte Weltkugel hält – so Rektorats war es ein Hoheitszeichen mentes war in den ersten Jahrhunderten kirchliche und weltliche Gewalt vereint und diente zur Beglaubigung von Do- der Geschichte der Universität Rostock darstellend – und der einem vor ihm kumenten. In Vertragstexten wurde es völlig ausreichend für die Repräsentation Knienden im Priester- oder Diakonenge- meist „gewöhnliches Siegel“ der Univer- der Universität nach außen und innen. wand, dem bischöflichen Kanzler, einem sität genannt. Zur Beglaubigung besonderer Urkunden Professor oder Rektor gleichend, eine wurde zusätzlich das Große Universi- aufgeschlagene Bibel überreicht. Über Es zeigt im Siegelbild zwei in einem Chor tätssiegel (Abb. 1) verwendet; Schreiben beide Figuren zieht sich ein schmales stehende Personen im Talar, den kni- oder Verträge sowie geschriebene oder Spruchband mit einer Inschrift aus zwei enden Pedellen mit dem geschulterten gedruckte Patente erhielten ihren amt­ Bibelstellen, die lauten sollen: „Suchet in Zepter vor dem Rektor, dem er als höchs- lichen Charakter durch das sogenannte der Schrift und lernet von mir; denn ich tem Repräsentanten und Gerichtsherren Rektorsiegel (Abb. 2). Beide Siegel wur- bin sanftmütig und von Herzen demü- der Universität das Zepter bei feierlichen den über Jahrhunderte überliefert, nach- tig“. Im unteren Bereich des Siegelbildes Anlässen voranzutragen hat. 1990 wur- dem sie am 12. November 1419 dem befindet sich ein Wappenschild mit dem de die Tradition des Zeptertragens mit Gründungsrektor der Universität nach Rostocker Greif, das den Standort der der Amtseinführung eines frei gewählten Ablegung seines Eides mit anderen In- Universität bezeichnet. Rektors wieder eingeführt. signien und Requisiten, den Zeptern als Zeichen der Würde der Universität, der Matrikel, dem Statutenbuch und der Arca oder Lade überreicht worden waren.

Das Große Universitätssiegel ist rund, hat einem Durchmesser von 87 mm und trägt die Umschrift „Sigillum universita- tis studii Rozstockcensis“. Wegen des seltenen Gebrauchs wurde es schon im 18. Jahrhundert „Jubiläumssiegel“ ge- nannt. Ein Wachs-Abdruck befindet sich Abbildung 1: Großes Universitätssiegel Abbildung 2: Rektorsiegel

Universität Rostock 9 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Die Fakultäten hatten tät – hatten eigene Siegel (Abb. 3, 4, 5, 6), Das Signet für die ihre eigenen Siegel die von den Dekanen verwaltet und mit 550-Jahrfeier und sein der zusätzlichen Formel „Decanus, Seni- unverdientes Schicksal Die vier traditionellen Fakultäten – die or et reliqui Professores Facultatis …“ zur Theologische, Juristische, Medizinische Beglaubigung z. B. von Zeugnissen und In Vorbereitung auf die 550-Jahrfeier und Artisten- bzw. Philosophische Fakul- Doktorurkunden verwendet wurden. der Universität 1969 beauftragte die dama­lige Universitätsleitung mehrere Künstler der Region, Entwürfe für die Gestaltung von Plakaten, Münzen, Me- daillen und Ehrennadeln sowie Brief- kuverts einzureichen. Die Wahl fiel auf die Entwürfe des Grafikers Eberhard Heinicker, die er im Rahmen seiner ausgezeichneten Examensarbeit an der Hochschule für Angewandte Kunst in Heiligendamm gestaltet hatte. Aus- gangspunkt und zentraler Blickfang seiner Entwürfe war ein Signet, das aufgeschlagene Bücher in einer Weise stilisiert, die an das Portal des Hauptge- Abbildung 3: Theologische Fakultät: Abbildung 5: Medizinische Fakultät: bäudes mit sieben Türmen für die Stadt Runder Siegelstempel mit der Um- Spitzovaler Siegelstempel mit Rostock erinnert (Abb. 7). Für dieses schrift „FACVLTATIS THEOLOGICÆ der Umschrift „SIGILLVM MEDICÆ schöne, wie treffend eindrucksvolle Si- ROSTOCHIENSIS“ (16. Jahrhundert); FACVLTATIS ACADEMIÆ gnet von Eberhard Heinicker aus dem Messing, 3,8 cm Durchmesser. ROSTOCHIENSIS“ (1568). Jahr 1967 mit seinem hohem Wiederer- Siegelbild: „Auferstanderner, segnender Siegelbild: „Evangelist Lukas mit Buch kennungswert konnte bis heute – trotz Christus mit Fahne“ und Stier“ zahlreicher Versuche – kein besseres Logo im Sinne eines Corporate Design gefunden werden. Es wurde 1990 nach Auffassung der Autoren zu Unrecht vom Akademischen Senat mit der Dritten Hochschulreform der DDR 1968 und der späteren Namensgebung „Wilhelm- Pieck-Universität“ im Jahre 1976 in Zusammenhang gebracht und deshalb unter dem Gedanken der demokrati- schen Erneuerung abgeschafft. In den vergangenen fast 20 Jahren hatte leider keine Universitätsleitung den Mut, diese Fehlentscheidung zu korrigieren. Abbildung 4: Juristische Fakultät: Abbildung 6: Philosophische Fakultät: Runder Siegelstempel mit der Spitzovaler Siegelstempel mit der Um- Bis 1990 wurde außerdem das zeitlose Umschrift „+S(igillum) + Facultatis + schrift in Fraktur „S. Decani facultatis Wissenschaftsmotto „THEORIA CUM juridice + Rostochiensis“. Messing philos. studii Rostochiensis“, 2 x 4 cm, PRAXI“ als Wortmarke häufig sowohl als 4,0 cm Durchmesser. nach Verlust des Originals nur als Gips­ Siegelumschrift und nach 1968 auch als Siegelbild: „Geflügelter (Rostocker) abdruck und als Gummistempel vorhan- Signetumschrift an der Universität ver- Greif“ den. Siegelbild: „Kreuztragender Jesus“ wendet (Abb. 7). Sogar einige Universi-

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Abbildung 7: Das Signet für die Abbildung 8: Großes Siegel der Abbildung 9: Großes Siegel der 550-Jahrfeier Universität Rostock mit Umschrift Universität Rostock ohne Umschrift

Abbildung 10: Aktuelles Logo der Universität Rostock tätsgebäude trugen diese Inschrift. Als schulen in Deutschland. So auch an der für das Neue im Historischen gefunden im Jahre 1992 die -Brandenburgi- Universität Rostock, wo die Suche nach wurde, bildet diese Wortmarke eine zeit- sche Akademie der Wissenschaften neu einem neuen Logo und einem Leitmo- lose Einheit. Die damalige Universitäts- gegründet wurde, die in der großen Tra- tiv einherging mit der demokratischen leitung wollte eigentlich dieses Leitmotiv dition des Akademiegründers Gottfried Erneuerung der Universität. Mit den auf die Zeit um das Jubiläum herum be- Wilhelm Leibniz steht, der der wechsel- Vorbereitungen zum 575. Gründungs- grenzen. „TRADITIO ET INNOVATIO“ seitigen Befruchtung von Theorie und jubiläum der Universität im Jahre 1994 fand jedoch innerhalb und außerhalb der Praxis ein hohes Gewicht beimaß und begann eine intensive Suche nach ei- Universität als Wortmarke sehr schnell schon 1696 das Motto „THEORIA CUM nem Identität stiftenden Leitbild, das eine große Akzeptanz und Eigendyna- PRAXI“ als Wahlspruch über sein Ge- dringend zur Darstellung der Universität mik. Als Leitmotiv wurde es in den nach- samtwerk gestellt hatte, gewann auch nach innen und außen benötigt wurde. folgenden Jahren, bis heute, mit ver- dieses Leitmotiv wieder eine historische So war einer der Autoren als damaliger schiedenen Zusätzen oder Untertiteln Heimat zurück und war für die Universität Pressesprecher ganz besonders gefor- in zahlreichen Universitätspublikationen Rostock nicht mehr verwendbar. dert. Ausgehend von einer historischen verwendet. Zum Beispiel: „Universität Tradition, wie sie nur wenige Universi- Rostock – alte immer wieder junge Uni- täten in Deutschland haben, und dem versität“ oder „Alma Mater Rostochien- Die Suche nach einem Streben nach umfassender Erneuerung sis – alte immer wieder neue Universi- Leitbild in den 90er-Jahren drängte sich das Leitmotiv „TRADITIO tät“. Da zu der Wortmarke – trotz vieler ET INNOVATIO“ geradezu auf. Auch aufwändiger Versuche – kein treffendes In den Jahren 1992 / 93 entbrannte eine unter dem Aspekt, dass sehr oft in der Logo gefunden werden konnte, wurde Leitbild-Diskussion an vielen Hoch- Wissenschaftsgeschichte der Schlüssel für Universitätspublikationen stets das

Universität Rostock 11 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

In the first centuries in the history of the Die Autoren University of Rostock the phrase ‘WE are rector and council’ as header of a document was completely sufficient for the representation of the university both internally and externally. For particular records the great university seal was also used. Writings, contracts and pat- ents obtained their official character from the rector’s seal. The four traditional fac- ulties – the Faculties of Theology, Law, Medicine, Art and/or Philosophy – had their own seals with an equally official

Oberbibliotheksrat Dr. Ing. Karl-Heinz Kutz character. Prof. Dr. phil. Karl-Heinz Jügelt Studium der Metallkunde und Werkstoff- Only for the 550th centenary of the uni- geboren 1934; Studium der Finno-Ugristik technik an der Bergakademie Freiberg und der Bibliothekswissenschaft an der (Diplom 1972); danach wissenschaftlicher versity was an impressive signet cre- Humboldt-Universität zu Berlin (Diplom Assistent an der Universität Rostock, ated by designer Eberhard Heinicker, 1957 bzw. 1962); 1959 bis 1972 wissen- Wissenschaftsbereich Werkstofftechnik; schaftlicher Bibliothekar bzw. stellver- 1979 Promotion zum Dr. Ing. auf dem which was used as a logo in the sense tretender Abteilungsdirektor in der Deut- Gebiet der Sonderstahlkunde; 1983 of a corporate design. Until 1990 the schen Staatsbibliothek Berlin; 1972 bis Verleihung der Facultas docendi für das timeless science motto, ‘THEORIA CUM 1992 Bibliotheksdirektor und 1992 – 1999 Lehrgebiet Werkstofftechnik; 1985 – 1989 Kustos der Universität Rostock. Promo- B-Aspirantur an der Universität Rostock PRAXI’ was used, often also as a seal, tion 1976 zum Dr. phil. auf dem Gebiet zum Thema Neugestaltung der Ingenieur­ and after 1969 also as a signet notation der Hungarologie; 1986 Facultas Docendi ausbildung; bis 2006 Pressesprecher der für Bibliothekswissenschaft; 1988 a. o. Universität Rostock; seit dem Herbstse- of the university. Because of the histori- Professur für Bibliothekswissenschaft; mester 2006 wissenschaftlicher Mitarbei- cal tradition, which only few universities 1999 Ruhestand. ter am Lehrstuhl für Werkstofftechnik. in have, and the quest for Universität Rostock Universität Rostock comprehensive renovation, the motto Universitätsarchiv Fakultät für Maschinenbau und ‘TRADITIO ET INNOVATIO’ was virtu- Schwaansche Str. 4, 18055 Rostock Schiffstechnik Fon +49(0)381 498-8623 Lehrstuhl für Werkstofftechnik ally forced after 1990 as a wordmark Fax +49(0)381 498-8622 Albert-Einstein-Str. 2, 18059 Rostock and very quickly found great acceptance Mail [email protected] Fon +49(0)381 498-9475 Mail [email protected] both inside and outside the university. Privat: Since the spring of 2009, the university Anton-Makarenko-Str. 2,18106 Rostock has showcased itself not only with a new Fon +49(0)381 713858 Mail [email protected] appearance on the internet but also with a new corporate design.

als Übergangslösung gedachte Große um in diesem Wettbewerb besser beste- rate Design als Gestaltungselement Siegel der Universität mit und ohne Um- hen zu können. und grafisches Gegenstück eine blaue schrift verwendet (Abb. 8 und 9). Kugel mit drei weißen Streifen als Ver- Die Universität Rostock präsentiert sich körperung von Innovation, Bewegung Weil der nationale und internationale seit dem Frühjahr 2009 nicht nur mit und Kommunikation zur Seite gestellt Wettbewerb in der Hochschullandschaft einem neuen Webauftritt im Internet, bekommen. Auf der Website überrascht weiter zunimmt und härter wird, war es sondern auch mit einem neuen Corpo- das Große Universitätssiegel in Blau mit zwingend, der Universität Rostock ein rate Design (Abb. 10). Das traditionelle einer Überblendung durch die Kugel- neues, zeitgemäßes Gesicht zu geben, Große Siegel hat in dem neuen Corpo- form. ■

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Die Geschichte der Universität Rostock in Bildern

Angela Hartwig und Ernst Münch

Über den Wert er­hebliche, erkenntnisfördernde Bedeu- genstand wie die Universitätsgeschichte gegenständlicher und tung gewonnen, sondern auch nament- einen besonderen Stellenwert. bildlicher Quellen lich für eine möglichst öffentlichkeits- wirksame Präsentation von Ergebnissen Gegenständliche und bildliche Quellen historischer Forschungen. Die Idee der Darstellung haben seit der jüngeren Vergangenheit neben der Schriftlichkeit als traditioneller Dieser Ruf nach Visualisierung besitzt Gerade für eine alte Universität wie die Hauptquelle geschichtswissenschaft­ ebenfalls für einen oberflächlich zu- Rostocker Alma Mater Rostochiensis, licher Forschung nicht nur für die fach­ nächst vielleicht eher geistesgeschicht- als die älteste des gesamten Ostsee- liche Arbeit im engeren Sinne eine lich, trocken und sperrig wirkenden Ge- raums im Jahre 1419 gegründet, hat sich

Abbildung 1: Festzug 1994 in der Kröpeliner Straße mit Darstellern in historischer Kleidung

Universität Rostock 13 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Abbildung 2: Gesamtansicht des ältesten Matrikelbuchs Abbildung 3: Großes und kleines Zepterpaar und der Universität Amtskette des Rektors

Abbildung 4: Rekonstruktion der Ansicht des Hopfenmarktes

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über die nunmehr fast 600 Jahre ihres des Historischen Instituts der Universität Bestehens neben den Urkunden, Akten Rostock im Ergebnis einer von beiden Die Autoren und sonstigen Schriftquellen eine Viel- Herausgebern durchgeführten Lehrver- zahl von Gegenständen sowie bildlichen anstaltung ausgewählt, eingeleitet und Darstellungen, zum nicht geringen Teil kommentiert wurden. von künstlerischem Wert, und seit der Erfindung der Photographie im 19. Jahr- Inhaltliche Schwerpunkte ergaben sich hundert photographischen Abbildungen aus der unterschiedlichen Semantik erhalten, die die Geschichte der Ros- des Begriffes Universität. Meinte er tocker „Academie“ oder Hohen Schule ursprünglich universitas als Gemein- nicht nur bloß illustrieren, sondern oft schaft, in diesem Falle von Lernenden unmittelbarer, eindrucksvoller und plas- und Lehrenden, so wurden – ähnlich Dipl.-Hist. Angela Hartwig tischer „abbilden“ als viele Seiten eines wie für andere Begriffe, wie etwa die Kir- Vita siehe Seite 18 schriftlichen Dokuments. Hinzu kommt, che – später darunter auch das oder die Prof. Dr. phil. habil. Ernst Münch dass wichtige Gegenstände, wie etwa Gebäude der Hohen Schule verstanden Siegel, Zepter oder Amtskette des Rek- und schließlich ebenfalls die Vielfalt wis- 1971 – 1975 Geschichtsstudium an der tors, besonders in der Vergangenheit ne- senschaftlicher Fächer und Disziplinen, Universität Rostock; 1976 – 1977 Teilas- pirantur an der Lomonossow-Universität ben der symbolischen auch eine hand- die sich unter dem Dach der Universität Moskau; 1977 – 1980 Forschungsstu- greifliche rechtserhebliche Bedeutung versammelten, gemäß dem Leitspruch dium an der Universität Rostock; 1980 Promotion mit einem Thema zur hoch- hatten, die mitunter bis in unsere Tage über dem Hauptgebäude der Universität und spätmittelalterlichen Agrargeschich- hinein wirkte. Rostock: Doctrina multiplex veritas una. te Altbayerns; seit 1980 Assistent bzw. Oberassistent am heutigen Historischen Institut; 1987 Promotion B (in Habilita- Diese heute von Universitätsarchiv und Entsprechend bildeten die Studieren- tion umgewandelt) mit einem Thema Kustodie aufbewahrten und betreuten den und Lehrenden, die Institutionen, zur hoch- und spätmittelalterlichen Ag- rargeschichte Mecklenburgs; seit 1998 zahlreichen Objekte und Dokumente namentlich die Fakultäten, Institute Professor für mecklenburgische Landes- zum Gegenstand einer speziellen Un- und sonstigen Einrichtungen sowie die geschichte und Geschichte des Mittelal- ters; Forschungen zur mittelalterlichen tersuchung und Darstellung zu machen, Gebäude der Universität in ihrer histo- und frühneuzeitlichen Agrargeschichte, war eine Idee, die im Zusammenhang mit rischen Entwicklung vom 15. Jahrhun- zur mecklenburgischen Landes- und der systematischen Digitalisierung der dert bis zur Gegenwart die roten Fäden Stadtgeschichte und zur Rostocker Uni- versitätsgeschichte; stellv. Vorsitzender ständig anwachsenden Zahl von Photo- für eine Universitätsgeschichte auch in der Historischen Kommission für Meck- graphien der Photosammlung im Univer- Bildern. Sie in den kommenden Jahren lenburg; stellv. Vorsitzender des Vereins für mecklenburgische Geschichte und sitätsarchiv entstand. fortzuschreiben und zum Jubiläum des Altertumskunde; stellv. Vorsitzender Jahres 2019 in erweiterter und umfas- des Vereins für Rostocker Geschichte senderer Form darzustellen, gehört zu Universität Rostock Erstes Ergebnis den wichtigen Vorhaben der Autoren Historisches Institut dieses Beitrages in Vorbereitung des August-Bebel-Str. 28, 18051 Rostock der Untersuchungen Fon +49(0)381 498-2710 600. Gründungstages der Universität Mail [email protected] Ein erstes größeres fassbares Ergebnis Rostock. ■ der Umsetzung dieser Idee ist der im Jahre 2008 erschienene Band „Die Uni- versität Rostock. Geschichte der ‚Leuch- This contains the realisation, concep- ing pictorial sources with the focal points te des Nordens‘ in Bildern“. Er entstand tion and content of the 2008 volume ‘The of students and teachers, institutions, durch das Zusammenwirken der beiden University of Rostock’; it is the history of faculties and institutes as well as the Autoren dieses Beitrages als Herausge- the ‘Light of the North’ in pictures. Also buildings of the university. An important bern in Form einer systematisch geglie- in the future the history of the University basis for this is the continually growing derten Zusammenstellung von mehr als of Rostock is to be systematically re- and increasingly accessible photo col- 250 Abbildungen, die von Studierenden searched, reviewed and presented us- lection in the university archive.

Universität Rostock 15 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Das Rostocker Universitätsarchiv

Angela Hartwig

Universitäten sind Seismographen für wird von einer arca oder Kiste gespro- Die Vorbereitung geistige und gesellschaftliche Verände- chen, in der wichtige Urkunden und die der 500-Jahrfeier der rungen. Ihre Archivbestände spiegeln Matrikel aufbewahrt wurden. Das älteste Universität 1919 neben wissenschaftshistorischen und im Universitätsarchiv überlieferte Regis- bildungspolitischen Quellen auch terri- traturverzeichnis legte von 1567 – 1577 Zur Vorbereitung der Fünfhundert- torialgeschichtlich relevante Sachver- der Sekretär der Universität, Magister jahrfeier der Universität im Jahre 1919 halte wider. Das Rostocker Universitäts- Johannes Holstein (gest. 1609), an. Die wurde bereits 1905 eine Jubiläums- archiv ist das Gedächtnis der ältesten moderne Geschichte des Universitäts- kommission durch das Konzil gegrün- Universität im Ostseeraum. Tradition archivs beginnt mit dem Jahre 1870, als det. Diese sah ihre wichtigste Aufgabe und Traditionsbewusstsein ermöglicht erstmalig durch Aufbau der Bestände, zunächst darin, die systematische Ord- dieses Gedächtnis immer wieder. Uni- die Ordnung und Verzeichnung sowie nung und Aufnahme des Bestandes versitätsarchive verstehen sich heute Unterbringung in speziell dafür herge- des Universitätsarchivs wieder herzu- als Teil der Erinnerungskultur ihrer Ein- richteten Räumen entscheidende Ver- stellen, die nach den Bemühungen des richtung. änderungen eintraten, die bis heute das Juristen Hugo Böhlau (1833 – 1887) in Erscheinungsbild der Einrichtung prä- den 1870 / 80er-Jahren wieder in völlige Das Universitätsarchiv ist so alt, wie die gen. 1878 war die erste Archiv­ordnung Unordnung geraten war. Die Ordnungs- im Jahre 1419 gegründete Universität durch das Konzil der Universität in Kraft arbeiten im Archiv konnten bis zum Ju- selbst. Schon in den ersten Statuten gesetzt worden. biläum 1919 aber nicht kontinuierlich

Abbildung 2: Räume des Universitäts­ archivs um 1950

Abbildung 1: Im Hauptgebäude (um 1930) war das Universitätsarchiv bis 2009 untergebracht. Quelle: siehe Impressum

16 Traditio et Innovatio 2|10 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

und damit erfolgreich oder abschließend Mit dem Zweiten Weltkrieg und mit der eine Archivkommission eingesetzt wor- durchgeführt werden. Zunächst war es Auslagerung der wertvollen Archivbe- den, die sich um die Rückführung der der Historiker und Bibliothekar Ernst stände im Sommer 1944 geriet die gera- Bestände und den Aufbau des Universi- Schäfer (1872 – 1946), der 1905 / 06 mit de erzielte Ordnung des Archivs wieder tätsarchivs bemühte. Mit der Einstellung viel Sachverstand und praktischem Ge- völlig durcheinander. Die Bestände wur- der ersten Archivarin Elisabeth Schnitz- schick die Bestände zu ordnen begann. den nach Wertigkeit an verschiedene ler (1912 – 2003) im Januar 1948 begann Aber erst 1910 konnten die Ordnungsar- Stellen ausgelagert. So waren die wich- der Aufbau der Bestände, so wie das beiten im Archiv durch die Einrichtung tigsten Urkunden, die Matrikel und die Archiv sich auch heute noch weitgehend einer Stelle mit dem Historiker Arnold Dekanatsbücher in den Reichsbanktre- präsentiert. Es wurden die Bestände des Oskar Meyer (1877 – 1944) fortgesetzt sor in Rostock gebracht worden, ande- „alten“ Universitätsarchivs – des Rekto- werden. Durch ihn wurde 1913 eine neue res wertvolles Archivgut gelangte nach ratsarchivs – und die Fakultätsarchive zu Archivordnung eingeführt. Ivenack und der restliche Bestand kam einem Archiv zusammengeführt und nun in das Schweriner Landeshauptarchiv. einheitlich von der Universitätsarchivarin Doch weder der ihm nachfolgende His- Die Rückführung der ausgelagerten Be- betreut. Die Rückführung, Wiederher- toriker Willy Andreas (1884 – 1967) stände nach der Beendigung des Zwei- stellung der Ordnung, die Übernahme noch der Historiker Wilhelm Schüssler ten Weltkrieges dauerte bis 1949. der Fakultätsarchive und Übernahme (1888 – 1965) erreichten im Universitäts- von Beständen bis zum Jahre 1945 dau- archiv entscheidende Fortschritte im Be- erte bis in die 1960er-Jahre. standsaufbau und in der Ordnung sowie Neuaufbau nach 1948 und Verzeichnung. In den Jahren zwischen Entwicklung bis 1990 Die Entwicklung des Rostocker Universi- 1920 und 1930 war es der Universitäts- tätsarchivs innerhalb der sozialistischen sekretär Georg Jördens (geb. 1884), der Im Sommer 1948 hatte das Ministerium Gesellschaft und deren politische Aus- sich zunehmend den Ordnungsarbeiten für Volksbildung in Schwerin bereits den wirkungen auf die Bestandserschlie- zuwandte und 1939 ein Findbuch zum Aufbau von Universitätsarchiven im Land ßung, Bestandssicherung und den Be- Rektoratsbestand 1419 – 1900 vorlegen beschlossen. An der Universität Rostock standsaufbau erfolgten unter Bernhard konnte. war allerdings schon im Dezember 1947 Wandt (1913 – 2010). In den 1970 / 80er-

Abbildung 4: Fotosammlung

Abbildung 3: Räume des Universitätsarchivs 2009

Universität Rostock 17 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Fremdbestände abgewickelter Einrich- sonstiger Einrichtungen übernimmt. Es Die Autorin tungen, wie der Hochschule für Seefahrt macht diese Unterlagen als Archivgut im Warnemünde / Wustrow, der Pädago- Rahmen der geltenden Vorschriften für gischen Hochschule Güstrow und des die Öffentlichkeit nutzbar und schützt Rostocker Lehrerbildungsinstituts, zu in- sie vor Vernichtung und Zersplitterung. tegrieren und auch deren Benutzbarkeit Dazu hat es die archivwürdigen Unter- zu sichern. Neben der wachsenden Zahl lagen der Universität nach fachlichen von Recherchewünschen war vor allem Gesichtspunkten zu erfassen, zu über- der unbefriedigende Erschließungs- und nehmen, dauerhaft zu sichern, durch Verzeichnungszustand so schnell wie Findhilfsmittel zu erschließen, aufzube- möglich zu überwinden. Seit Mitte der reiten und für die Benutzung bereitzu- 1990er Jahre bemühten sich die Mitar- stellen. Das Universitätsarchiv ist auch Dipl.-Hist. Angela Hartwig beiter des Universitätsarchivs um die schon jetzt umfangreich in die Vorarbei- studierte 1982 – 1987 an der Karl-Marx- Erschließung und Verzeichnung der Be- ten zum Jubiläum 2019 einbezogen. ■ Universität in Leipzig Geschichte; seit stände, um den Nutzern den Zugang zu 1992 Leiterin des Universitätsarchivs und der Kustodie an der Universität ermöglichen. Mit der Einführung der Au- Rostock gias Datenbank und der fortschreiten- den Verzeichnung konnten ab 2006 Be- The Rostock University Archive is under- Universität Rostock Universitätsarchiv stände im WEB-Archiv zur Recherche stood to be the memory of our university. Schwaansche Str. 4, 18055 Rostock für die Benutzer bereitgestellt werden. The carefully handed down inventories Fon +49(0)381 498-8620 Fax +49(0)381 498-8622 Eine Bestandsübersicht wird im Som- reflect in varying extents the events of Mail [email protected] mer 2010 in gedruckter Form vorgelegt the university’s history. Without the order und im Netz veröffentlicht. and itemisation of the available invento- ries, research into the university’s his- Jahren wurden Bestände neu gebildet, Dem Universitätsarchiv obliegt als tory would be impossible. Since 2006, wie der der Studentenakten 1789 – 1945 Endarchiv die Sicherung, Verwahrung, users of the WEB Archive can research und Personalakten 1419 – 1945. Regist- Erhaltung und Erschließung aller archiv- many inventories from anywhere in the raturgut wurde gesichert und es erfolg- würdigen Unterlagen der Universität, die world and snatch a glimpse of the written ten umfangreiche Bestandsübernahmen es von deren Organen, Fakultäten und records. aus den Bereichen der Universität. Da- mit wuchs der Bestand des Universitäts- archivs auf fast 1.000 laufende Meter an. Die daraus resultierenden schwierigen Raumverhältnisse konnten bis heute noch nicht entscheidend verbessert werden.

