Doktorarbeit/ Femina Ludens
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DAS MOTIV DER „FEMINA LUDENS“ IM WERK VON LUCAS VAN LEYDEN. EXEMPLARISCHE ANALYSEN Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines DOKTORS DER PHILOSOPHIE (Dr. phil.) von der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Karlsruhe angenommene DISSERTATION von Katharina Büttner aus Frankfurt am Main Dekan: Prof. Dr. phil. Uwe Japp 1. Gutachter: Prof. Dr. phil. Norbert Schneider 2. Gutachter: Prof. Dr. phil. Detlef Hoffmann Tag der mündlichen Prüfung: 22. Februar 2007 INHALT EINLEITUNG 1 I. LUDISCHE INSZENIERUNGEN IN LUCAS VAN LEYDENS SCHACHPARTIE SPIEL, SPIELER, SPIELERIN 5 GESCHLECHTERPERFORMANZEN 12 INTERKOMMUNIKATIVE FIGURENKONSTELLATIONEN 19 LUCAS VAN LEYDEN UND DAS THEMA DER FRAUENLISTEN 27 EXKURS: URBANES PUBLIKUM IN VAN LEYDENS FRAUENLISTEN - REZEPTION UND IDENTIFIKATION 33 II. LUCAS VAN LEYDENS KARTENLEGERIN ODER KARTENSPIELERIN ? DIE GESCHICHTE EINES FRAGWÜRDIGEN TITELS 37 DIE KARTENSPIELERIN UND DAS PROBLEM EINER „SCHWEBENDEN“ INTERPRETATION 43 EXKURS: MARGARETE VON ÖSTERREICH ALS FEMINA LUDENS ? 60 FRAU UND NARR – PAARPARALLELEN 67 FIGUREN UND SZENARIEN IM KULTURELLEN KONTEXT 74 III. DIE MADRIDER KARTENSPIELER DIE KARTENSPIELERIN IM DREIECK 85 IKONOGRAPHISCHER EXKURS: UNGLEICHES PAAR, LIEBESGARTEN UND LASTERTRADITION 96 IV. DIE KARTENSPIELER AUS WILTON HOUSE EINE SYNTHESE DER SPIELEBILDER LUCAS VAN LEYDENS 114 V. DIE VERBREITUNG DES MOTIVS DER FEMINA LUDENS KOPIEN ODER NEUSCHÖPFUNGEN 126 VI. DIE FEMINA LUDENS IN ITALIEN GIULIO CAMPI – SOFONISBA ANGUISSOLA 143 VII. AUSBLICK DIE CARAVAGGESKE FEMINA LUDENS UND DIE NIEDER- LÄNDISCHE GENREMALEREI 165 VIII. ZUSAMMENFASSUNG 180 IX. LITERATURVERZEICHNIS 184 X. ABBILDUNGSVERZEICHNIS 201 ANHANG: ABBILDUNGEN (CD-ROM) Katharina Büttner Das Motiv der „femina ludens“ im Werk von Lucas van Leyden. 1 Exemplarische Analysen EINLEITUNG Der spanische Filmregisseur Luis Buñuel arrangiert in der Schlussszene seiner bitteren blasphemisch-surrealistischen Parodie Viridiana (1961) drei Protagonisten bedeutungsvoll um einen Tisch (Abb. 1): Die keusche Ex-Novizin Viridiana, ihr zupackender Macho-Vetter Jorge und dessen Geliebte, die reifere Haushälterin Ramona formieren sich zu einer pikanten Ménage à trois beim Kartenspiel. Die durch spanische Jazzmusik untermalte Spielsituation kennzeichnet das Scheitern der Hauptfigur Viridiana in ihrer Eigenschaft als christlich-karitative Welterverbesserin und ihre Hinwendung zum Profanen. Der selbstbewusste und keineswegs sozialromantische Jorge kommentiert diesen Sinneswandel seiner Cousine mit den einfachen Worten: „Ich war ganz sicher, dass du eines Tages mit uns Karten spielen würdest.“ Die Zensur im katholisch-franquistischen Spanien verhinderte zunächst die erste Version der Schlussszene, in der Jorge einfach nur die Tür wieder hinter sich schließen sollte, nachdem er die klopfende Viridiana in sein Zimmer hat eintreten lassen. Nach jenen moralischen Bedenken der Zensoren drehte Buñuel dann die zweite, aus seiner Sicht in ihrer Doppelbödigkeit aber ungleich verwerflichere Kartenspielszene.1 Schließlich wurde der Film im damaligen Spanien ganz verboten. Das bei Buñuel filmisch kommunizierte liebesallegorisch-parodistische Bedeutungspotential des (Karten-) Spielmotivs scheint bereits zur Entstehungszeit der Spielebilder des niederländischen Malers und Grafikers Lucas van Leyden (1494?