Schneller Schreiben: Neuere Reformversuche, QWERTZ Abzulösen
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FACHMEDIEN von den Vertragsanbietern für Handys bislang zur Verfügung gestellten Produktionen zum Trotz: Musikclip, Filmtrailer und Erotik werden als For- mate zweifellos weiter Bestand haben, aber mög- licherweise entwickeln sich weitere, spezifischere Genres, deren inhaltliche Reduktion nicht ganz so ausgeprägt ist – sie muss es auf jeden Fall nicht Der Autor: sein, im Gegensatz zum computergestützten Multi- Dr. Hans W. Giessen ist Privatdozent an der Fachrichtung Informationswissenschaft der media-Angebot. Universität des Saarlandes, Saarbrücken. Schneller schreiben: Neuere Reformversuche, QWERTZ abzulösen Zusammenfassung: worden. Spätestens aber seit der Einführung des Die heute übliche Zeichenanordnung auf Tas- PCs sind mechanische Widrigkeiten für immer taturen (QWERTZ) ist fast 140 Jahre alt, ver- verbannt. Dennoch hat QWERTZ überlebt. Die gleichsweise langsam und birgt gesundheitliche so genannte Pfadabhängigkeitstheorie führt dies Risiken. Der Beitrag zeigt die Entstehung und auf positive Rückkopplungseffekte zurück: Büro- Probleme von QWERTZ sowie unternommene leiter kaufen die Maschinen, die von den meisten Reformversuche auf. Mit dem Tastaturlayout Büroangestellten beherrscht wurden, und Büro- NEO wird das aktuell vielversprechendste Ablö- angestellte wiederum wurden für die Maschinen semodell vorgestellt. ausgebildet, die am meisten verbreitet waren. Doch die langen Wege, die die Finger im Laufe Die meisten Wissensarbeiter, auch Journalis- des Tages beim Tippen mit QWERTZ zurückle- ten, verbringen einen Großteil ihrer Arbeitszeit gen, bergen das Risiko der Sehnenscheidenentzün- am PC und benutzen dabei eine Tastatur mit dem dung. Nachdem amerikanische Tastaturhersteller bereits 1867 von Christopher Sholes eingeführten zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt wur- QWERTZ-Layout. Nur wenige wissen, dass diese den, drucken sie nun einen Warnhinweis auf die Zeichenanordnung hochgradig ineffizient ist. Rückseite der Keyboards und geben Tipps, wie Als es noch Schreibmaschinen mit so genann- lange Pausen, entspanntes Sitzen u. Ä. Am besten, ten fliegenden Typen gab, haben sich diese an so scheint es, sollte man sich aber dafür entschei- dünnen Metallärmchen platzierten Buchstaben den, überhaupt nicht mehr schreiben. Doch wer beim schnellen Schreiben oft verhakt. Um dies zu hat schon die Wahl? verhindern, wurden häufig benutzte Buchstaben möglichst weit auseinander platziert, um so die Tippgeschwindigkeit zu reduzieren. In ihren Verkaufsgesprächen erzählen die Her- steller davon freilich nichts, sondern brillierten sogar dadurch, dass sie das Wort „TYPE WRITER“ in rasanter Geschwindigkeit zu Papier bringen konnten. Dass es sich dabei um eines der sehr wenigen Worte handelt, deren Buchstaben (auf einer amerikanischen QWERTY-Tastatur) alle in einer Zeichenzeile – der zweiten – liegen, behielten sie ebenfalls für sich. Das Problem, dass sich Buchstaben verhaken, Abb. 1: Maltron-Tastatur mit ergonomischer ist schon zu Zeiten der Schreibmaschine durch Tastenanordnung (Quelle: http://www.maltron. Typenräder, Kugelköpfe oder Typenwalzen gelöst com/maltron-press.html) Fachjournalist 25 Nr. 5 / 2006 FACHMEDIEN Um die gesundheitlichen Risiken zu reduzie- Maus und „Chord-Keyboard“ zwei intuitiv ver- ren, die Schreibgeschwindigkeit zu erhöhen und wendbare Eingabesysteme haben, eines für jede die Fehlerhäufigkeit beim Tippen zurückzufah- Hand. ren, bedarf es einer Reform des Tastaturlayouts. In jüngster Zeit häufen sich wieder Versuche Solche Versuche hat es in der Vergangenheit schon einer weniger abenteuerlichen Tastaturreform, einige Male gegeben, doch bisher konnte sich die zumindest auf der heutigen Hardware basie- ren: Im Januar dieses Jahres hat Shai Coleman mit dem Colemak-Design eine Weiterentwick- lung von Dvorak versucht. Im vergangenen Jahr wurde das RISTOME-Layout beim Bundeswett- bewerb „Jugend forscht“ mit dem ersten Platz in der Kategorie „Arbeitswelt“ ausgezeichnet. Das Akronym geht auf die Familiennamen der Ent- wickler Thorsten Rieger, Nils Stoye und Justus Abb. 2: Veyboard (Quelle: www.veyboard.nl) Menzel zurück. Der erfolgversprechendste Versuch, ein neues , gesünderes und effizienteres Tastaturlayout kein neuer Standard durchsetzen. Die QWERTZ- einzuführen, stellt das 2004 von Hanno Beh- Tatstatur ist „locked-in“, sagen dazu die Pfad- rens vorgestellte NEO-Design dar. Wer es nach abhängigkeitstheoretiker, die Entwicklung ist also so zahlreichen neuen Ideen wagt, eine weitere festgefahren. hinzuzufügen, muss dafür gute Gründe haben. In den 1920er-Jahren versuche es Karl Levas- Behrens scheint sie zu haben, denn viele seiner seur, leider erfolglos. Das 1932 von August Dvo- Zielvorgaben sieht er bisher nicht berücksichtigt. rak vorgestellte Tastaturlayout orientierte sich an der Buchstabenhäufigkeit und der Physiognomie der Hände. Die neue Anordnung hat die Tipp- fehlerquote im Schnitt um 50 Prozent reduziert und die Geschwindigkeit um 15 Prozent gestei- gert. Trotz mehr als 100.000 Nutzern blieb diese Version ein Randphänomen. Auch konnten sich Abb. 3: Die NEO-Tastaturbelegung Helmut Meier 1964, Lilian Malt und Stephen (Quelle: http://pebbles.schattenlauf.de/layout.php) Hobday 1977 (mit ihren sehr abenteuerlichen, dreidimensionalen Maltron-Entwürfen) sowie Diese sind: Claude Marsan 1979 nicht durchsetzen. 1. Die am häufigsten benutzten Zeichen müssen Ein völlig anderer Versuch wurde mit dem sich in einer Zeile, der „Grundlinie“, befinden. 1982 von Herman Schweigman und Rudolf Nitz- 2. Wenn die Hände abwechselnd benutzt werden, sche entwickelten „Veyboard“ unternommen. hat dies Vorteile für Gesundheit und Geschwin- Statt mit Buchstaben arbeitet es mit Silben und digkeit. Daher sollen die Buchstabenpaare, die ermöglicht so mit deutlich weniger Tasten eine am häufigsten aufeinander folgen, gleichmäßig weitaus höhere Schreibgeschwindigkeit. Bei der auf beide Hände verteilt werden. Live-Untertitelung von Fernsehsendungen wird 3. Eine trommelnde Bewegung der Finger von sie häufig benutzt, im Büro dagegen kaum. außen nach innen ist besonders schnell und sollte Mit noch weniger Tasten, nämlich nur fünf, daher vorrangig genutzt werden. wollte Douglas Engelbart, der Erfinder der Com- 4. Zeige- und Mittelfinger sind am stärksten putermaus in den 1960er-Jahren auskommen. und sollten dementsprechend auch am meisten Diese erlauben 2 hoch 5, also 32 Tastenkom- benutzt werden. Die schwächeren Ring- und binationen. Zusammen mit drei Sondertasten kleinen Finger sollten möglichst selten in die kommt man auf volle 96 Zeichen. Die Bedienung