Die letzten Tage Adolf Hitlers

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Eine Darstellung für das 21. Jahrhundert

in s Der Untergang

by StefanieKrüger Athesis presentedtotheUniversityofWaterloo infulfillmentofthe thesisrequirementforthedegreeof MasterofArts in German Waterloo,Ontario,Canada,2006 ©StefanieKrüger2006

Author’s declaration for electronic submission of a thesis

IherebydeclarethatIamthesoleauthorofthisthesis.Thisisatruecopyofthethesis,including anyrequiredfinalrevisions,asacceptedbymyexaminers.

Iunderstandthatmythesismaybemadeelectronicallyavailabletothepublic.

iii

Abstract

Thefilm DerUntergang (2004),directedbyOliverHIRSCHBIEGEL andwrittenandproduced byBerndEICHINGER ,isbasedonJoachimFEST ’shistoricalmonograph DerUntergang (2002)and

TraudlJUNGE ’sandMelissaMÜLLER ’s BiszurletztenStunde (2003).TakingplaceinApril,1945,the moviedepictsthelastdaysofAdolfHitlerandhisstaffinthe‘Führerbunker’.Theappearanceof thefilmsparkedwidespreadcontroversyconcerningtheproprietyofGermansilluminatingthis most controversial aspect of their history. Specifically, the debate centred on the historical accuracyofthefilmandthedangersassociatedwiththefilmmakers’goalofportrayingHitlernot as a caricature or onesided figure but rather as a complete human being whose troubles and humanqualitiesmightwellearnthesympathyoftheviewers.

AftersurveyingavarietyoffilmsthatportrayAdolfHitler,thethesisanalyses DerUntergang byfocusingfirstonthecinematicandnarrativeaspectsofthefilmitselfandthenonthefigureof

Hitler.ItaimstodemonstratethatthepresentationofHitlerasacomplexcharacterreflectsthe circumstancesofthefilm’stimeandculture.Inparticular,thisthesisdiscussestwomainaspects: first,itdescribesafigureofHitlerconstructedinthefilmandconveyedtotheviewers;second,it demonstratesthatthefilm’sconstructionofHitlerisembeddedinthesocioculturalcontextofthe film’screation,therebyestablishingthatthisisaHitlerforcontemporaryGermansocietyandthe currentstateofGermanculture’sreckoningwithitsfascistpast.

Theresultsoftheanalysis,inparticularthedepictionofHitlerandtherepresentationof deathandsuicide,demonstratethatthefilmpresentsamultiplepointofview.Thefilmalsofaces the problematic issue of representing history adequately. The consideration of the German

v Abstract

socioculturalcontextbringsupsomereasonsthatcanexplaintheincreasedinterestinthepersonal sideoftheperpetratorsandespeciallyinthefigureofHitler.

Finally, this thesis maintains that Der Untergang gives a complex but subsequently inconsistentpictureofAdolfHitlerbecauseitgetsentangledbytheattempttobeinformativeand entertainingatthesametime.Thoughthefilmcannotreplacehistoricalinvestigationandanalysis, it still informs Germans about Adolf Hitler and reflects how their society deals with its own troubledpast.

vi

INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG...... 1

2 THEORIE – FORSCHUNG, VORGEHENSWEISE UND FILMHISTORISCHER

KONTEXT ...... 7

2.1 Forschungsstand zu Der Untergang ...... 7

2.2 Filmwissenschaftliche Aspekte und Analyse...... 13

2.2.1 DasMediumFilm...... 14

2.2.2 FilmanalysealsMethode ...... 17

2.3 Das Hitler-Bild in seiner Zeit und im filmhistorischen Kontext...... 24

2.3.1 AdolfHitleralsFührer–SelbstdarstellungundWiderstandsbild ...... 25

2.3.2 AdolfHitleralsFilmfigur–EinÜberblick ...... 29

2.4 Zusammenfassung...... 39

3 ANALYSE – DER UNTERGANG UND DIE DARSTELLUNG DER FIGUR

ADOLF HITLER...... 41

3.1 Filmanalyse – Der Untergang ...... 41

3.1.1 ProduktionsfaktorenundHintergrundinformationen...... 41

3.1.2 PointofView...... 49

3.1.3 Handlungswirklichkeiten:Innenvs.Außen ...... 55

vii Inhaltsverzeichnis

3.2 Figurenanalyse – Die Darstellung der Figur in Der Untergang ...... 58

3.2.1 AspektedesFührers...... 58

3.2.2 AspektederPrivatpersonunddesVorgesetzten...... 68

3.2.3 Verschmelzung/ÜberschneidungderkonträrenAspektederHitlerFigur...... 80

3.2.4 TodundSelbstmord...... 84

3.3 Zusammenfassung...... 88

4 DISKUSSION UND FAZIT ...... 91

5 LITERATURVERZEICHNIS...... 111

ANHANG A: BESETZUNG UND STAB ...... 121

ANHANG B: SEQUENZPROTOKOLL...... 123

ANHANG C: EINSTELLUNGSPROTOKOLLE AUSGEWÄHLTER SZENEN ...... 127

viii Hitlerisexplicableinprinciple, butthatdoesnotmeanthathehasbeenexplained. YehudaBAUER Filmemotionalizes,personalizes,anddramatizeshistory. Throughactorsandhistoricalwitnesses, itgivesushistoryastriumph,anguish,joy,adventure,suffering,andheroism. RobertROSENSTONE

1 Einleitung

AdolfHitler–Nationalsozialist,FührerderDeutschen,InitiatordesZweitenWeltkriegs,

Antisemit,schuldigamTodvonMillionenvonMenschenundnunHauptfigureinesSpielfilms– wie,wennüberhaupt,passtdaszusammen?

DerNameAdolfHitler(18871945)ruftunzähligeAssoziationenhervorundstehtwie kein zweiter für „an icon, an embodiment, a standin for ultimate evil in popular discourse“

(ROSENBAUM xxi).DochnebendenbekanntenTatsachensindnochimmervieleUmständeseines

LebensungeklärtundweckendamiteinungeahntesInteresse.RonROSENBAUM stelltfolgerichtig fest:„ThesearchforHitlerhasapprehendednotonecoherent,consensusimageofHitlerbut rather many different Hitlers, competing Hitlers, conflicting embodiments of competing visions“(xii).DochwelchemdieserBilderistzutrauen,welchemzumisstrauen?Hitlerwirdals

„VerkörperungdesBösen“betrachtetundtrotzdem–odergeradedeswegen–wurdeundwirder lautCharlesHAMILTON nochimmerals„amostfascinatingman“(zit.inROSENFELD 111)inder

Geschichtebetrachtet.

Die Faszination der Person Adolf Hitler ist ungebrochen und gerade das Ende des

20.Jahrhunderts zeigte ein gesteigertes Interesse an ihr, das zwar einerseits überraschend, aber andererseits trotzdem nicht ganz unerwartet kommt: Das Verlangen der Menschen nach Auf

1 Einleitung klärung über die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und seine Folgen scheint in dem Maße zuzunehmen,indembewusstwird,dassdieletztenÜberlebenden–undsomitletztenZeitzeugen

– dem (Aus)Sterben nahe sind. Für die Deutschen selbst ist die Verarbeitung des National sozialismus ein heikles Problemfeld, dessen sich nur zögerlich und uneinheitlich angenommen

wird.Uneinigkeitherrschtvorallemdarüber,obundinwelcherFormsichdieserVergangenheit erinnert werden soll. Diese Problematik kristallisierte sich bspw. auch während des Vorhabens heraus, ein Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu errichten, dessen Planung knapp

15Jahre in Anspruch nahm, bevor es 2005 fertiggestellt und feierlich eröffnet wurde („Das

Denkmal“).DochwährenddieSchreckendesKriegserinnertwerdenwollenundsollen,umdem

Vergessen entgegenzuwirken, ist die Frage nach dem Umgang mit den Tätern zwar schon diskutiert,jedochnochnichtabschließendbeantwortetworden.UndinsbesondereHitler,„who, more than any other, stands for the deformation, and ultimately the defeat of all our cultural ideals“ (ROSENFELD xiii), stellt dabei die größte Herausforderung dar: Gibt es Möglichkeiten,

Hitlers Wesen und Beweggründe zu erklären, sich ihm anzunähern, ohne ihn jedoch zu

verharmlosenodergarzuverklären?DieseschierunüberwindbarerscheinendeAufgabewurdein

der Vergangenheit zumeist von Historikern bearbeitet, fand jedoch zunehmendes Interesse der

breiten Öffentlichkeit, so dass sich auch die (populären) Medien mit der Thematik befassten.

UnsereGesellschaftistheutemehrdennjedurchMedienundihreProduktebestimmt,weshalb

auchvielunseresWissens–unteranderemauchüberdenNationalsozialismus–durchsiegeprägt

und vermittelt wird. Herrschte jedoch in den 1990ern Jahren noch die filmische

Auseinandersetzung des Nationalsozialismus aus der Perspektive der Opfer vor, wie an Steven

SPIELBERG s Schindler’sList (1993;dt.: SchindlersListe )oderRobertoBENIGNI s Lavitaèbella (1997; dt.: DasLebenistschön )ersichtlich,scheintdiesejetztvonFilmenabgelöstzuwerden,diedieSicht derTäterindenMittelpunktsetzen,wiebspw.OliverHIRSCHBIEGEL s DerUntergang (2004).

2 Einleitung Am9.September2004wurde DerUntergang inMünchenuraufgeführt.DerFilm,beidem

BerndEICHINGER sowohlalsDrehbuchschreiberalsauchalsProduzentfungierte,beschreibtdie letztenzwölfTageAdolfHitlersundseinerengstenMitarbeiterimFührerbunkerin.Schon vor seiner Premiere löste der Filmheftigeundkontrovers geführte Diskussionen aus, die aber keinesfalls seinen kommerziellen Erfolg schmälerten, sondern diesen wohl eher noch forcieren konnten. Die Produktion avancierte mit über 4,6Millionen Zuschauern zu einem der erfolg reichstenFilmeDeutschlands(„FilmInformation:DerUntergang“).

DochesstelltsichunweigerlichdieFrage,obAdolfHitlerineinemSpielfilmdargestellt oder ‚gespielt‘ werden darf. Fast 60 Jahre galt nämlich das ungeschriebene Gesetz, dass Hitler keineBühnegebotenwerdensolle,aufderersichentfaltenbzw.präsentierendürfe(GARCÍA ).

Diese war den Opfern und Widerstandskämpfern vorbehalten und nicht den Tätern. Nur vereinzeltgabesparodistischeoderauchernstereAuseinandersetzungen,dochwardiesehereine

AngelegenheitdesinternationalenalsdesdeutschenFilms. DerUntergang widersetztesichjedoch diesemKodexundstellteAdolfHitlerindenMittelpunktdesFilms.UndgenaudieseZentrierung lösteunterschiedlicheundsichzumTeilstarkwidersprechendeKritikenaus.Siespiegelnsomitdie

Problematik des Untergang swider:WimWENDERS bspw.bemängelte,dassereinen„Filmohne

Haltung“ vor sich habe, der sich nicht traue, Hitlers Tod zu zeigen: „Alles sieht man in Der

Untergang ,nurHitlersTodnicht!TausendLeichensiehtman,nurdenFührerkriegenwirnichttot zuGesicht“.FrankSCHIRRMACHER dagegensprichtvoneinem„Meisterwerk“,mitdemesden

Filmschaffendengelungensei,„Hitlereinzweitesmal[zu]erfinden[undihn]damit,sosonderbar esklingt,zumerstenmalkontrollierbargemacht“zuhaben.WENDERS undSCHIRRMACHER stellen zwarnurzweiMeinungendar,die DerUntergang hervorrief,jedochoffenbarensieeindrucksvolldie

Widersprüchlichkeit in der Rezeption des Films. Der Untergang – basierend auf Joachim FEST s historischer Vorlage Der Untergang (2002) sowie Traudl JUNGE s und Melissa MÜLLER s

3 Einleitung autobiographischem Werk BiszurletztenStunde (2003)–stelltsomitausverschiedenenGründen einakademischherausforderndesForschungsgebietdar.

IndiesemZusammenhangistaußerdemdieFrageinteressant,wieessichauswirkt,dass sich DerUntergang nuraufdieletztenzwölfTagedesDrittenReichsbeziehtunddenFokusauf

AdolfHitlerundseineengstenMitarbeiterlenkt.DerFilmerhebtalsovonBeginnannichtden

Anspruch,einvollständigesBilddesNationalsozialismusaufzuzeigen,sondernbeschränktsichauf einigewenigeTage,PersonenundThemen.DieserbegrenzteBlickwinkelwurdeleidenschaftlich undkontroversinderdeutschenÖffentlichkeitdiskutiert,dadieFrageaufkam,obdiesnichtzu einer limitierten Sichtweise der Gräuel des Nationalsozialismus führe, wenn (fast) nur die

Täterperspektive aufgezeigt wird. Der Vorwurf zog zudem noch die Frage nach sich, ob ein solchesProjektdennüberhauptrealisierbarsei.DiesgeschahvorallemimHinblickdarauf,ob dieses Stück Zeitgeschichte von Deutschen beleuchtet werden sollte und ob für dieses

UnternehmenAnfangdes21.Jahrhunderts(schon)derrichtigeZeitpunktgekommensei.

DochgenaudieseknappumrissenenKontroversenmachen den Film Der Untergang zu einem wissenschaftlich interessanten Projekt, das eine weiterführende Analyse rechtfertigt. Die

vorliegende Magisterarbeit möchte also beantworten, wie Adolf Hitler im Film Der Untergang dargestelltbzw.konstruiert wirdundwelchesBild damituns,denZuschauern,vermitteltwird.

ZurAnnäherungundBeantwortungdieserFragestellungistesnotwendig,auchandereAspekte unddamitzusammenhängendeFragestellungenzuerörtern.Esistwichtig,dieProduktionineinen filmhistorischenKontextzusetzen,anhanddessengeklärtwerdenkann,obdasHitlerBild,dasin diesemFilmangebotenwird,denvorangegangenenwidersprichtoderinEinklangzudiesensteht.

ZudemmussderEinsatzfilmischerMittelundStrukturenhinterfragtundgeklärtwerden,welche

Auswirkungen diese haben. Außerdem ist es von Bedeutung, zu klären, welchen Einfluss die

Tatsachehat,dassderFilmnurdieletztenzwölfTageimLebenAdolfHitlersbeschreibt.Die

4 Einleitung vorliegendeArbeitwillalsofolgendeFragenbeantworten:TrägtderFilmundseineDarstellung derFigurAdolfHitlerdazubei,denZuschauerneinbesseresVerständnisdieserhistorischenFigur zuofferierenodernicht?WelchenStellenwerthat DerUntergang inderVergangenheitsbewältigung derDeutschen?

Darausleitetsichdiefolgende,derArbeitzugrunde liegende These ab: Der Untergang präsentiert und vermittelt zwar einerseits ein inkonsequentes HitlerKonstrukt, spiegelt aber andererseitsauchdasheutigegesellschaftlicheInteresseinDeutschlandanseinerPersonwider.

DieArbeitistfolgendermaßengegliedert:ZunächstwerdeninKapitel2derForschungs stand sowie die filmwissenschaftliche Vorgehensweise vorgestellt, bevor ein knapper film historischer Überblick über die wichtigsten deutschen und internationalen HitlerVerfilmungen gegeben wird, der eine Einbettung des Untergangs ermöglicht. Kapitel3 stellt den Hauptteil der

ArbeitdarundbefasstsichmitderAnalysedes Untergangs ,dieinzweiBereicheunterteiltist:Film und Figurenanalyse. In einem vierten Kapitel werden die zuvor gewonnenen Resultate ab schließenddiskutiertsowieeinkurzerAusblickgegeben.

5

2 Theorie – Forschung, Vorgehensweise und filmhistorischer Kontext

IndiesemtheoretischenKapitelwirdeineÜbersicht über den Forschungsstand zu Der

Untergang (2.1)gegebensowiediefilmanalytischeVorgehensweise(2.2)vorgestellt.DesWeiteren wirddasHitlerBildinseinerZeitalsauchimfilmhistorischenKontext(2.3)präsentiert,bevor eineZusammenfassungdasKapitel(2.4)abrundetundzurAnalyseüberleitet.

2.1 Forschungsstand zu Der Untergang

Begleitend zum Film Der Untergang wurde 2004 auch Joachim FEST s und Bernd

EICHINGER s Der Untergang: Das Filmbuch herausgegeben, das neben dem Drehbuch auch die historische Vorlage von Joachim FEST sowie weitere Hintergrundinformationen (Berichte zu

DreharbeitenundInterviewsmitDarstellernundFilmemachern)enthält.DiesesWerkgibteine ersteAnnäherungandenindieserArbeitzuuntersuchendenForschungsgegenstand,erfülltjedoch nichtunbedingtdiewissenschaftlichgeforderteObjektivität,daandiesemBuch–zumindestteil weise–diegleichenPersonenbeteiligtwarenwiebeiderFilmproduktion.

EinersterÜberblickzeigt,dasssichdieForschungsliteratur, die sich auf Der Untergang bezieht,ineinemüberschaubarenRahmenhält.Diesliegtdarinbegründet,dassderFilmeineerst knappzweiJahrealteProduktionist.WilliBISCHOF hatinseinem2005herausgegebenenWerk

Filmri:ss:StudienüberdenFilmDerUntergang verschiedeneAufätzeundStudiengebündelt,diefürdie vorliegendeArbeitvonInteressesind.HitoSTEYERL bspw.erörtertinihremArtikel„Mimesisals

Anpassung: Die unbewusste Optik des Films Der Untergang “, wie der Film auf Grund seines

AnspruchsdiehistorischeRealitätabzubilden,doch„nurdieschablonenhaftenVerfahren[seiner]

Konstruktion“(30)bloßlege.Sieführtaus,dassgeradedieVerwendungdreiermimetischerSche mata, die vom „Verfahren der Nachahmung bis zur Imitation“(31) reichen, keine Vorzeichen

7 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

eines kommenden Diskurswechsels geben, sondern diese „eine Anpassung ans herrschende

Realitätsprinzip“ (36) darstelle. STEYERL folgert, dass Der Untergang Teil des „diskursiven

Mainstream“ (36) sei, der auf allen – also filmästhetischen sowie inhaltlichen – Ebenen keine

Überschreitung des ‚politisch Korrekten‘ darstelle. Inwiefern der Film Geschichte kommentiert undwelcheWirkungdieshervorruft,beurteiltJanWEYAND inseinemBeitrag„Sowares!Zur

KonstruktioneinesnationalenOpfermythosimSpielfilm DerUntergang “.Erbeschreibtdabeivier

Thesen – positive vs. negative Repräsentanten, Authentizität vs. Fiktion, Personalisierung und

problematische Identifikation in der Nachkriegszeit –, die zeigen sollen, ob Regisseur

HIRSCHBIEGEL wirklich sein Ziel erreicht habe und einen „neue[n] Zugang zur Geschichte“

(WESTPHAL )anbiete(WEYAND 4166). Lars QUADFASEL dagegenbetrachtetinseinemAufsatz

„Unmenschen, menschlich gesehen“ die Darstellung der HitlerFigur und erörtert, ob einFilm

diesePersonalsMenschenundnichtalsFührerderDeutschenzeigendarfoderobdadurchnicht

einzueinseitigesBildgezeichnetwerde.Erfolgert,dassderFilmtrotzerkennbarerSchwächendie

AnsprüchedesPublikumserfüllt,denn„jedeZeithatdenHitlerfilm,densieverdient“(114).Die

hieraufgezeigtenBeiträgesindfürdieBearbeitungdervorliegendenArbeitvonInteresse,dasie

denFokusaufdenFilmrichtenundausverschiedenenPerspektivenherausdieTatsache,dasssich

Der Untergang in seiner Darstellung auf einen begrenzten Zeit und Personenkreis beschränkt,

kritischhinterfragen.

InseinerStudie ‚Hitler war’s‘: Die Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit (2005)

hinterfragt Hannes HEER kritisch die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, die seiner

Meinung nach verstärkt „zur harmlosen Eisenbahn, zu einem Arsenal von Stories und

Legenden“(10) verkomme. Der Untergang ist für ihn dafüreinParadebeispiel,beidemerdem

Historiker und Publizisten Joachim C.FEST vorwirft, „maßgeblich für das Löschen aller historische[r] Daten und jeglicher moralische[r] Verantwortung“(25) zu sein. Die Begeisterung,

8 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

diederFilmteilweisebeidernationalenPressehervorrief,betrachtetHEER argwöhnischundsieht imFilmundseinerAkzeptanzeinenweiterenSchrittzur„Normalisierung“,diesich„vomDiktat derFaktenundvomKontextderZeit“emanzipiereunddabeiinKaufnehme,Historiezuver drängen(27).HEER ,der1995dieerste‚Wehrmachtsausstellung‘biszurvorläufigenSchließung wegen der von Wissenschaftlern geübten inhaltlichen Kritik leitete, widerlegt die These, dass

HitlerdieAlleinschuldtreffeunddasVolkvonallemnichtsgewussthabe.Diessuggerierterauch schondurchseinenironischgemeintenTitel‚ Hitlerwar’s‘ ,mitdemerdaraufverweist,dassHitler in der Nachkriegszeit als der alleinige Täter genannt wurde, während die Bevölkerung keine

Mitschuld an den Naziverbrechen trug.Auchdiemediengerechte Aufarbeitung der NSZeit in

FormvonSerien,Dokudramenetc.befremdetHEER ,daerdieGefahrderVerharmlosungund

BanalisierungsowiedasRisikoeinerfürdasPublikumvorgefertigtenMeinungdarinerkennt(10,

2627,16094).

Wilhelm HOFMANN , Anna BAUMERT und Manfred SCHMITT haben mit ihrer Studie

„HeutehabenwirHitlerimKinogesehen:EvaluationderWirkungdesFilms DerUntergang auf

Schüler und Schülerinnen der neunten und zehnten Klasse“ (2005) die Diskussion um Hitler

Filmebereichert.ZwarzeigtdieStudie,dassHitlernachdemAnschauendesFilmspositiverein geschätztwerde,dochschränkensieein,dassdiesnichtalleinaufdemFilmalsUrsacheberuhe,da bspw.auchdieschulischeNachbearbeitungEinflussnehmenkönnte.HOFMANN ,BAUMERT und

SCHMITT folgern,dassFilmeüberHitlernichtnureinenkünstlerischästhetischenNutzenhaben, sondernauchdasGeschichtsbildjungerMenschenmaßgeblichbeeinflussen.

Inseinem Aufsatz „DerUntergang :EinFilminszeniertsichalsQuelle“(2005)betrachtet derHistorikerMichaelWILDT diefilmischeAufarbeitungderletztenTageHitlers.Trotzdiverser

Filmmängelerkennter,„wiemächtigdieBildersprachegewordenistundwienachhaltigsiedas

9 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Gefüge von Fiktion und Realität, von Anschaulichkeit und Erklärung, von Erzählung und

Argumentverschieb[e]“,worinereineBedrohungdertraditionellenGeschichtsschreibungansieht.

Peter REICHEL spricht in seinem Aufsatz „Onkel Hitler und Familie Speer – die NS

Führungprivat“(2005)sogarvoneinemParadigmenwechselinderfilmischenVergangenheits bewältigung:„DasPrivatederprominentenPersonenwirdwichtigeralsderhistorischpolitische

Zusammenhang,indemsieagierten“,waserdurchauskritischsieht,daderZusammenhangzum historischenKontextnichtmehrerkennbarundsomitauchnichtmehrnachvollziehbarsei.

NebendiesenBeiträgen,diesichinvielfältigerundunterschiedlicherWeisedemObjekt

HitlerundseinerRepräsentationin DerUntergang annähern,warenvorallemdieFeuilletonsder deutschsprachigen Presse mit Artikeln, Rezensionen und Interviews mit den Beteiligten gefüllt.

Diese Beiträge helfen, einen ersten Eindruck des Films zu erhalten und sind insbesondere bei neueren Produktionen von Nutzen,dadieseoftmalsnoch nicht ausreichend in der Forschung diskutiertunduntersuchtwurden.SchonbevoreszurUraufführungdesFilmskam,wurdeeine

Debatte in den Feuilletons entfacht, die Themen wie ‚Kollektivschuld‘, ‚HolocaustMahnmal‘,

‚Wehrmachtsausstellung‘ etc. kontrovers diskutierte. Auch der Film Der Untergang spaltete die

öffentlicheMeinungwiedieAuseinandersetzunginprägnantenBeiträgenderTagespressezeigt:

„Wirkungslos“, „verzerrend“, „unzureichend“ und somit „unnötig“ befand die eine Seite den

Film, während von anderer Seite von „Meisterwerk“ und einer „echten Annäherung“ an das

ObjektHitlerdieRedewar.

VorallemRegisseurWimWENDERS ,derschonfrühKritikandieserProduktionübte,be mängelte fragend in der Zeit : „Wessen Sicht transportiert dieser Film?“ Stefan REINECKE

kritisierte,dassderFilmfastnurdasInteresseamprivatenHitlerbefriedige,sichaberkeinesfalls

kritischdazuäußereundbefindetdenFilmsomitalsunbrauchbar.EinenLeitfaden,dereinenfür

denFilmwappne,hieltGustavSEIBT fürsinnvoll.ZudemkritisierteerdasFehlenderallesent

10 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

scheidendenFrageundihreBeantwortung:„Warum[konnte]einesounangenehmePersonwie

Hitler so viel Liebe, Gefolgschaft und bis zuletzt furchtsamen Gehorsam auf sich ziehen?“

(SEIBT ).AuchFilmkritikerGeorgSEEßLEN beanstandete,dassderFilmwederHitleranalysieren noch abstrahieren wolle, sondern es nur um die Erfüllung der Ansprüche der heutigen Kino zuschauergeheundsomitkeinzuhinterfragendesHitlerBilddargestelltwerde.DieBeurteilung desSozialforschersHaraldWELZER fielebenfallsnegativaus:„DieserFilm,machenwireskurz, istsoschlechtwieerideologischist,indemervorgibt,authentischundbewertungsfreierzählenzu können,wasohneKontextualisierungundWertunggarnichtzuerzählenist“.Außerdemseies obszön,denNiedergangdesnationalsozialistischenReichsalsTragödievorzuführen(WELZER ).

Kritisiert wurde in den Feuilletons außerdem, dass der Film zwischen Unterhaltung und Ge schichtsschreibungschwankeundkeineBalancefinde(KNIEBE ;REUTH ).DieterDIEDERICHSEN bezeichnetedenFilmsogarals„HybrideausÜberwältigungsdramaundSekretärinnenperspektive“ undbemängelte,dass DerUntergang nurTVNiveaubiete.

DochdiesenegativeKritikwurdenichtvonallengeteilt. Frank SCHIRRMACHER bspw. erkannte,dass„dieÜberrestedesAdolfHitlerdurchalleGeschichtsnebelunddieWolkender

VergangenheitinunsereZeithinein“reichenund„damitist DerUntergang nichtnureingroßes

Kunstwerk,sonderneinwichtigesDatumunsererVerarbeitungsgeschichte“.AutorundLiteratur kritiker Hellmuth KARASEK fragt, ob Hitler als Mensch gezeigt werden darf. Er gibt zu, dass

Bruno GANZ zwar den unmenschlichen Diktator als Menschen zeige, stellt aber fest: „Eine

Verharmlosungistdasnicht“(KARASEK ).HaraldMARTENSTEIN stimmtzuundbetont:„Esist sogardasGegenteileinerVerharmlosung“.AlleindieErkenntnis,dass„füreinheutigesdeutsches

PublikumvomAnblickeinesälterenMannesmitBürstenschnurrbartkeinerleiVerführungsgefahr mehrausgeh[e]“,seialsErfolgzuwerten(MARTENSTEIN ).

11 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

InsgesamtbetrachtetlöstederFilmkontroverseDebatten aus und Arno FRANK kom

mentiertbissigdie„neuemedialeHitleritis:WieeineGrippewellerolltsiedurchsLand,begleitet

vom Schnupfen reflexhafter Mahnungen und Warnungen auf allen Kanälen. Es ist nicht

auszuhalten.Oderdoch?“HitlerscheintalsodasneuekritischdiskutierteThemaderdeutschen

Gesellschaft zu sein. Doch nicht nur in Deutschland wurde der Film differenziert betrachtet,

sondern auch im Ausland wurde dem Untergang mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. In

Nordamerika rief er Skepsis hervor: „You’re forced toseeHitlerasahumanbeing,albeitthe

weirdestoneyou’veevermet,agentlemanwithhisemployeesandhisdog.Butalunaticfullof

despair, disdain and paranoia, when it comes to managing his military demise“ (THOMSON ).

MichaelWILMINGTON siehtzwarauchMängelimFilm,erkenntabertrotzdemseineLeistungan:

„Downfall ,whateveritsshortcomings,bearsstrongwitnesstogreatevil.Thatisitstriumphasa film“.InsgesamtriefderFilmindenUSAähnlicheKommentarehervorwieinDeutschlandund derFilmrezensentder TheNewYorkTimes stelltefest,dassAdolfHitler

continuestoexertapowerfulfascination:westillwanttounderstandnotjustthe

historical background of German National Socialism, but also the psychological

andtemperamentalforcesthatshapeditsleader.Atthesametime,though,thereis

stillapowerfultabooagainstmakinghimseemtoomuchlikeoneofus.Wewant

togetclose,butnottooclose.(SCOTT )

Die britische Presse reagierte eher zurückhaltend, „obwohl unterschwellig die alten britischen

KlischeesüberHitlerundDeutschlandzuspürensind“,wieGinaTHOMAS anmerkte. Michael

BURLEIGH stelltefest:„ Downfall certainlycontainsonemasterlyperformance,andsomestriking

subWagneriantableaux,butittellsusremarkablylittleabouttheThirdReich“.InFrankreich,so

schriebJohannesWETZEL ,erntetederFilm„etwasBeifallundvielUnbehagen“,docheinigwäre man sich darin, „dass dieser Hitler ‚mit menschlichem Antlitz‘ keine Sympathien weck[e]“.

12 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Bernhard SCHMID dagegen bemerkt, dass sich die französische Kritik mit der Thematik auseinandersetzt,dasssichdie„Deutschen[zunehmend]alsOpfer“sehenundgleichzeitigaber auchihrenPlatzinderWeltordnungsuchen.Insgesamt,sofassteder Tagesspiegel zusammen,waren die Reaktionen der Gazetten im Ausland – genau wie in Deutschland – zwiespältig

(„Bemerkenswert wenig bemerkenswert“). Jörg LAU erkennt jedoch vor allem große Gleich gültigkeit:„IndifferenzistschlimmeralsAblehnungfürdiesenFilm,dermitdemAnspruchdes

TabubruchsdaherkommtunddessenMachervielWirbelumseineGewagtheiterzeugthaben“.

DerForschungsstandunddieAuseinandersetzungin den Feuilletons können mit dem

Zeit Artikel „Eichingers Hitler Film Der Untergang : Wütende Ablehnung und begeisterte

Zustimmung“abgerundetwerden,dereindrucksvolldiezweigegensätzlichenPolederDiskussion zeigt,indemWENDER sAbrechnungundSCHIRRMACHER sLobeinandergegenübergestelltwerden undsomitdasöffentlicheDilemma,dasdieserFilm–nichtnur,aberauch–ausgelösthat,inzwei kurzenaberprägnantenTextausschnittendokumentiert.DieserWiderspruchistesauch,derdie

Arbeit an Der Untergang interessant und eine genauere Untersuchung erforderlich macht: Denn welchesHitlerBildwirdunsgegebenundinwiefernspiegelnsichdarinauchdiegesellschaftlichen

Umstände wider, in denen er entstanden ist? Trifft etwa QUADFASELS Aussage zu, dass jede

GesellschaftdieHitlerDarstellungbekomme,diesieauchwolle?Esistdemnachauchzuklären, ob der Film die schon gesellschaftlich vorgegebene HitlerWahrnehmung ins Medium Film

übertrageoderobdieseerstdurchdenFilmgeprägtwird.

2.2 Filmwissenschaftliche Aspekte und Analyse

Kino,Rundfunk,Internetetc.sindausunsererheutigenmedialenGesellschaftnichtmehr wegzudenken und gelten als fundamentaler Teil der Informationsbeschaffung. Film und Fern sehensind„gesellschaftlichePhänomene,dieinvielfältigerWeiseeingebettetsindinunsereKultur

13 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

und auch umgekehrt unsere Kultur und Gesellschaftentscheidend prägen“ (BORSTNAR , PABST

undWULFF 11).BesondersderKinofilmerfülltdabeioftmalsgeheimeWünscheundSehnsüchte,

zeigtBilderderZukunftgenausowievonderVergangenheitunderzähltwahrealsaucherfundene

Geschichten. Gleichzeitig spiegelt sich in filmischen Produkten auch unsere Gegenwart wider.

Filme sind als Arbeiten eines Kollektivs zu betrachten, deren Ziel es ist, eine Kommunikation

zwischen Produzent und Rezipient zu erzeugen. Durch Ver und Bearbeitung des filmischen

RohmaterialszeigtderfertigeFilmimmernureineausgewählteAuswahleinesgrößerenStoffs.All

dies impliziert schon, dass ‚mehr‘ hinter Filmproduktionen steckt, als wahrscheinlich auf den

ersten Blick erscheinen mag. Obwohl eine Lesart, das so genannte ‚preferred reading‘, meist

vorgegebenwird,isteinFilm–wieLiteratur–dochimmervielschichtigundkannaufmehreren

Ebenen untersucht und interpretiert werden. Siegfried KRACAUER unterstreicht zudem den

sozialenWertvonFilmenundfragt:„Wasvermittelter[derFilm,S.K.]denPublikumsmassenund

inwelchemSinnebeeinflußtersie?“(Kino 10).

ImFolgendenwirddasMediumFilmkurzumrissen,um ein klar organisiertes Instru

mentariumfürdiespätereUntersuchungdesForschungsgegenstands DerUntergang zuerarbeiten.

