Women's Experiences of Shari'a Law in Banda Aceh
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WOMEN’S EXPERIENCES OF SHARI’A LAW IN BANDA ACEH, INDONESIA Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. vorgelegt von Sita Hidayah aus Banyumas Indonesien SoSe 2019 Erstgutachterin: Prof. Dr. Judith Schlehe Zweitgutachterin: Prof. Dr. Johanna Pink Vorsitzender des Promotionsausschusses der Gemeinsamen Kommission der Philologischen und Philosophischen Fakultät: Prof. Dr. Joachim Grage Datum der Disputation: 26.09.2019 Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ii Women’s Experiences Of Shari'a Law in Banda Aceh DEUTSCHE ZUSAMMENFASSUNG Das gegenwärtige Scharia-Recht unterscheidet sich von demjenigen des letzten Jahrhunderts. Ethnolog_Innen haben sich in den jüngsten Debatten zum Thema Religion im öffentlichen Raum, zu Frauen und zu den Menschenrechten sowie zu den Grenzen des Rechtsbegriffes in vergleichenden Studien über das Scharia-Recht engagiert und in unterschiedlicher Weise damit auseinandergesetzt. Neuere Studien beschäftigen sich mit den paradigmatischen Rechtsgedanken der staatlichen Souveränität, der rechtlichen Einheitlichkeit und dem Säkularismus. Im Rahmen dieser Diskussionen und auf der Grundlage einer zehnmonatigen empirischen Feldforschung, untersucht diese Studie die Erfahrungen von Frauen mit dem Scharia-Gesetz in der Stadt Banda Aceh in Indonesien. Aceh hat einen Sonderautonomie Status in Indonesien inne und ist die einzige Provinz, in welcher das islamische Recht gilt. Die Feldforschung zeigt, dass Erzählungen von Frauen und verkörperte Praktiken des Scharia-Rechts in der Provinzhauptstadt eine Vielzahl von Formen der Diskriminierung im Alltag deutlich machen. Den Rahmen dazu bilden Theorien des Rechtspluralismus, der Anthropologie der Erfahrung und der Intersektionalität. Das Alltagsleben der Frauen wird durch die ständige Aushandlung der normativen Agenda der Disziplinierung durch die Scharia bestimmt und geprägt. Diese Aushandlung und die Ausdrucksformen von Agency (Handlungsfähigkeit) der Frauen sind mit verschiedenen strukturellen Differenzen und Ungleichheitsdimensionen verbunden. Eine gemeinsame Religion des Islam bedeutet weder eine eindeutige Zugehörigkeit zu Aceh-Rechtsordnungen noch bringt sie notwendigerweise dieselben Erfahrungen mit dem Scharia-Recht hervor. Nicht nur Religion und Geschlecht beeinflussen die Erfahrungen. Ethnizität, Klasse, Alter und Raum betreffen das Erleben der Scharia Gesetze ebenfalls. In Bezug auf die ethnische Herkunft zeigt diese Studie, dass eine matrifokale Tradition, als Teil der kulturellen Abstammung und des Rechts (adat), ein Mittel sein kann, um Agency im Rahmen der Erfahrungen mit dem Scharia-Recht in Banda Aceh durchzusetzen. Dies wird als ein entscheidendes Element des Women’s Experiences Of Shari'a Law in Banda Aceh iii Rechtspluralismus gesehen. In Verbindung zu dem Begriff der Klasse zeigt die empirische Untersuchung der Erfahrungen mit dem Scharia-Recht die große Bandbreite von Diskriminierungserfahrungen aufgrund sozioökonomischer Bedingungen. Die Position in einer stratifizierten sozialen Hierarchie beeinflusst die Erfahrung des Scharia-Gesetzes in hohem Maße. Zum Beispiel können wohlhabende Frauen teure Autos mit stark getönten Fenstern oder modische muslimische Kleidung haben, die ihre Position in der Oberklasse signalisieren und auf die ungleiche Handhabung der Politik der Scharia abzielen. Die Reichen und Mächtigen können es sich leisten, sich dem ständigen Blick der strafenden Scharia Autoritäten zu entziehen und sich von den Folgen der Scharia frei zu kaufen. Außerdem sind Scham und Ehre in unterschiedlicher Weise in die Erfahrungen der Scharia-Gesetze eingeschrieben. Das Konzept von marwah (Ehre) weist auf die Klassenunterscheidung in den Erfahrungen von Frauen mit Scharia hin. Das Problem der Peinlichkeit tritt in verschiedenen Geschichten und Formen auf, insbesondere wenn es sich um Frauen handelt, die arm und marginalisiert sind. Wohlhabende und privilegierte Frauen erzählen andere Arten von Geschichten. Nicht von Peinlichkeit, vielmehr von einer anderen Art von Schande. Es ist wichtig, marwah aufrecht zu halten –das Ansehen und die Ehre eines Einzelnen, sei es als reiche Person, als Adlige oder in Bezug auf die Stellung im gampong (Wohnviertel). Diese Studie beschreibt auch, wie Frauen aus verschiedenen Alters—und Lebensphasen die Scharia erleben. Die Erfahrungen mit dem Gesetz der Scharia hängen eng mit persönlichen Erinnerungen und Bedeutungen vergangener Ereignisse zusammen, insbesondere mit den bewaffneten Konflikten und dem Tsunami von 2004. Der Unterschied zwischen jungen und alten Frauen wird offensichtlich in Bezug auf das Wissen über das Scharia-Gesetz und den Grad des Eintauchens in das Bildungsprogramm der Scharia. Die jungen