An der Schwelle zum 21. Jahrhundert

Die gesellschaftliche Wende in den Jah- ren 1989 / 90 führte auch im Rostocker Universitätsarchiv zu grundlegenden Veränderungen. Zunächst galt es, das Archivgut aufgelöster Universitätsein- richtungen zu sichern und umfangreiche Abbildung 5: Standort des Universitätsarchivs, bis das Hauptgebäude saniert ist

18 Traditio et Innovatio 2|10 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Die filmische Chronik der Universität Rostock

Wolfgang Roßmannek

Abbildung 1: Collage Hauptgebäude, Medienzentrum der Universität Rostock 2009

Es war vor drei Jahren zur „Langen Nacht noch diesen Film? Ich begann zu recher- und sie vor unbefugter Auswertung zu der Wissenschaften“. Gemeinsam mit chieren. Es gibt in Deutschland kein ge- schützen. Meine Anfrage zur Ausleihe der Universitätsbibliothek wurde wie- wachsenes nationales Filmarchiv. und dem Recht einer einmaligen nicht- der eine „Lange Filmnacht“ organisiert, kommerziellen Aufführung wurde umge- dieses Mal mit dem Thema „Filme über Einer der Gründe für dieses Defizit dürfte hend positiv und auch sehr kostengünstig die Universität und die Stadt Rostock“. in der föderalistischen Struktur zu su- behandelt. In diesem historischen Film- Eigentlich mehr durch Zufall ist uns da- chen sein: Die Kultur gehört in die Kom- dokument „fährt“ die Kamera an bekann- mals durch das Universitätsarchiv eine petenz der Bundesländer. Aber man wird ten Gebäuden in den damaligen hansea- alte Zeitschrift aus dem Jahre 1934 „in irgendwo immer „fündig“. In diesem Fall tischen Städten vorbei und ein Sprecher die Hände gefallen“, in der unter ande- fand ich den Film bei der Friedrich-Wil- kommentiert in propagandistischem Stil rem das Portal des Hauptgebäudes der helm-Murnau Stiftung. Diese Stiftung in die herausragenden architektonischen Universität Rostock mit dem damaligen Wiesbaden hat sich zur Aufgabe gestellt, Besonderheiten. So kam es sicher auch Rektor und zwei Pedellen an seiner Seite Filme zu sichern und zu erhalten, zu res- zu dieser Szene vor dem Hauptgebäude abgebildet war. Die Bildunterschrift wies taurieren und zu rekonstruieren, sie der der Universität Rostock. Als Zugabe für auf einen Ausschnitt aus dem Film mit Öffentlichkeit zugänglich zu machen, unsere Vorführung hatte das Universi- dem Titel „Auf den Spuren der Hanse“ Recherchen zu ermöglichen sowie die tätsarchiv noch den Namen des Rektors hin. Der „Köder“ war gelegt. Wo gibt es Rechte an den Filmen wahrzunehmen aus dem Jahr 1934 herausgefunden.

Universität Rostock 19 Zur wechselvollen Geschichte der Rostocker Bildungseinrichtung

Abteilung Filmarchiv des deutschen Rostock oder auch beim Verein Hanse Der Autor Bundesarchivs. Seit der Übernahme des Filmstudio Rostock, der hat sicher Ama- Staatlichen Filmarchivs der DDR nach teurfilmaufnahmen von der Universität dem 3. Oktober 1990 ist diese Abteilung Rostock in seinem Bestand. Denn am das größte Filmarchiv in Deutschland. Ende soll ja eine bis dahin einmalige fil- Der Filmbestand umfasst gegenwärtig mische Chronik über die Universität Ros- etwa 146.000 Dokumentar- und Spielfil- tock vorliegen. Ab Februar 2012 werde me auf 1 Million Filmrollen oder anderen ich damit richtig loslegen können. ■ Trägern.

Erste Kontakte via Internet (wie kann es In an old magazine of our university auch anders sein) mit dem deutschen archive of 1934, there was a picture, Dipl.-Phys. Wolfgang Roßmannek Rundfunkarchiv und der DEFA-Stiftung among others, of the entrance to the sind schon aufgenommen worden. Be- main building of the University of Ros- 1968 – 1973 Physikstudium an der Universität Rostock; 1973 – 1980 War- sonders wertvoll werden unter anderen tock with the rector at that time and two tungsingenieur; von 1980 – 1992 Lehrer Wochenschauen der DEFA oder auch porters on this side. As source for this im Hochschuldienst für praktische Medienkompetenz an der Universität Sendungen des DDR-Fernsehens, be- picture, the documentary film ‘On the Rostock; 1978 – 1982 Mitarbeit im For- sonders die „Aktuelle Kamera“, sein. Trail of the Hanseatic League’ from 1934 schungsprojekt der Akademie der Päda- Selbst nur kurze kommentierte filmische was indicated. Our search in the German gogischen Wissenschaften der DDR zur Wirksamkeit projizierter und elektronisch Szenen über die Universität Rostock aus film archives was quickly successful. We erzeugter Bilder im schulischen Unter- einem Nachrichtenblock sollten in die fil- were able to borrow this valuable film richt; 1982 – 1985 Fernstudium Fach- und Hochschulpädagogik; 1985 – 1988 mische Chronik aufgenommen werden. document for a favorable price from the Fernstudium Fachübersetzer Englisch- Für die Trefferquote bei der Recherche Friedrich-Wilhelm-Murnau Foundation. Deutsch; seit 1992 Leiter des Medien­ wird es darauf ankommen, wie ausführ- For a film chronicle of the University of zentrums der Universität Rostock; seit 1998 Mitglied der Gesellschaft für lich die Beschreibung und die aufgenom- Rostock, film and television contribu- Medien in der Wissenschaft; seit 2005 menen Metadaten der Sendung sind, tions of our university can be found in the im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Medienzentren an Hochschulen um relevante Beiträge zu finden und German Broadcasting archive, the film herauskopieren zu dürfen. Die Klärung archive of the German federal archive, Universität Rostock Medienzentrum der Rechte für die Verwendung in einer the DEFA Foundation and many more. Schröderplatz 3 – 4, 18055 Rostock filmischen Chronik über die Universität Together with in-house productions, a by Fon +49(0)381 498-5500 Rostock sehe ich nach den ersten Kon- then uniquely film chronicle of the Alma Mail wolfgang.rossmannek@uni- rostock.de takten eher positiv. Anfangen sollte man Mater Rostochiensis is to be formed for aber gleich um die Ecke, im Stadtarchiv the 600th anniversary in 2019.

Filmische Dokumente, die sich inhaltlich nur um die Alma Mater Rostochiensis „drehen“, werden vermutlich kaum zu finden sein. Wir haben in unserem Ar- Abbildung 2: chiv die Eigenproduktionen aus dem Hauptgebäude von Jahr 1969 zum 500-jährigen Jubiläum 1934 mit Rektor als 16mm-Tonfilmrolle, mittlerweile und Pedellen. schon aufwendig restauriert auf DVD, Quelle: und den Imagefilm von 1998. Ich hoffe, Mecklenburgische es „schlummern“ aber noch viele filmi- Monatshefte , sche „Schnipsel“ über und um unsere X. Jahrgang 1934 Universität in deutschen Archiven. In- (Universitäts- teressante Funde vermute ich in der archiv)

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Zwei Rostocker Zoologie- Professoren als Nobelpreisträger Hans Spemann und Karl von Frisch

Dieter G. Weiss

Zwei Professoren, die an der Universität Abbildung 1: Hans Rostock lehrten und Direktoren des Zoo- Spemann (1869 – 1941), logischen Instituts waren, wurden für ihre Zell- und Entwicklungs- grundlegenden Forschungen mit dem physiologe. Universi- Nobelpreis geehrt: Hans Spemann und tätsbibliothek Rostock: Karl von Frisch. Fotoalbum aller Direk- toren des Zoologischen Alfred Nobels 1895 niedergelegter letz- Instituts ter Wille schließt ausdrücklich einen Preis für das Gebiet „Physiologie“ ein. Die Physiologie ist hier im weiteren Sin- ne verstanden, sie umfasst die Abläufe und Mechanismen, die zum Verständnis der Lebensvorgänge der Organismen und ihrer Krankheiten beitragen, also ne- ben der medizinischen Physiologie auch Buchhändler-Ausbildung. die Tierphysiologie, Biochemie, Genetik Von 1891 bis 1892 stu- oder Biophysik. Später wurde der Preis dierte er Medizin, verglei- in „Physiologie oder Medizin“ umbe- chende Anatomie und Ab- nannt, so dass er sowohl für Grundlagen- stammungslehre an der forscher als auch für Mediziner vergeben Universität Heidelberg bei werden kann. Die beiden Rostocker No- den berühmten Zoologen belpreisträger waren Tierphysiologen. Gegenbauer und Bütschli und von 1893 In seiner Rostocker Zeit veröffentlichte bis 1894 Biologie an den Universitäten Spemann wesentliche zell- und entwick- München und Würzburg. 1894 promo- lungsphysiologische Arbeiten: Hans Spemann: vierte er an der Universität Würzburg – „Zur Entwicklung des Wirbeltierau- Die Entwicklung des bei Theodor Boveri über die Entwicklung ges“ (98 S.); Embryos des Spulwurms. 1898 lieferte er an der – „Die Entwicklung des invertierten Hör- Universität Würzburg seine Habilitati- grübchens zum Labyrinth“; Hans Spemann gilt als der Begründer onsarbeit über die Entwicklung des Mit- – Vorträge über die Neufassung des Ho- der modernen, physiologisch orien- telohres und Kopfskeletts beim Frosch mologiebegriffs; tierten Entwicklungsbiologie. Er wurde ab. Er war von 1908 bis 1914 Ordentli- – Eine Arbeit zur Rolle von Zellkern und 1869 in Stuttgart geboren. Da der Vater cher Professor und Direktor des Instituts Cytoplasma bei der Teilung und der Verleger war, machte er zunächst eine für Zoologie der Universität Rostock. weiteren Entwicklung des Molcheies.

Universität Rostock 21 Menschen an der Universität

Eine größere Studie erschien 1923 Von 1914 bis 1919 leitete Spemann eine Allerdings konnte er den Wirkmechanis- über die Determination der Zellen in Abteilung und war 2. Direktor am Kaiser- mus des Organisators auf molekularer den verschiedenen Abschnitten der Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin- Ebene noch nicht erklären. Hier führte Gehirnanlage am Beispiel der Amphi- Dahlem. 1919 nahm er einen Ruf auf den erst Johannes Holtfreter aus Richten- bien. In Transplantationsexperimenten Lehrstuhl für Zoologie an der Universität berg bei Stralsund das Gebiet bis in die von Gewebestücken aus dem Molch- Freiburg an, den er bis 1937 innehatte; er moderne molekulare Biologie. Er war keim in einen anderen Embryo fanden verstarb 1941 in Freiburg. Student bei von Frisch, später Doktorand Spemann und seine Mitarbeiter, dass bei Spemann in Freiburg und habilitier- dort zusätzliche Organe, Gliedmaßen Spemann erhielt 1935 den Nobelpreis für te sich dann bei von Frisch in München. oder eine zweite Rückenmarks-Anlage Physiologie oder Medizin „für die Entde- Seit 1936 arbeitete er in den USA und (Neuralrohr) induziert werden können. In ckung des Organisator-Effekts im emb- zeigte, dass die Organisation des Em- gewissen frühen Abschnitten der Emb- ryonalen Entwicklungsstadium“. Dieses bryos durch chemische Botenstoffe ge- ryonalentwicklung entscheidet aber das Grundprinzip der Embryonalentwicklung steuert wird, die die verschieden Gewe- umgebende Gewebe darüber, welche wird als Spemann-Organisator bezeich- be und Organanlagen aussenden. Organe aus den transplantierten Zellen net. Im englischsprachigen Raum heißt entstehen. Dieses sogenannte „Orga- es meist „The Spemann-Mangold-Orga­ nisator-Prinzip“ stellt die Grundlage der nizer“, womit auch seine Mitarbeiterin Karl von Frisch: modernen Entwicklungsbiologie (Ent- Hilde Pröscholdt-Mangold geehrt wird, die Sprache der Bienen wicklungsphysiologie) dar. die in ihrer Doktorarbeit die wesentlichen Experimente durchführte. Sie verstarb Karl von Frisch wurde 1886 in Wien Aus Spemanns Rostocker Zeit sollen durch einen Unfall vor der Verleihung geboren. Er studierte zuerst Medizin in zwei weitere Aktivitäten erwähnt wer- des Nobelpreises. Bertalanffy schreibt Wien und München, entschied sich aber den. Da er der Ansicht war, dass alle Ju- in seinem Handbuch der Biologie (1965) dann für Biologie. Von 1912 bis 1921 gendlichen wenigstens die Grundlagen „Spemann ist einer der Begründer der arbeitete er als Assistent und Privat- eines handwerklichen Berufs erlernen modernen Experimentalbiologie … zu- dozent für Zoologie an der Universität sollten, organisierte er die „Jugend- sammen mit Mendel, Roux, Tschermak, München an Fragen der Orientierung werkstatt“, freiwillige Kurse in Tischlerei, DeVries und Pawlow.“ und Futterfindung der Bienen, die er im Metallbearbeitung und Ähnliches für alten Zoologischen Institut Gymnasiasten, wobei er den Buchbin- in der Münchener Innen- der-Kurs selbst übernahm. Spemann stadt hielt. Diese Arbeit stellte 1910 einen Antrag an das Minis- unterbrach er im Krieg terium in Schwerin und bat um Mittel für die Erweiterung des viel zu kleinen Zoologischen Instituts am Universi- tätsplatz 2, vor allem zum Umbau des Torgebäudes als Kurssaal (Universitäts- platz 3), zur Einrichtung eines Aquarien- raumes, zur Erweiterung der apparati- ven Ausrüstung (vor allem Mikroskope und Zentrifugen) sowie zur ordentlichen Abbildung 2: Karl von Unterbringung der Sammlung und eines Frisch (1886 – 1982), Hörsaals im Dachgeschoss. Der Antrag Sinnes- und Verhaltens­ wurde nach erneuter Antragstellung physiologe. Universi- 1911 bewilligt, so dass auch das Gebäu- tätsbibliothek Rostock: de des Zoologischen Instituts in seiner Fotoalbum aller Direk- heutigen Form auf Hans Spemann zu- toren des Zoologischen rückgeht. Instituts

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1914 – 1918, um in der Universitätsklinik Entfernung durch die Dauer des soge- in Wien, die sein Bruder leitete, Kriegs- nannten Schwänzeltanzes übermittelt. Der Autor verletzte zu pflegen und zu operieren. Die anderen Bienen erkennen den Win- kel und wissen dann, um wie viel Grad 1921 erhielt Karl von Frisch seinen ers- rechts oder links von der Sonne sie los- ten Ruf auf die Professur in Rostock, wo fliegen müssen, um das Futter zu finden. er dann zwei Jahre bis 1923 arbeitete. Danach war er, mit kurzen Unterbre- Karl von Frisch wurde durch seine un- chungen als Direktor der Zoologischen zähligen und genau geplanten Freiland- Institute in Breslau und Graz, bis 1956 versuche mit Bienen und anderen Tieren am Zoologischen Institut in München zu einem der Begründer der Verhal- tätig, wo er 1982 verstarb. tensphysiologie und erhielt dafür 1973 zusammen mit Nikolaas Tinbergen und In Rostock führte er die Arbeiten wei- Konrad Lorenz den Nobelpreis für Phy- ter, widmete sich aber auch anderen siologie und Medizin. Prof. Dr. rer. nat. Dieter G. Weiss Themen, wie dem Gehör der Fische, geboren 1945; 1965 – 1970 Studium der welches er am Zwergwels im Aquarium Bei aller Verschiedenheit der Persön- Biologie (Zoologie, Neurobiologie und und an Elritzen in seinem Urlaubsort in lichkeiten und Arbeitsgebiete ist beiden Biochemie) in München und Tübingen; 1970 – 1975 Stipendiat am MPI für Österreich zeigen konnte. Damit hatte gemeinsam, dass sie durch ihre Arbei- Psychiatrie München; 1976 Promotion er nachgewiesen, was weithin bezwei- ten ein ganzes Fachgebiet der Biologie in Zoologie / Neurochemie Universität felt worden war, dass Fische hören erschlossen haben, wobei sie aus einer München; 1976 – 1985 Wiss. Assistent Zool. Institut der Universität München; können und er veröffentlichte nach dem breiten Kenntnis der Zoologie von der 1986 – 1991 Heisenberg-Stipendiat Inst. Streit die Ergebnisse unter dem für eine Artenkenntnis bis zur Physiologie der für Zoologie der TU München und Ma- rine Biological Laboratory Woods Hole wissenschaftliche Publikation etwas Tiere schöpfen konnten. Beide began- (USA); 1992 Max-Planck-Forschungs- schelmischen Titel „Ein Zwergwels, der nen ihre Karriere in Rostock und führten preis; 1993 Lehrstuhl für Tierphysiologie der Universität Rostock kommt, wenn man ihm pfeift“ im Biol. die Arbeiten dann an anderen Orten wei- Zentralblatt 1923. Daneben fiel in die ter, wenngleich wesentliche Grundlagen Universität Rostock Rostocker Zeit die erste große zusam- auch für die Nobelpreisthematik in Ros- Institut für Biowissenschaften Albert-Einstein-Str. 3, 18051 Rostock menfassende Veröffentlichung seiner tock gelegt wurden. Fon +49(0)381 498-6300 Arbeiten über die „Sprache“ der Bienen. Mail [email protected] Durch seine lebenslange Beschäftigung Literatur: mit den verschiedenen Sinnesorganen ▪ Mangold, O. (1982): Hans Spemann, der Bienen und den Fragen, wie sie die- sein Leben und sein Werk. Wissen- ▪ von Frisch, K. (1973): Erinnerungen se zur Orientierung, Futterfindung und schaftliche Verlags-Gesellschaft, eines Biologen. Springer Verlag, Heimkehr zum Stock einsetzen, aber Stuttgart. Berlin. ■ auch wie sie die guten Futterplätze den anderen Arbeiterinnen im Stock mittei- len, wurde von Frisch weltberühmt. So Two Rostock professors re- Karl von Frisch headed the Zoological konnte er zeigen, dass Bienen durch die ceived the Nobel Prize for Physiology or Institute from 1921 to 1923 and worked Geschwindigkeit bei dem sogenannten Medicine, even though at a time when on the sensory capabilities of various Rundtanz zusammen mit mitgebrachten they had left Rostock. From 1908 to 1914, animals, including the hearing of fish and Geruchsstoffen auf Futterquellen ganz Hans Spemann was Director of the Zoo- communication in the bee-hive. Here he in der Nähe des Stockes aufmerksam logical Institute. He performed funda- published the first edition of ”The Lan- machen. Bei entfernten Futterquellen mental studies on the ova and larvae of guage of the Bee“, his main field of work, (bis über einen Kilometer) wird deren the common newt, which led to a new un- through which he became a co-founder Lage durch Abweichungen der Tanz- derstanding of the organisation of germs of modern behavioural science. richtung von der Senkrechten und die and the formation of organs and limbs.

Universität Rostock 23 Menschen an der Universität

Die Wilbrandts: Eine Rostocker Akademiker­familie

Nikolaus Werz

Der demokratische „Am frühen Morgen des fünften Mai 1853 einen „Idealkopf“ attestiert haben. Seine Revolutionär: Christian (es war der Himmelfahrtstag) erwachte Promotion erfolgte an der Universität L. Th. Wilbrandt (1801 – 1867) ich durch den Einmarsch von Polizei- Rostock, ihn zog es aber in den Süden. mannschaft, die durch mein Schlafzim- Christian Wilbrandt gehörte zu einer mer hindurchgingen, um meinen Vater In seinen Erinnerungen mit dem Titel Gruppe liberaler Demokraten, die sich nebenan zu verhaften.“ Vater Wilbrandt „Aus der Werdezeit“ (1907) setzte er am 9. März 1848 mit fast 1.000 Bürgern wurde im Rostocker Hochverratsprozess sein eigenes Erwachsenwerden und die im Apollosaal von „Haus Sonne“ in Ros- zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Einigung des Reiches durch Bismarck tock versammelte. Die Teilnehmer for- in Beziehung zueinander: „Des Deut- derten u. a. eine Aufhebung der Zensur schen Reiches und meine Werdezeit und ein bürgerliches Parlament. Den aus Dichter und Nationalpatriot: fallen ungefähr zusammen … 1871 war’s freien Wahlen hervorgegangenen Land- Adolf Wilbrandt (1837 – 1911) [Deutschland] zum Mann geworden.“ tag ließ Großherzog Friedrich Franz II. Im gleichen Jahr erlebte er in Wien eine am 1. Juli 1850 auflösen, die Reaktion Als einer von neun Kindern wurde Adolf glänzende Aufführung seines Lustspiels hatte sich durchgesetzt, sowohl die Prü- Wilbrandt in der Großen Mönchstraße „Die Vermählten“ und zog in die österrei- gel- als auch die Todesstrafe waren wie- 24 geboren. 1856 machte der mehrfach chische Hauptstadt; 1881 ernannte man der erlaubt. Im Juli 1852 wurde Wilbrandt ausgezeichnete Schüler sein Abitur ihn zum Direktor des Burgtheaters. Adolf von dem Landesherrn seiner Universi- an der Großen Stadtschule. Er sei ein Wilbrandt hat mehr als 40 Romane und tätspflichten entbunden, doch blieb es hübscher Junge mit langen Haaren ge- Novellen verfasst, über zehn dramati- nicht dabei. Sein Sohn Adolf berichtete: wesen, Theodor Fontane soll ihm sogar sche Dichtungen und Lustspiele, Ge-

Abbildung 1: Der Rektor Christian L. Th. Wilbrandt und seine Frau Abbildung 2: Adolf Wilbrandt, und Detail ohne Frau, Quelle: Robert Wilbrandt, Mein Vater Adolf Wilbrandt. Quelle: Musikaliendruckerei Wien Zu seinem 100. Geburtstag, Berlin 1937. S.8f.