Danachwirdaufgezeigt,wieeinefilmischeAnalysefunktioniertundwassieerreichenwill,wobei

auchaufdieProblematikvonGeschichteimFilmeingegangenwird.

2.2.1 Das Medium Film

Der Begriff Medium bezeichnet ein spezifisches System der Informations und

Zeichenverarbeitung, das über eigene spezifische „Bedingungen und Normen der Produktion,

Vermittlung, Verbreitung (Distribution), Rezeption und Verarbeitung bzw. Weiterverarbeitung

seiner Inhalte“ verfügt (BORSTNAR , PABST und WULFF 11). Der Terminus Film hat mehrere

Bedeutungen und besagt in filmwissenschaftlicher Hinsicht: (1) technischphysikalischer Ober

14 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

begriff für Materialien, die durch Belichtung verändert werden können; (2) Bezeichnung des einzelnenFilms(engl./frz. film )und(3)OberbegrifffürdasgesamteLichtspielwesenbzw.die

Filmkunst(engl.cinema,movies;frz.cinéma)( LexikonderFilmbegriffe ).

DasMediumFilm wird dabei nach BORSTNAR , PABST und WULFF zudem durch sein

Zeichensystembzw.seineInformationsvermittlunggekennzeichnet.DerFilmistaufgrundseiner

‚geordneten Menge von Zeichen‘ in unser Kultursystem eingebettet, in dem verschiedene

Zeichensysteme bzw. Texte verwendet und ausgetauscht werden. Das letzte Charakteristikum beschreibt,dassdasMediumFilm,sobaldesrezipiertwird,sowohlaneinerKulturgeschichtedes

Films,anderEntwicklungderGesellschaftalsauchangrundlegendensymbolischenOrdnungen derWeltteilnimmtund„alsein‚geistigesKommunikat‘“existiert(12).DieBesonderheitdieses

Bildmediums ist dabei die Fähigkeit, „außerfilmische Zeichensysteme zu repräsentieren“ (12).

Knut HICKETHIER schreibt, dass audiovisuelle Medien „populäre Vermittler im Prozeß gesellschaftlicherSelbstverständigung[seien]:SievermittelndenIndividuennichtnurWissenüber

Welt,sonderngebenauchOrientierungfürdasindividuellewiekollektiveVerhalteninihrund ermöglichendamiteineSinnstiftungfürdasLeben“(93).DochnichtnurdieFilmspracheundder sozialeKontexteinesFilmsmüssenbetrachtetwerden,sondernauchdasMediumansich. 1Pierre

SORLIN bestätigtdies:„Afictionalfilmisitsownevent“(9).

GeschichtlichgesehenistdasMediumFilmeinvergleichsweisejungesMedium.Inihm verknüpften sich Ende des 19.Jahrhunderts verschiedene Vorläufermedien, die sich neu bün delten:DabeiübernahmdasMediumdieszenischeInszenierungdesTheaters,dasFesthaltender sichtbarenWirklichkeitdurchdieFotografieunddasErzählenfiktionalerGeschichtendesNar

1OderwieauchschonMCLUHAN konstituierte:„Themediumisthemessage.“Vergleichehierzugenauer:Marshall MCLUHAN . UnderstandingMedia:ExtensionsofMan .

15 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

ratorsunderschufsomiteineneue‚Welt‘,diedurch‚bewegteBilder‘ 2imstandewar,eine‚Film

Realität‘ anzubieten, die von der Wirklichkeit fast nicht mehr zu unterscheiden ist. Der gesell

schaftlicheWandelzueineranonymisiertenMassengesellschaftsowiedasHinzukommendesTons

inden1920erJahrenmarkiertenschließlichdieentscheidendenSchrittezummassenwirksamen

Mediumbzw.Unterhaltungsprogramm(BORSTNAR ,PABST undWULFF 19394).

SeitdenAnfängendesMediumsFilmspieltderökonomischeFaktoreinewichtigeRolle und durchdringt seine Entwicklung. Die schnell entstehende Filmindustrie verfolgt dabei ihre eigenenZieleundInteressen,womitsienatürlichoftmalsinOppositionzumFilmregisseur,der eigeneAbsichtenundAnsprücheanseineFilmproduktionerhebt,steht.DieDebatteKunstvs.

Kommerz prägt somit seit den Anfängen desMediumsdieFilmemacher:Sosehrsieauchein

ästhetischesKunstwerkproduzierenwollen,dasihrenAnsprüchengerechtwird,sosehrsindsie dochauchauffinanzielleUnterstützungangewiesen,dieaberoftmalsmitEinschränkungender künstlerischen Freiheit einhergeht. Gerade Filme, die sich mit historischen Aspekten befassen, stehen meist vor beinahe unüberwindbaren Hürden, die solche Projekte schwer realisierbar machen.GeschichtehatzwareinenAnfang,dochnichtunbedingteingreifbaresEnde,wodurch eineSchwierigkeitdarinbesteht,siefilmischaufzubereiten.MedialeProduktesindanihreeigenen

Regelngebunden:FilmewollenGeschichteineinerStory‚verpacken‘bzw.erzählenundtundies im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Filmemacher sind zudem an Zeit und Geldlimits seitens der

GeldgebergebundenundwollendenErwartungendesPublikumsentsprechen,kurzum:Esistein

Balanceakt zwischen Anspruch und Unterhaltung, weshalb bei der Betrachtung von Film produktionen dieser entscheidende Faktor mit einbezogen und sein Einfluss nicht unterschätzt

werdensollte.

2DaherderBegriff‚MotionPictures‘.DasseinFilmnichtalsAbfolgeeinzelnerBilderwahrgenommenwird,hängt mitdemEffektder‚TrägheitdesAuges‘zusammen.24BilderproSekundemacheneineBewegungrealistisch.

16 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

2.2.2 Filmanalyse als Methode

Das Medium Film kann aufgrund seiner Vielschichtigkeit unter verschiedenen

Fragestellungenuntersuchtwerden.DerMedienwissenschaftler Werner FAULSTICH differenziert dabei zwei Typen: die Medien und Produktanalyse ( Grundkurs Filmanalyse 9). Während die

ProduktanalysenureineneinzelnenFilmalsUntersuchungsgegenstandhat,umfasstdieMedien analyse verschiedene Bereiche: Neben einzelnen Filmen gehören dazu die Filmästhetik, Film geschichte,Filmförderungetc.(FAULSTICH ,GrundkursFilmanalyse 910).Hierbeiwerdenalsostatt desProduktsselbstdieProduktion,DistributionundRezeptionfokussiert.Indervorliegenden

ArbeitwirddieFilmanalysealsProduktanalysedeseinzelnenFilmsbetrachtet,wobeiaberdiePro duktion und Rezeption nicht ganz ausgeklammert werden dürfen. Filme sind nämlich kein

Individualwerk, da verschiedene Beteiligte zusammengebracht werden, die innerhalb einer bestimmtenZeiteinen‚Filmstreifen‘produzieren:„Themotionpictureisboththecauseandthe result,ithasnoreferent“(SORLIN 9).

Filme bestehen aus mehreren Bausteinen, die alle im Kontext des „gesellschaftlichen

Hintergrund[s],indemundfürdenderkonkreteFilmproduziertwordenist“,gesehenwerden müssen (BORSTNAR , PABST und WULFF 15). Die verschiedenen Prinzipien, die einen Film ge stalten,sindvielfältigundnurschwerineinSystemzupressen.VerstehtmanaberFilmalsein eigenes Zeichensystem,dannmusseseine‚Sprache‘ geben, deren Zeichen und Verknüpfungs regelnentschlüsseltwerdenkönnen(BORSTNAR ,PABST undWULFF 15).ZeichendesFilmssind bspw. die visuellen und akustischen Elemente, die vom Zuschauer subjektiv und ohne großen

Vorkenntnisse–andersalsbspw.beimMediumSchrift–entziffertwerdenkönnen.Entscheidend ist aber die Möglichkeit, innerhalb des Films neue Arrangements von schon bekanntem und bedeutungsvollemMaterialzuvollziehenunddenWegfürnochunbekannteVerknüpfungsund

Deutungsmöglichkeitenzuebnen(BORSTNAR ,PABST undWULFF 1617).

17 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Filme,diesichimmeraneinPublikumwendenundaufgrunddessenaucherstproduziert

werden,sindnichtnurausökonomischerSichtfürdieFilmindustrievonBedeutung,sondernauch aus rezeptionsästhetischer Sicht. Durch die Bereitstellung eines durch Zeichen codierten Films

wird nämlich der Zuschauer gefordert und soll ‚interpretieren‘, denn: „Ein Film besteht im

GrundeerstimBewusstseinseinerRezipienten,d.h.dieRezipientennehmendenFilmineiner spezifischen Weise wahr und leisten aktiv eine bedeutungsgenerierende Arbeit während der

Rezeption“(BORSTNAR ,PABST undWULFF 18).DieLeistungdesZuschauersistalso,auchwenn

esoftmalsnichtsoscheint,aktivunderistfähig,die‚Sprache‘desFilmszumindestsubjektivzu

entschlüsselnunddemGeseheneneinenSinnzugeben.

DieFunktiondesFilmserschließtsichimZusammenspiel von Inhalt (Handlung) und

Form(‚Sprache‘)desGezeigten,dievomZuschauer‚gelesen‘werdenmuss:„DerSpielfilmistein

Kommunikationsprozeß,beidemidealtypischProduzent(Regisseur)undRezipient(Zuschauer)

miteinander in Verbindung treten und durch das jeweilige Werk ästhetische Erfahrungen ver

mittelt bzw. konstituiert werden“ (FAULSTICH , Grundkurs Filmanalyse 17). Filme, die sich mit

Geschichtebefassen,sinddabeivoneinerInterpretationnichtausgeschlossen,obwohlgeradeHis torikerdemMediumFilmundseinenRepräsentationsmöglichkeitenkritischgegenüberstehenund es als große Herausforderung ansehen (WOLFRUM ). Judith DONESON aber erklärt, dass

GeschichteindenFormendargebotenwerdenmüsse,diederRezipientfordereundannehme,

weshalb sich auch die Geschichtswissenschaft nicht vor dem Medium Film verschließen dürfe

(71).

DerFilmalsZeichensystembestehtausBildernundaufgrundderTatsache,dassunsere heutigeKulturstarkvisuellgeprägtist,istdiesaucheinFaktorfürdenErfolgdiesesBildmediums.

BORSTNAR , PABST und WULFF konstatieren: „Bildern haftet dabei der Anschein universeller

VerstehbarkeitundEindeutigkeitan“(85).ImFilmwerdeneinzelneBilderaneinandergereihtund

18 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

vermittelnsomitein‚direktesAbbild‘derWelt,dasverstandenwirdundkeinerweiterenErklärung bedarf.BilderkönnenaufunterschiedlicheArtundWeisearrangiertwerdenundgebendemFilm somit‚seine‘eigenebildlicheStruktur,dieentscheidenddieWirkungdesGesehenenbeeinflussen kann. Entscheidende AspektebeiderAnalysedesvisuellen Bereichs sind Bildinhalt (Was wird gezeigt und was nicht?), Bild und Motiv (Bildformat, Einstellungsgröße, Kameraperspektive, objektiv,bewegung),Bildaufbauundgestaltung(‚MiseenScène‘)sowieBildträger(technische

EigenschaftendesFilms),dievomRegisseurbewusstgewähltwerden.BesondersderAspektdes

ZeigensundNichtzeigensistdabeihervorzuheben:WarumwerdenbestimmteSachverhaltenicht abgebildetoderfilmischverarbeitet?HICKETHIER stellthierzufest:„Entscheidendistnichtnur, wieFilmundFernsehenetwaszeigen,sondernauchwassieausklammernundnichtzeigenund damit als bedeutungslos fürdiegesellschaftlicheAuseinandersetzung erklären“ (17). Der Status von Fernsehen und Film als gesellschaftliche Phänomene erlaubt somit, Wertungen zu treffen, wodurchesauchschonzumVorwurfkam,Medienwürdenmanipulieren.DieBildhaftigkeitund diedemFilmbildunterstelltenWirkungsmöglichkeitenhabendeshalbschonfrühzueinerstaat lichenKontrolle(bspw.Zensur)geführt:„GegenüberdemWorterzeugtdasBild,besondersdas bewegteBild,einestarkeSuggestionskraft“(HICKETHIER 15).

NebendemBildistesvorallemderTon,derdemPublikumdasGefühlder‚Realität‘ vermittelt.NichtnurDialogeundGespräche,diedieHandlungentscheidendvorantreiben,sind bedeutend, sondern mit auditiven Elementen kann das visuelle Zeichensystem ergänzt und im

Idealfallzueinem„Gesamtkunstwerk“verschmelzen(BORSTNAR ,PABST undWULFF 123).Tonale

ElementeerweiterndieWirkungfürdasPublikumundkönnengenauwieeinBildleitmotivisch wirken. Der Ton kann in Sprache, Geräusche und Musik unterteilt werden, die jeweils eigene spezifischeWirkungenverursachen,jenachdemwiesieeingesetztwerden.SpezielleAufmerksam

19 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

keitverdientdieBildTonRelation,dieaufgrundihreranalogenoderkonträrenGestaltunginden

FokusdesInteressesrückenkann.

Diese Zeichenhaftigkeit des Films, die den Untersuchungsgegenstand der Semiotik darstellt, ist immer auch problematisch. Zeichen sind kulturell bestimmt und stark vom Vor

verständnisderanderKommunikationbeteiligtenPersonenabhängig:Kanndie‚Sprache‘bzw. der‚Code‘,dervomFilmemachervorgegebenwird,auchvomRezipientenverstandenwerden?

Dabeiistanzumerken,dassderSchein,Bilderseienallgemeinverständlich,widerlegbarist,denn auchsiebildeneinZeichensystem,dasnachbestimmtenMusternorganisiertwerdenkannund dessenVerständniskulturellgeprägtist(BORSTNAR , PABST und WULFF 85). FAULSTICH erklärt:

„DasProblemderFilmspracheistalsodasProblemdesFilmcodes;einFilmwirdindemMaße

verstanden, in dem sich der gemeinsame Zeichenvorrat von Filmemacher und Betrachter

vergrößert“(EinführungFilmanalyse 25).Filmedürfenalsonichtisoliertbetrachtetwerden,sondern

stehenimmerineinemKontextzuihrerEntstehungszeitundihrerGesellschaft.Dabeirekurriert

VergangenheitimFilmstetszurGegenwart:„WirklichkeitundGeschichte–alleswirdineiner magischenAnwesenheit,demPräsenzzeitloserErzählungbeschworen“(WENZEL 438).Lawrence

BARON stelltfest,dass„moviesarenotsimplyaformofmassentertainmentbutexpressionsofa particular mindset, place, and era in history. They do not merely reenact the event they are depicting;theyalterittorenderitrelevanttotheaudiences“(viii).

DesWeiterenistderAspektdes‚PointofView‘(POV) bei der Filmanalyse von Be deutung.DerPOVbezeichnet„denUmfangderInformationsvergabeimFilminHinblickaufden

Rezipienten“ (B ORSTNAR ,PABST undWULFF 165)undorganisiertsomitsowohldessenQuantität als auch Qualität: Der „Film verteilt also [einerseits] seine Informationen auf die filminternen

Figuren sowie auf die filmexternen Rezipienten und steuert damit unsere kognitive

Wahrnehmung“ und andererseits kann das Filmgeschehen auch durch die Identifizierung „mit

20 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

einer figürlichen Perspektive“ wahrgenommen werden (BORSTNAR , PABST und WULFF 16566).

Die narrative Informationsvergabe kann dabei uneingeschränkt, heterogen flukturierend oder eingeschränktsein,währendderoptischePOVinrelativobjektiv,wahrnehmungssubjektivoder emotionalsubjektivunterschiedenwerdenkann(BORSTNAR ,PABST undWULFF 16874).Dieser

AspektwirdbeiderAnalyseausführlichbetrachtet,dageradebeiderDarstellungeinerFigurwie

AdolfHitlerdiePerspektive,dieihmgegenübereingenommenundvermitteltwird,entscheidend dieRezeptionbeeinflussenkann.

FilmewerdenabernatürlichnichtnurdurchdieArtundWeisederVermittlunganalysier bar,sondernauchüberihrenInhalt.WichtigisthierbeidieUnterscheidunginfiktiveundnon fiktive Filme, die Aufschluss über den Wirklichkeitsbezug gibt. Normalerweise kann der Zu schauernurschwerohneVorwissenüberdieFiktionalitäteinesihmvorgesetztenProduktsent scheiden,durchVorannahmenundKontextualisierungkanndieseProblematikjedochaufgelöst werden (BORSTNAR , PABST und WULFF 29). Entscheidend ist aber die Feststellung, dass „im

Grunde genommen ... jede mediale Rekonstruktion der Wirklichkeit, der Realität, eine Fiktion bleiben“ müsse (BORSTNAR , PABST und WULFF 33). Im Hinblick auf den in dieser Arbeit zu untersuchenden Film Der Untergang ist festzuhalten, dass dieser die historischen Figuren und

Ereignisse der letzten Tage im Führerbunker abbildet und somit eine ‚reale‘ Situation rekonstruiert.Rekonstruktiondeshalb,weildieFigurenvonSchauspielernverkörpertundauchdie

Plätze,diegezeigtwerden,nachgebauteKulissensind.GeradedeshalbsindFilme,dievergangene

Geschehenzeigen,mitbesondererSorgfaltzugestalten,dasieeinWirklichkeitsbildanbieten,das sichindenKöpfenderZuschauermanifestierenkann:Bildersagenmehralsdasgeschriebene

Wortundwirken‚echter‘,womitdieProblematikvonGeschichteimFilmaufgezeigtwird:„Bilder, unauslöschlichfixiertaufZelluloid,inArchivengespeichertundtausendfachreproduziert,lassen die Vergangenheit nicht gehen; sie haben den Platz eingenommen, den früher Erfahrung,

21 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Erinnerung und Vergessen innehatten“ (KAES 5). Bilder werden als ‚Realität‘ angesehen und

beeinflussendieErinnerungderMenschen,wasdurchauskritischgesehenwerdenmuss:Während

Historiker die Vergangenheit früherer Kulturen und Ereignisse erhellen wollen und dies durch

Analyse von Dokumenten und Quellen erreichen, sind filmische Produkte am Erzählen einer

historischen Geschichte interessiert, die eher filmästhetischen als geschichtlichen Ansprüchen

genügen will. Vor allem die Frage, ob mediale Produkte, die die Vergangenheit abbilden,

trivialisierenoderAufklärungbieten,stehtdeshalbseiteinigerZeitimMittelpunktdesInteresses

vonHistorikern.

SpielfilmesindanihrenkünstlerischenRahmengebunden:Sieerzählenetwasundweisen einenPlotauf,dersichausAufbau,KlimaxundSchlusszusammensetztundeinenSpannungs bogenaufweist,dersichamEndeauflöst.„ErzählenisteineModellbildungvonWeltundhat zumeistdieFunktionderUnterhaltungimweitestenSinne“,wasimpliziert,dasssowohlMarktals auch Zuschauerbedürfnisse erfüllt werden sollen (BORSTNAR , PABST und WULFF 36). Nach

HICKETHIER liegtdieBesonderheitdesAudiovisuellendarin,„daßesdurchdieinzwischenschon scheinbarselbstverständlichetechnischeVerbindungvonBildundTondieBildererzählbarmacht unddamitzugleichdasErzählenvisualisiert“(25).DieserAspektisteinschwierigerSachverhalt,

wenn historische Ereignisse verfilmt werden: Filme haben immer Schwierigkeiten, historische

Ereignisseexaktwiderzugeben.KRACAUER stellteschondiesbezüglich1940fest:„EinGeschöpf derGegenwart,dringtderFilmalsFremdlingindieVergangenheitein;esbleibtihmversagt,ihr

Dasein...mitseinenbesonderenMittelnvollkommenzubewältigen“(Kino44).

Wissenschaftliche Filmanalyse bedeutet, dassderInhalt eines Films nicht nacherzählt, sondern der Erkenntniserweiterungdienensoll(FAULSTICH , Einführung Filmanalyse 38). Hilfreich bei der wissenschaftlichen Untersuchung eines Films – auf inhaltlicher, bildlicher und tonaler

Ebene – ist die Anfertigung und Verwendung eines Filmprotokolls (BORSTNAR , PABST und

22 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

WULFF 13132;F AULSTICH , EinführungFilmanalyse 4445).TrotzdesdamitverbundenenAufwands könnenwissenschaftlicheUntersuchungennichtkomplettaufdieAnfertigungsolcherProtokolle verzichten, um zumindest bei Schlüsselszenen eine exakte Analysebasis zu gewährleisten. Zur

Reduktion des Arbeitsaufwands kann aber auch auf Film und Drehbücher zurückgegriffen werden,diezumindestteilweiseErsatzdarstellen.AlsunerlässlichbeiderFilmanalysegiltaberlaut

FAULSTICH dasSequenzprotokoll,welchesdenFilminsinnvolleHandlungseinheitenaufteilt,die thematisch,zeitlich,inhaltlichetc.aneinandergekoppeltsindundeinenschnellenÜberblicküber denFilmermöglichen(7374).DabeikanneinsolchesProtokollaberverschiedenausfallen,dadie

FestlegungsolcherSequenzenimmersubjektivgeprägtist(FAULSTICH , Grundkurs 74).

DieFilmanalysebeschäftigtsichalsomiteinemMassenkommunikationsprozess,dereinen

ProduzentenundRezipientenbenötigt.InnerhalbdieserbeidenInstanzenkommtesimIdealfall zu einer verstehbaren Kommunikation, die anhand des Vorverständnisses entschlüsselt werden kann.FilmkommunikationerfülltsomitdieAufgabederVerknüpfunggesellschaftlicherundindi vidueller Prozesse (FAULSTICH , Einführung Filmanalyse 19). Die Aufgabe der Filmanalyse besteht darin, die verschiedenen Ebenen des Films aufzudecken, wissenschaftlich fundiert zu erläutern und anhand von Beispielen zu belegen. Die Analyse eines Films ist dabei „nicht überzeitlich, sondernimmerzeitgebunden“,weshalbsieauchwiederholtundihreErgebnisseerneuertwerden können (HICKETHIER 2829). Zudem impliziert die Produktion durch ein Kollektiv, dass ver schiedene Meinungen in einem Konsens zusammengefasst und transportiert werden und somit keinewillkürlicheHandhabungdarstellen(KRACAUER , VonCaligari 11).

Geschichte im Film ist dabei ein Spezialfall und es existieren laut WOLFRUM drei problematischeKategorien:UnterschiedlicheHerangehensweisevonHistorikern(klareundinfor mative Fakten) und Filmemachern (erzählte und visualisierte Fakten): „In media products for popular consumption morerelianceondescription,narrative, story, and image is unavoidable”

23 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

(BARTA ,„ConsumingtheHolocaust“168).DesWeiterenbestehtdasProblem,dassFilmemehr aufEreignissealsaufStrukturenfokussierenundzudemdenZuschauernIdentifikationsfiguren anbieten(WOLFRUM ).RobertundCarolREIMER hebenhervor,dassdiesgeradebeiFilmendie

sichmitderNSVergangenheitbeschäftigen,problematischwerdenkönne:„Ifthecharactersare

shownaspartoftheThirdReich,thenthefilmaskstheaudiencetoidentifywithsupportersof

theNazis,clearlyanunacceptableprospectformostviewers“( NaziretroFilm 3).Zudemistdurch dierestriktivenfilmischenVorgabenunvermeidbar,dasshistorischeFilmstoffereduziertunddie

SpannungmitHilfedramaturgischerMittelerhöhtwird (WOLFRUM ).AlldieseAspektewerden auch in Der Untergang zu untersuchen sein, da dieser Film derProblematik gegenübersteht, die letztenTagedesDrittenReichsausSichtderVerbrecher zu thematisierenundimbesonderen dabeiAdolfHitlerabzubildenundinsZentrumzustellen.

2.3 Das Hitler-Bild in seiner Zeit und im filmhistorischen Kontext

Adolf Hitler und sein Abbild scheinen auch in unserer heutigen Gesellschaft noch

gegenwärtigzusein:„Hitler,theevilincarnate–asmanystillseehim–willnotdisappearfrom

memory for a long while ... and the bizarre story of his life will fascinate generations to

come“(BERGHAHN und HERMAND 7).EbensowiedasKonterfeiHitlerswerdenaberauch die

Bilder, Zeichen und Symbole des Nationalsozialismus erkannt und zeugen weiterhin von den

SchreckenderVergangenheit.DochwarumsinddieseBildernochimmersotiefinunseremBe

wusstsein verankert? Unsere Gesellschaft ist stark durch visuelle Reize geprägt und gerade die

ErinnerungdesDrittenReichsistdurchseineSelbstdarstellung,bspw.inszeniertvonderRegis seurinLeniRIEFENSTAHL oderdemFotografenHeinrichHOFFMANN ,entscheidendgeformt.

REICHEL schreibt,dass„auchdiezweiteGeschichte...desNationalsozialismusvorallem

einederBilder“sei(„OnkelHitler“),wobeizuunsererVorstellungderdamaligenZeitsowohldie

24 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

großen Aufklärungswerke, bspw. Claude LANZMANN s Shoah (1985), als auch semifiktionale

Filmerzählungen,bspw.StevenSPIELBERGs Schindler’sList oderRobertoBENIGNI s Lavitaèbella , beitragen. Auffällig ist dabei, dass der Film, da er ein gesellschaftsrelevantes Medium darstellt, nicht nur Vergangenheit abbildet, sondern immer auch gleichzeitig die Gegenwart mit ein zubeziehen scheint. „Filmbilder, die an die Greuel der nationalsozialistischen Vergangenheit erinnern, können als ‚Mittler‘ zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Gestern und

Heute und zwischen Heute und Morgen ... einer soziokulturellen Gemeinschaft bezeichnet werden“(WENDE 910).

Doch welche Bilder werden uns durch die medialen – insbesondere die filmischen –

ProduktevermitteltundinwieferntragensiezurKonstruktionHitlersbei?WelcheRollehabenin diesemZusammenhanggesellschaftspolitischrelevanteUmständeundwelchenEinflussnehmen sie auf Medienprodukte? Zur Beantwortung dieser Fragen wird im Folgenden zunächst kurz

Hitlers Selbstdarstellung aufgezeigt, bevor ein filmhistorischer Abriss über relevante Hitler

Darstellungengegebenwird,dergesellschaftlicheAspektemiteinbezieht.

2.3.1 Adolf Hitler als Führer – Selbstdarstellung und Widerstandsbild

DieNationalsozialistenübernahmenmitAdolfHitleranderSpitzeam30.Januar1933die

Macht.DadurchfandnichtnureinefolgenreichepolitischeUmwälzungstatt,sondernauchandere

LebensbereichewieGesellschaft,Kultur,Wirtschaft,Sportetc.warendavonbetroffen.Vorallem derkulturelleBereichistdabeivonbesonderemBelang,dazuBeginndes20.Jahrhundertsdie

Schwelle zum Medienzeitalter überschritten und sowohl Rundfunk als auch Film zu

Massenmedienwurden.REICHEL schreibt,dassder„WesenskerndesNationalsozialismus“inder hohen„BedeutungderÄsthetisierungderPolitik“stand,ohnediederlanganhaltendeErfolgund

Zuspruch für die nationalsozialistische Führung nicht verstehbar sei („Onkel Hitler“). Dies

25 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

konstatiertauchMichael TÖTEBERG :„DieBilderweltdesnationalsozialistischenStaateswareine

ästhetischeInszenierung,...auchdiescheinbar‚privaten‘AufnahmenimAlltag“(405).

DasNSRegimeverstandes,sichundseineIdeologiemitHilfevonPropagandagekonnt inSzenezusetzenundeineAllgegenwärtigkeitzuentfalten,derermansichnurschwerentziehen konnte.VorallemAdolfHitler,derFührer,war‚das‘ObjektderdamaligenZeit,wiedievielen

Fotografien,Filmeetc.belegen.AuchheuteistseinedamaligeOmnipräsenznochimmerspürbar:

„Yet,Hitlerremainsuniqueandunforgettable,almostmythic,anarchetypeofmankind’sinfamy“

(MITCHELL 1).DochwelchesBildHitlerswurdevomNSRegimeaufgebautundvorallemwie?

Ian KERSHAW nenntinseinerSchlussfolgerungvon The‚HitlerMyth‘ (1987)siebensigni fikante Gründe, die die öffentliche Rezeption Hitlers, unter anderem inszeniert durch Reichs propagandaministerJosephGoebbels,beeinflusstenunddieschierunermesslicheBegeisterungfür

Hitler und seine Ideen im Volk festigten: (1)Hitler wurde als Personifikation der deutschen

Nation betrachtet. (2)Der Führer wurde als Verantwortlicher des Wirtschaftswunders in den

1930er Jahren gesehen, der das Elend der Weimarer Republik (Massenarbeitslosigkeit, armut) beendete. (3)Er repräsentierte eine ‚neue Ordnung‘. (4)Außerdem wurde Hitler in „matters affectingestablishedtraditionsandinstitutionsas‚moderate‘opposedtotheradicalandextreme elementsintheNazimovement“gesehen,derabertrotzdemauchvieleDinge‚imDunkeln‘beließ

(253). KERSHAW schreibtaußerdem,dass(5)HitleralsVerteidiger der deutschen Rechte sowie

Ansprüche gegenüber dem Ausland auftrat und somit die Stärke Deutschlands demonstrierte.

(6)ZuBeginndesKriegswarderFührerderInbegriffdesvomErfolgverwöhntenKriegsherrn,

derselbstnachVerschlechterungderKriegslageunerschütterlichaneinenSiegglaubteunddies

auchvermittelte.Schließlich,soKERSHAW weiter,(7)transportiertedasBilddesstarkenFührers

HitlerperfektdenGegenpolzudenideologischenFeinden(BolschewismusundJudentum).Diese

von den Nationalsozialisten kreierte Vorstellung Hitlers ist zwar ein Produkt der Propaganda,

26 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

wirkteabertrotzdemweiterundkannalseinFaktorfürdenErfolgderNationalsozialistischen

DeutschenArbeiterpartei(NSDAP)gesehenwerden.

Das HitlerBild wurde vor allem auch durch die Fotografien HOFFMANN s(18851957) entscheidendgeprägt.VonBeginnanwurdedaraufgeachtet,dassdieBilder„wereatbeststeps

‚toward‘aführerimage“(SCHMÖLDERS , Hitler’sFace 70),umseinenStatusalssolcherzufestigen.

HitlerswachsendePopularitätwurdemitFotos,dieihnvoreinemMassenpublikumzeigen,visuell umgesetzt.Um„dieIdentifikationderBevölkerungmitHitlerzumaximieren“undkeineinseitiges

Bildzukreieren,wurdeereinerseitsalspolitischerFührer(Redner,Staatsmann)undandererseits als Privatperson (Hundeliebhaber, Kinderfreund) abgebildet (KAUSCH ). Mit Beginn und Fort schreitendesKriegsdrängteHitlerabervermehrtdarauf,nichtihn,sondernSoldatenabzubilden, um die Truppen zu stärken und ein Gemeinschaftsgefühl aufzubauen (SCHMÖLDERS , Hitler’s

Face 164). Damit wollte er zudem vermeiden, dass sein physischer Verfall –von Zeitgenossen eindeutig als Parkinsonsche Krankheit eingestuft – dokumentiert und gezeigt wurde

(SCHMÖLDERS , Hitler’sFace 16667,17779).

Die Filmpropaganda dagegen ist vor allem mit dem Namen der jungen RIEFENSTAHL

(19022003)verbunden,diedasBilddesNSRegimesentscheidendprägte.RIEFENSTAHL verstand es,dieNSDAPundihrenFührer„intoahithertounknownaestheticandatmosphericdimension“

(SCHMÖLDERS ,Hitler’sFace 120)einzubetten,dieihreFilmebisheute–zumindestintechnischer und ästhetischer Hinsicht – auszeichnen. Besonders ihre Parteitagsdokumentation Triumph des

Willens (1934)sowiedieDarstellungderOlympischenSommerspiele1936inBerlinmit Festder

Völker und FestderSchönheit (beide1938)brachtenihrinternationaleAnerkennungein.Auchnach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden RIEFENSTAHL s Filme weiterhin reproduziert und könnensomitauchheutenochalsFaktorfürunserenheutigenEindruckderPersonAdolfHitler gesehen werden. Insbesondere Triumph des Willens zeigt ein Bild Hitlers, das fast schon der

27 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Verehrung eines Heiligen ähnelt und welches dann auch innerhalb nationalsozialistischen

Propagandaverwendetwurde.

Die Zensur durch das NSRegime und die Idealisierung Hitlers riefen natürlich auch

Widersprüche hervor und insbesondere mit dem sich zunehmend abzeichnenden Verlust des

KriegswurdendieAntiHitlerKampagnenzahlreicher.SatirischaufgeladenePropaganda,diesich gegenHitlerundseineGenossenwandte,begannschoninden1920ernundstiegproportional zum Wahlerfolg der NSDAP an (SCHMÖLDERS , Hitler’s Face 143). Karikaturen und Comics in einigenwenigenZeitungenstelltenjedochauchHitlersowieseineParteiinFrageundauchim

Ausland formierte sich der Protest, dessen bekanntestes Beispiel sicherlich Charlie CHAPLIN s

Filmsatire TheGreatDictator (1940;dt: DergroßeDiktator )ist.DochüberwiegendwurdedieGefahr, die von Hitler ausging, verharmlost und SCHMÖLDERS schreibt: „Unmasking by ridiculing was

insufficient“( Hitler’sFace 147).InsgesamtwareinfachdasUngleichgewichtzwischenBefürwortern

undGegnernHitlerszugroß,alsdasseinewirklicheGefahrfürdasNSRegimeausging:„Andof

course,therewasafargreaternumberof‚positive‘imagesofthedictatorincurrencythanof

alarmingones“(SCHMÖLDERS , Hitler’sFace 164).

