ZOBODAT - www.zobodat.at

Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Herpetozoa

Jahr/Year: 1992

Band/Volume: 5_1_2

Autor(en)/Author(s): Kammel Werner

Artikel/Article: Zur Situation der Wiesenotter, Vispera ursinii rakosiensis (Mehely, 1894) (Squamata: Serpentes: Viperidae), in Niederösterreich. 3-11 ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, , download unter www.biologiezentrum.at

HERPETOZOA 5 (1/2): 3-11 Wien, 30. August 1992

Zur Situation der Wiesenotter, Vipera ursinii rakosiensis (MEHELY, 1894) (Squamata: Serpentes: Viperidae), in Niederösterreich

On the status of the Meadow Viper, Vipera ursinii rakosiensis (MEHELY, 1894) (Squamata: Serpentes: Viperidae), in

WERNER KAMMEL

KURZFASSUNG Im Zeitraum von Mai bis September 1991 wurde im Gebiet zwischen den Gemeinden , Mitterndorf, Götzendorf an der Leitha und Enzersdorf an der Fischa (alle im südöstlichen Niederösterreich) nach restlichen Vorkommen der Wiesenotter, Vipera ursinii rakosiensis, gesucht. Aufgrund der Untersuchung sind als potentielle Lebensräume nur noch zwei Areale in Betracht zu ziehen: 1. Das Gelände der ORF-Kurzwellensendeanlage bei ; dieses ist jedoch bestenfalls als suboptimaler Biotop für Vipera ursinii rakosiensis zu bezeichnen. 2. Als Lebensraum wesentlich besser geeignet erscheinen die "Pischelsdorfer Wiesen (Fischawiesen)"; der größte Teil dieser etwa 12 Hektar großen Wiesen steht unter Naturschutz. Für eine nachhaltige Bestandssicherung einer Wiesenotternpopulation werden diese Wiesen jedoch für nicht genügend groß erachtet. Ein Nachweis der Wiesenotter konnte nicht erbracht werden. ABSTRACT From May until September 1991 areas in the vicinity of the villages Himberg, Mitterndorf, Götzendorf an der Leitha, Enzersdorf an der Fischa (all SE Lower Austria) were inspected concerning possible relic populations of the Meadow Viper (Vipera ursinii rakosiensis). As a result of the investigations we can conclude that there are no more than two potential biotopes left in the area investigated: 1. The area of the ORF short-wave transmitter station at Moosbrunn which at the best may be classified suboptimal for V. ursinii rakosiensis. 2. Much more suited biotopes are provided by meadows near Pischelsdorf ("Pischelsdorfer Wiesen, Fischawiesen"). Most parts of this area (12 hectare) are preserved. Nevertheless, these meadows are considered to be of insufficient size to guarantee persistent stocks of Meadow Vipers. No evidence on the presence of Meadow Vipers was obtained. KEYWORDS Vipera ursinii rakosiensis, Lower Austria, distribution

EINLEITUNG

Die Wiesenotter, Vipera ursinii rako- reichische Gesellschaft fur Herpetologie siensis (MEHELY, 1894), eine im ersten ein von der Naturschutzabteilung der Drittel des 20. Jahrhunderts noch regel- Niederösterreichischen Landesregierung fi- mäßig im Gebiet der Ungarischen Tief- nanziell unterstütztes Projekt zur Erfassung ebene und ihrer Ausläufer angetroffene geeigneter Lebensräume und eventueller Giftschlange, ist nach den Beobachtungen Restbestände von Wiesenottern im Bereich der letzten Jahre in großen Teilen ihrer ihrer ehemaligen niederösterreichischen ehemaligen Heimat ausgerottet oder sehr Vorkommen (CABELA & TIEDEMANN selten geworden (CORBETT & al. 1985) 1985) im Raum Wiener Becken / Feuchte und nur noch an wenigen geschützten Plät- Ebene. zen in Ungarn (Kiskunsag und ehemalige Der letzte Nachweis dieser Schlange militärische Übungsgebiete) mit einiger in Österreich datiert aus dem Jahre 1973 Häufigkeit zu finden. und wurde durch den Fund eines überfah- Den internationalen und nationalen renen Jungtieres im Bereich Zitzmannsdor- Bestrebungen zum Schutz dieser ptter fer Wiesen (Seewinkel / Burgenland) er- Rechnung tragend, beantragte die Öster- bracht. Spätere Meldungen aus verschie- ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

