Musikforum 2006 04.Pdf

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Musikforum 2006 04.Pdf C M Y CM MY CY CMY K 63280 oktober–dezember 2006___4 4. jahrgang Musik leben und erleben in Deutschland. Singen, statt Frust schieben Vom Stadtfürsten zum Sängerfürst: Chorpräsident Henning Scherf Rappen, statt Steine werfen Das Meisterstück der SchoolTour an der Berliner Rütli- Oberschule DAS MAGAZIN DES DEUTSCHEN MUSIKRATS 7,40 m Probedruck EDITORIAL WERDEN WIR EIN Christian Höppner stummes Volk? Chefredakteur STIMME – WO FANGE ICH AN, WO HÖRE ICH AUF? Die Lust und Last, gerade dieses Thema im Musikforum verdichten zu dürfen und zu müssen, haben die Redaktion schwer beschäftigt. Vom ersten Schrei eines Neugeborenen bis zum Versiegen der Stimme im Tod begleitet sie jeden Menschen als eine seiner wichtigsten Ausdrucksmöglichkeiten. Der „lauschende Blick“, gleichsam aus der Beobachterposition des hinteren Rachenraums, auf die Flut der Laute, die täglich zwischen Erwachen und Einschlafen unseren Mund verlassen, offenbart eine Bandbreite, die uns meist nicht bewusst ist. Diese Vielfalt des „tonalen Mienenspiels“ zu entdecken und auszubauen, sich seiner Umwelt mit wandelbarer Modulation mitteilen und sie differenzierter wahrnehmen zu können – das macht zu einem guten Teil das Ideal einer humanen Gesellschaft aus. Die Fähigkeit, sich selbst zu(zu)hören, ist Voraussetzung, um den Anderen zu hören, ihm zuzuhören. Der Dreiklang Atem–Stimme–Sprache ist der Schlüssel zu uns selbst, zu unserer Umwelt. Damit öffnen sich uns Chancen für den Alltag, denn: Jedem ist eine Stimme gegeben, um sie immer wieder zu erheben und neu erklingen zu lassen – alleine und in Gemeinschaft. Die aus unserer Geschichte abzuleitende Furcht vor der Instrumentalisierung des Singens verstellt immer noch und allzu oft den Blick auf die Perspektiven. Schließlich ist uns nicht nur die Stimme, sondern auch der Gesang gegeben! Wer von sich das Gegenteil behauptet, hat entweder traumatische Kindheitsprägungen oder nie die Schönheit des eigenen Klangs erfahren können. Was wäre für den Einzelnen und unsere Gesellschaft gewonnen, wenn das lustvolle Erleben der eigenen Stimme genauso wichtig (oder gar wichtiger) wäre wie das Blinken des Sterns auf der Kühlerhaube!? Bedenkt man die fundamentale Bedeutung des Singens – wie wir beispielsweise die Wirkung unserer Worte durch Tonmodulation multiplizieren oder Instrumentalspiel vom Gesang her aufbauen –, erscheint es umso fataler, dass unsere Bildungsstätten so wenig für die musisch-ästhetische Erziehung tun. Gerade da, wo Kinder und Jugendliche für „das Leben“ lernen können, fehlt es an Zusammen- hängen, an vernetzten Angeboten in Kindergarten, Schule, Musikschule und – in der Ausbildung – an den Hochschulen. Gesang, Sprecherziehung oder Chor als Einzelfächer, wenn sie denn überhaupt angeboten werden, reichen da nicht aus. Das „Land der Dichter und Denker (und Sänger)“ droht – gemessen an seinen Potenzialen – zur Heimat eines stummen Volks zu degenerieren. In einer mehr und mehr digitalisierten Ödnis ist man deshalb für jedes Hoffnungszeichen dankbar: Etwa, wenn der Deutsche Chorverband mit seinem „Felix“ Kitas auszeichnet, die Kleinkinder musikalisch fördern und zum Singen anregen – ein Vorbild für viele