WährendderNSHerrschaftkonntesomitdieFassadedesunbesiegbarenFührersbiszu

HitlersTodunddemEndedesZweitenWeltkriegsinderÖffentlichkeitaufrechterhaltenwerden.

Auch die Verbrechen, die unter seiner Führung begangen wurden, setzten große Teile der

deutschenBevölkerung–bewusstund/oderunbewusst–inkeinerleiVerbindungmitihmoder

anderen Größen des NSRegimes: „The physiognomy of the regime, its ‚true face‘, the

photographsofunspeakableterrorandthisterroritselfbecamevisibleforGermansonlyafterthe

openingandliberationofalltheconcentrationcampsandlaborcamps“(SCHMÖLDERS , Hitler’s

Face 181).ClaudiaSCHMÖLDERS schreibt,dassdasvondenNaziskonstruierteHitlerBildbisindie

GegenwartreichtundsomiteineBrückezwischenderVergangenheitundderGegenwartschlägt:

28 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

„In fact it is the basis of all political representation, because presence is the precondition of represence“(„TheFace“17).

2.3.2 Adolf Hitler als Filmfigur – Ein Überblick

DerdeutscheFilm–undmitihmdasdeutscheKino–schienmitdemZusammenbruch desDrittenReichsanseinemNullpunktangekommenzusein(GÖTTLER 167).DieSchreckendes

KriegsundseineFolgenlähmtendieFilmschaffendenundesschien„eininstinktivesMißtrauen gegenBilderundTöne,dievonDeutschlandhandeln“(KAES , Deutschlandbilder 16),zubestehen.

Besonders das Medium Film wurde dabei kritisch gesehen wie Filmwissenschaftler Thomas

ELSAESSER erklärt:

ThatthecinemahasanespeciallyambivalentroleintherepresentationofNazism

derives not least from the fact that German fascism has left a more complex

account,insightandsound,invisualrecordsandinstagedcelebrations,ofitself

anditsvisionofhistorythananypreviousregime.(20)

Diese‚Bilderangst‘verbotfastschoneinefilmischeAufarbeitungderNSZeitundmankannvon einem‚Abbildungsverbot‘sprechen.REIMER undREIMER stellenjedochzuRechtfest,dassdiese

PassivitätunddiesesMisstrauengegenüberBildernzunehmendschwächerwurde:„Asmightbe expected, the more the years 19331945 receded into the past, the more easily directors have foundthedistancetodealwiththelegacyofNationalSocialismhonestlyandcompletely“(„Nazi retroFilmography“81).

Diesbestätigtauchdiezunehmendlängerwerdende Liste der Filme,diesichmitdem

Nationalsozialismus auseinandersetzen und dabei fast alle Aspekte beleuchten, wobei auch die

Täterseite nicht ausgeschlossen wird. Charles P. MITCHELL listet in The Hitler Filmography:

WorldwideFeatureFilmandTelevisionMiniseriesPortrayals,1940through2000 knapp100Filmeauf,die

29 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

sichmitHitlerbeschäftigtenundzeigtdamit,dassauchdieseFigureinregesInteresseunterden

Filmschaffenden auslöste. Die Filme reichen dabei von Komödien über Satiren zu ernsthafter

AuseinandersetzungsowieexperimentellerKunst.DiemeistenFilmesindUSamerikanischePro duktionen,dochauchEinträgeausDeutschland,Frankreich,Japanetc.sindvorhanden.Dieses

GrosanProduktionenausHollywoodwirdvonTÖTEBERG lakonischkommentiert:„AlsFilm

sujetistHitlervornehmlicheinThemafürHollywood“,wasandeminDeutschlandherrschenden

‚Abbildungsverbot‘lagundauchnochliege(406).Interessanterscheintzudem,dassdiefilmische

VerarbeitungHitlersnichterstnachEndedesZweitenWeltkriegs,sondernschonindenJahren

zuvorbegann.

Aufsehen erregend und früh auf die Schrecken des HitlerRegimes hinweisend war die

Satire The Great Dictator (1940) von und mit Charlie CHAPLIN . Gedreht zu einer Zeit, als die

Grauen des NSRegimes noch nicht ansatzweise bekannt waren bzw. erkannt wurden, gelang

CHAPLIN einFilm,dernochheuteüberzeugt.Erwolltedamit„thepoliticalclimateofopinionin

Hollywood“zeigen,dasdurchdievielenemigriertenFilmschaffendenbeeinflusstwurde(LYNN

39596).Hitler,gespieltvonCHAPLIN selbst,wirdparodiertundbesondersseineGestiktriffter dabeiexakt:CHAPLIN „exaggeratesandskewestheFührer’smostexceptionalskill,hisabilityasa speaker“ (MITCHELL 81). Auch die Idee, eine Ballettszene, die mit einer Weltkugel stattfindet, innerhalbdesFilmsmitMusikvonRichardWAGNER zuunterlegen,zeugtvonseinemWissen

über Hitler und stellt indenAugenMITCHELL s „a phenomenal metaphor of Hitler’s grab for

world power“(81) dar. The Great Dictator ist eine Parodie Hitlers, die auf die Schrecken des

Nationalsozialismushinweist,dessenAusmaßeabernochinkeinemZusammenhangbetrachtet.

ZunächstwurdederFilmauchvonUSamerikanischerSeitezurückgehaltenunderstmit

derKriegserklärungderUSA1941veröffentlicht.1958fanderdenWegindiedeutschenKinos,

wobei der Medienwissenschaftler Klaus KREIMEIER auchheutenochfragt,ob„dieDeutschen

30 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

über Hitler lachen“ konnten und ob „die Differenz zwischen den Medien und der Realität“ wirklicherkennbarfürsiewar(42),dennsowohldiedeutscheKritikdesFilmsalsauchdieBilanz andenKinokassenfielnegativaus(KRÄMER ).DieerneuteVeröffentlichungdesFilmsimJahre

1973wardagegenumeinigeserfolgreicher,wiePeterKRÄMER anhandeinigerUmfrageergebnisse belegenkann.Ereklärt,dassnichtnurderFilmmarktsichverändert,sondernauchein„shiftin public opinion“ stattgefunden habe: Zum einen hatten amerikanische Filme einen größeren

StellenwertundeswareinerhöhtesInteresseanCHAPLIN Filmenerkennbar.Außerdemseidie

Veränderung der öffentlichen Meinung durch die größere zeitliche Distanz, die kritischere

BetrachtungderVergangenheitderNachkriegsgenerationsowierückläufigenAntisemitismusund sinkendeHitlerUnterstützunghervorgerufenworden.

DieunterschiedlicherfolgreicheRezeptionvonCHAPLIN s TheGreatDictator weistdarauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen der Akzeptanz filmischer Produkte und der gesell schaftlichen Atmosphäre besteht. Auch die Betrachtung von Georg W. PABST s Der letzte Akt

(1955) belegt dies. Der letzte Akt war die erste deutschsprachige Produktion, die sich mit dem ehemaligenFührerdesdeutschenVolksundseinenletztenTagenauseinandersetzte. KREIMEIER siehtindiesemFilmdesÖsterreichers,deraberfürlangeZeitindenUSAwohnte,eine–fürdie damalige Zeit – gewagte Aktion: PABST verstoße nicht nur „gegen das zu dieser Zeit in der

Bundesrepublik wie auch in Österreich allgemein beachtete Schweigegebot in Bezug auf die nationalsozialistische Vergangenheit [, sondern auch] gegen das Bilderverbot in Sachen Hitler“

(32). Dieser doppelte Tabubruch wurde in der deutschsprachigen Öffentlichkeit diskutiert und verpönt. Die Illustrierte Quick schrieb:„ObderFilmdemdeutschenVolkguttut, das ist eine

Frage,dienichtgestelltwird“(zit.inTÖTEBERG 408).ThematisiertwerdenindiesemFilm,der vonPABST langegeplantwar,dieletztenTagedesNSRegimes.

31 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

DerletzteAkt bewegtedieZuschauer,weilerHitlernichtmehrnuralsdencharismatischen undunbesiegbarenFührerzeigte,sondernihnauchimBunkeralseinsamenMenschendarstellte.

MITCHELL kritisiert,dassdiese–mitfiktionalenCharakterenundEreignissenangereicherte–Prä sentation„helpedtocreateorpromoteanumberofmyths“,dienichterwünschtwarenundsomit einverfälschtesBildzeigten(137).TÖTEBERG stelltsogardieFrage,obnicht„dieSituationdes

vondenFeindeneingekesseltenunddenGesinnungsgenossenverlassenenHerrschers“Mitgefühl

beimVolkauslöse,welchesvondenFilmmacherninkeinerWeiseangestrebtwurde(410).Nicht

nurdieDiskussionenimVorfelddesFilms,sondernauchdieKontroversendanachdrehtensich

immerwiederumdieThematikderzweiBilder,diejetztvonHitlerinderÖffentlichkeitpräsent

waren: Zum einen gab es den charismatischen Führer, der für die Taten des NSRegimes

verantwortlich war, und zum anderen gab es die Person Adolf Hitler, die allein und vor dem

Selbstmord stehend ihre letzten Tage im Bunker verbringt. MITCHELL sieht vor allem Albin

SKODA inderRolleAdolfHitlersalsPluspunktdesFilms,dadessen„masteryofvoiceandgesture

...makehimsuchanexcellentchoice“(139)fürdiesenPart.Rudolf WORSCHECH stelltfest:„Der

FilmgestehtHitlerüberhauptkeineGrößezu....DasFaszinosumderNaziGrandezzahatPabst

bewusst vermieden“ (109). Doch obwohl Hitler nicht ausschließlich als unantastbarer Führer

gezeigtwird,siehtmandochlautMITCHELL nureineKunstfigur.DenndasNichtvorhandensein

der Beziehung zu Eva Braun als auch die zwar angedeutete, aber nicht konsequent gezeigte

menschliche Seite Hitlers schwächen den Film und MITCHELL fasst zusammen: „Hitler has becomeafigureoutoflegend,notoneoffleshandblood“(139).DamitverfehltderFilmdie angestrebteWirkung,diederProduzentCarlSZOKOLL als„TragödiedesMenschenHitler“(zit.in

TÖTEBERG 411)verstandenwissenwollte.

DiebreiteÖffentlichkeitverschmähtedenFilmundfolgtedemdamalsgültigenPrinzip desSchweigensundVerdrängens.Entsprechendurteiltedie SüddeutscheZeitung :„Esistzufrühfür

32 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Hitlerfilme“(zit.inTÖTEBERG 417),wobeidieFrageoffenbleibenmuss,obesfürdieVerfilmung der Taten und Schrecken des nationalsozialistischen Regimes jemals einen richtigen Zeitpunkt gebenkannundwird.DochwährenddieRezeptioninDeutschlandnegativbliebundderFilm weitgehendabgelehntwurde,erwiesersichimAuslandalsErfolg(KILB ,„Pabsts DerletzteAkt “;

TÖTEBERG 417).OffensichtlichaberwarenzehnJahrefürdieDeutschennichtgenug,umHitler vonSchauspielerndarstellenzulassen,daimPublikumdierealePersonnochpräsentwarunddie

Vorstellung, Hitler im Kino zu sehen, wahrscheinlich unvorstellbar und skurril für die Zeit genossenwirkenmusste.FilmkritikerAndreas KILB schreibt:DerFilm„kamhistorischzufrüh,

ästhetisch zu spät. Die Annäherung an das Individuum Hitler, die sein Stoff mit sich brachte, wolltePabstdanndochnichtwagen“(„Pabsts DerletzteAkt “).

NachdiesemFilmstelltesichdannauchgenerelldieFrage,obHitlerfilmischdarstellbar sei.VoralleminDeutschland,sokonstituiertTÖTEBERG ,seimandieserschwierigenThematik ausgewichenund„Hitlerrutscht[e]nuralsSchattenimHintergrunddurchdieFilmgeschichte“

(419),bevorsich1977eineweiteredeutscheProduktionenmitdieserThematikbefasste.Zuvor wareneseherinternationaleProduktionen,diesichandiefilmischeVerarbeitungHitlerswagten und sich der Herausforderung, die Gratwanderung zwischen Verklärung und Aufklärung zu meistern,stellten.

Endeder1960erJahreunternahmMelBROOKS mit The Producers (1968;dt.: Frühling für

Hitler ) den Versuch, sich auf komödiantische Weise mit dem Nationalsozialismus zu befassen.

KILB schreibt,dassBROOKS ’Motivationdarinlag,„seineFilmregisseurskarrieremiteinemEklat beginnen“zulassen(„DieRückkehr“).DerFilmhandeltvoneinemBroadwayProduzentenund seinemBuchhalter,diemiteinemabgekartetenFlopGeldverdienenwollen.Hitlerwirdindieser

Produktionübertriebenundrealitätsferngezeigt,docheinewirklichkeitsgetreueAbbildungwarnie derAnspruchBROOKS .Trotzdemzählt TheProducers nebenCharlieCHAPLIN s TheGreatDictator als

33 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Film,dessenVersuch,KomödieundNationalsozialismuszuverbinden,glücktundnochheuteals

„großartig“ angesehen wird (WORSCHECH 10304). Eine deutsche – stark gekürzte und ver

änderte–Fassunggabeserst1976undauchdieKritikwarsichnichtsicher,wiedieserFilmzu

bewerten sei, da Komödie und Nationalsozialismus im deutschen Bewusstsein als unvereinbar

galten.MittlerweilehatsichdieseEinstellungabergewandeltundderFilmwirdinzwischenauch

inDeutschlandalsKunstwerkgesehen. TheProducers istheutenochpräsentunderfolgreich:2001

wurdeeralsMusicalamBroadwayaufgeführtundvonPublikumalsauchKritikernbegeistertauf

genommen.2006gabesdanneinRemake(KombinationdesinzwischenalsKultfilmgehandelten

Films und der BroadwayInszenierung), welches auf Grund seiner politischen Inkorrektheit als

auchabgedroschenenKlischeeszwareinerseitsaneckt,aberandererseitsauchbestensunterhält.

ImJahre1973wagtesichRegisseurEnnioDE CONCINI andieThematikundkonntefür seinen Film Hitler: The Last Ten Days denbritischenCharakterdarstellerAlecGUINNESS für die

VerkörperungHitlersverpflichten.GUINNESS wardafürbekannt,inseinenRollenaufzugehenund die dargestellte Person nicht nur zu spielen, sondern sie nahezu zu ‚leben‘. Trotz der beein druckendenSchauspielfähigkeitGUINNESS erntetederFilmherbeKritiken:„ Hitler: TheLastTen

Days isweakestatitsmostseriousmoments,awkwardlyemployinghistoricfootageatkeypoints

whichseemsclichédinsteadofprofound“(MITCHELL 110).ZudemsiehtMITCHELL dieunüber

windbareHürdezwischenGUINNESS ’PartinGeorgeLUCAS ’StarWars Trilogie(19771982),die nurschwerinEinklangmitseinerRollealsHitlerzubringensei(11011).DerVersuch,Hitler menschlichundmitneuenFacettendarzustellen,schlugfehlundselbstGUINNESS gabspäterzu,

dasses„apoorfilmfromabrilliantscript“(zit.inTÖTEBERG 421)gewesensei.

Die deutsche Antwort auf die bis dahin vor allem aus dem Ausland kommende

Bearbeitung der Person Adolf Hitler folgte 1977: Hans Jürgen SYBERBERG drehte den experi

mentellenFilm Hitler,einFilmausDeutschland .Erversucht,durchseineAufarbeitungderWeimarer

34 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Republik und des NSRegimes, die in ausschweifenden Bildern und Szenen gezeigt werden,

„Parallelenzwischendem‚Hitlerinuns‘,demzeitgenössischenMangelanKulturbewusstseinund dem historischen Alptraum polemisch zu brandmarken“(LENSSEN 273). Trotz der Länge von knappsiebenStundenundeinemverwirrendinteressantenKonglomeratausDokumentarszenen,

Einschüben,schnellenBildernundmythischenAnspielungensiehtMITCHELL dieProduktionals

„a unique and almost overwhelming entry in the Hitler Filmography “(174). Hitler – Bilder und

Repräsentationen seiner Person – bestimmen beinahe jede Sekunde dieses Films und dieser

Eindruck überträgt sich auf die Realität, da man am Ende des Films feststellen muss: „The messageatthispoint...isthatHitlerandhisdarkinfluencemaybeinescapable“(MITCHELL 174).

DieDarstellungderPersonHitleristvielfältigundjederderSchauspielerzeigteinen–mehroder wenigeraufschlussreichen–AspektdesNSFührers.

SYBERBERG sexperimentelleAufarbeitungwurdekritischdiskutiert,bliebaberaufGrund seinerästhestischkünstlerischenMachartderRezeptioneinerMinderheitvorbehalten.Dochder

Film passte in die damalige gesellschaftliche Stimmung, die, bedingt durch einen politischen

Machtwechsel, von Veränderungen geprägt wurde. Laut Filmkritikerin Claudia LENSSEN war

SYBERBERG „der erste prominente Vertreter einer politischen Ästhetik, die den Aufklärungs

Impetus des 68erDiskurses negierte und stattdessen eine Art surreales Szenario deutscher

Identitätenentwarf“(273).Sonstwurdeninden1970ernzumeistfamiliäreundprivateKonflikte, diesichaufgrunddernationalsozialistischenVergangenheitergaben,filmischaufbereitetunddie spezifischeAuseinandersetzungmitdenTäternfandnichtunbedingtinfiktionalenFilmenstatt.

EinweitererFilmüberHitlererschien1980mitderUSamerikanisch/französischenTV

Produktion TheBunker vonGeorgeSCHAEFER mitAnthonyHOPKINS inderHauptrolle.Auchin diesem Film konzentriert sich die Handlung auf die letzten Monate Hitlers, die er im Führer bunkerinBerlinverbrachte.HitlerwirdindiesemFilm„asamereshellofhisformerself,devoid

35 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

and incapable ofanyhumanemotionotherthanrage and regret“ (MITCHELL 28) gezeigt. Als großerKritikpunktdesFilmskanndieMitarbeitAlbertSPEER s,ArchitektundRüstungsminister

imNSRegime,betrachtetwerden,aufdessenErfahrungenbasierendHitlerdargestelltwirdund

dernichtnurseineeigenesubjektiveSichtweisevermittelt,sondernauchnochalseinzigeQuelle

fungiert (MITCHELL 25). Trotz dieses Umstands ist aber ein weitgehend gelungener Film entstanden, was insbesondere Anthony HOPKINS ’ schauspielerischen Fähigkeiten zuzuschreiben

ist, dem es gelang, „to convey a weak and defeated Hitler as a human being but one who is

unworthyofanysympathyorpity“(MITCHELL 29)undderfürdieseLeistungauchdenbegehrten

TVPreis Emmy gewann. Die deutsche TVPremiere fand erst 1995 statt, wodurch angedeutet

werdenkann,dassdasdeutscheFernsehenandieserProduktionwohlkeingroßesInteressehatte.

Erwähnenswert in dieser filmhistorischen Aufzählung ist zudem die 1989 entstandene

deutsche Produktion 100Jahre Adolf Hitler von Christoph SCHLINGENSIEF , die den ersten Part

seinerDeutschlandtrilogieausmachte( DasdeutscheKettensägenmassaker ,1990; Terror2000 ,1992).Der

Film zeigt keine historisch korrekte Dokumentation, sondern eine obszöne Performance der letztenStundevordemNiedergang(„100JahreAdolfHitler“).ImBunkerfeiernHitlerundsein

Stab eine wilde Party, während draußen die Bomben explodieren. „Die zusammengepferchten

PersonensindallesamterbärmlicheIrre,HitlereinsabbernderIdiot,derseinenArschineinen

TopfFarbesetztundaufeineLeinwanddrückt“(„100JahreAdolfHitler“).

SCHLINGENSIEF möchte„dieimmernochinfektiösenSpureneinerdeutschenGeschichte sichtbar...machen“(NICODEMUS 346)undprovoziertmitseinemSchaffen.Erzeigt„Hitlerund

KumpanealsFreakshow“(TÖTEBERG 419)undgreiftdamitauchdasgegenwärtigegesellschaft

licheZeitgeschehenan,dasszunehmenddenvoyeuristischenAnsprüchenderZuschauergerecht

36 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

werdenwilloderesgeradeerstfördert. 3Innur16Stundengedreht,gelingtesdemRegisseur,die

HitlerFigurdurchAbsurditätzuentmystifizieren.DerAnspruchdesRegisseursliegtalsonicht darin, Historie wahrheitsgetreu wiederzugeben,sonderndurcheinenmitskurrilenEinfällenge spickten Film Aufmerksamkeit zu erregen und den Zuschauern zu ermöglichen, einmal eine anderePerspektivealsdiegesellschaftlichvorgegebenemitzuerleben.DerFilmerreichte–wohl auchaufGrundseiner‚Andersartigkeit‘–keinMassenpublikum,sondernbliebeinemkleinenZu schauerkreisvorbehalten.DochgeradeseineeigentümlichenArtsolltedemFilmeinenPlatzin einerAuflistungrelevanterHitlerVerfilmungengeben–zumalerauchausDeutschlandkommt.

IndenletztenJahrenscheintsichdasVerhältnisderDeutschenzusichundihrerNation, zu ihrer Vergangenheit und Gegenwart, gewandelt zu haben. Dies hängt insbesondere mit politischenVeränderungen,bspw.demMitteder1980erJahreschwelenden‚Historikerstreit‘ 4,in demdieFragenachderEinzigartigkeitderJudenvernichtunggestelltwurdeoderderdeutschen

Wiedervereinigung 1989/90 zusammen, die sich darauf auswirkten. Außerdem änderte sich dadurchauchdiemedialeVerarbeitung,dabspw.eineReiheinternationalerFilmeAspekteder

NSZeitbehandelte.DabeiwurdeabernichtunbedingtdieFigurHitlerabgebildet.Erstmitder

AufarbeitungderÄradesgeteiltenDeutschlandsundihrerFragenachTäternundOpfernsowie ihrer Vergleiche gegenüber dem NSRegime haben offenbar im neuen Jahrtausend dazu bei getragen,dieTäterseite,bspw.inOliverHIRSCHBIEGEL s DerUntergang oderLutzHACHMEISTER s

DasGoebbelsExperiment (2004),indenMittelpunktdesFilmszusetzen.

REICHEL siehtrückwirkendvoralleminderAusstrahlungderUSSerie Holocaust (1979) einennichtzuunterschätzendenImpuls,derzueinem„WandelinderzweitenGeschichtedes

3ManerinneresichnurdeszuAnfangder1990erJahrebeginnendenErfolgderTalkshows,indenenMenschenihr InnerstesvoreinemMillionenpublikumentblößen. 4 Der Historikerstreit wird innerhalb dieser Arbeit nicht weiter diskutiert. Nähere Informationen bieten zahlreiche Texte zu dieser Thematik, u.a. das vom PiperVerlag herausgegebene Buch „Historikerstreit“: Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung. (1987), welches Texte von Rudolf Augstein, MartinBroszat,JoachimFest,JürgenHabermas,ErnstNolteetal.ineinemBandzusammenfasst.

37 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

Nationalsozialismus“geführthabe,welcherdenFokusnunnebendenNSVerfolgtenauchaufdie

Täter lenkte ( Erinnerung 150).ImFernsehenwirddieseZeitvermehrtdurch Dokumentationen,

über deren Qualität sich sicherlich streiten lässt, einem großen Zuschauerkreis nähergebracht

(bspw.GuidoKNOPP s Hitler–EineBilanz ,1995 ).AuchderfiktionaleFilmverschließtsichnicht diesem Trend: „Die trivialunterhaltsame Aufbereitung dieses Katastrophenstoffs wird auch

weiterhineinMillionenpublikuminsKinolocken“(REICHEL ,„OnkelHitler“).Dochdiesemediale

ExpansionzeigtaucheineninhaltlichenWendepunkt,wieREICHEL schreibt:

DasPrivatederprominentenPersonenwirdwichtigeralsderhistorischpolitische

Zusammenhang, in dem sie agierten. Nicht mehr die verbrauchte negative

PädagogikderAußenansichtdesTerrors‚schockt‘,sondernderTerrorderBunker

Intimität. BigBrother lässtgrüßen.(„OnkelHitler“)

DiesesgesteigerteInteresseanpersonifizierterGeschichtsdarstellung,dasdiePersonenhinterden

TäternzeigtunddiesnichtunbedingtindenKontextdesNationalsozialismusundZweitenWelt kriegsstellt,lässtsichauchamErfolgderneuestenProduktionenwieOliverHIRSCHBIEGEL s Der

Untergang oderHeinrichBRELOER s TVDokuDrama Speer und Er (2005)feststellen.Angemerkt

werdenmussdabeiaberauch,dassnichtnurdieTäterseiteineinerpersonifiziertenFormwieder gegebenwird,sondernauchdiefilmischeAufbereitungderOpferoderWiderstandsseitedieser

Aufmachungfolgt(bspw.MarcROTHEMUND s SophieScholl–DieletztenTage ,2004).

Unser heutiges HitlerBild wird zum einen noch immer durch die idealisierende

Propaganda des nationalsozialistischen Regimes, zum anderen durch filmische Verarbeitungen

geprägt.IndenletztenzweiDekadenistinDeutschlandeingesteigertesInteresseamNational

sozialismus erkennbar, das zunehmend auch zu filmischen Interpretationen der eigenen

Vergangenheit führt. Dabei wird das Interesse aber nicht nur durch wissenschaftliche Beiträge

vermittelt,sonderndasPublikumverlangtzunehmendnachunterhaltsamerKost,dievorallem

38 Theorie–Forschung,VorgehensweiseundfilmhistorischerKontext

durchFilmbilderbefriedigtwird.Problematischistdabeinatürlich,welchenAnspruchdieseFilme habenundobsieeinenBeitragleistenkönnen,derüberUnterhaltunghinausgehtundauchhis torischesWissenvermittelt.

2.4 Zusammenfassung

DerhieraufgezeigteForschungsstandsowiedieErläuterungen zum Medium Film, zu seinerAnalyseundzurproblematischenVerarbeitungvonGeschichteimFilmlassenbereitsdie

Schwierigkeitenerkennen,dieeineUntersuchungdesFilms DerUntergang mitsichzieht:Nichtnur ist die ‚Sprache‘ des Films zu entschlüsseln und ihre Wirkung zu erklären, sondern auch die historischenAspekte,dieerverarbeitet,sindzubeleuchten,umaufzuzeigen,welchesBildAdolf

Hitlersgezeichnetwird.DasimFilmabgebildeteHitlerBildstehtzudemimmerimBezugzur

Gegenwart, weshalb auch der gesellschaftliche Diskurs mit einfließen muss, um dem Unter suchungsgegenstand gerecht zu werden. Deshalb muss sich die vorliegende Arbeit nicht nur analytisch dem Untergang annähern, sondern daneben auch versuchen, den Film anhand der vorgestelltenHitlerFilmeeinzuordnenundaufzuzeigen,inwiefernersichvonjenenabsetztbzw. aufsiebezieht.Essollverdeutlichtwerden,dasssichgesellschaftlicheAspekteundDiskurseauch in medialen Produkten widerspiegeln bzw. diese durchdringen und Filme immer auch

Gesellschaftsbezügeaufweisen.SchonSiegfriedKRACAUER haterkannt:„DieFilmeeinerNation reflektierenihreMentalitätunvermittelteralsanderekünstlerischeMedien“( VonCaligari 11).

39

3 Analyse – Der Untergang und die Darstellung der Figur Adolf Hitler

IndiesemanalytischenTeil,derdenHauptteilderArbeitausmacht,wirdnundiezuvor besprochenefilmwissenschaftliche Vorgehensweiseauf den Film Der Untergang angewendetund dieserhinsichtlichderFragestellunguntersucht,welchesHitlerBildimFilmkonstruiertwirdund welcheWirkungdiesesaufdenZuschauerausübt.Dabeiistesnotwendig,nichtnurSzenen,die

Hitlerabbilden,zuuntersuchen,sondernauchsolche,indenenernichtauftritt,umzuerfahren, welchenGesamteindruck Der Untergang präsentiert.DieAnalyseteiltsichdabeiinzweiBereiche:

Film(3.1)undFigurenanalyse(3.2).EinigewichtigeFilmsequenzensinddabeieinerdetaillierten

Untersuchung unterzogen worden, deren Protokollierung sich in AnhangC findet. Abgerundet wirddasKapitelmiteinerknappenZusammenfassung.

3.1 Filmanalyse – Der Untergang

AufgrundderFeststellung,dassfüreineFilmanalysedieBetrachtungdesGesamtprojekts nötigist,wirddasKapitelindiefolgendenAbschnitteunterteilt:ZunächstwerdenProduktions faktorenundHintergrundinformationengegeben,bevordieAnalysedesPointofViewfolgtund abschließenddieHandlungswirklichkeituntersuchtwird.

3.1.1 Produktionsfaktoren und Hintergrundinformationen

Der Untergang hatte am 09.September2004 in München seine deutsche Kinopremiere.

Regiebeidiesem13,5MillionenEuroteurenProjektführteOliverHIRSCHBIEGEL undfürDreh buchsowieProduktionzeichneteBerndEICHINGER verantwortlich.ProduziertwurdederFilmals europäische CoProduktion. Die internationale Uraufführung fand am 14.September 2004 im

Rahmen des Toronto International Film Festivals statt. Eine Woche nach der deutschen

UraufführungkamderFilmdannindieKinosundwurdezueinemdererfolgreichstenFilmedes

41 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Jahrs 2004. Bis heute haben den Film ca. 4,6 Millionen deutsche Kinozuschauer gesehen

(„Jahresliste“).AuchimAuslandwar DerUntergang erfolgreichundwurdesogarbeidenAcademy

Awards 2005 in der Kategorie ‚Bester ausländischer Film‘ nominiert. Zudem gewann er einige bedeutendedeutscheFilmpreise(u.a.denBayerischenFilmpreis2004fürProduzentEICHINGER ,

HauptdarstellerGANZ unddenPublikumspreis).

LautAngabendes Filmportals hatderKinofilmeineSpielzeitvon155minbzw.weistdas

TrägermaterialeineLängevon4.240mauf(„DerUntergang“).DasFilmformatbeträgt35mm

und das Seitenverhältnis 16:9. Bild und Ton entsprechen den neuesten technischen An

forderungen(FarbeundDolbySurround).

Am19.und20.Oktober2005fanddieTVPremierein den öffentlichrechtlichen Pro

grammenARDundORFstatt.DabeiwurdederFilmalsZweiteilergezeigtundenthielteinigebis

dahinunveröffentlichteSzenen,weshalbdieseFernsehproduktionknapp25Minutenlängeralsdie

Kinofassungausfällt.DieKinoversionwurdeam17.März2005alsDVDherausgebracht,wobei

imOktoberdesgleichenJahrsnocheinedreiDVDsumfassendeExtendedEditionveröffentlicht

wurde,dieHintergrundinformationenetc.bietet.

Die Dreharbeiten, die von August bis November2003 stattfanden („Der Untergang“),

wurdenteilweiseinRusslandundteilweiseinDeutschlandrealisiert:WährendderGroßteilder

AußenaufnahmeninSt.Petersburgentstand,wurdendieInnenaufnahmeninMünchengedreht.

DasBonusmaterial„DreharbeiteninRussland“beiderExtendedVersiondesFilmsbe

inhaltet einige Aspekte zur Drehsituation. St.Petersburg wurde nach einer langwierigen Suche

ausgewählt,weildieklassizistischeundstalinistischeArchitekturstarkdemAussehenim

Jahre1945ähnelt.AußerdemerhieltdieFilmcrewvondenörtlichenBehördendieGenehmigung,

einevierspurigeStraßefürneunTagekomplettzusperrenundVeränderungensowohlanden

HäuserfassadenalsauchderStraßevorzunehmen–bspw.neueBeschilderungen,Zunagelnder

42 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Fenster,AufschüttenmehrererTonnenSchutt.DieswärenachAussagenderVerantwortlichenfür dasSzenenbildinDeutschlandnurmitgroßemAufwandodernachschwierigenVerhandlungen möglichgewesen.NebendiesenpositivenAspektenwarderFilmdrehinRusslandaberauchmit

Problemenverbunden:Daistbspw.dieZollproblematikzuerwähnen,dieeinVerbotderEinfuhr vonWaffenoderMunitionvorsieht,weshalbdiegesamtenKriegsutensilienundmaschineriein

Russlandorganisiertwerdenmussten,wasVerzögerungenverursachte.Manchmalführtendiese

Schwierigkeitensogardazu,dasseigentlichdringendbenötigtedeutscheKriegsgerätenichtbesorgt undsomitauchnichtverwendetwerdenkonnten.ImGanzenaberwurdendieFilmarbeitenin

Russland,insbesonderedieZusammenarbeitmitderBevölkerung,alshervorragendeingeschätzt.

DieBunkerszenendagegenwurdenindenMünchenerBavariaFilmstudiosaufgenommen.

Dabei wurden die Bunkerräume vollständig sowie so detailgetreu und authentisch wie möglich nachgebaut,umdasbeklemmendeGefühl,dasdieBewohnerderdamaligenZeitverspürthaben müssen,einfangenzukönnen.HIRSCHBIEGEL erklärt,dasssiebewusstdaraufverzichtethätten,

‚Sprungwände‘5oderähnlichesindieKulisseneinzubauen,umdieFilmaufnahmenzuerleichtern.

GerademitdieserunbequemenunduntypischenKonstruktion sollte eine Drehsituation kreiert werden,diesonahwiemöglichandieRealitätangelehntwarunddemFilmteamnurdenRaum bot,wieerdamalswirklichimBunkervorzufindenwar(„BlickhinterdieKulissen“20'55''21'15'').