24 Traditio et Innovatio 2|10 Menschen an der Universität

spräche und Monologe veröffentlicht, es Folgenreich war seine Verwicklung in die lern, die wieder in den Nordosten zogen. erschienen einzelne Studien sowie 1907 Gumbel-Affäre. Der bekannte Pazifist Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, Hans eine Festschrift über ihn. Kein geringerer Emil Julius Gumbel wollte auf Einladung Werner Richter und andere sind erst als als schrieb ein Buch der „Arbeitsgemeinschaft sozialistischer „tote Dichter“ zurückgekehrt, nachdem über seine Werke. Akademiker“ einen Vortrag an der Uni- Literaturhäuser und Museen für sie ein- versität Tübingen halten. Da Störungen gerichtet wurden. Trotz seiner schwärmerischen Vereh- und Auseinandersetzungen erwartet rung für Reichskanzler Bismarck, den wurden, verlegte man die Veranstaltung er gemeinsam mit seinem Freund, dem in das Lokal „Zur Krone“ in Lustnau. Der Autor Maler Franz Lenbach, und seinem Sohn Wilbrandt war an ihrer Durchführung Robert in Friedrichsruh besuchte, war er gar nicht beteiligt. Als es aber zu einer ein Nationalpatriot von der milden Sorte. Schlägerei zwischen Studenten, Reichs- Seine Ehe mit der berühmten Schau- bannerleuten, der Polizei, der Feuerwehr spielerin Auguste Baudius wies moderne und Bürgern kam, versuchte er zu ver- Züge auf. „Wir haben uns schmerzlos mitteln. Gegen ihn wurde ein Diszipli- und freundschaftlich getrennt“, erklärte narverfahren erwogen. Auch deswegen er Klemperer. Den Umzug nach Rostock nahm er einen Ruf nach Dresden an, wo musste Adolf Wilbrandt mit Robert allei- er mit Klemperer von den Nazis des Am- ne machen. tes enthoben wurde. Prof. Dr. phil. Nikolaus Werz

am 15. Juli 1952 in Bonn geboren; Der Kathedersozialist: Leben für die Bildung 1971/72 Bachillerato Argentino und Robert Wilbrandt (1875 – 1954) Allgemeine deutsche Hochschulreife an Drei Wilbrandts, das sind auch drei Sta- der Goethe-Schule in Buenos Aires; ab 1972 Studium an der Freiburger Albert- Der 1875 in Wien geborene Robert be- tionen in der historischen Entwicklung Ludwigs-Universität in den Fächern suchte die Große Stadtschule. Er stu- des deutschen Bürgertums mit seinen Germanistik und Geschichte, später zusätzlich das Fach wissenschaftliche dierte mehrere Fächer, um schließlich in Höhenflügen und – in ihrem Fall – mit Politik; 1979 / 81 Doktorandenstipendi- Nationalökonomie zu habilitieren. Nach vergleichsweise geringen Verfehlun- um der Studienstiftung des Deutschen seiner Berufung hielt er in Tübingen gen. Von den drei hier Geschilderten hat Volkes und Forschungsaufenthalt am CENDES in Venezuela; ab 1981 seine Antrittsrede über „Karl Marx (Die Adolf die größte Bekanntheit erlangt. Er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geschichte seiner Weltanschauung)“. gehört zu den ganz wenigen Schriftstel- Arnold-Bergstraesser-Institut in Frei- burg; 1991 Habilitation und Privatdozent am Seminar für wissenschaftliche Politik der Universität Freiburg; 1994 Berufung zum Professor an der Universität Rostock mit dem Schwerpunkt Ver- gleichende Regierungslehre; 1996 / 97 Dekan der Wirtschafts- und Sozial- wissenschaftlichen Fakultät; 2005 / 07 Vorsitzender der Deutschen Gesell- schaft für Politikwissenschaft (DGfP)

Universität Rostock Institut für Politik- und Verwaltungs­ wissenschaften Ulmenstr. 69, 18057 Rostock Fon +49(0)381 498-4443 Mail [email protected]

Abbildung 3: Adolf Wilbrandt, Abbildung 4: Adolf Wilbrandt, Quelle: Nach einem Bild von Quelle: Verlag der Dürrschen Franz Lenbach Buchhandlung

Universität Rostock 25 Menschen an der Universität

Abbildung 5: Haus in Abbildung 6: Meine Mutter [Auguste Abbildung 7: Mein Vater und ich der Schnickmannstraße 25, Baudius-Wilbrandt],Quelle: Robert Quelle: Robert Wilbrandt, Ihr Glück- Quelle: OZ, 28.03.1988 Wilbrandt, Ihr Glücklichen Augen. lichen Augen. Lebenserinnerungen, Lebenserinnerungen, Franz Mittelbach Franz Mittelbach Verlag, Stuttgart 1947, Verlag, Stuttgart 1947, S. 296f. S. 296f.

In three phases of German history of the 19th and early 20th century, members of the Wilbrandt family have played a partic- ular political role: Christian Ludwig Theo- dor Wilbrandt (1801 – 67) was rector of the state university in Rostock in 1846/48 and in 1848 member of the Chamber of Deputies. In 1852 he was displaced from his professorship of Aesthetics and New Literature; after he was accused in the Rostock high treason trial he spent some time in investigative custody. His Abbildung 8: Robert Wilbrandt, Abbildung 8: Viktor Klemperer, son Adolf Wilbrandt (1837 – 1911) stud- Quelle: Archiv TU Dresden Quelle: Archiv TU Dresden ied in Rostock among other places and graduated from there. Later the national Die drei weisen Gemeinsamkeiten auf, an starb in Bad Doberan, Adolf in Rostock patriot and Bismarck admirer was drawn so die enorme Bedeutung der Bildung. und Robert in Marquartstein / Bayern („In to the south of Germany; from 1881 to Eine weitere war die Ablehnung des den Süden und zu herrlichem Alter“). 1887 he was Poetry and Literary Direc- Naturalismus, die Robert Wilbrandt „kri- Und alle vermittelten am Ende den Ein- tor of the Burg Theatre in . In 1890 tiklos“, wie er selber schreibt, von seinen druck, die selbst gestellte Bildungs- und he returned to the Hanseatic city where Eltern übernommen hatte, und ein leicht Lebensaufgabe erfüllt zu haben. Wie he spent the last two decades of his life. übersteigerter Idealismus. Hinzu trat der hatte Adolf Wilbrandt geschrieben: „Be- His son Robert Wilbrandt (1875 – 1954) Versuch, zumindest der beiden letzten in geisterung ist alles! Gib einem Menschen was professor of national economy in Tü- der Reihe, das nordische Ich durch den alle Gaben dieser Erde und nimm ihm die bingen and Dresden and was displaced Süden zu ergänzen. Doch kehrten die Fähigkeit zur Begeisterung, und du ver- from his professorship there by the Na- Wilbrandts in die Provinz zurück. Christi- dammst ihn zum ewigen Tod.“ ■ tional Socialists.

26 Traditio et Innovatio 2|10 Menschen an der Universität

Verband Ehemaliger Rostocker Studenten (VERS)

Peter Moeller

Es waren aus der DDR geflüchtete Ros- einer Dokumentationsreihe veröffent- tocker Studenten, die 1957 in Tübingen licht. Dort sind auch die Erinnerungen Der Autor den VERS gründeten. Alle waren sie an den Jurastudenten Arno Esch fest- politisch Verfolgte oder Bedrohte, eini- gehalten, der 1949 in Rostock verhaftet ge waren aus den sowjetischen Lagern und in Moskau erschossen wurde. Eine und Zuchthäusern der DDR zurückge- Gedenktafel im Foyer des Universitäts- kehrt. Jetzt wollten sie in Freiheit leben hauptgebäudes erinnert an ihn. und ihr Studium abschließen. Aus der anfänglichen Notgemeinschaft entstand Ebenso wichtig wie die vergangenheits- ein stetig wachsender Kreis. Ohne jede orientierte Arbeit ist für den VERS die Werbung bildete sich bald ein über das Beschäftigung mit den Gegenwartspro- ganze Bundesgebiet verteilter Verband, blemen. Seit 1990 werden jährlich zwei Dr. Peter Moeller der VERS. Den Kontakt zur Universität öffentliche Seminare zur politischen geboren 1931; 1950 Abitur in Güstrow; Rostock – wenn auch inoffiziell – auf- Bildung durchgeführt. Deutschlandpoli- 1950 verhaftet und wegen illegaler rechtzuerhalten, war eine ständige Ver- tische und internationale Themen sowie Gruppenbildung zu 15 Jahren Zucht- haus verurteilt; 1956 entlassen; Chemie- pflichtung. Probleme der Universität Rostock wer- Studium und Promotion an der FU den dort diskutiert. Neben den Mitglie- Berlin; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biotechnologie der Universi- Als 1990 die Grenze gefallen war, orga- dern hat sich ein fester Freundeskreis tät Stuttgart-Hohenheim, 1974 – 1996 nisierte man sofort eine Hilfsaktion für gebildet, der die VERS-Arbeit aktiv un- Gymnasiallehrer; seit 2007 Vorsitzender terstützt. Verband Ehemaliger Rostocker Studen- die Universität, insbesondere für den ten (VERS) neuen Studentenrat und für die wieder gegründete Juristische Fakultät. Gleich- Für alle Angehörigen der Universität Fon +49(0)711-776749 Mail [email protected] zeitig erfolgten erste Begegnungen Rostock steht der Verband Ehemaliger Web www.vers-online.org mit den in der DDR verbliebenen ehe- Rostocker Studenten (VERS) offen. ■ maligen Kommilitonen. Heute bilden sie einen wesentlichen Teil der VERS- Mitglieder. Unter der aktiven Mitwirkung VERS was founded in 1957 in West Germany by former Rostock students. Tasks and des VERS wurde ein Förderverein für objectives: die Universität gegründet. ▪ Contestation of the communist dicta- secuted high-school pupils in Meck- Die Nachkriegsgeschichte der Univer- torship and its effects lenburg sität aufzuarbeiten ist ein wesentliches ▪ Review of the post-war history of the ▪ Publication of a document collection Anliegen. Über mehrere Jahre hat die University of Rostock ‘Against Forgetting’ and an annual VERS-Archivgruppe die Akten der Uni- ▪ Clarification of the fate of politically brochure ‘VERS News’ versität gesichtet und wissenschaftlich persecuted students and professors ▪ Implementation of political seminars aufgearbeitet. Die Ergebnisse sind in of the University of Rostock and per- and memorial events

Universität Rostock 27 Menschen an der Universität

Rostocker Gelehrte – Studenten und Professoren aus sechs Jahrhunderten

Doreen Brandt, Matthias Glasow, Karsten Labahn und Robert Stephan

Catalogus Professorum nomie absolvieren, um anschließend in Bild vom Hochschullehrer, der fest im Rostochiensium – eine DDR-typische und doch wiederum Gefüge des gesellschaftlichen Sozialis- http://cpr.uni-rostock.de spezielle Laufbahn als Wissenschaftler mus verankert war, ab. Hinzu kommen und Hochschullehrer einzutreten. An- seine Aufgaben in der Selbstverwaltung Herbert Luck, zuletzt ord. Professor für hand Lucks Beispiel lassen sich nicht der Universität als Prorektor, Dekan und Politische Ökonomie des Sozialismus, nur die Brüche der II. und III. Hochschul- Sektionsdirektor, die deutlich erkennen ist ein Beispiel für eine wissenschaft­ reform in den verschiedenen Arten der lassen, was von einem Professor der liche Nachkriegslaufbahn, wie sie wohl Professuren deutlich ablesen, sondern DDR ebenfalls erwartet wurde. nur in der DDR möglich war. Aufgewach- auch die gesellschaftliche und politi- sen in einer Handwerkerfamilie schien sche Funktion eines DDR-Hochschul- Der erstmalige, vollständige Nachweis sein weiterer Lebensweg vorgezeichnet, lehrers. Tätigkeiten in der Rostocker des Lehrkörpers der Universität Rostock doch der Zusammenbruch der NS-Dik- SED-Bezirksverwaltung entpflichteten ist die wichtigste Zielstellung des Pro- tatur eröffnete ihm neue Perspektiven. ihn für insgesamt acht Jahre von seiner jekts. Alle Professoren und Dozenten Als Delegierter der SED konnte er in Professur. Die Verantwortung als Ab- erhalten einen eigenen Eintrag, in dem Jena ein Studium der Politischen Öko- geordneter des Bezirkstags rundet das Zeitraum und Art der Professur(en) so

Abbildung 1: Eintrag Herbert Luck im Professorenkatalog Abbildung 2: Berufungsurkunde für Herbert Luck

28 Traditio et Innovatio 2|10 Menschen an der Universität

genau wie möglich aufgeführt werden. Da die Rostocker Hochschullehrerschaft Die Autoren in der DDR-Zeit noch kaum erforscht ist, werden Informationen zu wissenschaft- lichem Werdegang und Profil aus den Personalakten erarbeitet. So wird der Schritt von einem Katalog hin zu einem biographischen Lexikon getan. Hinge- gen gibt es für die meisten Professoren vor 1945 schon verschiedene Vorarbei- ten, so dass bestehende biographische Datensammlungen, Quellendokumente Doreen Brandt M.A. Matthias Glasow M.A. oder Bilder direkt in den Eintrag einge- Projekt Matrikel Projekt Catalogus Professorum bunden werden.

Damit zeigen sich die vielfältigen Mög- lichkeiten eines Content Repository – erarbeitet im Rahmen der Digitalen Bibliothek Rostock – für ein innovatives biographisches Informationssystem. Vergleichbare Projekte, sei es als On- line-Datenbank oder gedrucktes Buch, Karsten Labahn M.A. Dipl.-Inf. Robert Stephan werden an vielen Universitäten, etwa in Projektkoordination Matrikel und Universitätsbibliothek, Digitale Bibliothek Catalogus Professorum Leipzig, Halle oder Tübingen, verfolgt. Auch die Universität Rostock arbeitet Universität Rostock Fon +49(0)381 498-8797 so an der Schaffung einer historischen Forschungsstelle Universitätsgeschichte Mail [email protected] Universitätsarchiv Web https://www.uni-rostock.de/index. Identität und ihrer Wahrnehmung als Schwaansche Str. 4, 18055 Rostock php?id=114 ausgesprochener Traditionsuniversität.

Abbildung 3: Onlineformular zur Ein­ Abbildung 4: Eingabe der Daten aus den Matrikelbüchern gabe der Immatrikulationsangaben in das Onlineformular

Universität Rostock 29 Menschen an der Universität

Abbildung 5: Ausschnitt aus der Matrikel 1833 / 34. Eigenhändige Eintragung des Abbildung 6: Seite aus dem ältesten bekannten Schriftstellers John Brinckman Matrikelbuch 1419 – 1760

Rostocker Matrikel-Portal Die in den Matrikelhandschriften ent- und Übertragungsrichtlinien dokumen- 1419 – 1945 haltenen Informationen sind im Einzel- tiert. Mehrere Korrekturdurchläufe und nen recht unterschiedlich. Neben dem eine systematische Fehlersuche dienen Neben Privilegienbriefen und Statuten Zeitpunkt, den gezahlten Gebühren und der Qualitätssicherung und die Normali- als Symbole für akademische Freiheit Hinweisen auf die Umstände der Imma- sierung von Orts- und Personennamen und eigenständige Verfassung waren trikulation umfassen die Einträge in der verbessert die Recherchemöglichkeiten. die Matrikeln das wichtigste Dokument Regel den Namen und die Herkunft der Ab Frühjahr 2010 werden die Matrikel- einer Universität. eingeschriebenen Person sowie Anga- Datenbanken gemeinsam mit digitalen ben zum Stand, akademischen Titeln Faksimiles der Quellen in einem Online- Die Immatrikulation war ein symboli- u. Ä. Diese Informationen ermöglichen Portal unter der Adresse http://matrikel. scher und rechtserheblicher Akt, durch sowohl Aussagen zum regionalen und uni-rostock.de veröffentlicht werden. ■ den der Eingeschriebene seinen Rechts- sozialen Profil der Besuchergruppen stand wechselte und nun die Privilegien als auch zur akademischen Praxis an des akademischen Bürgerrechts ge- der Rostocker Universität im Laufe Two projects concern the documenta- noss. Weitaus mehr als eine bloße Auf- der Jahrhunderte. Später differenzie- tion of the most important groups at the listung von Personenzeugnissen reprä- ren sich diese Quellen immer weiter University of Rostock - the students and sentieren die Matrikeln die Universität in über tabellarische Matrikelbücher des the professors. The Catalogus Profes- ihrem ursprünglichen, bis heute fortwir- 19. Jahrhunderts, in die die Studenten sorum Rostochiensium is a biographi- kenden Wesen als Personenverband, eigenhändig weitere Angaben etwa zu cal information system, where all pro- als Gemeinschaft von Lehrenden und Schulabschluss, Wohnort und Beruf des fessors and lecturers are represented Lernenden. Die im Universitätsarchiv Vaters oder zum Studienfach einschrie- by their own entry and evidencing the aufbewahrten Rostocker Matrikeln sind ben, bis hin zur Studentenkartei seit den academic staff entirely for the first time. neben denjenigen aus Heidelberg und 1920er-Jahren, die der heutigen Verwal- The Rostock Registers kept in the uni- Leipzig die drittälteste, bis heute lücken- tungspraxis bereits weitgehend gleicht. versity archive are, next to those from los dokumentierte Quelle dieser Art in Heidelberg and Leipzig, the third oldest Deutschland. Bis 1945 sind über 80.000 Die Übertragung der Einschreibungen uninterrupted documented source of Einschreibungen enthalten. Diese in ei- aus den Matrikeln in eine Datenbank er- this kind in Germany. These enrolments ner Datenbank strukturiert aufzuarbeiten folgt durch studentische Hilfskräfte über are reviewed in a structured way in a da- und in einem Internetportal zu präsentie- ein Online-Formular. Mit Hilfe eines Wi- tabase and are showcased through an ren, ist das Ziel des Projekts. kis werden der Projektablauf koordiniert internet portal.

30 Traditio et Innovatio 2|10 Menschen an der Universität

Geschichte des Frauenstudiums an der Universität Rostock

Bettina Kleinschmidt

Hörerinnen seit 1895 Elisabeth Bernhöft schrieb sich am 27. zögerlich. Zu einem Aufschwung der Oktober 1909 als erste Frau in die da- Studentinnenzahlen kam es erst wäh- Nach jahrelangen Auseinandersetzun- mals 490-jährige Matrikel der Universität rend des Ersten Weltkrieges. Viele Frau- gen erkämpften sich die Frauen am Ende Rostock ein. Sie promovierte 1910 an en nutzten die besonderen Umstände, des 19. Jahrhunderts auch in Mecklen- der Philosophischen Fakultät. Ebenfalls um zu studieren und eine selbständige burg den Zugang zur Universität. Im Win- im Oktober 1909 wurden die Germanis- Berufstätigkeit anzustreben. Im Som- tersemester 1895/96 wurden an der Uni- tikstudentin Frida Ortmann und die Me- mersemester 1919 waren erstmals 180 versität Rostock erstmals 18 Hörerinnen dizinstudentin Sophie Jourdan immatri- Studentinnen immatrikuliert. Das ent- zugelassen. Ihr Zutritt blieb bis 1906 auf kuliert. Auch wenn Frauen auf dem Weg sprach einem weiblichen Anteil von 10 die Philosophische Fakultät beschränkt. zu akademischer Bildung noch viele Hür- Prozent aller Studierenden. Nachdem Nur nach Zustimmung von Rektor und den zu nehmen hatten, waren diese ers- Frauen zunächst nur an der Philoso- Dozenten erhielten sie die Erlaubnis, ten Studentinnen die Protagonistinnen, phischen und Medizinischen Fakultät an einzelnen Vorlesungen teilzuneh- mit denen im Wintersemester 1909/10 zugelassen wurden, konnten sie am men. Da Hörerinnen keine Mitglieder der ein neues Kapitel der Geschichte der Ende der Weimarer Republik alle Fach- Universität waren, hatten sie auch kein Universität Rostock begann. richtungen wählen. Im Sommersemes- Recht, Prüfungen abzulegen. ter 1933 studierten in Rostock 508 Stu- dentinnen. Damit hatte sich ihr Anteil an Mit der Zulassung von 10 bis 20 Hörerin- Entwicklung bis 1945 der Gesamtzahl der Immatrikulierten im nen pro Semester stellten Frauen an der Vergleich zu 1919 verdoppelt. Die Natio- Universität Rostock bis 1908 weiterhin Das Frauenstudium an der Universität nalsozialisten propagierten die Rolle der eine Ausnahme dar. Zwar wurde ihnen Rostock entwickelte sich anfangs nur Frau als Mutter. Sie verpflichteten Stu- die vollwertige Immatrikulation noch vor- enthalten, dennoch hatten diese mutigen Vorreiterinnen den ersten Schritt in die männliche Bildungsdomäne Universität getan.

Erste Immatrikulationen 1909

Der Großherzog genehmigte am 29. Juni 1909 die Immatrikulation von Studentin- nen. Damit war die Universität Rostock die letzte deutsche Hochschule, die das Abbildung 1: Studentinnenzahlen der Universität Rostock von 1909 bis 1939, Frauenstudium einführte. Dr. Marianne Beese

Universität Rostock 31 Menschen an der Universität

dienbewerberinnen zum Reichsarbeits- Studentinnenzahlen dienst und erschwerten die Zugangs- bis heute bedingungen zu den Hochschulen. Die Anzahl der Studenten wurde systema- Die Anzahl der Studenten an der Univer- tisch gesenkt, der Frauenanteil sollte nur sität Rostock stieg von 1950 bis 1960 von noch 10 Prozent betragen. Nach Aus- 1.600 auf 3.500. Im gleichen Zeitraum bruch des Zweiten Weltkrieges führte erhöhte sich der Anteil der Studentinnen die faschistische Politik zu einem Man- von 33 auf 39 Prozent. Die DDR förder- gel an qualifizierten Arbeitskräften. Stu- te die Berufstätigkeit von Frauen, deren dentinnen wurden erstmals gefördert. Ausbildung und Qualifikation. Für Stu- Auch an der Universität Rostock erhöhte dentinnen und junge Wissenschaftlerin- sich die Anzahl der studierenden Frau- nen wurden die Arbeits- und Lebensbe- en. Waren 1940 bereits 30 Prozent der dingungen verbessert. So unterhielt die Studenten weiblich, so stieg ihr Anteil Universität Rostock beispielsweise ei- 1944 auf 60 Prozent an. gene Kindergärten, Wohnheimplätze für Studierende mit Kind und Ferienanlagen für Familien. An der Universität Rostock Abbildung 2: Großherzogliche Urkunde waren 1970 erstmals mehr Frauen als zur Einführung des Frauenstudiums Männer immatrikuliert. In den 80er- Jah- vom 29. Juni 1909; Universitätsar- ren stabilisierte sich die durchschnitt­ chiv Rostock R 11 A 2, Fotomontage liche Studentenzahl bei 5.300 mit einem Medien­zentrum weiblichen Anteil von etwa 53 Prozent. Derzeit studieren an der Universität Ros- Abbildung 3: Abgangszeugnis für tock 7.400 Frauen, das entspricht einem Elisabeth Bernhöft vom 02. Juli 1910; Anteil von 51 Prozent. Bemerkenswert ist Universitätsarchiv Rostock: auch, dass Absolventinnen 55 Prozent Studentenakte der Hochschulabschlüsse erzielen. Die von Frauen am meisten frequentierten Abbildung 4, unten: Fakultäten sind die Agrar- und Umwelt- Rostocker Studentinnen; wissenschaftliche, die Juristische, die Studentenkartei Universitätsarchiv, Medizinische, die Philosophische und Bearbeitung: Medienzentrum die Theologische Fakultät.