WERNER KAMMEL

denen Teilen des ehemaligen öster- Als ausgesprochen stenökes Tier des reichischen Verbreitungsgebietes, die in pannonischen Flachlandes (120 - 200 m Form von Beobachtungen dem Natur- Seehöhe) benötigt die Wiesenotter ein Zu- historischen Museum in Wien zugingen sammentreffen von (Halb)trockenrasen und und denen seit Jahren nachgegangen wird, wechselfeuchten Wiesen. Erstere müssen erwiesen sich bisher als nicht verifizierbar gut strukturiert sein, um dieser Schlange bzw. beruhten auf Verwechslung mit der Hibernationsquartiere und Sonnplätze zu Schlingnatter (Coronella a. austriaca). bieten. Die Feuchtwiesen stellen das Nah- Der vorliegende Bericht umfaßt die rungsreservoir für die Sommermonate dar Ergebnisse des o. a. Projektes. Die Be- (WERNER 1930; SOCHUREK 1940; gehung derjenigen Restflächen, die auf- CORBETT & al. 1985). Durch die unter- grund ihres gegenwärtigen Zustandes und schiedliche Bodenfeuchtigkeit, bzw. zeit- der Biotopansprüche der Wiesenotter weilige Überflutung und durch geringfü- Hoffnungsgebiete darstellen, erfolgte gige Bodenerhebungen ergibt sich in einem durch den Verfasser im Zeitraum von Mai für die Wiesenotter optimalen Biotop ein bis September 1991. Der Untersuchungs- kleinräumiges Mosaik von Pflanzen un- raum umfaßt Gebiete zwischen den Ge- terschiedlicher Wuchshöhe. meinden Himberg, Mitterndorf, Götzen- Als potentielle Lebensräume wurden dorf an der Leitha und Enzersdorf an der nur Wiesenflächen in Betracht gezogen, Fischa, sofern sie nachfolgende Bedingun- die zumindest einige Hektar groß sind. gen einigermaßen erfüllen:

UNTERSUCHUNGSGEBIET UND METHODE

Das Hauptuntersuchungsgebiet wurde des Neubaches und des Kalten Ganges auf Basis der Daten der "Kartierung der (regulierte Zuflüsse der ) nach Herpetofauna Österreichs" (C ABEL A & nicht, bzw. extensiv genutzten Wiesen ge- TIEDEMANN 1985) festgelegt. Es liegt sucht. im Bereich der Gemeinden Himberg, Zur Bestimmung der Flora wurden Velm, Moosbrunn, Mitterndorf, Schra- die Arbeiten von JANCHEN (1975), nawand, , , ROTHMALER & al. (1982, 1987) und Wienerherberg, , Enzersdorf, STEINBACH (1986), zur Vegetations- Margarethen am Moos und Götzendorf kunde die von HOLZNER (1986), WAL- (16°25'-16°37f ö. L. / 47°581-48°061 n. TER & BRECKLE (1986), STÜBER Br.; siehe Abb. 1). Hier wurde im Ein- (1989) und SCHUBERT (1991) verwen- flußbereich der Fischa und ihrer Zuflüsse det. Orthopteren wurden unter Verwen- (Reisenbach, Kiebitzbach, Jesuitenbach, dung des Buches von BELLMANN (1985) Neubach, Piesting und Fürbach), sowie bestimmt.