Der„BlickhinterdieKulissen“zeigtauf,dassauchbeiderBeleuchtungundderKamera verwendungzuGunstengrößtmöglicherAuthentizitäthäufigdaraufverzichtetwurde,artifizielles

LichtodervieleKamerafahrteneinzusetzen.Stattdessenwurde,wannimmermöglich,nurmitden damalsauchvorhandenenLichtquellengearbeitet,umdieBeleuchtungsverhältnisserealistischund dendamaligenUmständenentsprechendzugestalten.BeiderKameraführungwurdezumeistmit

5DassindWände,dienichtfestmitdenNachbarwändenverschraubtsind,sondernbeweglichverschobenwerden können.

43 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler einer Handkamera gedreht, die am besten geeignet schien, die hektische Kriegssituation authentischabzubildensowiedieAngespanntheitderBunkerbewohnereinzufangen.

AlldieseFaktoren–dasSetting,dassodetailgetreuwiemöglichrekonstruiertwurdesowie dieBenutzungvonLicht,Originalton,Kamera–sollteneingesetztwerden,umdemZuschauerein authentischesBildderdamaligenZeitanzubieten,wieRegisseurOliverHIRSCHBIEGEL wiederholt betont.InwieferndieserWunschnachAuthentizitätaufgrunddieserAspekteaberwirklicherreicht

werden konnte und ob die Zuschauer tatsächlich in den Sog der Bilder gezogen werden, soll

anhandeinigerausgewählterSzeneninderAnalysedesFilmsermitteltwerden.

DochnichtnurdieProduktionsfaktenzeugenvoneinerGroßproduktion,sondernauch

die Zahl der am Film beteiligten Personen ist ungewöhnlich hoch: 91Darsteller, 350Crew

mitgliedersowieknapp5.600(zumeistrussische)KomparsenwarenanderEntwicklungdieses

Projekts beteiligt. Zudem verstärkt das Schauspielensemble den Aspekt der Großproduktion,

welchessichwiedas‚WhoisWho‘derdeutschenFilmbranche,allenvoranBrunoGANZ (geb.

1941)undAlexandraMariaLARA (GEB .1978),liest.

GANZ spieltAdolfHitler(18891845),dervom30.Januar1933biszuseinemSuizidam

30.April1945ReichskanzlerwarunddurchdieAuslösungdesZweitenWeltkriegsfürdenTod

vonMillionenvonMenschenverantwortlichist.GANZ beschreibtseineHitlerRollealsHeraus

forderung, die ihn fast an die Grenze seiner Belastbarkeit brachte und auch vor ein nahezu

unlösbares Dilemma stellte: „Ich kann ihn nicht nurhassen,sonstkannichihnnichtspielen“

(„HitlersletzteTage“51'19''21'').Erfügthinzu,dassesihmwichtigwar,zuzeigen,dassHitler,

alserimVollbesitzseinerKräftewar,verführerischeSeitenhatte,dieihnzumFührereinesganzen

Volksmachten:„Eshat’nebestimmteArtvonEnergetikundso,dassesunsheute...ästhetisch

nicht mehr interessiert. Wir lachen ja drüber“, wobei er hinzufügt, dass die heutigen aktuellen

Titulierungen,bspw.PsychopathoderSpinner,Hitlernureinseitigundunvollständigbeschreiben

44 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler können(„HitlersletzteTage“14'20''34'').GANZ istsowohlFilmalsauchTheaterschauspieler undimInundAuslandgefragt(erspieltebspw.inWimWENDERS Film DerHimmelüberBerlin ,

1986/87; Silvio SOLDINI s Pane e Tulipani , dt.: Brot und Tulpen , 2000; Peter STEIN s Gesamt aufführungvonJohannWolfgangvonGOETHE s FaustIundII ,2000).

LARA spieltdieFigurderTraudlJunge,geb.Humps(19202002),dievon1942bis1945als

Sekretärin Hitlers arbeitete understnachseinemTod den Führerbunker in Berlin verließ. Die

Schauspielerin sieht ihren Part kritisch, doch kann sie verstehen, dass die von ihr verkörperte

JungedemFührerinihrernaivenArtfolgte.Siestelltfest:„Esistwahnsinnigeinfachzusagen, daßmanselbersichinderdamaligenZeitanders,‚richtig‘verhaltenhätte“(„Makingof“440).

Doch,soergänztsie,damalswaresnichtsoeinfach,sichdieserFaszination,dievonHitlerund derNSDAPausging,zuentziehen.LARA hatschonsowohlinnationalenalsauchinternationalen

Kino und TVProduktionen gespielt(bspw.inYvesSIMONEAU s TVVierteiler Napoléon , 2002;

HelmutDIETL sKinostreifen VomSuchenundFindenderLiebe ,2005).

Neben GANZ und LARA sindunteranderemCorinnaHARFOUCH als Magda Goebbels

(19011945) und Ulrich MATTHES als Reichspropagandaminister Joseph Goebbels (18971945),

HeinoFERCH alsArchitektundRüstungsministerAlbertSpeer(19051981)sowieJulianeKÖHLER alsHitlerslangjährigeGeliebteEvaBraun(19121945)zusehen.FastalleimFilmdargestellten

FigurenberuhenaufhistorischenPersonenundnurdievomDrehbuchautorEICHINGER bewusst hinzugefügteFamilieKranz,dieausdenElternWilhelmundDorotheesowieihremSohnPeter besteht, ist fiktiv. EICHINGER erklärt,dasserdasSchicksalderKinder,diein der Hitlerjugend waren,sowiederenproblematischeFamiliensituationzeigenwollte(„HitlersletzteTage“47'15''

55''). Dieser Handlungsstrang soll also exemplarisch für die KonfliktederElternundKinder generationstehen.

45 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

DieRegiebei Der Untergang übernahm Oliver HIRSCHBIEGEL , der im Jahre 2000 der breitenÖffentlichkeitdurchseinenThriller DasExperiment bekanntwurde.HIRSCHBIEGEL erklärt,

dassesihmzunächstProblemebereitete,alsRegisseureinesFilmszufungieren,derdieletzten

Tage des Dritten Reichs und Adolf Hitlers thematisiert. Doch gleichzeitig sah er es auch als

wichtigan,diesenTeilderGeschichtefilmischzuverarbeiten:

Am Ende ist die Figur [Adolf Hitler, Anm. S.K.] für mich – so simpel das

vielleichtklingt–dieInkarnationdesBösen.DafürstehtderMann,undtrotzdem

mußerglaubwürdigsein...DieschmutzigeWahrheitist:EssindMenschen,und

ichmußsiealsMenschenzeigen.(„Makingof“454)

HIRSCHBIEGELsAbsichtwaresnicht,einentragischenHeldenzukreieren,sondernglaubwürdig darzustellen,wiesichdieletztenTageimFührerbunkerabgespielthabenunddabeisoauthentisch

wiemöglichzusein,ohneaberzuverherrlichen.DabeisaheresalsHerausforderung,einenFilm zumachen,derWirkungenbeimZuschauerauslöst,obwohlereigentlichkeinen„unumschränkt positivenHelden“habeundauchdieHandlungansich,derTodHitlersundderZusammenfall desnationalsozialistischenRegimes,bekanntundsomitvorhersehbarseien(„Makingof“454).

FürDrehbuchundProduktionzeichneteBerndEICHINGER verantwortlich,dereinefeste

Größe im deutschen Filmgeschäft ist, aber auch international agiert. Obwohl EICHINGER

beachtlicheKinoundTVErfolgeaufweisenkann,wurde ihm doch nicht zugetraut,solchein

Projektangemessenzurealisieren,daseineErfolgevorallemaufunterhaltsamenFilmenbasieren.

SCHIRRMACHER machteseineBedenkenineinem FAZ Artikeldeutlich:„Befremdet,wiefastalle

AngehörigenmeinesGewerbesundmeinerGeneration,nahmichzurKenntnis,daßereinenFilm

überdieletztenTageAdolfHitlerszudrehengedachte“.DieVorstellung,dassAdolfHitlerdurch

Bernd EICHINGER sprechen würde, sei ihm und vielen anderen unbehaglich gewesen

(SCHIRRMACHER ).EICHINGER dagegenwarsichsicher,dassmandiesenTeilderZeitgeschichte

46 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler filmischverarbeitenmüsseundempfandesalsNotwendigkeit,dassmandabeinichtaufdenver antwortlichenAkteurHitlerundseineGefolgsleuteverzichtenkönne(„Makingof“457).

SeinZielwar,diesurrealerscheinendeBunkerweltunddierealeWelt,diesichaußerhalb des Bunkers abspielt, einander gegenüberzustellen und die Widersprüchlichkeit dieser beiden

Bereicheaufzuzeigen(„Makingof“458).Fraglichwarfürihnnur,wiemandasinszenierenkönne, ohneHitlerdabeizuidealisierenoderzudämonisieren.ZudemgabesfürEICHINGER nocheinen anderenGrund,dieRealisierungdiesesProjektsvoranzutreiben:„Ichfinde,esistanderZeit,daß wirunsereGeschichteselberbeleuchten,mitdenMitteln,diewirzurVerfügunghaben“,weshalb diese Produktion überwiegend mit deutschen Mitteln finanziert, ein deutscher Regisseur ver pflichtet, deutsche Darsteller (zumindest für die Sprechrollen) ausgewählt und der Film in deutscher Sprache gedreht wurde („Making of“ 458). EICHINGER wollte somit deutsche

GeschichteauseinerdeutschenPerspektivezeigen,daerfeststellt:„EsgabschonAlecGuinness undAnthonyHopkinsalsHitler,aberunserFilmistauthentischeralsallevorherigen:Einsolches

ProjektmußausDeutschlandherausgemachtwerden“(„Makingof“458).DieseAuthentizität, von der EICHINGER spricht, ist nicht mit historischer Wahrheit zu verwechseln, sondern es handeltsichdabeiumdieglaubwürdigeRekonstruktionderdamaligenEreignisseundFiguren,die so‚echt‘wiemöglichwirkensollen.

DerFilm DerUntergang handeltvomZusammenbruchdesnationalsozialistischenRegimes, dasmitAdolfHitleranderRegierungsspitzevon1933bis1945inDeutschlandherrschte.Gezeigt wirddabeiabernureinkleinerAusschnittdieserzwölfJahredauerndenZeitspanneundzwarder

Zeitraumvom20.AprilbiszurfaktischenKapitulationderReichshauptstadtam2.Mai1945.Im

FokusstehendabeiAdolfHitlerundseinemilitärischenGefolgsleutesowieTraudlJunge,diesich imFührerbunkerinBerlinvordensichnäherndenrussischenTruppenverschanzen.

47 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Durchseine50Sequenzenweist Der Untergang einenklarstrukturiertenAufbauaufund kann in Rahmen (1 und 50), Vorgeschichte (2), Einleitung (3 bis 16), Hauptteil (17 bis 42) und

Schluss (43 bis 49) gegliedert werden. Der Rahmen zeigt zwei Interviewausschnitte aus André

HELLER sundOthmarSCHMIDERER sDokumentation ImtotenWinkel (2002),indenendieechte

TraudlJungegezeigtwird,dieversucht,rückblickendStellungzunehmenundzuerklären,warum sie1942als22JährigeHitlersPrivatsekretärinwurde.DieVorgeschichtestelltdar,wieHitlerim

Jahre 1942 eine Privatsekretärin sucht und Traudl Junge engagiert. Erstmals werden hier die

Protagonisten des Films gezeigt und eingeführt. Die Einleitung führt dann in die eigentliche

HandlungdesFilmsein,dieimApril1945spielt.NebendemaussichtslosscheinendenKriegs zustand wird ein ersterBlickindenFührerbunkerinBerlingegeben,indemdieletztenMaß nahmengetroffenwerden,umderdrohendenNiederlagenochzuentgehen.DieEinleitungendet mitderResignationHitlers,derdenKriegalsverlorenbezeichnet.ImHauptteildesFilmswerden letzteAnstrengungengezeigt,umdochnochdiedrohendeNiederlageabwendenzukönnen,was sich aber als sinnlos herausstellt. Die letzten Sequenzen zeigen die finalen Vorbereitungen für

HitlersSelbstmord,derdieKlimaxdesFilmsausmacht.DerSchlussteildes Untergangs handeltvon derFluchteinigerdernochverbliebenenPersonenimBunker,unteranderemTraudlJunge,und derbaldausgesprochenenKapitulationDeutschlands.

HIRSCHBIEGEL sFilmwirktinhaltlichzweigeteilt:ZumeinenwirddasLebenimFührer bunkerdargestellt,zumanderendasLebenderStadtBerlin.DerFokusliegtabereindeutigauf demGeschehen,dassichimInnerendesBunkersabspieltundvondenäußerenUmständennur zeitweiseunterbrochenwird.ImBunkerselbstistHitlerdasZentrumdesGeschehens:Sowirder einerseitsalsDiktatorgezeigt,dessenMachtundBrutalitätdeutlichwerdenunddernochimmer aneinenGewinndesKriegszuglaubenscheint.Andererseitswirderaberauchineherprivaten

48 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler oderzumindestnichtmilitärischenmotiviertenAspektenabgebildet,dieihnbeimliebevollenund fürsorglichenUmganggegenüberEvaBraun,seinenweiblichenAngestelltenetc.zeigen.

3.1.2 Point of View

Esbietetsichan,dennarrativenalsauchoptischenPointofView(POV)des Untergangs zu untersuchen.DiesbringtErkenntnisse,welcherArtdieInformationsvergabeinnerhalbdesFilms istundunterstütztsomitdieAnalysederErmittlungdesdargebotenenHitlerBilds.

In DerUntergang istdernarrativePOV durcheineheterogenfluktuierendeInformations vergabegekennzeichnet,wasbedeutet,dassdasGeschehenausmehrerenfigürlichenPerspektiven geschildertwird.DabeistelltTraudlJungesSichtweisesicherlichdiewichtigsteundamhäufigsten verwendeteFormdar,wieanhandeinigerFaktorenersichtlich wird: Zunächst fungierte, neben

FEST s historischer Vorlage, vor allem JUNGE s Buch Bis zur letzten Stunde als Basis des Films.

Zudem scheint die Filmhandlung um die Figur der Sekretärin herum aufgebaut zu sein. Die

Problematik,einenFilmnurmitdemFokusaufHitlerzuproduzieren,wurdeinsoferngelöst,als dassmitJungeeineIdentifikationsfigurgeschaffenwurde,diedieZuschauersympathischfinden undderenVerhaltennachvollziehbarerscheint.

DieBedeutungvonTraudlJungesFilmfigurwirdauchdurchdendramaturgischenAufbau ersichtlich: Der Untergang wird von zwei Interviewmitschnitten der echten Junge aus der

Dokumentation ImtotenWinkel umrahmt.DamitwirdnichtnurdasInteresseanihrerPersonbzw.

Filmfigur,geschürt,sondernaucheineBrückezwischenVergangenheitundGegenwart,zwischen

RealitätundFilmrealität,geschlagen.JungestelltimerstenMitschnittfest,dasssienochimmer, knapp60JahrenachdemKrieg,ihrdamaligesVerhaltennurschwereinordnenundbeurteilen kann:„IchhabdasGefühl,dassichdiesemkindischenjungenDingböseseinmussoderdassich ihmnichtverzeihenkann,dassesdie...dieSchreckendiesesMonsternichtrechtzeitigerkannt

49 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler hat“( DerUntergang 0'13''24'').Obwohlsieversteht,dassihrdamaligesVerhaltenaberebenfallsauf

Neugierzurückzuführenist,erklärtsie:„Undtrotzdem,esfälltmirschwer,mirdaszuverzeihen“

(Der Untergang 0'54''57''). Durch einen ähnlichen Mitschnitt wird der Film auch abgeschlossen:

Jungeberichtet,dasssieimNachhineinvondenTaten,dievomnationalsozialistischenRegime

verbrochenwurden,erfahrenhabeundgibtzu:„AberichhabenochnichtdenZusammenhang

hergestelltmitmeinereigenenVergangenheit“ (DerUntergang 168'44''48'').Sieerkennenichtihre

eigeneSchuld,wobeiihraber,alssieaneinerGedenktafelfürSophieSchollvorbeigegangensei,

bewusstwurde,dassNaivitätnichtvoreinerMitschuldoderGewissensbissenschütze:„Undin

demMomenthabeicheigentlichgespürt,dassdaskeineEntschuldigungist,dassmanjungist,

sondern dass man auch hätte vielleicht Dinge erfahren können“ ( Der Untergang 169'19''31'').

DieserRahmenistdramaturgischwichtig,deuteterdochgleichaufdiePerspektivedesFilmshin

und lässt eine Nähe zwischen Film und Publikum entstehen. Zudem wird von Beginn an der

Eindruckvermittelt,dassdieFilmhandlungausSichteinerMittzwanzigeringeschildertwird,die

aufgrundihresAltersundfreundlichenAuftretensalssympathischeFigurbetrachtetwird,mitder

sichderZuschauergernidentifiziert.

Ein Großteil der Filmhandlung wird also aus der Sicht Traudl Junges erzählt, doch

danebensindesauchandereFiguren,derenPerspektivendasPublikumzusehenbekommt.Diese

wechselndennarrativenPerspektivenbewirkeneineKonfrontationmitwechselndenSichtweisen,

diezwarkeineAllwissenheitfürdenRezipientenbedeuten,dieeraberdurchKontextualisierung

zueinemGesamteindruck,derausverschiedenenPuzzlestückenzusammengefügtwird,formen

kann.DieseInformationen,dievonverschiedenenFigurenverteiltwerden,dramatisierendenPlot

undbewirkenzudemeineAktivierungdesPublikums,dasanmanchenFilmstellendemWissens

stand der Filmfiguren voraus ist. Ersichtlich wird dies bspw. an Himmlers und Fegeleins

Gespräch, in dem sich Himmler über mögliche Verhandlungen mit den Alliierten auslässt und

50 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler seinenAdjutantendarüberinKenntnissetzt(Sequenz6).DerZuschauererhältandieserStelle

Informationen,diedenBunkerbewohnernundinsbesondereHitler,verborgenbleiben.

ÄhnlichistesauchmitdemfiktivenHandlungsstrangumdenHitlerjungenPeterKranz, dersichnurfürdieZuschauererschließtundausdessenPerspektivedieSituationdeszerstörten

BerlinsundderZivilbevölkerungersichtlichwird.EineVerbindungdieserParallelhandlungzuden

Bunkerbewohnern wird bspw. inSequenz11,Ehrungder Berliner Hitlerjugend, oder 48, beim gemeinsamenÜberquerenderrussischenLinienJungesundKranz’amFilmende,gegeben.

WeiterefigürlichePerspektivensindvorhandenundergebendamiteinenGesamtkontext, der auf mehreren Sichtweisen basiert und somit einen guten Überblick anbietet. Neben diesen unterschiedlichenpersonalenSichtweisengibtesaberauchnichtfigürliche.Diesewerdenbspw. eingesetzt, um einen relativ neutralen und informativen Blickwinkel zu zeigen. Dies findet

Verwendung bei einigen Szenen, die Hitler abbilden und dem Publikum eröffnen, dass Hitler krank oder zumindest geschwächt ist, wie seine zuckende Hand beweist. Diese Hand ist zwar oftmalsauchfürandereFilmfigurenersichtlich,dochmanchmalauchnurdurchdenKamerablick fürdenRezipientenzuerkennen,wodurchdieserübereinenInformationsvorteilverfügt(bspw.

Sequenz5und11).

DanebenistesvorallemdieBetrachtungdesoptischenPOV ,derbei DerUntergang von

Interesse ist. Hierbei fällt auf, dass derFilmzwischeneinerrelativobjektivenundeinerwahr nehmungssubjektiven Informationsvergabe unterteilt, womit verschiedene Strategien verfolgt werden.WährenddieeherobjektivenAnnäherungenderKameradasGeschehenüberblicksartig und allgemein darstellen, also sozusagen die Grundlage visualisieren, wird mit der subjektiven

Informationsvergabe eine starke Involvierung des Publikums bewirkt. Diese Art der Kamera führungwirdin DerUntergang mehrfachangewendetundbewirkteineemotionalereVermittlung desGezeigten.VorallembeiTraudlJungefindetdieseVorgehensweiseVerwendung,derenVer

51 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler haltenanhanddieserPersonalisierungsichscheinbardirektaufdenZuschauerüberträgtundbei diesemdasGefühlentstehenlässt,‚durchihreAugen‘zusehen.DiedetaillierteBetrachtungder folgendenzweiSequenzenkanndieseindringlichveranschaulichen.

Sequenz25istzwarziemlichkurz,veranschaulichtaber,dassJungessubjektiveSichtdes

Geschehensdargebotenwird.JungebetrittlautlosHitlersArbeitszimmerundbemerkterstnach kurzerZeit,dasssichdieserindemabgedunkeltenRaumaufhält.Sieistsichtlichüberrascht,wie eine Großaufnahme ihres Gesichts zeigt. Die folgende Einstellung, die einen Blick ‚durch ihre

Augen‘,alsoihrePerspektivegewährt,zeigtHitler,dernachdenklichaufeinemStuhlsitztund gebannt auf etwas zu starren scheint. Daraufhin wird wiederum Junges Gesicht in einer Nah aufnahmeabgebildetundgezeigt,wieihrBlickzudemMotivwandert,welchesHitleranzustarren scheint.EinerneuterPerspektivenwechsel,derwiederumdenBlick‚durchihreAugen‘markiert, präsentiert ein Portrait FriedrichsII. Diese Vorgehensweise, die als klassischer POVShot bezeichnetwird,wechseltwiederholtzwischenFigurundObjekt,dramatisiertundemotionalisiert dasGeschehen.ErstmitderletztenEinstellungderSequenzwirddieSpannungundIdentifikation

wieder durch einen objektiven Kamerablick abgelöst, in dem durch eine Totale ein Gesamt eindruckdesRaumsvermitteltwirdundeinennachdenklichsowieinsichgekehrtenHitlerzeigt, deranseinemSchreibtischsitztundzudemdarüberhängendenPortraitFriedrichII.aufblickt.

Unterstützt wird dieser Spannungsaufbau zudem durch die völlig dialog und geräuschlose

Aufmachung der Sequenz. Die Darstellung dieser Szenen wirkt so eindringlich, weil Junges subjektiveWahrnehmunggezeigtundvermitteltwird,diedarstellt,dassdiesesVerhaltenfürsie erstaunlichist,weshalbeseineähnlicheReaktionauchbeimPublikumauslöst.

DieFrage,diesichdabeiwahrscheinlichalserstes stellt, ist die folgende: Inwiefern ist diese Betrachtung eines Gemäldes entscheidend und was sagt es über die Person Hitler aus?

FriedrichII.istalsgeschickterKriegsführerindieGeschichteeingegangenundsollfürHitlerals

52 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Vorbildgedienthaben.MitderSequenzwirddieserVermutungRechenschaftgezollt,weshalbdas

Portrait wohl in die Filmhandlung integriert wurde. Die Nähe zu FriedrichII. wurde schon in

Sequenz19 von Eva Braun angesprochen, die Hitler wegen seines dreckigen Mantels darauf hinweist, dass er nicht alles dem ‚Alten Fritz‘, wie FriedrichII. auch genannt wurde, nachzumachen brauche. Es kann also unterstellt werden, dass die Filmemacher die Bedeutung

FriedrichII.fürHitleraufzeigenundzudemauchbekräftigenwollten,dassselbsteinePersonwie

HitlereineArtVorbildhatte,zudemeraufblickte.NichtnurdiemilitärischenErfolgealsauch

Niederlagen, sondern auch das Interesse FriedrichII. an Kunst und Kultur könnten eine

Verbindungherstellen,diezwischendiesenbeidenMännernbesteht.Vielleichtsindesaberauch dieEhreundderRespekt,derihmentgegengebrachtwurden,denenHitlernacheifert.

EswirdalsoindieserSequenzdasBildeinesMannskonstruiert,dereinemVorbildnach zueifernscheint,auchwenndiessicherlichnurineinembegrenztenRahmengilt.Eskannspeku liert werden, warum Hitler, der an einem Punkt angelangt ist, an dem er dem eigenen Tod entgegenblickt,diesesBildbetrachtet:VielleichtkommterdurchBetrachtungdiesesPortraitszur

Ruhe, erhält eventuell Antworten auf Fragen, schwelgt in Erinnerungen, erinnert sich seiner

TräumeundVisionenoderhältZwiesprache.WahrscheinlichsindesmehreredieserAspekte,die ihnverleiten,jenesPortraitanzustarren.

Noch eindringlicher ist Traudl Junges wahrnehmungssubjektive Perspektive aber kurz nach Hitlers und Brauns Suizid erkennbar, als ‚durch ihre Augen‘ der Tatort des Geschehens gezeigtwird.DieganzeSequenzwirddurchJungegerahmt,dasiesowohlindererstenalsauch letztenEinstellungabgebildetist,wodurchfürdieganzeTötungsszenedasGefühlentsteht,ihren

Eindruck vermittelt zu bekommen. Der Tatort des Suizids selbst wird dann durch einen klas sischenPOVShotvisualisiert:JungeläuftlangsamdenFlurzuHitlersArbeitszimmerentlangund ihr beklommener Gesichtsausdruck wird in einer Großaufnahme gezeigt. Sie nähert sich dem

53 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

RaumundschnellwechselndeEinstellungenermöglichenentwederdenBlickaufihrGesichtoder aberdenBlick‚durchihreAugen‘aufdasObjekt,welchessieerblickt.DerZuschauerbekommt durch diese wahrnehmungssubjektiven Kameraeinstellungen Eindrücke und Details – unter anderemeinmitBlutverschmiertesKopfkissen,zweiPistolensowiePatronen,Blut,EvaBrauns

Brokattasche–desZimmersgezeigt,dieihmvorhernochnichtbekanntwaren.DieAnnäherung und Betrachtung des Raums wird von einem dumpf klingenden Ton, der etwas lauter wird, begleitet,waszusätzlicheDramatikbewirkt.DasGesehenescheintaberfürTraudlJungezuvielzu sein,siefängtanzuwürgenundrenntausdemZimmer.DieseVisualisierungdesTatortsaus

Junges subjektiver Sicht hat eindeutig einen dramatisierenden und vor allem auch emotio nalisierenden Effekt, da der Selbstmord Hitlers durch eine persönlich betroffene Figur gezeigt

wird.DamitfindeteinestärkereInvolvierungdesPublikumsstatt,dievorallem,daessichum

Junge,alsodieIdentifikationsfigurdesFilmshandelt,kritischbetrachtetwerdenmuss.

DeroptischePOVwirdinnerhalbderFilmhandlungentwederauseinerrelativobjektiven oderauchauseinersubjektivenPerspektivegezeigt.DabeiistnichtnurJungesPerspektiveab gebildet,wobeidieseamhäufigstenVerwendungfindet,sonderndasGeschehenwirdauchvon anderen Figuren aus ihrer persönlichen Sichtweise geschildert (bspw. das Gespräch Hitlers mit

HaaseunddieanschließendeTötungdesSchäferhundswirdausderSichtSchencksge zeigt), was eine Verschmelzung der Handlung mit den Eindrücken einer persönlichen

Wahrnehmungbedeutet,diedeshalbaufalleFällenichtmehralsneutralangesehenwerdenkann, sonderneinenspezifischenBlickofferiertundsomitaucheinespezifischeWirkungauslöst.

Die Betrachtung des narrativen als auch optischen Point of View zeigt, dass in Der

Untergang verschiedeneVerfahrenangewendetwerden:DernarrativePlotwirdausmehrerenPers pektivenwiedergegeben,wodurcheineDramatisierungdesGeschehensbewirktwird.Auffälligist aber,dassimmerwiederzurPerspektiveTraudlJungeszurückgekehrtwird,wasderenBedeutung

54 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler fürdenFilmunterstreicht.DieBetrachtungdervisuellenUmsetzungergibt,dasssowohlobjektive alsauchwahrnehmungssubjektiveVorgehensweisenangewandtwerden,wodurchTeiledesFilms eher neutral und informativ wirken, während andere Sequenzen aufgrund ihrer Perspektiven gestaltungemotionalaufgeladensind.AuchhierbeiisteinehäufigeBetrachtungdesGeschehens aus Junges subjektiver Perspektive erkennbar. Dies bestätigt noch einmal die Bedeutung der jungenSekretärin,dienichtnurdieIdentifikationsfigurdesFilmsdarstellt,sondernderenSicht weiseauchgroßteilsdurchdieFilmhandlungleitet.

3.1.3 Handlungswirklichkeiten: Innen vs. Außen

In Der Untergang wirdnichtnurdasGeschehenderBunkerbewohner,sondernauchdas derBevölkerungBerlinsabgebildet.Dabeiwirdschnellersichtlich,dassdiesebeidenGeschehen nicht nur zwei verschiedene Handlungsschauplätze darstellen, sondern man sogar von zwei differierendenHandlungswirklichkeitenausgehenkann,diekaumunterschiedlicherseinkönnten unddieambestenmitdemBegriffspaar‚innenvs.außen‘beschriebenwerdenkönnen.Auffällig ist, dass das Verhältnis von ‚innen‘ und ‚außen‘ dabei nicht ausgewogen ist, sondern sich die

FilmhandlunggrößtenteilsimInneren,alsoimFührerbunker,abspielt.ProduzentundDrehbuch schreiberEICHINGER erklärte,dasserdiesezweigegensätzlichenSeitenbeschreibenwollte,um denextremenWiderspruchdieserbeidenWirklichkeitenaufzuzeigen.

ErkennbarwirddieDiskrepanzderzweiWeltenanhandverschiedenerSzenen,dieent wederdenBlicknach‚innen‘odernach‚außen‘gewähren.AuffälligeExempelsinddieimBunker vorgenommenen Geburtstagsvorbereitungen für Hitler,dieinSequenz3,alsogleichzuBeginn des Films, stattfinden. Draußen wird Berlin beschossen und die Detonationen sind bis in den

Bunker sowohl hör als auch fühlbar, doch Eva Braun, Hitlers langjährige Geliebte, bereitet trotzdemeinenGeburtstagskuchenfürdenFührerzu.AuchinSequenz13willBraundenKriegs

55 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler umständentrotzenundorganisierteinFestfürdieBunkerbewohner.DiesefolgenderEinladung auch gern, doch mehrere Einschläge zerstören die Feier und lassen alle zurück in denBunker fliehen.DieAnkunftderGoebbelsKinderimBunkerundihrspäteresSingen,zunächstfürHitler, späteraberfürauchdieanderenBunkerinsassen,vermittelndenEindruckeinesUnterhaltungs programms,welchesangesichtsderbedrohlichenSituationaußerordentlichmakaberwirkt.

AuchdieweiterenZuständeinnerhalbdesBunkerslassennichtdenEindruckentstehen, dassmansichimBelagerungszustandbefindet,dabspw.dieStromundWasserversorgungzu mindestmeistensgewährleistetscheinen.NatürlichsindkurzzeitigeAusfällezuverzeichnen,doch imGroßenundGanzenstelltdieskeinMankodesBunkerlebens dar. Auch muss niemand an

Hungerleiden,wieeinigeSzenen,indenengegessenundgetrunkenwird,belegen.Diesstehtin krassem Widerspruch zu den Bildern,diediezerstörteStadtBerlinzeigenundindenensogar einmalzusehenist,wieeinPferdekadavervonZivilistenaufgeschnittenwird.

InsgesamtbetrachtetscheintdasLebenimFührerbunker seinen normalen Verlauf zu nehmenundwirddurchkeinegrößerenGeschehnissebeeinträchtigt.DievernehmbarenDeto nationenwirkenaufgrunddesweitunterderErdeliegendenBunkertraktszuweitentfernt,alsdass siewirklicheineEinschränkungdesunterirdischenLebensbewirkenkönnten.ErstdieResignation

HitlersmitdemEingeständnis,dassderKriegverlorensei,bedeutetfürdieBunkerinsasseneine kritischereAuseinandersetzungmitderAußenrealitätundderZukunft,wiebspw.ineinemGe spräch der beiden Sekretärinnen Junge und Christian gesehen werden kann. Erst das Näher kommen der feindlichen Armeen wie auch die zunehmenden Wutausbrüche Hitlers, die einen siegreichenKriegsausgangimmerunwahrscheinlicherwerdenlassen,zerstörenmehrundmehrdie letztenHoffnungen.SchonungsloswerdensienunmitderbrutalenRealität,inderdasdeutsche

VolkalsauchdieSoldatenschonlangeleben,konfrontiert.

56 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

DieäußereRealitätscheintderinnerenkonträr,weilderKriegundmitihmLeidundTod allgegenwärtig sind und das alltägliche Leben der Menschen betrifft. Nicht nur wird die Zer störung Berlins gezeigt, sondern auch das Ausharren der Bevölkerung in Luftschutzbunkern, sobalddieSirenenlosheulen.ZudemwirddieWirklichkeitdesKriegsmitTotenundVerletzten abgebildet,diesichaußerhalbdesBunkersabspielt.AuchdasdämmerigeLichtunddieStaub wolken, die über Berlin hängen, verdeutlichen den Zustand der Stadt, die kurz vor der Kapi tulationsteht.ObwohlTeiledesBunkersalsLazarettdienen,kanndiesnichtals‚innere‘Realität angesehenwerden,dadieBunkerbewohnerdieseRäumlichkeitennichtaufsuchenundsomitkeine

Berührungspunktevorhandensind,diesieüberdenKriegundseineFolgeninformieren.

ÄußereundinnereRealitättreffenzwarmanchmalerbarmungslosaufeinander(bspw.Fest vonEvaBraun),dochscheineneinigederBunkerbewohnerdurchdenSchutzdesBunkersdie sichdraußenabspielendeWirklichkeitnichtzuerkennenundstattdessenimmernochdennaiven

Glaubenzuhaben,dassesdochnocheinenUmschwunggebenkönnte.Diesliegtaberauchan derPersönlichkeitHitlers,derdurchseinerhetorischenFähigkeiten,seineÜberzeugungsarbeitals auch seinen unerschütterlichen Siegeswillen die Hoffnung der Bewohner nährt.ErstderSuizid

Hitlers und die anschließende Flucht offenbaren vielen der Bunkerbewohner die Brutalität des

Kriegs,diesieindiesemAusmaßnichtunbedingterwartethatten.Ersichtlichwirddasbspw.an

Junges Reaktionen bei ihrer Flucht,alssieungläubigdievielenVerletztenundToten,alsodie

‚echte‘RealitätderAußenweltsieht.