32 Traditio et Innovatio 2|10 Menschen an der Universität

Wissenschaftlerinnen in der Geschichte der Universität Rostock

Promotionen für Fremdsprachen. Ihr Einsatz blieb die Ausnahme und dem Mangel an männli- Den ersten Doktortitel, der an der Univer- chen Lehrkräften in besonderen Notsitu- sität Rostock einer Frau verliehen wurde, ationen geschuldet. Elise Lohmann aus erhielt am 3. August 1909 Erna Grawi München war die erste weibliche Lehr- von der Philosophischen Fakultät. So- kraft. Als Kriegsvertretung übernahm phie Jourdan wurde 1913 als erste Frau sie im Sommersemester 1918 und Win- an der Medizinischen Fakultät promo- tersemester 1918 / 19 das Lektorat für viert. Eine herausragende Philologin war Französische Sprache. die 1920 an der Philosophischen Fakul- tät promovierte Eva Fiesel (1891 – 1937). Von 1921 bis 1923 wirkte die Rostockerin Abbildung 5: Hildegard Schumann: Auf Grund ihrer jüdischen Abstammung Mathilde Mann (1859 – 1925) als Lekto- erste Dekanin der Universität musste sie 1934 in die USA emigrieren, rin für Dänische Sprache und Literatur an 1959 – 1961; Universitätsarchiv wo sie ihre wissenschaftliche Arbeit bis der Universität Rostock. Die Philosophi- Rostock, Fotosammlung Veranstal­ zu ihrem frühen Tod fortsetzen konnte. sche Fakultät würdigte ihre literarischen tungen Nr. 990, Investitur 1965 Insgesamt promovierten bis 1945 etwa Leistungen 1924 mit einer Ehrenpromoti- 90 Frauen an der Philosophischen, 250 on. Annemarie von Harlem (1894 – 1983) an der Medizinischen und 30 an der Ju- bekleidete von 1942 bis 1948 das Lekto- Diskriminierung ristischen Fakultät. rat für Finnisch. Sie hatte in Rostock stu- jüdischer Frauen diert und 1922 an der Philosophischen Fakultät promoviert. Später war sie als Die Diskriminierung jüdischer Frauen Lektorinnen Rektorin am Rostocker Lyzeum, in der verschärfte sich nach der Machtergrei- Stadtverordnetenversammlung, im fung der Nationalsozialisten auch an der Die ersten Frauen, die an der Universi- Mecklenburger Landtag und im Konsulat Universität Rostock zunehmend. Die tät Rostock lehrten, waren Lektorinnen des Auswärtigen Amtes tätig. Journalistin und Filmhistorikerin Lotte

Universität Rostock 33 Menschen an der Universität

Wissenschaftlerinnen Von der Ausnahme Die Autorin im Aufbruch zur Normalität

Die erste Wissenschaftlerin, die an der Diesen Vorreiterinnen folgten zahlrei- Universität Rostock einen Lehrauftrag che erfolgreiche akademische Karrieren erhielt, war Margarete Fuhrmann (geb. von Wissenschaftlerinnen. Derzeit sind 1896), 1943 zur Dozentin für Arbeitsrecht von 345 Professoren an der Universi- ernannt. Im Jahre 1946 konnte die Geo- tät Rostock 70 Frauen und es gibt eine login Ingeburg Schaacke (1910 – 1966) Dekanin sowie eine Prorektorin. Bis als Dozentin für Mineralogie gewonnen heute wurden etwa 500 Ehrendoktor- werden, von 1954 bis 1966 war sie als titel verliehen, sieben Frauen erhielten Professorin für Mineralogie und Direkto- diese Würdigung für ihre besonderen rin des Mineralogisch-Petrographischen wissenschaftlichen Leistungen. Die Er- Instituts an der Universität Rostock tätig. forschung der Geschichte der Frauen Bettina Kleinschmidt, Die erste Habilitandin der Universität an der Universität Rostock wie auch die Diplomarchivarin (FH) Rostock war 1951 die Germanistin Hil- Geschlechterforschung lässt noch viele

1984 – 1987 Studium an der Fachschule degard Emmel (1911 – 1996). Sie erhielt Fragen offen. Es bleibt zu wünschen, für Archivwesen Potsdam; 1987 – 1988 1956 eine Professur für Neuere Deut- dass das Universitätsjubiläum 2019 Archivarin im Sächsischen Staatsarchiv sche Literaturgeschichte, wechselte auch zu wissenschaftlichen Projekten Dresden; seit 1988 Archivarin im Univer- sitätsarchiv Rostock jedoch noch im gleichen Jahr an die Uni- auf diesem Gebiet beiträgt. ■ versität Greifswald. Universität Rostock Universitätsarchiv / Kustodie Schwaansche Str. 4, 18055 Rostock Die 1935 in Rostock promovierte Agrar- On 27th October 1909 Elisabeth Bern- Fon +49(0)381 498-8624 historikerin und Thünenforscherin Ger- höft enrolled as the first woman on the Mail bettina.kleinschmidt@uni- rostock.de trud Schröder-Lembke (1908 – 2006) then 490-year-old register of the Univer- habilitierte sich 1951 an der Landwirt- sity of Rostock. Thus the University of schaftlichen Fakultät. Die Theologin Ma- Rostock was the last German university H. Eisner (1896 – 1983) hatte 1924 an rie-Louise Henry (1911 – 2006) war 1948 to introduce studies for women. In total der Philosophischen Fakultät promo- in Rostock promoviert worden. Sie habi- by 1945 around 90 women had earned viert, dieser Doktortitel wurde ihr 1940 litierte sich 1952 und wurde ein Jahr spä- their doctorate from the Faculty of Phi- aberkannt. Als Jüdin und Regimegeg- ter zur Dozentin an der Theologischen losophy, 250 from the Faculty of Medi- nerin musste sie 1933 emigrieren und Fakultät ernannt. 1959 erhielt sie in Leip- cine and 30 from the Faculty of Law. fand als Kuratorin an der Cinémathèque zig den Lehrstuhl für Altes Testament. in Paris ihr berufliches Tätigkeitsfeld. Die aus dem Exil zurückgekehrte Lola Returning from exile in 1947, Lola Zahn Stellvertretend für die Verbrechen ge- Zahn (1910 – 1998) wurde 1947 mit ei- (1910 – 1998) was appointed the first gen jüdische Frauen soll hier an die nem Lehrauftrag für Wirtschaftsplanung female professor at the University of Rostocker Kinderärztin Edith Josephy zur ersten Professorin der Universität Rostock with a lectureship for economic (1899 – 1944) erinnert werden. Sie hatte Rostock ernannt. Sie wechselte 1949 an planning. The first female dean of the an der Universität Rostock Medizin stu- die Humboldt-Universität Berlin. Die ers- University of Rostock was Hildegard diert und promovierte 1924. Ihre eigene te Dekanin der Universität Rostock war Schumann (1907 – 1986) from 1959 Kinderarztpraxis in Rostock musste sie von 1959 bis 1961 Hildegard Schumann to 1961 in the Faculty of Philosophy. auf Grund der Repressalien gegen jüdi- (1907 – 1986) an der Philosophischen Currently 7,400 women study at the sche Ärzte 1933 aufgeben. 1943 wurde Fakultät. 1956 hatte sie eine Professur University of Rostock, corresponding sie mit ihrem Mann nach Theresienstadt für Englische und Amerikanische Spra- to a share of 51 %. Among the 345 pro- deportiert und 1944 in Auschwitz er- che und Literatur erhalten. Ihr Verdienst fessors there are 70 women, and one mordet. Ihr tragisches Schicksal bleibt war der Aufbau des Instituts für Anglis- female dean and one female prorector unvergessen. tik-Amerikanistik. have been chosen.

34 Traditio et Innovatio 2|10 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Abitur für Hühnerfeen und Waldschrate Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät der Universität Rostock

Christian Hall

Arbeiter und Bauern Geschichte unserer Alma Mater eine Fa- halb von zwei bis drei Jahren das Abitur an die Universität kultät ihre Gründung, an der nur Studie- erlangen. rende immatrikuliert wurden, die keine Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall stellt Allgemeine Hochschulreife vorweisen sich heraus, dass der erste Arbeiter- und konnten und aus bildungsfernen Schich- Anspruch und Wirklichkeit Bauernstaat auf deutschem Boden grö- ten stammen sollten. ßere Gemeinsamkeiten mit dem „Klas- Neben dem Anspruch, Bildungsmög- senfeind“ hatte als angenommen. Ja, Dies stellte ein Novum in der deut- lichkeiten sozial ausgewogen zu ver- auch im realexistierenden Sozialismus schen Bildungsgeschichte dar. An der teilen, verband die SED weit reichende der DDR findet sich ein Pendant des Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (ABF) der politische Absichten mit diesen Einrich- amerikanischen „from rags to riches“, Universität Rostock und ihrer Vorläufer­ tungen, wie die Schaffung von Einfluss- allerdings weniger auf den materiellen einrichtung, der seit 1946 bestehenden sphären der Partei an den Universitäten Reichtum bezogen als vielmehr auf Vorstudienschule / -abteilung (VSA), und Hochschulen, die Heranbildung den geistigen. Im Oktober 1949 feierte konnten in erster Linie Arbeiter und einer politisch loyalen „neuen sozialisti- erstmals in der nun fast 600-jährigen Kleinbauern bzw. deren Kinder inner- schen Intelligenz“ und die Legitimation des bestehenden Systems durch das Versprechen, Bildungschancen gerech- ter zu verteilen, als dies im Kapitalismus je möglich wäre. Doch hat die VSA/ ABF der Universität Rostock ihre ge- sellschaftliche und politische Funktion überhaupt erfüllt? Diese grundlegende Frage stellt sich in meinem aktuellen Forschungsvorhaben und auch wenn die Arbeiten hierzu noch nicht abge- schlossen sind, lassen sich erste Ant- worten geben.

Bildungslücken und Arbeiterbonus

Zunächst diente die VSA der Kompen- Abbildung 1: Delegation von ABF-Studenten zum Tag der Arbeit am 1. Mai 1951 sation kriegsbedingter Bildungsrück-

Universität Rostock 35 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

stände, weil trotz der Ausrichtung der brechen müssen und nutzten nun die „A 3 werktätiger Bauer“ bevorzugt auf- Bildungseinrichtung auf Arbeiter- und VSA, um ihre Schulbildung nachzuho- genommen. Der Nachweis hierfür wurde Bauern(kinder) die Zulassungsrichtlinien len. Das änderte sich 1948, indem ehe- entweder durch den Beruf des Vaters bis Ende 1947 nicht ausdrücklich auf die- malige Oberschüler von einem Besuch oder die eigene, mindestens zweijähri- se Personengruppe beschränkt waren. ausgeschlossen wurden und die Zulas- ge Berufstätigkeit erbracht. Allerdings Die Vorstudienschüler kamen deshalb sung ausdrücklich nach der sozialen zählten auch Partei-, Staats- und Wirt- nicht unbedingt aus bildungsfernen El- Statuszuweisung vorgenommen wurde. schaftsfunktionäre sowie Angehörige ternhäusern, sondern hatten während Demnach wurden Personen der Katego- der bewaffneten Organe als Arbeiter, des 2. Weltkrieges ihre Ausbildung ab- rie „A 1 Arbeiter“, „A 2 Landarbeiter“ und d. h. ihre Kinder kamen ebenfalls in den Vorteil des „Arbeiterbonus“, obwohl sie diesem sozialen Milieu keineswegs ent- sprachen. Dadurch wurden die positiven gesellschaftlichen Zielsetzungen der ABF partiell ad absurdum geführt.

Partei und Werktätige

Dass gerade die „Werktätigen“ diese be- sondere Förderung erfuhren, hängt mit der Weltanschauung der SED zusam- men, d. h. mit ihrer Vorstellung, dass ein bestimmtes Bewusstsein der Menschen aus der jeweiligen Stellung zu den Pro- duktionsmitteln abzuleiten ist. Demnach konnten Arbeiter und Bauern gar nicht anders, als die Politik der SED, die sich schließlich als führende Partei der Ar- beiter- und Bauernklasse verstand, zu unterstützen. In der Realität traf diese Einschätzung jedoch nicht zu, was bei- spielsweise die Ereignisse des 17. Juni 1953 und die Montagsdemonstrationen des Herbst 1989 verdeutlichten. Auch der angestrebte Einfluss der mehrheit- lich aus Arbeiter- und Bauernkreisen stammenden VSA- und ABF-Absolven- ten auf die Stärkung der Position der SED an der Universität entsprach nicht den Vorstellungen der Partei. Abgese- hen von einzelnen, besonders aktiven Abbildung 2, oben: Das Fakultätsgebäude („Paul-Sack-Haus“) der ABF in den Genossen, die diese Intention verwirk- 50er-Jahren. Unten: Heute wird das Gebäude in der Lindenstraße von der Jena­ lichten, versuchte sich das Gros der Ar- planschule „Peter Petersen“ genutzt. Petersen war der Gründungsvater der beiter- und Bauernstudenten den Bedin- ersten Vor­studienschule in der Sowjetischen Besatzungszone an der Universität gungen an der Universität anzupassen Jena. Seine reformpädagogische Arbeit lief allerdings den politischen Interessen und konzentrierte sich darauf, fachlich zu der SED zuwider, weshalb er von seinen Funktionen zurücktreten musste. bestehen.

36 Traditio et Innovatio 2|10 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Abbildung 3: Physikunterricht Der Autor mit Zigarette an der ABF in den fünfziger Jahren. Die ABF war für die damaligen Verhältnisse und im Vergleich zu den Oberschulen sehr gut ausgestattet. Der Bezug zur Christian Hall M.A. Praxis sollte den geboren 1982; Studium der Geschichte, polytechnischen Klassischen Archäologie und Politikwis- Ausbildungsprin- senschaft an der Universität Rostock; zipien zufolge 2006 Bakkalaureus Artium; 2008 Magister Artium; seit 2008 Doktorand stets im Unterricht am Historischen Institut der Universität präsent sein. Rostock, aktuelles Forschungsvorha- ben: „Gegenprivilegierende Bildungs- politik in der SBZ/DDR am Beispiel der Vorstudienschule und Arbeiter-und-Bau- ern-Fakultät der Universität Rostock.“

Universität Rostock Forschungsstelle Universitätsgeschichte Universitätsarchiv Schwaansche Str. 4, 18055 Rostock Fon +49(0)381 498-8797 Mail [email protected]

Bilanz tät Rostock. Trotzdem bleibt festzuhal- schule in einem Hühnerstall arbeite- ten, dass diese Institution einer Gruppe te, deshalb scherzhaft an der Arbeiter- Die bewusste Privilegierung sozial be- von Menschen den Weg zur Universität und-Bauern-Fakultät als „Hühnerfee“ nachteiligter Gruppen auf Kosten der erschlossen hat, für die derartige Auf- bezeichnet wurde, oder ein Forstarbei­ Benachteiligung anderer Sozialgruppen stiegsmöglichkeiten durch Bildung und ter, ein „Waldschrat“, dessen Familie nach der politischen Zweckmäßigkeit Qualifizierung bislang nicht vorstell- nie ein Buch besessen hatte, eines Ta- führte weder zu dem angestrebten sozi- bar und auch kaum umsetzbar gewe- ges Fachärztin und Universitätsprofes- alstrukturellen noch zu dem politischen sen waren. Dass nämlich ein Mädchen, sor wurden, stellt bis heute eine heraus- Einfluss der VSA / ABF auf die Universi­­ welches nach der achtklassigen Dorf- ragende Bildungsleistung dar. ■

In October 1949 the ‘Workers and Peas- cations. Besides creating educational cal demands were fulfilled at these acad- ants’ Faculty opened at the University of equality and equal opportunities, this emies. Early results are briefly presented Rostock. At this academy and its precur- establishment, of which there were 15 in this article. Although they do require sor establishment, the pre-study school in the former East Germany, served to further substantiation, it may already founded in 1946, people from unedu- safeguard the one-party rule of the SED be observed that the confirmed anti- cated backgrounds, from the ‘workers (German Socialist Unity Party). A current privilege education policy of the former and peasants classes’ were to catch research project is investigating to what East Germany ultimately faltered on the up on their university entrance qualifi- extent the socio-political and party-politi- power politics of the SED.

Universität Rostock 37 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Die Geschichte der Chemie an der Universität Rostock

Gisela Boeck

Die Institutionalisierung Chemie, für den 1792 Heinrich Friedrich zie geteilt. Das hatte einen dramatischen der Chemie in Rostock Link (1767 – 1851) gewonnen werden Nachteil. So heißt es in einem Schreiben konnte. Er fertigte eine ausführliche Be- der Medizinischen Fakultät vom 15. No- Anlässlich des 550-jährigen Jubiläums schreibung der Naturaliensammlung der vember 1811: „Durch die Teilung des der Universität Rostock 1969 entstan- Universität an und hinterließ in Chemie, Gehalts wurde es schwierig, vorzügliche den zahlreiche Arbeiten, die uns ein Botanik, Anatomie und Zoologie ent- Männer zu holen, z. B. Hermbstaedt, recht umfassendes Bild von der Ent- scheidende Spuren. Bereits 1806 for- Trommsdorff, Gehlen oder Vauquelin.“ wicklung der Wissenschaft Chemie an derte er ein chemisches Laboratorium In die engere Wahl wurde übrigens auch der Universität Rostock vermitteln. Der für die Universität. Nach Links Weggang Carl W. G. Kastner (1783 – 1857) aus Prozess der Institutionalisierung be- wurde der verwaiste Lehrstuhl in eine Heidelberg gezogen, der später als Leh- gann 1789 mit der Einrichtung des Lehr- Professur für Naturgeschichte und Bota- rer von Justus Liebig (1803 – 1873) be- stuhls für Naturgeschichte, Botanik und nik sowie eine für Chemie und Pharma- kannt wurde. Schließlich entschied man

Abbildung 1: Gebäude des ersten chemischen Universitätslaboratoriums in Rostock (Universitätsarchiv Rostock)

38 Traditio et Innovatio 2|10 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

sich für Gustav Mähl (1789 – 1833), der Bau dieses Labors einige Gelehrte jener zug der Chemie in den Neubau häufig die Chemie jedoch nicht voranbrachte. Zeit beschäftigte. Denn ursprünglich war wechselnde Nutzer, es beherbergte die an ein „Akademisches Museum“ für alle Anatomie, die Physik, die Germanistik naturwissenschaftlichen Disziplinen ge- und andere. Es ist nach 170 Jahren ab- Das erste chemische Labor dacht worden. Man war sich aber nicht gerissen worden, obwohl es nach einer an der Universität im Klaren darüber, ob ein chemisches Restaurierung einen geeigneten Stand- Labor für die ebenfalls in diesem Haus ort für ein Universitätsmuseum darge- Erst durch den außerordentlichen Pro- unterzubringenden physikalischen und stellt hätte. fessor Helmuth von Blücher (1805 – astronomischen Geräte ein Problem 1862) konnte 1834 die Eröffnung eines darstellen könnte. So wurden Carl Fried- Mit dem chemischen Labor war die Vor- chemischen Labors an der Universität rich Gauß (1777 – 1855) und Johann aussetzung für die weitere Entwicklung erreicht werden. Blücher erhielt umfas- Wolfgang Döbereiner (1780 – 1849) um der Chemie als experimentelle Wissen- sende Unterstützung durch den Kanzler Gutachten gebeten. Letztlich entstand schaft geschaffen worden. Neben expe- der Universität, Carl Friedrich von Both auf dem Hof hinter dem Weißen Colleg rimenteller Forschungsarbeit war es nun (1789 – 1875), und seitens der Medizini- ein Gebäude, das überwiegend der Che- auch möglich, die Studierenden prak- schen Fakultät durch Johann Karl Fried- mie zugedacht war (Abb. 1), aber auch tisch zu unterweisen. Die Entwicklung rich Strempel (1800 – 1872). Dieser hatte Teile der Sammlung beherbergte. Zehn der Forschung, die jeweiligen Lehrstuhl- neben der Notwendigkeit des klinischen Jahre später wurde mit dem „Neuen Mu- inhaber und die zur Verfügung stehen- Unterrichts die Bedeutung der Naturwis- seum“ (Anbau am Hauptgebäude der den Gebäude sind bis 1969 relativ gut senschaften für die Medizin erkannt und Universität) dann eben doch ein die Na- dokumentiert, wobei die Zeit des Natio- die entsprechende Ausbildung der Medi- turwissenschaften vereinendes Gebäu- nalsozialismus noch einer gründlicheren zinstudenten in Rostock für ungenügend de errichtet. Das Gebäude des ersten Aufarbeitung bedarf. Auch die jeweils befunden. Es ist interessant, dass der chemischen Labors hatte nach dem Um- angebotenen Lehrveranstaltungen sind bekannt.

Offene Fragen der Institutsgeschichte

Eine zusammenfassende Darstellung der Zeit nach 1969 fehlt bis heute. Die- se letzten derzeit 40, zum nächsten Universitätsjubiläum dann 50 Jahre waren durch einschneidende Ereignis- se geprägt: die Dritte Hochschulreform mit ihren drastischen Auswirkungen auf Forschung und Lehre (so konnte z. B. die Kohlenhydratforschung nicht mehr im notwendigen Umfang weitergeführt wer- den), die Jahre der Wende mit der Be- geisterung des Neubeginns, drastische Einschnitte im Personalhaushalt, aber auch deutliche Verbesserung bei den zur Verfügung stehenden Räumlichkei- ten (insbesondere den neuen Gebäuden Abbildung 2: „Freiluftlabor“ des Chemischen Instituts im Jahr 1975 auf dem Südstadtcampus; Abb. 2 und (Privatarchiv Gisela Boeck) 3: Blick in ein altes und in ein neues La-

Universität Rostock 39 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Die Autorin

Dr. rer. nat. Gisela Boeck

1973 – 1977 Chemiestudium an der Universität Rostock; 1977 – 1980 Aspirantur an den Universitäten Leipzig und Toruń (Thorn); 1981 Promotion mit einer quantenchemischen Arbeit; seit 1981 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Chemie; Lehrbeauftragte für die Chemieausbildung der Studierenden der Humanmedizin, der Zahnheilkunde und der Medizinischen Biotechnolo- gie; Vorlesungen zur Geschichte der Chemie, der Naturwissenschaften und zur Universitätsgeschichte; Forschungs- arbeiten zur Geschichte der Chemie in Rostock, zum chemischen Unterricht im 19. Jahrhundert und zur Rezeption des Periodensystems der Elemente in Deutschland; Personal- und Öffentlich- keitsbeauftragte des Instituts

Universität Rostock Institut für Chemie Albert-Einstein-Str. 3a, 18059 Rostock Fon +49(0)381 498-6354 Mail [email protected] Abbildung 3: Chemisches Labor im Jahr 2003 (Medienzentrum der Universität Rostock)

bor) oder der Bologna-Prozess. Ebenso The history of chemistry as a science University Reform with its drastic effects fehlen ausführliche Würdigungen der at the University of Rostock is relatively on research and teaching, the years of Forschungs- und Lehrleistungen der well reviewed – the professorships and change following reunification with the Hochschullehrer, die am Institut in den their occupants, their teaching respon- excitement of a new beginning, drastic vergangenen Jahren gewirkt haben, sibilities and their research work are cuts in staff budgets yet also significant obwohl selbstverständlich mit dem Ca- well-known. Desiderata for the period of improvements in available premises and talogus Professorum Rostochiensium National Socialism are documented. Un- through the Bologna Process. Therefore hier schon ein hervorragendes Nach- til today, no detailed assessments of the a project at the Institute of Chemistry schlagwerk entstanden ist. Das Projekt, professors who worked at the institute is devoted to the review of these years. die Entwicklung der Chemie von 1969 after 1945 and no comprehensive pres- Biographies more extensive than those bis heute zu beschreiben, soll in den entation of the development of chem- of the Catalogus Professorum Rosto- kommenden Jahren bearbeitet werden. istry in the years after 1969 have been chiensium will be elaborated there. In ad- Eine Mitarbeit von Zeitzeugen ist sehr elaborated. These years were charac- dition, it will present the development in willkommen. ■ terised by dramatic events: the Third research and teaching.