ERGEBNISSE

Raum Himberg / Velm (Fraxinus excelsior) und Traubenkirschen (Padus avium) bestehend, erhalten geblie- Ein Großteil des Gebietes zwischen ben. In diesem Bereich konnten an Repti- Himberg und Velm (16°25'-16°27I ö. L. / lien Natrix natrix (n = 2) und Lacerta 48°02-48°04' n. Br.) wird intensiv land- agilis (n = 3), an Amphibien Rana dalma- wirtschaftlich genutzt. Auf den restlichen tina (n = 2) und Rana lessonaelesculenta Wiesen längs des Neubaches ist ein Golf- (n > 100; vorwiegend am Ufer eines platz angelegt worden. Direkt am Neubach Drai-nagegerinnes und eines künstlich an- sind Auwaldreste, überwiegend aus Eschen gelegten Teiches) beobachtet werden. Für ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Zur Situation der Wiesenotter, V. ursinii rakosiensis, in Niederösterreich

V. ursinii fehlt ein geeigneter Lebensraum. Lacerta agilis. Die Wiesen zwischen den Die Begehung erfolgte am 04.07.1991, beiden westlichen Quellbächen sind sehr nachmittags. unterschiedlich ausgeprägt. Die nörd- licheren, offensichtlich intensiver be- Raum Moosbrunn / Mitterndorf / wirtschafteten Wiesen sind artenarm, Schranawand kaum strukturiert und einheitlich hoch- wüchsig. Ein teilweise verschilfter Naturschutzgebiet "Brunnlust11 Randbereich wurde im September ab- gebrannt. Im Quellgebiet der Piesting, süd- Der südliche Bereich ist, abgesehen westlich von Moosbrunn, befindet sich ein von den Wiesen direkt an der ORF-Zu- mehrere Hektar großer, unter Naturschutz fahrtsstraße, wesentlich besser strukturiert. gestellter Niedermoorkomplex (16°26' ö. Sie werden jedoch zum Großteil bereits L. / 48°00' n. Br.). Da dieser eine Ende Juni/Anfang Juli gemäht. überwiegend dichte, hochwüchsige Die Grundwasserquellbereiche längs Vegetation aufweist und ein für V. ursinii des östlicheren der beiden westlichen nötiger Trockenbiotop fehlt, wird er als Quellbäche, der zwischen Moosbrunn und potentieller Habitat für diese Schlange Mitterndorf entspringt, sowie längs der nicht in Betracht gezogen. An Reptilien dortigen Drainagegerinne besitzen Nie- konnte Natrix natrix (n = 2) gefunden dermoorcharakter. Auf diesen Flächen werden; weiters kommt hier Lacerta (nahe der ORF-Sendestation) kommen etli- vivipara pannonica vor, die allerdings che unter Schutz stehende Pflanzen in teil- diesmal nicht beobachtet wurde. Die weise großen Beständen vor: Gentiana Begehung erfolgte am 01. 06. 1991 pneumonanthe, Pinguicula vulgaris, Iris nachmittags. sibirica, Gladiolus palustris, Dacty- lorrhiza incarnata (auch var. ochroleuca), Das Gelände der ORF-Kurzwellensende- Dactylorrhiza majalis und Orchis anlage (Abb. 2) militaris. Auf Grund des spät aus- trocknenden Bodens wird hier erst im Das Gelände der ORF-Kurzwellen- September gemäht. Die Wiesen zwischen sendeanlage besteht zum Großteil aus un- den Drainagerinnen sind sehr heterogen terschiedlich intensiv bewirtschafteten und und werden, je nach Bodenfeuchtigkeit, zu bereits drainagierten Wiesen. Der für V. u. unterschiedlichen Jahreszeiten gemäht, rakosiensis. als Lebensraum in Frage kom- abgesehen von den stark verschilften mende Bereich wird im wesentlichen von Flächen. Charakteristisch für diese Wiesen den beiden westlichen Quellbächen des Je- sind große Bestände von Veratrum album suitenbaches begrenzt. Dieses Gebiet um- und vereinzelt Primula farinosa (beides faßt ca. 40 Hektar (16°27'-16O28' ö. L. / Glazialrelikte), weiters Primula veris, 48°00 n. Br.). Der Bereich längs des öst- Ononis spinosa, Galium verum, Cam- lichsten, am nördlichen Ortsrand von Mit- panula glomerata, Anthericum race- terndorf entspringenden Quellbaches wird mosum, Ornithogalum sp., Dactylorrhiza im nachfolgenden Kapitel behandelt. majalis und Orchis militaris. Im Bereich Der westlichste Quellbach entspringt zwischen diesen Quellbächen und dem am südlichen Ortsende von Moosbrunn. nachfolgend zu besprechenden östlichsten Dieses Gebiet wird von dichten Schilfbe- Quellbach des Jesuitenbaches befinden standen und Auwaldresten begrenzt. Zwi- sich, abgesehen von den Randzonen längs schen diesem Schilfgürtel und dem Sied- der Bäche, überwiegend - als Lebensraum lungsgebiet befinden sich kleinflächige für V. ursinii ungeeignete - Fettwiesen und trockene Wiesen und Ruderalfluren, die Äcker. Als potentieller Habitat für die teilweise als Müll- und Kompostablage- Wiesenotter kommen damit nur wenige platz verwendet werden. Sie bieten Hektar in Frage. Vor allem fehlen Lebensraum für Coronella austriaca und großflächigere (Halb)trockenrasen. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