Der Untergang offenbart somit zwei sich kontrastierende Handlungswirklichkeiten: Die

‚innere‘ des Bunkers und die ‚äußere‘ der Stadt Berlin, die in einem extremen Widerspruch zueinanderstehen.DieInnenweltdesBunkersmutetdabeischonfastirrealan,dadasPublikum

überdasWissenverfügt,welcheAusmaßeundFolgenderZweiteWeltkrieghatte,weshalbdiege zeigteRealitätdesBunkersunwirklichunddasBenehmenderBewohnerkaumnachvollziehbarist.

57 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

3.2 Figurenanalyse – Die Darstellung der Figur Adolf Hitler in Der Untergang

DieKontroversebei DerUntergang drehtesichvorallemumdenFakt,dassHitlerimFilm

nicht nur als Führer, sondern auch als Privatperson bzw. Vorgesetzter (im nichtmilitärischen

Bereich)gezeigtwird.DasZeigendieserFacettenließnämlichdieBefürchtungaufkommen,dass

dadurchein‚geschöntes‘BildHitlersentstehenwürde,welchesdieWirklichkeitverzerreundeinen

falschen oder zu ‚netten‘ Eindruck seiner Person hinterlasse. Um herauszufinden, welcher

GesamteindruckHitlersim Untergang demonstriertwird,wirdnachfolgendsowohldieDarstellung

derHitlerFiguransichalsauchdasdurchdieweiterenFilmfigurenvermittelteBilduntersucht.

3.2.1 Aspekte des Führers

In Der Untergang werden viele Facetten Adolf Hitlers gezeigt und einige davon

klassifizieren ihn eindeutig als Führer des Deutschen Reichs. Dabei ist diese Rolle anhand

mehrerer Aspekte ersichtlich, wobei die wichtigsten, die im Film demonstriert werden, seine

Macht/Autorität, seinen Durchsetzungswillen, seine Rücksichtslosigkeit, seine Brutalität oder

seinenAntisemitismusdarstellensowiedieihmvonanderenFigurenentgegengebrachteEhreund

denGlauben,wiedieUntersuchungderfolgendenSequenzenbelegt.

MehrereSzenendesFilmszeigen,dassHitlernochimmerderunumschränkteHerrscher

istundseineMacht undEnergieungebrochensind.Dieswirdbspw.indenSequenzen3,9,17,27

und37deutlich,dieihninBesprechungenzeigen,in denen das weitere militärische Vorgehen

besprochenwird.TrotzschlüssigerArgumentationundderRatschlägeseinesStabsreagiertHitler

nichtdarauf,sondernwittertoftmalsgleichVerratundBetrugseinereigenenLeute.Energisch

undmitoftmalsunbändigerWutformulierterseineBefehleundistdabeiArgumenten,dievon

seinemMitarbeiterstabhervorgebrachtwerden,kaumzugänglich.Vertrauenscheinternurinseine

eigenenFähigkeitenzuhabenundunterstelltseinenGenerälenUnfähigkeitundUnwissen:„Man

58 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler müsste die ganze Luftwaffenführung sofort aufhängen“ ( Der Untergang 8'01''05''). Mit zu nehmender Spielfilmdauer scheint er unkontrollierter und irrationaler zu agieren. Gleichzeitig schwankt er aber auch zwischen unerschütterlichem Glauben an einen doch noch möglichen

‚Endsieg‘oderaberprophezeitdenkaumnochvermeidbarenNiedergangdesdeutschenReichs undVolks.DieBesprechungssequenzenähnelnsichstark,weshalbzurnäherenBetrachtungnur zweiSequenzenausgewähltwurden,dieHitlersVerhaltenexemplarischaufzeigensollen.

In Sequenz9 wird eine Lagebesprechung gezeigt, bei der Hitler, umringt von seinen

Führungskräften, über die Kriegslage informiert wird. Dabei wird eindrucksvoll die klaustro phobisch anmutende Enge des Führerbunkers durch die Kamera veranschaulicht: Die Kamera zeigtvonobendenLageraumundoffenbart,wiedichtaneinandergedrängtdieMilitärsumeinen

Tischherumstehen,aufdemeineLandkarteausgebreitetist.NurHitlerundHermannGöring,

Oberbefehlshaberderdeutschen,sitzenanzweiSeitendesTischsundwerdensomit sofortalszentraleFigureneingeführt.HitleristdabeialsdaswirklicheZentrumzusehen,daihm allePersonengegenüberstehenundihreAugenaufihngerichtetsind.Hitlererhältunerwünschte

Informationen,woraufhinerungeduldigeinenseinerGeneräleunterbrichtundbedingungslosen

Einsatz fordert,derdurcheinen„rücksichtslosen, mitallerKraftgeführtenGewaltschlag“( Der

Untergang 18'47''49'')gegendierussischeArmeezustandegebrachtwerdensolle.DieBedenken deranwesendenMilitärs,dieihnaufdieimmerstärkerdezimiertenundschwindendenEinheiten aufmerksam machen, wischt er mit einer Handbewegung fort. Er duldet keinen Widerspruch:

„HabenSienochZweifelanmeinemBefehl?Ichglaube,ichhabemichklargenugausgedrückt“

(DerUntergang 19'40''42'').DieUmstehendenreagierenmitSchweigenaufdiesenAusbruch.

Sequenz17,dieersteHandlungseinheitdesHauptteils,istderzuvorbeschriebenenähnlich und unterstreicht nochmals, über welche Autorität Hitler verfügt und wie sehr er sich immer wieder BetrugundVerratausgesetztsieht.DieseSequenz ist aber zudem von entscheidendem

59 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Interesse,daHitlerzumerstenMaldenGewinndesKriegsinFragestelltundamEndederDis kussionzusammenbrichtundresigniert,wasalsSchwächeausgelegtwerdenkann,dieeigentlich nichtzuseinemüblichenGlaubenansichundden‚Endsieg‘passt.DiesePhaseistabernurvon kurzerDauer,wiesichimweiterenVerlaufderFilmhandlungherausstellt.

Hitler bespricht mit seinem Führungsstab das weitere militärische Vorgehen. General

KrebsunterrichtetihnüberdieneuestenmilitärischenErfolgederrussischenArmee,woraufer

aberkeineerkennbareReaktionzeigt.ErstdieInformationdesGeneralsJodl,dasseinvonHitler

geforderterAngriffnichterfolgtsei,bewegtetwasinihmunderwirdwütend.Hitlergreiftmitder

linken Hand, die dabei heftig zittert, nach seiner Brille und setzt sie ab, was durch eine

NahaufnahmeseinesProfilsvonderKameraeingefangenwird.MitstoischemGesichtsausdruck

verweisterdenGroßteildesMilitärsdesRaums:„EsbleibenimRaum:Keitel,Jodl,Krebsund

Burgdorf“( DerUntergang 41'13''14'').DasVerlassenderMehrheitderanwesendenPersonenim

RaumwirddurcheinehinterHitlerpositionierteKameragezeigt,diedenRaumüberblicksartig

erfasst.Hitlerbrüllt,unmittelbarnachdemdieTürgeschlossenwurde,los:„DaswareinBefehl!

DerAngriffSteinerswareinBefehl.WersindSie,dassSieeswagen,sichmeinenBefehlenzu

widersetzen?Soweitistesalsogekommen...“( DerUntergang 41'33''43'').DiePräsentationseines

AntlitzesinGroßundNahaufnahmenoffenbartseineReaktionen:Wildgestikulierendundmit

ruckartigen Bewegungen seines Körpers verleiht er seinem Ausbruch noch mehr Nachdruck.

Seine Stimme überschlägt sich und Hitler entlädt seine ganze Wut an den Anwesenden, die

zunächstnichtverbalreagieren,sondernnurdenBlicksenken.GeneralBurgdorfjedochwagtes,

denFührerzuunterbrechen,wobeidieGroßaufnahmezeigt,welchÜberwindungihndaskostet.

Docherkannesnichtzulassen,dassalleSoldatenvonHitlerals„Feiglinge,Verräter,Versager...“

(DerUntergang 41'59''42'02'')beschimpftwerden.HitlerhatsichjedochbereitsinsolcheineRage

geredet,dasserüberhauptnichtaufBurgdorfsEinwurfreagiert,sondernununterbrochenweiter

60 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler wettert.ErfährtfortundwirftdenGenerälenvor,dassihrezugebrachteZeitaufdenAkademien reineZeitverschwendunggewesenwäre,womiterihnen,ohneesauszusprechen,abertrotzdem eindeutig,unterstellt,dasssieallekeineAhnungvonderKriegsführunghätten.Ererklärt,dass von seinem Herrschaftsbeginn an dieOffiziereihnbei seiner Arbeit nur behindert hätten und erklärt: „Ich hätte gut daran getan, vorJahrenalle höheren Offiziere liquidieren zu lassen wie

Stalin“( DerUntergang 42'28''32'').InseinerWutundAggressivitätlegterdar,dassnureralleinfür denErfolgdererstenKriegsjahreverantwortlichgewesensei:„IchwarnieaufeinerAkademie, unddochhabeichallein...alleinaufmichgestelltganzEuropaerobert“( DerUntergang 42'45''51'').

Die Reaktionen der anwesenden Offiziere, die sich verstohlen anblicken, werden zwischen die

AufnahmenHitlersgesetzt,umeineAktionsReaktionsMontagezugestalten.Hitlersprichtweiter undwirftseinenMilitärsvor,dasdeutscheVolkbetrogenzuhaben.DochdieVerantwortlichen würdendafürbüßen,wieeraufdrastischeArtundWeisedarlegt:„AberalledieseVerräterwerden bezahlen....MitihremeigenenBlutwerdensiebezahlen...Siewerdenersaufeninihremeigenen

Blut“ ( Der Untergang 43'08''13''). Hitlers Wortwahl ruft erschrockene Blicke der Umstehenden hervor,dieimmerwiedervonderKameragezeigtundzwischendieBilder,dieHitlersAusbruch dokumentieren,gesetztwerden.

HitlersacktnachseinemAusbrucherschöpftinsich zusammen und fährt nach einer

Verschnaufpause,inderkeinerderAnwesendenetwasgesagthat,mitleiserStimmefort:„Meine

BefehlesindindenWindgesprochen...Esistunmöglich,unterdiesenUmständenzuführen...Es istaus“( DerUntergang 43'28''34'').BeidiesenWortenisterwieausgewechselt:Kurzvorhernoch durchdenRaumgelaufenunddabeiwildumsichschreiend,sitzternungekrümmtundmitdem

BlicknachuntengerichtetaufseinemStuhl,wasdurcheineseitlichvonihmpositionierteKamera erfasstwird.DieKamerabilderderOffizieredokumentierendasEntsetzen,welchessiebeiHitlers

Worten erfasst. Doch Hitler legt noch einmal nach und teilt seinem Führungsstab mit leiser

61 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Stimmemit:„DerKriegistverloren“(DerUntergang 43'49''50'').DieKamera,dievonderSeite eine Großaufnahme Hitlers aufnimmt, vermittelt dabei eindrucksvoll das Bild des in sich zu sammengesunkenenFührers.NacheinemkurzenMoment,indemdasGesagtewieeineGewitter

wolkedenRaumzuverdunkelnscheint,setztHitlerhinzu,wasdieseFeststellungbedeutet:„Aber

wennSie,meineHerren,glauben,dassichdeswegenBerlinverlasse,irrenSiesichgewaltig!Eher jageichmireineKugeldurchdenKopf!“( DerUntergang 43'58''44'04'').DieGroßaufnahmebildet ab,welcheAnstrengungesihnkostet,dieseWortezugestehenundzeigt,wieerweiterinsich zusammensacktundverlorenamTischsitzt.HitlersVortrag,dervonniemandemunterbrochen

wurde,endetmitderMitteilung:„TunSie,wasSiewollen...“( DerUntergang 44'13''15'').

Sequenz17istinhaltlicheinederSchlüsselsequenzendesFilmsundbestichtdabeiauch aufgrundihrerfilmischensowiedramaturgischenUmsetzung.HitlersWutausbruchunddiedabei entstehendeDynamikwerdengeschicktdurchdieVerwendungeinerHandkameraundschnelle

Einstellungswechselgestaltet.ZudemermöglichtdieHandkameraeinefastschonintimwirkende

NähezudenFiguren,wiediesbeiHitlersFeststellung,dassderKriegverlorensei,nötigist,um dieAtmosphäreso‚echt‘wiemöglichzuerfassen.

DiesebeidenbesprochenenSequenzenverdeutlicheneindrucksvoll,welcheAutoritätund

MachtHitlerbesitzt:SeinWortistBefehlunddiesemistwiderspruchsloszufolgen.Fehlersiehter beidenanderenundnichtbeisich,wieeraufdrastischeArtundWeiseformuliertunddieeigene

Person dagegen als unfehlbar und ‚Alleinkämpfer‘ betrachtet, der immer nur von anderen auf seinemWegbehindertwurde.IstdieerstebeschriebeneSzeneabernochvonunbändigemSieges

willengeprägt,sohinterlässtdiezweiteSequenzdenEindruck,alsobderFühreraufgegebenhätte undselbstnichtmehranden‚Endsieg‘glaubenkönne.BeideSzenenzeigenabertrotzdemdie

AutoritätHitlers,dieungeschränktzuherrschenscheint.DieserEindruckistnichtnuraufgrund derDialogeerkennbar,sondernerfährtdurchdiefilmischeUmsetzungnocheineVerstärkung.

62 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

NebenseinemBildalsmächtigerundautoritärerFührerwirdderEindruckseinerPerson auchdurchdieCharaktereigenschaftenRücksichtsundMitleidslosigkeit geprägt.Nichtnurgegen

überdemFeind,sondernauchgegenüberdeneigenenSoldatenoderderZivilbevölkerungoffen barterBrutalitätundEmotionslosigkeit,wiediefolgendenzweiSzenenerkennenlassen.

InSequenz9ernenntHitlerGeneralMohnkezumKampfkommandanten Berlins, der somitfürdieSicherungdesRegierungsviertelsverantwortlichist.MohnkeakzeptiertdiesenPosten ohneWiderspruch,dochweisterstockendaufdieNotleidendeZivilbevölkerunghin,wasHitler aber sofort abwiegelt:„IchversteheIhreBedenken,aberwirmüssenauchdaeiskaltsein.Wir können jetzt keine Rücksicht auf sogenannte Zivilisten nehmen“ ( Der Untergang 21'42''48'').

MohnkeserneuterVorstoß„MeinFührer,beiallemgebotenenRespekt,gestattenSiedieFrage:

Was soll aus den Frauen und den Kindern werden? Den Tausenden von Verletzten und den

Alten?“( DerUntergang 21'50''56'')wirdvonHitleroffensichtlichbewusstignoriert.

In einem später stattfindenden Gespräch mit dem Rüstungsminister Albert Speer

(Sequenz14)unterstreichtHitlernochmals,dassmanrücksichtslosseinmüsseundredetdavon, dassderFeindnurzerstörtesGebietvorfindensolle.SpeersEinwurf,dassdieseVorgehensweise

„dasTodesurteilfürdasdeutscheVolk“( DerUntergang 26'31''32'')bedeute,löstbeiHitleraber keinMitleid,sonderneherdasGegenteilaus:„WennderKriegverlorengeht,istesvollkommen wurscht,wennauchdasVolkverlorengeht...“( DerUntergang 26'47''49'').Erregtschüttelterdabei denKopf.Fürihnistessinnlos,RücksichtzunehmenoderMitleidzuhabenunderberuftsich aufdievonCharlesDARWIN (18091882)entwickelteTheoriederEvolutionunddemdarinent haltenenPrinzip‚Survivalofthefittest‘:„DenndasVolkhatsichalsdasschwächereerwiesen,und esistnureinNaturgesetz,dassesdannebenausgerottetwird“(DerUntergang 27'00''03'').Speer senktresigniertdenKopfundweistdaraufhin,dassHitlervomdeutschen,also‚seinem‘Volk spreche.HitleraberignoriertdieseAussageundschautabwechselndzuSpeeroderinsLeere.Er

63 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler stelltfest:„WasnachdiesemKampfübrigbleibt,sindohnehinnurdieMinderwertigen,denndie

Gutensindgefallen“( DerUntergang 27'08''10'').

HitlerinseinerFunktionalsFührernimmtkeineRücksicht,sondernVerlustesindfürihn

einkalkuliert.Mitleidscheintihmunbekanntzusein,wieerklarformuliertunderkannkeinen

Wert eines Volks erkennen, das besiegt oder zurückgeschlagen wird. Seiner Meinung nach

bedeutet eine Kriegsniederlage nicht nur den militärischen Niedergang, sondern auch den des

Volks.Hitlerstelltfest:„DasLebenvergibtkeineSchwäche...DiesogenannteMenschlichkeit...

dasisteinGeschwätzderSchweinepfaffen“( DerUntergang 87'15''17'').

DieimFilmpräsentierteFührungsfigurzeichnetsichnebendenschonzuvorerwähnten

EigenschaftenauchdurchHassgegenüberseinenFeinden ,insbesonderegegenüberJudenoder

Kommunisten, aus. Obwohl in Der Untergang nicht sehr häufig die bekannten Feindbilder abgerufen werden, so sind sie doch latent spürbar und können auch anhand einiger Szenen aufgezeigtwerden,wodurchdasHitlerBildumeinweiteresCharakteristikumbereichertwird.

HitlersAntisemitismuswirdbeieinemkleinenBankett,welcheszuEhrendesGeneral feldmarschallsvonGreim,derderneuernannteOberbefehlshaberderLuftwaffeist,undHanna

Reitsch stattfindet, aufgezeigt. Hitler erklärt: „Ich habe die Widerstände im Innern wie die

GegenwehrderFremdrassigenimmermitbrutalerHärteniedergeschlagen.Anderskannmandas nichtmachen“( DerUntergang 87'37''46'').HitlerruftmitseinenneuenPlänen,wiederKriegdoch nochzugewinnensei,ErstaunenbeidenAnwesendenhervor,wasderFührerjedochnurmitder folgenden Äußerung quittiert: „Ja, glauben Sie denn, ich schaue tatenlos zu, wie diese

Judenschweinemichabmurksen?“( DerUntergang 90'24''28'').

AuchwährenddesDiktatsseinesTestaments(Sequenz35) beschreibt Hitler nicht nur seine dreiJahrzehnteumfassendepolitischeKarriere,sondernlässtauchseinenAntisemitismus erkennen: „Es werden Jahrhunderte vergehen, aber aus den Ruinen unserer Städte und

64 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Kunstdenkmäler wird sich der Hass auf dasletztenEndes verantwortliche Volk immer wieder erneuern, dem wir das alles zu verdanken haben: dem internationalen Judentum und seinen

Helfern“ ( Der Untergang 102'52''103'08''). Diese Äußerung wird von Traudl Junge erstaunt ver nommenundeskeimtdasGefühlauf,dasssolcheineAussagefürsieneuundunbekanntsei,was aberinAnbetrachtderTatsache,dasssieschonJahrefürihnarbeitet,docheherunwahrscheinlich seindürfte.Hitler,derdieÜberraschungJungesbemerkt,fordertsiemiteinemeindeutigenBlick auf,weiterdemDiktatzufolgen.IhrErstaunenwirdauchvomPublikumwahrgenommenundes kannsichmitderFilmfigurvergleichen,daesdieseÄußerungHitlersebensoablehnt.

Dasin Der Untergang vermittelte Bild zeigt auf, welche Meinung Hitler gegenüber dem

Judentumvertritt,weshalbdieseÄußerungenaufalleFällebeiderBetrachtungdesimGesamt zusammenhangvermitteltenEindrucksbeachtetwerdenmüssen.HitlerbündeltinseinerRolleals

Führer viele Aspekte, die ihn als Herrschsüchtigen, Brutalen, Rücksichts und Mitleidlosen darstellen,derimmerundüberallseinenWillendurchsetzenundseineMachtdemonstrierenwill.

VertrauenscheinterdabeinurinsichsowieseineeigenenFähigkeitenzuhabenundsiehtgleichin jeglichemVerhalten,dassichihmwidersetzt,VerratundBetrug.SeineEnergie,mitdereragiert, ist dabei unübersehbar, aber genauso auch seine Irrationalität, die trotzdem keine öffentlichen

ZweifelseinerAutoritätzulässt.

DiesistvorallemamVerhaltenderMilitärs,wennHitlernichtanwesendist,ersichtlich.

Während sienämlichbeiseinerPräsenzzumeistschweigen und nur selten eines Widerspruchs fähig sind, so ändert sich dies bei seiner Abwesenheit. Zumindest zeigt dies ein unter den

OffizierenundGenerälenausgebrochenerTumult,indemsiesichüberdieAussichtslosigkeitdes

Kriegsunterhaltenundsichgegenseitigvorwerfen, denFührernichtwahrheitsgemäßzuunter richten. Darauf angesprochen stellt General Burgdorf aber klar, dass Hitler sichvollundganz bewusstüberdiegegenwärtigeLagesei:„GlaubenSieimErnst,derFührerweißdasnichtselbst?

65 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Aber er wird niemals kapitulieren“ ( Der Untergang 99'41''47''). Hinter Hitlers Rücken sind die

Militärs also weitaus offener und ehrlicher, doch entschuldigen sie ihr zögerliches Verhalten gegenüberihremFührerdamit,dasserdasjaauchselbstwisse.InAnwesenheitHitlerswirdalso ehernachdemPrinzipdes‚WenigeristMehr‘verfahren,dadieunumschränkteMachtnichtin

FragegestelltwirdundzudemkeinerderBetroffeneneinenWutausbruchoderähnlichesriskieren

will. Allen scheint bekannt zu sein, dass Hitler nicht gerne Widerspruch erfährt, weshalb es

vorgezogenwird,ihmgegenüberehereinmalzu‚kuschen‘alsdieeigeneMeinungzuvertreten.

Außerdemistsicherlichentscheidend,dassdieGeneräleohneihrenFührernichtagierenkönnen, alsovonihmabhängigsind.TrotzHitlerszunehmenderkennbarerRealitätsverzerrungwirdihm nichtwidersprochen,sondernererfährtZustimmung.DieMachtundAutorität,dievonHitler ausgeht, wird dramaturgisch dargestellt, indem das unterschiedliche Verhalten der Generäle bei seinerAnwesenheitoderNichtanwesenheitaufgezeigtwird.

NichtnurdieMacht,dieihmzugesprochenwird,ist am Verhalten anderer Personen ablesbar,sondernauchderRespekt,dieEhrfurchtalsauchderGlaubeunddieHoffnunganden

FührersindvorallemamBenehmenandererFilmfigurenerkennbar.DennbiszumSchlussdes

Films, also selbst über den Tod Hitlers hinaus, werden seine Attribute als charismatische

Führungsperson von anderen gesehen und ihr Verhalten darauf ausgerichtet, was teilweise makabereAusmaßeannimmt,wiediefolgendenSequenzenanschaulichbeschreiben.

DasAbschiedsdefilee(Sequenz5)bspw.zeigtdenRespekt,dendieMilitärsihremFührer entgegenbringen:DieimSaalwartenden,sichunterhaltendenPersonenwendensichbeiHitlers

Eintritt sofort ihm zu und empfangen ihn mit der dem Führer gebührenden Begrüßung, dem

HitlerGruß.DiefilmischeGestaltungdieserSzene,durcheinehinterHitlerpositionierteKamera,

verstärktdiesenEindrucknoch,dadiesegewähltePositionierungdenZuschauerfastschondas

66 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

SpektakelausHitlersPerspektivezeigt,wodurchdieKulissedersalutierendenMännerfastschon imponierendeAusmaßeannimmt.

DesWeiterenkannauchderschierunerschütterlicheGlaubeinHitleraneinerkleinen

Episodedemonstriertwerden,diekurzvorseinemSelbstmordstattfindet,alserdieÄrzteProf.

HaaseundProf.Dr.Schenckzusichkommenlässt.DiebeidenÄrztewerdenvoneinerKranken schwesterbegleitet,diebeimAnblickHitlersinTränenausbrichtunderklärt,dasssienochimmer

Hoffnunghege.Sieflehtihnan:„MeinFührer,bewahren Sie IhrenGlaubenandenEndsieg!

FührenSieunsundwirwerdenIhnenfolgen“( DerUntergang 113'01''08'').Dabeikanndiesevon der Krankenschwester getroffene Aussage wahrscheinlich exemplarisch für einen Teil des deutschenVolksgesehenwerden,dasinHitlernochimmerdenunbesiegbarenFührersieht,der diedrohendeNiederlagenochabwendenwerde.

DochnichtnurdernochimmervorhandeneGlaubeanHitleristüberraschend,sondern vorallemauchdieAngst,diedieMenschenbefällt,wennsiedarandenken,welcheFolgender

VerlustdesKriegsundvorallemderToddesHerrschershätte.Dafürstehtbspw.dieFurchtder

SekretärinChristian,dienachHitlersResignationundErkenntnis,dassderKriegverlorensei,ver unsichertfragt:„AberderChefglaubtdochselbernichtmehrdran.Wasistdenn,wennersich umbringt?Wasistdenndannmituns?“( DerUntergang 46'50''57'').DieseBefürchtungenspiegeln dieGedankenvielerwider,fürdieeinLebenohneHitlerundseineFührungfastnichtmöglich erscheintundvorallemauchdaszukünftigeLebennichtabschätzoderauchnurimGeringsten vorhersehbarist.

AlsradikalsteVarianteaber,diedieTreueundden Glauben Hitler und seinen Ideen gegenübermarkiert,könnendieverübtenSelbstmordeangesehenwerden,dienachHitlersSuizid stattfinden. Diese werden dabei entweder, wie beim Ehepaar Goebbels, aus Angst vor einem

LebenohnedenFührerunddenNationalsozialismus,begangenoderaberausfalschverstandener

67 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Loyalität dem Führer gegenüber, wie etwa bei dem jungen Obersturmführer Stehr oder dem

Diplomaten Hewel. Neben diesen Motiven spielt aber sicherlich auch, besonders bei vielen höheren Militärs oder Personen mit verantwortlichen Posten, wie bspw. dem Reichsarzt der

SchutzstaffelGrawitz,auchdieAngstvorAufdeckungderGräueltatenundderBestrafungdurch diealliiertenMächteeineRolle.

3.2.2 Aspekte der Privatperson und des Vorgesetzten

NebenderFührerpersonwerdenin DerUntergang aberauchprivateAspekteundHitlers

VerhaltenalsVorgesetzter(imnichtmilitärischenBereich)gezeigt.DabeiwirddieFilmfigurbeim fastschon väterlichanmutendenVerhältniszuseinenSekretärinnen,imvertautenUmgangmit seiner Geliebten Eva Braun, der Freude beim Singen der GoebbelsKinder als auch der persönlichen Enttäuschung bei Speers Geständnis, welcher zugibt, Befehle nicht ausgeführt zu haben,präsentiert.

HitlererweistsichimUmgangmitseinenSekretärinnen TraudlJungeundGerdaChristian sowieseinerDiätköchinFrl.ManziarlyalsangenehmerundrücksichtsvollerVorgesetzter,derdie

ArbeitseinerAngestelltenschätzt.Dieswirdnichtnuranseinemfastschonväterlichfreundlichen

VerhältnisgegenüberseinenSekretärinnendeutlich,sondernauchdurcheineinfaches„Danke“,

welcheserfürdieKochkünsteFrl.ManziarlysbeiseinemletztenEssenhat,ausgedrückt.Dieses rücksichtsvolle Benehmen wird direkt am Filmanfang gezeigt, wie in der Vorgeschichte

(Sequenz2) abgebildet wird. Interessant ist dabei, dass diese Handlungseinheit nicht nur den

UmgangHitlersmitseinenSekretärinnenexemplarischdarstellenkann,sondernauchseineerste

ErscheinungwährenddesFilmszeigt,wodurchdieSequenzeinenerhöhtenStellenwerterhält.

DieVorgeschichtebelegt,wieHitlereineneueSekretärinsucht,weshalbsichfünfjunge

Frauen imFührerhauptquartier‚Wolfsschanze‘zueinem Vorstellungsgespräch einfinden. Bevor

68 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Hitler aber überhaupt das erste Mal abgebildet wird, wird er zunächst nur von seinem Diener

HeinzLingeerwähnt,derdiewartendenFrauenwissenlässt:„IchmussSienochumeinenkleinen

MomentGeduldbitten...DerFührerfüttertebennochseinenHund.“( DerUntergang 1'48''52'').

DieFrauen,derenNervositätförmlichgreifbarscheint,zeigenihreUnsicherheitundeswirdsogar thematisiert,welcheAnredediebestesei,diesiefürdenFührerverwendensollten.Lingeschlägt ein einfaches „Heil, mein Führer“ vor und bezeichnet den Hitlergruß als unnötig. Er verweist darauf, dass sie sich für die Stelle der Sekretärin bewerben und nicht als Soldaten. Schließlich begibtsichLingezurTürundinformiertHitlerüberdieAnkunftderDamen.Derspannungs geladeneMomentdeserstenAuftrittswirddurcheinennochmaligenEinstellungswechsel,indem die Frauen aufgeregt wartend gezeigt werden, erhöht, bevor Hitler schließlich nach 2'44'' zum ersten Mal auf dem Bildschirm erscheint und in einer knapp zehn Sekunden dauernden Ein stellung allein abgebildet ist. Dabei folgt ihm die Kamera und zeigt ihn zunächst aus einiger

Entfernung (Amerikanische Einstellung), bevor sie schließlich in einer Großaufnahme sein

Gesichtfokussiert.Interessantist,dassdieKamerasichvonuntenderFigurannähert(Aufsicht), wodurchauchdasPublikumindieLageversetztwird,zuHitleraufschauenzumüssen.Hitlers erster Auftritt wirkt dynamisch und mit einem freundlichen Blick mustert er die Frauen. Er bedanktsichbeiihnen,dasssietrotzderwidrigenUmstände,dieihrTreffenbegleiten,gekommen sind,bevorersieeinzelnbegrüßt( DerUntergang 2'47''3'40'').

TraudlJunge,dieMünchnerin,hatesihmaufgrundihrerHerkunftangetanunderbittet siealserstezumTest:„Tja,Frl.Humps...dannwollenwirmal...“( DerUntergang 3'44''49'').Die

BeidengeheninHitlersArbeitszimmer,dochbevordasDiktatbeginnt,wirdzunächstgezeigt,wie

HitlerseinenSchäferhundBlondistreicheltundsogarküsst:„MeineBlonditutIhnennichts.Sie hateinenausgesprochenscharfenVerstand.ÜberhauptistsievielklügeralsdieMenschen“( Der

Untergang 4'02''12''). Junge, die sichtbar nervös ist, wird von Hitler, der sie zu mögen scheint,

69 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler abgelenktundaufgefordert,essichbequemzumachen.SchließlichbeginntdasvonHitlerrasch gesprocheneDiktat,welchemJungeversuchtzufolgen.AlssieabruptmitdemTippenaufhört,

wirdHitlersverwunderteReaktiongezeigt,wasdurchdasverwendete‚shot/reverseshotpattern‘"

(SchussGegenschussMontage)nochdramatisiertwirdunddenZuschauernermöglicht,sofortdie

ReaktionenderFigurenpräsentiertzubekommen.DeshalbwirdeinestärkereInvolvierungindas

Filmgeschehenermöglicht,wasauchdasInteressesteigert.Hitlerstehtauf,gehtzuJungehinüber

und schaut auf das von ihr getippte Blatt, das wegen ihrer vielen Tippfehler unlesbar ist und

welchesausseinerPerspektivegesehenineinerGroßaufnahmegezeigtwird.ÄngstlichsitztJunge

da,dochHitlerreagiertunerwartetfreundlichunderklärt,dasssiedasjetzteinfachnocheinmal

versuchensollten.DieabschließendeInformation,dassJungedieStelleerhaltenhat,beendetdie

Vorgeschichte.

DieseEingangssequenzhinterlässteinensympathischwirkendenHitler,derVerständnis

fürJungesNervositätaufbringtundnachsichtigreagiert.AuchimspäterenUmgangmitseinen

Sekretärinnen bleibt dieses Verhalten so, wobei aber auch manchmal ein väterlicher Ton mit

schwingt,deranzeigt,dasserJungesMeinungzwar schätzt,sieabernichtunbedingtseinVer

halten beeinflusst. Dies wird bspw. bei der ‚Germania‘ModellSequenz (7) deutlich, als Junge

ihrem Vorgesetzten rät, doch noch die Flucht aus Berlin zu wagen und sich in Sicherheit zu

bringen.IhrenVorschlagquittiertHitlermiteinemmüden„Ach,Kind,ichkanndasnicht“(Der

Untergang16'06''07'').DenAusdruck„Kind“verwendetHitlerimFilmverlaufnocheinmal,wo

durchklardieAutoritätsverhältnisseverdeutlichtwerden.Erfühltsichabergeradedeshalbauchin

gewisserWeisefürdiebeidenSekretärinnenverantwortlich,wieSequenz18zeigt,indererihnen,

nachdemerdieKriegsniederlageeingestandenhat,eineFluchtmöglichkeitofferiert:„FrauJunge,

FrauChristian.ZiehenSiesichsofortum.IneinerStundegehteinFlugzeug,dasSienachSüden

bringt....Esistallesverloren...hoffnungslosverloren...“( DerUntergang 44'45''54'').Erfühltsich

70 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler fürihrWohlergehenverantwortlich,wobeidiessoweitgeht,dasserihnenaufihreNachfragehin

Giftampullen als „Geschenk“ überreicht und sie somit nicht nur ihrem Schicksal überlässt, sondernihneneinefreieEntscheidungüberihrLebenundihrenTodermöglicht(Sequenz23).

