Lesbische Und Schwule Lebensweisen
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Lesbische und schwule Lebensweisen Handreichung für die weiterführenden Schulen 2 Impressum Impressum Herausgeber Berliner Landesinstitut für Schule und Medien (L I S U M) Alt-Friedrichsfelde 60 10315 Berlin Tel. 030-9021-0 www.lisum.de Autor Martin Fuge, geb. Haupt, Lehrer, Projektmitarbeit bei Aufklärung und Beratung zu lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender Lebensweisen - Abqueer e.V. Mitautorinnen Lela Lähnemann, Diplompädagogin, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen - SenBJS Margot Wichniarz, Berliner Landesinstitut für Schule und Medien - L I S U M Einige Teile basieren auf der Handreichung „Gleichgeschlechtliche Beziehungen“ der Freien und Hansestadt Hamburg, 2003, die wir mit freundlicher Genehmigung der Behörde für Bildung und Sport übernehmen durften (im Folgenden: Hamburger Handreichung). Redaktion Margot Wichniarz Druck/Verarbeitung Berliner Landesinstitut für Schule und Medien (L I S U M) Zum Titelbild Das Logo des Fachbereichs für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf der Regenbogenfahne. Grafik des Logos: Detlef Pusch 1. Auflage 1.500 Exemplare Berlin, Dezember 2006 Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder andere Formen der Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Frei für die Nutzung durch die Berliner Schulen. Handreichung - Lesbische und schwule Lebensweisen Lesbische und schwule Lebensweisen Handreichung für den fächerverbindenden und fachübergreifenden Unterricht in der Sekundarstufe I und II der Berliner Schule, für die Fächer Biologie, Deutsch, Englisch, Ethik Geschichte/Sozialkunde, Latein, Psychologie 4 Preisausschreiben Preisausschreiben Werte Leserinnen und Leser, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, wenn Sie eine der in dieser Handreichung vorgestellten Unterrichtseinheiten in der Schule einsetzen, bitten wir Sie anschließend um eine Rückmeldung: Bitte, schicken Sie eine eMail an: [email protected] mit folgenden Informationen: Welche UE haben Sie durchgeführt? In welcher Schule und Klassenstufe? Waren die Erfahrungen mit der UE gut / mittelmäßig oder schlecht? Ggf.: Möchten Sie weitere Erfahrungen oder Anregungen mitteilen? Unter allen Personen, die eine Rückmeldung gegeben haben, wird zum Ende des Jahres 2007 - sowie voraussichtlich auch in den Folgejahren - ein Preis verlost! Lassen Sie sich überraschen! Ihr Abqueer-Team Handreichung - Lesbische und schwule Lebensweisen Vorwort 5 Vorwort Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in den letzten Jahren hat sich das gesellschaftliche Klima homosexuellen Menschen gegenüber gewandelt. Viele Prominente aus allen gesellschaftlichen Bereichen bekennen sich öffentlich zu ihrem gleichgeschlechtlichen Begehren; Lesben und Schwule gehören in Filmen, Fernsehserien, Talks- und Unterhaltungsshows wie selbstverständlich dazu; Frauen gehen Eingetragene Lebenspartnerschaften mit Frauen ein, Männer mit Männern und das „Antidiskriminierungsgesetz“ stellt homosexuelle mit heterosexuellen Menschen gleich und soll sie vor ungerechtfertigter Benachteilung aufgrund ihrer sexuellen Identität schützen. Homosexualität ist immer mehr auf der Ebene der Normalität angekommen. Dies findet sich auch in den administrativen Vorgaben, die im Schulgesetz und in den Rahmenlehrplänen für die Berliner Schule festgeschrieben sind, wieder. So hat jeder junge Mensch unabhängig von seiner sexuellen Identität ein Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung. Viele Fächer bieten mittlerweile die Möglichkeit, das „Andere“ kennen zu lernen und sich konstruktiv damit auseinanderzusetzen. 1 Mit der vorliegenden Handreichung möchten wir nun noch einen Schritt weitergehen und Pädagoginnen und Pädagogen durch konkrete Unterrichtsvorschläge ermutigen, das Thema Homosexualität im Unterricht „anzupacken“. Sie, liebe Kollegin, lieber Kollege, können dazu beitragen, dass lesbische und schwule junge Menschen ein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln und ihnen ihre Mitschülerinnen und -schüler mit Offenheit, Selbstverständlichkeit und Akzeptanz begegnen. Mascha Kleinschmidt-Bräutigam Dezember 2006 1 Eine ausführliche Zusammenstellung von Fachinhalten, die sich auf Homosexualität beziehen, finden Sie im Informations- und Materialteil. Handreichung - Lesbische und schwule Lebensweisen 6 Handreichung - Lesbische und schwule Lebensweisen Inhaltsverzeichnis 7 Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort - Mascha Kleinschmidt-Bräutigam 5 Das Thema „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen in Schule und Unterricht“ 9 Hinweise für Schulleiterinnen, Schulleiter und Lehrkräfte 12 Anforderungen, die mit den Unterrichtsbeispielen verbunden sind 13 Vorurteile als methodisches Problem 13 Die Frage nach dem „Warum“ als Problem 14 Unterrichtsvorschläge 15 Anmerkungen zu den Spielen zum Kontakt Aufnehmen und Kennenlernen 16 Anmerkungen zum Rollenspiel 16 U 01 Kleines Begriffslexikon 18 U 02 Spiele zum Kontakt Aufnehmen und Kennenlernen 21 U 03 „Vorurteile und Realitäten“ in Bezug auf Homosexualität 26 U 04 Spielerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Liebe und Sexualität“ 28 U 05 Warum werden manche Menschen homosexuell? 