WERNER KAMMEL

10 km

Abb. 1 : Hauptuntersuchungsgebiet (gezeichnet nach den Karten ÖK 59, 60 und 77) Hg. 1 : Main area of investigation (drawn from the charts ÖK 59, 60 and 77). ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Zur Situation der Wiesenotter, V. ursinii rakosiensis, in Niederösterreich

CL

Abb. 2: Das Untersuchungsgebiet Moosbrunn (gezeichnet nach der Karte OK 59) mit den Lurch- und Kriechtierfunden. 1 - Bufo bufo, 2 - Rana dalmatìna, 3 - Lacerta agilis, 4 - Coronella austrìaca, 5 - Natrix natrix. Fig. 2: Research area of Moosbrunn (drawn from the chart ÖK 59) with amphibian and reptile locality records. 1 - Bufo bufo, 2 - Rana dalmatìna, 3 - Lacerta agilis, 4 - Coronella austrìaca, 5 - Natrix natrix. Ungünstig wirkt sich ebenfalls die Lacerta agilis (n = 2) frühe Mahd aus. Amphibien und Reptilien 17.09.: Natrix natrix (n = 2) konnten nur in den Randbereichen dieses 24.09.: Rana dalmatina (n = 1) Gebietes und fallweise längs der Drainage- rinnen {Natrix natrix) gefunden werden. Bereich Mitteradorf / Moosbrunn, östlich- Ein Nachweis der Wiesenotter konnte nicht ster Quellbach des Jesuitenbaches (Abb. 2) erbracht werden. Das offensichtliche Feh- len von Reptilien und Amphibien in den Der östlichste Quellbach des Jesui- offenen Wiesenflächen, die frühe Mahd tenbaches (16°28' ö. L. / 48°00" n. Br.) und die Kleinflächigkeit gut strukturierter entspringt am nördlichen Ortsrand von Wiesen gestatten es, das Gebiet der ORF- Mitterndorf. Die Vegetation im Quellbe- Kurzwellensendeanlage als bestenfalls sub- reich setzt sich aus Schilfbeständen und optimalen Lebensraum für die Wiesenotter teilweise verbuschten Schilfwiesen, die in zu bezeichnen. einigen Bereichen Niedermoorcharakter Folgende Lurche und Kriechtiere besitzen, zusammen. An typischen Pflan- konnten an den Begehungstagen nachge- zen sind in diesem Bereich Gladiolus wiesen werden (Abb. 2): palustris, Epipactis palustris, Gymnadae- 09.05.: Natrix natrix (n = 1), Coro- nia conopsea und Orchis militaris zu nella austriaca (n = 1) finden. Zusammen mit der daran angren- 30.05.: Rana dalmatìna (n = 1), zenden Wiese ist dieses Gebiet allerdings Natrix natrix (n = 3) nur ca. 1 Hektar groß. Bachabwärts wech- 01.06.: Bufo bufo (n = 1), Rana seln einander kleinräumige Schilfbestände dalmatina (n = 1), Natrix natrix (n = 1) mit Auwaldresten (Birken, Eschen, Erlen, 16.09.: Rana dalmatina (n = 1), div. Weiden, u. a.) ab. Bemerkenswert ist ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