Ober- oder Unterzeile gelangen müssen. erfolgt durch Tastenkombinationen, die nicht nur 5. Das Layout orientiert sich an Rechtshändern, leichter als QWERTZ zu erlernen seien, sondern da diese in der Bevölkerung am meisten vertre- zudem ein schnelleres Schreiben ermöglichen ten sind. (QWERTZ bevorzugt übrigens Links- sollten. Nach Engelbarts Vision sollte man mit händer.) Fachjournalist 26 Nr. 5 / 2006 Das Gesundheitswesen verstehen 6. Das Layout orientiert sich in erster Linie an der deutschen, in zweiter Linie an der englischen Sprache. 7. Wenn es statistisch egal ist, wo eine Taste plat- ziert wird, solle der alte Platz bevorzugt werden, um den Lernaufwand zu reduzieren. 8. Außerdem sollten die Tasten, wenn möglich, in Joseph Kuhn logischen Blöcken angeordnet werden, die besser Manfred Wildner erinnert werden können. Gesundheitsdaten 9. Das Hoch- und Runterspringen von Fingern und andere Unvermeidlichkeiten sollen nicht verstehen berücksichtigt werden. 2006. 101 S., 30 Abb., 30 Tab., Kt ᒖ 19.95 / CHF 32.00 10. Das Layout ordnet nur die Tasten um und (ISBN 3-456-84355-0) erfindet keine neue, ergonomischere Darstellung, um die alten Tastaturen weiter benutzen zu kön- Gesundheit ist ein Zukunftsthema. Doch wer weiß, woher nen. man verlässliche Zahlen bekommt? Die neue Anordnung der Tasten basiert bei Behrens sowohl auf statistischen Erkenntnissen der Buchstabenhäufigkeit und -verteilung in Karl W. Lauterbach / deutschsprachigen Texten als auch auf jüngeren, Stephanie Stock / noch wenig beachteten ergonomischen Studien Helmut Brunner (Hrsg.) über Fingerlaufzeiten und Laufrichtungen. Das Gesundheits- Ergebnis: Die 207 am häufigsten verwendeten ökonomie Worte und somit über 50 Prozent eines durch- Lehrbuch für Mediziner und schnittlichen Textes befinden sich nun alle auf der andere Gesundheitsberufe Grundlinie. Allein in dieser Zeile lassen sich über 3.600 Worte schreiben. Bei QWERTZ sind es nur 2006. 348 S., 80 Abb., 71 Tab., 2f, Gb ᒖ 34.95 / CHF 56.00 75. Dadurch erhöht sich die Geschwindigkeit um (ISBN 3-456-84333-X) etwa 30 Prozent und mehr. Der Haken? Die neue Anordnung der Tas- Die ökonomischen Bedingungen ärztlichen Handelns – aus erster Hand erklärt! ten zu erlernen, dauert zwischen 25 und 100 Stunden, die allerdings nach kurzer Zeit wieder wett gemacht sind. Das alte Layout wird Studien zufolge nicht mehr verlernt, die Umgewöhnung dauert etwa eine Minute. Insgesamt also eine loh- Rolf Rosenbrock nende Investition. Thomas Gerlinger Der Umstieg auf NEO ist recht einfach: Die Tasten müssen mit einem Schraubenzieher vor- Gesundheitspolitik sichtig von der Tatstatur abgelöst und in der neu- Eine systematische Ein- en Reihenfolge wieder montiert werden. Für die führung gängigen Betriebssysteme Windows, Linux und 2., vollst. überarb. u. erw. Aufl. 2006. Mac OS gibt es bereits Treiber. Auch eine Lern- 383 S., 16 Abb., 79 Tab., Kt ᒖ 29.95 / CHF 48.90 software kann kostenfrei unter http://pebbles. (ISBN 3-456-84225-2) schattenlauf.de heruntergeladen werden. Einführung in Grundfragen der Gesundheitspolitik und ihre Der Autor: Anwendung auf aktuelle Diskussionen über das deutsche Dipl.-Kfm. Dipl.-Wirtsch.-Päd. Victor A. Tiberius ist Leiter der Deut- schen Fachjournalisten-Schule und betreut dort als Tutor die Module Gesundheitswesen. Medienmanagement und Medienökonomie. www.verlag-hanshuber.com.