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Die Physik und ihre Geschichte

Reinhard Mahnke

Die Entwicklung dern auch auf dem mathematischen Kunze, sind der Abbildung 1 zu entneh- der Physik seit 1874 und medizinischen. Zu nennen ist seine men. über 1.000 Seiten umfassende Mono- Disziplinär geprägte Lehrstühle für Phy- graphie über die Grundzüge der antiken Die Entwicklung der experimentellen und sik wurden an den deutschen Universi- und modernen Algebra (1878). Für seine theoretischen Physik an der Universität täten im Verlaufe des 19. Jahrhunderts Forschungen zum physikalisch-opti- Rostock ist für den Zeitraum von 1874 eingerichtet. Erstmalig in der Geschich- schen Bau des Auges der Wirbeltiere bis 1945 umfassend dokumentiert (siehe te unserer Universität wurde 1874 eine wurde Matthiessen 1883 von der Medi- Heft 17 der Beiträge zur Geschichte der eigenständige, von der Chemie und zinischen Fakultät der Universität Zürich Universität Rostock, erschienen 1991). Mathematik unabhängige, Professur für zum Dr. med. h. c. promoviert. In einer Unsere Abbildung 1 benutzt den Ca- Physik geschaffen. Der erste Ordinarius Festschrift zum 70. Geburtstag von Her- talogus Professorum Rostochiensium der Physik, Heinrich Friedrich Ludwig mann von Helmholtz (1891) schrieb Lud- (CPR) als Datenbasis. Der CPR erlaubt Matthiessen (1830 – 1906), hatte dieses wig Matthiessen über neue Ergebnisse eine Auflistung aller Hochschullehrer der Lehramt über 30 Jahre (1874 – 1905) in der physiologischen Optik (Dioptrik). Physik von 1874 bis 2009. Diese Aufstel- inne. Matthiessen war nicht nur auf dem Seine Nachfolger, u. a. die Theoretiker lung enthält zurzeit 65 Einträge, davon seinem Lehrauftrag entsprechenden Otto Stern, Friedrich Hund und Pascual sind 42 sogenannte Langeinträge mit physikalischen Fachgebiet tätig, son- Jordan sowie der Experimentator Paul einer ausführlichen Darstellung zur Per-

Abbildung 1: Chronologische Übersicht aller Hochschullehrer der Physik im Zeitraum von 1874 bis 1945. Die Zeitleiste basiert auf dem Rostocker Professoren-Katalog (CPR) und wurde durch Mathias Winkel computergrafisch umgesetzt.

Universität Rostock 41 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

und den Übergang in die neue Personal- The year 1874 marks a crucial date for the Der Autor struktur von 1992 schildern. development of physics at the University of Rostock. For the first time in the history of the Alma Mater Rostochiensis, a chair Über Orte Rostocker of physics was established in that year. Physik-Institute Physics thus became a self-contained entity, independent from chemistry and Wie bereits im Beitrag zur Geschichte der mathematics. In this contribution we Chemie erwähnt, befand sich hinter dem give a description of the development of Hauptgebäude der Universität Rostock both experimental and theoretical phys- ein traditionsreiches Haus, das bis zum ics in Rostock from 1874 until today (see Sommer 1910 als (erstes) physikalisches also R. Mahnke et al.: Contributions to Institut fungierte (Abbildung 2). Vor nun- the History of the University of Rostock, Priv.-Doz. Dr. rer. nat. habil. mehr 100 Jahren (am 26.08.1910) über- vol. 17, 1991 [in German]). Our narrative Reinhard Mahnke nahm Adolf Heydweiller als Institutsdi- is closely tied to a number of interest- 1971 – 1976 Studium der Physik rektor das neue (zweite) Physik-Haus ing university buildings. The first home an der Universität Rostock; danach seiner Bestimmung. Eine zusammenfas- of the institute of physics was located Forschungsstudent; 1980 Verteidigung der Dissertation A zum Thema „Zur sende Darstellung der Orte Rostocker behind the main university building, but Komplexität und Evolution biologischer Physik-Geschichte (ähnlich dem Buch was unfortunately demolished in 2006. Makromoleküle“; 1982 / 83 Zusatzstudi- über Orte Rostocker Universitäts- und The present home is the complex at Uni- um an der Lettischen Staatsuniversität Riga; 1990 Verteidigung der Disser- Wissenschaftgeschichte: Vom Collegi- versity Square 3. It consists of a portal tation B zum Thema „Zur Evolution in um zum Campus, 2007) fehlt bis heute. building as gatehouse and, behind it, the nichtlinearen dynamischen Systemen“; 1993 Verleihung der Lehrbefugnis venia Aber Anfänge sind bereits gemacht. So Physics Institute proper. Adolf Heydweil­ legendi für das Gebiet Theoretische wird ein fotografischer Katalog aller heu- ler, chair of physics at that time, inaugu- Physik; Ernennung zum Privatdozen- te durch die Physik genutzten Gebäude rated the latter on August 26, 1910. Ever ten; seit 30 Jahren tätig an der Physik in Rostock; Forschungstema: Physik erarbeitet. Gedruckte und elektronische since, physics has had its presence in stochastischer Prozesse Veröffentlichungen zusammen mit ei- the very heart of the city of Rostock. The Universität Rostock nem Internetauftritt sind geplant. Die- centennial will be celebrated on June 26, Institut für Physik ses und vieles mehr zur Geschichte der 2010. A catalogue of all academic build- Wismarsche Str. 44, 18057 Rostock Fon +49(0)381 498-6944 Physik in Rostock wird am 26.06.2010 ings used by Rostock physicists was initi- Mail [email protected] auf einer Institutsfeier zum 100-jähri- ated (compare also G. Boeck et al.: From gen Jubiläum des Physik-Gebäudes am Collegium to Campus. Locations of the Universitätsplatz 3 vorgestellt. Seien Sie History of Rostock University and Sci- son. Im Oktober 2009 hat das Institut für dazu herzlich eingeladen. ■ ence [in German] 2007.). Physik 14 Professuren (davon eine un- besetzt wegen Ausschreibung), 38 wis- senschaftliche und 33 technische Mit- arbeiter (Haushalt) sowie 71 Mitarbeiter auf Drittmittelstellen. In Hinblick auf die Abbildung 2: 600-Jahr-Feier der Universität Rostock Außenansicht 2019 ist eine Fortführung der zum 575. des alten Physika­ Jubiläum erschienenen Abhandlungen lischen Instituts wie die zur Mathematisch-Naturwissen- im Jahre 1885 schaftlichen Fakultät von 1994 (in: 575 (Fotografie von Jahre Universität Rostock) wünschens- Paul Moennich, wert. Insbesondere sollten Zeitzeugen Archiv des Instituts über den Herbst 1989 Auskunft geben für Physik)

42 Traditio et Innovatio 2|10 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Die Geschichte der Zoologie in Rostock

Ragnar K. Kinzelbach

Abbildung 1: Institutsgebäude (Zoologische Sammlung der Universität Rostock)

Beginn jekt, das Tier, ist allgegenwärtig – nicht An der Alma Mater Rostochiensis wur- zuletzt in uns selbst. Infolgedessen den fast von Anfang an Vorlesungen Forschung und Lehre über das Leben war die Geschichte der Zoologie auch zur Naturgeschichte von Professoren in Form von Tieren, kurz: Zoologie (ani- immer ein Ringen um ihre Identität. Die der Medizin und Philosophie angebo- mal science), ist heute Bestandteil des Zoologischen Wissenschaften besitzen ten. Der im Jahre 1552 zum Professor in Kanons fast aller Universitäten. Sie hat Verknüpfungen nach allen Seiten, sind der Artisten-Fakultät ernannte spätere institutionell und in der Wissenschafts- Schnittmenge zahlreicher Aktivitäten Rektor Andreas Martinus († 1561) teilte systematik historische Wurzeln in der und Fachrichtungen und reichen weit in dem großen Zoologen der Renaissance, Medizin und in der Philosophie. Ihr Ob- das Feld der Anwendung. Conrad Gessner (1516 – 1565), eine An-

Universität Rostock 43 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

zahl bei Rostock vorkommender Vögel Mediziner Georg Christoph Dethar- Orientalist und Kanzleirath Oluf Gerhard mit ihren niederdeutschen Namen mit, ding (1699 – 1784) verfasste ein na- Tychsen (1761 – 1815) aus Tondern legte zum Beispiel den für das schwarze Bleß- turgeschichtliches Lehrbuch. Die von 1775 den Grundstock zu einem Natura- huhn heute noch lebendigen Namen Peter Benedikt Christian Graumann lienkabinett, wie er es während seiner „Zapp“, der im modernen Deutsch noch (1752 – 1803), Ordinarius in Bützow, kurze Tätigkeit an den Franckeschen in „zappenduster“ und „Zapfenstreich“ angekündigten Vorlesungen „Naturge- Stiftungen in Halle kennen gelernt hatte. vorkommt. Die 1543 erfolgte Berufung schichte der Säugetiere“ und „Geschich- Dieses überführte er 1789 mit der Wie- des Arztes, Humanisten und Ornitholo- te der Haustiere“ fielen mangels Beteili- dervereinigung der beiden Universitäts- gen Gybertus Longolius (1507 – 1543) gung aus. teile nach Rostock in das Erdgeschoss war nur von kurzer Dauer. Allein am im „Weissen Collegium“. Dem Museum Rande kommen zoologische Fragen Nach frühen Vorläufern hat in der letz- Academicum, wie es alsdann bis zur bei dem humanistischen Universalge- ten Periode der Naturalienkabinette Aufteilung 1880 genannt wurde, überließ lehrten Joachim Jungius (1587 – 1657) die Zoologische Sammlung das Fach Großherzog Friedrich Franz I. in Etap- vor, dem Gründer der ersten naturwis- begründet und mehrmals über Krisen- pen das herzogliche Naturalienkabinett, senschaftlichen Akademie von 1622: zeiten gerettet. Der zunächst an der dekretierte für alle Zeiten den Bildungs- „Societas ereunetica sive zetetica“. Der „Bützowischen Academie“ wirkenden anspruch der Einrichtung und veran-

Die Ordinarien der Zoologie Oluf G. Tychsen 1734 – 1815 Tondern 1789 – 1815 Zoolog. Sammlung J. H. Friedrich Link 1767 – 1851 Hildesheim 1792 – 1811 Naturgeschichte Ludolf C. Treviranus 1779 – 1864 Bremen 1812 – 1816 Zoologie Heinrich Gustav Flörke 1764 – 1835 Alten-Kalen 1816 – 1835 Zoologie, „Krünitz“ Johannes A. C. Roeper 1801 – 1885 Bad Doberan 1836 – 1879 Botanik, Zoologie Hermann F. Stannius 1808 – 1883 1837 – 1862 Zootomie Carl G. L. Bergmann 1814 – 1865 Göttingen 1863 – 1865 Physiologie, Ökologie Franz Eilhard Schulze 1840 – 1921 Eldena 1865 – 1873 Meereszoologie Hermann Grenacher 1843 – 1923 Bad Lipburg 1873 – 1881 Entwicklungsbiologie Alexander Goette 1840 – 1922 St. Petersburg 1882 – 1886 Entwicklungsbiologie Maximilian Braun 1850 – 1930 Myslowitz 1886 – 1891 Zoologie, Parasitologie Friedrich Blochmann 1858 – 1931 Karlsruhe 1891 – 1898 Entwicklungsbiologie Oskar Seeliger 1858 – 1917 Biala 1898 – 1908 Entwicklungsbiologie Hans Spemann 1869 – 1941 Stuttgart 1908 – 1914 Entwicklungsbiologie Ernst Siegfried Becher 1884 – 1926 Reinshagen 1914 – 1921 Entwicklungsbiologie Karl von Frisch 1886 – 1980 Wien 1921 – 1923 Physiologie, Ethologie Leopold Paul Schulze 1887 – 1949 Berlin 1923 – 1945 Biologie, Systematik Josef Spek 1895 – 1964 Sächsisch-Regen 1947 – 1960 Entwicklungsbiologie Ernst Albert Arndt 1927 Rostock 1962 – 1995 Meereszoologie Ludwig Spannhof 1925 – 2007 Droyssig 1960 – 1990 Physiologie Dieter G. Weiss 1945 München 1993 – 2010 Physiologie Ragnar K. Kinzelbach 1941 Germersheim 1995 – 2006 Zoologie, Ökologie Stefan Richter 1964 Berlin seit 2007 Zoologie, Morphologie

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lasste 1792 die Berufung eines ersten In früherer Zeit erfolgte ein rascher Professors für Naturkunde, J. Heinrich Wechsel der Professoren (siehe Tabelle). Der Autor Friedrich Link (1767 – 1851). Nach Karl v. Frischs Rechnung betrug die Verweildauer eines Zoologieprofessors Die Zoologische Sammlung umfasst in Rostock im Schnitt um sieben Jahre. heute etwa 140.000 Serien von Original- Dies war eine Folge der Armut Mecklen- material für Forschung und Lehre. Ziel ist burgs, das bei Angeboten an junge Wis- die Zusammenführung von (a) authenti- senschaftler nicht gegenhalten konnte. schem Belegstück, (b) Biographien von So kam Rostock unfreiwillig in den Ruf Sammlern und Bearbeitern sowie (c) Pu- einer „Ordinarienschleuder“. Infolge der blikationen der Resultate. Das Material kleinen Kollegenschaft mit geringer Puf- wird Zug um Zug durch EDV international ferkapazität hatten die Wechsel jeweils verfügbar gemacht, aber auch der Öf- große Folgen für Forschungsrichtung Prof. Dr. Ragnar Kinzelbach (emerit.) fentlichkeit durch Ausstellungen, Führun- und Ausrüstung. Karl v. Frisch war aller- geboren 1941; Promotion 1967; Habili- gen (Vorschule, Schulklassen, Erwach- dings auch der letzte in dieser Reihe. Es tation 1971; Professor für Zoologie und Ökologie in Mainz (1971), Darmstadt senenbildung) und Vorträge angeboten. folgten mehrere Besetzungen, die auf (1982) und Rostock (1995 – 2006); kontinuierliche Arbeit hoffen ließen; die- SFB 20 der DFG (Atlas des Vorderen Orients) in Tübingen; Direktor des se wurde eher durch politische und krie- Zentrums für Interdisziplinäre Tech- Entwicklung gerische Ereignisse gestört. nikforschung (ZIT) der TU Darmstadt; Sprecher des FB Biowissenschaften Rostock 1996 – 2000; Institut für Biodi- Die Entwicklung der Zoologie als Institu- versitätsforschung Rostock 2000 – 2004 tion war 1865 mit dem ersten Ordinariat Periodisierung Forschung: für F. E. Schulze abgeschlossen (Steyer Struktur und System von Insekten, 1993, Kinzelbach 2000). Wichtige Etap- Von der Gründung der Sammlung 1775 Tiere in Fließgewässern, Biodiversität pen waren 1968 die Eingliederung in die bis zum Weggang von F. E. Schulze und Zoogeographie (Paläarktis, Afrika), Dynamik von Faunen (historische „Sektion Biologie“, deren Erbe 1992 der 1873 wurde die Rostocker Zoologie Ornithologie, Neozoen, Klimafolgen), „Fachbereich Biologie“ antrat, seit 1999 von Johann Friedrich Blumenbach Kulturzoologie. U. a. Vorsitzender der Gesellschaft für Geschichte und umbenannt in „Fachbereich Biowissen- (1752 – 1840) in Göttingen dominiert. Theorie der Biologie (DGGTB). schaften“, seit 2004 in „Institut für Bio- Er begründete in Deutschland die Ver- Universität Rostock wissenschaften“ unter Verzicht auf Au- gleichende Anatomie der Tiere. Ange- Allgemeine & Spezielle Zoologie, ßendarstellung des sehr differenzierten fangen von Tychsen, über Link, Siems- Institut für Biowissenschaften Angebots. sen, Treviranus und Flörke, hatten alle Universitätsplatz 2, 18055 Rostock Fon +49(0)381 498-6278 Rostocker Professoren bei ihm studiert. Mail [email protected] Das Naturalienkabinett kam 1789 in Hermann F. Stannius nahm sich vor, das einen Anbau des 1866 abgerissenen Werk Blumenbachs zu modernisieren „Weißen Kollegs“, welches 1870 durch und zu übertreffen. Roeper las Zoologie (Nobelpreis 1935) über Hans Spemann das heutige Hauptgebäude der Uni- „nach dem Blumenbach“. Dieser übte (Nobelpreis 1935) zu Karl v. Frisch (No- versität ersetzt wurde. Das „Neue Mu- nach dessen Selbstzeugnis einen gro- belpreis 1973) und Josef Spek (aktiv seum“ wurde 1844 daneben errichtet. ßen Einfluss auf F. E. Schulze aus. L. P. 1947 – 1960). Hier wurde Rostocks Zoo- Für die Zoologie wurde in den Jahren Schulze war wiederum Assistent bei F. logie berührt vom Beziehungsgefüge der 1880 – 1882 das 1842 erbaute Oberap- E. Schulze in Berlin. innovativen Spitzenkräfte. Konstanten pellationsgericht angepasst (Abb. 1). in den Forschungsthemen sind Orga- Der Neubau für die Biologie, einschließ- In den Jahren 1873 bis 1923 überwogen nismische Zoologie und Systematik, lich Zoologie, in der Südstadt wurde Professoren mit entwicklungsphysiologi- Physiologie (Entwicklung, Verhalten, 2001 fertig gestellt, mit Hörsälen und scher Ausrichtung. Ein Empfehlungsweg Neurophysiologie), Meereszoologie, Kursräumen für die ständig steigende für Karrieren führte von dem kurzzeitig Parasitologie. Sichtbar werden auch in Zahl der Studierenden. in Rostock tätigen August Weismann Rostock die großen Diskussionsthemen.

Universität Rostock 45 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

„Vitalismus“ (Treviranus) vs. „Materia- Abbildung 2: Pfeilstorch lismus“ (Flörke; weit später Spemann). (Zoologische Sammlung der „Idealistische Morphologie“ (Roeper) vs. Universität Rostock) „Darwinismus“ (F. E. Schulze). Ebenso die erbitterte Konkurrenz Physiologie vs. Morphologie oder funktionale vs. histori- sche Zoologie. Friederichs war „Holist“, Becher „Theoretischer Biologe“, Mor- phologie wird fortgesetzt seit 2007 mit S. Richter (Kinzelbach 2005).

Literatur ▪ Kinzelbach, R. (2000): Die Zoologie an der Universität Rostock: Von der Wunderkammer zu Biodiversitätsfor- schung und Biotechnologie. Eine his- torische Übersicht. Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Bio- logie 5: 159 – 181, Berlin (VWB 2000). ▪ Kinzelbach, R. (2005): Die Zoologie an der Universität Rostock. Zoologie 2004/05, Mitt. der Deutschen Zoologi- schen Gesellschaft: 33 – 48, Marburg. ▪ Steyer, B. (1993a): Die Institutionali- sierung der Biologie an der Universi- tät Rostock und deren bedeutends- te Repräsentanten. Biol. Zentralblatt 112: 180 – 185, Jena (G. Fischer). ■

Zoology was covered in Rostock al- nius (Institute for Comparative Anatomy, founded by K. Friederichs (1919 – 1942), ready in the 16th century by several Physiology and Zootomy). The second who established 1927 the first “Seminary professors of medicine and philosophy. step for the development of zoology was for ” in Germany, and by the The essential step for its establishment achieved by his student and successor politically questionable L. P. Schulze as a discipline was the foundation of F. E. Schulze, who left Rostock in 1873 (1922 – 1945). The restructuring of the a natural History collection in 1775 by for Graz and later Berlin. He became in Section Biology from 1967 into a depart- Oluf Tychsen (1761 – 1815), emphasis- 1865 the first ordinarius for zoology and ment of the Math.-Nat. Faculty in 1992 ing zoology. It existed until 1880 when it his Institute for Comparative Anatomy led to several branches and professor- was divided up to several „descriptive“ and Zootomy, guaranteed the identity ships in zoology, reflecting the growth of sciences and lost its integrating func- and permanence of zoology as an aca- this field. Since 1999 zoology together tion. All professors from H. F. Link 1791 demic discipline. with botany and others was united in the including F. E. Schulze 1873 depended Institute for Biodiversity Research. This on the Comparative Anatomy of Animals The further development is character- unique model was questioned in 2004 by J. F. Blumenbach (Göttingen), a dis- ised by a series of short termed tenan- by a new state legislation. Now the very cipline, which culminated in the work of cies, among them the later Nobel laure- peculiar specialities of the Rostock zool- the Rostock anatomist and “zootomist”, ates H. Spemann (1908 – 1914) and K. ogy are hidden under the commonplace a term coined by himself, H. F. Stan- v. Frisch (1921 – 1923). Schools were denomination of Institute of Biosciences.

46 Traditio et Innovatio 2|10 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Das Projekt Medizinhistorische Datenbank Universität Rostock

Christian Dahlke

Die Medizinische Fakultät der Universi- Für die Forschung an den Sammlungen tät Rostock verfügt über sechs bekannte und Beständen bedeutet dies die Mög- Der Autor Sammlungen medizinhistorischer Ob- lichkeit, konkrete Fragestellungen zu jekte und einer der Öffentlichkeit bisher formulieren, für die Forschungsgemein- unbekannten Zahl an Objektbeständen schaft die Sammlungen und Bestände in den Kliniken und Instituten der Fa- zu kontextualisieren sowie Wissen zu kultät. Der Arbeitsbereich Geschichte vernetzen. MeDuRo ist für die Lehre von der Medizin, unter der Leitung von Prof. großer Bedeutung, da der neue Zugang Hans-Uwe Lammel, möchte mit dem zum eigenen Fakultätsbestand die Mög- Projekt der „Medizinhistorischen Da- lichkeit eröffnet, historisches Wissen di- tenbank Universität Rostock“, kurz Me- daktisch in die Studierenden(aus)bildung DuRo, die Bestände der Öffentlichkeit zu integrieren. Diese Form der Wissens- webbasiert zugänglich machen. MeDu- vermittlung wäre zudem ein weiteres Ro ist die digitalisierte systematische Er- Mittel zur Förderung der Identifikation Christian Dahlke fassung der einzelnen Objekte der Be- der Fakultätsmitglieder mit ihrer Fakultät. Arzt; B.A. in Politikwissenschaften und stände. Eine Umfrage zur Erfassung der Theologie; wissenschaftliche Hilfskraft Arbeitsbereich Geschichte der Medizin Bestände unter den Einrichtungen der Das Projekt „Medizinhistorische Da- Medizinischen Fakultät ergab, dass die tenbank“ kann nur in Kooperation mit Universität Rostock Fakultät weit über 10.000 medizinhis- den Mitarbeitern und Studierenden der Doberaner Str. 140, 18057 Rostock Fon +49(0)381 494-5940 torische Objekte verfügt, darunter eine Medizinischen Fakultät einerseits und Mail [email protected] Vielzahl kulturwissenschaftlich interes- mit weiteren Einrichtungen andererseits rostock.de santer Objekte und Bestände. MeDuRo realisiert werden. So werden Fragen der dient der grundlegenden wissenschaft- technischen Umsetzung des Projektes lichen Aufarbeitung der Bestandsge- mit dem Medienzentrum der Universität With the “Medical Historical Database of schichte der Medizinischen Fakultät. Rostock, dem Lehrstuhl für Datenban- the University of Rostock” (MeDuRo) the ken und Informationssysteme der Fa- history of medicine field of work is intend- kultät für Informatik und Elektrotechnik ing to make the collections and unknown sowie dem Helmholtzzentrum für Kul- property pieces of the Medical Faculty turtechnik an der Humboldt Universität accessible on the internet to the public. zu Berlin besprochen. Durch universi- In respect to the teaching the new acces- tätsübergreifende Arbeiten des Helm- sion to the collection of the faculty means holtzzentrums in der Digitalisierung von further teaching methods of knowledge Universitätssammlungen kann voraus- transfer. In particular the research com- sichtlich ab Herbst 2010 die Inventari- munity takes benefits to be able to put the Konzeptions­übersicht MeDuRo, sierung der Sammlungen und Bestände collections into context and to (re)de­velop Quelle: Eigene Darstellung begonnen werden. ■ old and new research questions.