WERNER KAMMEL

; 4 2 16°3ri5"ö.L

Abb. 3 und 4: Das Untersuchungsgebiet "Pischelsdorfer Wiesen" (gezeichnet nach der Karte OK 59) mit den Lurch- und Kriechtierfunden. 1 - Bombina bombino, 2 - Rana dalmatina, 3 - Rana lessonae/esculenta, 4 - Hyla arborea, 5 - Bufo bufo, 6 - Bufo viridis, 7 - Lacerta agilis, 8 - Natrix natrix. Figs. 3 and 4: Research area "Pischelsdorfer Wiesen" (drawn from the chart ÖK 59) with amphibian and reptile locality records. 1 - Bombino bombino, 2 - Rana dalmatina, 3 - Rana lessonae/esculenta, 4 - Hyla arborea, 5 - Bufo bufo, 6 - Bufo viridis, 7 - Lacerta agilis, 8 - Natrix natrix. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Zur Situation der Wiesenotter, V. ursinii rakosiensis, in Niederösterreich hier das Vorkommen der Pannonischen Bereich Gramatneusiedl / Ebergassing / Bergeidechse (Lacerta vivipara pannonica) Pischelsdorf / Götzendorf an der Leitha (fide TIEDEMANN). Offene, weniger (östlich der Fischa) stark verwachsene und für die Wiesenotter geeignete Flächen sind nicht vorhanden. Der überwiegende Teil dieses Berei- Folgende Lurche und Kriechtiere ches (16o30'-16°3r ö. L. / 48°0r n. Br.) konnten an den Begehungstagen nachge- wird intensiv agrarwirtschaftlich genutzt. wiesen werden (Abb. 2): Allerdings sind die ca. 10 Hektar 22.05. Natrix natrix (n = 5) großen "Pischelsdorfer Wiesen" nahe der 06.07. Natrix natrix (n = 2) Fischa ("Fischawiesen") unter Schutz ge- 24.09. Lacerta agilis (n = 1) stellt (§ 2 (10) des NÖ NSG; Grundstücke Nr. 1439, 1440, 1445, 1446, 1451, 1452, Uferbereiche der Fischa und des Jesuiten- 1457, 1458, 1463, 1464/2, 1470/1, KG baches südlich von Gramatneusiedl Pischelsdorf, Marktgemeinde Götzendorf an der Leitha). Im Bereich der Gemeinden Schra- Bei diesen Wiesen handelt es sich um nawand, Mitterndorf und Gramatneusiedl ein Vegetationsmosaik aus Feuchtwiesen sind zwischen den Auwaldresten längs der im Bereich verlandeter Flußmäander der Fischa und des Jesuitenbaches (16°26'- Fischa und Trocken- und Halbtrockenrasen 16°29' ö. L. / 47o58f-48°01' n. Br.) nur auf Schotterrücken (STÜBER 1989). Im kleinflächige Schilfbestände, -wiesen und Anschluß daran befindet sich ein ähnlich Hochstaudenfluren erhalten