DashierdargestellteVerhaltenHitlersvermitteltdasBildeinesVorgesetzten,dersichum das Wohlergehen seiner Angestellten kümmert und sich bewusst ist, dass er ihnen gegenüber, besondersaufgrundderTatsache,dasssieseinetwegenihrDaseinimBunkerfristenmüssen,eine

Verantwortunginnehat,dererersichnichtentziehenkann.SeinBenehmensetztsichausRück sichtnahme, Verständnis, Freundlichkeit, Zuvorkommen aber auch einem klar erkennbaren

Hierarchieverhältnis,daseinerVaterTochterBeziehungähnelt,zusammen.

HitlersfreundlichesVerhaltenwirdabernichtnur im Umgang mit seinen weiblichen

Angestelltenersichtlich,sondernkannvorallemauchanseinerRolledesLiebhabers, anderBe trachtungseinesBenehmensgegenüberseinerlangjährigenGeliebtenEvaBraun,dieihminden

FührerbunkernachBerlingefolgtist,abgelesenwerden.Ihrgegenüberkannersichfallenlassen undmussnichtnurdenmächtigenundvonallengefürchtetenDiktatormimen,sondernkannsich aucheinmalungezwungenundlockergeben,wieeinGesprächzwischendenBeiden,dassieim

BeiseinderbeidenSekretärinnenJungeundChristianführen,verdeutlicht(Sequenz19)

BraunbittetHitlerdabeiumdenKaufeinerunbeschädigtvorgefundenenBronzestatue, was Hitler mit dem Hinweis darauf ablehnt, dass es sich dabei sicherlich um Staatseigentum handle,dernichteinfachsokäuflichsei.Braunaberwidersprichtihmunderklärt,dassdasjakein

Problemfürihndarstellendürfe,wennerersteinmaldieRussenbesiegtundBerlinbefreithabe, woraufhin Hitler amüsiert auflacht: „Die Logik der Frauen!“ ( Der Untergang 49'33''34''). Hitler wirktwährenddiesesDialogsbefreitundentspannt.DieSequenz,dienichtinderKinofassungzu sehenwar,lässtIntimitätundNähezwischenEvaBraunundAdolfHitlererkennen,daBraunsich bspw.auchnichtscheut,ihnzuberühren.AußerdemzeigtdieSequenzauf,dassHitlersichnicht

71 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler nurmitAspektenbefasst,diedasweiteremilitärischeVorgehenetc.betreffen,sondernsichseine

GedankenauchumAlltäglichesdrehenunddiessomiteinfachalsSituation,dieausdemLeben gegriffenscheint,gesehenwerdenkann.

DochderFilmofferiertnichtnurdiesenAlltagsaspektdesLebenszwischenEvaBraun und Adolf Hitler, sondern zeigt auch einen intimen Moment, einen Kuss, zwischen den

Liebenden,derfürAufregung–sowohlinneralsauchaußerhalbdesFilms–gesorgthat.Die

Kussszene (Sequenz18) schließtdirektandieHandlungseinheit an, in der Hitler resigniert das

EndedesKriegsverkündethat.

HitlerbefindetsichimFlurundhatgeradeseinen beiden Sekretärinnen eine Flucht möglichkeitofferiert,alsEvaBraunzuihmtrittundseineHändeinihrenimmt:„Aberduweißt doch,dassichbeidirbleibe.Ichlassmichnichtwegschicken“( DerUntergang 45'00''02'').Hitler nimmtdiesscheinbaremotionsloszurKenntnis.Dannjedochnähertersichihrplötzlich,greift mit seiner Hand in ihren Nacken und gibt ihr einen Kuss auf den Mund. NichtnurdieAn

wesenden sind aufgrund dieses offenen Liebesbekenntnisses verunsichert und zeigen betretene

Mienen,sondernauchfürdasPublikumkommtdieselangeSzeneüberraschendundunerwartet.

FilmischistdieserintimeMomentnichtdurcheineGroßeinstellungrealisiert,sonderndurcheine distanziert wirkende amerikanische Einstellung,weshalbsiezwareinenliebevollen,aberkeinen

übertriebeneindringlichenEindruckhinterlässt.DadurchwirdaberaucheinevollständigeInvol

vierungderRezipientenvermieden,diesomitihrenAbstandzurPersonHitlerwahrenkönnen.

Kritischkannhierbeiabernatürlichgesehenwerden,dassdieseKameradistanzderHitlerFigur

Respekt zollt, welcher ihn unnahbar wirken lässt und die Möglichkeit offen hält, ihn nicht

vollkommenalsMenschen,derGefühlehat,zuenthüllen.AndererseitskanndieserAbstandaber auch verhindern, dass dieser private Augenblick ins Parodistische abgleitet und somit auch die

SeriositätdesFilmsunterlaufenhätte.DieAufregung,diedieseKussszeneinderMengeentfacht,

72 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler diebetretenwegschaut,liegtdarinbegründet,dassdieLiaisonHitlersmitBraunzwarhinlänglich bekannt,sieaberkeineöffentlicheundvorallemauchkeinelegitimierteBeziehungdarstellt.

DieKusssequenzstelltHitleralsGeliebtendar,dernachseinerErkenntnis,dassderKrieg verloren sei, sich nicht scheut, seinen Gefühlen zu folgen und Eva Braun aufgrund ihres

LoyalitätsbekenntnissesöffentlichseineLiebezuzeigen.DieReaktionen,dieerdamitverursacht, scheinenihndabeiwenigzukümmernunderbeachtetsieauchnichtweiter.FürdasPublikumist dieseSzeneschwierigzuerfassen,dadieseIntimitätnichtindasHitlerBildzupassenscheint, welches der bisherige Film aufgebaut hat. Trotzdem ist durch die filmische Umsetzung ein gewisserDistanzbereichnochvorhanden,derkeinevollständigeInvolvierunginsGeschehenbe deutet.DieFacettedesliebendenManns,derauchgeliebtwird,vermitteltabersicherlicheinen sehrprivatenAspektderFigurHitler.

AberHitlersundBraunsBeziehungisttrotzderhier gezeigten Aspekte auch proble matisch.Diesliegtzumeinendaran,dassmannichtdenEindruckerhält,dassdieseLiaisonaus zweigleichberechtigtenPersonenbesteht,sondernimFilmverlaufdeutlichwird,dassHitlerseiner

Geliebtenüberlegenundsieihmhoffnungslosverfallenzuseinscheint.DieswirdzumerstenMal inSequenz7anschaulich,alsBraundanachgefragtwird,obsieeineFluchtHitlersbefürworten würde oder nicht, und sie keine Entscheidung trifft, sondern nur schlicht erklärt: „Er ist der

Führer.Erweiß,wasrichtigist“( DerUntergang 15'59''16'02'').IhreAussagelegtdieVermutung nahe,dasssieihmundseinenEntscheidungenkomplettvertrautundsichnichtinseineAnge legenheiten, insbesondere wenn es sich um solche handelt, die ihn als Führer betreffen, einmischenmöchte.

InteressantistabernichtnurEvaBraunsAussage innerhalb dieser Handlungseinheit, sondern kurz vor ihrem zusammen mit Hitler verübten Selbstmord wird in Sequenz39 ein drucksvolldieEinstellung,diesieihremPartnergegenüberhat,abgebildet.Braunbefindetsichin

73 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler ihremPrivatzimmerundsetztsichanihrenSchminktisch,deneingerahmtesFotoAdolfHitlers– dargestellt von GANZ – ziert. Diese nicht anwesende, aber aufgrund der Fotografie imaginär

vorhandene Person wird von der Kamera fokussiert und in einer knapp fünf Sekunden lang dauerndenNahaufnahmegezeigt.DieseGestaltungvermitteltdasGefühl,dassHitler,obwohler nichtdaist,dasLebendieserFraunichtnurbestimmt,sondernauchdenMittelpunktdarstellt.

Braun betrachtet in der Abschlussszene ihr dreifach gespiegeltes Gesicht und zieht sich ihre

LippenmiteinemrotenLippenstiftnach.

AlldieseAspekte,dieHitlersundBraunsLiebesbeziehungcharakterisieren,zeigeneiner seitseinharmonisches,aberandererseitsauchhierarchischgeprägtesVerhältnis,dessensichbeide bewusstzuseinscheinenundandemsiebeideauchnichtsändernwollen.Interessantist,dass

BraunsicheigentlichvollkommenausHitlersLebenalsFührungspersonheraushältundsichnur eineinzigesMal,beiderErschießungFegeleins(Sequenz34),inseineAngelegenheiteneinmischt.

NebenderimFilmgezeigtenLiebesbeziehungzwischenHitlerundBraungibteseinen

weiterenAspektHitlers,derinnerhalbdes Untergangs vermitteltwird:seineRollealsKinderfreund .

InSequenz22wirddieAnkunftdersechsGoebbelsKindergezeigt,dievonihrerMutterdurch

dieAussicht,dasssiegleichihren„OnkelHitler“besuchenkönnen,beruhigtwerden.Kurzdarauf

wirdabgebildet,wiediesechsKinder,nunfestlichgekleidet,inHitlersWohnraumsindund„Kein

schönerLandindieserZeit...“fürdieAnwesendensingen.Hitlerschautvergnügtundhatdas

jüngstederGoebbelsKinderaufseinemSchoß,währenddieanderendirektumihnherumstehen.

DieDarbietungscheintihmzugefallen,wieanseinemGesichtablesbaristundauchdurchsein

späteresbegeistertesKlatschenbelegtwird.

DieEpisodemitdenKindernzeigteinenglücklichen und fröhlichen Hitler, der keine

Berührungsängstehat.AuchfürdieKinderselbstscheintesnichtungewöhnlichzusein,dasssie

ihntreffen,wieauchschonanderfamiliärenBezeichnungals„OnkelHitler“erkennbarwird.

74 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Das Bild Hitlers, das im Untergang gezeigt wird, kann noch um den Aspekt des

Hundefreunds angereichertwerden,wieimFilmmehrmalsaufgezeigtwird.SeineSchäferhündin

BlondiliebteranscheinendüberalleMaßeundbringt ihr teils mehr Gefühl entgegen alsden

Menschen. Deutlich wird das enge Verhältnis Hitlers zu seiner Schäferhündin schon gleich zu

Beginn,alserbeimVorstellungsgesprächmitJungezunächsteinpaarWorteüberdasTierverliert.

Noch klarer aber wird das bei der Tötung Blondis, die Hitler kurz vor seinem eigenen Suizid durchführenlässt.DaerseinegeliebteSchäferhündinnichtalleinzurücklassenwill,lässterdas

Tiervergiften,wobeiihmdiessonahegeht,dasserderVollstreckungderTatnichtzusehenkann undsich,ohneeinWortzuverlieren,abwendet.

Diese Episode verdeutlicht, welchen Stellenwert dieser Hund in Hitlers Leben einge nommenhat,wobeiaberderAspekt,dasserBlondisVergiftungnichtmitansehenkannvordem

Hintergrund,dasserwährendseinerHerrschaftfürMillionenvonTodesopfernverantwortlichist, doch makaber anmutet. Die emotionale Bindung scheint hier jedoch den Unterschied auszu machen,derauchschonbeidemVerantwortungsgefühl,daserseinenSekretärinnengegenüber hat,deutlichwird.

NebendiesenEindrücken,dievonHitlerinseinemeherprivatoderzumindestnichtmili tärischundpolitischgeprägtenLebenindiesemFilmangebotenwerden,istesnocheinweiterer

Aspekt,derihnmenschlichzeigtundMitgefühlbeimPublikumweckt.Hitlerwirdnämlichnicht nuralsglücklicherMenschpräsentiert,sondernhatauchmitEnttäuschungeninseinemPrivat leben zukämpfen,wiedieFilmhandlungzeigt.Dabeiwirdersichtlich,dassfürHitlerLoyalität nichtnurinseinerRollealsFührervonentscheidenderBedeutungist,sondernauchinseinem

Privatleben. Unter anderem vermitteln das die Szenen, in denen er vom aus seiner Sicht begangenen VerratGöringsundHimmlerserfährt,deutlich,dochinsbesonderedasAbschieds gesprächHitlersmitSpeerhinterlässtdenEindruckeinesenttäuschtenManns,dersichimStich

75 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler gelassenfühlt.DiesistumsogravierenderbeiderSpeerSequenz,wennmandieAusgangssituation diesesGesprächsnocheinmalüberdenkt:HitlerverehrtundschätztSpeeraufgrundseinesKunst und Architekturverständnisses und auch Speer scheint von der Führungspersönlichkeit Hitlers angetan.DochdanebenscheinensieaucheinepersönlicheVerbindungzuhaben,diehieraufdie

Probegestelltwird(Sequenz29).

DieAnfangseinstellung,diedieBegrüßungHitlersundSpeerszeigt,kannexemplarischfür das angespannte Verhältnis, das das folgende Gespräch auszeichnet, angesehen werden: Die

Kameraposition ist unterhalb der Protagonisten und filmt durch einen Türrahmen hindurch,

wodurchderBildausschnitteingeengtwird.ZudemistdasLichtetwasdiffus,danureineKerze denRaumerleuchtetundHitlersUmrissedadurchinflackerndesLichtgesetztwerden.Alssichim

HintergrundeineTüröffnetundSpeerhereintritt,zeigtHitlerkeinerleiReaktion,wasnochdurch dieVerwendungeinerSteadycamunterstrichenwird.ErstdieverzögerteHinwendungHitlerszu

Speer wird mit einem Einstellungswechsel dokumentiert: Hitler wird in einer Nahaufnahme gezeigt,dienebenseinemGesichtauchseineoffensichtlicheAbwehrhaltung,ausgedrücktdurch seineverschränktenArme,demonstriert.SeinBlickliegtfüreinenkurzenMomenteindringlichauf

Speer,bevorerdieangespannteSituationauflöst:„Esistgut“( DerUntergang 79'06''07'').

Das folgende Gespräch der Beiden wird durch eine SchussGegenschussMontage dramatisiert,wodurchHandelnundVerhaltenderProtagonistenverdeutlichtwerdenundauchfür dasPublikumguterkennbarsind.ZunächstsprichtHitler,derinderVergangenheitschwelgt:„Ich habeGroßesvorgehabt....Keinerhatmichbegriffen...nichteinmalmeineältestenMitkämpfer.

Was hatten wir für Möglichkeiten! Die Weltmacht lag zum Greifen nahe! ... Zu spät“ ( Der

Untergang 79'20''43''). Er redet im Präteritum, was eindeutig zeigt, dass er die Gelegenheit als

vorübergegangenbetrachtet.Doch,sofährterfort,erkönnesichzumindestzugutehalten,„dass

[er]dieJudenmitoffenemVisierbekämpfthabeunddendeutschenLebensraumvomjüdischen

76 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Gift gesäubert habe“ ( Der Untergang 79'49''56''),wieerbefriedigtfeststellt.Somitkönneernun auchreuelosdemTodentgegenblicken,daerdieseAufgabezuseinerZufriedenheiterledigthabe:

„Esfälltmirleichtdavonzugehen“( DerUntergang 80'00''02'').

SpeerantwortetnichtexplizitaufHitlersAussagen,bittetihnjedochdarum,auchwenner zwarseinLebenalsschonbeendetansehe,danndochwenigstensdieMenschen,seinVolk,zu schonen. Hitler reagiert verständnislos und erklärt hart: „Wenn mein eigenes Volk an dieser

Prüfungzerbricht,dannkönnteichdarübernochkeineTräneweinen...eshättenichtsanderes verdient“ ( Der Untergang 80'17''25''). Das Gespräch wird hierbei nicht nur durch die Schuss

GegenschussMontage dramatisiert, sondern auch die verschiedenen Einstellungsgrößen des

KamerabildsbewirkeneinenSpannungsaufbau:NebenNahaufnahmengibtesvieleamerikanische

Einstellungen, die Kopf und Rumpf abbilden, weshalb auch die Körperhaltung sowie

Handbewegungen eingefangen werden können und ersichtlich wird, dass Hitler während des

Gesprächs seine Hände knetet. Der Kamerafokus liegt aber eindeutig auf den Gesichtern der

Figuren,wiedievielenNahaufnahmenverdeutlichenundmitderenHilfeexplizitdasMienenund insbesonderedasAugenspielderPersonenbetrachtetwerdenkönnen.

Dabei fällt auf, dass Hitler nur selten seinem Gesprächspartner in die Augen schaut, sondern sein Blick zumeist umherschweift. Speer dagegen scheint gerade den Blickkontakt zu suchen,vorallem,alserdasWortergreift.SeineAnspannungscheintförmlichgreifbar,erräuspert sichundgesteht,dasserschonseitMonatennichtmehrdenBefehlenseinesFührersgefolgtsei, sondernsieausgesetzthabe.SpeerschautdabeiHitleran,währenddieserumherblicktundihn kaumeinesBlickswürdigt.AlsHitlerkeineerkennbareReaktionaufseinGeständniszeigt,fährt

Speer fort und erklärt: „Ich musste es Ihnen sagen“ ( Der Untergang 80'58''81'00''). Dies löst schließlicheineReaktionbeiHitleraus:Zwaräußertersichnochimmernichtverbal,dochwird seine Anspannung offensichtlich, wie das unaufhörliche Händekneten, der umherschweifende

77 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

BlickundschließlichdasZerbrecheneinesStifts,denerindenHändenhielt,belegen.Speer,der

wahrscheinlichmiteinemWutausbruchoderähnlichemgerechnethatte,wirktangespannt,doch nachdemHitlersichweiterhinnichtrührtoderäußert, fährt er fort und offenbart, dass jedoch trotzdieserZuwiderhandlungenseinepersönlicheTreueniegelittenhabe.

Hitlers anhaltendes Schweigen veranlasst Speer schließlich, sich zu erheben, woraufhin

HitlerseineSprachewiederfindet.ErverabschiedetsichsachlichvonSpeerundohneihndirekt anzublicken:„Also,Siefahren.Gut.AufWiedersehen“( DerUntergang 81'25''34'').Speerstreckt seinemGesprächspartnerzumAbschieddieHandhin,welcheHitleraberignoriert,wasszenisch interessantgestaltetist:DieKamerabefindetsichaufdergleichenHöhewiedersitzendeHitler undseinAntlitzsowieRumpffüllendenGroßteildesBildsaus.DieHandSpeers,diedannvon rechtsobenindasBildhineinragt,wirktkleinundistvorallemnichtscharferfasst,sondernes

wirddeutlich,dassHitlereindeutigimFokusderKamerasteht.DiesekurzeEinstellungverstärkt alleinschondurchihrenAufbauHitlersIgnoranzunddieablehnendeHaltunggegenüberSpeer.

BevorsichSpeerabwendet,wünschterHitlernochallesGute.HitlersBlickaberwirktversteinert undohnesichtbareReaktion.DieletzteEinstellungaber,eineNahaufnahme,zeigtdemPublikum,

wieüberHitlersWangeeineTränerollt.

DieseHandlungseinheitvermittelteinenwichtigenAspektinderBetrachtungdesHitler

Bilds, welches Der Untergang offeriert. Nicht nur ist die Handlungseinheit aufgrund ihrer szenischenGestaltung(harmonischeFilmbilder,langeEinstellungsdauer),diedenProtagonisten

vielRaumfürMimikundGestikgibtsowiedemPublikumeingenauesStudierenderAktionen und Reaktionen ermöglicht, geprägt, sondern vor allem auch inhaltlich ist sie sehr interessant.

HitlersAusführungenüberdieverpasstenMöglichkeitenderEroberungderganzenWeltwerden

von antisemitischen Aussagen begleitet. Speer dagegen geht gar nicht darauf ein, sondern sein einziges Interesse scheint darin zu bestehen, das Volk zu schützen, was von Hitler aber kate

78 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler gorischabgelehntwird.SpeersGeständnis,dasserHitlersBefehlenichtausgeführthabe,ruftden

Anscheinhervor,alsobsichSpeervonseinenTatenreinwaschen,Hitlerehrlichgegenübertreten underseineAbsolutionerhaltenwolle.HitleraberzerstörtdieseHoffnungenSpeersundignoriert seinEingeständnis.NurdasZerbrechendesStiftsoffenbartseineAnspannung,dieerabernicht verbalisiert. Auch die Verweigerung von Speers dargebotener Hand zeugt davon, dass er ent täuschtistundnunausTrotznichtreagiert.Hitlerwillnachaußenstarkundabgeklärtwirken, obwohlihmwahrscheinlichinnerlichmehrundmehrbewusstwird,wieeinsamerlangsamwird.

DieErnüchterungüberdiesenBetrug,denSpeeranihmverübthat,möchteeraberauchausStolz nicht zeigen und für sichbehalten,weshalberjegliche Gefühlsregung bis zu Speers Verlassen unterdrückt.DieKameraaberfängtdieseselteneEmotioneinundzeigt,dasserinnerlichbewegt ist,wiedurchdieTränesymbolisiertwird.

IndieserHandlungseinheitwirdeinesderprivatestenundemotionalstenBilderderFigur

Hitler innerhalb des Films offeriert: Hitler reagiert auf eine private Niederlage, nämlich den

VerlusteinesFreunds,enttäuschtundsomitmenschlich.DiedabeiangewandtenVerhaltensweisen vonTrotz,NichtreagierenundStarrenaufdenBodenstellenElementedar,diefürdasPublikum leichtnachvollziehbarsindundMitgefühlauslösen.DemgegenüberaberstehendiezuBeginndes

Gesprächs geäußerten antisemitischen Aussagen, die es nicht zulassen, vollkommen Anteil an

Hitlers Gefühlsregung zu nehmen. Innerhalb dieser Sequenz werden somit also zwei Profile

Hitlerspräsentiert,wobeidieeineverabscheuungswürdigundnichtnachvollziehbar,dieandere aber Mitgefühl erweckend und nachvollziehbar ist. Somit werden also auch zwei sich wider sprechende HitlerBilder aufgezeigt, die aber trotzdem zu einem HitlerBild zusammengesetzt werdenkönnen.

Denn kann nicht gerade durch diese widersprüchlichen Facetten die These gestützt werden,dassdieserFilmdenMenschenHitlerzeigt,dadochgeradeBrücheinderPersönlichkeit

79 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler undsichausschließendeVerhaltensweiseeinenMenschenzueinemGanzenformen?Menschen sindnuneinmalnichthomogenundimmerdurchschauoderberechenbar,sondernzeichnensich gerade aufgrund ihrer Vielschichtigkeit aus. Diese Thematik, die Verknüpfung dieser zwei sich konträrgegenüberstehendenSeitenHitlerssollnunanhandeinigerSzenenanalysiertwerden,in denen die unmenschliche Führungs auf die menschliche Privatperson trifft, um zu erkennen,

welchenStellenwertsieeinnehmenundobsieeineBalanceaufweisen.

3.2.3 Verschmelzung/Überschneidung der konträren Aspekte der Hitler-Figur

Die konträren Aspekte der Figur Hitler werden auch in der Filmhandlung selbst thematisiert und zwar in zwei privaten Gesprächen, die Eva Braun und Traudl Junge führen

(Sequenz32und39).Braun,dieschonseitJahrenmitHitlerliiertist,istwegenderVerwicklung ihresSchwagersFegeleinsindenHimmlerBetrugbesorgtundvertrautsichJungean:„Ichhoff bloßmitGott,dassermitderSachenichtszutunhat.DaswürdeihmderFührernieverzeihen!“

(Der Untergang91'22''25''). Junges Beruhigungsversuche lässt sie nicht gelten und erklärt: „Sie

kennendenFühreralsgutmütigenMenschen.AberglaubenSiemir,wennmanihnreizt,dann

kannerauchganzanderssein.Ganzanders!“( DerUntergang 91'42''47'').Auchineinemspäteren, kurz vor ihrem Suizid stattfindenden Gespräch ist Braun ziemlich offen. Sie gesteht, dass sie manchmaldasGefühlhabe,dasssieAdolf,wiesieihrenMannnennt,garnichtrichtigkennen

würde:„Wennich’smirrechtüberleg,weißicheigentlichgarnixvonihm“( DerUntergang 117'07''

10'').AuchseiseinVerhaltennun„soganzandersalsfrüher“underwollemitihrnurnoch„über

HundeundvegetarischesEssen“reden( DerUntergang 117'15''25'').DieSekretärinJungestimmt zu und ergänzt: „Manchmal glaub ich, dass er niemanden in sich reinschauen lassen will. So richtig,meineich.Wennerprivatist...Erkannsofürsorglichsein...Unddannwiedersagterso brutaleSachen“( DerUntergang 117'45''57'').BraunerklärtdiesmitdennüchternenWorten„Sie

80 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler meinen,wennerderFührerist“( DerUntergang 117'58''59''),wasJungezueinemleichtenNicken bewegt.

DievondenbeidenFrauengeäußertenAussagenspiegelngutwider,welchesBildsievon

Hitlerhaben:BraunscheinteinvielfältigeresImagoderPersonHitlerzubesitzenalsdieSekretärin

Junge,dieihnnurdurchihreArbeitkennt.HitlersUnerbittlichkeitdagegenistBraunbekanntund ihreAussage,dasserauch„ganzanders“könne,scheinteinerealistischereEinschätzungHitlers darzustellenalsJungesnaivwirkendeSichtweise.DashiervonBraunundJungekonstruierteBild ermöglicht dem Publikum, über ein von Filmfiguren vermitteltes ambivalentes HitlerBild zu reflektieren,dasssiedannmitihremeigenenabgleichenkönnen.

ZweiweitereSequenzenverdeutlichen,dassHitlersmenschlicheundunmenschlicheSeite nichtimmertrennscharfunterschiedenwerdenkönnen,sondernsichoftmalsüberschneidenoder sogarmiteinanderverschmelzen.OffensichtlichwirddasanhanddesvonHitlergehegtenTraums, dass‚Germania‘ausdenTrümmernneuemporsteige(Sequenz7).NachPlänenHitlersundSpeers sollte Berlin zur neuen imposanten Reichshauptstadt ‚Germania‘ werden, was gravierende

Umbaumaßnahmenerforderte.

Die komplette Handlungseinheit ist um das ‚Germania‘Modell herum aufgebaut und aufgrund seiner zentralen Positionierung in der Mitte des Raums wirken die Personen, die herumstehenundesbestaunen,nurwieeinedazupassendeKulisse.AuchdieersteEinstellung unterstreicht dies, da Hitler gezeigt wird, wie er in gebückter Haltung durch einen Torbogen schaut.DieseGestaltungkannsymbolischdafürstehen,dassindieserSequenzaucheinBlickin dasInnere,indieTräumeundVisionen,dieHitlerhatte,geworfenwird.Hitlererklärt,dasserin denBombenangriffenaufdeutscheStädteauchetwasPositivessieht,dadadurchderAufbaunach einemgewonnenenKriegschnellgehenwürde.InseinerAussageschwingtdieHoffnungmit,dass

81 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler ein Sieg noch möglich sei und diese architektonischen Träume, die das ‚Germania‘Modell

veranschaulicht,nochrealisiertwerdenkönnen.

Hitler läuft an der Längsseite des Modells entlang, was filmisch durch zwei sich ab

wechselnde Kamerafahrten umgesetzt wird: Zum einen wird das Modell aus der Perspektive

HitlersgezeigtundzumanderenwirdHitlerdurchFahrteninsBildgerückt,beidenensichdie

Kamera auf der Höhe des Modells befindet und somit eine Aufsicht Hitlers anbietet. Diese

wechselseitigen Perspektiven, von Hitler zum Modell und umgekehrt, beschreiben auch ein dringlichdasVerhältnisHitlersunddesModellsbzw.derVision,diedahintersteht:Beidesind

voneinanderabhängig,denndiese‚Germania‘VisionistnurunterHitlersMachtrealisierbarund

HitlersiehtinihrerUmsetzungeineseineLebensaufgaben.Eswirddeutlich,dassHitlerSpeer

verehrt,derdieseVisionentworfenhat:„SiesindeingroßesGenie,Speer“( DerUntergang 14'59''

15'02'').HitlerwillsichmitderRealisationdes‚Germania‘ModellsdenTraumerfüllen,dasssein

NameinVerbindungmitdiesenBautengenanntundandiesenauchnochinfernerZukunftsein

BeitragfürKunstundKulturerkanntwird:„DiesesDritteReichwirdeineSchatzkammerseinfür

KunstundKultur,dieJahrtausendeüberdauern“( DerUntergang 15'12''15'').

IndieserSequenzvermischensichdiebeidenSeitenHitlers,FührerundPrivatperson,da die Verwirklichung des ‚Germania‘Modells sowohl einen politischen als auch einen privaten

HöhepunktinseinemLebendarstellenwürde,derabernurinseinerRollealsFührerrealisiert

werdenkann.DochwährenddieindieserSequenzaufgezeigteZweiseitigkeitHitlerssichnicht

widerspricht,sondernsowohlfürihnalsFühreralsauchalsPrivatpersonerstrebenswertist,bleibt

nochdieFragezubeantworten,welchederbeidenRollenstärkerist,wennsienichtmiteinander

verschmelzen, sondern sich konträr überschneiden und eine Entscheidung getroffen werden muss? Zur Betrachtung dieser Problematik bietet sich Sequenz34 an, die die Erschießung

Fegeleinsbeschreibt,dahierbeideSeitenaufeinanderprallen.DiesistderFall, weilEvaBraun

82 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler persönlichbeiHitlerumGnadefürihrenSchwagerbittet,deraberaufBefehldesFührerswegen

Fahnenfluchtangeklagtundhingerichtetwird.

EvaBraun,dievondergeplantenHinrichtungFegeleins erfahren hat,stürmtinHitlers

ZimmerundwirftsichvorihmaufdieKnie,wobeidieWucht,mitderdasgeschieht,durcheine ruckartige Kamerabewegung noch unterstrichen wird. Die darauf folgende Nahaufnahme prä sentiertBraunsGesicht,dasaufgrunddesWeinensschonganzverquollenist:„Bitte,dukannst mirHermanndochnichtumbringenlassen“( DerUntergang 96'11''13'').HitlersReaktionwirdaus ihrerSichtgezeigt,diezuihm,dasievorihmaufdieKniegefallenist,aufblickt.SeineMieneist regungslosundererklärtsachlich,dassderTatbestandderFahnenfluchtbeiFegeleinerfülltsei.

Braunschautihn,denMann,densieliebt,ungläubiganunderklärt,dassesmittlerweiledoch schon egal sei und er an ihre Schwester denken solle. Hitlers Blick ändert sich kaum und die

Kameraposition und einstellung ermöglichen, dass beide Figuren im Bildausschnitt erscheinen.

HitlerscheintüberBraunzuthronen,wodurchauchihrhierarchischesVerhältnisindieserSzene sichtbar wird. Um Braun zu beruhigen, streckt sich Hitlers Hand zu ihrer Wange. Die Groß aufnahmevonBraunsGesichtunddiesiestreichelndeHandbildeneinenkrassenWiderspruchzu denWorten,dieHitleräußert:„MitVerräterngibt es kein Mitleid!“ ( Der Untergang 91'29''31'').

SomitistindieserEinstellungdieBildTonRelationalskonträrzubetrachtenundspiegeltdamit aber auch eindrucksvoll die zwei Seiten Hitlers – Gut vs. Böse – wider. Braun versucht noch einmal,Hitlerdavonzuüberzeugen,dochGnadewaltenzulassen:„Aberwemnutztdasdenn jetzt noch?“ ( Der Untergang 91'38''40''). Daraufhin zieht sich Hitler zurück – sowohl mit seiner

HandalsauchmitseinemganzenKörper–undantwortetkalt:„EsistmeinWille!“( DerUntergang

91'43''44'').BraunbemerktdieVeränderunginseinerStimmeunderkenntdieSinnlosigkeitihres

Begehrens,dasimWiderspruchzuseinemFührerbefehlist.MitbeidenHändenwischtsiesichdie

83 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Tränen aus dem Gesicht und erklärt ton und widerspruchslos: „Du bist der Führer!“ ( Der

Untergang 91'54''55'').

DieSzene,diemiteinerHandkameragedrehtwurde,vermitteltdurchdenWechselder

BildersowohldieAktionenalsauchReaktionenBraunundHitlers.WährendaberHitleroftmals auseineretwasentfernterenPositionaufgenommenwird,dieDistanzschafft,istBraunsGesicht

überwiegend in Nahaufnahmen zu betrachten, was ihre Emotionen noch stärker zur Geltung kommen lässt und somit eine größere Wirkung erzielt. Es wird ein Streitgespräch der Beiden gezeigt, wasfüreinnormalerweiseoffenesVerhältniszwischenHitlerundBraunspricht,doch

wird auch eindeutig geklärt, welche Hierarchie herrscht: Nicht nur visuell scheint Hitler über

Braun zu stehen, sondern auch seine Meinung erscheint wichtiger, wie seine Entscheidung,

Fegelein umbringen zu lassen, beweist. Kein Widerspruch wird geduldet, sondern eine völlige

UnterwerfunggegenüberseinerAnordnungenverlangt.

DiesebeschriebeneSequenzverdeutlicht,dassbeiÜberschneidungenderbeidenBereiche das militärische Vergehen als so schwerwiegend angesehen wird, dass auch keine persönlich geartetenBeweggründeeineBestrafungverhindernkönnen:DermilitärischeFührersiegtsomit gegenüberprivatenAnsichten.EineUnterscheidungzwischendenzweisichkonträrgegenüber stehendenSeitenHitlerskannzwargetroffenwerden,istabernichtimmertrennscharfvorhanden.

3.2.4 Tod und Selbstmord

Ein weiterer wichtiger thematischer Untersuchungsaspekt in Der Untergang ist die

DarstellungdesTods,dieinteressanteDetailszumpräsentiertenHitlerBilddesFilmsenthüllen kann. Selbst Regisseur HIRSCHBIEGEL hebt die Bedeutung dieses Bereichs hervor und spricht

sogardavon,dassLeichenalsLeitmotivdesFilmsgeltenkönnen.DochwiewirdderTodmit

seinenverschiedenenFacettenin DerUntergang gezeigt?