Universität Rostock 47 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

110 Jahre Hals-Nasen-Ohrenklinik Rostock

Burkhard Kramp

Abbildung 1: Großherzogliche Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkranke, 1899

Am 25. Oktober 2009 wurde die Rosto- gesamten deutschsprachigen Raumes rurgen. Die Entwicklung beider Teildiszi- cker Universitäts-HNO-Klinik und Po- und Nord- und Mitteleuropas. In der Mitte plinen und deren Zusammenführung in liklinik „Otto Körner“ 110 Jahre alt. Die des 19. Jahrhunderts wurde die Laryn- Rostock zu einem Spezialfach war das damals gegründete Großherzogliche gologie von den Internisten betrieben; Verdienst von Johann Christian Lemcke Universitätsklinik für Ohren-, Nasen- und gab es doch damals viele Patienten mit (1850 – 1894), der an der Klinik für Innere Halskranke spielte eine Vorreiterrolle in einer Lungentuberkulose bei der der Medizin unter der Leitung von Professor der Verschmelzung ihrer drei Teilgebie- Kehlkopf häufig mit betroffen war. Die Thierfelder kehlkopfkranke Patienten te. Sie war die erste HNO-Fachklinik des Otiatrie oder Otologie betreuten die Chi- behandelte. Nach dem Weggang des

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Chirurgen Adolf Barth nach Berlin konn- ses war insofern eine Besonderheit, da te er auch seine ohrenerkrankten Patien- er einen Ruf erhielt, ohne sich vorher Der Autor ten betreuen. Diese Vereinigung beider habilitiert zu haben. Die von ihm 1898 Spezialsprechstunden bewirkte, dass es publizierte Schrift „Otitische Erkran- in Rostock nie einen Dualismus zweier kungen des Hirns, der Hirnhäute und konkurrierender Spezialfächer gegeben der Blutleiter“ entsprach einer Habilita- hat. Lemcke führte einen poliklinischen tionsschrift. Von Anbeginn durfte er die Unterricht für Studenten ein und 1891 Räume der internistischen Poliklinik für wurde die Poliklinik in Anerkennung die Behandlung von Patienten nutzen seiner Arbeit zur Universitätspoliklinik und sogar in den Räumen der Chirur- für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkrank­ gischen Klinik operieren. Es kam zu ei- heiten ernannt. nem schnellen Zuwachs der Patienten und der Operationen und Ärzte aus den

skandinavischen Ländern, Russlands, Prof. Dr. med. Burkhard Kramp Otto Körner – Südamerikas und sogar Japans hospi- tierten in Rostock. In den Jahren 1895 geb. 1945; studierte von 1965 – 1971 erster Ordinarius für Humanmedizin an der Universität Otologie und Laryngologie und 1896 erhielt Körner ehrenvolle Be- Rostock; Facharztausbildung an der rufungen nach Breslau, Heidelberg und HNO-Klinik Rostock von 1971 – 1976; in Deutschland C3-Professor seit dem 01.10.1992 Leipzig, die er jedoch ablehnte. Diese Nach Lemckes frühen Tod erhielt Otto Berufungen verschafften Körner ein so Forschungsschwerpunkte: Körner (1858 – 1935) 1894 die Berufung hohes Ansehen in den Schweriner Mi- Epidemiologie, Therapie und ganzheit- liche Rehabilitation von Patienten mit auf die außerordentliche Professur für nisterien, dass im Mai 1898 mit dem Bau bösartigen Kopf-Hals-Tumoren, Trauma- Ohren- und Kehlkopfkrankheiten. Die- einer neuen eigenen Klinik begonnen tologie des knöchernen Schädels Universität Rostock Universitätsklinikum Rostock, AöR, Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen- Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals­ chirurgie “Otto Körner” Abbildung 2: Doberaner Str. 137/139, 18057 Rostock Fon +49(0)381 494-8320 Otto Körner Mail [email protected] (1858 – 1935) rostock.de als Rektor 1913

werden und schon am 25. Oktober 1899 die Eröffnung stattfinden konnte. Vor al- lem akute und chronische Ohrenerkran- kungen wurden behandelt. Am 21. März 1901 erteilte man Körner das erste Or- dinariat für Otologie und Laryngologie in Deutschland. Somit war die Rostocker Klinik bzw. Universität erneut Vorreiter in der Entwicklung der Hals-Nasen- Ohrenheilkunde. 1913 war Otto Körner der erste Otologe Deutschlands, der das Rektorat einer Universität innehatte. Kurz vor seiner Eremitierung 1929 wurde Körner die Ehrendoktorwürde der Philo- sophischen Fakultät verliehen.

Universität Rostock 49 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Abbildung 3: Moderner HNO-Untersuchungsplatz in der Poliklinik

Moderne Klinik bewähren. Einen weiterern Schwerpunkt fende Forschungsprojekte (Entwicklung in historischen Mauern bildet die komplexe Rehabilitation von neuer Konzepte und Spezialelektroden Patienten mit bösartigen Kopf-Hals- für die Cochlear-Implantatversorgung Die Rostocker Hals-Nasen-Ohrenklinik Tumoren mit durch Stimmprothesen und mit Restgehör) eingebunden. Eine leis- wurde von 1998 bis 2000 grundsaniert, knochenverankerte Epithesen. An der tungsfähige Abteilung für Phoniatrie so dass zur Jahresmitte 2000 eine neue Entwicklung bildgebender Verfahren und Pädaudiologie versorgt stimm- und Klinik in historischen Mauern bezo- (optische Kohärenztomographie und sprachkranke Patienten und betreut gen werden konnte. Die heutige Klinik konfokale Mikroskopie) wird gearbeitet. schwerhörige Kinder einschließlich der verfügt über modernste diagnostische Die Klinik ist deutschlandweit in übergrei- CI-Patienten. ■ und therapeutische Verfahren auf dem gesamten Gebiet der Hals-Nasen-Oh- renheilkunde. Mikroskopisch geführte On 25.10.2009 the Rostock University to improve hearing, in which increasingly funktionserhaltende Operationen wer- ‘Otto Körner‘ ENT clinic turned 110 years partially-implantable hearing devices den auf dem Gebiet der Nasenneben- old. In its day it was the most modern are proving themselves. In 1995 the first höhlenchirurgie bzw. der CO2-Laser in ENT clinic of the whole German-speak- cochlea implant in Mecklenburg-Pomer- der Tumorchirurgie eingesetzt. Prof. Dr. ing world. The founder of this clinic, Otto ania was inserted by Professor Dr. H. W. med. habil. Hans Wilhelm Pau, der seit Körner (1858 – 1935), achieved great Pau. A further key aspect is the therapy 1994 die Rostocker Klinik leitet, führte things and he received the first tenured and complex rehabilitation of patients 1995 die erste Cochlea-Implantation in professorship for otology and laryngol- with malignant head and neck tumours. Mecklenburg-Vorpommern durch. Ein ogy in Germany and / or was the first The clinic is involved in comprehensive Schwerpunkt der Klinik ist die Durchfüh- otologist who in 1913 held a rectorate. research projects across Germany and rung rekonstruktiver hörverbessernder The Rostock clinic was completely reno- comes with a high-performing depart- Ohroperationen, wobei sich in den letz- vated from 1998 to 2000. A key aspect of ment for Phoniatrics and Paediatric Au- ten Jahren teilimplantierbare Hörgeräte the clinic is the microsurgery of the ear diology.

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Die Entwicklung des ersten deutschen Lehrstuhls für Mund- und Zahnkrankheiten an der Universität Rostock

Heinrich von Schwanewede und Armin Andrä

Als am 19. Dezember 1882 mit Anton „Zahnärztliches Institut“ richtung dieser Art in Deutschland. Noch Witzel aus Langensalza erstmalig ei- im Jahre 1907 erhielt Reinmöller vom nem Studenten der Zahnheilkunde an Die Medizinische Fakultät war an einem Großherzoglich Mecklenburgischen Mi- der Universität Rostock die kleine Mat- zahnärztlichen Institut stark interessiert. nisterium die Zulassung als „Lektor der rikel gewährt wurde, war damit der erste Johannes Reinmöller rückte in ihr Blick- Zahnheilkunde“. Das damit entstandene Schritt zur Entwicklung der Zahnmedizin feld. Dieser hatte 1907 in der damali- „Zahnärztliche Institut“ musste er selbst an unserer Universität getan. Die Imma- gen Bismarckstraße 28 eine „Klinische finanzieren. Infolge rapide steigender trikulation erfolgte zunächst noch an der Fachkrankenanstalt“ eingerichtet, in Studentenzahlen reichten die räumli- Philosophischen Fakultät. Anton Witzel der sowohl ambulante Behandlungen chen Voraussetzungen bald nicht mehr blieb nicht der einzige Student. Bis zum als auch die stationäre Versorgung von aus und Reinmöller mietete noch im Jahre 1909 wurden dort insgesamt 219 Zahn-, Mund- und Kieferkranken mög- Jahre 1907 das Haus Nr. 36 in der nahe Studienanfänger der Zahnheilkunde im- lich waren. So entstand mit anfangs gelegenen Schröderstraße. Wenig spä- matrikuliert. sechs Betten die erste stationäre Ein- ter kam das Nachbargrundstück Schrö-

Abbildung 1: Der „Füllsaal“ für die klinische Studentenausbildung (Universitätsarchiv Rostock, Foto­ sammlung)

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derstraße 37 hinzu. Im Januar 1909 heilkunde berufen. Zum Sommersemes- Erstes deutsches Ordinariat kündigte Reinmöller infolge ständig stei- ter 1910 konnte endlich erreicht werden, in der Zahnmedizin gender Kosten seines Privatinstituts und dass die Einschreibung der Studenten der Verzögerung seiner Habilitation die der Zahnheilkunde an der Medizinischen In den folgenden Jahren erhöhte sich die Einstellung des Lehrbetriebs an. Darauf- Fakultät erfolgte. Nun stimmte auch Studentenzahl an der Universität Ros- hin drohten einige Studenten mit ihrem das Ministerium einer finanziellen An- tock auf 50 pro Semester, bei der räum- Weggang aus Rostock. bindung an die Universität zu. So kam lichen Enge eine gewaltige Zahl. Das es noch im Jahre 1910 zur Umbenen- ärztliche Personal wurde um Dr. Matthä- Die Fakultät reagierte mit stärkerer Un- nung der Einrichtung in „Zahnärztliches us Reinmöller, den jüngeren Bruder des terstützung. Im Mai 1909 wurde Rein- Universitäts-Institut“. Ebenfalls im Jahre Direktors, und Dr. med. et. Dr. phil. Hans möller nach erfolgreicher Habilitation 1910 erfolgte Reinmöllers Ernennung Moral erweitert. Beide sollten noch von zum Privatdozenten für das Fach Zahn- zum außerordentlichen Professor. sich Reden machen.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde Johannes Reinmöller in Sani- tätseinrichtungen des Heeres versetzt, Abbildung 2: Hans Moral übertrug man die kommis- Umbenennung des sarische Leitung des Instituts. Nach Lehrinstituts in Universi- dem Ende des Krieges, zum Winterse- tätsklinik und Poliklinik mester 1918 / 19, übernahm Johannes für Mund- und Zahn- Reinmöller wieder dessen Leitung. Im krankheiten im Jahre Jahre 1919 wurde mit ihm erstmals an 1919 (Universitätsarchiv einer deutschen Universität ein Vertre- Rostock, Personalakte ter der Zahn-, Mund- und Kieferheilkun- Reinmöller, Johannes) de zum ordentlichen Professor auf den Lehrstuhl für Mund- und Zahnkrank- heiten berufen, nachdem der Freistaat Mecklenburg-Schwerin anlässlich der 500-Jahrfeier der Universität Rostock entsprechende Zuwendungen gemacht hatte. Die Zahnärzteschaft Mecklen- burgs feierte begeistert diesen wichtigen Schritt. Das Zahnärztliche Institut wurde Abbildung 3: von der Landesregierung übernommen Glückwunschadresse und in „Universitätsklinik und Poliklinik der Zahnärzte Meck- für Mund- und Zahnkrankheiten“ umbe- lenburgs zum Jubiläum nannt. Im Januar 1920 konnte unter dem und zur Schaffung Direktorat Johannes Reinmöllers an der des ersten deutschen Medizinischen Fakultät der akademi- Ordinariats für Zahn- sche Grad Doctor medicinae dentariae heilkunde anlässlich der (Dr. med. dent.) eingeführt werden. 500-Jahr-Feier 1919 (Amtlicher Bericht über die Fünfhundertjahrfeier Internationale Reputation der Universität Rostock im Jahre 1919. Rostock Ein Gerichts- und ein Disziplinarver- 1920, S. 215) fahren führten dazu, dass Johannes

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Reinmöller bereits im Sommer 1920 die Alma Mater verließ und einem Ruf nach Die Autoren Erlangen folgte. Dort, wie später auch in Würzburg, kam er als Rektor der jewei- ligen Universität gleichfalls zu hohem Ansehen. Die Medizinische Fakultät er- nannte ihn anlässlich seines Ausschei- dens ehrenhalber zum Doktor der Zahn- heilkunde.

Sein Nachfolger wurde im Septem- ber 1920 Hans Moral. 1923 berief den 37-Jährigen das Mecklenburgische Mi- nisterium für Unterricht zum ordentlichen Professor an der Universität Rostock. Prof. Dr. Heinrich von Schwanewede Prof. Dr. Dr. Armin Andrä Moral war ein national wie international hoch angesehener Wissenschaftler, wo- geb. 1939 in Röbel / Müritz; Studium geb. 1926 in Crimmitschau / Sachsen; der Zahnmedizin von 1959 – 1964 in 1949 – 1955 Studium der Zahnmedizin von nicht weniger als acht ausländische Rostock; 1967 Promotion und 1979 und Medizin in Jena; ab 1957 an der Uni- Ehrenmitgliedschaften zeugen. Infolge Habilitation; 1984 Berufung zum versität Rostock; 1956/58 Promotion zum seiner jüdischen Herkunft bald besonde- ordentlichen Professor und Direktor der Dr. med. dent. und Dr. med.; 1960 Fach- Poliklinik für Prothetische Stomatologie arztanerkennung; 1964 Habilitation; 1970 ren Repressalien durch die Nationalso- an der Universität Rostock; 1991 – 2008 Professur und Berufung auf den Lehrstuhl zialisten ausgesetzt, schied er im Jahre Geschäftsführender Direktor der Klinik für Chirurgische Stomatologie und Kiefer- und Polikliniken für Zahn-, Mund- und Gesichtschirurgie; 1970 – 1991 Klinik- und 1933 aus dem Leben. Kieferheilkunde und Direktor der Poliklinik Sektionsdirektor; 1977 – 1983 Dekan; für Zahnärztliche Prothetik und Werk- 1990 Ehrenpromotion zum Dr. h. c. med.; stoffkunde; 1983 – 1989 Vorsitzender der 1991 Emeritierung Stomatologischen Gesellschaft an den Europas modernste Universitäten Greifswald und Rostock; Universität Rostock 1994 – 1998 Vorsitzender der Deutschen Medizinische Fakultät „Zahnklinik“ Gesellschaft für Zahnärztliche Prothetik Klinik und Polikliniken für Zahn-, Mund- und Werkstoffkunde e. V.; 1994 – 1997 und Kieferheilkunde „Hans Moral“ Im November 1933 erhielt Matthäus Stellvertreter des Ärztlichen Direktors des Strempelstr. 13, 18057 Rostock Klinikums der Universität Rostock; 2009 Fon +49(0)381 494-6501 Reinmöller die Berufung zum ordent- Versetzung in den Ruhestand lichen Professor und zum Klinikdirek- tor. Sein Hauptverdienst war der 1938 Universität Rostock Medizinische Fakultät eingeweihte Neubau der Universi- Klinik und Polikliniken für Zahn-, Mund- tätsklinik für Zahn-, Mund- und Kie- und Kieferheilkunde „Hans Moral“ Strempelstr. 13, 18057 Rostock ferkrankheiten in der Strempelstraße Fon +49(0)381 494-6501 13, die zu dieser Zeit als modernste Mail heinrich.von_schwanewede@med. derartige Einrichtung in Europa galt. Er uni-rostock.de leitete diese auch nach ihrer Wieder- eröffnung 1946 bis zum Jahre 1955.

Die Begründer der universitären Zahn- Johannes and Matthäus Reinmöller and in the same year, the matriculation of medizin in Rostock haben den nachfol- Hans Moral founded university dentistry students of dentistry in the Faculty of genden Generationen – nach wechsel- in Rostock. Outstanding events were: Medicine in 1910, the creation of the vollen Epochen mit zwei verheerenden the opening of the first Germany-wide first German professorship for oral and Weltkriegen – über diese Zeit hinaus ein inpatient and outpatient specialist insti- dental disorders in 1919 and the intro- umfangreiches Erbe und eine lebendige tute for dental and jaw disorders in 1907, duction of promotion to Dr. med. dent. Tradition hinterlassen. ■ the establishment of a dental institute in 1920.

Universität Rostock 53 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Die Opfer der„Euthanasie- Aktion T4“ der Uni-Nervenklinik Rostock-Gehlsheim

Kathleen Haack und Ekkehardt Kumbier

Die historische Aufarbeitung der Morde davon sprechen, dass eine systemati- Die Rostocker Verhältnisse an psychisch Kranken und Behinderten sche Aufarbeitung bisher fehlt. Das im im Bundesland Mecklenburg-Vorpom- Jahr 2008 begonnene Forschungspro- Bei der Auswertung der systemati- mern ist bestenfalls fragmentarisch jekt am Zentrum für Nervenheilkunde schen Datenerhebung der Patienten an erforscht. Speziell auf die Rostocker der Universität Rostock möchte diese der Universitätsnervenklinik Rostock- Verhältnisse bezogen muss man sogar Lücke schließen. Gehls­heim in der Zeit von 1938 bis 1945 konnten vorerst die Namen von 46 Pa- Abbildung 1: Krankenakte einer tienten ermittelt werden, die gezielt im Patientin der Universitätsnervenklinik Rahmen der nationalsozialistischen Rostock-Gehlsheim mit dem Hinweis „Euthanasie“-Aktion getötet wurden. der Verlegung durch die sogenannte Sie gehörten zum einen der Gruppe „Gemeinnützige Krankentransport-Ge- an, die in den ersten Septembertagen sellschaft“ (Quelle: Zentrum für Nerven- 1939 in die Anstalten Sachsenberg bei heilkunde der Universität Rostock) Schwerin oder Domjüch (Altstrelitz) ver- legt wurden und die später in der Gas- Abbildung 2: Karl M. gemeinsam mit kammer der „Euthanasie“-Anstalt Bern- seinen Eltern auf dem Gehlsheimer burg starben. Zum anderen wurden am Klinikgelände zu Ostern 1930 29. September 1941 Rostocker Patien- (Quelle: Privatbesitz der Familie) ten in die Zwischenanstalt Uchtspringe (Altmark) gebracht, wo die meisten von ihnen der sogenannten „wilden Eutha- nasie“ durch Morphiumspritzen, Tablet- ten und Nahrungsentzug zum Opfer fie- len (Abb. 1). Es ist davon auszugehen, dass zudem viele der Patienten, die von Rostock zum Schweriner Sachsenberg verlegt wurden, auch dort durch Tab- letten oder Injektionen starben. Man schätzt, dass etwa 1.000 psychisch erkrankte oder geistig behinderte Men- schen in Schwerin der gezielten Tötung zum Opfer gefallen sind. Darunter be- fand sich auch eine große Anzahl von Rostocker Patienten.

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Die Opfer ner Mitpatienten, die nach Uchtspringe transportiert wurden. Nach bisherigen Die Autoren Das primäre Anliegen des Projekts ist Erkenntnissen zeigt sich, dass die Kri- es, die Opfer als Individuen zu würdigen terien für die zur Tötung bestimmten und ihr Schicksal zu dokumentieren. Patienten eine Kombination von Diag- Wer waren die Menschen, die keine nose, Aufenthaltsdauer, Arbeitsfähigkeit Berechtigung auf Leben hatten? Wel- und Verhaltensauffälligkeiten waren. che Kriterien sprachen dafür, dass ihre Diese Merkmale bedingten teilweise Existenz durch eine sechsstellige, zen- einander und verdeutlichen, dass es tral von Berlin vergebene Nummer als sich bei der „Euthanasie“-Aktion um „lebensunwert“ klassifiziert wurde? Was eine den menschlichen Lebenswert auf etwa hatten die 23-jährige Viktoria G. (Z- wenige Aspekte reduzierende Kosten- Kathleen Haack Nummer 165.832) aus dem Kreis Güst- Nutzen-Strategie handelte. Die derzei- row, die 68-jährige Anna K. (Z 165.831), tigen Ergebnisse der Auswertung des Studium der Geschichte, Germanistik und Soziologie an der Universität Leip- die „fleißig Strümpfe“ stopfte und „regel- Quellenmaterials (Bundesarchiv Berlin: zig sowie der Martin-Luther-Universität mäßig arbeitete“, und Ella H. (Z 165.864) Bestand Rep.179, Krankenblattarchive Halle-Wittenberg; seit 2004 Mitglied der AG Geschichte der Nervenheilkunde an aus Stralsund, die „zu nichts brauchbar“ der Psychiatrischen Kliniken Rostock, der Klinik für Psychiatrie und Psychothe- war, gemein? Warum mussten sie, ge- Uchtspringe, z. T. Schwerin sowie Stadt- rapie der Universität Rostock; laufende Promotion zum Thema: Der Fall Sefe- nau wie Fritz N. (Z 165.210) aus Scha- archiv Neustrelitz) legen zudem eines loge: Forensische Psychiatrie um 1850 lensee, der „mitunter freundlich und nahe: Durch die enge Verknüpfung der zugänglich“ war, in der Gaskammer von drei Mecklenburger psychiatrischen Psychiatriehistorische Arbeitsschwerpunkte: Bernburg sterben; ebenso wie Margare- Anstalten während der Zeit des Natio- Geschichte der forensischen Psychi- te T. (Z 165.815), die „… um Besuch. Und nalsozialismus erscheint es notwendig, atrie; Psychiatrie im 19. Jahrhundert; „Euthanasie“ im NS-Staat um Taschengeld“ bat oder der 33-jäh- die Verbrechen an psychisch Kranken rige Rostocker Paul L. (Z 165.215), der und Behinderten für ganz Mecklen- Universität Rostock der Aufforderung, sich sterilisieren zu burg als Komplex aufzuarbeiten. Der AG Geschichte der Nervenheilkunde Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und lassen, nicht nachgekommen und des- künftigen Forschung fällt die Aufgabe Psychotherapie halb von der Polizei nach Gehlsheim zu, auch endlich für Mecklenburg Licht Gehlsheimer Str. 20, 18147 Rostock Fon +49(0)381 494-9559 gebracht worden war? Und auch dem ins Dunkel dieses düstersten Kapitels Mail [email protected] Rostocker Karl M. (Abb. 2), der „Nie An- der deutschen Medizin zu bringen. Nur Dr. med. Ekkehardt Kumbier fälle“ gehabt hatte und „Immer gutmütig“ so wird es möglich sein, das Schicksal gewesen war, wurde sein Lebenswert dieser Menschen der Vergessenheit zu Vita siehe Seite 57 abgesprochen, wie mindestens 22 sei- entreißen. ■

They belong to the almost forgotten easy. They were shot, gassed, killed tients were also affected was shown by victims of national socialist tyranny: with tablets or by injection or forced early results of a project, which began people, who were labelled ‘inferior’ with to starve to death. Those who did not in 2008 at the Centre for Neurology at no right to life because of a psychologi- conform to the national socialist racial- the University of Rostock. The aim is the cal illness or a physical disability. Their biological utopia were very quickly side- accounting for and understanding of this numbers are estimated to be several lined. Those who were deemed less crime in the time of National Socialism hundred thousand; hundreds of thou- intelligent, disabled or incurably ill faced in Rostock and furthermore throughout sands of psychiatric patients, who were enforced sterilisation from 1933 in the Mecklenburg. In memory of the fate of systematically murdered between 1939 interests of the ‘higher development of these people, a memorial was dedicated and 1945 under the euphemistic term the one true race’. From 1939 more than on 27th January 2009 by Prof. Dr. Sab- ‘Euthanasia’, literally: the easy, gentle a few fell as victims to the murderers of ine C. Herpertz at the Centre for Neurol- death. Their death was anything but the sick and disabled. That Rostock pa- ogy at the University of Rostock.