geblieben. strukturierter, ca. 2 Hektar großer Wiesen- Eine nähere Untersuchung wurde nicht streifen nördlich des Bahndammes. vorgenommen, da dieser Bereich als Le- Im Uferbereich der Fischa finden bensraum für Vipera ursinii nicht in Frage sich außer den Auwaldresten kleinflächige kommt. Die Begehung erfolgte am Wiesenreste unterschiedlicher Feuchtigkeit 20.05.1991. und Strukturierung, Schilfbestände und Hochstaudenfluren. Der westliche Teil des Raum Gramatneusiedl / Ebergassing / Naturschutzgebietes besteht überwiegend Pischelsdorf / Götzendorf an der Leitha aus Wechsel feuchten Wiesen mit großen Beständen von Gladiolus palustris; cha- Bereich Gramatneusiedl / Ebergassing rakterisierend für diesen Bereich sind wei- (westlich der Fischa) ters Filipendula vulgaris, Gentiana pneu- monanthe, Galium verum, Veratrum al- Zwischen Fischa und Kiebitzbach bum, Anthericum racemosum, Iris sibirica (16O29'-16°31I ö. L. / 48o01'-48°021 n. u.a. Br.) liegen großflächige Feuchtwiesen, die Die Trocken- und Halbtrockenrasen jedoch zum überwiegenden Teil im östlichen Teil bilden ein artenreiches "meliorisiert" wurden und nunmehr un- Mosaik aus Ononis spinosa, Linum strukturierte hochwüchsige Fettwiesen dar- austriacum, Linum flavum, Polygala ma- stellen. Nur an den südlichen Seiten der jor, Scabiosa ochroleuca, Echium vulgäre, beiden Bahndämme, die dieses Gebiet Rhinanthus sp., Prunella grandiflora, durchschneiden, gibt es Reste wechsel- Phyteuma orbiculare, Muscari comosum, feuchter Wiesen und einen schmalen Stipa pennata agg. u.v.a. Das Vorkommen Schilfgürtel am südlichen Bahndamm. Da von Ziesel (Citellus citellus) und Feldka- diese kleinflächigen Bereiche den Ansprü- ninchen (Oryctolagus cuniculus) fördern chen der Wiesenotter nicht gerecht wer- ein kleinräumiges Vegetationsmosaik. Für den, wurde eine intensivere Untersuchung die Qualität der Pischelsdorfer Wiesen nicht vorgenommen. spricht auch der Artenreichtum der dort Lurche oder Kriechtiere wurden hier teilweise in großen Beständen vorkom- keine beobachtet. Die Begehung erfolgte menden Orchideen (Piatanthera bifolia, am 30.05.1991. Coeloglossum viride, Orchis militaris, Or- ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

