Die Unterelbe ein romantischer Fluss oder ein geschundener Strom?
Ein Gang durch Geographie, Geschichte und Ökologie oder Wie der Mensch mit der Natur umgeht
24. 01. 2011 Ringvorlesung: Konflikte in Gegenwart und Zukunft, Dr. Ulrich Geffarth Inhalt
Die ganze Elbe - Geographie und Ökologie Die Unterelbe . Geographie und Wirtschaft . Ökologie eines Tideflusses . Besonderheiten der Unterelbe Historische Entwicklung . 6 Jahrhunderte - 1189 bis 1813 . Das 19. Jahrhundert . Das 20. Jahrhundert - bis 1945 . Das 20. Jahrhundert - 1945 bis 1989 . Das Wasser der Elbe im geteilten Deutschland Heute - 1990 bis 2012 Ausblick Die ganze Elbe
Länge 1100 km Wassermenge 850 m³/s Einzugsgebiet 150 000 km² Einwohner ca. 25 Millionen Viertgrößtes Flußgebiet in Europa
Nordwestliche Fließrichtung Mittelgebirgsfluß (Böhmen u. Sachsen) Flachlandfluß (Sachsen bis Hamburg) Tidefluß (Hamburg bis Nordsee)
Ökologie stark wechselnde Wasserführung Mittelelbe agrarisch geprägt, geringe Besiedelung an Nebenflüssen viel Industrie Fischreichtum Die Unterelbe = die Tideelbe
Geographie Fluß im Urstromtal (140 km) Stromspaltungsgebiet (= Hafen) Stromschlauch (eingedeichte Marschen, Inseln, Vorländer) Mündungstrichter (von 2 auf 18 km)
Die Unterelbe = die Tideelbe
Wirtschaft: Einzugsgebiet agrarisch geprägt, aber Hamburg größte Industriestadt in D größter deutscher Hafen östlichster Nordseehafen westlichster Ostseehafen drittgrößter Hafen in Europa Tidehafen = 12000Schiffe / 140 Mio t Ökologie eines Tideflusses
Breiter u. flacher Strom mit Inseln, Sandplatten, Nebenarmen, Auwäldern
Tideeinfluß bis Wehr Geesthacht u. in Nebenflüssen Verweilzeit ein bis drei Wochen
Brackwasserzone = natürliche Sterbezone
Fischerei reichhaltige Fanggründe Flachwasser = Laichgründe Durchzug von Wanderfischen
Sedimente von Oberstrom (mit Gedächtnis!) Besonderheiten der Unterelbe
Meeresspiegelanstieg seit Eiszeit Marschen u. Binnendelta Eindeichungen und Folgen
Sedimenteintrag von Nordsee
Sturmfluten u. Gegenmaßnahmen
Obstbau u. Baumschulen
Ausgeprägte Vogelwelt: Vogelzugweg, Überwinterung, Brutgebiet
Sehr viele Schutzgebiete Die Geschichte der letzten 800 Jahre
Hamburgs Kampf um die Unterelbe = Kampf mit der Natur und den Nachbarn bis heute 1189 - 1813
1189 Barbarossa gewährt Zollfreiheit 13. Jh Kampf gegen Strandräuber 1286 Leuchtfeuer Neuwerk 1321 Beitritt zur Hanse 14. Jh Kampf gegen Seeräuber (1401 Störtebeker) 1450 Tonnen im Fahrwasser 1548 Düpe-Kommission 1639 Lotsenzwang ab 1650 Walfang (Hamburg u. Altona) 13.-18. Jh Hamburg baut Norderelbe aus 16.-18. Jh Hamburg in Konkurrenz zu Harburg, Altona, Stade, Glückstadt ab 1783 direkter Amerikahandel 1813 Kontinentalsperre endet Das 19. Jahrhundert
Hafenerweiterungen = Sprung über die Norderelbe 1818 – 1825 1. Elbvertiefung auf 3.5m SKN Aufkommen der Dampfschifffahrt ab 1850 rasante Industrialisierung 1842 Stadtbrand (ohne Löschwasser) danach Elbwasserwerk u. Sielsystem 1850 - 1862 2. Elbvertiefung auf 4,8m SKN 1825 u. 1855 Sturmfluten bis 1897 Stromregulierung auf 6,0m SKN 1892 Cholera-Epidemie – Gründe, Maßnahmen . Speicherstadt: 20 000 Bürger umgesiedelt Das 19. Jahrhundert
Einflüsse auf die Fischerei ab 1810 WC-Einführung !