Universität Rostock 55 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Psychiater im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft Zum Umgang mit Hochschullehrern an der Universitätsnervenklinik Rostock in der SBZ und DDR bis 1961

Ekkehardt Kumbier und Kathleen Haack

Die Ausgangslage einschneidenden Veränderungen. Ziel und Ausbildung, sondern auch auf eine war es, eine zweckorientierte Personal- funktionierende Wissenschaft angewie- In der sowjetischen wie auch in den an- politik zu betreiben und Hochschullehrer sen. Nicht selten mussten deshalb ost- deren Besatzungszonen war die medizi- zu rekrutieren, die fachlich kompetent, deutsche Lehrstühle mit westdeutschen nische Versorgung nach 1945 durch die politisch loyal und sozial nicht den bür- Wissenschaftlern besetzt werden. Die verheerenden Kriegsfolgen bestimmt. gerlichen Schichten entstammten. Dies junge DDR stand vor dem Problem, die Neben versorgungstechnischen und erwies sich jedoch als unrealistisch. überwiegend bürgerlichen Hochschul- weiteren Schwierigkeiten, stellte der lehrer ihrer politischen Kontrolle zu unter- Mangel an Ärzten ein akutes Problem werfen. Das Streben nach umfassender dar. Hinzu kam, dass bis 1961 viele Ärzte Die SED-„Intelligenzpolitik“ staatlicher Lenkung führte zum Missver- und Wissenschaftler und somit geeigne- hältnis zugunsten der Disziplinierung, für te Hochschullehrer die DDR verließen. Obwohl die SED im wissenschaftlichen die auch die unberechenbare Macht des Trotz des Lehrkräftemangels war man Bereich in erheblichem Maße in die Per- Ministeriums für Staatssicherheit und in der SBZ von Anfang an bestrebt, eine sonalentwicklung eingriff und die eigene eine parteiische Justiz eingesetzt wur- sogenannte „neue sozialistische Intelli- Nachwuchsförderung vorantrieb, war sie den. Der immer stärker werdende ideolo- genz“ zu konstituieren. Im Zuge der Zwei- doch gerade in der Medizin nicht nur auf gische Druck nach den Hochschulrefor- ten Hochschulreform kam es ab 1951 zu die Aufrechterhaltung von Versorgung men sowie die ökonomische Attraktivität Westdeutschlands bewirkten bis 1961, dass Ärzte, Wissenschaftler, Hochschul- lehrer sowie zahlreiche junge Hoch- schulabsolventen der DDR den Rücken kehrten. Besonders betroffen waren die Medizinischen Fakultäten.

Möglichkeiten und Grenzen

Das Beispiel der zwischen 1946 und 1958 an der Universitäts-Nervenklinik Abbildung 1: Hans Heygster Abbildung 2: Franz Günther von Rostock tätigen Direktoren Hans Heygs- (1905 – 1961) (Quelle: Privatbesitz Stockert (1899 – 1967) (Quelle: Univer- ter (1905 – 1961) (Abb. 1) und Franz Gün- der Familie) sitätsarchiv Frankfurt / M.) ther von Stockert (1899 – 1967) (Abb. 2)

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zeigt, wie die DDR den zentralistisch ge- [BStU] und die im Privatbesitz befind- steuerten Versuch unternahm, auf bisher lichen Nachlässe von Stockerts und Die Autoren traditionell (bildungs-)bürgerliche Be- Heygsters u. a.) bildet eine gute Basis, reiche im Hochschulbereich politischen um die Vorgänge an der Universitätsner- Einfluss zu nehmen. Heygster und von venklinik Rostock-Gehlsheim zwischen Stockert entsprachen keineswegs dem 1945 und 1961 detailliert herauszuar- angestrebten Ideal eines „sozialistischen beiten und diese dahingehend zu unter- Hochschullehrers“. Sowohl Heygster wie suchen, welche konkreten strukturellen von Stockert gerieten in ein Spannungs- und personellen Veränderungen damit feld, in dem sich politischer Anspruch verbunden waren. Insbesondere das und reale Gegebenheiten gegenüber- Bundesarchiv verfügt über einen reichen standen. Beide verließen schließlich die Bestand an Akten, die Einblicke in die DDR, nicht zuletzt aufgrund gezielter ab 1950 zentralisierte Hochschulpolitik Dr. med. Ekkehardt Kumbier

Denunziationen. Von Stockert geriet der DDR gewähren und entsprechende Medizinstudium an der Martin-Luther- in die Säuberungs- und Einschüchte- Vorgaben und Konsequenzen für die Universität Halle-Wittenberg; Facharzt­ rungskampagne im Zuge einer weiteren Universitätsnervenkliniken erhellen. ausbildung an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Klinik für Hochschulreform der SED (28.02. bis Zudem werden Zeitzeugen im Rahmen Neurologie der Martin-Luther-Universität 02.03.1958), die das Ziel hatte, die Lehr- sogenannter nicht-standardisierter Ex- Halle-Wittenberg; Facharzt für Psychia- trie und Psychotherapie; seit 2002 Mit- kräfte an allen Fakultäten der Universitä- perteninterviews befragt. Die sorgfäl- arbeiter an der Klinik für Psychiatrie und ten zur bedingungslosen Einhaltung der tige Interpretation der so gewonnenen Psychotherapie der Universität Rostock; Parteilinie und Erfüllung des politischen Erkenntnisse dient der Überprüfung der seit 2006 Tätigkeit als Oberarzt; seit 2007 Weiterbildungsstudium „Medizini- Erziehungsauftrages anzuhalten. schriftlichen Quellen und deren Deu- sche Ethik“ am Institut für Philosophie tung. Davon ausgehend sollen Verglei- der FernUniversität Hagen; Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft che mit anderen Universitätsnervenklini- für Geschichte der Nervenheilkunde; Quellen und Methoden ken der DDR gezogen werden. Leitung der Arbeitsgruppe Geschichte der Nervenheilkunde am Zentrum für Nervenheilkunde der Universität Die Auswertung der archivarischen Rostock; stellvertretender Leiter im Quellen (Bundesarchiv in Berlin, Univer- Referat Geschichte der Psychiatrie der Danksagung Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, sitätsarchiv sowie Stadtarchiv Rostock, Psychotherapie und Nervenheilkunde Landesarchiv Greifswald, Landeshaupt- Das Projekt wir finanziell unterstützt von Wissenschaftliche und archiv Schwerin, Archiv des Bundes- der Deutschen Gesellschaft für die Ge- Arbeitsschwerpunkte: beauftragten für die Stasi-Unterlagen schichte der Nervenheilkunde. ■ Psychiater im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft: Zum Umgang mit Hochschullehrern an den Universitäts- nervenkliniken in der SBZ und der DDR Since 1945, so called anti-fascist demo- able professors and faculty representa- bis 1961; Die Opfer der nationalsozia- listischen „Euthanasie-Aktion T4“und cratic overhauls have been carried out in tives, which in practice lead to problems. Zwangssterilsation der Universitätsner- the Soviet Occupied Zone and later in the Against a background of sociopolitical venklinik Rostock-Gehlsheim former East Germany, which also led to events the project investigates proceed- Universität Rostock the basic reformation of higher educa- ings at the Rostock-Gehlsheim Universi- AG Geschichte der Nervenheilkunde tion. The purpose was the constitution of ty Psychiatric Clinic. It deals particularly an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie a ‘new socialist intelligence’ that was to with the clinic directors between 1945 Zentrum für Nervenheilkunde spread the teachings of Marxism-Lenin- and 1958, Hans Heygster and Franz Gehlsheimer Str. 20, 18147 Rostock Fon +49(0)381 494-9559 ism around the colleges and universities. Günther von Stockert. It is shown how Mail [email protected] The reality however looked different at non-scientific aspects can influence the first. In particular in university medicine genesis of a discipline. The work is a con- Kathleen Haack in the 1950s ‘old educational elites’ had tribution to the history of science in the Vita siehe Seite 55 to be fallen back on due to a lack of suit- former East Germany until 1961.

Universität Rostock 57 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Spruchakten und Sprüche der Juristischen Fakultät der Universität Rostock

Ralph Weber

Bestand April 1570 bis 1841 / 1877. Dabei ist der stand des Rostocker Universitätsarchivs älteste erfasste Band vom April 1570 ist nach alledem in Hinblick auf Umfang Im Archiv der Universität Rostock haben offenkundig nicht der früheste, den man und Qualität als besonders hoch einzu- sich die fast kompletten Spruchakten angelegt hatte.2 Die Spruchtätigkeit schätzen, zumal es sich bei Rostock um der Juristischen Fakultät als Zeugnisse der Fakultät dürfte daher vor besagtem eine der beliebtesten Spruchfakultäten von deren Einbindung in die Justizpraxis Monat begonnen haben. Ab April 1570 handelte.4 erhalten.1 Bereits ihr äußerer Umfang erstrecken sich die Archivalien dann ist beeindruckend: Auf ca. 50 laufenden nahezu 3 lückenlos bis 1841 (Protokollbü- Die Archivalien verdanken ihre Entste- Metern umfassen sie Archivalien von cher) bzw. 1877 (Spruchakten). Der Be- hung dem Umstand, dass die Rostocker Juristenfakultät – wie andere Juristische Fakultäten auch – zugleich als Spruch- kolleg fungierte, also eine Doppel- funktion zwischen Theorie und Praxis innehatte. Nach dieser vom 16. bis zum 19. Jahrhundert weit verbreiteten Praxis mussten die um ein Urteil angerufenen Rechtspflegeorgane, ins­besondere in schwierig zu beurteilenden Fällen, in ei- nem anhängigen Verfahren nicht selbst entscheiden, sondern konnten die Akten an ein Spruchkollegium schicken und vom ihm einen Rechtsspruch (Urteil) er- bitten, der den Beteiligten dann einfach eröffnet wurde.5

Auf diese Art entstanden mehrere Über- lieferungsträger; zum einen die Spruch- akten, die den Entscheidungsprozess abbilden, und zum anderen die Protokoll- bücher mit dem ins Reine geschriebenen Konzept, der Grundlage für die dem An- fragenden zu erteilenden Auskunft (also das Resultat jenes Prozesses); bis 1586 Abbildung 1: Siegel der Juristischen Fakultät (Universitätsarchiv Rostock) wurden auch Urteilsbücher geführt, die

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eine Abschrift des schließlich ausge- sandten Originals enthielten.

Wissenschaftliche Bedeutung

Es liegt auf der Hand, dass die wissen­ schaftliche Auswertung dieser Spruch- akten wertvolle Erkenntnisse liefern kann.6 Anders als Gesetze und anders auch als die juristische Literatur eröff- nen die Urteilssprüche den Weg zur juristischen Praxis und damit zur Le- benswirklichkeit der Menschen. Die Beschäftigung mit den Spruchakten verspricht daher Aufschlüsse zu geben Abbildung 2: Urteilsbuch der Juristischen Fakultät 1570 – 1576 über die tatsächlich relevant geworde- (Universitätsarchiv Rostock 2.2. Juristische Fakultät, 2.2.2 Spruchakten) nen Rechtsprobleme jener Zeiten, über die Häufigkeit einzelner Delikte etwa oder über Schwierigkeiten in der Um- setzung oder im Verständnis rechtlicher Regelungen. Die Geschlossenheit und der zeitliche Rahmen des Rostocker Bestandes erlauben daneben Erkennt- nisse über den Wandel dieser Faktoren im Laufe der Zeit. Doch sind die Spruch- akten keineswegs nur für Rechtshistori- ker von Interesse. Es steht zu erwarten, dass in ihnen auch wertvolle Informatio- nen für Wirtschafts- und Sozialhistoriker zu finden sind. Daneben sind die Akten- bestände sprachhistorisch von hohem Wert.7

Abbildung 3: Urteilsbuch der Juristischen Fakultät 1570 – 1576, Blatt 276 v und 271 r Erschließung (Universitätsarchiv Rostock 2.2. Juristische Fakultät, 2.2.2 Spruchakten)

Gerade der Reichtum der Rostocker umfassend einer formalen Erschließung lichen nach einem einheitlichen Fragen- Quellen erschwerte zugleich deren Be- zuzuführen, um so die Grundlagen für muster zu erfassen hatten.8 Hierzu war arbeitung. Notwendig war zunächst eine eine wissenschaftliche Auswertung zu es für die Verfasser notwendig, Spruch formelle Erschließung: Es fehlte eine schaffen. So konnten insgesamt neun für Spruch des Materials durchzusehen Verzeichnung des Vorhandenen nach Doktoranden für die mühselige Arbeit und diese nach Signatur, Rubrum, Per- Datum, Herkunft und Rechtsproblema- im Universitätsarchiv bzw. an der Mik- son des Anfragenden, den entscheiden- tik. Erstes Ziel einer genaueren Bearbei- roverfilmung gewonnen werden, die alle den Personen auf Seiten der Juristischen tung dieses wertvollen Bestandes war vorhandenen Sprüche der Juristenfakul- Fakultät, aber auch inhaltlich nach einer es daher, die vorhandenen Archivalien tät aus den Jahren 1570 bis 1841 inhalt- groben Gliederung in Rechtsgebiete und

Universität Rostock 59 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Abbildung 4: Rechtsanfrage des Generalgouverneurs Abbildung 5: Steckbrief der aus dem Gefängnis von Pommern, Graf Otto Wilhelm von Königsmarck, 1680 geflohenen Hanne Catharine Sophie Melkert, 1811 (Universitätsarchiv Rostock 2.2. Juristische Fakultät, (Universitätsarchiv Rostock 2.2. Juristische Fakultät, 2.2.2 Spruchakten) 2.2.2 Spruchakten)

Anmerkungen 4 Anfang des 17. Jh. hat sie mit 500 – 600 Sa- 6 Beispiele: August Hegler, Die praktische chen pro Jahr zu den größten Spruchkollegi- Tätigkeit der Juristenfakultäten des 17. und 1 Dazu gehören auch (als gesonderter Be- en überhaupt gehört. Vgl. hierzu Klugkist „Die 18. Jahrhunderts in ihrem Einfluss auf die stand) die Akten aus Bützow, also aus der Aktenversendung an die Juristenfakultäten“, Entwicklung des deutschen Strafrechts von Zeit, da durch den Auszug der herzöglichen in JZ 1967, 155ff. (157). Carpzov ab, Freiburg 1899; Klugkist, JZ Professoren nach Bützow faktisch zwei Teil­ 5 Gerhard Buchda, „Aktenversendung“, in: 1967, S. 155 – 158. fakultäten je für sich agierten. HRG I, Sp. 84 – 87 (84) (lit.). Vgl. weiterhin: 7 Irmtraud Rösler, „Ich soll als eine Zauberin- 2 Denn der jetzige Band 3 trägt die Aufschrift Conring, Spruchtätigkeit der Fakultäten, HRG ne verbrandt werden ...“ – Zur Widerspiege- „liber quartus“ und war folglich ursprüng- IV, Sp. 1787 – 1791 (neuere Lit.) und H.-W- lung populären Zauberwissens in mecklen- lich nicht der dritte, sondern bereits der vier- Thümmel, „Spruchkollegium“, in: HRG IV, Sp. burgischen Hexenprozeßprotokollen und zur te Band (Haalck / Trotz, Die Hexenverfolgung 1781 – 1786. Eine Übersicht über die unge- Sprachform der Verhörsprotokolle, in: Die- in der Spruchpraxis der Rostocker Juristen­ druckten Materialien und weitere Literaturhin- ter Harmening/Andrea Rudolph, Hexenverfol- fakultät, in: WZ Uni Rostock / Reihe 13) 1964, weise (S. 1053 – 1054) bei Dölmeyer (Hrsg.), gung in Mecklenburg. Regionale und Überre- S. 222ff., 231 Fn. 22; Lorenz, Aktenver­ Repertorium ungedruckter Quellen zur Recht- gionale Aspekte, Dettelbach 1997, S.13 – 30 sendung und Hexenprozess, Frankfurt am sprechung Deutschland 1800 – 1945; V. (mwN). Main 1982, S. 165). Rechtsprechung der Universitäten; A. Spruch- 8 Davon haben sieben die Arbeit bereits been- 3 Zu Lücken im Jahre 1735 vgl. Haalck / Trotz tätigkeit der Juristenfakultäten, Frankfurt am det und sowohl eine Druckfassung (jeweils in (Fn. 2), 236 Fn. 43. Main 1995, S. 1049 – 1060. der Rostocker Rechtsgeschichtlichen Reihe,

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der Art der Entscheidung (Belehrung, durch wörtliche Wiedergabe des Leit- Urteil 9 oder Gutachten 10) nachzuzeich- satzes genauer bestimmt wird. Diesen Der Autor nen. Die konkrete Abfrage-Maske, die inhaltlichen Teil abschließend sind in einheitlich für alle einzelnen Belehrun- der nächsten Spalte die Normen anzu- gen und Urteile zugrunde zu legen und geben, auf die die jeweilige Entschei- auszuarbeiten war, begann mit der An- dung wesentlich gestützt oder mit der gabe eines einheitlichen Aktenzeichens das Gutachtenergebnis begründet wird. und der Zuordnung der unterschiedli- Damit wird es z. B. ermöglicht, den im chen Archivsignaturen der betreffenden Laufe der Zeit wechselnden Einfluss des Urteilsbücher, Spruchakten und Proto- Gemeinen Rechts in Rostock / Mecklen- kollbücher für jeden Einzelspruch. burg oder die Bedeutung des Lübischen Rechts sowie den Einflussgrad anderer Sodann war die Person oder Stelle des Rechtssammlungen 12 in der Hansestadt Prof. Dr. Ralph Weber Ratsuchenden – regelmäßig aus dem Rostock zu erforschen. geboren am 9. Oktober 1960 in Bad beiliegenden Anschreiben – zu entneh- Mergentheim, aufgewachsen und Grundschule im badischen Krautheim, men, um so den räumlichen Einzugsbe- Die Erfassung abschließend werden Gymnasium in Osterburken; Studium reich der Rostocker Juristenfakultät als sodann noch die erhobenen Kosten so- der Rechtswissenschaften in Würzburg und Heidelberg, das. Promotion und Spruchkörper zu erfassen. Anschlie- wie die Namen der bearbeitenden Pro- Habilitation; seit 1995 Inhaber des ßend sind das Eingangsdatum sowie fessoren 13 verzeichnet. Da in jedem Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, das Erledigungsdatum zu erfassen, so Band zugleich eine kurze Vita der be- Arbeitsrecht und Rechtsgeschichte an der Juristischen Fakultät der Univer- dass auch die Bearbeitungsdauer und arbeitenden Professoren die Bearbei- sität Rostock; am 1. Oktober 2009 damit die Effektivität des Verfahrens tung abrundet, ist als kleiner Nebenef- nach Greifswald an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der bestimmt werden kann. Nach der Wie- fekt zugleich ein mit den wesentlichen Ernst-Moritz-Arndt- Universität abgeord- dergabe der Art der Erledigung, also der Lebensdaten versehenes Verzeichnis net im Wege der verfehlten Sparpolitik Abfassung als Urteil 11, Rechtsbelehrung der an der Juristischen Fakultät zu Ros- im Bildungsministerium Mecklenburg- Vorpommern oder als Privatgutachten und des Rub- tock tätigen Professoren im Zeitraum der rums wird vom Bearbeiter das Rechts- Spruchaktentätigkeit entstanden. Die Ernst-Moritz-Arndt- Universität Greifswald gebiet der Anfrage näher bestimmt, allerletzte Bearbeitungsseite der Erfas- Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, wobei zunächst eine Klassifizierung in sungsmaske mit der Bezeichnung „Be- Medizinrecht, Arbeitsrecht und Rechtsgeschichte Sachbereiche (Lehnsrecht, Erbrecht, sonderheiten“ gibt den Doktoranden so- Domstr. 20, 17489 Greifswald Strafrecht, Vertragsrecht, Privilegien dann Raum, über die Sprüche etwaige Mail [email protected] usw.) vorgenommen und diese sodann Besonderheiten zu vermerken.

Hrsg. Prof. Dr. Ralph Weber [Shaker-Verlag]) Gunnar Roloff, Die Spruchkörpertätigkeit der Review of the nearly comprehensively als auch die zugehörige Daten-CD vorgelegt: Juristischen Fakultät Rostock von SS 1760 Martin Kretschmer, Urteil und Belehrung der bis WS 1789 / 90 (2003); available inventory of the verdict files Rechte durch Ihrer fürstlichen Gnaden Juris- Manuela Astfalch, Die Spruchkörpertätigkeit of the Faculty of Law at the University tenfakultät zu Rostock, Analyse der Spruch- der Juristischen Fakultät Rostock von of Rostock from 1570 to 1840 as a hard akten vom WS 1599 bis SS 1628 (2003); SS 1570 bis WS 1600 (2007). Steffen Kischkel, Die Spruchkörpertätigkeit Eine weitere Dissertation ist gerade einge- copy of the legal activities of the faculty der Juristischen Fakultät Rostock von WS reicht, die letzte noch in der Bearbeitung. on the basis of a single, comprehensive 1628 bis SS 1657 (2003); 9 Oft auch als Sententia bezeichnet. Alexander Eifrig, Die Spruchkörpertätigkeit 10 Oft auch als Responsum bezeichnet. query dialogue that only enables further der Juristischen Fakultät Rostock von WS 11 Wobei Urteil in einem weiteren Sinne verstan- content indexing. 1657 bis WS 1677 / 78 (2006); den wurde und insbesondere bloße Beweis- Jens Tiemann, Die Spruchkörpertätigkeit der beschlüsse mit einbezog, vgl. Kretschmer Juristischen Fakultät Rostock von SS 1648 (aaO. Fn. 8), S. 114. bis WS 1700 / 01 (2005); 12 Etwa oft auch das Allgemeine Preußische Sven Becker, Die Spruchkörpertätigkeit der Landrecht (ALR). Juristischen Fakultät Rostock von SS 1701 13 Anhand ihrer Unterschrift bis WS 1721 / 22 (2003); auf dem Spruch. ■

Universität Rostock 61 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Recht und Verfassung der Universität Rostock in der frühen Neuzeit

Hilde Michael

Fragestellung und Pflichten der an der Universität und ihren die Umsetzung des Arbeitsziels müssen Arbeitsziel der Dissertation Einrichtungen befindlichen Personen in die meisten Rechtsquellen erstmalig aus der frühen Neuzeit erhält. Die Hauptauf- dem Lateinischen ins Deutsche über- In der Forschungsarbeit zur Rechts- und gabe der Forschungsarbeit ist es also, setzt werden. Verfassungsgeschichte der Universität die Grundstruktur der Rostocker Univer- Rostock in der frühen Neuzeit wird hin- sität, die Rechte und Pflichten der ein- terfragt, welche Kenntnisse man anhand zelnen universitären Einrichtungen und Forschungsstand und der Statuten und Verordnungen, die die der sich an der Universität befindlichen Quellenlage Rechts- und Verfassungsgrundlage Personen herauszustellen und die Ent- der Universität Rostock bilden, über die wicklung des universitären Rechts- und Es liegen zahlreiche Forschungsarbei- Grundstruktur des Studium universale Verfassungswesens für den besagten ten auf dem Gebiet der internationalen Rostochiensis und über die Rechte und Zeitraum verständlich darzustellen. Für Universitätsgeschichte und auch zahl-

Abbildung 1: Statutenbuch 1419 – 1756, Abbildung 2: Statutenbuch 1419 – 1756, Einband (Universitätsarchiv Rostock, Schwurseite; hier hatten die Studenten R I A 1: Statuten und Verordnungen) durch Auflegen der Schwurfinger den Eid auf die Statuten der Universität zu leisten, die Spuren sind auf dem unte- ren Blatt sichtbar (Universitätsarchiv wie Abb. 1, S. 10).

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reiche Beiträge zur Rostocker Univer- d. h. der mittelalterlichen Universitäts- sitätsgeschichte vor. Eine Rechts- und statuten, sowie der Universitätsstatuten Die Autorin Verfassungsgeschichte der Alma Mater der Jahre 1548 und 1563 aus dem Latei- Rostochiensis wurde jedoch bislang nischen ins Deutsche vor. nicht erarbeitet. Die Quellenlage für die Forschungsarbeit ist sehr gut. Es ste- Bei der wissenschaftlichen Auseinan- hen die ältesten Generalstatuten der dersetzung mit den Rechtsquellen wird Universität Rostock in einer verbesser- deutlich erkennbar, dass die ältesten ten Textausgabe von E. v. Westphalen, Universitätsstatuten und die Stiftungs- Typoskripte der Statuten der Jahre 1548 bulle der mittelalterlichen Universität und 1563 sowie Typoskripte der Stif- Rostock auch in der frühen Neuzeit ihre tungsbulle und der Formula Concordiae Gültigkeit und ihre Rechtskraft nicht zur Verfügung. verloren hatten. Um die Aussagen der Statuten und Verordnungen der frühen Neuzeit zu verstehen, ist die Kenntnis Die derzeitigen Forschungs- der ältesten, also der mittelalterlichen ergebnisse und Erkenntnisse Rechtsquellen der Universität Rostock Hilde Michael des Projektes unumgänglich. Die Statuten und Ver- 2001 – 2008 Studium der Geschichts- ordnungen der frühen Neuzeit zeigen wissenschaft und der Latinistik in Mar- Es liegen bereits für die Ausarbeitung Veränderungen, Ergänzungen und Neu- burg / L. und Rostock; seit Oktober 2008 Promotionsstudentin am Historischen gängige Übersetzungen der ältesten, regelungen an der Universität Rostock Institut der Universität Rostock; bis auf, die nur durch die Kenntnis der mittel- März 2009 wissenschaftliche Hilfskraft am Historischen Institut und an der alterlichen Sollbestimmungen wahrge- Theologischen Fakultät; seit April 2009 Abbildung 3: Statuten 1548 nommen, verstanden und eingeordnet Stipendiatin der Landesgraduiertenför- (Universitätsarchiv, wie Abb. 1, S. 3) werden können. ■ derung Mecklenburg-Vorpommern Forschungsschwerpunkte: Jüdische Geschichte, Rechts- und Verfassungsgeschichte

Universität Rostock Forschungsstelle Universitätsgeschichte Universitätsarchiv Schwaansche Str. 4, 18055 Rostock Mail [email protected] Mail [email protected]

The project ‘Law and Constitution of the University of Rostock in Early Modern Times’ reviews for the first time the law and condition history of the University of Rostock in the said time period. Rel- evant legal sources of the university are translated from Latin into German for Abbildung 4: Fomula Concordiae. this. Full translations of Latin university Rostock 1563 (Universitätsarchiv statutes are deficient to date in univer- Rostock) sity history research.

