Berliner Zeitung Vom 30.01.1999 Feuilleton Zeichengeber GALERIEN Von Aureliana Sorrento
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aus Berliner Zeitung vom 30.01.1999 Feuilleton Zeichengeber GALERIEN Von Aureliana Sorrento Wiedergekäutes": Ein Galerienbesucher in Hülsen von Polaroidkameras. Darin, im dunkeln, Mitte sprach es gerade aus. Vor dem unendlich oft spannt sie Fäden, um die Strecken und Reflexionen umfunktionierten und uminterpretierten schwarzen der Lichtstrahlen nachzuzeichnen. Es sind auch die Quadrat kommt einem nicht viel anderes in den Sinn. Wege, die unsere Blicke zurücklegen, wenn sie einen Das Malewitsch-Zitat, Teil eines Triptychons, das das Raum erkunden. Die Bezüge, die Mirjam Scheitern der Moderne an ihren ideologischen Kuitenbrouwer dadurch sichtbar macht, sind Verstrickungen versinnbildlichen soll, hängt in der metaphorisch übertragbar. Aber mehr als ein Zeichen Galerie Mathias Kampl neben einer umgedrehten, gibt sie dem Betrachter nicht, der Titel "Das Haus der grau bemalten Leinwand. Komplettiert wird das Qualen" ist der einzige Hinweis in diesem Ensemble durch eine schwarzumwölkte Ansicht von Assoziationsspiel. Künstler sind "Zeichengeber, sonst Hitlers Arbeitszimmer. Die Moderne, so verkündet nichts". Kriegszeichen in einem Grenzraum hat der Maler Heribert Ottersbach in einer sich Anthony Haughey vorgenommen, der in der Erläuterungsschrift, sei wegen ihres Galerie Bodo Niemann Fotoarbeiten ausstellt. universalistischen (sprich: totalitaristischen) "Disputed Territory" ist ein Streifen umkämpftes Anspruchs mitschuldig geworden an den Niemandsland zwischen der Republik Irland und Massengräbern des Jahrhunderts. Sie habe den Nordirland. Haugheys Aufnahmen dokumentieren die Menschen Freiheit versprochen, nicht anders als die Zeit des Waffenstillstands zwischen Katholiken und Spruchbänder über dem Eingangstor der Protestanten. Es sind Landschaftsbilder ohne Ruhe Konzentrationslager. Ottersbachs Beitrag zur und ohne Pathos. Die Schärfeeinstellung der Kamera Diskussion über Moderne, Postmoderne und Zweite hebt Details hervor, die keine Beschaulichkeit Moderne - als hinge sie nicht allen schon zum Halse zulassen. Verstörende Zeichen: lichtblitzartige heraus - ergänzt ein Plakat, auf dem derart Planktonbläschen zwischen den Wellenkämmen, ein tiefsinnige Sätze zu lesen sind wie: "Moderne und gerissenes Drahtseil, eine Blechtonne. Nichts Arbeit macht einsam" oder "Moderne und Arbeit geschieht, die Zeit steht. Nur die Wahrnehmung macht frei". Moderne und Ottersbach macht Beine, schreitet voran, die Sicht verändert sich. Eine möchte man hinzufügen, denkt man an die Künstler, gegensätzliche Erfahrung gewährt eine Video- die von den Nazionalsozialisten verfolgt und Installation von Romana Scheffknecht in der Galerie ermordet wurden. Schon viele Künstler sind an Fricke. Während die auf eine Wand und einen solchem Anspruch auf Weltdeutung und schwarzen Spiegel projizierten Zahlen das Geschichtsschreibung gescheitert. Um so besser, Fortschreiten der Zeit wie im Countdown rückwärts wenn sie sich auf das Kleine und Eigene skandieren, wird die Zeitwahrnehmung des beschränken. Um so schöner, wenn sie andeuten Zuschauers angehalten und auf die erlösende Null statt zu verkünden. Solche wohltuende gelenkt. Dann erscheint sie, paradoxes Bescheidenheit findet sich in den Arbeiten von Lebenszeichen, im Spiegel, dessen Schwärze eine Mirjam Kuitenbrouwer, Anthony Haughey und unergründliche Tiefe suggeriert. Dort fängt die Zeit Romana Scheffknecht. Fenster, Auge, Haus, an, das Leben, das erlebte. Berlin (BLN) Kamera sind die Dinge, aus denen die Niederländerin Kunst Ausstellungs-Rezension Mirijam Kuitenbrouwer Reflexionen über Raum und Wahrnehmung entwickelt. Aus Zahnbürstenhüllen hat sie ein Schachtelhaus wie einen durchsichtigen Ameisenhaufen gebastelt, mit winzigen Puppenhausfenstern perforiert und in der Galerie Wohnmaschine an die Wand gehängt. "Vereinte Aussichten" heißt das Werk - das Licht fällt in die zahllosen Plastikwürfel ein, um gebrochen und in alle Richtungen weitergeleitet zu werden. "Da Fenster das Licht in einen Raum leiten, machen sie diesen Raum erst wahrnehmbar", schrieb die Künstlerin 1993. "Ohne Licht oder Öffnungen kann ein Raum für die visuelle Wahrnehmung nicht existieren." Weil vom Licht unsere Wahrnehmung der Umwelt abhängt, untersucht sie dessen Wege mit der Akribie eines Empirikers. Zur Versuchsanordnung dienen ihr gleißende, geomorphe Gipskörper und aus Berliner Zeitung vom 04.02.1999 Feuilleton Der Heilige in der Bibliothek Marino Zorzi spricht in der FU über die Geschichte der Biblioteca Marciana in Venedig Von Aureliana Sorrento Sein Gesicht ist bekannt, der Mann aber politische Rolle, die Bessarione der Republik weniger. Carpaccio, sagen einige, hat ihn als Modell zuschrieb: Venedig sollte das Erbe von Byzanz für seinen "Heiligen Hieronymus im Studio" übernehmen und zum Bollwerk des Christentums verwendet, den robenumwandeten langbärtigen gegen die Türken werden. 