Bildungs- und Kultureinrichtungen. Kulturelle Vielfalt, so müssen wir lernen, definiert sich auch aus der Vielfalt der eigenen Ausdrucks- möglichkeiten. Diese Vielfalt gilt es, ganz im Sinne des 2. Berliner Appells, zu erhalten und auszubauen. Um der Kunst und der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft willen. Ihr Christian Höppner MUSIK ORUM 3 INHALT IM FOKUS: DIE STIMME Wozu das Singen da ist… 8 Birgit Jank macht sich Gedanken zum Gesang – nicht nur im Musikunterricht Jedem Kind seine Stimme Zum Handlungsbedarf „in Sachen“ Gesang schreibt Ulrich Rademacher 12 Die Stimme der deutschen Stimmen Chorpräsident Henning Scherf im Interview 14 Trendwende? Kongress fordert neue Anstrengungen für ein Sing-Revival 17 Phänomene der Akustik: Forschungsergebnisse für die Gesangspraxis 19 „Wellness für die Seele“: Musikschulen machen das Singen zum Thema 21 akzente bildung.forschung wirtschaft Rappen, statt Steine „Herzhaft profan und Systemwechsel für das werfen: Rütli rockt doch wie ein Wunder“ Urheberrecht? Die Neuköllner Oberschule stand für Die „Jungen Symphoniker“ beeindrucken Günter Krings über Sprengstoff in der Randale und Gewalt und machte Schlag- in München alle Kritiker 54 Novelle des „Zweiten Korbs“: Disput um zeilen wegen resignierender Lehrer und Vergütungshöhen und die Regelungen zu verzweifelter Eltern. Die SchoolTour, ein Proklamierte Ziele verfehlt unbekannten Nutzungsarten 52 Projekt der Deutschen Phono-Akademie Bildungsoffensive Musikunterricht: das mit Förderung durch den Deutschen KAS-Grundsatzpapier in der Diskussion 56 Generalangriff des Finanz- Musikrat, lieferte hier mit ihrem Team ihr ministeriums auf Ehrenamt? musikalisch-soziales Meisterstück ab 42 INVENTIO 2006 Reform des Gemeinnützigkeitsrechts Musikpädagogische Projekte prämiert 57 könnte die Laienmusikszene gefährden 53 Musikbildung und Gesundheit Heide Görtz im Gespräch 58 4 MUSIK ORUM Titel: Bildmontage: Bohl/MEV. Im Hintergrund: ein mit Neumen notierter gregorianischer Choral fokus „Singen wir heute?“ 24 Julia Wieneke stellt das neue niedersächsische Chorklassenmodell vor Neue Musik im Biotop Knabenchor Gewitter im Klangdom: Über „reine“ Stimmen und den Mut zu Experimenten. Von Ulrike Liedtke 26 Das Festival „Stimme+“ im ZKM 34 Fluchtlinien der populären Stimme Impulse für eine bunte Wie der Gesang die Popmusik bestimmt, skizziert Christian Bielefeldt 28 europäische Chorszene: Sonja Greiner über „Europa Cantat“ 36 Es gilt der gesungene Ton Spiegelbild der Realität: Peter Ortmann über Jazz und Gesang am Beispiel des Bundesjazzorchesters 30 Die Sängerszene nach dem Deutschen Authentischer Klang: „Jazz-Pädagoge“ Matthias Becker im Gespräch 33 Chorwettbewerb in Kiel 39 porträt dokumentation „Singen öffnet die Seele“ Sopranistin Bettina Pahn über den Weg zum Singen und die Stimmausbildung 45 neuetöne Sch(r)eiben der Gegenwart Zum 20-jährigen Bestehen der „Edition Zeitgenössische Musik“ 48 Tagesware von der DJ-Stange Über 200 Persönlichkeiten Mehr Musikvermittlung in Cover-Versionen und Hit-Recycling beherr- unterzeichnen Berliner Appell Deutschland gefordert schen die Single-Charts – die Folgen 50 Die Forderung des Deutschen Musikrats Kongress in Wildbad Kreuth ruft die nach Stärkung der kulturellen Identität und