Ende 19. Jh Rückgang wegen Regulierung Schifffahrt Schadstoffen
Konkurrenz Nordsee-Fischfang Das 20. Jahrhundert – bis 1945
1908 3. Köhlbrandvertrag 1909/10 3. Elbvertiefung (künstl. Inseln) auf 7,5m SKN 1 Million Einwohner 1921 Staatsvertrag mit Deutschem Reich Hamburg gibt Elbhoheit auf aber „die jeweils größten Schiffe müssen Hamburg erreichen können“ 1922/37 4. Elbvertiefung (künstl. Inseln) auf 9,5m SKN . Groß-Hamburg-Vertrag, Harburg und Altona zu Hamburg 1940 Mühlenberger Loch ausgebaggert Das 20. Jahrhundert – 1945 - 1989
1957/64 5. Elbvertiefung (künstl. Insel) auf 10,5m SKN 1957/59 Staustufe Geesthacht (Gründe, Probleme) 1998 neuer Fischaufstieg Nord 1962 Sturmflut, schwere Schäden, 300 Tote
⇒ Sicherheit
Vordeichungen Sperrwerke Süderelbe geschlossen Das 20. Jahrhundert – 1945 - 1989
1964/69 6. Elbvertiefung auf 11,5m SKN Aufspülungen
1974/78 7. Elbvertiefung auf 13,0m SKN Aufspülungen
1976 Elbe-Seitenkanal eröffnet höchste Sturmflut an der deutschen Nordseeküste Das Wasser der Elbe im geteilten Deutschland
DDR Elbe kein relevanter Verkehrsweg Kaum Abwasserreinigung in Kommunen u. Industrie
BRD Unterelbe = Fördergebiet Industrieansiedlung in Stade u. Brunsbüttel 4 Kernkraftwerke Ölförderung Mittelplate Hg-Quelle in Bayern stillgelegt
HH 1961/1983 Kläranlage Köhlbrandhöft 1983 Ende der Klärschlammverklappung 1988 Kläranlage Dradenau (Nitrifizierung) Das Wasser der Elbe im geteilten Deutschland
Wassergüte “Hochgradig belastet” durch Schwermetalle Organochlorverbindungen Stickstoff Phosphor Fischerei Elbe fischreich (Stint, Flunder, Aal) aber zu viele Schadstoffe enthalten z.B. Quecksilber, PCB
Fischkrankheiten
Fischsterben wegen O2-Mangel Proteste der Fischer 1986 Vermarktungsverbot Internationale Kommission zum Schutz der Elbe Gewässergüte im Vergleich
Schwermetalle (t/a) 1989 2004 % Quecksilber 12 1 92 Blei 110 59 46 Cadmium 6,4 5,2 19 Chrom 190 26 86 Arsen 52 45 13
Organische Stoffe (kg/a) 1989 2004 % Hexachlorbenzol 150 19 87 Trichlormethan 13 000 160 99 Trichlorethen 7 300 <16 > 99 Internationale Kommission zum Schutz der Elbe Gewässergüte im Vergleich
Nährstoffe (t/a) 1989 2004 % Ges. Stickstoff 140 000 75 000 46 Ges. Phosphor 9 100 3 100 66
Summenparameter 1989 2004 % AOX (kg/a) 1 600 000 350 000 78 BSB21(t/a) 430 000 210 000 51
Schadstoffanreicherung (in µg) 1989 2004 % HCB in Wasser 0,1 HCB im Aal 1 000 DDT in Wasser 0,01 DDT im Aal 1 900 Heute - die Unterelbe 1990 bis 2012
1998/99 8. Elbvertiefung auf 14,9m SKN Baggergut 27 Millionen m3
Folgen der Vertiefungen in Hamburg
Tidenhub verstärkt: 1898 1,2m 1996 3,6m Asymmetrische Gezeiten: Ebbe tiefer, Flut schneller Sauerstoff-Löcher Sediment stromauf plus Erosion = Übertiefen u. Verschlammungen
Einsicht der Behörden: “Der lokal gewünschte Effekt hatte woanders unvorhergesehene Folgen”
Sonstige Maßnahmen: Mühlenberger Loch z.T. aufgespült Kohlekraftwerk Moorburg im Bau
neuer Wärmelastplan (Limit 6mg O2) Überwachung: Meßstationen 6 Längsprofilmessungen p.a. 6 Kraftwerke geplant Heute - die Unterelbe 1990 bis 2012
2005 Planungsbeginn 9. Elbvertiefung auf 15,9m SKN
Begründung: Mehr und größere Containerschiffe bes. im Fernosthandel HH muß wettbewerbsfähig bleiben, sonst Verlust von Ladung u. Linien u. von bis zu 40 000 Arbeitsplätzen. Politik: CDU, SPD, FDP dafür Grüne u. NGO dagegen S-H vorsichtig dafür NS fordert Deichsicherheit Vorgesehene Strombaumaßnahmen “Dynamische Maßnahmen wegen der Wasserstandsproblematik” Umlagerung von 40 Mio m3 Baggergut Dämpfung der Tideenergie Schaffung von Tidepotential optimiertes Sedimentmanagement (= Sedimentfalle, Rauheit, Reflexion)
Ausnahmeverfahren wegen Beeinträchtigung von Schutzgebieten Heute - die Unterelbe 1990 bis 2012
Argumente gegen die 9. Vertiefung Bedarf nicht belegt („ökonomisch unsinnig“!) Containerschifffahrt geht zurück HH darf nicht grenzenlos wachsen HH künftig nur noch Regionalhafen Kooperation an dt. Küste gefordert
Einsicht lobenswert, aber Maßnahmen nicht ausreichend bzw. falsch: viele Schutzgebiete werden gefährdet Schierlings-Wasserfenchel gefährdet Sauerstoffmangel wird zunehmen Ausgleichsmaßnahmen z.T. falsch belastete Sedimente nicht umlagern
Stand des Verfahrens Planfeststellung 1. Auslegung 2006 “ 2. “ 2008 “ 3. “ 2010 Heute - die Unterelbe 1990 bis 2012
Hamburg Kooperation der Elbehäfen
Niedersachsen u. Bremen: JadeWeserPort z.Z. im Bau in Wilhelmshaven (Hamburg ist 2002 ausgestiegen) Keine Tiefenbeschränkung 4 Liegeplätze Kapazität 2,4 Mio TEU (Hamburg hat z.Z. ca 9 Mio TEU) Inbetriebnahme 2012 Ausblick
??? Hamburg 21 ???
??? Biosphärenreservat Unterelbe ???