10 WERNER KAMMEL

rhiza majalis, Dactylorrhiza incarnata, lessonaelesculenta (n = 5) Gymnadaenia conopsea, Gymnadaenia 01.07.: Bufo bufo (n = 1), Lacerta odoratissimd). agilis (n = 2) Bioindikatoren eines für V. ursinii 05.09.: Rana dalmatina (n = 3), geeigneten Biotopes sind auch Decticus Rana lessonae/esculenta (n > 20), Bufo verrucivorus und Ruspolia nitidula (Sal- bufo (n = 1), Bufo viridis (n = 6), La- tatoria, Tettigoniidae). Diese stark gefähr- certa agilis (n = 7) deten Heuschreckenarten benötigen ebenso 14.09.: Rana dalmatina (n = 1), wie die Wiesenotter großflächigere Wiesen Rana lessonae/esculenta (n > 20), Bufo mit feuchten und trockenen Bereichen viridis (n = 1), Lacerta agilis (n = 1) (ADLBAUER 1987). 15.09.: Rana lessonae/esculenta (n Im Bereich der Feuchtwiesen, auch = 15), Bufo viridis (n = 2), Lacerta agilis nördlich des Bahndammes (außerhalb des (n = 2) Naturschutzgebietes) konnten - auch direkt 25.09.: Bombina bombina (n > 20, in den offenen Wiesenflächen - häufig Aufenthalt aquatisch), Rana dalmatina (n Amphibien beobachtet werden, selten auch = 3), Rana lessonae/esculenta (n = 4), im Bereich der Trocken- und Halbtrocken- Bufo viridis (n = 2), Hyla arborea (n = 1) rasen, die einen Lebensraum für Lacerta agilis bieten. Laichplätze für Amphibien sind ein Teich im Naturschutzgebiet, über- Raum Ebergassing / Wienerherberg / flutete angrenzende Acker und die Fischa Schwadorf / Enzersdorf selbst (Abb. 3 und 4). Die Pischelsdorfer Wiesen stellen Längs der Fischa zwischen Ebergas- einen geeigneten Lebensraum für die Wie- sing und Enzersdorf (16°31'-16036f ö. L. senotter dar. Dafür sprechen die starke / 48°021-48°051 n. Br.) sind durch Land- Strukturierung und unterschiedliche und Forstwirtschaft, Besiedlung und Wuchshöhe der Vegetation und die er- Schotterabbau kaum offene Wiesenflächen wähnte Begleitfauna und -flora. Zur Qua- erhalten geblieben. In erster Linie handelt lität der Wiesen trägt wesentlich die Ver- es sich um kleinflächige Schilfbestände, ordnung bei, daß vor dem 25. Juli (§ 3 (5) NÖ NSG) nicht gemäht werden darf (1991 Hochstaudenfluren (v. a. Symphytum offi- erfolgte die Mahd Ende August/Anfang cinale und Urtica dioica) und gedüngte September). Für eine nachhaltige Be- Fettwiesen. standssicherung einer Wiesenotternpopula- Näher begutachtet wurde die Seiher- tion werden diese Wiesen jedoch für nicht wiese südöstlich von Wienerherberg. Es genügend groß erachtet. Zudem fehlen handelt sich um etwa 2 bis 3 Hektar Wie- ausreichende Pufferzonen zu den angren- sen unterschiedlicher Bodenfeuchte. Sie zenden, intensiv bewirtschafteten Agrarflä- werden bereits Ende Juni gemäht. Die chen. Von Vorteil wäre eine noch spätere Randbereiche dieser Wiesen sind noch et- Mahd (September/Oktober, bzw. nur alle was stärker strukturiert, vereinzelt lassen zwei Jahre). sich auf ihnen Gladiolus palustris, Iris sibirica, Gymnadaenia conopsea, Orchis Ein Nachweis eines Vorkommens der Wiesenotter konnte nicht erbracht werden. militaris und Dactylorrhiza majalis fin- Folgende Lurche und Kriechtiere den. Die neben den Wiesen befindlichen konnten an den Begehungstagen nachge- Kleingewässer, Laichbiotope für Rana les- wiesen werden (Abb. 3 und 4): sonae/esculenta und Bufo bufo, trockneten 31.05.: Rana lessonae/esculenta (n über die Sommermonate teilweise aus. = 4), Lacerta agilis (n = 1) Da die dem Lebensraum der Wie- 02.06.: Bombina bombina (n = 14, senotter entsprechenden Bereiche sehr nachts, bzw. Aufenthalt aquatisch), Rana kleinflächig (unter 1 Hektar) sind, wird ein lessonae/esculenta (n = 12), Hyla arborea Vorkommen von V. ursinii rakosiensis (n > 10, nachts), Natrix natrix (n = 1) nicht erwartet. 23.06.: Rana dalmatina (n = 1), Rana Folgende Lurche und Kriechtiere ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Zur Situation der Wiesenotter, V. ursinii rakosiensis, in Niederösterreich 11