Frauen von Banda Aceh sind mit einem etablierten Scharia-Gesetz groß geworden. Daher glauben viele junge muslimische Frauen, dass die Normen und Praktiken der Scharia ein normaler Bestandteil ihres Lebens sind. Schließlich werden die geschlechtsspezifischen Erfahrungen des Scharia-Rechts mehr oder weniger ausgeprägt auch durch räumliche Dimensionen vermittelt. Erzählungen und Praktiken von Frauen bestehen aus einem komplexen Wissen darüber, wie das Gesetz der Scharia und bestimmte Behörden in bestimmten Räumen arbeiten. Im Fall von Banda Aceh haben sich Frauen, infolge der Einführung des gegenwärtigen Scharia-Rechts, innerhalb anderer Grenzen und engerer Räume zu bewegen als Männer. Der urbane Raum von Banda Aceh bietet einerseits ein gewisses Maß an Anonymität und Eigenverantwortung. Auf der anderen Seite gibt es die Überwachung durch bestimmte Behörden wie die Shari'a-Polizei und Vigilanten. Wenn eine Frau über eine etablierte Zugehörigkeit iv Women’s Experiences Of Shari'a Law in Banda Aceh zu einem gampong verfügt, nimmt die Kontrolle der Scharia ab. Dennoch gibt es klare Anzeichen für ein zunehmendes Eindringen der Shari'a in die Normen und Praktiken von gampong adat. Diese Forschung identifiziert daher die kulturspezifischen, sich kreuzenden Dimensionen von Geschlecht, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Klasse, Alter und Raum als entscheidende Elemente für das Verständnis der Erfahrungen von Frauen in Banda Aceh. Ihre strukturell eingebetteten, lebensweltlichen Denk-, Gefühls- und Handlungsweisen in Bezug auf das Scharia-Recht werden in dieser Studie in Form einer semi-fiktionalen Ethnographie dargestellt. Im Interesse der Anonymität und des Schutzes der Forschungsteilnehmenden wurde eine Reihe ausgewählter Lebensgeschichten von Frauen in Banda Aceh neu kombiniert. Eine Betonung der verkörperten Erfahrungen von sechs Personae bringt ihre sozial, rechtlich und ideell begründete Agency zum Ausdruck. Women’s Experiences Of Shari'a Law in Banda Aceh v vi Women’s Experiences Of Shari'a Law in Banda Aceh SUMMARY Anthropologists have sustained varied and active engagement with the recent debates on the topics of Shari'a law, religion in public spaces, women and human rights, and the limit of the concept of “law” in comparative studies of Shari'a law. Recent studies have challenged the paradigmatic legal thoughts of state sovereignty, legal uniformity and secularism. In the light of this engagement, and based on ten months of empirical fieldwork, this study explores women’s experiences of Shari'a law in the city of Banda Aceh, Indonesia. Aceh has a special autonomy status within Indonesia and is the only province to enact Islamic law. Framed by theories of legal pluralism, the anthropology of experience and intersectionality, this research shows that women’s narratives and embodied practices of Shari'a law in the provincial capital reveal a multiplicity of forms of discrimination in everyday life. The mundane routines of women’s daily lives shape and are shaped by a constant negotiation of the normative agenda of Shari'a discipline. This negotiation and women’s expressions of agency are interrelated with several structural differences and dimensions of inequality. Thus, a shared religion of Islam neither warrants a singular belonging in Aceh’s legal orderings nor does it necessarily bring forth the same experiences of the Shari'a law. It is not just religion that influences experiences. Ethnicity, class, age and space also affect how Shari'a law is lived through. Referring to ethnicity, this study shows that a matrifocal tradition, as a part of cultural descent and law (adat), can be a means of asserting agency in the experiences of Shari'a law in Banda Aceh. This is suggested as a crucial element of legal pluralism. With regard to class, the empirical study of the experiences of Shari'a law shows the wide range of discriminations experienced on socio-economic grounds. One’s position in a stratified social hierarchy strongly affects the experience of Shari'a law. For instance, affluent women may have expensive cars with heavily tinted windows or fashionable Muslim clothing signaling their upper-class position and informing the discriminatory Shari'a policy. The rich and the powerful can afford to stay out Women’s Experiences Of Shari'a Law in Banda Aceh vii of the nonstop gaze of Shari'a authorities and can buy their freedom from Shari'a punishment. Furthermore, shame and honor are ascribed to the experiences of Shari'a law in separate ways. The concept of marwah (honor) indicates the class distinction of women’s experiences of Shari'a. The issue of embarrassment emerges in various stories and forms, especially when it comes to women who are poor and marginalized. Wealthy and privileged women relay different kinds of stories.