84 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Von Beginn an ist der Tod allgegenwärtig und greifbar, was allein schon an den

Kriegsumständen (Bomben, bewaffnete Soldaten, Verletzte, etc.) ersichtlich wird. Unzählige

Leichen säumen die Straßen BerlinsundzeugenvonderVernichtungderStadtdurchdiean rückenderussischeArmee.VonBeginndesFilmsistdieseThematikalsogegenwärtig,wobeidies natürlichschonerkennbarwird,wennmansichdenTitelansiehtodersichüberdenInhaltdes

Filmsinformiert.DieTodesthematikziehtsichbiszumFilmendewieein‚roterFaden‘durchden

Untergang undzeigtkurzvorSchlussnochdiemakabereFigurdes‚HenkersvonBerlin‘,derinden letztenKriegstagennochunzähligeMenschentötet.InnerhalbdesFilmssindesaberinsbesondere zweiSequenzen,diederThematikTodeinenbesonderenStellenwertverleihen:Zumeinenistder gemeinsam begangene Suizid Eva Brauns und Adolf Hitlers sowie des Ehepaars Goebbels zu nennenundzumanderendieTötungdersechsGoebbelsKinderdurchihreeigeneMutter.

Sequenz42,dieletztedemHauptteilzugehörigeHandlungseinheit,stelltdenSelbstmord

Hitlers,dieVerbrennungderLeichenunddieReaktionenderBunkerbewohnerdarundkannals

SchlüsselszenedesFilmsbetrachtetwerden.DieHandlungseinheitteiltsichinmehrereparallel verlaufende Stränge, die mit dem Schuss, der den Tod Hitlers symbolisiert, wieder verknüpft werden.ZunächstwerdenTraudlJungeunddieGoebbelsKindersowiederwartendeFührungs stab gezeigt, bevor die nachfolgende Totale den leeren VorraumzuHitlersArbeitszimmerab bildet. In der Stille und Unbeweglichkeit dieser Aufnahme fällt ein Schuss,dernurimOffzu hören ist. Eines der GoebbelsKinder lacht und spricht von einem „Volltreffer“, während die

Offiziereerschrockenaufspringen.HitlersDienerLinge,dermiteinigenanderenOffiziereninder

Telefonzentrale wartete, geht zu Hitlers Wohnraum und lugt nach einem fragenden Blick zu

GünscheundBormannindasZimmerhinein.ErdrehtsichumundbestätigtBormanndenTod

Hitlers:„HerrReichsleiter,esistpassiert“( DerUntergang 125'04''06'').NuntrittauchGünschein das Zimmer, schluckt kurz und verlässt es mit großen Schritten. Dabei werden nur seine

85 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Reaktionengezeigt,nichtaber,wasersieht.DieKameraistalsoimmerimRaumpostiertund nachaußenaufdieTürgerichtet,wodurchderInnenraumnichtabgebildetwird.ImLageraum angekommen,schlägtGünschekurzdieHackenzusammenundverkündetdemmitunbewegten

Mienen wartendem Führungsstab: „Ich melde, der Führer ist tot“ ( Der Untergang 125'28''30'').

BeklommensehendieMännerzuBoden.

EinedernächstenEinstellungenzeigt,wiedaskleinstederGoebbelsMädchendieTürdes

Raums,indemsiemitJungeist,öffnetundindenFlurhinausschaut,wosieihrenVatererblickt.

JungegehtzurTürundwilldasKindzurückziehen, dochbevorsiediesmacht,wirftauchsie einenBlickhinaus.Siesieht,wiedieLeichnameBraunsundHitlers,dievonDeckenverhülltsind undnurdieFüßehervorblitzen,zumAusganggetragenwerden,wasauchdemPublikumdurch ihrePerspektivevermitteltwird.DietotenKörperwerdenvondenMännernnachdraußenge bracht,wosieineinezuvorausgehobeneGrubegelegtundmitBenzinübergossenwerden.Es folgteinSchnittunddasPublikumsiehtJunge,wiesiehastigeinGlasSchnapshinunterwürgt.Die

SzeneistmitklassischerInstrumentalmusik,diesichlangsamsteigert,unterlegt.

Das Bild wechselt wiederzumBunkereingang:Einer der Männer entzündet ein Blatt

PapierundwirftesindieGrube,ausdersoforteineStichflammeemporsteigt.DieAnwesenden blickenstummaufdieloderndenFlammenunderhebennacheinanderdenArmzumHitlergruß.

In einer Totalen werden die um die Grube stehenden Männer abgebildet, deren dargebotener

GrußdurchdenflackerndenFeuerscheingeisterhaftanmutet.DieNahaufnahme,diedarauffolgt, zeigt einen verstörten Goebbels, dessen Antlitz mit den weit aufgerissenen Augen durch die

Feuermassen in ein orangefarbenes Licht getaucht wird, welches den Eindruck des Ge spenstischenbzw.Unwirklichen,dasschondurchdieEinstellungzuvorvermitteltwurde,noch einmal verstärkt.DerRespekt,dendieMännerden Toten zollen, wird durcheinenGranaten einschlagabgebrochen,dersiezurückindenBunkerfliehenlässt.

86 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

Sequenz42markiertmitdemSuizidHitlersdenHöhepunkt des Untergangs und diese

Inszenierungkann,insbesondereimKontextdesgesamtenFilms,kritischgesehenwerden.Vor allem der Vergleich mit der Sequenz der Tötung der GoebbelsKinder verdeutlicht dies. In

Sequenz44 wird die Tötung der Kinder durch ihre Mutter Magda Goebbels gezeigt. Der dargestellte Tötungsakt wird akribisch von den Eltern geplant und scheint ab dem Zeitpunkt unausweichlich, an dem die Kinder den Führerbunker betreten. Nach Hitlers Selbstmord schließlichistdasSchicksalderKinderbesiegelt,dadieElternkeinenSinnineinemLebenohne denNationalsozialismussehenundohnedenFührersehen(Sequenz41).

Zunächst verabreicht Magda Goebbels zusammen mit einem Arzt den Kindern ein

Schlafmittel, was alle – außer der ältesten Tochter – widerstandslos einnehmen. In einer kurz darauffolgendenEinstellungwirdgezeigt,wiedasEhepaarGoebbelssichdemZimmernähert, abernurMagdaGoebbelsdenRaumbetritt,währendihrManndavorstehenbleibt.Siegehtzu dem jüngsten ihrer Kinder und verabreicht dem kleinen Mädchen eine Giftkapsel, deren

WirkstoffeinnerhalbkürzesterZeitzumAtemstillstandführen.NachAussetzenderAtmungzieht siedemMädchendieDeckeüberdenKopf,wasdieKinderfüßenackthervorschauenlässt.Diese tödlicheProzedurvollziehtsieauchanihrenfünfanderenKindernmiteinerPräzisionundKälte, diedurchdielangsamenundstarrenKamerabildernochverstärktwirdundinsgesamtgeisterhaft anmuten.NacheinemletztenBlickaufihreKinderverlässtMagdaGoebbelsdasZimmerund brichtvorderTürzusammen.DerHilfeihresMannsweichtsieaberausundgehtstattdessenzu einemangrenzendenZimmer,indemsiewortlosundmitstarremBlickeinePatiencelegt.

DieTötungderGoebbelsKinder,dieinihrerganzenBrutalitätundLängegezeigtwird, steht in krassem Widerspruch zum Selbstmord ihrer Eltern (Sequenz46). Magda und Joseph

GoebbelshabenauchihreSelbsttötunggeplantunddieKamerazeigt,wiesiedraußenvordem

Bunker stehen und Joseph Goebbels mit seiner Waffe auf seine Frau zielt. Bevor aber etwas

87 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler passiert,schwenktdieKamerazurSeiteundlässtdiezweiallein.NurzweiSchüsse,wiederumim

Off,sindzuvernehmenundsymbolisierendenToddesEhepaars.

Diese Sequenzen verdeutlichen, dass der Tod innerhalb des Films keine einheitliche

Darstellung erfährt, sondern auf unterschiedliche Art und Weise umgesetzt wird: Während der

MordandenGoebbelsKindernsowieweitere(Selbst)TötungeninihrerganzenBrutalitätund

Offenheitgezeigtwerden,passierensowohldieSuizidederEhepaareHitleralsauchGoebbels beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit und werden nicht visuell abgebildet, sondern nur durchSchüsse,dieimOffzuhörensind,symbolisiert.DieseDiskrepanzhinterlässteinenfaden

Beigeschmack,daeswirkt,alsobdiesevierPersoneneineSonderbehandlungerfahren,dieden anderen nicht zuteil wird. Diese Unterscheidung in Zeigen und NichtZeigen ist eine weitere

Dichotomie,dersichdieFilmemacherstellenmüssenunddessenAuswirkungenimDiskussions kapitelerörtertwerden.

3.3 Zusammenfassung

DieFilmanalysehatgezeigt,dass DerUntergang eineaufwendigeProduktionwar,beider das Hauptaugenmerk der Filmemacher sowohl aufAuthentizität als auch dem Darstellen einer

HitlerFigurinihremFacettenreichtumlag.BeiderBetrachtungderPerspektiveistaufgefallen, dass der Film nicht nur eine Sichtweise auf narrativer Ebene offeriert, sondern mehrere. Die

UntersuchungdesoptischenPOVlässterkennen,dassderFilmzwischenrelativobjektivenund subjektiven Informationsvergaben wechselt, weshalb nicht immer eine neutrale Sichtweise unterstelltwerdenkann.BeimThemenbereichderHandlungswirklichkeithatdieAnalyseergeben, dass DerUntergang eineklareUnterteilunginzweiangeboteneWirklichkeiten,innerevs.äußere, darstellt,zwischendeneneinestarkeDiskrepanzundkaumÜberschneidungenvorhandensind.

88 Analyse–DerUntergang unddieDarstellungderFigurAdolfHitler

DieFigurenanalyseHitlerswurdeinKategorienunterteiltundhatdieverschiedenenFa cetten (brutaler Führer, rücksichtsvoller Vorgesetzter etc.) aufgezeigt, die sich teilweise konträr gegenüberstehen.BeiderBetrachtungderSzenen,indeneneineVerschmelzung/Überschneidung der verschiedenen Aspekte geschieht, ist festzustellen, dass Hitlers Führungscharakter offenbar stärker ausgeprägt ist. Die letzte untersuchte Thematik, Tod/Selbstmord, zeigt auf, dass eine uneinheitliche Darstellung vorliegt, da Hitlers Suizid im Vergleich zu den anderen (Selbst

)TötungeneinebesonderefilmischeUmsetzungerfährt.

89

4 Diskussion und Fazit

DiezuvordurchgeführteAnalysedesFilms DerUntergang mitbesondererBetrachtungdes

Films (Produktion, Point of View und Handlungswirklichkeit) als auch der Figur Adolf Hitler

(Aspekte des Führers, der Privatperson, des Vorgesetzten, Überschneidung dieser Aspekte und

Tod/Selbstmord) hat interessante Gesichtspunkte hervorgebracht, die in diesem Kapitel abschließend interpretiert und diskutiert werden. Dabei werden noch einmal alle zuvor besprochenenBereichemiteinanderverknüpftunddiedervorliegendenMagisterarbeitzugrunde liegendeTheseabschließendbeantwortet.

Derin Der Untergang betrachteteAspektderHandlungswirklichkeit hatergeben,dasses zweiBereichegibt,dieimFilmdargestelltwerden:die‚innereWirklichkeit‘desBunkerlebensund die‚äußereWirklichkeit‘desLebensderBerlinerZivilbevölkerung. Dabei stehen die beidenin starkem Kontrast zueinander, da das unterirdische Leben scheinbar ‚normal‘ verläuft, während draußendieZerstörungdesKriegsunddasLeiddesVolkssichtbarwerden.DieAnalyseergab, dassderFokuseindeutigaufdasInnenlebengerichtetist,weshalbdiewirklicheZerstörungdes

KriegsundseineFolgennichtsostarkimBewusstseindesPublikumsverankertwerden.

Diese Balance der zwei Handlungswirklichkeiten kann kritisch betrachtet werden:

DifferenziertmusssicherlichderSachverhaltgesehenwerden,dasseineVerhältnismäßigkeitinder

Darstellung von Opfern und Tätern nicht gegeben ist, sondern der Fokus eindeutig in der

PräsentationderTäterseitebzw.derBunkerbewohnerzusehenist.DerKriegsowieseineAus wirkungenaufdiedeutscheZivilbevölkerungdagegenwerdennurseltenabgebildetunderstim

Abspann klärt der Film in zwei kurzen Sätzen über die Millionen Opfer auf, die der Zweite

Weltkriegforderte.ObwohldieserPunktsicherlichbeanstandetwerdenkann,istaberdennochzu fragen,obderFilmdieseThematikzeigenwollteodernicht.EICHINGER erklärt,dasssichFEST s

91 DiskussionundFazit

Vorlage mit den letzten Tagen des Regimes beschäftigt, die dann noch durch JUNGE s

Aufzeichnungenergänztwurden,dasieeinenEinblickindieInnenweltdesBunkersermöglichten

(„Hitlers letzte Tage“). Doch „was sich in dem Bunker abgespielt hat, konterkariere [er] im

DrehbuchmitderrealenWeltdraußen“,umsomitdieVerbindungaufzuzeigen,dassdieinder

unterirdischenWirklichkeitgetroffenenEntscheidungenauchAuswirkungenaufdieäußerehatten

(„Makingof“458).SomitsollteimFilmzwarderKontrastzwischeninnenundaußengezeigt

werden, aber mit eindeutiger Zentrierung auf den inneren Bereich, auf die letzten Tage der

Bunkerbewohner,undderEinmarschindieStadtBerlinunddasLeidderZivilbevölkerungsind

eheralszweitrangiganzusehen.DieZerstörungundihreFolgenwerdenzwardemonstriert,aber

nichtdetaillierterfasst,sondernzumeistanhanddesHandlungsstrangsumPeterKranzdargestellt.

Dieser Aspekt, die Fokussierung auf das Bunkerleben, kann insofern als dramaturgischer Zug

betrachtetwerden,daesdadurchzueinerStraffungbzw.ZuspitzungdesFilmgeschehenskommt.

DerUntergang willnämlichdurchdieseFokussierungdenNiedergangdesNSRegimesund dendamitverbundenenTodderPersonHitleraufeiner‚kleinenBühne‘zeigen,umsomitNähe undIntimitätaufzubauen,dieanderenfallskaumhättenentstehenkönnen.Diesedramaturgische

Maßnahme, die größtenteils die Außenumstände ausblendet, ähnelt bspw. dem Vorgehen

Friedrich SCHILLER sbeiseinemDrama Maria Stuart (1800),indemdieHandlungauchextrem

zugespitzt wird. Dabei ist aber anzumerken, dass SCHILLER die historischen Fakten stark ab

änderte,umsieseinerGesellschaftundZeitanzupassen,wasbei DerUntergang nichtinsolchem

MaßederFallist.AbersicherlichsindauchhierZugeständnissenichtunumgänglichgewesen,da

Geschichte ins Medium Film transportiert wird. In Der Untergang bietet also der Bunker den intimenSchauplatzfürdieletztenTageAdolfHitlers,demmansichannähernmöchte.Damit

wirdnatürlichnureinAusschnittderdamaligenRealitätangeboten,dochwardieseFokussierung geplant.DieDarstellungderäußerenWeltisteheralsGegenstückzurinnerenanzusehen,anhand

92 DiskussionundFazit dererdasBunkerdaseindrastischerwirkt,wieEICHINGER feststellt:„DochdieEntscheidungenim

BunkerhattenjaimmernochdraußenverheerendeWirkungen–dieZerstörungalldessen,was mansichalsZivilisationvorstellt,konntenurgeschehen,weildasSystemnochfunktionierthat“

(„Makingof“458).

DieFokussierungaufHitlerunddasweitgehendeAusblendenderUmständesinddem

ProblemfeldGeschichteimFilm zuzuordnen.WieinKapitel2.2(filmwissenschaftlicheAspekte undAnalyse)angesprochen,sindhistorischeStoffenichtleichtinsMediumFilmzuübertragen,da sichzweiDisziplinenmitihrenjeweilseigenenAnsprüchensowieKriteriengegenüberstehen,die nichtimmermiteinandervereinbarsind:GeschichtewillFaktenentdecken,verarbeitenundinter pretieren,währendFilmeFaktenerzählenmöchten.FilmischeProduktehabeneinInteressedaran, zuvermitteln,wieeszueinergewissenZeit,bspw.imNationalsozialismus,war,dochwollensie dasinnerhalbihrerMöglichkeitenundimmerauchimKontextihrereigenenZeit.

Deshalbistbspw.diepersonalisierteHistorie,wie sie in Der Untergang veranschaulicht wird,filmischleichterzugestaltenalsStrukturenoderlangwierigeQuellenauswertungen,diezwar historischwichtigeFaktenvermittelnkönnen,abernurschwerins‚Filmkorsett‘übertragbarsind.

FilmereduzierenhistorischeStoffeundemotionalisierensie,wiein DerUntergangdeutlichanhand der Identifikationsfigur Traudl Junge oder auch an der fiktiven Person Peter Kranz gesehen werdenkann.Damitsolleinbesserer‚Draht‘zumPublikumhergestelltwerden,auchwenndies teilweiseaufKostenderhistorischenFaktengeht.DochdiesistaufgrundderTransformationin das Medium Film unvermeidbar und sollte bei einer Untersuchung berücksichtigt werden. Der

Untergang istsicherlichindenGrundzügenseinerDarstellungderhistorischenFaktenkorrektund bedient sich einiger Quellen, doch schließt dies trotzdem nicht aus, dass einige der im Film gebotenenAspektehinzugefügt(bspw.derHandlungsstrangumdenHitlerjungenPeterKranz) oderaushistorischerSichtkritischhinterfragtwerdensollten(bspw.dieRolledesArchitektenund

93 DiskussionundFazit

RüstungsministersAlbertSpeer).DasMediumFilmdramatisiert,fokussiert,emotionalisiertund reduzierthistorischeStoffe.DocheshatauchgeradeaufgrundseinerPopularitätundseinerVer mittlungdurchBildundToneineVerantwortung,deressichnichtentziehenkann.Filmkannund darfnichtalsErsatzfürhistorischfundierteArbeitbetrachtenwerden,kannabereineguteEr gänzung sein. In Der Untergang werden die filmischen Vorzüge genutzt, um die damalige Zeit möglichst authentisch einem großen und unterschiedlich zusammengesetzten Publikum anzu bieten,ohneaberdemAnspruchoderdenKriterieneinerwissenschaftlichenArbeit,dieaufihre

Quellenverweist,zugenügen.

GeschichteimFilmistalsoimmerproblematisch,dadurchdiebildlicheVermittlungein hoher Realitätsanspruch unterstellt und eine größere Wirkung als bspw. durch Schrift erreicht

wird.EinemzunehmenddurchdieMediengeprägtenPublikumdürfteaberbewusstsein,dassdie gezeigten Bilder nicht völlig unkritisch und leichtgläubig aufgenommen werden sollten. Die zunehmendefilmischeVerarbeitungvonHistorieverdeutlicht,dassbeideSeiten(Historikerund

Filmemacher)verstärktzurZusammenarbeitaufgefordertsindundsichihrerVerantwortungnicht entziehen können. Denn nur ihre Kooperation ermöglicht, dass Geschichte angemessen einer großenZuschauerschaftangebotenwerdenkann.DieFilmemacherdes Untergangs habenbeiihrer

ArbeitnichtnuraufQuellenundhistorischeVorlagenzurückgegriffen,sondernauchu.a.mitdem

Publizisten und Historiker F EST zusammengearbeitet, der sie bei geschichtsspezifischen Fragen unterstützthat.DieseMitarbeitwirdaberbspw.von HEER kritisiert,derihnfürgeschichtliche

Ungenauigkeitenin DerUntergang zurVerantwortungzieht(1127).Inwiefernaber DerUntergang geschichtlich wahr oder unwahr ist, wird und kann in dieser Magisterarbeit nicht beantwortet

werden, sondern dieses Forschungsfeld ist noch zu untersuchen und sollte von Historikern abgedecktwerden.DennindieserArbeitgehtesnichtumeineWertungderGeschichtstreuedes

Films, sondern um die Betrachtung des im Film angebotenen HitlerKonstrukts und seiner

94 DiskussionundFazit Wirkung. Ganz ausgeschlossen werden darf dieser Bereich aber sicherlich nicht, doch es ist festzuhalten, dass Medien – egal ob Sprache, Schrift, Bilder, Filme, etc. – keine ‚neutralen‘

Vermittler,sondernimmerzugleichauch„InstrumentederWirklichkeitskonstruktion“(WENDE

10)darstellen.

DieFaszinationanhistorischenFilmenistabergeradedamitverbunden,dassdasGefühl der ‚wahren Geschichte‘ vermittelt wird, die sich so (oder zumindest ähnlich) zugetragen hat.

GeradedieaußergewöhnlichenFigurensinddabeinatürlichzumeistimMittelpunkt,wobeisowohl

‚gute‘alsauch‚schlechte‘Figurenfilmischverarbeitet und präsentiert werden, da sie beidedas

InteressedesPublikumswecken.AdolfHitleristhierbeivonbesondererFaszination,weilseine

PersonundseinNamedamitverbundensind,dasBöseschlechthinzuvermitteln,wobeiauch heutenochnichtabschließendgeklärtist,wasseineMotivefürseineTatenwaren.Dochdiese

AssoziationbirgtschongenugPotenzialfüreinInteresse des Publikums: Diese Bösartigkeit ist zwareinerseitsabstoßend,löstaberandererseitsaucheinegroßeFaszinationaus.

DerUntergang ,dernundenFührerzumZentrumseinerGeschichtemacht,befriedigtalso dieLustamBösen.DabeiwirftderFilmaberauchgleichzeitigdieFrageauf,obHitlersTatenaus

Bosheit oder aber aus Wahn geschehenkonnten.ImFilm werden beide Varianten angeboten:

EinerseitswirktHitlerinseinemVerhaltenirrational(VerschiebenimaginärerArmeen,Hoffenauf den‚Endsieg‘,Traumvon‚Germania‘etc.),fühltsichverfolgtundverraten,aberandererseitsauch rational(PlanungdesSuizids,GesprächemitBraun etc.), womiteinuneinheitlichesBildseiner

Figurdemonstriertwird.DerFilmbeantwortetzwardieFragenachdenGründenfürseineTaten nicht, bietet aber zwei gegensätzliche Möglichkeiten an, so dass man hin und hergerissen zwischenVerabscheuungundmanchmalsogarMitleidist,weilnichtklarwird,obHitlereinfach einböserMenschoderabereinWahnsinnigerist.

95 DiskussionundFazit

ObwohlkeineUrsachenfürseineTatengenanntwerden,willderFilmaberauchnichtdas

BildeinesMannszeichnen,denderZuschauermögenkönnte,wasjedochnichtimmergeglückt scheint. Hitler wird zwar in seiner Rolle als cholerischer Führer, rücksichtsloser Despot oder

Antisemit charakterisiert, der selbst vor der Erschießung des Schwagers seiner Geliebten Eva

Braunnichtzurückschreckt,dochwirddieserEindruckdurchBilder,dieihnalswarmherzigen, freundlichenVorgesetztenseinerweiblichenAngestelltenoderaberbeiseinerEnttäuschungdurch

SpeersBetrugzeigen,wiederneutralisiert.DochnichtnurdieFilmhandlung,sondernauchdie

verwendete Perspektive, die die Informationsvergabe innerhalb des Untergangs organisiert, hinterlässtoftmalseinenirreführenden,manchmalsogarMitgefühlbeimPublikum,weshalbdieser

PunkteinegenauereDiskussionnotwendigmacht.

DerPointofView kanninnarrativundoptischunterteiltwerdenundhatbeiderFilm analyse von Der Untergang wichtige Ergebnisse hervorgebracht. Die Filmhandlung wird aus mehreren figürlichen Perspektiven erzählt und bietet somit dem Publikum einen weitgehend zusammenhängenden Gesamtkontext an, der es manchmal wissender als die einzelnen Figuren machtundbeidemauchdieparallelverlaufendenHandlungssträngeamSchlusszueinemver schmelzen.EswerdenFigureneingeführt(bspw.PeterKranz,Dr.Schenck),beidenenerstnach einergewissenSpielfilmdauererkenntlichwird,wiesieindenGesamtzusammenhangpassenund

welcheRollesiedarinspielen.DochgeradedurchdiesenacheinanderaufgedröseltenHandlungs stränge,dieverschiedenePerspektivenundsomitauchWissenanbieten,wirdSpannungaufgebaut undeinMitdenkenderZuschauererforderlich.DernarrativePOVistdabeimeistausderSicht derSekretärinJungewiedergegeben,wodurchihreBedeutungunterstrichenwird.Auchdurchdie

Rahmenhandlung, die die echte Traudl Junge zeigt und dem sofortigen Anknüpfen der

Vorgeschichte als auch der eigentlichen Filmhandlung wird verdeutlicht, dass diese Person die

IdentifikationsfigurdesFilmsdarstelltundihreSichtmaßgeblichdieNarrationdesGeschehens

96 DiskussionundFazit strukturiert. Neben ihrem POV werden aber noch andere figürliche Perspektiven gegeben, die abernichtdenStellenwertwieJungeinnerhalbdesFilmserlangen.

InteressanteraberalsderAspektdesnarrativenPointofViewsistdieBetrachtungdes optischen,daeraufzeigt,obdasWissen,dasverteiltwird,auseinemrelativobjektivenodereher wahrnehmungssubjektivenBlickwinkelerzähltwird.DadurchkanndasimFilmpräsentierteBild hinsichtlichseinerdurchdieFigurenpersonalisiertenDarstellungbetrachtetwerdenunderklären, welcheWirkungdieseVorgehensweisebeimPublikumhervorruft.

DerFilmbeinhaltet,wieauchschondieAnalysezeigt,sowohlrelativobjektivealsauch subjektive Perspektiven, die unterschiedliche Effekte beim Rezipienten auslösen. Während die relativneutralvermitteltenKamerabildereheralsinformativunddenErzählverlaufneutralnach zeichnend angesehen werden können, so kann dies von den Bildern, die aus einersubjektiven

Perspektivegezeigtwerden,nichtbehauptetwerden.

GenerellbeiderBetrachtungdesoptischenPOVfälltauf,dassfastnurdiesogenannten

‚guten‘FilmfigurendasGeschehenausihrersubjektivenSichtzeigen,währenddie‚bösen‘diese

Darstellungsform nicht zugestanden bekommen. Dies ist natürlich dahingehend erklärbar, dass diesesubjektiveWahrnehmungundVermittlungansPublikumeinestarkemotionalisierteForm derGeschehensvermittlungist,dieeinenstarkenEinflussausübenkann.DadieDarstellungaus dieserpersönlichenPerspektivesolchgroßeMöglichkeitenbirgt,sollbewussteineVerknüpfung zu den Tätern vermieden werden, weshalb diese in den seltensten Fällen jene Form der

Geschehenspräsentation erhalten. Diese Blickwinkel, die das Innere der Figuren widerspiegeln, sindalsovermehrtdenvermeintlich‚Guten‘vorbehalten.

EineAusnahmedabeibietetaberausgerechnetdieFigurHitler,derenPerspektiveauch mehrmalsgezeigtwird.Auffälligistdabei,dassdiesnurgeschieht,wennrelativneutrale(bspw.

EhrungderHitlerjugend,Abschiedsdefileeetc.)oderpersönliche(bspw.Verabschiedung)Aspekte

97 DiskussionundFazit besprochen oder gezeigt werden. Militärisch oder rassistisch gefärbte Bereiche werden somit ausgeschlossen, damit der Rezipient nicht in Hitlers Lage versetzt wird, wenn er bspw. antisemitischeoderbrutaleAussagentrifft.DieseÄußerungenwerdenzumeistsogarmiteinem gewissen Kameraabstand gefilmt, um sowohl eine räumliche als auch emotionale Distanz zu gewähren.

InteressantistsicherlichauchdieFeststellung,dassesimgesamtenFilmkeineSzenegibt, dieeinzigHitler,dasObjektdesFilms,präsentiert.NatürlichgibtesKamerabilder,dienurihn zeigen,dochestrifftnichtzu,dassihmalleineineSequenz‚gewidmet‘wird,wobeiesaberfür

vielederanderenFilmfigurengilt:TraudlJungebeimBetrachtendesTatorts,andemHitlerund

Braun Selbstmord begangen haben; Peters Erfahrungen im zerstörten Berlin; Eva Brauns

Betrachtung ihres Spiegelbilds etc. Doch wie ist dieser Sachverhalt zu erklären? Es kann

angenommenwerden,dasszumeinenderFigurHitlerkeineBühnezurSelbstdarstellunggegeben

werdensollteundzumanderenliegtessicherlichauchdaran,dassderFilmjageradeihnundseine

Wirkungaufanderezeigenwill.HitleristdasObjekt,dasentwederdurchdieanderenFiguren

oderaberrelativobjektiveKamerabilderpräsentiertwird,diederRezipientvermitteltbekommt

undanhanddererersicheinBildderFigurmachenkann.

DiedurchdieanderenFigurenvermitteltenEindrückesinddabeioftmalssubjektiverArt,

wobei zumeist aus der Sicht Junges das Geschehen gezeigt wird. Dies war sicherlich auch zu

erwarten,dasiedieIdentifikationsfigurdesFilmsdarstellt.IhrePerspektivewirddeshalbsooft

verwendet, da sie aufgrund ihres Alters, ihresAussehens und auch ihres Verhaltens eine Figur

darstellt,dieunschuldigundnaivwirkt,weshalbdiedurchsieangeboteneSichtvomPublikum

angenommenundakzeptiertwerdenkann.DieserEindruckwirdschoninderInterviewszeneam

Filmanfang aufgebaut, als sie erzählt, dass sie einfach nicht durchschaut habe, wo sie da bloß

„hineingeraten“,vorallemweilsienichteinmaleine„begeisterteNationalsozialistin“gewesensei,

98 DiskussionundFazit wiesiebeteuert.DurchihreAussagenunddenZusatz,dasssieauchvonNeugiergeprägtwar, versuchtsieihrHandelnzuerklären.DieseWortespiegelnihreBeweggründewiderundzeigen, dasssieausNeugierundUnwissenheitdiesenPostenalsHitlersSekretärinangenommenhat.Sie entschuldigtsichfastschonmiteinerkaumzuüberbietendenNaivität,diesichdannauchdurch denganzenFilmziehtunddiesenentscheidendprägt,daoftmalsdasGeschehenausihrerSicht gezeigtwird.JungesnaiveSichtderBegebenheitenfälltauchwährenddesFilmsauf,alssiebspw. erstaunt auf die brutalen Äußerungen Hitlers über seine Soldaten oder aber auf seinen Anti semitismuswährenddesDiktatsseinesTestamentsreagiert.DieseÜberraschungüberträgtsichauf den Rezipienten, da ihre Perspektive undihreZweifel anschaulich demonstriert werden. Diese

Emotionen wirken aber bei näherer Betrachtung aufgesetzt, da nicht anzunehmen ist, dass sie solcheAussagenzumerstenMalvernimmt,dasiedochimmerhinschonseitdreiJahrenalsHitlers

Sekretärinarbeitet.IhreNaivitätwirktanmanchenStellendesFilmsübertriebenundkannsomit irreführendwirken.ZwaristTraudlJungealsIdentifikationsfigurdesPublikumsvorgesehen,doch bedeutetdiesnicht,dassihreFigurvölligunkritischdargestelltwerdenmuss.

ObwohlinderFilmhandlungeinehernaiverEindruckJungesvermitteltwird,wirddieser

AnscheinbeimInterviewmitschnitt,derdenFilmbeschließt,zumindestteilweiserevidiert.Junge gibtzwaran,dasssiezunächstkeinenZusammenhangzwischenihrerPersonunddenimZweiten

Weltkrieg begangenen Verbrechen herstellen konnte: „Ich habe mich noch damit zufriedengegeben,daßichpersönlichkeineSchuldhatteundauchnichtsdavongewußthab,von diesemAusmaßhabichnichtsgewußt“( DerUntergang 168'4''169'05'').Dochsiegestehtauchein, dass ihr Alter und ihre Unwissenheitsienichtvollständig entlasten können, da man sicherlich mehr hätte herausfinden können. Junges Einsicht, am Filmende dramaturgisch gut platziert, erklärt, warum diese Figur uns sympathisch ist, denn obwohl sie in ihrer Tätigkeit als Privat sekretärinHitlerswahrscheinlichzunaiv,fasziniertund/odereingeschüchtertwar,soerkenntsie

99 DiskussionundFazit zumindestan,dassihrdamaligesVerhaltennichtunbedingterklärbarodernachvollziehbarist,sich ihreEinstellungabergewandelthatoderzumindestdifferenzierterist.

JungesnaiveSichtundHandelninnerhalbdesFilmswirkensichaufdenganzenFilmaus undhinterlassendasGefühl,alsobanihrdieUnschuldeinesganzenVolkssymbolisiertwerden soll.ErstmitdemTodHitlersentkommtsiedemBunkerdaseinundHitlersCharismaundkann nach ihrer geglückten Flucht einer Zukunft und einem neuen Leben entgegensehen, wie auch durchdieamblauenHimmelstrahlendeSonnesymbolträchtigverdeutlichtwird.Nichtnurfürsie, sondernauchfürdenZuschauerhinterlässtdieser–sowohlinhaltlichalsauchvisuellvermittelte–

versöhnlicheAbschlussdasGefühl,dassdasLebenweitergehtunddas‚Böse‘ausgelöschtist.