30 U 06 Die Lebenssituation von lesbischen und schwulen Jugendlichen 32 U 07 Ein lesbisches oder schwules Wochenende 34 U 08 Ist schwul als Schimpfwort „cool“? 37 U 09 Lesbische und schwule Coming-out-Geschichten 41 U 10 Rollenspiele gegen Vorurteile 44 U 11 Filme zum Coming-out 46 U 12 „Homos“ in der Werbung/Werbung für „Homos“ 49 U 13 Ich bin schwul und das ist auch gut so! - Berühmte „Homos“ 50 U 14 Durcheinander im Poesiealbum 52 U 15 Wenn ich …. 55 U 16 Wir wollen heiraten 57 U 17 Ehe- und Lebenspartnerschaftsrecht in Deutschland 59 U 18 Meine Mutter liebt eine Frau 64 U 19 Menschen leben und lieben verschieden? 66 U 20 Gleichgeschlechtliche Liebe in der Jugendliteratur 68 U 21 Homosexualität bei Thomas Mann 75 U 22 Did you see that? Est-ce que tu as vu ça? 77 Handreichung - Lesbische und schwule Lebensweisen 8 Inhaltsverzeichnis U 23 Hände weg von meinen Knaben – Catull und die Knabenliebe 79 U 24 Lesbisch-schwule Comics 82 U 25 Was heißt denn C S D ? 87 U 26 Homosexuellenverfolgung im Nationalsozialismus 89 U 27 Unrecht und Recht 115 U 28 Stereotypes and Oppression 117 Informations- und Materialteil 121 1 A V 27: Sexualerziehung 122 2 Homosexualität in den Rahmenlehrplänen für die Berliner Schule 124 3 Rundschreiben I / 2005 „Information über gleichgeschlechtliche Le- 128 bensweisen bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund“ 4 „Çiğdem ist lesbisch. Vera auch! Sie gehören zu uns. Jederzeit!“ 129 5 Homosexualität bei Thomas Mann - Anregungen für den 149 Deutschunterricht 6 Zur Lebenssituation von intersexuellen, transgender und transidenten 153 Jugendlichen 7 Zweigeschlechtlichkeit als soziale Konstruktion - Dekonstruktivistisches 156 Geschlechterverständnis, gender studies und queer theory 8 Prominente Lesben, Schwule, Bisexuelle 161 9 Jugendvideoproduktionen als Bildungsmittel auf DVD und Video 170 10 DVD-Empfehlungen für den Englisch-Unterricht in Sek. II 171 Handreichung - Lesbische und schwule Lebensweisen Das Thema „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ in Schule und Unterricht 9 Das Thema „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ in Schule und Unterricht Beschimpfungen wie „schwule Sau“ oder „alte Lesbe“ sind nach wie vor auf den Schulhöfen und Pausenfluren präsent. In letzter Zeit wird das Wort „schwul“ in Verbindung mit Gegenständen auch im Sinne von doof, blöd, schlecht, langweilig („Der Arbeitsbogen ist ja voll schwul!“) benutzt. Sicherlich hat sich in den letzten Jahren das gesellschaftliche Klima in Bezug auf das Thema Homosexualität gewandelt. Berlin, Paris und Hamburg haben offen schwule Bürgermeister; Lesben und Schwule sind häufige Gäste in Talkshows. Doch spiegelt sich diese gesellschaftliche Offenheit erst vereinzelt in den Klassenräumen, Lehrerzimmern und Pausenhöfen der Berliner Schule wider. Bedenkt man, dass ca. 5-10% aller Erwachsenen homosexuell leben und dass das Alter des inneren Coming-outs1, also der Selbsterkenntnis das eigene Geschlecht zu begehren, etwa zwischen dem 12. und 17. Lebensjahr liegt, muss es demnach ca. 5-10% lesbische und schwule Jugendliche geben. Sie sind aber in den Berliner Klassenzimmern weitgehend unsichtbar. Offensichtlich ist das Klima an vielen Berliner Schulen noch nicht wirklich geeignet, junge Lesben, Schwule und Bisexuelle zum Coming-out zu ermutigen: Die Selbstverständlichkeit der Heterosexualität und Angst vor Ausgrenzung dürften Gründe dafür sein.2 Dabei ist das Coming-out ein wesentlicher Schritt zum Erwachsenwerden und bei der Entwicklung einer starken, gesunden und lebensfrohen Persönlichkeit. Ganz oft aber haben junge Homosexuelle das Gefühl, abseits zu stehen, nicht mitgemeint zu sein, wenn in der Schule und ihren Familien über das Leben so gesprochen wird, als sei es nur in einer heterosexuellen Partnerschaft zu verwirklichen. Eine Berliner Studie3 illustriert eindrucksvoll dieses Lebensgefühl lesbischer oder schwuler Teenager in Berlin. Es fehlen Informationen über Homosexualität. Nur wenige Freun- dinnen und Freunde, ganz selten Lehrerinnen oder Lehrer werden ins Vertrauen gezogen und um Rat gebeten: Letzteres sollte angesichts der Zeit, die Jugendliche in der Schule verbringen, und des Erziehungsauftrags der Schule alle Lehrerinnen und Lehrer nachdenklich stimmen. Bei homosexuellen Jugendlichen ist von einer mindestens viermal so hohen Rate von Suizidversuchen wie bei heterosexuellen Jugendlichen auszugehen. Befragte Jugendliche geben