-1533) in seinem Symbolgehalt nicht unbekannt gewesen zu sein. Van Leydens Bearbeitung der Spielthematik steht hierbei am Anfang einer Profanikonographie, die auch im Medium der (Genre-)Malerei als bildwürdig erachtet wurde. Die vorliegende Arbeit fokussiert das Motiv der spielenden Frau im Oeuvre des Leidener Künstlers und verfolgt exemplarisch dessen Rezeption bzw. Verbreitung bis in die niederländische Genremalerei des 17. Jahrhunderts. Grundlage für die Gemäldeanalysen bildet Elise Lawton Smiths Catalogue 1 Vgl. Karasek, Hellmuth: Mein Kino. Die 100 schönsten Filme, München 1999, S. 369 f. Hier verweist der Autor auf die sexualmetaphorische Bedeutungsebene der spanischen Redewendung „tute spielen“. Katharina Büttner Das Motiv der „femina ludens“ im Werk von Lucas van Leyden. 2 Exemplarische Analysen Raisonnée, in dem die Autorin einen stilistisch-ikonographischen Überblick über van Leydens malerisches Oeuvre gibt, ergänzt durch umfangreiche bibliographische Angaben.2 Ellen S. Jacobowitz und Stephanie Loeb Stepanek liefern in ihrem Werkkatalog relevante Daten zum druckgraphischen Werk van Leydens mit seinen Bezügen zur zeitgenössischen Graphik.3 Dem italienisch-niederländischen Motivtaustausch über die niederländischen Caravaggisten kommt bei der o.g. Verbreitung der femina ludens-Thematik eine zentrale Bedeutung zu. Wichtige Impulse zum vertieften Studium dieser künstlerischen Nord-Süd-Beziehungen gab Francesca Bottacin in ihrem 2002 veröffentlichten Aufsatz zu Caravaggios Falschspielern (ca. 1595).4 Mit den vorliegenden ikonographischen Analysen sollen Entwicklungslinien, Kontinuitäten, Brüche und Paradoxa der Motivtradierung im Mittelpunkt stehen. Der Begriff der femina ludens ist hierbei als Kontrast zum maskulinen homo ludens aufzufassen und betont die durch die Kategorie des Geschlechts bedingten Bedeutungsdifferenzen.5 Zum Motiv der femina ludens im Werk des Lucas van Leyden liegt bislang keine ikonographische Monographie vor. Lediglich 2 Smith, Elise Lawton: The paintings of Lucas van Leyden. A new appraisal, with catalogue raisonné, Columbia/London 1992. 3 Jacobowitz, Ellen S./Stepanek, Stephanie Loeb: The prints of Lucas van Leyden & his contemporaries, Washington 1983. Vgl. zur Druckgraphik auch Salamon, Silverio (Hrsg.): Lucas van Leyden (Leyda 1494- 1533). Quinto centenario della nascità (1494-1994), Turin 1994. 4 Vgl. Bottacin, Francesca: Giochi di carte, inganni e cortigiane: Caravaggio e gli olandesi, in: Critica d´arte 65/2002, Nr. 15, S. 70-79. 5 Der Begriff Homo Ludens wurde von Johan Huizinga 1939 in seiner gleichnamigen Schrift eingeführt und basiert im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit auf einer umfassenden allgemeinen kulturphilosophischen Untersuchung, in der die entwicklungsgeschichtliche Definition des Menschen durch die Einheit von Kultur und Spiel bestimmt wird; vgl. Huizinga, Johan: Homo Ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelements der Kultur, Amsterdam 1939. Vgl. zum Begriff der femina ludens aus gesellschaftsgeschichtlich-diskursiver