Diein DerUntergang häufigangebotenePerspektiveTraudlJungesbirgtmehrereAspekte:

ZumeinenstelltsiedieIdentifikationsfigurdesFilms dar, bewirkt eineEmotionalisierungund

Personalisierung des Geschehens und steht als Vermittlerinstanz zwischen Film und Rezipient.

Doch ihre zunehmend subjektiven Einstellungen bewertendasGeschehenundlassendenZu schauer ihre Gefühle aufnehmen, weshalb es oftmals zu einer unkritischen oder naiven Be trachtungderHitlerFigurkommt.IhreUnsicherheitundTrauer,diesiebeimAbschiedvonHitler

verspürt,übertragensichaufdenZuschauer,dersiealsSympathieträgeransieht.Ganzextremist dasauchzusehen,alsJungenachHitlersSuizidzunächsteinenSchnapszurBeruhigungtrinkt unddann,vonEkelundEntsetzengetrieben,denTatortdesSuizidsnichtweiterbetrachtenkann, sondernwürgendweglaufenmuss.DasPublikumsieht‚durchihreAugen‘,bekommtalsoihren

POV präsentiert, den es nicht ignorieren kann, sondern auch einnimmt. Diese im Film dargebotene Perspektive, die statt eines objektiven einen eher subjektiven Eindruck des

GeschehensundsomitaucheineWertungvermittelt,musskritischbetrachtetwerden.Aufgrund derdamitverbundenenDistanzlosigkeitistdiesenBildernnämlichnichtvollkommenzutrauen,

100 DiskussionundFazit daalleinschonderPOVeineMeinungausdrückt,dieimschlimmstenFallvomRezipientennicht nuraufgenommen,sondernauchkritiklosübernommenwird.

NebenderKritik,dieüberwiegendamsubjektiven,personalisiertenPointofViewgeübt werdenkann,istesvorallemdieinkonsequenteDarstellungderFigurAdolfHitler, diedasent scheidende Manko des Untergangs darstellt. Zwar stellt der Film eindrucksvoll die zwei gegen sätzlichenSeitenHitlersdarundpräsentiertsomiteinfacettenreichesHitlerKonstrukt,welches

AspekteseinesLebenspräsentiert,dienichtunbedingtbekanntgewesenseindürften.DieAmbi valenz seiner Person, die zwischen dem unmenschlichen Führer und den menschlichen, nicht militärischen Aspekten seiner Person unterscheidet, wird dabei eindrucksvoll aufgezeigt. Auch stellt der Film die Frage, ob Hitler wahnsinnig oder böse war, ohne sie jedoch eindeutig zu beantwortenoderdemZuschauereineMeinungaufdrückenzuwollen.Hitlersunterschiedliche

FacettenundauchdieDiskrepanzseinesVerhaltenswerdenklardokumentiert,wiebspw.ander

TötungseinesHundsBlondiaufgezeigtwerdenkann:DieTötungBlondisscheintfürihnkaum erträglich,wieanhandseinesWegschauensbelegtwerdenkann,wobeidieseHaltungaberdem

Eindruck des unerbittlichen Führers widerspricht, der sonst emotionslos Todesurteile fällt und ausführenlässt.HitlersLebenwirdalsoinseinerVielfaltaufgezeigt,wobeieigentlichalleFacetten seinesLebenspräsentiertwerden,dochdieseDarstellungendet,alserseinemLebeneinEnde setzt:SeinSuizidwirddurcheinenimOffvernehmbarenSchusssymbolisiert,alsonuraufder auditiven,abernichtaufdervisuellenEbenedesFilms.DiesePräsentationhinterlässteinenfaden

Beigeschmack,daderEindruckentsteht,dassdieserwichtigeAspekt,derHitlersLebenbeendet, bewusstausgeklammertundnichtfilmisch(visuell)präsentiertwird.

DasNichtzeigenvonHitlersTodwärejedochnochkeinsogravierendesProblem,wenn nicht beim Anschauen des restlichen Films der Eindruck entstehen würde, dass Tod, Leichen,

Verstümmelung und/oder Amputationen ein wichtiges Motiv darstellen, da Selbsttötung und

101 DiskussionundFazit

Tötung fast im Minutentakt in ihrer ganzen Brutalität und Sinnlosigkeit gezeigt werden. Aus nahmen hierbei sind lediglich die Suizide des Ehepaars Hitler als auch später des Ehepaars

Goebbels,beidenendieKameraimentscheidendenAugenblickabblendet.

DochwelcheWirkungentfaltetdasNichtabbildenvonHitlersTod?WimWENDER sfragte inseinerAbrechnungmit DerUntergang inder Zeit :

Warum auf einmal dieses dezente Nichtzeigen, warum die plötzliche Prüderie?

Warum,verfluchtnochmal!?Warumnichtzeigen,dassdasSchweinendlichtotist?

Warum dem Mann diese Ehre erweisen, die der Film sonst keinem von denen

erweist,diedareihenweisesterbenmüssen?

DerBefehloderletzteWunschHitlerssollesgewesensein,dassseineLeicheunddieseinerFrau

niemalsgefundenwerdensollten,umnichtgeschändetzuwerdenoderindieHändederKriegs

gegnerzufallen,umevtl.alsExponatausgestelltzuwerden.HitlersWunschwirdauchimFilm

genanntundgenausowieGünschediesenletztenBefehldesFührersausfülltunddieLeichenver

brennt,sowirdderBefehlnichtnurinner,sondernauchaußerhalbdesFilmserfüllt.Dennauch

wir,dieZuschauer,bekommenwederdieTötungselbstnochmehralseineverhüllteLeichezu

sehen.NurdietrotzderDeckesichtbarenSchuhedienenalsHinweis,dassessichbeidemToten

wirklich um den Führer handelt. Das Nichtabbilden verhindert, dass ein Ende gezeigt werden

kann,einEndedesSchreckens,einEndedesDiktators.SomitwirddasGefühlgeschürt,dass

diesenTodetwasUngeklärtes,Geheimnisvollesumschwebt,dasdieserFigurnichtzugestanden

werdensollte.

DieDiskussiondiesesAspektsmussaberdifferenziertangegangenwerden,dennesmacht

einen Unterschied, ob diese Sequenz anhand filmischer oder historischer Gesichtspunkte

diskutiert wird. Denn die Figur Adolf Hitler darf nicht nur in ihrem geschichtlichen Kontext

betrachtetwerden,sondernauchinihrerFunktionalsProtagonistdesFilms DerUntergang .

102 DiskussionundFazit Der historische Blick auf diese Figur der Weltgeschichte, dessen Tod und Leichnam innerhalbderFilmhandlungnichtgezeigtwerden,vermitteltunangemessenenRespektundEhre dieserPersongegenüber,die60Jahredanachnichtmehrvorhandenseinsollten.Stattdessensollte schonungslosvisualisiertwerden,dassderunbesiegbareFührerletztlichdochbesiegtwurdeund sich jeglicher Verantwortung durch seinen Selbstmord entzieht. Sein Tod verdient also keinen

RespektodergarMitgefühl,sondernsollteeinfachalsdasgesehenwerden,waserist:DerSuizid voneinemdergrößtenMassenmörderderWeltgeschichte.KeinefalscheScheuoderSchamsollte seinen Tod begleiten, sondern wenn die vielen Facetten Hitlers und seines Lebens visualisiert werdensollen,dannistesbedeutsam,nichtnurHitlerbeiseinenWutausbrüchen,seinerHochzeit etc. zu zeigen, sondern auch im Moment seinesTods,umihnnichtwiederindieSphäredes

Unnahbarenzuerheben.

StelltmandagegenfilmischeAspekteindenMittelpunktdesInteresses,dannkönnendem

NichtZeigenvonHitlersSelbstmordundLeichnamdurchauspositiveAspektegegenüberdem

Zeigen zugesprochen werden. Aus dramaturgischer Sicht, die entscheidend die Spannung des

Films beeinflusst, ist sicherlich das NichtZeigen sinnvoll, da dadurch dem Rezipienten mehr

Spielraum und eigene Interpretationsmöglichkeiten angeboten werden. Die Spannung, die sich darausergibt,istsicherlichauchgeradedarinzusehen,dasssonstfastjederBereichseinesLebens visualisiertwird,abergeradeseinTodnunebendochnicht.UnddieganzeSequenzdesSuizids, angefangen mit dem Bild Junges, die für die GoebbelsKinder Essen zubereitet, über die wartenden Militärs bis zum Blick in den leeren Flur, in dessenStilledanndertödlicheSchuss ertönt,zeigendieDramatikauf,diedieseSequenzbeinhaltet.DienachfolgendeDarstellungder

Feststellung des Tods, die von zwei Figuren bestätigt, aber nicht abgebildet wird, erhöht den

Spannungsbogennoch,derdurchdiezweiverhüllten Körper,dieanschließenddurchdenFlur getragenwerden,nochmalsverstärktwird.DieanschließendeInszenierungderVerbrennungder

103 DiskussionundFazit leblosen Körper sowie dem letzten Gruß an den Führer durch die im Feuerschein stehenden

Militärs spiegeln einerseits den Respekt der Männer als auch andererseits den endgültigen

Spannungshöhepunktwider.DieimmerwiederzwischengeschnittenenSzenenmitJungedienen der Emotionalisierung und zudem wird dadurch nun endlich auch teilweise die Spannung der

Handlungseinheitgelöst,dawir‚durchihreAugen‘zumindestdenTatortgezeigtbekommen,der auchmitalldenDetailsaufwartenkann,diedurchdievorherigeFilmhandlungvermutetwerden konnten:BlutaufeinemKissen,einePistolesowiePatronen,EvaBraunsHandtascheetc.

BeiderBetrachtungderFigurHitler,dersowohleine historische als auch dramatische

FunktioninnerhalbdesFilmshat,stelltsichdieFrage,obderTodHitlersinszeniertwerdendarf, umdenFilmdramatischerundemotionalerzugestaltenodernicht.DieGegenüberstellungdieser beiden Funktionen kann eigentlich nur zu dem Schluss führen, dass man es nicht tun sollte.

Begründetwerdenkanndiesdamit,dassdieseFigurhistorischzu‚belastet‘ist,alsdasssolcheine

Inszenierungstattfindensollte.Hitler,dieInkarnationdesBösen,stelltfüreigentlichjedenetwas darodersogarnochmehralsdas,dajedereineMeinungzuihmhat,dieimRegelfalllautet,dass manihnhasstunddieszumeistohneEinschränkungen.DieseFiguristnuneinmalverantwortlich für eine der größten Katastrophen der Geschichte und auch ein Film, der normalerweise den eigenen und nicht historischen Regeln folgt, sollte diesen Sachverhalt beachten und erkennen,

welchen Effekt diese dramatische Inszenierung des Selbstmords der Filmfigur Hitler auslöst.

Natürlich sind dramatische Darstellungen und Inszenierungen normalerweise bei Tod oder

SelbstmordimFilmbedeutsam,dochbeiderFigurHitlerverbietetsichdieseEffekthascherei,wie man es auch drehen und wenden mag. Dies gilt zumindest für einen Film, der ein möglichst facettenreichesundauthentischesBildHitlersaufzeigenwill,jedochwenigerfüreineParodieoder

Karikatur,diemitdieserFigur‚spielt‘,aberdiesmitoffenenKartenundvonBeginnan.

104 DiskussionundFazit DasZeigendesTodsHitlersaufvisuellerEbenehätte ein Zeichen gesetzt, doch setzt dieses DerUntergang nicht,sondernblendetausundzeigtstattdessendieReaktionenderBunker bewohnerundihrungläubigesEntsetzenbeiLingesFeststellung,dass„es“passiertsei,wodurch auchgezeigtwird,dassderTodHitlersansichzunächstnichteinmalalssolcherbezeichnetwird, sonderndurchdasneutralePronomen„es“ersetztwird,alsobesdas„Unvorstellbare“wäre,wie

WENDERS schreibt.Eskannaberaucheinfachnursoneutralbezeichnetwerden,weildas,was jederzuvorwusste,nunauchschließlicheingetretenist.DurchdieseneutraleBenennungunddas

NichtZeigen vermittelt der Film keine Haltung, sondern überlässt dem Zuschauer eine

Entscheidung,wieerdenSuizidHitlerszubewertenhabe.WENDERS konstatiert:

AlleinderMangelanErzählhaltungführtdieZuschauerineinschwarzesLoch,in

demsieauf(beinahe)unmerklicheWeisedazugebrachtwerden,dieseZeitdoch

irgendwieausderSichtderTäterzusehen,zumindestmiteinemwohlwollenden

Verständnisfürsie.

Die dramaturgische Inszenierung der Selbsttötung Hitlers könnte zwar aus filmästhetischen

Aspektenalsgelungenbezeichnetwerden,dochimKontextderimFilmverarbeitetenThematik derletztenTageHitlersimFührerbunkeristsiesicherlichalsverwerflichanzusehen.Nichtnur werden Respekt und Ehre gegenüber Hitler demonstriert, sondern auch durch die oftmals subjektiveErzählperspektivewirddieInszenierungnochumemotionaleAspekteerweitert,diedie

Rezeption beeinflussen. Gerade die Wahrnehmung der Identifikationsfigur Traudl Junge (Er schrecken beim Hören des tödlichen Schusses, Fassungslosigkeit beim Sehen der verhüllten

Leichen und Entsetzen bei der Besichtigung des Tatorts) ist dabei zu kritisieren, da ihre

EmotionendenRezipientenberührenundsieteilweisekritiklosübernommenwerdenkönnen.

Die Betrachtung des Films Der Untergang hat interessante Aspekte und Ergebnisse hervorgebracht,diesowohlpositivalsauchnegativ,aufalleFälleabersicherlichkritischbetrachtet

105 DiskussionundFazit

werden müssen. Doch es stellt sich auch noch die durch den filmhistorischen Kontext auf geworfeneFrage,obderFilmdieZeitseinerEntstehungwiderspiegelt .

DieseFragekanndabei,ungeachtetderSchwächenund Stärken des Films, eindeutig

bejahtwerden.DieslässtsichanhandvielerFaktenerklären:ZumeinenwurdevondenFilme

macherndasGeldfürdieRealisierungihresProjektsaufgebrachtundzudemeinCastzusammen

gebracht,dervielebekanntedeutscheSchauspieleraufbot.DasInteresseseitensderFilmbranche

waralsovorhanden,sowiederGlaubedaran,dassdieserFilmeinErfolgwerdenwürde,wassich

schließlich auch bewahrheitete, wie die Anzahl der Zuschauer in Deutschland mit knapp

4,6Millionenbeweist.

DochdieMotivefürdiesesInteresseaufProduzentenalsauchRezipientenseiteliegen

darinbegründet,dassderUmgangmitderVergangenheitheuteeinandereralsdernochvorein

paar Jahren übliche ist. Dies liegt u.a. an gesellschaftspolitischen Veränderungen, die in

Deutschland stattfanden: Angefangen mit der deutschen Vereinigung 1989/90, die große Um

schwünge mit sich brachte und vor allem auch das Interesse an der gemeinsamen deutschen

Geschichteneuentfachthat.WarnämlichnochzuvorinDDRundBRDdieNaziVergangenheit

unterschiedlichbewältigt,erinnertundauchbewertetworden,sowarabdiesemZeitpunktnun

endlicheinegemeinsameAufarbeitungmöglich.

ZudemwurdevongeschichtswissenschaftlicherSeitedieFrageaufgeworfen,obdieNS

undSEDDiktaturenvergleichbarseienodernicht.UnübersehbarsinddabeinichtnurdieÄhn

lichkeiten (bspw. Kontrolle durch den Staat), aber auch die Widersprüche (bspw. Länge der

Diktatur) dieser beiden Gewaltherrschaften. Die Auflösung der DDR und ihre fast sofort

einsetzende Vergangenheitsaufarbeitung durch die Veröffentlichung vieler Akten der

Staatssicherheit(Stasi)hatdieFragenachTäternundOpfernindenMittelpunktgesetzt.Diese

WissensgiernachAufklärungüberdieMachenschaftendesSEDRegimesalsauchdesLebensder

106 DiskussionundFazit DDRBevölkerunghatnichtnurinderhistorischenForschungInteressehervorgerufen,sondern auch in der Filmbranche, die sich dem Thema zunächst komödiantisch annäherte (bspw.

Wolfgang BECKER s Good Bye, Lenin! ,2003;LeanderHAUßMANN s Sonnenallee , 1999). Der Erfolg dieser‚Nostalgie‘kannalsogenerellesInteresseanhistorischenStoffen,insbesonderedereigenen deutschen Vergangenheit, ausgelöst haben, welche mit entsprechenden Filmen und TV

ProduktionenderletztenJahrezunehmendgedecktwurde.

DanebenspieltsicherlichauchderZeitfaktoreineentscheidendeRolle,daheute,knapp

60JahrenachdemEndederNSSchreckensherrschaftdieletztennochlebendenZeugensterben.

SomitbleibtnichtmehrvielZeit,umdieHistorieausihrerSicht,alsoausersterHand,zuerfahren undumzusetzen,wieesbspw.auchbeim UntergangderFallist,derTraudlJungesJahrealsHitlers

PrivatsekretärinmitdenletztenTagendesFührersdramaturgischverknüpft.Außerdembedeuten diese 60Jahre auch einen einfach durch die Zeit bedingte größere Entfernung und durch die

Tatsache,selbstnichtinvolviertgewesenzusein(waswahrscheinlichfürdiegesamteFilmcrew zutreffendseindürfte),eineDistanzgegenüberdieserThematikzuhaben,dieschonwiederdie

Frage nach den Ursachen und dem Wesen Hitlers hervorrufen, der solch eine Faszination ausgelösthabenmuss,dassihmfasteingesamtesVolkbedingungslosfolgte.

DochnichtnurimMediumFilmspiegelnsichdieUmbrücheinderAuseinandersetzung mitderdeutschenVergangenheitwider,sondernauchAutorennähernsichderNSVergangenheit aufvielfältigeArtundWeiseanundverknüpfensiemitderGegenwart,wiebspw.GünterGRASS inseinerNovelle ImKrebsgang (2002).SowohlWinfriedG.SEBALD mitseinemEssay Luftkriegund

Literatur (1999) als auch Jörg FRIEDRICH mit Der Brand (2002) thematisieren dagegen die

BombardierungdeutscherStädteimZweitenWeltkriegundsinddamitmittendrininderaktuellen

Debatte,inderdarüberdiskutiertwird,obnichtauchdieDeutschenOpferwarenundinwelcher

107 DiskussionundFazit

GrößenordnungoderwelchemVerhältnisdieszutrifftodernicht.Auchin DerUntergang wirddiese

Thematikangerissen,dadieBerlinerZivilbevölkerunginihrerNotgezeigtwird.

EsgibtalsovielfältigeGründe,diezeigen,dass Der Untergang mit seiner Thematik den

Zeitgeistzutreffenscheint,derdemFilmdannauchsolcheinenPublikumserfolgbescherte.Esist nicht nur das Interesse am historischen Stoff an sich, denn dieser dürfte jedem bekannt sein, sonderndieVerknüpfungdesgesteigertenInteressesanpersonifizierterGeschichtsschreibungund das generell vorhandene Interesse an der Figur Adolf Hitler, die selbst heute nochnichtvoll ständigerklärt,aberinDeutschlandzumindestmehrundmehrenttabuisiertscheint.Obwohl Der

Untergang sicherlichseineSchwächen,insbesonderedieInkonsequenzinderDarstellungderFigur

Hitleraufweist,sostehterdochauchalsExempelfürdengesellschaftlichenWandelimUmgang derDeutschenmitihrereigenenVergangenheit,wiedieArbeitzeigt.

UndaucheineganzaktuelleBetrachtungodersogarderAusblickindienaheZukunft

weisendaraufhin,dassHitlerauchweiterhinimFokusdesInteressesinDeutschlandstehenwird.

WiebkeBRAUER konstatiert:„ObdurchDokumentation,SpielfilmoderalsgezeichneteWitzfigur

– der finstere Mythos Hitler wird medial entzaubert [und] in einer medial übersättigten

GesellschaftwerdendieletztenTabusgebrochen,umnochAufmerksamkeitzuerregen“.Dies siehtsiebspw.durchWalterMOERS ’dreiBändeumfassendeComicSerieüberAdolfHitler,die jetztsogarmusikalischmitdemLied„IchhockinmeinemBonker“umgesetztwurde(BRAUER ).

DerNameHitlerwecktInteresse,weshalbauchgeradedieMediendiesemTrendfolgenundihn darstellen.ZurJahreswende2005/06gabesdannauchdieerstenInformationübereinenweiteren

HitlerFilm:DerdeutschjüdischeRegisseurDanielLEVY hatmitdenDreharbeitenzu MeinFührer

– Die wirkliche Wahrheit über Adolf Hitler begonnen, bei dem Helge SCHNEIDER die Hauptrolle

übernehmenundder2007indiedeutschenKinoskommensoll.DerFilmsoll„nichtnureine

HitlerParodie, sondern auch eine Persiflage“ auf den HitlerBoom der letzten Zeit und

108 DiskussionundFazit insbesondere auch von Der Untergang sein und „mit der Entmonumentalisierung des Nazi

Herrschers, seiner Bloßstellung durch Humor“ an Werke wie The Great Dictator anknüpfen

(CROSSLAND andHAAS ).Damitwirdnun–zumindestimFilm–wiederdieSatirealsFormder

DarstellungfürAdolfHitlergenommen,wieesauchschoninden1940erJahrenderFallwar, wobeidiesmaldergroßeUnterschieddarinbesteht,dassderFührerschonlangetotistunddie

Deutschennunwohlselbstüberihnlachenkönnenundauchwollen.

109

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120

Anhang A: Besetzung und Stab

Besetzung

BrunoGanz AdolfHitler AlexandraMariaLara TraudlJunge CorinnaHarfouch MagdaGoebbels UlrichMatthes JosephGoebbels JulianeKöhler EvaBraun HeinoFerch AlbertSpeer ChristianBerkel Prof.Dr.Schenck MatthiasHabich Prof.WernerHaase ThomasKretschmann HermannFegelein MichaelMendl GeneralWeidling AndréHennicke GeneralMohnke UlrichNoethen HeinrichHimmler BirgitMinichmayr GerdaChristian RolfKanies GeneralHansKrebs JustusvonDohnanyi GeneralWilhelmBurgdorf DieterMann FeldmarschallWilhelmKeitel ChristianRedl GeneralAlfredJodl GötzOtto OttoGünsche ThomasLimpinsel HeinzLinge ThomasThieme MartinBormann AlexanderHeld WalterHewel DonevanGunia PeterKranz BettinaRedlich Frl.ConstanzeManziarly HeinrichSchmieder RochusMisch AnnaThalbach HannaReitsch DietrichHollinderbäumer RitterRobertvonGreim UlrikeKrumbiegel DorotheeKranz KarlKranzkowski WilhelmKranz ThorstenKrohn Dr.Stumpfegger JürgenTonkel ErichKempka DevidStriesow FeldwebelTornow FabianBusch ObersturmführerStehr ChristianHoehning ReichsarztSSGrawitz AlexanderSlastin GeneralTschuikow AlineSokar,AmelieMenges,Charlotte dieGoebbelsKinder Stoiber,GregoryBorlein,JuliaBauer, LauraBorlein

121 AnhangA:BesetzungundStab

Stab Regie OliverHirschbiegel Drehbuch BerndEichinger nachdemBuch DerUntergang von JoachimFestund BiszurletztenStunde von TraudlJungeundMelissaMüller Produzent BerndEichinger Herstellungsleitung ChristineRothe Kamera RainerKlausmann Szenenbild BerndLepel Schnitt HansFunck Musik StephanZacharias Besetzung AnDortheBraker Produktionsleitung SilviaTollmann Kostümbild ClaudiaBobsin Maske WaldemarPokromski,MargritNeufink Regieassistenz HanusPolakjr. Spezialeffekte DieNefzers Originalton RolandWinke SoundDesign StefanBusch Mischung MichaelKranz EineProduktionderConstantinFilmProduktionmitUnterstützungderARDDegetoFilmund ORFinCoProduktionEOSProductionundRAICinema. (Quelle: DerUntergang:Filmbuch 46061)

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Anhang B: Sequenzprotokoll

DasSequenzprotokollorientiertsichander‚ExtendedEdition‘.Szenen,dieimKinofilm garnichtvorkommen,sindkursivmarkiertoderesistvermerkt,dassdieSzenelängerist.

Sequenz Zeit Dauer Inhalt 0'00'' 0'13'' Vorspann Rahmen 1 0'13'' 0'43'' Interviewmitschnitt DertoteWinkel mitTraudlJunge Vorgeschichte Bewerbungsgespräch (November 1942) HitlersuchteineSekretärin - AnkunftundBegrüßungHitlers 2 0'57'' 5'11'' - SchäferhundBlondiistbeiJungesProbediktatdabei - JungebekommtdenPosten Einleitung Verschlechterung der Kriegssituation und zunehmende Schwächung Hitlers (April 1945) BerlinunterBeschuss: 6'08'' - Junge,ChristianundFrl.ManziarlyhabenAngst 3 (Szene 4'14'' - HitlerberätsichmitseinemStabüberdieaktuelleSituation: länger) ‚RoteArmee‘nurnoch12kmentfernt - VorbereitungenfürHitlersGeburtstag EvakuierungdesHauptamts 4 10'22'' 1'48'' - StreitzwischenDr.SchenckundSoldaten - Schenckkannbleiben HitlersAbschiedsdefilee 5 12'10'' 1'09'' - Verabschiedungen - HimmlerwillHitlerzurFluchtausBerlinüberreden Abreise 6 13'19'' 1'24'' - Militärsreisenab - Himmlerüberlegt,KontaktmitdenAlliiertenaufzunehmen ‚Germania‘Modell 7 14'43'' 1'49'' - HitlersundSpeersVisionen - Versuch,HitlervoneinerFluchtzuüberzeugen KinderimKampf 8 16'32'' 1'39'' - Peterkämpftmit - StreitmitseinemVater 18'11'' LagebesprechungimBunker 9 (Szene 3'55'' - HitlerdiskutiertmitseinemFührungsstab länger) - LagederZivilbevölkerung

123 AnhangB:Sequenzprotokoll

10 22'06'' 0'41'' DiskussionderMilitärs EhrungderBerlinerHitlerjugend 11 22'47'' 1'56'' - Hitlerverleiht‚EiserneKreuze‘ - Hitlersichtlichgeschwächt 12 24'43'' 0'49'' Junge,ChristianundFrl.ManziarlybesprechenihreLage 13 25'32'' 0'29'' SchenckundMüllerbesprechenihreLage FestderEvaBraun - OrganisationdesFests 14 26'03'' 4'37'' - FestwirddurchGranateneinschlägebeendet <Parallelhandlung:HitlerundSpeerredenüberZerstörungdes Reichs> GeneralWeidling - wirddesVerratsangeklagtundsollerschossenwerden - nachAufklärungderDingewirdWeidlingnichterschossen, 30'40'' sondernvonHitlerzumKommandantenderVerteidigung 15 (Szene 7'49'' vonBerlinernannt länger) <Parallelhandlung:MohnkebeordertSchenckindenBunker;auf demWegdahinentdecktSchenckzurückgelassenenalteFrauenin einemKrankenhaus> <Parallelhandlung:PetersElternstreiten;PeterbeschimpftVater> PeterimKrieg 16 38'29'' 1'02'' - PetersKameradwirderschossen - PeterkannsichvorSoldatenderrussischenArmeeschützen Hauptteil Verlorener Krieg und Selbstmord Hitlers (April 1945) LagebesprechungimKonferenzraum - WutausbruchHitlersübereinennichterfolgtenAngriff 17 39'31'' 4'52'' - EntsetzenderAnwesenden - Hitlererklärt:„DerKriegistverloren.“ Wasnun? - HitlerbietetJungeundChristianFluchthilfean 18 44'23'' 2'11'' - EvaBraunbleibtbeiihm - KusszwischenHitlerundBraun - Anwesendesindverunsichert SpaziergangimGarten 46'34'' - Braun,JungeundChristianspazierenimGarten 19 (Szene 3'31'' - GranateneinschlägelassensiezurückindenBunkerkehren länger) - diedreitreffenaufHitler Fahnenflüchtige - SchenckundMüllerhabenStreitmitSoldaten 20 50'05'' 5'19'' - Soldatenerschießen‚Fahnenflüchtige‛ <Parallelhandlung:StreitGoebbelsundMohnke> 21 55'24'' 2'22'' TelefonatBraunundFegelein 22 55'46'' 1'59'' FamilieGoebbels

124 AnhangB:Sequenzprotokoll 125

- FamilieGoebbelstrifftimBunkerein - SingenfürHitler <Parallelhandlung:SchenckundHaaseamputieren> 23 57'45'' 1'07'' AbschiedgeschenkvonHitler Abschiedsbriefe - BraunschreibtanihreSchwester 24 58'52'' 2'54'' - MagdaGoebbelsschreibtanihrenSohnaus1.Ehe <Parallelhandlung:Bunkerimpressionen> 25 61'46'' 0'30'' HitlerbetrachtetPortraitFriedrichII. PetertrifftseineEltern - kritischeSituationimKellerzwischenPetersVaterund Mann 26 62'16'' 2'39'' - Peterrenntweg - findetseinetotenKameradenundfliehtvorrussischen Soldaten Gerüchte 64'55'' - BesprechungHitlersmitseinemFührungsstab,Gerüchteüber 27 (Szene 5'23'' SchwierigkeitenzwischendenAlliiertenmachendieRunde,neue länger) Hoffnung - HitlergibtKeiteleineneueMission TelegrammvonGöring - GöringwillMachtübernehmen 28 70'18'' 3'55'' - WutausbruchHitlers <Parallelhandlung:AnkunftvonSpeer> <Parallelhandlung:PeterindenKriegswirren> SpeersAbschiedsgespräche - mitMagdaGoebbels 29 74'13'' 8'56'' - mitBraun - mitHitler 30 83'09'' 0'44'' PeterindenKriegswirren;WiedersehenmitseinenEltern GreimundReitschimFührerbunkerundVerratdurchHimmler - HitlerernenntGreimzumOberbefehlshaberderLuftwaffe 83'53'' und 7'26'' 31 (Szene - HimmlerhatdenAlliierteneinKapitulationsangebot länger) unterbreitet - WutausbruchHitlers,derineinemAuftragfürvonGreim endet 32 91'19'' 0'29'' GesprächJungesundBraunsüberFegeleinundHitler GrawitztötetsichundseineFamilie 33 91'48'' 3'07'' <Parallelhandlung:Hitlerwirddarüberinformiert,dassFegelein nichtauffindbarseiundwirdwütend> ErschießungFegeleins - Fegeleinwirdaufgegriffen 34 94'55'' 5'34'' - Standgerichterschießtihn <Parallelhandlung:BraunflehtumGnadefürFegelein;kein

125 AnhangB:Sequenzprotokoll

Erbarmen> <Parallelhandlung:HitlertrifftsichmitFührungsstab> 100'29'' HitlersTestament 3'44'' 35 (Szene länger) 104'13'' HochzeitvonBraunundHitler 1'57'' 36 (Szene länger) 37 106'10'' 2'59'' NachrichtvonKeitel:Lageistaussichtslos VorbereitungenfürSelbstmordHitlers - GünscheorganisiertBenzin 38 109'09'' 6'49'' - dieÄrztekommen - SchäferhundBlondiwirdgetötet 39 116'58'' 2'34'' GesprächJungeundBraun 40 119'32'' 1'18'' LetztesEssenimBunker 41 120'50'' 3'23'' Verabschiedung Selbstmord 42 124'13'' 5'54'' - AdolfHitleristtot - BeseitigungderLeichen Schluss Flucht und Kapitulation (Mai 1945) VerhandlungenmitrussischemGeneral 43 129'07'' 3'28'' <Parallelhandlung:StreitdesStabsüberweiteresVorgehen> 44 132'35'' 7'33'' MagdaGoebbelstötetihresechsKindermitGift Kapitulationwirdausgerufen 45 140'08'' 1'56'' - PeterfindetseineElternermordetvor - ZivilistentrauensichwiederaufdieStraßen TodimBunker 46 142'04'' 3'19'' - SelbstmordderGoebbels - andereBunkerinsassentötensichselbst FluchtausdemFührerbunker 145'23'' <Parallelhandlung:VerlassenerBunker> 47 (Szene 14'48'' - HentschelwandertdurchdenBunker länger) - Russinnensindda Sammelstelle 48 160'11'' 6'47'' - JungeundPeterüberquerendierussischenLinien - dieAnderenergebensich EingeblendeteInformationenzurKapitulation,denOpfernundden 49 166'58'' 1'30'' imFilmdargestelltenFiguren Rahmen 50 168'28'' 1'03'' Interviewmitschnitt DertoteWinkel mitTraudlJunge 169'31' 0'36'' Abspann

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Anhang C: Einstellungsprotokolle ausgewählter Szenen

Im Folgenden sindProtokolleaufgelistet,diebestimmte Szenen genau aufzeigen und sowohl die Bild als auch Tonebene genau darstellen. Die wichtigsten Begriffe (und ihre

Abkürzungen) sind in der folgenden Tabelle vermerkt. Sind keine weiteren Angaben bei

Kameraperspektiveundbewegungangegeben,sohandeltessichumNormalsichtundSteadycam.

Begriffe Einstellungsgröße Kamerabewegung Kameraperspektiv Divers Panoramaaufnahme:P Schwenk:S Normalsicht:NS Rechts:re Totale:T Neigen:N Aufsicht:AS Links:li Halbtotale:HT Rollen:R Untersicht:US Von...nach...:  Halbnahe:HN Oben:ob Amerikanisch:A Fahrt:F Unten:un Nahe:N Handkamera:HK Leicht:le Großaufnahme:G Stark:st Detailaufnahme:D

127 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

128 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

129 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

130 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

131 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

132 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

133 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

134 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

135 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

136 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

137 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

138 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

139 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

140 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

141 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

142 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

143 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

144 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterFilmszenen

145 AnhangC:EinstellungsprotokolleausgewählterSzenen

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