politischen Entscheidungsträger auf, präsentiert des interkulturellen Dialogs findet breite differenzierte Zugänge zur Musik zu S Unterstützung 59 ermöglichen 61 Projekte im deutschen Musikleben: Creole – Preis für Weltmusik aus Deutschland 63 rubriken MUSIKORUM Editorial 3 oktober–dezember 2006___4 Nachrichten 6 Rezensionen: CDs und Bücher 64 Finale / Impressum 66 DAS MAGAZIN DES DEUTSCHEN MUSIKRAT MUSIK ORUM 5 NACHRICHTEN © SWR/Zoch Preis für elektronische Musik Ab 11. Dezember wird der neue „Giga-Hertz- Preis“ für elektronische Musik ausgelobt, der sowohl das künstlerische Schaffen renom- mierter Komponisten, wie auch neue Projekte unterstützen soll. Initiatoren sind das Experimentalstudio für akustische Kunst und das ZKM-Institut für Musik und Akustik. Der Hauptpreis ist mit 15 000 Euro dotiert. Barenboim: Engagement für musikalische Bildung Daniel Barenboim, Dirigent und Generalmu- sikdirektor der Berliner Staatsoper, hat in seiner Dankesrede zum Kulturgroschen 2006 des Deutschen Kulturrats auf die Notwendigkeit hingewiesen, möglichst vielen Kindern die Welt der klassischen Musik zu eröffnen. Damit würde sich zugleich das Missverständnis er- ˜ Donaueschinger Musiktage ein Publikumsmagnet ledigen, klassische Musik sei elitär. In seiner Laudatio nannte Christian Höppner, Vorsit- „Wir holen die Neue Musik heraus aus dem Elfenbeinturm und bringen sie in den Alltag der zender der Jury zur Verleihung des Kultur- Menschen“, erklärte Festivalleiter und SWR2-Musikredakteur Armin Köhler zum Abschluss groschens und Generalsekretär des Deutschen der Donaueschinger Musiktage 2006. Grund für die Einschätzung war der erneut enorme Musikrats, Daniel Barenboim ein großes Vor- Publikumszuspruch beim weltweit ältesten Festival für zeitgenössische Musik. Alle Veranstal- bild für alle Menschen in verantwortlichen Posi- tungen waren ausverkauft. 24 Uraufführungen und eine deutsche Erstaufführung standen tionen. „Daniel Barenboim versteht sein Enga- auf dem Programm, darunter so unterschiedliche Werke wie Alvin Currans Oh Brass On The gement für die musikalische Bildung auch Grass Alas mit 350 Laienmusikern, eine Divertimento? betitelte Farce für Ensemble von Mauricio als einen Beitrag zur Verständigung zwischen Kagel oder die Konzertinstallation Hyperion – Konzert für Licht und Orchester von Georg den Kulturen. Ich hoffe sehr, dass noch mehr Friedrich Haas mit einer spektakulären Licht-Raum-Installation von rosalie (im Bild oben). Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus Alle Kompositionen waren Auftragswerke des Südwestrundfunks. allen gesellschaftlichen Bereichen seinem Bei- spiel folgen und sich im Sinne des 2. Berliner Appells mit Worten und Taten für die musi- personalia kalische Bildung als eine der Voraussetzun- gen für den Dialog der Kulturen engagieren.“ Till Brönner (im Bild rechts), der Deutschen Orchesterverei- (Siehe dazu Artikel auf S. 59 !). einem der erfolgreichsten deut- nigung, Hartmut Karmeier, Dank an Barenboim: Christian Höppner und schen Jazz-Trompeter, wurde der das Bundesverdienstkreuz am der Vorsitzende des Deutschen Kulturrats, Titel „Deutscher Jazzbotschafter“ Foto: Mümpfer Bande verliehen. Gewürdigt Max Fuchs, mit dem Dirigenten
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