Universität Rostock 63 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Germanistik in der DDR

Jan Cölln

Die Geschichte der wissenschaftlichen dem Mauerfall war es von besonderer Im wissenschaftssoziologischen Feld Disziplin der Germanistik in der DDR wird Wichtigkeit, dass neben den Forschun- der DDR-Germanistik sind Ereignisse, nach wie vor kontrovers und mit emotio- gen von Nachwuchswissenschaftlern Prozesse und Einzelphänomene nur nalen Voreinstellungen beurteilt. Im Mai vor allem auch das Erfahrungswissen differenziert zu beschreiben, wenn sie 2008 fand daher aus Anlass des 150-jäh- zahlreicher Zeitzeugen unterschiedli- 1.) in der Eigendynamik von institutionel- rigen Institutsjubiläums in Rostock eine cher Generationen von verschiedenen len Strukturen und Mechanismen sowie international besetzte wissenschaftsge- Wissenschaftsstandorten der DDR in die der Machtdiskurse staatlicher Instanzen schichtliche Tagung zur Germanistik in Diskussionen einbezogen werden konn- verortet werden; 2.) wenn die Personen- der DDR statt, die von der Fritz Thyssen te. Es gelang ein konstruktiver Dialog, geschichte der Beteiligten biographisch, Stiftung für Wissenschaftsförderung der es ermöglichte, ergebnisoffen, as- generationengeschichtlich, soziologisch und der Universität Rostock unterstützt pektreich und multiperspektivisch über und von ihrem Habitus als Wissenschaft- und von Prof. Dr. Franz-Josef Holznagel germanistische Institutionen, Personen, lerin oder Wissenschaftler her einbe- sowie Dr. Jan Cölln veranstaltet wur- Forschungen und Ausbildung in der DDR zogen wird; 3.) wenn die spezifische de (das detaillierte Programm: www. und ihre heutige wissenschafts-, ideo- Konstellation von historischer Situation, germanistik-rostock.de). Die Ergebnisse logie- und gesellschaftsgeschichtliche beteiligten Personen und Machtstruk- der Tagung sollen 2010 unter dem Titel Bewertung zu sprechen. turen analysiert ist; und 4.) wenn eine „Positionen der Germanistik in der DDR. konsequente Historisierung und ein Ver- Personen – Forschungsfelder – Orga- Die Vorträge und Diskussionen haben gleich mit Parallelen in der ehemaligen nisationsformen“ publiziert werden. In verschiedene Beschreibungsprobleme BRD sowie des Auslands die Analysebe- der historischen Situation 20 Jahre nach in methodischer Hinsicht vorgeführt: funde einordnet.

Abbildung 2: Podiumsdiskussion zu den Evaluationen der Germanistik in der DDR, v.l.n.r.: Monika Schneikart (Literatur- wissenschaft, Greifswald), Hans-Jürgen Staszak (Literatur- Abbildung 1: Tagung „Germanistik in der DDR“ (13.–17.05. wissenschaft, Rostock), Dieter Nerius (Sprachwissenschaft, 2008), Veranstaltungseröffnung; Redner: Prof. Dr. Franz-Josef Rostock), Hans-Harald Müller und Jörg Schönert (Literaturwis- Holznagel (Fotoarchiv Medienzentrum) senschaft, Hamburg); (Fotoarchiv Medienzentrum)

64 Traditio et Innovatio 2|10 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Rostocker Germanistik – eine Der Autor Institutsgeschichte in Dokumenten und Darstellungen

Ein Team aus engagierten Studierenden der Ausstellungsmacher, Forschungen der Germanistik unter der Leitung von und Studienbedingungen sowie anhand Dr. Jan Cölln organisierte in Zusam- ausgewählter Fallbeispiele das Verhal- menarbeit mit dem Kulturhistorischen ten und die Leistungen einzelner Perso- Museum Rostock die Ausstellung „Ger- nen unter den gegebenen gesellschaft- manistik und Gesellschaft. Deutsche lichen Bedingungen zu dokumentieren. Philologie in Rostock 1858 – 2008“ Die Ausstellung entwickelte sich insbe- Dr. Jan Cölln (10.04. – 29.06.2008). Die Ausstellung sondere in ihrem letzten Kapitel zu ei- Jg. 1968; Promotion in Göttingen 1996 präsentierte einer größeren Öffentlich- nem Ort des kommunikativen Gedächt- im Bereich Neuere deutsche Literatur; 1997 – 2001 wissenschaftlicher Mitarbei- keit mit Hilfe von Materialien vor allem nisses unterschiedlicher Generationen ter im SFB 529 „Internationalität nationa- aus dem Universitätsarchiv Rostock von Zeitzeugen und aller beteiligten Aus- ler Literaturen“ im Projekt „Alexander im stellungsmacher. Die zahlreichen, auch Mittelalter“; seit 2001 wissenschaftlicher (UAR) und der Universitätsbibliothek Mitarbeiter an der Universität Rostock eine kleine Gesellschaftsgeschichte des über Rostock hinaus relevanten instituti- im Lehrgebiet Ältere deutsche Literatur Forschens, Studierens und Lebens am onen- und gesellschaftsgeschichtlichen und Geschichte der deutschen Sprache Rostocker Institut. Die Ausstellungsta- Forschungsergebnisse sollen in einer In- Universität Rostock feln der Designerin Steffi Böttcher (Ros- stitutsgeschichte dokumentiert werden, Institut für Germanistik August-Bebel-Str. 28, 18055 Rostock tock) stehen als pdf-Dokumente unter die Darstellungen einzelner Phasen des Mail [email protected] www.germanistik-rostock.de im Netz. Disziplinenwandels, Personengeschich- Web www.germanistik-rostock.de Die drei historischen Schwerpunkte der te und Institutionsgeschichte mit der Edi- Ausstellung bildeten die disziplinge- tion von Dokumenten insbesondere aus schichtlich bedeutende Gründungspha- dem UAR verbindet. In der recht gut auf- se und die gesellschaftsgeschichtlich gestellten Forschung zur Geschichte der besonders diskussionsträchtigen Zeiten Germanistik bleiben Quelleneditionen während des Nationalsozialismus und zur Institutionengeschichte bis heute ein während der DDR. Es lag im Interesse Desiderat. ■

On the occasion of its 150-year exist- Promotion and the University of Rostock; ence the Rostock Institute for German 2.) a scientific exhibition on “German Studies – the oldest organised seminar Studies and society, German Philology institution in the history of the subject in Rostock 1858 – 2008”, which was able (Charter 11th June 1858) – organised in to be shown in cooperation with the Cul- the summer semester of 2008 two grand tural History Museum of Rostock. While jubilee events, which were to throw a the first project will be concluded in 2010 historically reflective glance over the in- with the anthology ‘Positions of German Abbildung 3: Karl Bartsch, erster Prof. stitute and the discipline: 1.) an interna- Studies in the GDR. Persons – Research für Deutsche Philologie in Rostock tionally attended conference on German Fields – Organisation Types’, the second (1858) und erster Träger der Goldenen Studies in the GDR, sponsored by the project is to be developed as an institute Rektorkette (1867) der Universität Ros- Fritz Thyssen Foundation for Science history in documents and essays. tock (Fotoarchiv des UAR, Bild 2.2)

Universität Rostock 65 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Moritz Schlick und Emil Utitz

Projekte zur Geschichte der Philosophie an der Universität Rostock von 1898 bis 1948

Mathias Iven

An der 1998 gegründeten Moritz-Schlick- Instituts für Philosophie. In den vergan- flusste Wilhelm Burkamp (1879 – 1939), Forschungsstelle entsteht nicht nur die genen 100 Jahren wirkten an der Univer- der durch seine Arbeiten zu Hegel groß angelegte Moritz Schlick Gesamt- sität Rostock einige bedeutende, heute und Kant bekannte Julius Ebbinghaus ausgabe. Man beschäftigt sich hier auch jedoch fast vergessene Philosophen: so (1885 – 1981) oder der Heidegger-Schü- seit Längerem mit der Geschichte des der vom Logischen Empirismus beein- ler Walter Bröcker (1902 – 1992). Beson- deres Augenmerk gilt derzeit aber Moritz Schlick (1882 – 1936) und Emil Utitz (1883 – 1956).

Zwei Rostocker Privatdozenten

Sommer 1910. Im Abstand von nur we- nigen Wochen erreichen den seit gut einem Jahrzehnt an der Rostocker Uni- versität wirkenden Ordinarius für Philo- sophie Franz Erhardt (1864 – 1930) zwei Habilitations-Anfragen. Die eine kommt von dem aus Böhmen stammenden Emil Utitz, die andere aus Berlin von dem Planck-Schüler Moritz Schlick.

Utitz, der in Rostock bei Prag (Roztoky u Prahy) geborene, ehemalige Mitschüler von Franz Kafka, der in Prag, München und Leipzig vor allem Kunstgeschichte Abbildung 1: und Psychologie studiert hatte, wurde Moritz Schlick 1906 mit einer Studie zur Ästhetik der (Aufnahme vom Aufklärung promoviert. Max Dessoir, mit Juni 1914; dem er gemeinsam an der Begründung Archiv G. M. H. einer allgemeinen Kunstwissenschaft van de Velde, arbeitet, macht ihn auf die Rostocker Enschede) Privatdozentenstelle aufmerksam. „Seit

66 Traditio et Innovatio 2|10 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Abbildung 2: Schlick als Privatdozent 1911 Abbildung 3: Emil Utitz (Aufnahme aus der Rostocker Zeit, (Universitätsarchiv Rostock, Habilitationsakte Schlick) Universitätsarchiv Rostock)

Menschengedenken hat es hier einen Von der Kunstwissenschaft Stilfragen ebenso wie den Problemen Privatdozenten der Philosophie nicht zur Charakterologie der Kunstkritik. Gemeinsam mit dem Me- gegeben; wenn nun jetzt gleich zwei kä- diziner Friedrich Karl Walter gibt er 1913 men, so könnte das bei dem einen oder Am 20. Oktober 1910 wird Emil Utitz ha- erstmals eine Einführung in die allge- dem andern Bedenken erregen.“ So bilitiert, seine Antrittsvorlesung widmet meine und pathologische Psychologie, Erhardt gegenüber Schlick. Trotzdem er der Frage „Was ist Stil?“. Schlicks zukünftig ein fester Bestandteil seines ermuntert er ihn: „Sie brauchen sich da- Verfahren kommt erst im Sommer des akademischen Wirkens. Später wendet durch aber nicht abhalten zu laßen, nach darauffolgenden Jahres zum Abschluss. er sich insbesondere der Charakterolo- Rostock zu kommen und hier die weite- Das Thema seiner Antrittsvorlesung lau- gie zu. 1914 legt Utitz den ersten, 1920 re Entwicklung der Dinge abzuwarten. tet: „Die Aufgabe der Philosophie in der den zweiten Band seiner „Grundlegung Aussichtslos erscheint mir die Sache Gegenwart“. der allgemeinen Kunstwissenschaft“ vor. jedenfalls nicht.“ Ohne eine verbindliche Zusage abzuwarten, beginnt Schlick mit Der stark durch Brentano beeinflusste den Umzugsvorbereitungen. Bereits Utitz bietet Veranstaltungen zur Ästhe- Der „Prophet“ der Physiker Anfang Juni 1910 unterzeichnet er den tik und zur Geschichte der Philosophie Mietvertrag für das Haus in der heutigen an, er untersucht den künstlerischen Schlick erwirbt sich mit seiner Arbeit zu Dehmelstraße. Schaffensprozess und widmet sich „Raum und Zeit in der gegenwärtigen

Universität Rostock 67 Zur Geschichte der Wissenschaftsbereiche

Getrennte Wege The Moritz Schlick Research Centre, Der Autor founded in 1998, issues not only the Schlick verlässt Rostock bereits 1921, ‘Collected Papers of Moritz Schlick’, but geht nach Kiel und 1922 nach Wien, wo also researches the history of the Insti- Dr. Mathias Iven er 1936 ermordet wird. Utitz folgt 1925 tute for Philosophy from 1898 to 1948.

geb. 1960 in Potsdam-Babelsberg; einem Ruf nach Halle, wird 1933 wegen In 1900–1925, three personalities domi- Studium der Philosophie an der seiner jüdischen Abstammung entlas- nated philosophy at Rostock University: Humboldt-Universität zu Berlin; seit sen, kehrt nach Prag zurück, arbeitet Franz Erhardt focused on Spinoza and 2002 Mitarbeiter an der „Moritz Schlick Gesamtausgabe“, derzeit Leiter am Brentano-Nachlass und baut mit Kant; Emil Utitz’ extensive work consid- eines durch die Fritz Thyssen Stiftung Oskar Kraus das philosophische Semi- ered mainly questions of characterology geförderten Projektes zur Nietzsche- Rezeption bei Moritz Schlick; Autor nar an der Prager Deutschen Universi- and also problems relating to aesthetics einer Biographie zu Schlicks frühen tät auf. 1942 werden er und seine Frau and arts; and Moritz Schlick, the founder Jahren, seit 2008 Mitherausgeber der nach Theresienstadt deportiert, er leitet of the Vienna Circle, who was murdered „Schlickiana“ die Zentralbücherei – beide überleben. in 1936. Universität Rostock Eine neuerliche Berufung nach Rostock Institut für Philosophie Moritz-Schlick-Forschungsstelle scheitert. Utitz stirbt 1956 auf einer Vor- Wilhelm Burkamp lectured here until Wismarsche Str. 8, 18051 Rostock tragsreise durch die DDR. April 1939. Julius Ebbinghaus, known Fon +49(0)381 498-2810 Fax +49(0)381 498-2817 for his work on Hegel and Kant, held the Mail [email protected] Bis heute gibt es nur wenige biogra- chair for Historical and Systematic Phi- Web www.moritz-schlick.de phisch-systematische Arbeiten, die sich losophy from 1930 to 1940. His succes- mit den hier genannten Personen befas- sor, the Heidegger pupil Walter Bröcker, sen. Vorrangiges Ziel des Projektes ist was discharged in April 1948. The his- es deshalb, neben den Einträgen für den torical research aims to contribute to the Physik“ (1917) und der „Allgemeinen Catalogus Professorum Rostochiensium Catalogus Professorum Rostochien- Erkenntnislehre“ (1918) nicht allein die weitere biographische und bibliogra- sium and to compile further biographic Achtung der philosophischen Zunft. phische Materialien für zukünftige For- and bibliographic data on those perso­ Vor allem sind es Physiker wie Einstein, schungen zu erschließen. ■ nalities as basis for future research. Laue oder Planck, die in Schlick, wie ihm Born schreibt, „ihren Propheten gefunden“ haben, liefert er ihnen doch die geisteswissenschaftliche Fundie- rung ihrer Theorien. Schon früh werden Schlicks erkenntnistheoretische und na- turphilosophische Arbeiten zur Grundla- ge weitergehender Überlegungen in der Wissenschaftstheorie.

Doch Schlick und Utitz beschränken sich nicht allein auf Lehre und For- schung. Gemeinsam engagieren sie sich bei der Gründung der Vereinigung der Rostocker Privatdozenten, treten in der Kant-Gesellschaft auf oder unter- stützen nach dem Ersten Weltkrieg als Mitglieder des Hauptausschusses für Volkshochschulen die Umgestaltungen Abbildung 4: Die letzte Ruhestätte von Utitz und dessen Frau auf dem im Bildungswesen. Neuen Jüdischen Friedhof in Prag (Foto M. Iven 2008).

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David Chytraeus (1530 – 1600) und der Alltag an der Universität Rostock

Harald Bollbuck

In der zweiten Hälfte des 16. Jahr­ lebten. Die Regentienordnung von 1563 hun­derts bestimmte David Chytraeus bestimmte, dass kein Student außerhalb (Abb. 1) entscheidend die Geschicke der sechs Bursen wohnen dürfe, es sei der Rostocker Universität. Bereits mit denn, er hatte den Grad eines Magisters. 14 Jahren in Tübingen zum Magister Die Inspektion wurde jeweils zwei Pro- promoviert, avancierte er in seinem fessoren als Regentialen anvertraut, je neuen Studienort Wittenberg zum Burse wohnten 20 bis 40 Studenten. Da- Tischgast und Lieblingsschüler Philipp vid Chytraeus leitete zuerst den Roten Melan­chthons. 1551 wechselte er nach Löwen, in dem nach einer großzügigen Rostock, lehrte zuerst am dortigen Päd- Spende zwölf arme Studenten lebten, agogium Rhetorik und Dialektik, um die später wohnte er mit seinen Schülern im Schüler im Propädeutikum auf das Uni- benachbarten Domus theologi (Abb. 2). versitätsstudium vorzubereiten, las aber Für 100 Gulden wurde im Roten Löwen bereits an der Universität über verschie- sogar eine kleine Bibliothek aufgebaut – Abbildung 1: David Chytraeus dene biblische Bücher. Nach der Promo- keine kleine Summe, das Jahresgehalt (1530 – 1600); Quelle: UB Rostock, tion zum Doktor der Theologie 1561 ging des Chytraeus betrug in dieser Zeit 150 Porträtsammlung: Chytraeus, David Chytraeus ganz an die Universität, wo er Gulden. (Holzschnitt, Ende 16. Jhd.) zum wichtigsten Studienorganisator und Professor wurde. eine Morgeninspektion, am Abend wur- Studentischer Alltag de um 9 Uhr die Tür verriegelt. Die Rege- unter Aufsicht lungen reichten bis zu Vorschriften über Die Neuordnung Kleidung und Frisur. Johannes Quistorp der Bursen Der Alltag der Studenten war streng re- d. Ä. (1584 – 1648), ein Nachfolger des glementiert, ihre Pflichten waren in der Chytraeus, tadelte die Unsitte, sich die In seine Amtszeit fallen die Formula Hausordnung festgehalten, ein Eid ver- Haare kräuseln zu lassen. Er war auch concordiae und die Überarbeitung der pflichtete sie auf die Universitätsstatu- ein erbitterter Gegner des Pennalismus: Statuten der theologischen Fakultät, ten. Täglich gab es neben den zu besu- Junge Studenten mussten älteren die- die das Universitätsleben vom Arbeits­ chenden Lehrveranstaltungen Übungen nen und hatten zahlreiche ehrherabset- pensum der Professoren bis zum Alltag im Schrei­ben, Übersetzen und Disputie- zende Prozeduren zu ertragen. Trotz all der Studenten festlegten. Das System ren, feste Schlafens- und Gebetszeiten dieser Vorkehrungen wurde die Ordnung der studentischen Bursen überstand die und monatlich musste eine lateinische nicht immer eingehalten, wie die vielen Reform und unterschied Rostock stark oder griechische Rede rezitiert werden. Klagen der Stadt über ungebührliches von der sächsischen Modellhochschule, Als Hausvater hatten die Regentialen Verhalten, Raufereien und nächtliche wo die Studenten in Privatunterkünften auch die Sittenaufsicht. Um 8 Uhr gab es Lärmbelästigungen belegen.

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Der Professorenhaushalt: Mensa an. Chytraeus bemühte sich auch Der Autor Sorge um sich und immer wieder, in Briefen an adlige Mäze- die Studenten ne Stipendien für deren Landeskinder zu erwirken. Als Privatlehrer mussten die Regentialen ihre Veranstaltungen mit dem Konzil ter- Am Ende seiner Laufbahn war Chytraeus minlich abstimmen. Letztlich waren sie neben dem Artisten Johannes Caselius auch für die Beköstigung ihrer Zöglinge mit 400 Gulden im Jahr der Spitzenver- verantwortlich, der Professorenhaushalt diener an der Universität und nicht wie gewann eine wirtschaftliche Funktion. Kollegen auf Zahlungen aus Predigtamt, Auch Chytraeus hatte mit Margarete Beichtpfennig oder Kollekte angewie- Smedes in die städtischen Ratseliten sen. Stattdessen empfing er fürstliche eingeheiratet; nach ihrem Tod vermählte Sonderzuwendungen von einem halben Dr. phil. Harald Bollbuck er sich mit Margarete Pegel, der Tochter Fuder Wein, Prüfungsgelder und als Mit- eines Kollegen. Neben dem Kostgeld glied des Konsistoriums 40 Gulden. Sei- 1992 – 1999 Studium der Geschichte, Klassischen Archäologie und Klassi- von acht Schilling pro Woche erhielten ne Wertschätzung im Kollegium unter- schen Philologie in Rostock, Berlin und die Regentialen den dritten Teil der aus streicht die fünfmalige Wahl zum Rektor. Wien; 2002 Promotion am Graduier- tenkolleg „Imaginatio borealis“ der den Häusern einkommenden Mietzin- Christian-Albrechts-Universität Kiel mit sen. Für etwa 50 arme Studenten wur- Literatur zum Thema: einer Arbeit zur Geschichtsschreibung de eine Mensa im Johanniskloster, seit ▪ Thomas Kaufmann: Universität und im norddeutschen Humanismus des 16. Jahrhunderts; 2002 – 2008 Mitarbeiter 1566 im Michaeliskloster eingerichtet. lutherische Konfessionalisierung, am Projekt „Martin Opitz von Boberfeld. An jedem Tisch versammelten sich zwölf Gütersloh 1997. Briefwechsel und Lebenszeugnisse. Kritische Edition“ an der Herzog August Studenten, an die jeweils drei verschie- ▪ Otto Krabbe: Die Universität Ros- Bibliothek Wolfenbüttel; seit 2008 Bear- dene Gerichte und drei Viertel Liter Bier tock im fünfzehnten und sechzehnten beiter des Projekts „Historische Metho- verteilt wurden. Vor und nach der Mahl- Jahrhundert, Rostock 1854. de und Arbeitstechnik der Magdeburger Zenturien“, ebenfalls an der Herzog zeit wurde gebetet, währenddessen die ▪ Sabine Pettke: Das Testament des August Bibliothek Wolfenbüttel Bibel verlesen. Diese mensa communis David Chytraeus. Ein überraschen- Herzog August Bibliothek unterstützten Stiftungen des Lüneburger der Fund, in: David und Nathan Chy- Postfach 1364 Rates und der Rostocker Bürgerschaft, traeus, hg. v. Karl-Heinz Glaser u. a., 38299 Wolfenbüttel Fon +49(0)5331 808242 Herzog Johann Albrecht lieferte Natu- Ubstadt-Weiher 1993, 153 – 164. Mail [email protected] ralien, und 1603 legte Königin Sophia ▪ Marco Pluns: Die Universität Rostock von Dänemark 1000 Goldgulden für die 1418 – 1563, Köln u. a. 2007. ■

The Melanchthon student David tie; later he lived in the domus theologi. Chytraeus was the most important stu- As housemaster, this leader had moral dent organiser and teacher at the Ros- authority and controlled the behaviour tock University in the second half of the and demeanour of the students. 16th century. He contributed decisively to university reforms of 1563/64 that The day began at 8am with an inspec- regulated teaching and detailed the co- tion; at 9 in the evening, when the doors existence of professors and students. were bolted, all had to be inside. Scholar- The students had to live in dormitories, ships and a refectory in Michaeliskloster over which the professors presided. enabled even poor students to study. At Abbildung 2: Vicke Schorler, Regentien Exercises in reading, writing, transla- the end of his career, Chytraeus was the am Hofenmarkt, mit der Domus theologi tion and debate took place there daily. highest earner at the university on 400 als Chytraeus’ Wohnhaus; Quelle: Chytraeus ran the ‘The Red Lion’ regen- Gulden per year. Archiv der Hansestadt Rostock

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