Perspektive Reimöller, Helma: Die zwei Gesichter der femina ludens. Bemerkungen zur Kartenspielerin im spätmittelalterlichen Diskurs, in: Lundt, Bea/Reimöller, Helma (Hrsg.): Von Aufbruch und Utopie: Perspektiven einer neuen Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters; für und mit Ferdinand Seibt aus Anlaß seines 65. Geburtstages, Köln u.a. 1992, S. 303-321. Zur Kategorie des Geschlechts in der historischen und kunsthistorischen Forschung s. Zimmermann, Anja u.a. (Hrsg.): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung, Berlin 2006; Frevert, Ute: „Mann und Weib, und Weib und Mann“: Geschlechter-Differenzen in der Moderne, München 1995; Bock, Gisela: Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2000. Katharina Büttner Das Motiv der „femina ludens“ im Werk von Lucas van Leyden. 3 Exemplarische Analysen vereinzelte allgemeine Studien zu den Spielebildern des Leidener Künstlers thematisieren den ludisch-allegorischen Motivkreis – wie z.B. die umfangreichen panoramatisch angelegten spielallegorischen Untersuchungen von Heinrich Hens zur frühneuzeitlichen Ikonographie des Kartenspiels, die 2001 publiziert wurden.6 Sowohl spielgeschichtliche als auch spielallegorische Gesichtspunkte fließen in die kulturgeschichtliche Kontextualisierung vorliegender Motivuntersuchungen mit ein. Einen grundlegenden Beitrag zur kultur- und kunsthistorischen Bedeutung des Kartenspiels leistete insbesondere Detlef Hoffmann in seinen epochen- und kulturübergreifenden Untersuchungen des Sammlungsbestands des deutschen Spielkartenmuseums in Leinfelden-Echterdingen.7 Marion Fabers Dissertation über das Schachspielmotiv in der europäischen Malerei und Graphik liefert ebenfalls relevante ikonographische und spielgeschichtliche Untersuchungsergebnisse.8 Rezeptionsästhetische Aspekte ergänzen das Methodenspektrum und berücksichtigen mögliche kommunikative Mechanismen bzw. Muster auch im Hinblick auf die normative Funktion der narrativ-fiktiven Bildhandlung. Die verhaltensethischen Verbindungslinien zu den geschlechtsspezifischen frühneuzeitlichen Didaxen in Bild- und Textmedien werden ebenfalls nachgezeichnet und in ihrer sozialgeschichtlichen Dimension gewürdigt. Insbesondere Norbert Schneiders Übersicht über die Geschichte der europäischen Genremalerei des 15. bis 17. Jahrhunderts behandelt diesen Themenkomplex im Rahmen sozialökonomischer und mentalitätsgeschichtlicher Fragestellungen 6 Hens, Heinrich: Verspielte Tugend - Spielbares Laster: Studien zur Ikonographie des Kartenspiels im 15. und 16. Jahrhundert, 2 Bde., Aachen 2001 (Diss. RWTH Aachen 1998). Die Relation von Spielkultur, Geschlechterverhältnis, Glückskonzeption, Disziplinierung und Moralisierung erörtert Manfred Zöllinger an Beispielen aus Literatur und Ikonographie des 16. bis 18. Jahrhunderts in seinem Aufsatz: „Glueck, puelerey und spiel verkert sich oft und viel“. Stabilität und Krise geschlechtsspezifischer Rollenbilder im Spiel der Frühen Neuzeit, in: L´Homme. Europäische Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft 10.2, 1999, S. 237-256. 7 Vgl. Hoffmann, Detlef: Kultur- und Kunstgeschichte der Spielkarte. Mit einer Dokumentation von Margot Dietrich zu den Spielen des Deutschen Spielkarten-Museums