konnten an den Begehungstagen nachge- Raum Götzendorf an der Leitha / Marga- wiesen werden: rethen am Moos 03.06.: Rana lessonaelesculenta (n = 3, Aufenthalt aquatisch), Bufo bufo (n In diesem Bereich (16O35'-16°37I ö. = 1), Lacerta agilis (n = 13), Natrix na- L. / 48o00'-48°041 n. B.) konnten keine trix (n = 1) offenen Wiesenflächen gefunden werden. 04.07. (vormittags): Natrix natrix (n Ein Vorkommen der Wiesenotter ist aus- = 3) zuschließen.

LITERATUR ADLBAUER, K. (1987): Untersuchungen 757 pp. zum Rückgang der Heuschreckenfauna im Raum ROTHMALER, W. & MEUSEL, H. & Graz (Insecta, Salta tona).- Mitt. Naturwiss. Ver. SCHUBERT, R. (Ed.) (1982): Exkursionsflora für Steiermark; 117: 117-165. die Gebiete der DDR und der BRD. Bd. 2: Gefäß- BELLMANN, H. (1985): Heuschrecken be- pflanzen. Berlin (Volk und Wissen), 612 pp. obachten - bestimmen. Melsungen, Neudamm (J. ROTHMALER, W. & MEUSEL, H. & Neumann), pp. 216. SCHUBERT, R. (Ed.) (1987): Exkursionsflora für CABELA, A. & TŒDEMANN, F. (1985): die Gebiete der DDR und der BRD, Bd. 3: Atlas der Atlas der Amphibien und Reptilien Österreichs Gefäßpflanzen. Berlin (Volk und Wissen), 752 pp. (Stand 1984). Neue Denkschriften des Naturhistori- SCHUBERT, R. (1991): Bioindikation in ter- schen Museums in Wien; 4: 1-80. restrischen Ökosystemen. 2. Aufl., Jena (Gustav CORBETT, K. & ANDREN, C. & GROS- Fischer), 338 pp. SENBACHER, K. & PODLOUCKY, R. & STUM- SOCHUREK, E. (1940): Einiges über die PEL, A. (1985): Biogenetic Reserve Assessment for Wiesenotter.- Das Aquarium; 1940: 56-57. Vipera (ursinii) rakosiensis "The Meadow Viper". STEINBACH, G. (1986): Die farbigen Natur- Report of the S.E.H. Conservation Committee, pp. führer. Orchideen. München (Mosaik Verlags 21 (unpubl.). GmbH), 287 pp. HOLZNER, W. & HORVATIC, E. & STÜBER, E. (1989): Der Österreichische KÖLLNER, E. & KÖPPL, W. & POKORNY, M. & Naturführer in Farbe. Innsbruck (Pinguin), 496 pp. SCHARFETTER, E. & SCHRÄM AYR, G. & WALTER, H. & BRECKLE, S.,-W. (1986): STRUDL, M. (1986): Österreichischer Trocken- Ökologie der Erde Bd. 3: Spezielle Ökologie der rasenkatalog.- Grüne Reihe des Bundesministeriums Gemäßigten und Arktischen Zonen Euro-Nordasiens. für Gesundheit und Umweltschutz, Wien; 6: 1-380. Stuttgart (Gustav Fischer), 587 pp. JANCHEN, E. (1975): Flora von Wien, Nie- WERNER, F. (1930): Die Schlangen des derösterreich und Nordburgenland, Bd. 1-4. Verein Burgenlands.- Bgld. Vierteljahreshefte f. Landes- für Landeskunde von Niederöstereich und Wien, kunde, Heimatschutz und Heimatpflege; 3 (1): 13-16

EINGANGSDATUM: 15. Dezember 1991

AUTOR: Mag. Werner KAMMEL, Institut für Zoologie, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitäts- platz 2, A-8010 Graz, Österreich.