1468 vermachte der Gelehrten in seiner Bibliothek. Wenn es so ist, wie Kardinal seine griechischen Codices dem kunstbeflissene Gerüchteköche meinen, dann hat der venezianischen Staat. In der Schenkungsurkunde Künstler den Kardinal Bessarione mit seinen Meriten verfügte er, daß die Bände allen zugänglich, nie porträtiert - und sogleich heilig gesprochen. Die veräußert und am Markusplatz untergebracht werden Bücher, die ihn umgeben, wären dann die selben sollten. 1 024 Bände kamen bis 1474 nach Bände, die er zeitlebens gesammelt und schließlich Venedig. Fürs erste wurden sie in einer Kammer des dem venezianischen Staat vermacht hat. Sie stellen Palazzo Ducale verstaut; erst später fand die die älteste Sammlung an altgriechischen Codices kostbare Sammlung einen angemessenen Platz: den dar, ohne die kein Philologe auskommen kann, und von Sansovino gebauten Palast an der Piazzetta, wo gehören zum Urbestand der ältesten öffentlichen sich die alten Codices heute noch befinden. Bibliothek der Neuzeit, der Biblioteca Marciana in Berlin (BLN) Italien (I) Medien Bericht Venedig. Die Geschichte der Biblioteca Marciana Historisches war Thema eines Vortrags, den ihr Direktor Marino Zorzi auf Einladung des Italienzentrums der Freien Universität und des Italienischen Kulturinstituts Berlin gehalten hat. Die Entstehung der Bibliothek, sagte Zorzi, hat mit dem Zerfall des byzantinischen Kaiserreichs zu tun und mit den Bestrebungen des Kardinals Bessarione, dessen Kulturerbe zu erhalten. Bessarione, einer der einfluß- und geistreichsten Persönlichkeiten am Hofe Konstantinopels, war Gelehrter und Diplomat. Als Gelehrtem lag ihm die griechische Kultur und besonders die platonische Philosophie am Herzen. Als Diplomat bemühte er sich um eine Versöhnung zwischen Orthodoxen und Katholiken. Denn nur ein gemeinsamer Kreuzzug aller christlichen Staaten hätte das byzantinische Reich vor den Türken retten können, und eine solche Armee war ohne den Papst nicht zusammenzubekommen. 1439 gehörte Bessarione der byzantinischen Legation an, die bei dem ökumenischen Konzil in Ferrara die Union der zwei Kirchen mit einem Pakt besiegeln sollte. Der Vertrag wurde zwar unterschrieben, der politische Erfolg blieb jedoch aus: Die Griechen in Konstantinopel lehnten die Union ab. Bessarione, enttäuscht, ließ sich in Rom nieder, wo ihn Papst Eugenio IV. zum Kardinal ernannte, und bemühte sich weiterhin darum, einen Kreuzzug zu organisieren. Als ihn 1453 die Nachricht erreichte, daß die Türken Konstantinopel erobert und etliche Bibliotheken zertrümmert hatten, witterte er die Gefahr, die griechische Kultur könne ausgelöscht werden. Seine Sorge war es fortan, eine Bibliothek für seine jetzt heimatlosen Landsleute zusammenzustellen, in der das philosophische und künstlerische Wissen Altgriechenlands verwahrt würde. Zum Standort seiner Büchersammlung wählte er Venedig. Dazu veranlaßte ihn zunächst die an den Kuppeln, an der Architektur der Stadt erkennbare Affinität der Stadt zur byzantinischen Welt, dann die aus Berliner Zeitung vom 04.02.1999 Feuilleton Drei Männer mit einem Bein Ein Festival zeigt neue Filme und restaurierte Klassiker aus Italien Von Aureliana Sorrento Auch wenn in Deutschland davon wenig zu spüren ist: Der italienische Film hat in den letzten Jahren so etwas wie einen Produktionsboom erlebt. Das war natürlich der Sympathie höherer Stellen zu verdanken. Ex-Kulturminister Walter Veltroni gewährte Italiens Filmemachern Fördergelder, die ihnen zwar dem Gesetz nach auch früher zugestanden hätten, aber eben nur "nach dem Gesetz", was auf Italienisch "auf dem Papier" heißt. In deutschen Kinosälen machen italienische Produktionen nur ein Prozent des Angebots aus. Denn italienische Filme haben, wie europäische Filme überhaupt, bekanntlich Schwierigkeiten, über die Grenzen der Heimat hinaus zu gelangen. Da meinte das italienische Kulturministerium zu Recht, dem heimischen Kino noch einmal helfen zu müssen. Auf Geheiß von Veltronis Nachfolgerin Giovanna Melandri wurde kürzlich zur Auslands-Promotion eine "Agentur für die Förderung des italienischen Kinos" gegründet. Zum Auftakt ihrer Tätigkeit hat die ministerielle Agentur mit der Berliner "european media agency" ein kleines Festival auf die Beine gestellt. Bis zum 9. Februar werden neue Produktionen und einige restaurierte Klassiker im Filmkunst 66 und in den Hackeschen Höfen gezeigt. "Teatro di Guerra" von Mario Martone, "L' albero delle pere" von Francesca Archibugi, Marco Risis "L' ultimo capodanno" und "Del perduto amore" von Michele Placido stehen für jenen Typ Film, der sich wieder an zeitgeschichtliche Themen heranwagt, ohne gleich das Komödienhafte herauszufiletieren. Da aber die Italiener gerade im Genre "Komödie" geübte Meister sind, haben